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Eine anepigraphe Januskopf-Potinmünze aus Basel-Gasfabrik Andreas Burkhardt Im Rahmen der umfassenden numismatischen Bear- beitung der Fundmünzen aus Basel-Gasfabrik/Fabrik- strasse 1 konnte eine Potinmünze als anepigrapher Ja- nuskopf-Typ bestimmt werden 2 . Das Hauptverbrei- tungsgebiet dieser ehemals kleinräumig zirkulieren- den Münzgruppe liegt in Frankreich im Raum Langres und Nancy. Die Münzen, die mindestens in drei ver- schiedenen Typen - epigraph mit der griechischen Inschrift VINDIA, mit reduzierter griechischer Inschrift und als anepigrapher, immobilisierter Typ - vorkom- men 3 , werden in der Literatur feintypologisch undiffe- renziert dem gallischen Stamm der Lingonen zuge- wiesen. Das erste und bisher einzig bekannte Fund- exemplar aus Basel von dieser Münzgruppe gehört zu dem schriftlosen Potintyp und markiert den nord- östlichsten Fundpunkt auf der Verbreitungskarte die- ser bislang nur auf linksrheinischer Seite bekannt ge- wordenen Münzgruppe. Dazu zählen auch zwei Fundstücke aus Sierentz, die demnächst publiziert werden 4 und mit dem Basler Fundstück eine relativ einheitliche Metallzusammensetzung aufweisen 5 . Obwohl Januskopf-Potinmünzen in der numismati- schen Literatur seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhun- derts bekannt sind 6 , war aus der Schweiz bislang nur ein Fundstück mit stark reduzierter Inschrift vom Mont Vully belegt 7 . Zusammen mit 9 Exemplaren aus dem Passheiligtum des Grossen St. Bernhard 8 bildet die Münze vom Mont Vully die südöstlichste Verbrei- tungsgrenze dieser Potinmünzgruppe. Charakteristisch für Januskopf-Potinmünzen mit redu- zierter griechischer Inschrift oder ohne Inschrift ist - im Gegensatz zu den konvexen Potinmünzen vom Sequaner- oder Zürchertyp - eine dünne und flache Münzform mit einem sehr flachen Bildrelief. Da der Münzguss zudem häufig flau und verlaufen ist, sind die Münzen feintypologisch oftmals nicht exakt be- stimmbar. Stärker korrodierte Exemplare könnten in anderen Sammlungsbeständen sogar unerkannt ge- blieben sein. Das Gewicht des Basler Fundstückes liegt korrosionsbedingt mit 2,15 g an der unteren Ge- Abb. 1. Basel-Gasfabrik, Fabrikstrasse. Anepigraphe Januskopf-Potinmünze. - Massstab 2:1. wichtsgrenze für Münzen dieses Typs. Die Orientie- rung des Münzbildes beträgt 90°/(270°) und ent- spricht damit den frühen Leuker- und Sequaner-Ty- pen. Neben der Münzbildorientierung weisen insbe- sondere die griechischen Schriftreste (vgl. KALE- TEDOU-Quinare) den Münztyp in die Gruppe der äl- teren keltischen Münztypen 9 . Mögliche Vorbilder der Januskopf-Potinmünzen, aber in anderen Legierungsarten, sind besonders aus dem belgischen Marne-Mosel Gebiet bekannt. Entspre- chende Goldmünzen werden den Leukern oder Mediomatrikern zugewiesen 10 , aber auch geprägte Buntmetalltypen sind bekannt 11 . Januskopf-Gold- münzen im Nominal von 1/24-Stateren liegen aus dem Oppidum von Manching vor 12 und lassen sich von der römischen Didrachme bzw. ihren Teilstücken ablei- ten 13 . Der Januskopf-Potintyp gehört auch insofern zur Gruppe der älteren Potinmünzen. Das Fundstück aus Basel ist das zweite bekannte Ex- emplar der Schweiz und bisher das einzige, das aus einer systematisch untersuchten spätkeltischen Sied- lung des späten 2. und frühen 1. Jahrhunderts v. Chr. stammt. Anmerkungen 1 Andreas Burkhardt, Willem B. Stern, Guido Helmig, Keltische Münzen aus Basel, Numismatische und metallanalytische Untersu- chungen; Antiqua, Bd. 25, Basel 1994. 2 KMB Nr. 606, vgl. Burkhardt/Stern/Helmig (wie Anm. 1). 3 Jean-Baptiste Colbert de Beaulieu, Traité de numismatique celtique, I: Méthodologie des ensembles, Paris 1973, 282 Fig. 49. 4 Kat.-Nr. 32, 33 bei Andreas Burkhardt, Thierry Dumez, Bénédicte Viroulet, Jean-Jacques Wolf, «Les monnaies celtiques de Sierentz et de Haute-Alsace», Cahiers Alsaciens dArchéologie, dArt et d'Histoire (1994). 5 Die Nebenelemente Blei und Antimon dürften für diesen Münztyp signifikant sein. 6 L. de la Saussaye, E. Muret, Revue Numismatique 1840, PI. XVIII.7; Joachim Lelewel, Type gaulois ou celtique, Atlas, Bruxelles 1840, Pl. VI.57. 7 RudolfDegen, «MontVully-einkeltischesOppidum?», Helvetia Archaeologica 32, 1977, 132 f. bezeichnet die im Gussverfahren hergestellte Münze fälschlich als «Prägung». 8 Adrien Blanchet, Traité des monnaies gauloises, Paris 1905 (Reprint: Bologna 1971), 393 Fig. 405. 9 Vgl. KMB, Burkhardt/Stern/Helmig (wie Anm. 1). 10 Simone Scheers, Traité de numismatique celtique, II: La Gaule Belgique, Paris 1977, 452 ff., Pl. XI.278-288. 11 Scheers (wie Anm. 10), 650 ff., PI. XIX.544-547. 12 Hans-Jörg Kellner, «Die älteste keltische Fundmünze aus dem Oppidum von Manching», Germania 39, 1961, 299-305. 13 Edward A. Sydenham, The Coinage of the Roman Republic, London 1952, Pl. XIII.64-70. 36

