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Ein Versuch, die ,,GrenzviskositatszahP anschaulich zu machen und eine Remerkung zur Nomenklatur der Viskositiit verdunnter Losungen von Kettenmolekuleri Von R. Signer Institut fur allgemeine und spezielle organische Chemie der Universitat Bern Eingegangen am 8. September 1955 ZU S -4MM E N F A S SUN G : Die ,,Grenzviskositiitszahl“ wird anschaulich gedeutet. Es wird auf eine Analogie in ihrer Definition und derjenigen des Elastizitiitsmoduls hingewiesen. -41s neue Bezeich- nung der ,,Grenzviskositatszahl“ wird ,,Staudinger-Einheit“ vorgeschlagen. SUMMARY: The “limiting viscosity number’’ is given pictorial significance. Reference is made to the analogy in its definition and that of the elastic modulus. The expression “Staudinger- unit” is suggested as a new designation for “limiting viscosity number”. Von etwa 1925 ab hat H. Staudinger ausgedehnte Untersuchungen der Viskositat verdunnter Losungen polymerhomologer Kettenmolekule aus- gefiihrt und hiebei gefunden, da13 die GroSe K in der Beziehung (1) 1 zur Charakterisierung der hochmolekularen Substanz in einem bestimm- ten Losungsmittel geeignet sei. Heute weiB man, daB die viskosimetrische Charakterisierung einer hochmolekularen Substanz vie1 einfacher und sicherer durchgefiihrt wer- den kann als etwa die osmometrische oder diejenige durch Lichtstreuung, Sedimentation oder Diffusion l). Die weiteren Tatsachen, daB die K- Werte polymerhomologer Stoffe unter Verwendung desselben Losungs- mittels zu Molekulargewichtsvergleichen nutzlich sind und die K- Werte eines Stoffes in verschiedenen Losungsmitteln uber die Molekulgestalten Aufschliisse geben, erklaren zur Genuge die Haufigkeit der Beniitzung dieser Werte in der modernen makromolekularen Chemie. l) H. P. Frank u. H. F. Mark, J. Polymer Sci. 17 (1955) 1. 39

Ein versuch, die „grenzviskositätszahl” anschaulich zu machen und eine bemerkung zur nomenklatur der viskosität verdünter lösungen von kettenmolekülen

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Ein Versuch, die ,,GrenzviskositatszahP anschaulich zu machen und eine Remerkung zur Nomenklatur

der Viskositiit verdunnter Losungen von Kettenmolekuleri Von R. Signer

Institut fur allgemeine und spezielle organische Chemie der Universitat Bern

Eingegangen am 8. September 1955

ZU S -4MM E N F A S SUN G : Die ,,Grenzviskositiitszahl“ wird anschaulich gedeutet. Es wird auf eine Analogie in

ihrer Definition und derjenigen des Elastizitiitsmoduls hingewiesen. -41s neue Bezeich- nung der ,,Grenzviskositatszahl“ wird ,,Staudinger-Einheit“ vorgeschlagen.

SUMMARY: The “limiting viscosity number’’ is given pictorial significance. Reference is made to

the analogy in its definition and that of the elastic modulus. The expression “Staudinger- unit” is suggested as a new designation for “limiting viscosity number”.

Von etwa 1925 ab hat H. Staudinger ausgedehnte Untersuchungen der Viskositat verdunnter Losungen polymerhomologer Kettenmolekule aus- gefiihrt und hiebei gefunden, da13 die GroSe K in der Beziehung (1)

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zur Charakterisierung der hochmolekularen Substanz in einem bestimm- ten Losungsmittel geeignet sei.

Heute weiB man, daB die viskosimetrische Charakterisierung einer hochmolekularen Substanz vie1 einfacher und sicherer durchgefiihrt wer- den kann als etwa die osmometrische oder diejenige durch Lichtstreuung, Sedimentation oder Diffusion l). Die weiteren Tatsachen, daB die K- Werte polymerhomologer Stoffe unter Verwendung desselben Losungs- mittels zu Molekulargewichtsvergleichen nutzlich sind und die K- Werte eines Stoffes in verschiedenen Losungsmitteln uber die Molekulgestalten Aufschliisse geben, erklaren zur Genuge die Haufigkeit der Beniitzung dieser Werte in der modernen makromolekularen Chemie.

l) H. P. Frank u. H. F. Mark, J. Polymer Sci. 17 (1955) 1.

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R. S i e r

Man hat fur das K verschiedene Namen wie ,,GrenzviskositiitszahP 8)

oder ,,Grenzviskositatss vorgeschlagen, diese Namen aber auch wieder kritisiert, weil K weder dimensionslos ist, noch die Dimension einer Vis- kositat besitzt.

Es SOU im folgenden zunachst gezeigt werden, daB dem K (der Dimen- sion em* g-1) eine anschauliche Bedeutung gegeben werden kann. Dann folgt ein einfacher Vorschlag zur Nomenklatur.

In Fig. 1 stellt a die bekannte Viskositatskonzentrationskurve einer hochmolekularen Substanz im Gebiet verdunnter Liisungen dar und b die Tangente an diese Kurve bei der Konzentration Null. Nun suchen wir auf der Tangente den Punkt mit der Ordinate q = 2 qo und lesen als zugehiirige AbsKisse die Konzentration c1 ab. Dieses c1 ist nach der Be- ziehung (1) der reziproke Wert von K, da wir j a r, = 2 qo und damit rl -To - gleich eins wiihlten.

