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Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts IX. Johann Wolfgang Goethe: Iphigenie auf Tauris

Ein Projekt der CAU Kiel - IX. Johann Wolfgang Goethe ......2016/01/09  · Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie THOAS Du glaubst, es höre

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  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts

    IX. Johann Wolfgang Goethe: Iphigenie auf Tauris

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Angelika Kauffmann

    Rom 1787

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Römisches Haus

    Park an der Ilm, Weimar (1791-98)

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Römisches Haus

    Park an der Ilm, Weimar (1791-98)

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Johann Heinrich Wilhelm Tischbein

    Goethe in der Campagna (1787)

    Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt/M.

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Johann Heinrich Wilhelm Tischbein

    Goethe in der Campagna (1787)

    Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt/M.

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Johann Heinrich Wilhelm Tischbein

    Goethe in der Campagna (1787)

    Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt/M.

    Szene aus Iphigenie auf Tauris

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Götz von Berlichingen

    1773

    Sturm und Drang

    → Distanz zu Regeln

    Klassik

    → Rückkehr zu Regeln

    Iphigenie in/auf Tauris

    1779 / 1787

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Iphigenie en Tauride. Tragedie en cinq actes tout afait selon les regles

    Iphigenie in/auf Tauris

    1779 / 1787 Torquato Tasso

    1790

    Le Tasse Tragedie selon les Regles

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Ars poetica Quintus Horatius Flaccus

    Epistulae II 3: Ad Pisones 85-8

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Ars poetica Quintus Horatius Flaccus

    Epistulae II 3: Ad Pisones 85-8

    Aristotelische Einheiten

    • Ort

    • Zeit (liaison des scènes)

    • Handlung

    • Ganzheitlichkeit • Schlichtheit

    • Mäßigkeit / Dämpfung

    • Musterhaftigkeit

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Ars poetica Quintus Horatius Flaccus

    Epistulae II 3: Ad Pisones 85-8

    Johann Joachim Winckelmann

    1717-1768

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Johann Joachim Winckelmann

    1717-1768

    1755 1764

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Der gute Geschmack , welcher sich mehr und mehr durch die Welt ausbreitet, hat sich angefangen zuerst unter dem Griechischen Himmel zu bilden.

    Das allgemeine vorzügliche Kennzeichen der Griechischen Meisterstücke ist endlich eine edle Einfalt, und eine stille Größe, so wohl in der Stellung als im Ausdruck.

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Das allgemeine vorzügliche Kennzeichen der Griechischen Meisterstücke ist endlich eine edle Einfalt, und eine stille Größe, so wohl in der Stellung als im Ausdruck.

    Der einzige Weg für uns, groß, ja, wenn es möglich ist, unnachahmlich zu werden, ist die Nachahmung der Alten [...].

    Der gute Geschmack , welcher sich mehr und mehr durch die Welt ausbreitet, hat sich angefangen zuerst unter dem Griechischen Himmel zu bilden.

    aemulatio statt imitatio

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Parthenon (Athen)

    Walhalla (bei Regensburg)

    Leo von Klenze, 1830-42

    Iktinos / Phidias, 447-438

    Klassizismus

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Da nun die weiße Farbe diejenige ist, welche die mehresten Licht-strahlen zurückschicket, folglich sich empfindlicher macht, so wird auch ein schöner Körper desto schöner sein, je weißer er ist [...].

    1764

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Da nun die weiße Farbe diejenige ist, welche die mehresten Licht-strahlen zurückschicket, folglich sich empfindlicher macht, so wird auch ein schöner Körper desto schöner sein, je weißer er ist [...].

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Da nun die weiße Farbe diejenige ist, welche die mehresten Licht-strahlen zurückschicket, folglich sich empfindlicher macht, so wird auch ein schöner Körper desto schöner sein, je weißer er ist [...].

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Polychromie Monochromie

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Parthenon Athen, Akropolis

    Gottfried Semper Rekonstruktionsversuch 1832

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Weimar, 6. April 1779

    Iphigenie in Tauris ›Prosafassung‹

    Iphigenie auf Tauris ›Jambenfassung‹

    1787

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Außer einigem Fleiß an der Iphigenie, hab ich meine meiste Zeit auf den Palladio gewendet, und kann nicht davon kommen. [...] Meine Geliebte wie freut es mich daß ich mein Leben dem Wahren gewidmet habe, da es mir nun so leicht wird zum Großen überzugehen, das nur der höchste reinste Punkt des Wahren ist.