Eine anepigraphe Januskopf-Potinmünze aus Basel-Gasfabrik · 2020-06-03 · Januskopf-Gold-münzen im Nominal von 1/24-Stateren liegen aus dem Oppidum von Manching vor 12 und lassen

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Page 1: Eine anepigraphe Januskopf-Potinmünze aus Basel-Gasfabrik · 2020-06-03 · Januskopf-Gold-münzen im Nominal von 1/24-Stateren liegen aus dem Oppidum von Manching vor 12 und lassen

Eine anepigraphe Januskopf-Potinmünze aus Basel-Gasfabrik

Andreas Burkhardt

Im Rahmen der umfassenden numismatischen Bear-beitung der Fundmünzen aus Basel-Gasfabrik/Fabrik-strasse1 konnte eine Potinmünze als anepigrapher Ja-nuskopf-Typ bestimmt werden2. Das Hauptverbrei-tungsgebiet dieser ehemals kleinräumig zirkulieren-den Münzgruppe liegt in Frankreich im Raum Langres und Nancy. Die Münzen, die mindestens in drei ver-schiedenen Typen - epigraph mit der griechischen Inschrift VINDIA, mit reduzierter griechischer Inschrift und als anepigrapher, immobilisierter Typ - vorkom-men3, werden in der Literatur feintypologisch undiffe-renziert dem gallischen Stamm der Lingonen zuge-wiesen. Das erste und bisher einzig bekannte Fund-exemplar aus Basel von dieser Münzgruppe gehört zu dem schriftlosen Potintyp und markiert den nord-östlichsten Fundpunkt auf der Verbreitungskarte die-ser bislang nur auf linksrheinischer Seite bekannt ge-wordenen Münzgruppe. Dazu zählen auch zwei Fundstücke aus Sierentz, die demnächst publiziert werden4 und mit dem Basler Fundstück eine relativ einheitliche Metallzusammensetzung aufweisen5. Obwohl Januskopf-Potinmünzen in der numismati-schen Literatur seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhun-derts bekannt sind6, war aus der Schweiz bislang nur ein Fundstück mit stark reduzierter Inschrift vom Mont Vully belegt7. Zusammen mit 9 Exemplaren aus dem Passheiligtum des Grossen St. Bernhard8 bildet die Münze vom Mont Vully die südöstlichste Verbrei-tungsgrenze dieser Potinmünzgruppe. Charakteristisch für Januskopf-Potinmünzen mit redu-zierter griechischer Inschrift oder ohne Inschrift ist -im Gegensatz zu den konvexen Potinmünzen vom Sequaner- oder Zürchertyp - eine dünne und flache Münzform mit einem sehr flachen Bildrelief. Da der Münzguss zudem häufig flau und verlaufen ist, sind die Münzen feintypologisch oftmals nicht exakt be-stimmbar. Stärker korrodierte Exemplare könnten in anderen Sammlungsbeständen sogar unerkannt ge-blieben sein. Das Gewicht des Basler Fundstückes liegt korrosionsbedingt mit 2,15 g an der unteren Ge-

