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385 Ein Fall yon Gynaecomastie (dextri lateris). Von Dr. reed. A. Wagner in Ribmtz. (gierzu Tar. VII A.) ' Erkrankungen, namentlich Geschwfilste (gutartiger und maligner Natur) der weiblichen Brustdrfise sind eine allt~igliche Erscheinung. Hingegen ge- hSrt eine analoge Erkranknng beim m~nnlichen Geschlechte zu den grossen Seltenheiten ~). Noch viol seltener aber ist das Vorkommen wahrer Gyn~ieomastie, d.i. bleibende Entwicklnng der mgnnlichen Brastdrfise analog der weiblichen~ welche gew6hnlich ebenfalls in der Pubert~tszeit beginnt. Ich glaube daher~ dass der folgende yon mir k/irzlich beobachtete Fall aueh in weiteren Kroisen interessiren wird. Wilhelm Fritz~ TSpfergesell% geboren den 30. M~rz 1864~ zur Zeit also 21 Jahre alt~ Sohn des Schneiders F. zu Stralsund. Eltern (45 Jahre air) sind beide gesund und nieht mit einander verwandt. Die Geschwister der Eltern sind gesund (verheirathct); fiber die Grosseltern wusste W. F. nichts mitzutheilen. Er hat noch 6 lebendo gesunde Geschwister~ 4 sind gestor- ben (2 an Diphtheritis~ 1 an Tuberculose~ I wenige Woehen alt an ,Kr~mpfen"), Ungefiihr im !6. Lebensjahre begann die st~irkere Entwicklnng dek ~ rechten ~Iammargegend~ angeblieh in Folge yon h~ufigem Druck dutch alas Sei] elnes Ziehwagens, Doch hatte W. F. hie anders als bet direetem Druek Schmerzen odor auch nut irgend welche Beschwerden~ -- nur ein, Ztffall, Untersuchung wegon Eintritt in e[ne Krankenkass% b~'achte mir den Fall zu Gesicbt --; auch zeigte sich hie ein Symptom yon Entzfindung~). W. F. ist 173 cm gross, yon schlankem KSrperhau~ mit grossen Augen~ starken (dunkeln)Branch. Das Kopfhaar ist dicht (dunkel)~ das einzelne Haar krgtftig~ der Bart sehr schwacil. 1) Nach dor Zusammenstellung yon Schuchardt stud bisher iiberhaupt bekannt geworden 272 F~lle~ wovon aaf Deutschland und Oesterreich nur 42 kommen, yon Langenbeck's Arehiv ffir kiln. Chirurgie. Bd. XXXL Heft 1. 9) Dagegen war in sehr vielen der bisher bek~nnt gewordenen F~ille die .Geschwulst" besonders in der Entstehungszeit schmerzhaft~ wie in dem Fal] yon N~laton (Hypertrophie douloureuse de la glande mam- maire chez un homme. Gaz. des ~6p. 1856. No. 32. p. 126) und in dem yon Bryant (Cases of diseases of the breast in the male. Lancet 9. Febr. 1868. I. p. 285) und yon Leisrink (Ueber die Entzfindung der Mamma bet jungen Miinnern. Deutsche Zeitsehr. f. Chirurgie. IV. 1. S.~19. 1874). Zuweilen traten Entzfindungsprozesse auf~ wie in dem erw'~hnten Fall yon Bryant und anderen. Archly f. patbol. Anat. Bd. CL Hit. 2. ~6

Ein Fall von Gynaecomastie (dextri lateris)

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Ein Fall yon Gynaecomastie (dextri lateris).

Von Dr. reed. A. Wagner in Ribmtz.

(gierzu Tar. VII A.)

' Erkrankungen, namentlich Geschwfilste (gutartiger und maligner Natur) der weiblichen Brustdrfise sind eine allt~igliche Erscheinung. Hingegen ge- hSrt eine analoge Erkranknng beim m~nnlichen Geschlechte zu den grossen Seltenheiten ~).

Noch viol seltener aber ist das Vorkommen w a h r e r Gyn~ieomastie, d.i. bleibende Entwicklnng der mgnnlichen Brastdrfise analog der weiblichen~ welche gew6hnlich ebenfalls in der Pubert~tszeit beginnt. Ich glaube daher~ dass der folgende yon mir k/irzlich beobachtete Fall aueh in weiteren Kroisen interessiren wird.