    Francesco Guardi (1712-1793)

    Tagebuch der italienischen Reise für Frau von Stein

    Venedig, 30. 9. 1786

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Außer einigem Fleiß an der Iphigenie, hab ich meine meiste Zeit auf den Palladio gewendet, und kann nicht davon kommen. [...] Meine Geliebte wie freut es mich daß ich mein Leben dem Wahren gewidmet habe, da es mir nun so leicht wird zum Großen überzugehen, das nur der höchste reinste Punkt des Wahren ist.

    Francesco Guardi (1712-1793)

    Tagebuch der italienischen Reise für Frau von Stein

    Venedig, 30. 9. 1786

    San Giorgio Maggiore erbaut 1566-1610

    Andrea Palladio

    1508-1580

    Außer einigem Fleiß an der Iphigenie, hab ich meine meiste Zeit auf den Palladio gewendet, und kann nicht davon kommen. [...] Meine Geliebte wie freut es mich daß ich mein Leben dem Wahren gewidmet habe, da es mir nun so leicht wird zum Großen überzugehen, das nur der höchste reinste Punkt des Wahren ist.

    Wollte Gott ich könnte meine Iphigenie noch ein halb Jahr in Händen behalten, man sollte ihr das mittägige Klima noch mehr anspüren.

    Tagebuch der italienischen Reise für Frau von Stein

    Venedig, 30. 9. 1786

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Iphigenie in Tauris (›Prosafassung‹)

    Iphigenie auf Tauris (›Jambenfassung‹)

    Heraus in eure Schatten, ewig rege Wipfel des heiligen Hains, hinein ins Heiligtum der Göttin, der ich diene, tret’ ich mit immer neuem Schauer, und meine Seele gewöhnt sich nicht hierher!

    Heraus in eure Schatten, rege Wipfel Des alten, heil’gen, dicht belaubten Haines, Wie in der Göttin stilles Heiligtum, Tret ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl, Als wenn ich sie zum erstenmal beträte, Und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher. (v. 1-6)

    Blankvers (›blank verse‹): fünfhebiger Jambus ohne Reim

    ◡ — ◡ — ◡ — ◡ — ◡ — (◡)

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    ›La Rotonda‹ bei Vicenza

    1566-1571

    ›Poseidon‹-Tempel in Paestum

    um 450 v. Chr.

    Andrea Palladio

    Dorische Zeit Renaissance

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    ›Poseidon‹-Tempel in Paestum

    um 450 v. Chr.

    Dorische Zeit Renaissance

    Euripides

    480(?) – 406

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Euripides

    480(?) – 406

    ΙΦΙΓΕΝΕΙΑ Η ΕΝ ΤΑΥΡΟΙΣ (Iphigeneia bei den Taurern)

    Uraufführung: Athen um 413 v. Chr.

    ›Diana‹ statt ›Artemis‹

    ›Iphigenie‹ ↑

    frz. ›Iphigénie‹

    ›Ein Schauspiel‹

    (statt ›Tragödie‹)

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Orestes – Iphigeneia – Elektra

    Agamemnon – Klytaimnestra

    Tantalos

    [...] Übermut

    Und Untreu’ stürzten ihn von Jovis Tisch

    Zur Schmach des alten Tartarus hinab. (v. 323-325)

    Iphigeneia in Aulis

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Tantalos

    [...] Übermut

    Und Untreu’ stürzten ihn von Jovis Tisch

    Zur Schmach des alten Tartarus hinab.

    v. 323-325

    Personen

    Iphigenie Thoas, König der Taurier Orest Pylades Arkas

    Schauplatz: Hain vor Dianens Tempel

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    Personen

    Iphigenie Thoas, König der Taurier Orest Pylades Arkas

    Schauplatz: Hain vor Dianens Tempel Thoas. […] Die Göttin übergab dich meinen Händen; Wie du ihr heilig warst, so warst du’s mir. Auch sei ihr Wink noch künftig mein Gesetz: Wenn du nach Hause Rückkehr hoffen kannst, So sprech’ ich dich von aller Fordrung los. Doch ist der Weg auf ewig dir versperrt, Und ist dein Stamm vertrieben, oder durch Ein ungeheures Unheil ausgelöscht, So bist du mein durch mehr als ein Gesetz. Sprich offen! und du weißt, ich halte Wort. (v. 290-299)

