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Eine Kirche an der Grenze Die Grenzregion Steiermark – Slowenien in Hinblick auf die Wiederaufnahme von Kontakten und auf grenzüber- schreitende Zusammenarbeit am Beispiel von Sv. Pankracij (St. Pongratzen) Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philosophie an der Karl-Franzens-Universität Graz vorgelegt von Andrea STELZL am Institut für Geschichte Begutachter: O.Univ.-Prof. Dr.phil. Dr.h.c. Helmut Konrad Graz, 2010

Eine Kirche an der Grenze

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Eine Kirche an der Grenze

Die Grenzregion Steiermark – Slowenien in Hinblick auf

die Wiederaufnahme von Kontakten und auf grenzüber-

schreitende Zusammenarbeit am Beispiel von Sv. Pankracij

(St. Pongratzen)

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philosophie

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Andrea STELZL

am Institut für Geschichte Begutachter: O.Univ.-Prof. Dr.phil. Dr.h.c. Helmut Konrad

Graz, 2010

2

Danksagung an meine Eltern O.Univ.-Prof. Dr.phil. Dr.h.c. Helmut Konrad Johann Krasser Susanne Hutter Sebastian Scheucher Mag. Kerstin Urschinger

3

Inhalt

1 Einleitung ........................................................................................................................... 4

2 Grenze allgemein................................................................................................................ 7

2.1 Dualismus von Verbindendem und Trennendem....................................................... 9

2.2 Grenztypisierungen .................................................................................................. 10

3 Die Bedeutung von Grenzregionen .................................................................................. 14

3.1 Grenzüberschreitende Kooperationen ...................................................................... 14

3.2 Grenze als aufgeladener Raum................................................................................. 18

4 Historischer Abriss - Slowenien im 20. Jahrhundert........................................................ 21

5 Steirisch-slowenische Grenzentwicklung ........................................................................ 26

5.1 Analyse der grenzregionalen Situation .................................................................... 42

5.2 Grenze – Peripherie.................................................................................................. 46

6 Religion und Kirche in Slowenien ................................................................................... 49

7 Religion und Kirche in der Steiermark............................................................................. 56

8 St. Pongratzen................................................................................................................... 60

8.1 Patrozinium .............................................................................................................. 60

8.2 Kirchen- und Baugeschichte .................................................................................... 62

8.3 Der Wiederaufbau der Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg................................... 71

8.4 Die Eröffnungsfeierlichkeiten .................................................................................. 72

8.5 Das Inventar der Kirche ........................................................................................... 76

8.6 Die Kirche und die Grenze -Die Zusammenarbeit zwischen den Pfarren ............... 83

8.7 Der Zugang zur Kirche............................................................................................. 86

8.8 Die Wahrnehmung der Grenze................................................................................. 89

8.9 Gelebte Nachbarschaft - Bedeutung der Kirche....................................................... 92

9 Fördernde Projekte zum Abbau von Grenzen .................................................................. 96

10 Resümee ....................................................................................................................... 99

11 Quellen- und Literaturverzeichnis.............................................................................. 101

11.1 Quellenverzeichnis ................................................................................................. 101

11.2 Literaturverzeichnis................................................................................................ 102

4

1 Einleitung

Es leben alle Völker,

die sehnend warten auf den Tag,

daß unter dieser Sonne

die Welt dem alten Streit entsag!

Frei sei dann

Jedermann,

nicht Feind, nur Nachbar mehr fortan! 1

Das Interesse an Grenzen und hier vor allem an Staatsgrenzen hat sich in den letzten Jahren

vehement gesteigert. Wurde diese Thematik noch zu Beginn des vorigen Jahrhunderts ins

stiefmütterliche Abseits gestellt, kann man nun auf eine Vielzahl von Publikationen aus

unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen zurückgreifen. Das zunehmende Interesse

an Grenzen kann auf die Veränderungen innerhalb Europas zurückgeführt werden. Die

Grenzen innerhalb der Europäischen Union verlieren an Bedeutung und in Zentral- und

Osteuropa entstanden neue Staatsgrenzen.

Grenzen bzw. Grenzregionen als Forschungsgegenstand sind vor allem interessant, da sie

politische und ökonomische Entwicklungslinien widerspiegeln, die asynchron und

diskontinuierlich verlaufen. Staatsgrenzen sind ein Dualismus von gleichzeitig Trennendem

und Verbindendem immanent, wodurch ein Spannungsfeld entsteht.

In diesem Spannungsfeld entwickeln sich Grenzregionen. Das Aufeinandertreffen zweier

benachbarter Staaten und der dadurch vorhandene freie und integrative Austausch bzw. die

Wahrnehmung der jeweiligen hoheitsstaatlichen Aufgaben nähren dieses Spannungsfeld. Witt

spricht hier von einer Balance zwischen „facilitating versus controlling“, die als

bestimmendes Moment von Grenzregionen von der Gestaltung und Steuerung der staatlichen

Politik abhängig ist.2

1 Wieser Enzyklopädie des europäischen Ostens. Selbstbild und Fremdbilder der Völker des europäischen Ostens. Hrsg. Karl Kaser, Martin Prochazka. Bd. 18. Klagenfurt: Wieser Verlag 2006, S. 346. 2 Vgl. Witt, Andrea: Die deutsch-polnische und die US-mexikanische Grenze – Grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen regionaler Identität, nationaler Priorität und transkontinentaler Integration. Diss. Berlin: 2003. Online im Internet: URL: http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=969598831&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=969598831.pdf [Stand: 2009-05-03], S. 12.

5

Die Entwicklungslinien sind demnach von der jeweiligen staatlichen Politik abhängig, die

durch ihre Steuerung und Gestaltung die Bedingungen für grenzüberschreitenden Austausch

bedingt.

In folgender Arbeit richtet sich der Blick auf Teile der Grenze zwischen der Steiermark und

Slowenien von 1919 bis zur Gegenwart. Dort vollzog sich innerhalb weniger Jahrzehnte ein

Wandel von einer völlig geschlossenen hin zu einer unsichtbaren Grenze. An dieser 1919

entstandenen Grenze ist es möglich, die Phasen, die Grenzen durchlaufen können, gut

nachzuvollziehen. Grenzen entstehen, sie verändern sich, sie werden neu definiert, sie werden

unsichtbar bzw. verschwinden.

Als Beispiel wird die im Jahre 1490 erbaute Kirche St. Pongratzen (Sv. Pankracij)

herangezogen. Diese schlichte Bergkirche befindet sich direkt an der südsteirisch-

slowenischen Grenze auf slowenischer Seite und war seit ihrer Entstehung vielen

Veränderungen unterworfen. Diese, dem Heiligen Pankratius geweihte, Kirche war

Anziehungspunkt vieler Wallfahrer. Mit der Grenzziehung 1919 wurde das Pilgern hin zu

dieser über Jahrhunderte bekannten Wallfahrtskirche von österreichischer Seite her erschwert

und nach dem Zweiten Weltkrieg sogar für einige Jahre vollkommen unterbunden. Erst in den

1960er Jahren wurde es für Österreicher wieder möglich an bestimmten Tagen im Jahr an

Gottesdiensten in St. Pongratzen teilzunehmen.