Wilhelm Fritz~ TSpfergesell% geboren den 30. M~rz 1864~ zur Zeit also 21 Jahre alt~ Sohn des Schneiders F. zu Stralsund. Eltern (45 Jahre air) sind beide gesund und nieht mit einander verwandt. Die Geschwister der Eltern sind gesund (verheirathct); fiber die Grosseltern wusste W. F. nichts mitzutheilen. Er hat noch 6 lebendo gesunde Geschwister~ 4 sind gestor- ben (2 an Diphtheritis~ 1 an Tuberculose~ I wenige Woehen alt an ,Kr~mpfen"),

Ungefiihr im !6. Lebensjahre begann die st~irkere Entwicklnng dek ~ rechten ~Iammargegend~ angeblieh in Folge yon h~ufigem Druck dutch alas Sei] elnes Ziehwagens, Doch hatte W. F. hie anders als bet direetem Druek Schmerzen odor auch nut irgend welche Beschwerden~ - - nur ein, Ztffall, Untersuchung wegon Eintritt in e[ne Krankenkass% b~'achte mir den Fall zu Gesicbt - - ; auch zeigte sich hie ein Symptom yon Entzfindung~).

W. F. ist 173 cm gross, yon schlankem KSrperhau~ mit grossen Augen~ starken (dunkeln)Branch. Das Kopfhaar ist dicht (dunkel)~ das einzelne Haar krgtftig~ der Bart sehr schwacil.

1) Nach dor Zusammenstellung yon S c h u c h a r d t stud bisher iiberhaupt bekannt geworden 272 F~lle~ wovon aaf Deutschland und Oesterreich nur 42 kommen, yon L a n g e n b e c k ' s Arehiv ffir kiln. Chirurgie. Bd. XXXL Heft 1.

9) Dagegen war in sehr vielen der bisher bek~nnt gewordenen F~ille die .Geschwulst" besonders in der Entstehungszeit schmerzhaft~ wie in dem Fal] yon N ~ l a t o n (Hypertrophie douloureuse de la glande mam- maire chez un homme. Gaz. des ~6p. 1856. No. 32. p. 126) und in dem yon B r y a n t (Cases of diseases of the breast in the male. Lancet 9. Febr. 1868. I. p. 285) und yon L e i s r i n k (Ueber die Entzfindung der Mamma bet jungen Miinnern. Deutsche Zeitsehr. f. Chirurgie. IV. 1. S.~19. 1874). Zuweilen traten Entzfindungsprozesse auf~ wie in dem erw'~hnten Fall yon B r y a n t und anderen.

Archly f. patbol. Anat. Bd. CL Hit. 2. ~ 6

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WAhrend die linke Brust vollkommen platt (mhnnlieh) gebaut ist, zeigt die reehte eine Entwicklung yon weib]ieher Ueppigkeit (halbkxlgelfhrmig mit einem Basa!durehmesser yon 12 era) und enth~lt, naeh dem Geffihl zu ur- theilen~ wii-]kliches Drfisengewebel).

Der Urnfang der rechten Brusth~lfte (Inspir.) betr~gt 51 era, tier der ]inken 46 c~a; der Durehmesser des Warzenhofes rechts 3,5, links 2,5 era. I)er rechte Warzenhof ist ausserdem etwas stftrker (dunkler) pigmentirt and ~lie kleinen :Drfischen treten mehr hervor; die Warze selbst ist reehts ein wenig kriiftiger entwiekelt a[s links. Irgend eine Absonderung milehartiger Flfissigkeit dureh die Drfise, wie sic sonst vielfaeh bei Gyn~comasten beob- aehtet ist~-)~ wurde bei W. F. nie bemerkt.

Ein Z~/sammenhang mit Erkrankungen anderer Organe, namentlieh der Hodena), ist vollst~ndig ausgeschlossen. W . F . hat Yielmehr kr~ftig ent- wiekelte Genitalien, die gar nichts zeigen, was etwa als abnorm oder krank- haft zu bezeiehnen w~re, ist in seinen Neigungen durehaus mhmnlieh~), be- sitzt eine Braut, hat naeh seiner Angabe, die durehaus glaubw/irdig erseheint, 3real den Coitus vollzogen etc.

Ebenso wenig liegt irgend eine Andeutung -con einer Constitutions- krankheit (Serofulose) vor ~); W. F. ist ,delmehr ganz gesund.

~) In manehen der bisher verhffentliehten F~lle hat man es nut mit Fett- entwieklung oder mit gyperplasie des Zellgewebes und nicht mit st~r- kerer Entwiek]ung des Dr~isengewebes zu thun~ wie in dem Fall yon W a g n e r in Lemberg (Hypertrophic der rechten Brust und tier reehten oberen Extremiti~t, besonders der Hand und der Finger'. Oesterr. reed. Jahrb. Bd. 19. St. 3. 1839).

~-) z. B. im Fall ,1on Labb 6, @az. des ttfpit. 1870. 29 janv. No. 12. p. 46. a) Naeh J. C. A. N a y e r (Besehreibung des ganzen menscht. Khrpers.