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    [...] – Ja, vernimm, o König, Es wird ein heimlicher Betrug geschmiedet; Vergebens fragst du den Gefangnen nach; Sie sind hinweg und suchen ihre Freunde, Die mit dem Schiff am Ufer warten, auf. Der ältste, den das Übel hier ergriffen Und nun verlassen hat – es ist Orest, Mein Bruder, und der andre sein Vertrauter, Sein Jugendfreund, mit Namen Pylades. Apoll schickt sie von Delphi diesem Ufer Mit göttlichen Befehlen zu, das Bild Dianens wegzurauben und zu ihm Die Schwester hinzubringen, und dafür Verspricht er dem von Furien Verfolgten, Des Mutterblutes Schuldigen, Befreiung. Und beide hab ich nun, die Überbliebnen Von Tantals Haus, in deine Hand gelegt: Verdirb uns – wenn du darfst. (v. 1919-1936)

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    [...] – Ja, vernimm, o König, Es wird ein heimlicher Betrug geschmiedet: Vergebens fragst du den Gefangnen nach; Sie sind hinweg und suchen ihre Freunde, Die mit dem Schiff am Ufer warten, auf. Der ältste, den das Übel hier ergriffen Und nun verlassen hat – es ist Orest, Mein Bruder, und der andre sein Vertrauter, Sein Jugendfreund, mit Namen Pylades. Apoll schickt sie von Delphi diesem Ufer Mit göttlichen Befehlen zu, das Bild Dianens wegzurauben und zu ihm Die Schwester hinzubringen, und dafür Verspricht er dem von Furien Verfolgten, Des Mutterblutes Schuldigen, Befreiung. Und beide hab' ich nun, die Überbliebnen Von Tantals Haus, in deine Hand gelegt: Verdirb uns – wenn du darfst. (v. 1919-1936)

    Goethe an Schiller 19. Januar 1802

    Hiebey kommt die Abschrifft des gräcisirenden Schauspiels. Ich bin neugierig was Sie ihm abgewinnen werden. Ich habe hie und da hineingesehen, es ist ganz verteufelt human.

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    IPHIGENIE.

    […] O wende dich zu uns und gib

    Ein holdes Wort des Abschieds mir zurück!

    Dann schwellt der Wind die Segel sanfter an,

    Und Tränen fließen lindernder vom Auge

    Des Scheidenden. Leb’ wohl! und reiche mir

    Zum Pfand der alten Freundschaft deine Rechte.

    THOAS.

    Lebt wohl! (v. 2168-2174)

    IPHIGENIE.

    Denk’ an dein Wort und laß durch diese Rede

    Aus einem graden treuen Munde dich

    Bewegen! Sieh uns an! du hast nicht oft

    Zu solcher edeln Tat Gelegenheit.

    Versagen kannst du's nicht; gewähr’ es bald.

    THOAS.

    So geht! (v. 2146-2151)

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    THOAS

    Du glaubst, es höre

    Der rohe Scythe, der Barbar, die Stimme

    Der Wahrheit und der Menschlichkeit, die Atreus,

    Der Grieche, nicht vernahm?

    IPHIGENIE

    Es hört sie jeder,

    Geboren unter jedem Himmel, dem

    Des Lebens Quelle durch den Busen rein

    Und ungehindert fließt. – (v. 1936-1942)

    THOAS

    Unwillig, wie sich Feuer gegen Wasser

    Im Kampfe wehrt und gischend seinen Feind

    Zu tilgen sucht, so wehret sich der Zorn

    In meinem Busen gegen deine Worte. (v. 1979-1982)

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie

    THOAS

    Unwillig, wie sich Feuer gegen Wasser

    Im Kampfe wehrt und gischend seinen Feind

    Zu tilgen sucht, so wehret sich der Zorn

    In meinem Busen gegen deine Worte. (v. 1979-1982)

    IPHIGENIE

    Zwar die gewalt’ge Brust und der Titanen

    Kraftvolles Mark war seiner Söhn’ und Enkel

    Gewisses Erbteil; doch es schmiedete

    Der Gott um ihre Stirn ein ehern Band.

    Rat, Mäßigung und Weisheit und Geduld

    Verbarg er ihrem scheuen, düstern Blick:

    Zur Wut ward ihnen jegliche Begier,

    Und grenzenlos drang ihre Wut umher. (v. 328-335)

  • Die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 12. 1. 2016: J. W. Goethe: Iphigenie