Die steirisch-slowenische Grenze von der Koralpe/Golica bis nach Bad Radkersburg/Gornja

Radgona lässt sich landschaftlich in vier Einheiten gliedern: die südlichen Ausläufer der

Koralpe/Golica, den Poßruck/Kozjak, die Windischen Bühel/Slovenske Gorice und das

Untere Murtal/Apaško polje.3

Die in der vorliegenden Arbeit thematisierte Grenzkirche St. Pongratzen befindet sich im

zweiten Abschnitt dieser Grenzgliederung. Der Grenzverlauf entlang des Poßruck/Kozjak

orientiert sich an der Wasserscheide zwischen Drau und Mur und verläuft größtenteils am

Hauptkamm.

3 Vgl. Čede, Peter/Fleck Dieter: Der steirisch-slowenische Grenzraum im Spiegel der Administrativen Einteilung und sprachlichen Minderheiten. In: Kontinuität und Wandel in der Kultur- und Naturlandschaft. Festschrift für Herwig Wakonigg. Hrsg. Gerhard Karl Lieb/Herwig Wakonigg. Graz: Institut für Geographie und Raumforschung 2002, S. 27. (= Grazer Schriften der Geographie und Raumforschung; 38)

6

Der Grenzverlauf in diesem Teilabschnitt ist charakterisiert durch Winkel und Ecken, da

Gehöfte, die am Grenzkamm liegen, je nach Wunsch dem österreichischen oder SHS-Staat

angegliedert wurden.

In diesem Grenzabschnitt befinden sich mehrere Grenzübergänge und zwei Zollämter: Dazu

zählen die beiden internationalen Grenzübergänge Radlpaß – Radelje und Langegg –Jurij, der

Grenzübergang Großwalz – Duh für Österreicher und Slowenen sowie Staatsangehörige aus

visumsfreien Drittländern und die Grenzübertrittstellen für den kleinen Grenzverkehr St.

Pongratzen – Sv. Pankraciji, Oberhaag – Remšnik, Arnfels – Kapla und Schloßberg –

Gradišče.

Grenzziehungen zogen immer eine Abgrenzung mit sich: Das „Über die Grenze schauen“,

„der auf der anderen Seite“, „der Fremde“, „die Angst vor dem anderen“ oder „die Gefahr von

drüben“. In meiner Arbeit möchte ich zunächst auf die Auswirkungen der Grenzziehungen

bzw. der Grenze im negativen Sinne kurz eingehen, vor allem im Bezug auf Kommunikation,

Wirtschaft und Lebensraum. Die Geschehnisse des Ersten und Zweiten Weltkriegs

hinterließen ihre Spur in den Köpfen der Menschen und auch die darauf folgende

Grenzziehung bzw. die Abriegelung dieser führten zu einem Bruch. Dieser Bruch fand nicht

nur im Bereich des kulturellen Kontaktes statt, sondern zeigte sich auch im wirtschaftlichen

Bereich.

Weiters werde ich nicht nur das Ziehen von Grenzen und deren Auswirkungen behandeln,

sondern auch den Gegenpart: das Näherrücken einer Grenzregion, die Lockerung der Grenze,

den Aufbau von Kommunikation, das Überwinden von Vorurteilen und die Entwicklung von

Gemeinsamkeiten bzw. gemeinsamen Projekten.

Hierbei spielen unterschiedliche Aspekte eine zentrale Rolle: Vor allem die durch den

Dualismus von Verbindendem und Trennenden hervorgerufene Grenze im Kopf ist von

Bedeutung. Eine Grenze kann eine Barriere darstellen, sie kann aber auch die Möglichkeit

eines Kennenlernens und eines Überschreitens sein.

Um das Verhältnis der Bewohner zur Grenze bzw. den Nachbarn auf beiden Seiten der

Grenze zu verstehen, ist es notwendig auf die Grenzziehung und die weitere Entwicklung der

Grenzregion einzugehen. Mit Hilfe eines geschichtlichen Abrisses wird der Wandel der

steirisch-slowenischen Grenze kurz beleuchtet, wobei das Hauptaugenmerk zunächst auf die

Grenzziehung und auf die späten Sechziger und Siebziger des 20. Jahrhunderts gelegt wird.

7

2 Grenze allgemein

Grenzen trennen Territorien und Menschen voneinander, definieren Nationen und können

einen Grund für internationale Konflikte und Kriege darstellen. Eine Trennung ist der

Ausdruck von Unterschieden in politischer, sozialer, ökonomischer, kultureller etc. Hinsicht.

Aber Grenzen trennen nicht komplett, denn sie sind Veränderungen hinsichtlich ihrer

Funktionen und räumlichen Positionen ausgesetzt.4 „The dynamic nature of borders suggests

a historical, the local and regional difference a geographical approach.”5

So kann festgehalten werden, dass Staatsgrenzen die Zugehörigkeit und Identität von

Bevölkerungen und Staaten bestimmen, einen hohen politischen Symbolwert haben,

zwischenstaatliche Beziehungen widerspiegeln und kooperierende, oder sich voneinander

distanzierende Kontaktpunkte sein können.6

Im völkerrechtlichen Sinne versteht man unter Grenze eine Linie zur Unterscheidung

staatlicher Hoheitsräume bzw. zur Trennung zwischen einem Staatsgebiet und einem

staatsfreien Raum. Ein grundlegendes Charakteristikum ist die Dualität der Grenze als Linie

und Zone, wobei vor allem mit dem Voranschreiten des Staatenbildungsprozesses die Grenze

als Linie Dominanz erreichte. Der zonale Charakter erhielt im Zeitalter transnationaler Politik

immer mehr Bedeutung, da von einer stufenweisen Entwicklung von einer undurchlässigen

Linie zu einer Kontaktzone gesprochen werden kann, die grenzüberschreitende Kooperation

zulässt.7

Das slawische Lehnwort „Grenze“ (ursprünglich „greniz“), das sich von „grani, graniza“

ableitet, kann ab dem 13. Jahrhundert belegt werden. Durch Luther fand der Begriff Eingang

in die deutsche Umgangssprache. Bis zum Ende des Mittelalters war mit dem Grenzbegriff

ein saumartiger, flächenhafter Charakter verbunden.8 Eine räumliche Fixierung eines Staates

