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H. Brintzinger und B.Troemer. Beit,rag zur Kenntnis der molek. Kieselsiiure. 237 Ein Beitrag zur Kenntnis der molekulardispersen Kieselsaure. Von H. BRINTZINGEB und B. TROEMER. Mit 8 Figuren im Text. Die Frage nach der Natur der festen - kristallisierten und amorphen - Kieselsaure ist durch das Auffinden wohldefinierter Hydrate des Siliciumdioxyds durch die Untersuchungen von R. SCHWARZ und seinen Mitarbeitern’), sowie von W. BILTZ und E. RAHLB’S2) einen entscheidenden Schritt ihrer Losung naher gebracht worden.s) tfber die geldste Kieselsaure bestehen dagegen noch ver- schiedenartige Anschauungen , die man aus den verschiedenen iiber sie berichtenden Experimentaluntersuchungen gewonnen hat, und die man dann begreiflich findet, wenn man uberlegt, daI3 nicht immer das ganze Existenzgebiet der gelosten Kieselsaure, sondern nur ein Ausschnitt aus diesem von manchen Forschern untersucht worden ist; der Zustand einer Kieselsaureltsung ist aber zweifellos weit- gehend abhangig von der Art der Darstellung, der Konzentration, der Temperatur der Ldsung, sowie von der seit ihrer Herstellung verstrichenen Zeit. Der meist beschrittene Weg zur Herstellung von Kieselsaure- losungen ist die Umsetzung wB6riger Alkalisilikatlosungen mit uber- schussiger verdiinnter Salzstiure. Dabei entsteht zum groBten Teil kolloide, die Dialysatormembran nicht durchwandernde Kieseleaure, wie TH. GRAHAM‘) und nach ihm E. JORDIS und E. H. KANTER~) sowie R. ZsI(3MoNDY und R. HEYEB~) feststellten. Sie beobachteten aber auch schon, daB in diesen Lbsungen eine geringe Menge von l) R. SCBWARZ und Mitarbeiter, Ber. 67 (1924), 477; 68(1925), 73; 60 (1927), W. BILTZund E. RAHLFS, Z. anorg. u. allg. Chem. 172 (1928), 273; s, Siehe auch R. WILrmXTTER, H. KRAUT und K. LOBINQER, Ber. 68 (1925), 4) TH. GRAHAH, Lieb. Ann. 121 (1862), 1. 6, E. JORDIS und E. H. RANTER, Z. anorg. Chern. 36 (1903), 16. 3) R. ZSIQMONDY uiid It. HEYER, Z. anorg. Chem. 68 (1910), 169. 1111, 2263; Zement 17 (1928), 930; Ber. 62 (1929), 31. au5erdem W. BILTZ, Z. Elektrochem. 33 (1927), 491. 2462, sowie W. DILTHEY und E. H~LTERFIOFF, Ber. 62 (1929), 24.

Ein Beitrag zur Kenntnis der molekulardispersen Kieselsäure

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H. Brintzinger und B.Troemer. Beit,rag zur Kenntnis der molek. Kieselsiiure. 237

Ein Beitrag zur Kenntnis der molekulardispersen Kieselsaure. Von H. BRINTZINGEB und B. TROEMER.

Mit 8 Figuren im Text.

Die Frage nach der Natur der f e s t en - kristallisierten und amorphen - Kieselsaure ist durch das Auffinden wohldefinierter Hydrate des Siliciumdioxyds durch die Untersuchungen von R. SCHWARZ und seinen Mitarbeitern’), sowie von W. BILTZ und E. RAHLB’S2) einen entscheidenden Schritt ihrer Losung naher gebracht worden.s)

tfber die ge lds t e Kieselsaure bestehen dagegen noch ver- schiedenartige Anschauungen , die man aus den verschiedenen iiber sie berichtenden Experimentaluntersuchungen gewonnen hat, und die man dann begreiflich findet, wenn man uberlegt, daI3 nicht immer das ganze Existenzgebiet der gelosten Kieselsaure, sondern nur ein Ausschnitt aus diesem von manchen Forschern untersucht worden ist; der Zustand einer Kieselsaureltsung ist aber zweifellos weit- gehend abhangig von der Art der Darstellung, der Konzentration, der Temperatur der Ldsung, sowie von der seit ihrer Herstellung verstrichenen Zeit.

