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.IUS DER OR!f'HOI'AI)ISCHEN KLINIK DES KAROLIXISC HEN INSTITUTES, STOCKHOLM (CHEF: PROFESSOR PATRIK HAGLUND) EIN FALL VON MULTIPLEN KARTILAGINAREN EXOSTOSEN HERMAN WAHREN VON A. A: Ta&ohner, 17 yakre, Krazkengeschichte Nv. 1905~. Anarnr~ese: Eltern gesund. Keine Geschwister. Von seinen jetzt le benden Verwandten sind, soweit bekannt, keiner mit einer Skelett- erkrankung behaftet. Im Alter von ungefahr zwei Jahren fing der Pat. an zu gehen. Als er etwa drei Jahre alt war, bemerkten sei- ne Eltern Auftreibungen an meh- reren seiner Gelenke. Genaue Zeitangaben uber das erste Auf- treten und die Entwicklung der verschiedenen Auftreibungen kanu der Pat. indessen nicht ma- ehen. Die unten beschriebenen Veranderungen sollen allmahlich bis zum letzten Jahre zugenom- men haben, sind aber das letzte Jahr konstant gewesen. Die gros- se Exostose am rechten Ober- schenkel sol1 sich sogar etwas verkleinert haben. Der Pat. hat von seiner Krank- heit keine grosseren Beschwer- den. Er fiihlt sich jedoch im rech- ten Bein schwacher als im linken Acta Orthop Downloaded from informahealthcare.com by University of Maine at Farmington on 10/29/14 For personal use only.

Ein Fall Von Multiplen Kartilaginaren Exostosen

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Page 1: Ein Fall Von Multiplen Kartilaginaren Exostosen

. IUS D E R OR!f'HOI'AI)ISCHEN K L I N I K DES K A R O L I X I S C HEN I N S T I T U T E S , STOCKHOLM

( C H E F : P R O F E S S O R P A T R I K H A G L U N D )

EIN FALL VON MULTIPLEN KARTILAGINAREN EXOSTOSEN

HERMAN WAHREN VON

A. A: Ta&ohner, 1 7 yakre, Krazkengeschichte Nv. 1905~.

Anarnr~ese: Eltern gesund. Keine Geschwister. Von seinen jetzt le benden Verwandten sind, soweit bekannt, keiner mit einer Skelett- erkrankung behaftet. I m Alter von ungefahr zwei Jahren fing der Pat. an zu gehen. Als er etwa drei Jahre alt war, bemerkten sei- ne Eltern Auftreibungen an meh- reren seiner Gelenke. Genaue Zeitangaben uber das erste Auf- treten und die Entwicklung der verschiedenen Auftreibungen kanu der Pat. indessen nicht ma- ehen. Die unten beschriebenen Veranderungen sollen allmahlich bis zum letzten Jahre zugenom- men haben, sind aber das letzte Jahr konstant gewesen. Die gros- se Exostose am rechten Ober- schenkel sol1 sich sogar etwas verkleinert haben.

Der Pat. hat von seiner Krank- heit keine grosseren Beschwer- den. Er fiihlt sich jedoch im rech- ten Bein schwacher als i m linken

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imd hat besonders bei Witteruiigswechsel >)rheuruatoide<< Sclirnerzen in den ergriffeneii Gelenken. Bei der ,4rbeit benutzt er vorwiegend die linke Hand.

Status mi 20. VTIJ. 30: Der Pat. ist sowohl psgchisch a19

Fig. 1.

physisch seinem Alter entsprechend entwickelt. Der Thorax weist eine leichte postrachitische Deformierung auf. Herzen und Lungen ohne Befund, Thyreoidea, Genitalia externa des- gleichen. Vom Nervensystem nichts Pathologisches. Senkungs- geschwindigkeit im Blute nach einer Stunde 9 mm.