4 Knippenberg, Hans/Markusse, Jan: 19th and 20th century borders and border regions in europe. Some reflections. In: Nationalising and Denationalising European Border Regions. 1800 – 2000. Views from Geography and History. Hrsg. Hans Knippenberg/Jan Markusse. Dordrecht: Kluwer Academic Publishers 1999, S. 1. (= The GeoJournal Library; 53) 5 Ebda. 6 Vgl. Witt: Grenzüberschreitende Zusammenarbeit. 2003, S. 43. 7 Vgl. Rausch, Ulrike: Grenze(n). In: Lexikon der Politik. Politische Begriffe. Bd. 7. Hrsg. Dieter Nohlen/Rainer-Olaf Schultze/Suzanne S. Schüttenmeyer. München: Beck1998, S. 237. 8 Riedel, Heiko: Wahrnehmung von Grenzen und Grenzräumen. Eine kulturpsychologisch-geographische Untersuchung im saarländisch-lothringischen Raum. Saarbrücken: Selbstverlag der Fachrichtung Geographie der

8

war zweitrangig, solange darunter vorwiegend Civitas verstanden wurde.9 Erst mit Beginn der

Neuzeit, im Zuge der Entwicklung von Personenverbundstaaten hin zu institutionellen

Staatsgebilden, also mit der Entstehung flächendeckender Staatengesellschaften und

Nationalstaaten, entwickelte sich der Grenzbegriff hin zu einer linienhaften

Territorialabgrenzung.10

The rise of the modern nation-state reinforced the separating function of state

borders by nationalising the people on both sides of it. This process gained

strength in the late 19th and early 20th century, and was challenged in the second

half of this century by processes of supra-national integration, globalisation and

the revolution in communication and transport.11

Diese Entwicklung vom Grenzraum zur Grenzlinien geschah nicht abrupt, sondern schon in

früheren Jahrhunderten waren sowohl Grenzräume wie auch Grenzlinien zugleich vorhanden.

So gibt es auch heute noch Grenzräume, betrachte man nur die zum Teil bewusst errichteten

neutralen Zonen bzw. Niemandsländer.12

Im Gegensatz zu einem Grenzraum vermittelt eine Grenzlinie deutlicher den Beginn und das

Ende von Landeshoheit.13

Neben ihrer Funktion nach außen hin offensiv bzw. defensiv zu wirken, wird von innen her

der Staatsgewalt ein räumliches Ende gesetzt. Dadurch gewann die Grenze an Bedeutung für

den gesamten Staatsraum und erhielt neben ihrer Aufgabe als Verteidigungseinrichtung auch

die Funktion einer Rechtseinrichtung.14 So wirkt Grenze nach innen, indem eigene

Zuständigkeiten über Personen und Sachen zugeordnet werden und nach außen fremde

Zuständigkeiten ferngehalten werden.15 „Nach außen hat es zur Folge, daß politische Systeme

(Staaten) unmittelbaren Kontakt haben, wobei völlig offen ist, wie dieser Umstand genutzt

wird.“ 16

Universität des Saarlandes 1994, S. 20. (= Arbeiten aus dem Geographischen Institut der Universität des Saarlandes; 41) 9 Schwind, Martin: Allgemeine Staatengeographie. Walter de Gruyter: Berlin 1972, S. 107. 10 Riedel: Wahrnehmung von Grenzen. 1994, S. 20. 11 Knippenberg/Markusse: Border and border regions. 1999, S. 1. 12 Vgl. Schwind: Staatengeographie. 1972, S. 108. 13 Vgl. ebda. 14 Vgl. ebda. 15 Vgl. Ante, Ulrich: Politische Geographie. Braunschweig: Westermann 1981, S. 104. 16 Ebda.

9

Aufgrund diverser supranationaler und regionaler Kooperationsstrukturen wird in aktuellen

Diskussionen vielfach der Bedeutungsverlust von Staatsgrenzen bzw. deren Entpolitisierung

thematisiert.17 „Einerseits relativiert transnationale Politik das Prinzip der Territorialität,

andererseits ist die Brisanz von G. im Zeichen zeitgenössischer Nationalismen

unverkennbar.“18

2.1 Dualismus von Verbindendem und Trennendem

In der Systemanalyse wird der Grenzraum als ein, aus globalen und sektoralen Subsystemen

bestehendes, System betrachtet. Grenzen sind ein integrativer Bestandteil eines Systems, das,

wenn ein räumlicher Bezug gegeben ist, die spontane Tendenz aufweist, sein Territorium zu

umschließen. Diese systemtheoretische Sichtweise geht weiters davon aus, dass ein System

ohne Systemgrenzen nicht existieren kann und somit in kleinere Subsysteme zerfällt. Ein

höherer Komplexitätsgrad zwischen einem System und seiner Umwelt kann allein durch das

Vorhandensein von Systemgrenzen erreicht werden. Demnach wird die Grenze als eine

Systemgrenze betrachtet, die sowohl eine trennende wie auch eine verbindende Funktion

aufweist, da es sich um Kontaktzonen angrenzender Systeme handelt.19 „Political boundaries

in short are locations […] that may separate or may link, but must often accomplish both

functions at one and the same time.”20

Die trennende Funktion kann bis zum Extrem, der absoluten Absperrung, gehen. Der Grad der

jeweiligen Offen- bzw. Geschlossenheit ist vom jeweiligen politischen sowie wirtschaftlichen

System einzelner Staaten abhängig. Dieses dialektische Gegen- und Miteinander21

„[…] ermöglicht zwar, einem menschlichen Urtrieb entsprechend, den Besitz zu

schützen und nach eigenem Ermessen zu entwickeln, es hindert aber den ebenso

starken Wunsch, sich den anderen mitzuteilen; und deshalb beginnt mit der

Setzung der Grenze zugleich das Bemühen, sie zu überwinden. Wo immer man

versucht, die eine Funktion gegenüber der anderen auszuschalten, verliert die

17 Vgl. Rausch: Grenze(n). 1998, S. 237. 18 Ebda. 19 Riedel: Wahrnehmung von Grenzen. 1994, S. 18. 20 Knight, David B.: „Introduction.“ In: The Geography of Borderlandscapes. Hrsg. Dennis Rumley/Julian V. Minghi. London: Routledge 1991, S. XVIII. 21 Vgl. Schwind: Staatengeographie. 1972, S. 109.

10

Grenze ihren dialektischen Sinn. In dem einen Fall wird sie zur Sperrmauer, in

dem anderen Fall, weil sie überflüssig geworden, hebt sie sich auf.“22

Abgrenzung und Distanz erfolgt durch

• Unterschiedliche Rechtssysteme

• Unterschiedliche politische und ökonomische Rahmenbedingungen

• Nationalstaatliche Interessen und Ziele23

Verbundenheit und Zugehörigkeit wird gefördert durch

• Gemeinsame Ziele und Aufgaben

• Projektgerichtete Koalitionen24

Witt stellt Folgendes fest:

„Während sich die gemeinsamen Positionen vor allem aus der grenzregionalen

Nachbarschaft herleiten lassen, sind die Abgrenzungen mit politisch-

administrativen Vorgaben sowie übergeordneten nationalstaatlichen Interessen

und Strategien assoziiert.“25

Weiters beschreibt die Autorin Grenzräume als multinationale räumliche Einheiten mit

funktionalen Gemeinsamkeiten, die auf interne Absprachen, Vereinbarungen und Koalitionen

angewiesen seien.26

2.2 Grenztypisierungen

In der Literatur finden sich verschiedene Grenztypisierungen und – klassifizierungen. Im

folgenden Abschnitt sollen einige dieser Theorien kurz dargestellt werden.