Der meist beschrittene Weg zur Herstellung von Kieselsaure- losungen ist die Umsetzung wB6riger Alkalisilikatlosungen mit uber- schussiger verdiinnter Salzstiure. Dabei entsteht zum groBten Teil kolloide, die Dialysatormembran nicht durchwandernde Kieseleaure, wie TH. GRAHAM‘) und nach ihm E. JORDIS und E. H. KANTER~) sowie R. ZsI(3MoNDY und R. HEYEB~) feststellten. Sie beobachteten aber auch schon, daB in diesen Lbsungen eine geringe Menge von

l) R. SCBWARZ und Mitarbeiter, Ber. 67 (1924), 477; 68(1925), 73; 60 (1927),

W. BILTZ und E. RAHLFS, Z. anorg. u. allg. Chem. 172 (1928), 273;

s, Siehe auch R. WILrmXTTER, H. KRAUT und K. LOBINQER, Ber. 68 (1925),

4) TH. GRAHAH, Lieb. Ann. 121 (1862), 1. 6, E. JORDIS und E. H. RANTER, Z. anorg. Chern. 36 (1903), 16. ‘3) R. ZSIQMONDY uiid It. HEYER, Z. anorg. Chem. 68 (1910), 169.

1111, 2263; Zement 17 (1928), 930; Ber. 62 (1929), 31.

au5erdem W. BILTZ, Z. Elektrochem. 33 (1927), 491.

2462, sowie W. DILTHEY und E. H~LTERFIOFF, Ber. 62 (1929), 24.

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238 H. Brintdnger und B. Troemer.

Xieselshre enthalten war, die durch die Membran diffundieren konnte, also aus kleineren Teilchen bestehen mu6te als die von der Membran zuriickgehaltene Kieselsaure.

Da diese Arbeiten im wesentlichen auf die Darstellung mag- lichst reiner LGsungen kolloider Kieselsiiure hinzielten, wurde die Frage, ob es sich bei der durch die Membran wandernden Kiesel- sgure etwa urn hoherdisperse kolloide oder um molekulardisperse Kieselsaure handle, gar nicht aufgeworfen.

F. MYLIUS und E. GROSCHUFF~) wandten sich zuerst der Er- forschung dieser verschiedenen Arten von gelaster Kieselsaure zu und fanden, indem sie die Unterscheidung der monomolekularen Ortho-, sowie der dimolekularen Pyrophosphorsaure von der poly- molekularen Metaphosphorsaure mit Hilfe der EiweiBreaktion auf die Un ter scheidun g molekular disper ser von hochpoly mer isier ter Kies el- saure iibertrugen, in waBriger EiweiBlosung ein vortreff liches Beagens zur Unterscheidung molekular- von kolloiddisperser Kieselsaure. Sie stellten ferner durch den Vergleich der Gefrierpunktserniedrigung von frischen, die EiweiBreaktion nicht zeigenden mit der von ge- alterten, die EiweiBreaktion gebenden Kieselsaurelosungen fest, da6 in frischen, unter Einhaltung bestimmter Bedingungen aus waBrigen Alkalisilikatlosungen und verdiinnter Salzsaure erhaltenen Kiesel- saurelosungen molekulardisperse Kieselsaure enthalten ist.

R. WILLSTATTEFG, H. KRAUT und K. LOBINC~ER~) konnten die Angaben von MYLIUS und GROSCHUFF in ihrem ganzen Umfang be- statigen. Sie stellten ferner, daruber hinausgehend , Losungen dar, die Dikieselsaure mit dem Molekulargewicht 120 enthielten, indem sie die von E. EBLER und M. FELLNER~) vorgeschlagene Methode der Hydrolyse von Siliciumtetrachorid , welche infolge der Bildung von verhiltnismiiBig konzentrierter Salzsaure nur kurze Zeit be- standige molekulare Kieselsaure liefert , dadurch verbesserten, daB sie nach dem Einleiten von SiCI,-Dampf in Wasser von O o den groaten Teil der entstandenen Salzsaure bis auf eine etwa n1100- bis n/lOOO-HCl entsprechende Menge durch Eintragen von Silber- oxyd entfernten. Das Molekulargewicht der Kieselsaure konnte bis auf M = 72 erniedrigt werden - einen Wert, der 80°/, der vor- handenen Kieselsaure als Monokieselsiiure ausweist -, wenn die

~

I) F. MYLIUS und E. (XROSCEUFF, Ber. 39, (l906), 116. 9 R. WILLST~TTER, H. KRAUT und K. LOBINQER, Ber. 68 (1925), 2462; 61

3, E. E B ~ E R und M. FELLNER, Ber. 44 (1911), 1915. (1928), 2280.