Bd. 5. Berlin u. Leipzig 1788. 8 ~ S. 332) sollen die Kastraten sti~rker erhabene und daher mehr den Weibern als den M~mnern ~hnliche BdiSte besitzen [ W e n z e l Grube r ] . Der in ,,?r de l'acad6mie imp6ria]e des Sciences de St. P6tersbourg. VII. S6rie. Tome :X. No. 10 ~bgebiIdete und yon W e nz el G rub e r besehriebene Gyn~eomast gab an, class die st~irkere Entwiekelung der Brustdrfisen erst in sp~teren Jahren, naeh Exstirpation des einen Hodens, begonnen habe. Wena- sehon W. G r u b e r die Riehtigkeit dieser Angabe bezweifelt, so ist doeh sehr aufffdlig'~ dass sieh unter den G~nh~eomasten so ,ziele mit abnormer Bildung~ Erkrankung, Verkfimmerung, Verletzung der @e- sehlechtsthei]e, namentlieh der l~toden, finden. Der Fall ,~onPaul icky (Ueber congenitale Missbildungen~ in der Deutseh. milit~r~rztl. Zeit- schrift. 1882. Heft 4. S. 222) seheint aueh einen derartigen Zusammen- hang darzuthun.

~) Das Gegentheil, weibisehes Wesen~ ist mehrfaeh beobaehtet worden, so in dem ~all ~on C. W e b e r , Normwidrige Entwiekh~ng beider Brust- driisen bei einem Manne. Zeitsehr. des Deutseh. Chirurgen-Vereins f. Med., Chlr. u. Geburtsh., herausgegeben yon V a r g e s . Bd. b. 1852. S. 336.

5) was h~nfig yon anderen Beobaehtern hervorgehoben wird, so in dem Fall yon B 6 d o r (Quelques consid6rations appuy6es de faits particuliers snr la gyn6eomastie o~ sur l'h~pertrophie des mamelles ehez l'homme. Gaz. m6d. de Paris. 1836. No. ~:~. p. 689.)

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Auch eine Beeintr~chtigung oder Ver~nderung der Stimme (wie bei Kastraten); welehe sonst vielfaeh beobaehtet women i s t% ist in dem bier mitgetheilten Falle nieht bemerkbar. Die Stimme ist yon tiefem~ durehaus miinnliehem Klange.

Der mitgetheilte Fall gehSrt somit zu den sehr seltenen Formen der w a h r e n Gyn~ieomastie auf vollstfmdig gesundem Boden').

Die beigef/igte Abbi!dung ist naeh photographisehen Aufnahmen des Phot. L a n g e in P~ibnitz angefertigt.

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Pankratiasten-Ohren bei einem japanisehen Ringer.

Von Rud. Virchow.

Bekanntlieh hat sehon vor 25 Jahren Hr. Gudden zur Erkl~rang des Othgmatoms der Geisteskranken in einer vortreffliehen Arbeit die Ohren der alten Faust- und Ringk~mpfer, wie sie yon den antiken Bildhauern darge- stellt worden sind, herangezogen. )~ls ieh in meiner Onkologie (Bd. I. S. 138) die gesehwulstartigen Bi]dungen, welehe aus dem Othgmatom hervorgehen, erSrterte~ war mir kein Fall bekannt, in welchem bei einem gesunden Men- sehen dutch ~ussere Gewalteinwirkung etwas Aehnliehes entstanden war, und ieh provoeirte auf die englischen Boxer. Es ist mir jedoeh nieht erinner- lieb, dass seitdem ein soleker Fall verSffeattieht w~re. Um so mehr und, irt einem gewissen Sinne, um so freudiger war ich daher fiberraseht, als mir neulich bei Gelegenheit yon anthropologischen Nessungen, welehe ieh an einigen der bier anwesenden Japaner veranstaltete, einer der Ringer der Ge- sellsehaft zugeffihrt wurde und ieh die Pankratiasten-Ohren in vollendeter Gestalt vor mir sah.

Mijamoto, ein krMtiger Mann yon 34 Jahren, ist nieht wenig stolz auf seine Ohren, denn es bringt in seinem Vaterlande besonderen Ruhm f~ir einen Ringk~mpfer, reeht verunstaltete Ohren zu besitzen. Ueber die spe- eielle Art der Einwirkung, dureh welehe die Verletznng hervorgebraeht war, liess er sieh bei eindringliehem Naehfragea dahin aus, dass es beim Ring= kampf gebrguehlieh sei, den Gegner mit der Seitenfliiehe des Kopfes heftig

~) So in dem Fall yon W e b e r , Anmerkung 4 S. 386. ~) W e n z e l G ruber , I. c., theilt die Gyn~eomasten folgendermaassen ein:

I. Gyn~eomasten mit gut gebildeten Gesehleehtstheilen a) ohne Absonderung aus der Brustdrfise, b) mit Absonderung aus tier Brustdrfise.

II. Gyn~eomasten mit missbildeten Gesehleehtstheilen. III. Falsehe Gyn~eomasten.

Zu den letzteren gehSren Fettbrfist% krankhafte Ge- sehwfilste u. s. w,