Die Einteilung in „natürliche“ und „künstliche“ Grenzen ist für die Typisierung nicht

zielführend, da Grenzen Ergebnisse menschlicher Handlungen und Entscheidungen sind und

22 Schwind: Staatengeographie. 1972, S. 109. 23 Vgl. Witt: Grenzüberschreitende Zusammenarbeit. 2003, S. 13. 24 Vgl. ebda. 25 Ebda. 26 Vgl. ebda.

11

somit künstlich. Zwar werden Bach- und Flussläufe, Meeresküsten, Seeufer, Wasserscheiden,

etc. durchaus als natürliche Grenzen bezeichnet, jedoch ist der zentrale Aspekt, dass diese

immer künstlich gesetzt werden. Daher wäre laut Riedel in solchen Fällen der Begriff

„Naturentlehnte Grenze“ entsprechender.27

Eine Einteilung aus funktionalistischer Perspektive findet sich bei Schwind. Hierbei erfolgt

die Typisierung nach dem Verhältnis von Grenze zur Besiedlung der Landschaft zum

Zeitpunkt ihrer Entstehung. Schwind differenziert zwischen Zusammenwachs-, Aufteilungs-

und Trennungsgrenzen.28

„Die subsequente Grenze kommt zeitlich nach einer vorhandenen Unterteilung

und folgt deren Begrenzungen. Die antezedente Grenze wird in einem Gebiet

gezogen, das noch nicht besiedelt ist. Sie dient der nachfolgenden Landnahme als

Orientierungslinie. Eine überlagernde Grenze wird ohne Rücksicht auf

vorhandene Gliederungen gezogen. Die zeitlich nachgeordnete Besiedelung greift

ebenfalls über die Vorgliederungen hinweg.“29

Eine weitere Vorgehensweise hinsichtlich der Typisierung von Grenzen ist die Einteilung

nach dem Grad der Offenheit bzw. Permeabilität. So wird zwischen offenen mit starker

grenzüberschreitender Interaktion, offener mit geringer oder fehlender Interaktion und

geschlossenen Grenzen unterschieden. Es muss jedoch beachtet werden, dass geschlossene

Grenzen nicht gleichzeitig vollkommenen Interaktionsbruch bedeuten, sondern dass häufig

noch auf einzelne Funktionen beschränkte Interaktionen vorhanden sein können. Die

Extremen vollständige Offenheit bzw. Permeabilität stellen eher eine Ausnahme dar.30

Girtler differenziert zwischen Grenzen ersten, zweiten und dritten Grades. Grenzen ersten

Grades seien „exakte Trennungen von Wirklichkeiten und Menschen.“ 31 Er spricht weiters

davon, dass dies Grenzen der Angst und Kontrolle seien.

„Starre Grenzen gibt es also überall dort, wo man Menschen von anderen

trennen oder fernhalten will. Grenzen ersten Grades sind gut kontrollierte

Grenzen, die zu überschreiten gewöhnlich sehr schwierig ist. […] Wesentlich für

27 Vgl. Schwind: Staatengeographie. 1972, S. 110f. 28 Vgl. ebda., S. 115ff. 29 Ante: Politische Geographie. 1981, S. 119. 30 Riedel: Wahrnehmung von Grenzen. 1994, S. 21. 31 Girtler, Roland: Schmuggler. Von Grenzen und ihren Überwinden. Linz: Veritas 1992, S. 16.

12

Grenzen dieser Art ist, dass sie echte Barrieren darstellen und dass sie

‚Wahrheiten’ voneinander trennen können. In klassischer und besonders exakter

Weise war eine solche Grenze der ‚Eiserne Vorhang’, der nach dem letzten Krieg

durch Europa gezogen wurde. Personen die früher in enger menschlicher

Beziehung zueinander standen, wurden brutal auseinandergerissen. Plötzlich war

es nicht mehr möglich, über die früher ‚lockere’ Grenze hinüber zu Freunden und

Verwandten zu wandern. Das Leben war an der Grenze zu Ende.“32

Unter Grenzen zweiten Grades versteht Girtler „lockere“, aber noch immer deutlich spürbare,

Grenzen.33

„Die Grenzen zweiten Grades sind die ‚echten’ Grenzen, es sind jene Grenzen,

die Menschen oder Menschengruppen brauchen, um ihre Individualität, ihre

Kultur oder andere spezifische Interessen zu bewahren und zu sichern. Hierher

gehören die ‚üblichen’ Staatsgrenzen und alle jene Schwellen, die wohl Bereiche

voneinander trennen, die aber doch als durchlässig erscheinen […].“34

Grenzen zweiten Grades umschließen ein Territorium, welches sich durch eine gemeinsame

Kultur und damit durch eine gewisse innere kulturelle Homogenität auszeichnet.35

An Grenzen dritten Grades

„[…] verschwindet allmählich die Kontrolle über den steten Personen- und

Güterverkehr. […] Es ist der tägliche Grenzverkehr, mit dem die Zollbeamten

konfrontiert sind. Es werden kaum Kontrollen durchgeführt und die über Grenzen

Fahrenden und Gehenden werden meist mit einem kurzen Gruß entlassen.“36

Grenzen dritten Grades sind oft gar nicht erkennbar und daher werden diese bei Girtler als

verschwindende Grenzen bezeichnet.37

32 Girtler: Schmuggler. 1992, S. 17f. 33 Vgl. ebda., S. 16. 34 Ebda., S. 22. 35 Vgl. ebda. 36 Ebda. 37 Vgl. ebda.

13

Auch bei Wendl und Rösler wird diese Betrachtungsweise aufgegriffen. Sie unterscheiden

vier Typen von Grenzregionen:

“Alienated borderlands: tension prevails, border is functionally closed, and cross

border interaction is totally absent, residents of each country act as strangers to

each other

Co-existent borderlands: stability is an on and off proposition; border remains

slightly open, allowing for the development of limited bi-national interaction;

residents of each country deal with each other as casual acquaintances, but

borderlanders develop closer relationships

Interdependent borderlands: stability prevails most of the time; economic and

social complementarity prompt increased cross border interaction, leading to

expansion of borderlands; borderlanders carry on friendly and co-operative

relationships

Integrated borderlands: stability is strong and permanent; economies of both

countries are functionally merged and there is unrestricted movement of people

and goods across the boundary; borderlanders perceive themselves as member of

one social system.”38

Während alienated borderlands Grenzregionen ohne Verbindung sind, das heißt, dass die

Grenze geschlossen ist und grenzüberschreitende Aktivitäten nicht vorhanden sind, befinden

sich co-existent borderlands in einer Phase beginnender Kooperationen. Die Entwicklung

begrenzter bi-nationaler Interaktionen wird möglich. Die Phase, in der es zu einer Zunahme

von grenzüberschreitenden Interaktionen kommt und Kooperationen zu entstehen beginnen,

wird als interdependent borderland bezeichnet. Bei integrated borderlands handelt es sich um

Grenzregionen, wo die Wirtschaften beider Nationen miteinander verflechtet sind und der

Grenzverkehr uneingeschränkt möglich ist. Grenzbewohner betrachten sich als Mitglieder

desselben sozialen Systems.