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Beitrag zur Henntnis der molekulardispersen Kieselsgure. 239

Entfernung der Salzsaure durch Silberoxyd schon w'khrend des Ein- leitens von SiC1, erfolgte und dafur gesorgt wurde, daS die Reaktion der Liisung innerhalb pn s 2,O bis 2,8 blieb.

Als die fur die Bestandigkeit der molekularen Kieselsaure opti- male Salzsaurekonzentratioo erkannten die Forscher etwa n/lOO-HCl; in dieser alterte die molekulare Kieselsaure so langsam, da8 selbst nach 24 Stunden das Molekulargewicht der Kieselsaure nur ganz unbetrachtlich anstieg. Solche Kieselsaurelosungen gaben bei der Dialyse durch einen Hamrnelblinddtlrm bis zu 99,6 O/, der Kiesel- saure an die AuBenflussigkeit (n/200-HCI) ab.

Bei der Untersuchung des Systems Kieselsaure/Wasser mit Hilfe der Dialysenmethode stellte H. BBINTZINGER l) fest, da8 die Menge der durch die Membran diffundierenden, also molekularen Kiesel- saure abhangig ist von der Konzentration der Losung an Kiesel- saure, von der Zeit, die seit der Herstellung der Losung verstrichen ist, sowie von der Temperatur, auf der die Losung gehalten wird, d. h. daS die Alterung der KieselsiGure von diesen Faktoren beeinfluBt wird.

Wir haben inzwischen die Dialyse zu einer brauchbaren MeB- methode ausgearbeitet %) und gefunden, daB - unter bestimmten Voraussetzungen - einheitliche ion- sowie molekular-disperse Stoffe nach dem Abklingungsgesetz ct = c, e-"t durch die Membran diffundieren. Wir haben ferner mit W. BRINTZINGER~) die Anwesen- heit eines Stoffes in einer L8sung in verschiedener MolekulargrbBe als daran erkennbar gefunden, daB die den zeitlichen Verlanf der

nicht wie bei einheitlichen Stof- Dialyse zeigende log cJt-Kurve

feneine gerade, sondern eine - infolge der langsameren Diffu- 440

4 44

4 42

sion der gro8eren als der klei- /ogCt 0 38 neren Molekule - mehr oder

weniger nach oben gekriimmte 36 Linie darstellt.

Die Fig. 1 zeigt als Beispiel die fur die Dialyse einheitlicher ion- und molekular - disperser Stoffe typische log c , / t - Gerade (in diesem Falle von m/100-Orthophosphorsaure), sowie die bei der

r 2 3 1 Sfund~n

Fig. 1.

I) H. BRINTZINQER, Z. anorg. u. dlg. Cbem. 169 (1927), 256. $) H. BRINTZINQER, Z.anorg. u. allg. Chem.168(1927), 145,150; H. BRINTZINQEB

7 Hieriiher wird in einer spliteren Mitteilung berichtet, werden. und B. TBOEXER, Z. anorg. u. allg. Cbem. 172 (1928), 426.

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240 H. Brintzinger und B. Troemer.

Dialyse eines Stoffes von uneinheitlicher MolekulargroBe sich er- gebende gekriimmte log c,/t-Kurve (von m/lOO-Metaphosphorsaure).

Mit Hilfe dieser Methode fuhrten wir an einer groben Zahl von auf verschiedene Weise dargestellten Kieselsaurelhngen Messungen aus, urn festzustellen, ob es Losungen einheitlicher molekularer Kieselsaure gibt und ob molekulare Kieselsaure langere Zeit be- standig ist.

So erganzten wir die kryoskopische Methode der Kieselsaure- erforschung, da mit dieser nur das mittlere Yolekulargewicht der in Losung befindlichen Kieselsaure, mit unserer Methode jedoch die Ein- heitlichkeit oder Uneinheitlichkeit der Molekule bestimmt werden kann.

Als Parallelversuch bestimmten wir auberdem in mehreren Fallen die zeitliche Veranderung des LichtbrechungsvermGgens der Kieselsiiurelosungen mit Hilfe des Interferometers.

1. Der zeitliche Verlauf der Dialyse von nach verschiedenen Methoden dargestellten Kieselsaurelosungen.

Der fur diese Versuche verwendete Dialysator hatte eine Membran- flache von 95 cm8; um mit der spezifischen Oberflache 1 zu arbeiten, wurde er bei allen Dialysen mit 95 cm3 der zu untersuchenden Losung beschickt. Als Membran fand das ,,Pergamentpapier zur Dialyse C 155 : 100" der Firma Schleicher & Schiill Verwendung. Der auf 18O eingestellte Thermostat enthielt 15 Liter als AuBen- wasser dienendes destilliertes Wasser.

