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Aus der Medizinisehen Klinik Lindenburg der Universiti~t KSln. (Direktor: Prof. Dr. Is. Ktilbs.) Ein physikalisches Modell der Lymphtranssudation und ~)dembildung. Darstellung der plastischen Ak]<omodation des Gewebes bei Sehwankungen seines Wassergehalts. Von Fritz Meyer. Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 8. XII. 1934.) Der Fliissigkeitsaustausch zwischen Kapillaren und Gewebe wird in instruktiver Weise durett ein yon KSrner und Klemensiewicz (1) angegebenes physikalisehes Modell erl~utert. Es stel]t den Fltissigkei*s- austritt aus den Kapillaren als Filtrationsvorgang dar und zeigt, wie in einfaeher physikalischer Gesetzm~l~igkeit auch die Riiekfiltration aus dem Gewebe in den ven5sen Kapillarschenkel aus den speziellen hydrostatischen Bedingungen heraus erkl~rt werden ]<ann. Gerade neuere Untersuchungen fiber die Bildung der Lymphe und 0demfliissigkeit messen den hydro- statischen Bedingungen eine grol~e Bedeutung zu. Eigene Untersuehungen mit G. Holland (2) (3) ffihrten uns zu einer Modifikation des Modells, das in seiner neuen Form auch die beim 0dem auftretenden -~nderungen des Wassergehalts der Gewebe darstellt. Bevor wir unser Modell besehreiben, mfissen wir erst kurz auf das ursprfingliehe Modell von KSrner und Klemensiewiez eingehen. Der Apparat, der in Abb. 1 skizziert ist, besteht aus einem StrSmungsrohr c--d, das aus einer Mariottesehen Flasche gespeist wird. Es stellt eine Blutkapillare dar. Die Kapillare liegt in einem Gewebszylinder G, der dureh ein weites zylindrisehes Glasrohr dargeste]lt ist. Die Blutkapillare selbst ist als permeabel zu betraehten + Zwei Manometer M~ und M 2 messen den Druck am Anfang und am Ende des kapillaren gbschnitts. Aus Grtinden der besseren Obersieht sind diese Manometer nieht dieht am Anfang und am Ende des kapillaren Absehnitts angebraeht, sondern etwas, entfernter. Dies ist erlaubt, wenn man. annimmt, dab tier ~Viderstund in dem kapillaren Teil so grog ist, dab die anderen Str6mungswiderstimde ihm gegeniiber vernaehl~ssig~ werden, kSnnen. Aul3er .diesen beiden Manometern is~ ein drittes Manometer M 3 angebraeht, das den Druek im Gewebszylinder mi6t. Diese etwas modifizierte Anordnung Lst in unserem Hauptmodell so geandert, dal~ tier gerade verlaufende kapillare Absehnitt in Form einer Sehleife angeordnet ist (Abb. 2). * Im Modell wird die Permeabilit/~t so erzielt, dafg dieser Teil des Gefii6rohres dutch einen diinnen Baumwollstrumlof gebildet wird, wie er zum Isolieren yon elektr~sehen Leitungen verwandt wird. Wenn man diese gesehellackten :[solier- schl~uehe mit Alkohol behandelt, so erh~ilt man naeh AuflSsung des SehelAacks ein gleiehmal3ig permeables dieht gesponnenes Rohr, das sich sehr gut fi~r das Modell eignet.

Ein physikalisches Modell der Lymphtranssudation und Ödembildung

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Page 1: Ein physikalisches Modell der Lymphtranssudation und Ödembildung

Aus der Medizinisehen Klinik Lindenburg der Universiti~t KSln. (Direktor: Prof. Dr. Is. Ktilbs.)

Ein physikalisches Modell der Lymphtranssudation und ~)dembildung. D a r s t e l l u n g d e r p l a s t i s c h e n A k ] < o m o d a t i o n des G e w e b e s

be i S e h w a n k u n g e n s e i n e s W a s s e r g e h a l t s .

Von

Fritz Meyer. Mit 2 Textabbildungen.

(Eingegangen am 8. XII. 1934.)