38 Wendl, Tobias/Rösler, Michael: Introduction. Frontiers and borderlands. The rise and relevance of an anthropological research genre. In: Frontiers and Borderlands. Anthropological Perspectives. Hg.: Michael Rösler/Tobias Wendl. Frankfurt: Peter Lang 1999, S. 10.

14

3 Die Bedeutung von Grenzregionen

3.1 Grenzüberschreitende Kooperationen

Grenzregionen sind auf interne Absprachen, Vereinbarungen und Koalitionen angewiesen,

wodurch funktionale Gemeinsamkeiten dieser multinationalen räumlichen Einheiten geprägt

werden. Witt konstatiert, dass die Aufgaben und Funktionen, die allein durch das

Vorhandensein von Staatsgrenzen existieren, eine Bereitschaft zu grenzüberschreitenden

Kooperationen bedingen:39

“The interdependent development of neighboring border regions require local

and regional transborder corporation in order to address effectively social,

economic, and environmental problems that spill over international

boundaries.”40

Beyerlin hält fest, dass Grenzräume aufgrund bestimmter Gemeinsamkeiten multinationale

räumliche Einheiten sind,41 die sich über die geographische Zusammengehörigkeit hinaus

erweitern und sich als grenzüberschreitende Aufgabenfelder präsentieren.

Zu diesen zählen gemeinsame Interessen, wie zum Beispiel Jugendaustausch, Tourismus,

regionale Wirtschaftsentwicklung, und gemeinsam Probleme, etwa mangelnde Infrastruktur,

Umweltverschmutzung, etc.42

Witt stellt fest, dass „[…] nachbarschaftliche[…] Gemeinsamkeiten […] vermuten [lassen],

dass die Grenzakteure an koordinierten grenzüberschreitenden Kontakten grundsätzlich

interessiert sind.“43

39 Vgl. Witt: Grenzüberschreitende Zusammenarbeit. 2003, S. 12. 40 Hansen, Niles: Border Region Development and Cooperation: Western Europe und the US-Mexico Borderlands in Comparative Perspective. In: Acrosss Boundaries – Transborder Interaction in Comparative Perspective. Hrsg. Oscar J. Martinez. El Paso: Texas Western Press 1986, S. 31. 41 Beyerlin, Ulrich: Rechtsprobleme der lokalen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Heidelberg: Springer-Verlag 1988, S. 16. 42 Vgl. Witt: Grenzüberschreitende Zusammenarbeit. 2003, S. 36. 43 Ebda.

15

Unter grenzüberschreitender Kooperation versteht die Arbeitsgemeinschaft Europäischer

Grenzregionen (AGEG)44 „[…] die unmittelbare nachbarschaftliche Kooperation der

regionalen und lokalen Instanzen entlang einer Grenze unter Einschaltung aller Akteure.“45

Die jeweiligen Kooperationen unterscheiden sich hinsichtlich rechtlicher, inhaltlicher und

institutioneller Formen. Ziel dezentraler Kooperationen soll die Aufhebung der faktischen

Bedeutung der Staatsgrenze als Barriere für ökonomische, ökologische oder infrastrukturelle

Kooperationen sein.46

Die Qualität und Intensität der informellen Kontakte ist abhängig von der jeweiligen

grenzregionalen Situation. So sind formellere Interaktionen mit Hindernissen konfrontiert.47

„Aus der Binationalität grenzüberschreitender Gemeinsamkeiten erfolgt nicht

automatisch das binationale Handeln der Grenzakteure; im Gegenteil: Die

Relevanz der Staatsgrenze und die damit verbundenen Verfügungsgewalt des

Staates definiert für grenzüberschreitende Kompetenzen zunächst die

ausschließlich staatliche Gebiets- und Entscheidungshoheit.“48

Witt konstatiert, dass politisch-administrative Hierarchien sowie Staatsgrenzen den

Bewegungsraum und die Freiheiten dezentraler Akteure verringern können, und dass somit

die Möglichkeiten lokaler und regionaler Akteure, Koalitionen über eine internationale

Grenze hinweg zu bilden, durch das Außenvertretungsmonopol des Gesamtstaates

eingeschränkt seien.49

„Die Handlungsmöglichkeiten subnationaler territorialer Einheiten […] hängen

wesentlich von der Stellung ab, die diese innerhalb des jeweiligen nationalen

politischen Systems einnehmen.“ 50

44Die AGEG wurde 1971 gegründet und zählt über 90 Mitgliedern, die ca. 200 Grenzregionen innerhalb und außerhalb der Europäischen Union vertreten. Ziel der Organisation ist die Vernetzung, der Austausch und die Unterstützung der Grenzregionen sowie die Förderung grenzüberschreitender Kooperationen. Vgl. Online im Internet: URL: http://www.aebr.net/index.php [Stand: 2010-05-19]. 45 Die EU-Initiative INTERREG und zukünftige Entwicklungen. Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen (AGEG). Online im Internet: URL: http://www.aebr.net/publikationen/pdfs/interreg_97.de.pdf [Stand: 2010-05-03], S. 3. 46 Vgl. Witt: Grenzüberschreitende Zusammenarbeit. 2003, S. 36. 47 Vgl. ebda. 48 Ebda. 49 Vgl. Ebda. 50 Die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips in der europäischen Union- Erfahrungen und Perspektiven: Erfahrungen und Perspektiven. Beiträge einer Tagung des Europäischen Zentrums für Föderalismus-Forschung in Zusammenarbeit mit dem Staatsministerium Baden-Württemberg, 18.-20. Mai 1995. Hrsg. Rudolf Hrbek.

16

Eine Grenzregion ist durch eine, wie bereits oben erwähnte, Dualität zwischen verbindenden

und trennenden Elementen gekennzeichnet, woraus sich ein natürliches Interesse an einer

Kooperation ergibt.

Sowohl Homogenität als auch Heterogenität zwischen Grenzräumen können eine Kooperation

subnationaler Akteure fördern. Fördernde Homogenität kann im Bereich politischer

Strukturen, wirtschaftlicher Ziele oder Kompetenzen der subnationalen Akteure gegeben sein.