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238 HERMAN WAHREN

SYMPTOME AN KNOCREN UND GELENKEN. Rechte Seite:

Handgelenk 0. B. Am distalen Teil des Unterarms eine leichte Krummung mit dorsalwarts gerichteter Konvexitat. Die Ulna

Fig. 2. F i g . 3 .

zeigt an ihrem distalen Ende eine etwa haselnussgrosse und an ihrer Mitte eine langliche und unregelmassig geformte Ex0 stose. Normale Beweglichkeit des Ellenbogengelenkes, bis auf die Pro- und Supination, die konzentrisch beschrankt ist. An der lateralen Seite fiihlt man das Capitulum radii, das eine

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betrachtliche Proiiiiiieiiz nach hinten aufweist. An der medialen Seite ist der Epicoiid~lus humeri etmas deutlicher hervortretend zu palpie;.en als gemohnlich. Am obereii Drittel des Humerus eine bedeutencle Auftreibung, an dei. das gaiize Ihochenende beteiligt ZIT sein scheint : uiiterhalb cler Insertion des M. deltoi-

deus ist sie besoiiders ausgepragt. Scapula und Clavicula 0. B. Die Bemeglichlceit des Huftgeleiilces normal. Am unteren

Drittel des rechteii Femur tastet man eineii mit dem Knochen anscheinend fest verbundeiien, etma Bokosnussgrossen Tumor mit glatter Oberflache und harter Konsisteiiz. Am oberen Ende der Tibia eiiie betrachtliche Auftreibung, die starker ausge-

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sprochen und unregelmassiger ist als die der linkeu Tibia. Be- weglichkeit des Kniegelenkes normal. Auftreibungen auch am oberen und am mlteren Elide der Fibula. Fuss nnd Fnssgelenk 0. B.

E'iy. 7.

Linke Xeitc: Sowohl an der Ulna als. an1 Radius tastet man unregelmas-

sig geformte Auftreibungen, die am distalen Drittel am stairk- sten ausgesprocheii sind. Die Rotation des Unterarmes ist fast aufgehoben, und der Arm wird in leichter Pronation fixiert gehalten. Ellenbogengelenk 0. B. Auch am proximalen Humerus- elide sind Auftreibungeii vorhanden. Bei Beweguiigen im Schul-

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242 HERMAN WAHREN

tergelenk, die jedoch nicht eingeschriinkt sind, leichte Krepita- tionen.

Beweglichkeit des Huftgelenkes normal. Am oberen Ende der Tibia palpiert man eine bedeuteude Auftreibung. Auch im

Fig. s.

Kniegelenk normale Beweglichkeit. Sowohl am oberen als am unteren Ende der Fibula Auftreibungen. Fuss und Fussgelenk 0. B.

Die Wirbelsaule weist keine Veranderungen auf.

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Die Bontgenbefuncle sincl auf clen reprocluzierten Bontgen- bildern , ersichtlich.

Es bietet eigentlicli gar Geine Schwierigkeiten, den oben be- schriebenen Fall zu cliagnostizieren. Er lasst sich leicht in die Grnppe der multiplen Bartilaginaren Esostosekrankheit einrei- hen. Fas t alle fur diese Iirankheit typisclien Skelettveranderun- gen sind vorhanclen und zwar besonders ausgesprochen. So sehen wir das grosse, rerlialkte Eiichondrom am rechten Femur ; die streifige I~noclienzeichnung der IIetaphysen ; die typische Breitenvergrosserung, ocler rielleicht richtiger gesagt, Verlan- gerung der Metaphysen cler langen Rtihrenknochen ; schliesslich - an einer Par t ie cler linken Hnmerusdiaphyse - Aufhellung im Rontgenbilde. Eine nicht so haufige Veranderung ist die Radiusverreiikung im rechten Iiubitalgelenk und im Znsam- nienhang damit, die mangrlhafte Entwicklung des clistalen U1- naendes. Ein ahnlicher Fall ist ubrigens von Pels-Lezrsclcn publiziert worden.