Untersucht wurden Kieselsaurelosungen von praktisch gleicher Kieselsaurekonzentration , die auf folgende Weise hergestellt waren :

1. Durch Umsetzung von Alkalisilikatlosungen rnit Salzsaure. 2. Durch Hydrolyse von SiCI,, wobei SiC1,-Dampf rnit Hilfe

eines getrockneten Luftstromes in Wasaer von O o ein- geleitet wurde.

3. Durch Hydrolyse von SiCl,, wobei die entstehende Salzsaure wahrend des Einleitens von SiC1,-Dampf in Wasser durch Zugabe von Silberoxyd aus dem System entfernt wurde (nach R. WILLSTATTER und seinen Mitarbeitern).

4. Durch Hydrolyse von Kieselsauremethylester, der dampf f6rmig und verdunnt durch einen trockenen Luftstrom a) in eisgekuhltes Wasser, b) in eisgekuhlte n/lOOO-HCl, c) in eisgekiihlte n/lOO-HCl, d) in eisgekiihlte n/lO-HC1 eingeleitet wurde.

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Beitrag zur Kenntnis der molekulardispersen Kieselsaure. 241

5. Durch Hydrolyse von Kieselsaureathylester, welcher dampf- formig und durch einen trockenen Luftstrom verdunnt in n/lOO-KCl eiogeleitet wurde (Im Gegensatz zum Kiesel- sauremethylester wird der Lthylester durch destilliertes Wasser so gut wie nicht angegriffen; durch Zugabe von verdunnten Sauren wird aber die Veraeifungsgeschwindigkeit so erhoht, daB man auch uber den Kieselsaureathylester bequem zu molekulardispersen Kieselsaurelosungen gelangen kann.)

Um besser Vergleiche ziehen zu konnen, teilen wir die Versuchs- ergebnisse, die jeweilv in den ersten 24 Stun- den der Dialyse erhal- ten wurden, in Fig. 2 in graphischer Darstel- lung mit. Hierin sind die Logarithmen der t-Stunden nach Beginn der Dialysen noch vor- handenen Kieselsaure- konzentrationen auf der Ordinate, diese Zeit t auf der Abzisse auf-

I I I

6 72 78 2b t Stunden Fig. 2.

getragen. Die Numerierung der Kurven entspricht der der ange- fiihrten Darstellungsmethoden.

Die durch die Reaktion von Salzsaure und Alkalisilikat er- haltene Kieuelsaurelosung enthalt am wenigsten molekulardisperse Kieselsaure, etwas mehr die durch Hydrolyse von SiCl, gebildete LSsung. Die verbalnismat5g konzentrierte Salzsaure, die bei der Hydrolyse groBerer Mengen von SiC1, entsteht, beschleunigt die Alterung der Kieselsaure. Die Alterung wird nach dem Vorschlag WILLSTATTERS und seinw Mitarbeiter verlangsamt durch Zugabe von Silberoxyd nach oder wahrend des Einleitens von SiCI,-Dampf in Wasser, wodurch der grofite Teil der Salzsaure aus dem System ent- fernt wird. Dementsprechend zeigt der steilere Abfall der log c,/t-Kurve der Dialyse einer so hergestellten Kieselsaurelosung einen wesentlich hoheren Gehalt an molekulardisperser Kieselsaure. Die Kriimmung dieser, sowie der Kurven 1 und 2 gibt aber an, da6 eine Kieselsaure von einheitlicher MolekulargroBe nicht vorliegt. Simtliche von uns untersuchten, nach Methode 3 dargestellten Kiesel- saurelosungen enthielten deutlich nachweisbare Silbermengen.

2. anorg. u. allg. Chem. Bd.181. 16

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242 H. Brintzinger und B. Troemer.

Einen interessanten Einblick in die fur die Bestandigkeit molekularer Kieselsaure optimalen Bedingungen gewahren die unter 4. angefuhrten Versuche. Die nach 4 a in vollig elektrolytfreiem Medium hergestellte Kieselsaurelosung enthalt anfanglich z war viel molekulare Kieselsaure, diese altert aber recht schnell, wie aus der Krummung der entsprechenden log c,/i-Kurve hervorgeht.

Wurde dagegen der Kieselsauremethylester in n/1000- oder n/lOO-HCl eingeleitet (4b und 4c), so blieb die molekulare Kiesel- saure sehr viel liinger erhalten, die Kurve zeigt einen steilen, allerdings ebenfalls nicht ganz geradlinigen Abfall.