Durch einen von Heterogenitäten forcierten Druck, kann der Kooperationswille gesteigert

werden.51

„Als Haupthindernisse für die Etablierung und Funktionalisierung dezentraler

Kooperation gelten Informationsmangel, mangelnde Finanzierung, Einschaltung

von Vertretungskörperschaften und gewählten Gremien, Unterschiede der

Rechtssysteme, mangelnde Beteiligung der Bevölkerung beiderseits der Grenze an

der Planung und Sprachbarrieren.“52

Ein weiterer negativer Faktor kann das Vorhandensein eines Kompetenzgefälles zwischen den

Akteuren in der Grenzregion sein, da dieses zu einer Nicht-Kompatibilität im Bereich der

Akteursebenen führen kann.53

Positiver Einfluss wird sozio-kulturellen Kontakten zugeschrieben, da

„[…] bestehende Werte, das Vertrauensverhältnis und die Vertrautheit mit den

Partnern als entscheidende intervenierende Variablen für die Bereitschaft und

Fähigkeit zur Bildung vertikaler grenzüberschreitender Koalitionen verstanden

werden müssen.“54

Grenzüberschreitende Kooperation wird demnach vor allem auch durch eine lokale

Vertrautheit, also durch richtiges Einschätzen bestimmter Verhaltensweisen, unter den

Baden-Baden: Nomos-Verl.-Ges. 1995. (= Schriftenreihe des Europäischen Zentrums für Föderalismus-Forschung; 8), S. 28. 51 Vgl. Witt: Grenzüberschreitende Zusammenarbeit. 2003, S. 42. 52 Ercmann, Sevine: Transatlantic Colloquy on Cross-Border Relations. European and North American perspectives. Transatlantisches Kolloquium über nachbarschaftliche Beziehungen. Zürich: Schulthess 1987, S. 134. 53 Vgl. Witt: Grenzüberschreitende Zusammenarbeit. 2003, S. 41. 54 Ebda.

17

subnationalen Akteuren gefördert. In diesem Zusammenhang ist die Dynamik von kultureller

Nähe bzw. Differenz von Bedeutung.

„Einfluss auf die Qualität sozio-kultureller Kontakte und Werte, hier

insbesondere auf die Bildung von Vertrauen, haben die Ereignisse, die als

grenzregionale Vergangenheit in der Erinnerung der Menschen lebendig

geblieben sind. Aggressiv-kriegerische Ereignisse und militärische

Auseinandersetzungen zwischen den Staaten prägen das Verhalten der

Grenzakteure vollkommen anders als Erfahrungen, die vornehmlich von positiven

Gefühlen und Erinnerungen begleitet sind. Quantität und Qualität der

Kooperationserfahrung spielen für die Vertrauensbildung eine große Rolle.

Angesichts dieses grundlegenden Zusammenhanges zwischen Kooperation und

Konflikt, Vertrauen und Misstrauen .“55

Neben diesen Faktoren ist aber auch der Mut und Wille ein entscheidender Aspekt im

Rahmen grenzüberschreitender Kooperationen.56

Bezüglich der Dauer oder Reichweite grenzüberschreitender Kooperationen kann keine

definitive Aussage getätigt werden, da diese nicht bestimmbar sind und auch keine Garantie

für längerfristige integrative Gestaltung zwischenstaatlicher Beziehungen darstellen.57

Der vorhandene Kooperationsgrad zwischenstaatlicher Beziehungen und die innerhalb der

Grenzregion mögliche Form der Kooperation beeinflussen sich gegenseitig. So ist die

Kooperation abhängig vom Grad der Entfremdung zweier Staaten: Je größer die

Entfremdung, desto ausschließlicher werden zwischenstaatliche Kontakte von den Zentren

aus gesteuert und wahrgenommen. Dadurch käme es zur Einschränkung des Aktionsradius

und der Reichweite dezentraler grenzüberschreitender Kooperationen.

Wird die Außen- bzw. Sicherheitspolitik jedoch von kooperativ-solidarischen Zielsetzungen

bestimmt, wird es regionalen und lokalen Akteuren eher ermöglicht binational zu agieren.

Es können sich multiple Formen zwischenstaatlicher Kontakte ausbilden: zwischen regionalen

Akteuren, zwischen regionalen und lokalen, zwischen regionalen und nationalstaatlichen

sowie auch zwischen nationalstaatlichen und lokalen Akteuren.

55 Witt: Grenzüberschreitende Zusammenarbeit. 2003, S. 42. 56 Vgl. ebda. 57 Vgl. ebda., S. 16.

18

House zu Folge sei ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis vorhanden, da bilaterale

Beziehungen durch die erfolgreiche Kooperation grenzregionaler Akteure entscheidend

beeinflusst werden können.58

3.2 Grenze als aufgeladener Raum

Der Begriff Grenze hat für Menschen eine unterschiedliche Bedeutung in diversen Bereichen.

Ruesch geht von einer Individualebene aus und unterscheidet zwischen physikalischen,

biologischen und psychologischen Grenzen sowie Systemgrenzen, die von der jeweiligen

Handlung und Wahrnehmung abhängig sind.59 So lassen sich aus psychologischer Sicht

räumliche Grenzen aus den Innen- und Körpergrenzen deduzieren. Diese stellen wichtige

Faktoren bei der Identitätsentwicklung und –aufrechterhaltung dar, bieten Schutz und

ermöglichen Differenzierung. Da die Angst vor Grenzverlust mit der Angst vor

Identitätsverlust einhergeht, kann aus tiefenpsychologischer Sichtweise daraus die emotionale

Besetzung der räumlichen Grenzen aus der Besetzung der Körpergrenzen abgeleitet werden.60

So stellt Falk fest:

“It is clear that the emotional meaning of one’s country’s borders, unconsciously,

is fused with that of one’s own boundaries. […] fear of loss of boundaries that is

the fear of loss of the self and non-being.”61

Die Angst vor Grenzverlust geht demnach mit einer Angst vor Identitätsverlust einher. Durch

Grenzüberschreitungen kann es zu einer Re- bzw. Aktivierung von Trennungsängsten

kommen. Somit werden Grenzen als Schutz empfunden, aber gleichzeitig auch als

Einschränkung angesehen.62 „To cross the border, in the unconscious, means to separate:

hence the anxiety accompanying border crossings (separation anxiety).“63

Diese Betrachtungsweise lässt erkennen, dass sich Grenzen vielmehr durch ihre symbolische

Qualität als durch ihre materielle Realisierung definieren. Im Verlauf von Ereignissen kann es

58 Vgl. Witt: Grenzüberschreitende Zusammenarbeit. 2003, S. 17. 59 Vgl. Ruesch, Jürgen: Analysis of various types of boundaries. In: Toward a unified theory of human behavior. Hrsg. Roy R. Grinker. New York: Basic Books 1959, S. 340. 60 Vgl. Riedel: Wahrnehmung von Grenzen. 1994, S. 18f. 61 Falk, Avner: Border symbolism revisted. In: Maps from Mind-Readings in psychogeography. Hrsg. Howard F. Stein/William G. Niederland. London: University of Oklahoma Press 1989, S. 157. 62 Vgl. Riedel: Wahrnehmung von Grenzen. 1994, S. 19. 63 Falk: Mind-Readings. 1989, S. 156.