Der Fliissigkeitsaustausch zwischen Kapillaren und Gewebe wird in instrukt iver Weise durett ein yon K S r n e r und K l e m e n s i e w i c z (1) angegebenes physikalisehes Modell erl~utert. Es stel]t den Fltissigkei*s- austr i t t aus den Kapillaren als Fi l t ra t ionsvorgang dar und zeigt, wie in einfaeher physikalischer Gesetzm~l~igkeit auch die Riiekfil tration aus dem Gewebe in den ven5sen Kapillarschenkel aus den speziellen hydrosta t ischen Bedingungen heraus erkl~rt werden ]<ann. Gerade neuere Untersuchungen fiber die Bildung der Lymphe und 0demfliissigkeit messen den hydro- statischen Bedingungen eine grol~e Bedeutung zu. Eigene Untersuehungen mit G. H o l l a n d (2) (3) ffihrten uns zu einer Modifikation des Modells, das in seiner neuen F o r m auch die beim 0 d e m auftre tenden -~nderungen des Wassergehalts der Gewebe darstellt. Bevor wir unser Modell besehreiben, mfissen wir erst kurz auf das ursprfingliehe Modell von K S r n e r und K l e m e n s i e w i e z eingehen.

Der Apparat, der in Abb. 1 skizziert ist, besteht aus einem StrSmungsrohr c--d, das aus einer Mariot tesehen Flasche gespeist wird. Es stellt eine Blutkapillare dar. Die Kapillare liegt in einem Gewebszylinder G, der dureh ein weites zylindrisehes Glasrohr dargeste]lt ist. Die Blutkapillare selbst ist als permeabel zu betraehten +

Zwei Manometer M~ und M 2 messen den Druck am Anfang und am Ende des kapillaren gbschnitts. Aus Grtinden der besseren Obersieht sind diese Manometer nieht dieht am Anfang und am Ende des kapillaren Absehnitts angebraeht, sondern etwas, entfernter. Dies ist erlaubt, wenn man. annimmt, dab tier ~Viderstund in dem kapillaren Teil so grog ist, dab die anderen Str6mungswiderstimde ihm gegeniiber vernaehl~ssig~ werden, kSnnen. Aul3er .diesen beiden Manometern is~ ein drittes Manometer M 3 angebraeht, das den Druek im Gewebszylinder m i 6 t . Diese etwas modifizierte Anordnung Lst in unserem Hauptmodell so geandert, dal~ tier gerade verlaufende kapillare Absehnitt in Form einer Sehleife angeordnet ist (Abb. 2).

* Im Modell wird die Permeabilit/~t so erzielt, dafg dieser Teil des Gefii6rohres dutch einen diinnen Baumwollstrumlof gebildet wird, wie er zum Isolieren yon elektr~sehen Leitungen verwandt wird. Wenn man diese gesehellackten :[solier- schl~uehe mit Alkohol behandelt, so erh~ilt man naeh AuflSsung des SehelAacks ein gleiehmal3ig permeables dieht gesponnenes Rohr, das sich sehr gut fi~r das Modell eignet.

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Jetzt liegen die beiden Manometer M~ und M 2 dieht zusammen und k6nnen zu- sammen mit dem Gewebsdruekmanometer M s gut llberblickt werden.

Wenn wir dieses Modell aus der Mar io t t e s eh e n Flasehe mit der DruekhShe h durehstrSmen, so erhalten wit lgngs des Str6mungsrohres ein DruekgefMle yon c--d. Dieses Druekgefg]le maeht sich nat iirlieh aueh in dem kapillaren Tell des Str6mungs- rohres bemerkbar und wit nehmen an, dal~ die Manometer M~ und M e diesen Druek- untersehied anzeigen. Nennen wir den Drnek im ersten Manometer p~ und be- zeiehnen wir den Druek in Manometer M~ mit P2, so ist der mittlere Druck in

unserem Kapillarrohr gleieh /91 + P.a oder pa. Dieser Druek ist also der mittlere 2

Filtrationsdruck in nnserem IKapillarrohr, and unter diesem Druek wird Flfissigkeit in den ~'orl~iufig unelastiseh gedaehten Gewebszylinder G ausstrSmen, bis aueh

Pl + Ps erreieh~ ist. Es ist nun leieht ein- in ihm der mittlere Druekwert pa -- 2