Eine weitere Steigerang der Salzsaurekonzentration (Versnch 4d wurde mit n/lO-HCI durchgefuhrt) fuhrt nun nicht zu einer weiteren Erniedrigung, sondern zu einer Erhohung der Alterungsgeschwindig- keit der Kieselsaure, aus dem Verlauf der Kurve 4 d geht hervor, wie schnell die ursprunglich vorhan dene niedrigmolekulare sich unter diesen Bedingungen in hohermolekulare Kieselsaure umwandelt. Die fur die Besthdigkeit molekularer Kieselsaure optimale Salz- saurekonzentration befindet sich also etwa zwischen n/1000- und n/lOO-HCI, wie auch schon WILLSTHTTER und seine Mitarbeiter festgestellt haben.

Die Dialysen wurden so lange fortgesetzt, bis der Gehalt der Innenlosung an Kieselsaure konstant blieb, also die gesamte diffusionsfahige Kieselsaure ins AuWenwasser abgegeben war. Dabei wurden folgende Endkonzentrationen in O/, der bei Reginn der Dialyse vorhandenen , bei allen Versuchen iibereinstimmend etwa 0,5 O / , betragenden Menge Kieselsaure erhalten: Versuch 1 : 71 O/,

(nach 7 2 Stdn.), Versuch 2: 61°/, (nach 7 2 Stdn.), Versuch 3: 28O/, nach 72 Stdn.), Versuch 4a: 54O/, (nach 60 Stdn.), Versuche 4 b und 4c: Oo/, (nach 72 Stdn.), Versuch 4d: 17O/, (nach 72 Stdn.), Ver- such 5: Oo/, (nach 12 Stdn.).

2. Die Wasserstoffionenkonzentration von Losungen rnolekular- und kolloiddisperser

Die nach Beendigung der Versuche 1 , 2 , 3 , 4 a und 4 d er- haltenen elektrolytfreien Lasungen kolloider Kieselsaure wurden mit Hilfe der Indikatorenmethode von MICHAELIS untersucht; alle Losungen ergaben iibereinstimmend pH = 4,7, einen Wert, der dem friiher') mit der Gaskette gefundenen pH = 4,6 recht nahe kommt.

Kieselsaure.

l) H. BRINTZINQER. Z. anorg. u. allg. Chem. 159 (1927), 256.

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Beitrag m r Kenntnis der molekulardispersen Kieselsaure. 243

Wir bereiteten ferner molekulare, schnell alternde Kieselsaure durch Auflosen des Kieselsauremethylesters in mehrfach destilliertem, kohlendioxydfreiem Wasser, muBten aber feststellen, dnB eine zeitliche Veranderung des pn dieser Losung, bedingt durch die - unter C0,- AusschluB stattfindende - Alterung der Kieselsaure, nicht erfolgt, denn die Reaktion der LBsung entsprach sowohl sofort nach der Herstellung als auch nach dreitagigem Altern einem prr = 4,7. (Der Kieselsauremethylester sowie der oben erwahnte Kieselsaure- athylester enthielten weder SiCI, (das als Ausgaugsmaterial diente) noch HC1, denn in der wagrigen Liisung entstand durch AgNO, keine Triibung, und auch die Kupferdrahtprobe gab nur eine auBerst geringfiigige, sofort wieder verschwindende Grunfhrbung der Flamme.)

3. Die Anderung des Anfangsverlaufs der Dialyse und des Dialysenkoeffizienten mit zunehmendem Alter einer Kieselsaurelosung als Ausdruek fur die VergroBerung

der Kieselsaureteilehen.

Aus dem anfangs sehr raschen Verlauf der oben angefuhrten Dialyse 4c ist zu seheo, daB in einer durch Umsetzung vQn Kiesel- samemethylester mit n/lOO-HCl frisch bereiteten Kieselsaurelosung die Kieselsaure in sehr niedriger MolekulargroBe vorhanden sein muB, daB aber, da die log c,/t-Kurve sich allmahlich nach oben kriimmt und nicht wie bei Stoffen einheitlicher MolekulargroBe linear verlauft, entweder ein, wenn auch kleiner Teil der Kiesel- saure in etwas hohermolekularer, langsamer diffundierender Form bei der Bildungsreaktion entstanden sein muB, oder aber daB die anfanglich entstandene niedrigmolekulare Kieselsaure sich schon wahrend der Dialysendauer zu einer bestandigeren, hohermolekularen, durch die Membran wesentlich langsamer diffundierenden Kieselsaure kondensiert, als Anfang der fortlaufenden - allerdings nicht not- wendig mit gleichmaBiger Geschwindigkeit erfolgenden - Entwicklung des Systems KieselsaiurelWasser, die von mono- oder dimolekularer Kieselsaure ausgehend iiber hohermolekulare , kolloide und grob- disperse Kieselsaure hinweg letzten Endes zu dem vollkommen bestandigen System Quarzl Wasser fiihrt.