19

zu einer Defunktionalisierung einer räumlichen, materiellen Grenze kommen, mit der nicht

unbedingt eine Desymbolisierung einhergehen muss.64

„Die Grenze ist nicht eine räumliche Tatsache mit soziologischen Wirkungen, sondern eine

soziologische Tatsache, die sich räumlich formt.“65

Ein Staat wird nicht von seinem geographischen Umfang gebildet, sondern erst durch die

psychologischen Kräfte seiner Bewohner wird ein solches Gebiet zusammengehalten. „Nicht

die Form räumlicher Nähe oder Distanz schafft die besonderen Erscheinungen der

Nachbarschaft oder Fremdheit.“66 So spricht Simmel weiters davon, dass Grenzen vielmehr

rein durch seelische Inhalte erzeugte Tatsachen seien. Natürlich müssen gewisse

Raumbedingungen gegeben sein um eine Verwirklichung zu ermöglichen.67 „Nicht der Raum,

sondern die von der Seele her erfolgende Gliederung und Zusammenfassung seiner Teile hat

gesellschaftliche Bedeutung.“68

So bedingen sich Raum und die dort lebenden Menschen gegenseitig.69 Erst durch die

Wechselwirkung zwischen Menschen wird die Leere eines Raumes gefüllt.

„Wenn eine Anzahl von Personen innerhalb bestimmter Raumgrenzen isoliert

nebeneinander hausen, so erfüllt eben jede mit ihrer Substanz und ihrer Tätigkeit

den ihr unmittelbar eignen Platz, und zwischen diesem und dem Platz der

nächsten ist unerfüllter Raum, praktisch gesprochen: Nichts. In dem Augenblick,

in dem diese beiden in Wechselwirkung treten, erscheint der Raum zwischen

ihnen erfüllt und belebt.“70

Die Gliederung eines Raumes kann die Beziehungen der „[…] Bewohner untereinander und

zu den Außenstehenden in einzigartiger Weise färben.“ 71

Ein „ […] Grenzregime und seine Rigidität oder Durchlässigkeit wirkt sich auf die Praxis des

Umgangs mit dem Grenz-Raum selbst aus.“72 64 Vgl. Riedel: Wahrnehmung von Grenzen. 1994, S. 19. 65 Simmel, Georg: Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. 1908. Hrsg. Otthein Rammstedt. Frankfurt a. M: Suhrkamp 1992, S. 697. (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft; 881) 66 Ebda. 67 Vgl. ebda. 68 Simmel, Georg: Der Raum und die räumlichen Ordnungen der Gesellschaft. In: Grenzsoziologie. Die politische Strukturierung des Raumes. Hrsg. Monika Eigmüller/Georg Vobruba. Wiesbaden: VS Verlag 2006, S. 16. 69 Vgl. ebda. 70 Ebda., S. 17. 71 Ebda., S. 21.

20

Handelt es sich um eine Grenze, die kaum durchlässig ist, ähnelt dieser Raum dem

„Niemandsland“ zwischen zwei Grenzen. Es handelt sich um einen Raum, von dem eine nicht

nur rein fiktive Gefahr auszugehen scheint, und dieser daher nur mit großer Vorsicht betreten

wird. Aufgrund geschichtlicher Entwicklungen und negativer, gewaltsamer Erfahrungen, die

in der Vergangenheit gemacht worden sind, wurde dieser Raum mit dem Emblem „Gefahr“

belegt. Selbst wenn sich das Grenzregime lockert, also ein offenerer Grad der Grenze erreicht

wird, bleibt die ursprüngliche Betrachtungsweise dieses Gefahrenraumes aufrecht und es wird

auch weiterhin eine gewisse Vorsicht im Umgang mit dieser Zone bestehen bleiben.73

Hierbei spielt die von Marc Augé vertretene Theorie des „anthropologischen Ortes bzw.

Nicht-Ortes“ hinein. Unter einem Ort versteht man einen Raum, der von Menschen direkt

kulturell konstruiert, angeeignet und genutzt wird und der von Individuen einer Kultur sowie

von seinen Beobachtern mit Sinn aufgeladen wird.74 Im Gegensatz dazu handelt es sich bei

Nicht-Orten um Orte ohne diese Sinnaufladung. Diese Orte weisen nicht mehr die

Eigenschaften eines anthropologischen Ortes auf. Hierbei handelt es sich um neutrale,

sinnentleerte Orte, die nicht in Besitz genommen werden können, zum Beispiel Bahnhöfe,

Flughäfen etc.75 Ein Grenzraum kann diesem Schema eines Nicht-Ortes nicht entsprechen, da

er zwar ebenfalls nicht zum Bleiben einlädt, jedoch auch nicht dem Charakteristikum

„sinnentleert“ entspricht. Im Gegenteil handelt es sich um einen historisch meist höchst

bedeutsamen Ort mit dem ein Nationalgefühl verbunden wird.76

Bei näherer Betrachtung der Raum-Qualität von Grenzräumen zeichnet sich ein Übermaß an

historischer, identischer und relationaler Aufladung ab, sodass sie sich zu Angsträumen

entwickeln können. Diese werden gemieden, da das Potential verschiedener kultureller

Konstruktionen und Zuschreibungen in diesen Räumen mehrdeutig und widersprüchlich sind,

sodass gewaltsame Auseinandersetzungen provoziert werden könnten. Schober bezeichnet

daher Grenzräume77 „[…] als Schwellenräume […], als Energiezonen, in denen

verschiedenste kulturelle Strömungen zur Wirkung kommen und miteinander in Konflikt

treten.“78

72 Schober, Elisabeth: „Grenzenlos vielleicht“ – Kulturwissenschaftliche Interpretation von Grenzregime, Diskurs und Erinnerung im südoststeirischen/nordslowenischen Grenzland. Dipl.Arb. Graz: 2004, S. 52. 73 Vgl. ebda. 74 Vgl. Augé, Marc: Orte und Nicht-Orte. Vorüberlegungen zu einer Ethnologie der Einsamkeit. Aus d. Franz. von Michael Bischoff. Frankfurt a. M.: Fischer 1994, S. 64. 75 Vgl. ebda., S. 90f. 76 Vgl. Schober: Grenzregime. 2004, S. 53. 77 Vgl. Ebda. 78 Ebda.