Was inich veranlasst hat, den vorliegenclen Fall zu publizie- ren, ist teils das Vorhaiiclensein beiiialie aller Symptome, die nach Voorhoevc uncl Mtwk Jnizsen fur diese Krankheitsgruppe typisch sincl, teils ein Aufsatz von Bj. Dakl ( Acta orthopaedica, Bd. 1, Fasc. 2 ) , in clem er vier Falle von clieser Iirankheit be- schreibt und einige Eetrachtnngeii uber clie Pathogenese an- stellt. Dahl koinmt hierbei zu Clem nesultate, class die Veran- dernngen auf Wachstnmsstiirnngen der langen Rohrenknochen epiphysen beruhen. Er erwahnt jedoch nicht die von ilf.zrr7c Jrr% scn aufgestellte Throrie, welche auf eine SO ausserorclentlich sinnreiche W'eise den Mechanismus dieser Waclistiiiiisstor~iiig erklart. Mein oben beschriebener Fall clurfte inclessen sehr ge- eignet sein, die Auffassiung Mtir-k Jail scizs besonders cleutlich und vollstiintlig zu veranschaulichen.

Seines Erachteiis sind namlich die Esostosen und die anf meinen Abbildungen 6 u. 8 ersichtliche \'erlangerung cler Meta- physen koorclinierte Symptonie, die durch eine Hemmung jenes Prozesses entstehen, der wahrencl cles Wachstums eiue Unmand- lung der Metaphysen in Dinphysen bel\riPkt. Dieser Prozess mird

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Nach Murk Jnn- sen.

1-011 Miirk Jrinsen ,Tubulationc< genannt uud dnrch die nachstehend wiedergegebene seiner Arbeit entnoimiiene Abbildung veranschaulicht. Es ist offenbar, dass eine Resorption der am Bilde gestrichelten Partien stattfinden lnnss. clamit die Diaphyse ihre definitive Form an- nimmt. Eiiie partielle, oder rielleicht richtiger, lokale Heinmung dieses Prozesses aus irgend einem Grund bewirkt die Entstehung der Em- stosen ; eine totale Hemmung bewirkt eine Zu- nahnie cler Breitendimension und Verlangerung cler ganzen Metaphysenpartie. Ebeuso entstehen die pluiiipe Form des Femurkopfes und das allzu enge Foramen obturatorium (siehe Fig.

6) (lurch eine Hemmung der Besorptionsprozesse, welche zur Erreichung der definitiven anatomischen Formen fur das Iiiiochenwachstum notwendig sind.

hiif dieselbe Weise kanii inan die anderen fur diese Krank- heit typischen Symptome als Hemmungen der ubrigen fur das Kiiochenwachstum konstitutiven Prozesse erklaren. Der un- regelmassige Verlauf und die betriichtliche Breitenverminderung der Epiphysenlinien (siehe Fig. 1 u. 5 ) zeugen von einer totalen oder partiellen %ellenwachstumshemmung der Epiphysen. Als Ergebnis dieses teilweise gehenimten Wachstumsprozesses ent- stehen selbstverstandlich die Verbiegungen und die Knickbild- ungen am ausgewachsenen Knochen (siehe Fig. 2 u. 3). Die dtreifung der Metaphyseii durfte vielleicht auf dieselbe Weise erklart werden konnen.

Ich habe nicht beabsichtigt, ini Zusaiiiuienhang uiit dieser kasuistischen Mitteilung auf einen ausfuhrlichen Bericht oder auf eine Icritik der Theorie Murk Junsens einzugehen. Wenn diese Theorie auch fur eine Klarlegung gewisser Prozesse einer Erganzung bedarf, durfte kein Zweifel dariiber bestehen, dass sie seit der ausfuhrlichen pathologisch-anatomischen Darstel- lung Virchows den wichtigsten Beitrag zur Kenntnis der mul- tiplen kartilaginaren Esostosekrankheit ausmacht.

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