Um die Klarung dieser Frage zu fbrdern, bestimmten wir an einer so hergestellten 0,5 o/oigen Kieselsaurelosung jeweils in be- stimmten Zeitabschnitten den uber 3 Stunden sich erstreckenden Anfangsverlauf der Dialyse, sowie die entsprechenden Dialysen- koeffizienten. Dabei ergaben sich fur den Dialysenverlauf folgende, in Pig. 3 dargestellte Resultate.

16'

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244 H. Brintzinger und B. Troemer.

Aus den nach 1, 2 und 3 Stunden gefundenen Konzentrationen c,

In - 2 die DialysenkoefGzienten A,, 1, und 2, 1 c wurden nach A = - t co

errechnet, die in Tabelle 1 zusammengefabt sind.

Tabelle 1.

Alter der KieselsLurelosung bei Beginn der Dialpse

Stunden

0 6

17 23 41 89 137 209

998

096

094

Q92

(790

‘9 Cf

? 2 3 t Stunden

Fig. 3.

I 1 1 0,120

II 0,095 I1 0,062

0,050

/ / 0,111

1; 0,051

/ j 0,035 1 1 0,035

_.

42

0,109 0,105 0,073 0,062 0,048 0,039 0,038 0,037

4 3

0,104 0,097 0,068 0,060 0,047

0,038 0,032

0,038

Fig. 3 und Tabelle 1 zeigen deutlich, daB in der frisch her- gestellten Kieselsaurelosung die Kieselsaure nicht in einheitlicher MolekulargriiBe vorgelegen sein kann (es ware denn, daB eine Kondensation der im Moment der Entstehung etwa vorban- denen einheitlichen Kieselsaure zu groSeren Molekulen schon innerhalb einer Stunde erfolgen

wurde), sondern - wie auch aus der kryoskopischen Be- stimmung des mittleren Molekulargewichts zu schlieflen ist - als ein Gemisch von sehr viel Mono- neben wenig Dikieselsaure. Nach 17 Stunden wies die Gefrierpunktserniedrigung auf das Vorhandensein einer Mischung von wenig Mono- neben viel Dikieselsaure hin, auch die Tabelle 1 lehrt, daB eine einheitliche Kieselsaure nicht vorhanden sein konnte , denn die Dialysenkoeffizienten waren einander nicht gleich. Beim Altern strebt die Kieselsgure der einheitlichen, unter den gegebenen Bedingungen allerdings nur recht kurze Zeit bestandigen Dikieselsaure zu (deren MolekiilgriiBe nach der kryoskopischen Methode bestimmt wurde) ; denn nur so ist es zu erklaren, daB nach 23 Stunden die den Verlauf der Dialyse zeigende log c,/t-Kurve geradlinig und die aus c,, c, und c3 er- rechneten Dialysenkoeffizienten einander beinahe gleich geworden

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Beitrag zur Kenntnis der rnolekulardispersen Kieselsaure. 345

sind. Diese schon ein wenig bestandige Zwischenstufe verwandelt sich allm~hlich in die noch bestandigere Tetrakieselsaure, ohne daS irgend etwas auf die Existenz einer Trikieselsaure hingewiesen hatte. Die Umwandlung diirfte etwa 7 Tage nach Herstellung der Lisung quantitativ verlaufen sein (die Losung wurde bei einer konstanten Raumtemperatur von 5 O C aufbewahrt). Die Dialyse der nur 3lI2 Tage alten Lijsung zeigt noch durch die Ungleichheit der Dialysenkoeffizienten die Uneinheitlichkeit der MolekulargroBe der Kieselsaure. Dagegen verlauft die log cJt-Kurve der 6 Tage aach Erreichung der Dikieselsaurestufe (und 137 Stunden nach Her- stellung der Losung) begonnenen Dialyse vollig gerade, und die Dialysenkoeffizienten A,, 1, und I , sind einander dementsprechend viillig gleich: es hat sich die verhaltnismabig stabile Tetrakieselsaure l) (bestimmt mit Hilfe der Gefrierpunktsmethode) gebildet. Drei Tage nachher, also 209 Stunden nach Beginn dieser Versuchsreihe liegt die Kieselsaure immer noch als Tetrakieselsaure vor; allerdings nicht mehr ganz quantitativ, denn aus dem ganz langsamen Kleiner- werden der Dialysenkoeffizienten geht hervor, daB auch diese Iiiesel- saurestufe keine unbegrenzte Haltbarkeit hesitzt, sondern nun ganz allmablich beginnt, sich in hohermolekulare Kieselsjuren umzuwandeln.

