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825 - - Eine Hydrolyse des Glyeins von Emil Baur. (13. VII. 22.) Zu den wiehtigsten Vorgangen im intermediarea Stoffwechsel des Tier- und Pflanzenkorpers gehoren die Amidierung der Oxysauren und deren Umkehrung, die Desamidierung der Aminosauren. Mit ihren einfachsten Vertretern formuliert w-iirde die Reaktionsgleichung lauten : CH,OH. COONH, CH,NH,. COOH + H,O Die Lage dieses Gleichgewichtes kennen wir nicht; denn es lassen sich die Aminosauren nicht verseifen und auch nicht, von den Ammonium- salzen ihrer Oxysauren ausgehend, darstellen. Es ist aber kein Zweifel, dass unter physiologischen Verhaltnissen sowohl der cine wie der andere Vorgang sich vollziehen muss'). Es sei nur erinnert an die Versuche von Ernbden und E. Schmitx2) uber die wechselseitige Umwandlung von Milchsaure in Alanin und zuriick in der uberlebenden Leber, an die Arbeit von F. Ehrlich und K. A . Jacobsen3) uber die Umwandlung von Aminosiiuren in Oxy- sauren durch Schimmelpilze, und es sei verwiesen auf das Kapitel uber den Abbau der Aminosauren im Organismus von 0. Neubauer in Abder- halden's biochemischern Handlexikon*). Unter Bezugnahme auf Putterungsversuche von P. Knoop5) und anderen wird dort zwar die hydrolytische Desamidierung der Oxysauren als ein ,,Nebenweg" bezeichnet, im Gegensatz zu der oxydativen Desamidierung, die darin bestehen soll, dass aus einer Aminosaure die entsprechende Keto- stiure (also z. B. Brenztraubensaure aus Alanin) hervorgeht. Es ist l) E. Baur, Genesis der Kohlenhydrate. Naturwissenschaften I, 474 (1913). 2, Bio. Z. 23, 424 (1910); 38. 393 (1912). 3, B. 44, 888 (1911). 4, Rand 4, S. 368-390 (1911). - Vergl. auch AhderhaZden, Lehrb. d. physiol. Chem., 2. Aufl., S. 322 und 412. 6, H. 67, 489 (1910); 71, 252 (1911). 52a

Eine Hydrolyse des Glycins

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Eine Hydrolyse des Glyeins von

Emil Baur. (13. VII. 22.)

Zu den wiehtigsten Vorgangen im intermediarea Stoffwechsel des Tier- und Pflanzenkorpers gehoren die Amidierung der Oxysauren und deren Umkehrung, die Desamidierung der Aminosauren. Mit ihren einfachsten Vertretern formuliert w-iirde die Reaktionsgleichung lauten :

CH,OH. COONH, CH,NH,. COOH + H,O

Die Lage dieses Gleichgewichtes kennen wir nicht; denn es lassen sich die Aminosauren nicht verseifen und auch nicht, von den Ammonium- salzen ihrer Oxysauren ausgehend, darstellen. Es ist aber kein Zweifel, dass unter physiologischen Verhaltnissen sowohl der cine wie der andere Vorgang sich vollziehen muss').

Es sei nur erinnert an die Versuche von Ernbden und E. Schmitx2) uber die wechselseitige Umwandlung von Milchsaure in Alanin und zuriick in der uberlebenden Leber, an die Arbeit von F . Ehrlich und K. A . Jacobsen3) uber die Umwandlung von Aminosiiuren in Oxy- sauren durch Schimmelpilze, und es sei verwiesen auf das Kapitel uber den Abbau der Aminosauren im Organismus von 0. Neubauer in Abder- halden's biochemischern Handlexikon*). Unter Bezugnahme auf Putterungsversuche von P. Knoop5) und anderen wird dort zwar die hydrolytische Desamidierung der Oxysauren als ein ,,Nebenweg" bezeichnet, im Gegensatz zu der oxydativen Desamidierung, die darin bestehen soll, dass aus einer Aminosaure die entsprechende Keto- stiure (also z. B. Brenztraubensaure aus Alanin) hervorgeht. Es ist

l) E. Baur, Genesis der Kohlenhydrate. Naturwissenschaften I, 474 (1913). 2 , Bio. Z. 23, 424 (1910); 38. 393 (1912). 3, B. 44, 888 (1911). 4, Rand 4, S. 368-390 (1911). - Vergl. auch AhderhaZden, Lehrb. d. physiol.