Abb. 1. Basel-Gasfabrik, Fabrikstrasse. Anepigraphe

Januskopf-Potinmünze. - Massstab 2:1.

wichtsgrenze für Münzen dieses Typs. Die Orientie-

rung des Münzbildes beträgt 90°/(270°) und ent-

spricht damit den frühen Leuker- und Sequaner-Ty-

pen. Neben der Münzbildorientierung weisen insbe-

sondere die griechischen Schriftreste (vgl. KALE-

TEDOU-Quinare) den Münztyp in die Gruppe der äl-

teren keltischen Münztypen9.

Mögliche Vorbilder der Januskopf-Potinmünzen, aber

in anderen Legierungsarten, sind besonders aus dem

belgischen Marne-Mosel Gebiet bekannt. Entspre-

chende Goldmünzen werden den Leukern oder

Mediomatrikern zugewiesen10, aber auch geprägte

Buntmetalltypen sind bekannt11. Januskopf-Gold-

münzen im Nominal von 1/24-Stateren liegen aus dem

Oppidum von Manching vor12 und lassen sich von der

römischen Didrachme bzw. ihren Teilstücken ablei-

ten13. Der Januskopf-Potintyp gehört auch insofern

zur Gruppe der älteren Potinmünzen.

Das Fundstück aus Basel ist das zweite bekannte Ex-

emplar der Schweiz und bisher das einzige, das aus

einer systematisch untersuchten spätkeltischen Sied-

lung des späten 2. und frühen 1. Jahrhunderts v. Chr.

stammt.

Anmerkungen

1 Andreas Burkhardt, Willem B. Stern, Guido Helmig, Keltische

Münzen aus Basel, Numismatische und metallanalytische Untersu-

chungen; Antiqua, Bd. 25, Basel 1994.

2 KMB Nr. 606, vgl. Burkhardt/Stern/Helmig (wie Anm. 1).

3 Jean-Baptiste Colbert de Beaulieu, Traité de numismatique

celtique, I: Méthodologie des ensembles, Paris 1973, 282 Fig. 49.

4 Kat.-Nr. 32, 33 bei Andreas Burkhardt, Thierry Dumez, Bénédicte

Viroulet, Jean-Jacques Wolf, «Les monnaies celtiques de Sierentz et

de Haute-Alsace», Cahiers Alsaciens dArchéologie, dArt et

d'Histoire (1994).

5 Die Nebenelemente Blei und Antimon dürften für diesen Münztyp

signifikant sein.

6 L. de la Saussaye, E. Muret, Revue Numismatique 1840, PI.

XVIII.7; Joachim Lelewel, Type gaulois ou celtique, Atlas, Bruxelles

1840, Pl. VI.57.

7 RudolfDegen, «MontVully-einkeltischesOppidum?», Helvetia

Archaeologica 32, 1977, 132 f. bezeichnet die im Gussverfahren

hergestellte Münze fälschlich als «Prägung».

8 Adrien Blanchet, Traité des monnaies gauloises, Paris 1905

(Reprint: Bologna 1971), 393 Fig. 405.

9 Vgl. KMB, Burkhardt/Stern/Helmig (wie Anm. 1).

1 0 Simone Scheers, Traité de numismatique celtique, II: La Gaule

Belgique, Paris 1977, 452 ff., Pl. XI.278-288.

11 Scheers (wie Anm. 10), 650 ff., PI. XIX.544-547.

1 2 Hans-Jörg Kellner, «Die älteste keltische Fundmünze aus dem

Oppidum von Manching», Germania 39, 1961, 299-305.

1 3 Edward A. Sydenham, The Coinage of the Roman Republic,

London 1952, Pl. XIII.64-70.

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