Weitere 8 Tage spater zeigte die Kieselsaure nur noch in ganz geringem Umfang das Vermogen durch die Membran zu diffundieren: ihre TeilchengrSBe war an der Grenze zwischen mole,- kularer und kolloider Dimen- sion angelangt.

Stellt man eine anFremd- elektrolyt v611ig freie moleku- lare KieselsaurelGsung durch Einleiten eines mit Kiesel-

t 00 720 72 30und 098

48 Q96 24

n 8 4 0

lo90 4 94

sauremethylester beladenen, vollig trockenen Luftstromes t Stunden in zweifachdestilliertes Was- Fig. 4. ser her, und untersucht sie in der beschriebenen Weise in bezug auf den Anfangsverlauf der Dialyse und die xnderung des Dialysenkoeffizienteu bei zunehmen- dem Alter der Losung, so ergeben sich die in Fig. 4 und Tabelle 2 wiedergegebenen Resultate.

7 $ ' I 3

l) Vgl. auch R. WILLST~TTER, H. KEAIJT und K. LOBIHGER, Ber. 61 (1928), 2280.

Page 10: Ein Beitrag zur Kenntnis der molekulardispersen Kieselsäure

246 13. Brintzinger und B. Troemer.

Tabelle 2. Alter der RieselsiiurelSsung / /

bei Begiun der Dialyse. Stunden.

~

0 4 8 0,077

12 0,068 24 11 0,034 30 I , 0,019 48 I 1 0,019 72 0,011

120

- -~ __

1% -___ -.___

0,077 0,061 0,059 0,055 0,030

0,015 0,015

0,010 0,009

___

1, ~-

0,062 0,051 0,049 0,044 0,025 0,015 G,014 0,010 0,006

Ein Vergleich der Tabelle 2 mit Tabelle 1 zeigt, wie schnell in elektrolytfreier Lijsung die Alternng der Kieselsaure vor sich geht, die mijglicherweise durch die Anwesenheit von Alkohol in der Losung noch beschleunigt wird. Auffallend ist, da6, wahrend in der n/lOO-HCl enthaltenden Kieselsaurelosung die Alterung der Kieselsaure so langsam stattfindet, dal3, wenn auch nur fur kurze Zeit die Kieselsaure einheitlich als Dikieselsaure und fur einen langeren Zeitabschnitt einheitlich a19 Tetrakieselsaure in der Losung vorhanden sein kann, in der elektrolytfreien Losung die Kieselsaure sich so schnell zu gro6eren Molekiilen kondensiert, daB ein Halte- punkt in der Entwicklungsreihe auf der Stufe der Di- oder Tetra- kieselsaure nicht zu beobachten ist.

4. Die Beeinflussung der Versuchsergebnisse durch Anwendung verschieden durchlassiger Membranen.

Die Geschwindigkeit der Diffusion eines gelijsten Stoffes ins AuBenwasser andert sich mit der Art der fur die Dialyse ver- wendeten Membran.l)

Nun verwandelt sich aber die monomolekulare, schnell diffun- dierende Kieselsaure je nach den Versuchsbedingungen mehr oder weniger schnell in hohermolekulare , langsarner diffundierende und schlieblich nicht mehr diffusionsi'ahige kolloide Kieselsauren.

Es ist deshalb erklarlich, daB bei der langsam verlaufenden Dialyse durch eine schlecht durchlassige Membran bei schnell alternden KieselsaurelBsungen ein hoherer Kieselsaureendgehalt er- halten werden mu6 als bei der vie1 schneller verlaufenden Dialyse durch eine leichtdurchlassige Membran, da ja der Kieselsaure langere Zeit Gelegenheit zur Kondensation zu grij6eren Teilchen geboten ist.

Vgl. auch R. ZSIGMONDY und R. HEPER, 1. c.; 0. L~SENBECIC, Beih. 16, (1922), 271; H. BHINTZINGER, %. anorg. u. allg. Chem. 159 (1927), 256.