TO

' 1. ,. " r c ' C ,

Fig. 1. Viskositiit q von Liisungen verschiedener Konzentration c einer makromolekularen Substanz.

Die Gr6Je K gibt also an, auf welches Volumen wir ein Gramm hochmole- kularer Substanz mit einem bestimmten LGsungsmittel zu verdiinnen haben, damit diese L6sung gerade die doppelte Viskositdt des reinen LGsungsmittels besitzen wiirde, wenn die Viskosit(itserh6hung i m Konzentrationsgebiet null bis c1 idaal verliefe, d. h. proportional zu c.

c1 ah reziproker Wert von K gibt an, wieviel Gramm det hochmolekularen Substanz in einem Milliliter Liisung sein m@ten, damit die Viskositut der

*) 0. Kratky u. M. L. Huggins, Makromolekulare Chem. 9 (1953) 195.

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Bemerkung zur N o m e d a t u r der Viekositiit verdiinnter Liisungen von Kettenmolekiilen

Lbsung den doppelten Wert der Lbsungsrnittelviskosit(it bes&.e; wobei auch bei dieser . Definition die Proportionalitat zwischen Viskositatserhbhung und Konzentration vorausgesetzt wird.

Es sei noch auf eine auffallende Bhnlichkeit hingewiesen, die zwischen der Definition des K und der Definition des Elastizitatsmodul besteht. Hieriiber gibt Tabelle 1 AufschluS.

Tabdle 1. Analogie in den Definitionen von ,Viskosititsd" und Elantiaitiitsmodd

Untersuchungsobjekt

Gemessene GroDe

Anfangswert

Veriinderung des Ob- jektes

Veriinderung des Ob- jektes

Veriinderung g$messen a m Anfangswert

Das Grenzgesetz frir geringe Veriinderungen

Anechauliche Bedeii tung der Konstanten

,,Viskosititszahl"

Ein Lasungsmittel fur eine hochmolekulare Substanz

Viskositiit 3

"lo

Auflosen der hochmolekula- ren Substanz in versehiede-

nen Konzentrationen c

Viskositiitserhohung r)-30

3-90

30 -

lim c + o ( yo . ;)= K =: Anzahl ml Liisung, in welchen ein g hochmoleku- larer Substanz gelost 6ein miiDte, damit die Losungs- viskositiit bei idealem Ver- halten das Doppelte der Lii- sungsmittelviskositiit wire

Zur Nomenklatur der Viskositat verdunnter molekiilen3) sei folgendes bemerkt.

Elastizitiitsmodul

Ein Stab aus einem festen Stoff vom Querschnitt

1 cmp

Liinge I

b Belastung mit verschie-

denen Lasten L

Verliingerung 1-b

1-b 1,

E = Last, welche bei idea- lem Verhalten den Stab auf die doppelte Anfangs- linge verdehnen wiirde

Losungen von Ketten-

1. Nach allen bisherigen Erfahrungen hat bei der viskosimetrischen Charakterisierung einer makromolekularen Substanz in einem bestimm- ten Losungsmittel der Ausdruck

Vgl. 0. Kratky u. M. L. Huggins, Makromolekulare Chem. 9 (1953) 211.

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R. Signer

iiberragende Bedeutung. Es sol1 daher nur hiefiir ein moglichst allgemein zu verwendender Name vorgeschlagen werden. Die iibrigen GriiBen wie beispiels weise

?-?O r,/-qo oder -

?o *

treten in ihrer theoretischen und praktischen Bedeutung gegeniiber der ersterwahnten stark in den Hintergrund. Auch hiefur allgemein ver- wendbare Namen vorzuschlagen hiefie die Durchschlagskraft einer gu- ten Bezeichnung des Ilauptausdruckes vermindern.

2. Zur Bezeichnung des

ist zu bemerken, daD sie richtig sein sollte. Der Grenzwert ist keine ,,Zah16< und keine ,,Viskositat", piel eher etwa eine ..Verdunnung6<. in- dem ein Gramm hochmolekularer Substanz mit dem Losungsmittel auf ein bestimmtes Volumen verdunnt wird. Aber mit .,Verdunnung* l a D t sich wohl kein brauchbarer Name konstruieren. Dagegen konnte leicht ein Weg eingeschlagen werden, den man in der Wissenschaft auch an so vielen andern Orten als zweckmanig befunden hat, etwa bei der Bezeich- nung der Temperaturskalen, der Sedimentationsgeschwindigkeiteo in der Ultrazentrifuge, der Dipolmoniente usw. Man wiirde dann etwa aus- sagen: ,,Dieses Polystyrol hat in Toluol bei 20" 150 ,Staudinger'rG. Fur diese Bezeichnungsart konnen zwei Vorteile unmittelbar ins Feld gefuhrt werden, einmal die Beriicksichtigung der historischen Entwicklung der makromolekularen Chemie und dann das Ausschalten aller Ubersetzungs- schwierigkeiten in andere Sprachen.

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