Z-- >I< - - . , ~ >I

Abb. 1. Modell yon KSrner und Klemensiewicz.

zusehen, dab damit der Fliissigkeitsaustauseh zwisehen Kapillare und Gewebsrohr nieht beendet ist. Druekgleiehgewicht herrseht naeh Erreiehung dieses Zustandes nur am Seheitelpunkt der Kapillare, d. h. dort, we der arterielle Sehenkel a in den venSsen Sehenkel v/ibergeht. Von diesem Seheitelpunkt aus aber wird entspreehend dem Druekgefgdle in der Kapillare stromaufw~rts der Druek hSher und strom- abwgrts der Druek niedriger sein. Es wird also in dem stromauf gelegenen Absehnitt noeh dauernd Fltissigkeit in den Gewebszylinder ausstrSmen. Andererseits wird in dem ven6sen Absehnitt dauernd Fl~issigkeit aus dem Gewebszylinder in die Kapillare zur~iekstrSmen. Die Gewebsfliissigkeit stagniert also nieht. Es findet vielmehr ein dauernder gleiehm~13iger Zu- und Abstrom yon Gewebsfliissigkeit statL und dieser Kreislauf ist bedingt dureh das Druekgefglle in der Kapillare.

Das Pr inz ip des Modells lggt sieh also kurz so erl~utern, dag infolge des Str5mungsgef~lles in der K a p i l l a r b a l m der Druck ira ar ter ie l len Schenkel hSher is t als im Gewebe, und dal~ infolgedessen t~liissigkeit aus dem Blute ins Gewebe t iber t r i t t . Andererse i t s is t im disgalen Schenkel der Kap i l l a re der D r u c k niedriger, und es t r i t t Gewebsf]tissigkeit ins venSse Blur zurilck. Das Modell yon K 5 r n e r und K l e m e n s i e w i e z is~ nun so kons t ru ier t , dal3 der Fl t i ss igkei tsgehal t des Gewebes an sich n icht var iabe l ist. Das Gewebe wird ia du tch den s ta r ren Cy/Jnder gebildet . Wenn also in dem Modell der ar ter ie l le Zuf lugdruck und d a m i t die F i l t r a t ionsgrSge ve rmehr t wird, so mug auch der D r u c k im Gewebszyl inder G h Sher werden. Je h6her abe r

Archly f. experiment. Path. u. Pharmakol. Bd. 177. 38

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bier der Druek wird, um so mehr wird die Steifigkeit der ven5sen Kapillar- wand beansprucht, und es wird bald dazu kommen, dab yore distalen Ende her, wo ja der niedrigste Druek herrseht, der venSse Kapillarabschnitt dutch den Aul~endruek komprimiert, und damit der Fliissigkeitsabflul] mehr und mehr eingeschrgnkt wird.

Diese Verh~ltlfisse haben zu ausgedehnten ErSrterungen gefiihr~, vor allem hinsichtlich der Ubertragbarkeit der Modellverh~ltnisse aui die physiologisehen Bedingungen tier 13dembildung. Man hat angenommen, dal~ auch bei der ()dembildung infolge der erhShten Transsudation der Gewebsdruek ansteigt, und dal~ dutch diese DruckerhShung eine Kom- pression der abfiihrenden venSsert Kapillarschenkel zustande kommt. Hiermit w~re dann ein Schadenkreis geschaffen, der iiir die Beurteilung

ccz]z

pi F- 5

Abb. 2. Neues Nodell: Links die l~l~nometer ~11--Ma z~r Nessang des Ka.pjllar- und Gewebsd~uckes. Rechts derPlethysmograph (V) znr Registr ierung tier 0dem-

bi ldang im Gewebszylinder (a).

der Kreislaufwirkung yon Odemen yon entscheidender Bedeutung w~re. Das IJdem w~re danach nicht nut Folge, sondern auch Ursaehe yon Kreis- laufst6rungen. Je starker die lJdembildung ware, um so mehr wftrde durch Kompression tier Gef~Be der Blntkreislauf behindert. Unsere Unter- suchungen (1. c.) tiber den Gewebsdruck beim ()dem konnten nun zeigen, dal3 die Annahme einer DruekerhShung im 5dematSsen Gewebe nieht zu Recht best.eht, und dab auch der Mechanismus, der im Modell yon KSrne r und K lemensiewiez zu einer Komioression des venSsen Kapillarschenkels fikhrt, nieht als physiologisch zu betrachten ist. Es zeigte sieh, dal3 im 6dema- t5sen Gewebe der Gewebsdruck nicht ansteigt und dal] tier Gewebsdruek unabh~ngig vonder Menge der filtrierten Fltissigkeit ist. Meistens geht sogar die 0dembildung mit einer Senkung des Gewebsdrueks einher.