Chem., 2. Aufl., S. 322 und 412. 6, H. 67, 489 (1910); 71, 252 (1911).

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- 826 - aber wohl ebenso moglich, dass die Oxysaure nachtraglich zur Kelo- siiure oxydiert wird. Desgleichen kann man die reduzierende Anii- dierung einer Ketoskure zerlegen in eine voraufgehende Reduktion zur Oxystiure und deren nachtragliche Amidierung im Sinne des obigen Gleic hg e wicht es .

Irinier dcutlicher tritt hervor, dass die geheimnisvolle chemische Tatigkeit des Organismus zu einem grossen Teile aus der katalytischeii und regulatorischen Einwirkung grosser OberflBchen zu erkliiren ist. Es sei ' nur Bezug genonimen auf die vortrefflichen Untersuchungen von 0. Wasburg') iiber die physikalische Chemie der Zellatmung. Dieser iiutor fand, dass ilminosauren (Cystin, Cyste'in, Tyrosin, Leucin) weit- gehend oxydiert und zum Teil zu Kohlendioxyd, Ammoniak und Wasser verbrannt werden, wenn sie mit vie1 Blutkohle und Sauerstoff bei Warmblutertemperatur mehrere Stunden lang geschiittelt werden.

Nach dieser Erfahrung war es naheliegend, zu fragen, wie sich die Aminosauren gegen Tierkohle verhalten mochten, wenn Sauerstoff abwesend ist. Fur Glycin, dessen Adsorption an Tierkohle kurzlich von Abderhalden und Podor2) gemessen wurde, konnte ich feststellen, dass bei tage- und wochenlanger Einwirkung in fortschreitendem Masse Ammoniak abgespalten wird.

Hieruber mochte ich das Folgende mitteilen: Es wurden frisch bereitete Losungen von Glycin in ausgekochtem

Wasser in voll angefiillten, verstopselten, mit Gummikappen ge- schiitzten Flaschen zusammen mit Tierkohle (Carba animalis Merck) im Thermostaten bei 40° unter Wasser geschu ttelt. Nach geeigneten Zeiten wurden die Flaschen herausgenommen, die Losungen von der Kohle abfiltriert und im Filtrat das Ammoniak bestimmt. Dies ge- schah meist in Anlehnung an das auch von 0. Warburg benutzte Ver- fahren von Polin3). Das mit Pottasche (10 em3 loo/, K,CO, zu 100 em3) versetzte Filtrat wird etwa 18 Stunden lang mit einem Luftstrom von etwa 1 Sekundenliter durchliiftet und in einer vorgelegten Spiral- waschflasche mit 40 em3 0,l-n. (oder 0,02-n.) Salzsaure das Ammoniak zuruckgehalten. Die Vorlage wird alsdann je nach Fall nesslerisiert

Festschrift der Kaiser Vf'ilhelm-Gesellschaft, Berlin 1921. S. 224. - 0. Warburg, fjber Oberflachenreaktionen in lebenden Zellen, Z. El. Ch. 28, 70 (1922). - 0. Wwhztrg und E. Negelein, Uber die Osydation des Cystins und anderer Aminoskuren an Blut- kohle. Rio. Z. 113, 257 (1921).

2, Z. Koll. 27, 49 (1920). 3, ,,Mettiode zur Bestimmung des Ammoniaks im Ham." H. 37, 161 (1902).