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Heitrag zur Kenntnis der molekulardispersen KieselsBure. 247

Eine Reihe von Versuchen sol1 dartun, von welchem EinfluB die Art der Membran auf die Geschwindigkei t der Dialyse, so. wie bei Systemen, die der Alterung unterworfeii sind (wie es z. B. Kieselsaurelosungen sind), auf die E n d k o n z en t r a t i on der dialysierten Losung ist. Figur 5 zeigt den Verlauf der Dialyse einer Losung von molekularer Kieselsaure in n/lOO-HCI, durch welche das System weitgehend stabilisiert wird , durch a) Pergament-, b) starke Cello- phan- und c) diinne Cellophanmembran, wahrend Figur 6 den Ver- lauf der Dialyse einer elektrolytfreien Kieselsaurelosung wiedergibt, deren Alterung sich in sehr kurzer Zeit vollzieht.

72 24 36 48 60 72 t Sfundepn

72 24 36 418 f Siunden

Fig. 5, Fig. 6.

Wahrend im ersten Pall die gesamte Kieselsaure, allerdings versohieden schnell, durch a!le drei Membranen ins AuBenwasser diffundiert, wurden im z weiten Falle verschieden konzentrierte Kieselsaurelosungen erhalten.

Bei Verwendung einer Pergamentmembran hatte sich der Kiesel- sauregehalt am SchluB der Dialyse auf 54°/0, bei Verwendung der starken Cellophanmembran auf 51 und bei Verwendung der diinnen Cellophanmembran auf 49 o / o kanstant eingestellt.

Natiirlich wird auch eine Verkleinerung der spezifischen Ober- flache die Diffusion der Kieselsaure ins AuBenwasser verlangsamen und dadurch eine hohere Konzentration der Kieselsaure in der dialysierten Losung begunstigen.

Hieraus wird ersichtlich, wie schwer die in der Literatur iiber die Dialyse von Kieselsaure und die hierbei erhaltenen Endkonzen- trationen, bzw. die ins AuBenwasser diffundierte Kieselsauremenge erschienenen Angaben miteinander vergiichen werden konnen, wenn exakte Daten uber die Versuchsbedingungen nicht angegeben sind.

Page 12: Ein Beitrag zur Kenntnis der molekulardispersen Kieselsäure

248 H.Brintzinger und B.Troemer. Beitrag Bur Kenntnis der molek. Kieselsaure.

5. Die Anderung des Lichtbrechungsvermogens von Losungen molekularer bzw.

Wir nahmen an, daS die durch die Anderung der Gefrierpunkts- erniedrigung sowie des Diffusionsvermogens, und als MaSstab fur diese des Dialysenkoeffizienten beobachtete Alterung der molekular gelosten Kieselsaure auch durch eine ahnliche Anderung des Inter-

ferometerwerts dieser Losung ver- folgbar sein muBte.

kolloider Kieselsaure mit deren zunehmendem Alter.

g : : L F r400 5

24 48 72 7300

t Sfmden 24 48 72

f Stunden Fig. 7. Fig. 8.

In der Tat konnten wir auch bei allen untersuchten Kiesel- saurelosungen ein Abfallen des Interferometerwertes feststellen, und zwar ergab sich, da6 das Kleinerwerden dieses Wertes etwa der auf Grund der anderen Daten gefundenen Alterung symbat geht. Die sehr schnell alternde elektrolytfreie Kieselsaurelosung zeigt ein schnelles Abfallen, die langsam alternde in n/lOOO-HCl geloste Kiesel- saure ein langsames Fallen des Interferometerwertes. Die zeitliche xnderung der nach WILLSTATTER hergestellten Kieselsaurelosung vollzieht sich ahnlich wie die der in n/lOOO-HCl geliisten Kieselsaure.

Die Figuren 7 und 8 geben das zeitliche Kleinerwerden des Interferometerwertes einer Losung von Kieselsaure in destilliertem Wasser, bzw. in n/lOOO-HCl als typische Beispiele wieder.

Uber die optische Untersuchung von der Alterung unterworfenen Systemen, die auch in quantitativer Hinsicht wertvolle Schliisse zu ziehen erlauben, sind z. Z. Versuche m i t W. BRINTZINGER im Gange, iiber die wir spater zusammenfassend berichten werden.

Ahnliche Messungen mit Hilfe der Dialysenmethode, des I n terfero- meters usw. werden z. Z. an Titansaure und anderen Sauren ausgefiihrt.

Der Gesellschaft der Freunde der Thuringischen Landes- universitat sind wir fur die giitige Unterstutzung dieser Arbeit zu groBtem Dank verpflichtet.

Jena, Anorg. Abteilung des Chemisohen Laboratvriurns, im Marx 1929.

Bei der Redaktion eingegangen am 25. Marz 1929.