Wollte man diese Einsiehten darsgellen, so mul~te man das Modell yon KSrner und K l e m e n s i e w i c z abgndern. Das Wesentliehe dabei war, dag das 5lodell atteh bei Steigerung der FiltrationsgrSl3e einen konstanten Gewebsdruck aufrecht erhielt. Ebenso mul]te die 0dembildung selbsg, die Vermehrung der ausgeschiedenen GewebsfIttssigkeit, sichtbar werden. Im Modell wurden diese Forderungen in folgender Weise erftillt (Abb. 2).

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Am freien Ende des Gewebszylinders g wird eine lose Gummihaube C eingestiilpt. Zwisehen der eingestiilpten Gummihaube (Condom) und dem das Ende des Gewebszylinders versehliel3enden Gummistopfen befinde~ sieh dann ein Luftraum, der mit einem volumenregistrierenden Instrument verbunden ist. Wenn nun im Gewebszylinder eine vermehrte Ansammlung yon Fliissigkeit stattfindet, wenn also Odem auftritt, so weieht die Gummi- haube zuriiek nnd der angesehlossene Plethysmograph zeigt gleichzeitig das Ausma8 der Odembildung a.n. Entseheidend ist dabei, da.13 der Gewebsdruek unveri~ndert bleibt. Weder die vermehrte Wasseransammlung im Gewebe noeh Anderungen der Filtrationsdrueke kgnnen bei dieser Einrichtung des lVIodells eine Xnderung des Gewebsdrueks bewirken. Er hgngt ab vonder Belastung der Tauehgloeke :i v des Registrierinstruments V, die das Gewieht P trggt*. Dieses Gewieht wird en~spreehend der Gr6ge des pro Quadratzentimeter zu fordernden Gewebsdrueks gewghlt. Entspreehend unseren Befunden zeigt dieses ~Iodell eine vollkommene Una.bhgngigkeit des Gewebsdrueks veto Kapillzrdruek. Eine Kompression des venSsen Kapillarsehenkels dutch den erh6hten gewebsdruek kommt nieht in Frage. Das Fliissigkeitsreservoir des gewebes wird zwar yon den Kapillaren gespeist, aber eine Rfiekwirkung der 0dembildung auf den Kreislauf finder nieht start.

Das Modell erlgutert in einfaehster physikaliseher Form die in den folgenden Leitsgtzen kurz zusammengefM~te Meehanik der Odembildung: Beim Odem kommt es nieht zu einer Steigerung des Oewebsdrueks. ]~nde- rungen der hydrostatisehen Drueke im Gefgl~system wirken nieht auf den Gewebsdruck zuriiek. Alle vom gefgl3system gelieferte Druekenergie wird in Volumenenergie transformiert. Die gewebe wirken wie Fliissigkeits- speieher, deren Kapazitgt mit waehsender Fiillung wgehst. Sie zeigen eine plastisehe Adaption.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

Es wird ein physikalisehes 5'Iodell zur Darstellung der Lymphtrans- sudation und 0dembildung angegeben. Das Modell zeigt die plastische Akkomodation des Gewebes bei der 0dembildung.

Literatur.

1. Koerner u. Klemensiewiez: Transfusion im Gebiete der /<apil!aren. Leipzig 1913. -- 2. 5Ieyer u. Holland: Arch. f. exper. Path. 168, 58l (1932). -- 3. Holland u. Meyer: ]~benda. S. 603.

* Als Sperrfliissigkeit ffir die Tauehglocke des Plethysmographen benutzen wit -4_thylenbromid wegen seines hohen spezifischen Oewichtes (spez. Oew. 2,17).

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