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827 - - oder titriert. Dieses Verfahren arbcitet wohl nicht immer quantitat,iv erschopfend, jedoch mogen die mit ihm erhaltenen Minimalwerte unter sich vergleichbar sein. Man kann ubrigens die Austreibung des Am- moniaks auch umgehen und an dern Filtrat von der Kohle unmittelbar die Nesslerisierung vornehmen. Ich bekam folgende Umsatze :

Temperatur O C

________- ~ ~ _ _ _

100 om3 Lbsung i Ammoniak- enthalten IEinwirkungs- I stickstoff

Glycin des Gesamt- 1 grpi Stunden stickstoffs

zeit in "/o Carbo animalis

gr _. 1 _ _ _ ~

Der Versuch bei 1000 in der letzten Zeile der Tabelle ist so ausgefuhrt, dass die Glycinlosung mit der Kohle im Wasserdampfstrom erhitzt wurdk.

Man erkennt, dass der Umsatz steigt mit der Vermehrung der Kohlenmenge, der Konzentration der Losung und der Erhohung der Temperatur.

In allen Fallen ist das Filtrat von der Kohle nach der Umsetzung neutral. Hieraus ist zu schliessen, dass es sich nur urn Hydrolyse handeln kann gemass der Gleichung:

CHZNHS . COOH + HZO = CHZOH. COONHA

Die Bildung von Di- und Triglykolamidsaure, die M . Siegfried1) bei Eiiirvirkung von Quecksilberchlorid auf Glykokoll beobachtete, hiltte sich durch saure Reaktion bemerkbar machen miissen.

Die Glykolsaure suchte ich zu isolieren, indem ich das Filtrat von der Kohle mit Salzsaure ansauerte, auf dem Wasserbad zur Trockne verdampfte, die Salze wiederholt mit siedendem Ather auszog, wobei man freilich die Glykolsaure nur unvollstandig gewinnt, den Ather verjagt; und den sauren, zahfliissigen Ruckstand - Glykolsaure krystallisiert nicht beim Verdampfen ihrer atherischen Losung2) -

H. 73, 194 (1911). z , Di- und Triglykolamidsiiure sind in Ather unloslich.

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mit Kalkwasser neutralisiert>e. Nach dein Eindampfen wird das Calcium- glykolat gewogen. Ich erhielt z. R.:

___ ~

entsprechencl Glykolsaure . . . . . .

In den beiden Versuchen a und b gelang es nicht, das Calcium- salz der Glykolsaure durch Wiederauflosen und Verdunstenlassen zu identifizieren. Das in feinen Nadeln krystallisierende Salz Ca(C2H,03), 1 4 H , O ist iiiimlicli u. d. M. leicht erkennbar. Dagegen bekam ich in den Filtraten von der Kohle nach Zusatz von Calciumchlorid und Verdunstenlassen eines Tropfens auf dem Objekttrager meist die charakteristischeii haarfeinen Krystallbuschel dieses Salzes.

Ich belialte niir vor, die hier beschriebene Hydrolyse der Amino- sauren demnachst ausfuhrlicher zu untersachen.

Physika1.-chem. Labor. der Eidgen. Techn. Hochschule Zurich. .Juli 1922.

Uber Versuehe zur Photolyse der Kohlensaure von

Emil Baur und A. Rebmann. (28. VJT. 22.)

In einer jungst erschienenen dbhandlung lenken E. C. C. Buly, .T. M . Heilbron und I). P. H21dson~) die Aufmerksamkeit auf die Syn- thesen stickstoffhaltiger organischer Stoffe, die bei ultravioletter Be- ,-trahlung von Fornialdehyd mit Nitrat oder Nitrit erhalten werden. Die Autoren bestatigen und erweitern die Ergebnisse, die zuirst T - O ~

S I . %audisch2) an iihnlichen Systemen gewonnen warden sind. Sie

I ) SOC. 121, 1078- 1088 ( Jun i 19.22). 2 , B. 46, 115 (1913).