21

Grenzfunktionsänderungen führen daher nicht unbedingt und automatisch auch zu einer

zeitgleichen Wahrnehmungsänderung von Grenze und Grenzraum.79

Das Öffnen von Grenzen bietet neue Möglichkeiten und Chancen. So kann der räumlichen,

kulturellen, sozialen und interpersonalen Wirklichkeit der Nachbarländer und seiner

Bewohner begegnet und gleichzeitig auch die vorhandenen Bilder vom Nachbarn und dessen

Lebensraum überprüft und verändert werden.80

Grenzen in unseren Köpfen stellen ein Hemmnis für diese Art von neuen Erfahrungen, für die

Wahrnehmung und für das Interesse am Nachbarland dar.81 „Solange jedoch die Grenzen in

unseren Köpfen den Platz der defunktionalisierten räumlichen Grenzen einnehmen […] sind

kaum Veränderung zu erwarten.“82

4 Historischer Abriss - Slowenien im 20. Jahrhundert

Seit dem 25. Juni 1991 ist die Republika Slovenija (Republik Slowenien) mit seinen ca. zwei

Millionen Einwohnern und einer Fläche von 20.273 km² ein selbstständiger Staat. 96,2 % der

Bevölkerung sind Slowenen, der Rest teilt sich auf zwei autochthone Minderheiten (Ungarn

und Italiener) und verschiedenen anderen Volksgruppen83 auf.84

Die Herausbildung einer eigenen slowenischen Identität steht im Zusammenhang mit der

Ausbreitung des Protestantismus und des Erscheinens des ersten Buches in slowenischer

Sprache. 1848, im Zuge der Märzrevolution, entstand das erste Nationalprogramm des

Vereinigten Sloweniens.85

Nach der Auflösung der österreichisch-ungarischen Monarchie wurde auf dem heutigen

slowenischen Gebiet, ohne das slowenische Küstenland, der erste südslawische Staat

gegründet. Dieser Staat der Slowenen, Kroaten und Serben blieb nur einen Monat bestehen

und schloss sich später dem vom serbischen Thronfolger Alexander Karadordevic

79 Vgl. Riedel: Wahrnehmung von Grenzen. 1994, S. 203. 80 Vgl. ebda. 81 Vgl. ebda. 82 Ebda. 83 Autochthone Minderheiten: Ungarn (ca. 6.243), Italiener (ca. 2.258) weitere Bevölkerungsgruppen: Kroaten (ca. 35.642), Serben/Montenegriner (ca. 38.964/2667), Bosniaken (ca. 21.542), Mazedonier (ca. 3.972), Albaner (ca. 6.186), Roma (ca. 3.246), Deutschsprachige (ca. 680). Vgl. Slowenien. Online im Internet: URL: http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/01-Laender/Slowenien.html [Stand: 2010-02-13]. 84Vgl. ebda. 85 Vgl. Lukšič, Igor: Das politische System Sloweniens. In: Die politischen Systeme Osteuropas. Hrsg. Wolfgang Ismayr. Opladen: Leske + Budrich 2004, S. 637.

22

proklamierten Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, das 1929 in Königreich

Jugoslawien umbenannt wurde, an.86

1915 wurde bereits im Londoner Exil der „Südslawische Ausschusse“ mit der Aufgabe der

Vertretung der in der österreichisch-ungarischen Monarchie lebenden Südslawen gebildet und

in weiterer Folge wurde auch Kontakt mit der serbischen Exilregierung auf Korfu

aufgenommen. Am 20. 7. 1917 wurde mit der Deklaration von Korfu die Gründung des

konstitutionellen Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen beschlossen.

Als Ausgangspunkt für den Beginn der Abtrennung der einzelnen Völker der

Habsburgmonarchie wurden die durch Woodrow Wilson am 8. 1. 1918 proklamierten

„Vierzehn Punkte“ angesehen. 87

„Den Völkern Österreichs-Ungarns, deren Platz unter den Völkern wir

sichergestellt und zugesichert zu sehen wünschen, sollte die freieste Gelegenheit

zu autonomer Entwicklung gewährt werden.“88

In diesem Punkt wurde der Wunsch nach Autonomie und Freiheit der einzelnen Völker der

Habsburgermonarchie formuliert.

Auf dem am 10. April 1918 abgehaltenen Kongress in Rom, wurde von den daran

teilnehmenden Völkern89 der Abfall von der österreichisch-ungarischen Monarchie

beschlossen.90

Im darauf folgenden August kam es in Ljubljana zur Installierung eines Nationalrates als

provisorische Regierung. Unter dem Vorsitz von Anton Korošec wurde zwei Monate später

der Südslawische Nationalrat der Slowenen, Kroaten und Serben eingerichtet.91 Neben dem

„Südslawischen Ausschuss“ und der serbischen Exilregierung auf Korfu stellte dieser

Nationalrat nun die dritte Vertretung der Südslawen dar.

86 Vgl. Lukšič: System Sloweniens. 2004, S. 637. 87 Vgl. ebda. 87 Vgl. Sundhaussen, Holm: Geschichte Jugoslawiens 1918-1980. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 1982, S. 36f. 88 Die 14 Punkte der Botschaft des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika Woodrow Wilson an den US-Kongreß. Vom 8. Jänner 1918. In: documentArchiv.de. Online im Internet: URL: www.documentarchiv.de/in/1918/14-punkte-wilson.html [Stand: 2009-06-15] 89 Zu diesen Nationen zählen die italienische, die tschechische, die slowakische, die rumänische, die polnische und die südslawische Nation. 90 Vgl. Brandstätter, Gerda: Geschichte des ehemaligen Jugoslawiens. Grundlagen für den Unterricht an der AHS. Dipl.arb. Graz 1999, S. 17. 91 Vgl. Sundhaussen: Geschichte Jugoslawiens. 1982, S. 37f.

23

Am 1. Dezember 1918 wurde die Gründung des Königreichs der Serben, Kroaten und

Slowenen durch Alexander Karadjordević proklamiert. 92

Die Staatsform dieses neuen Staates war mit der Proklamation noch nicht definiert worden

und innen- wie auch außenpolitisch traten Probleme auf. Die ersten Wahlen verdeutlichen die

divergierenden Ansichten in Bezug auf den zu wählenden Staatsaufbau deutlich: Die Kroaten

forderten eine föderalistische Staatsform, während die Serben für einen zentralistischen

Staatsaufbau eintraten. In der Folgezeit verschärfte sich die Situation zunehmend. So weigerte

sich die Kroatische Bauernpartei mit dem Parlament in Belgrad zusammenzuarbeiten und

gründete ihre eigene Vertretung in Zagreb.93

In der neuen Verfassung von 1921 wurde durch die Mehrheit der beiden serbischen Parteien

der Demokraten und Radikalen, eine konstitutionelle Monarchie als Staatsform festgelegt. 94

Die Situation des neu gebildeten Staates war nicht nur innen- sondern auch außenpolitisch

schwierig, da, obwohl der Staat auf der Friedenskonferenz die völkerrechtliche Anerkennung

erhielt und auch Grenzprobleme dort behandelt wurden, einige Grenzfragen zu Österreich,

Italien, Albanien und Bulgaren offen blieben.95

1919/20 kam es zu einer Volksabstimmung im südlichen Kärnten. Die slowenischen

Ansprüche auf einige Gebiete konnten jedoch nicht realisiert werden, sie blieben bei

Österreich. Das westliche Innerkrain (Istrien und Görz) kam im Vertrag von Rapallo (1920)

zu Italien.96

Innenpolitisch bestanden die Spannungen zwischen Kroaten und Serben weiterhin und

verschärften sich so weit, dass König Alexander 1929 die Skupština auflöste, die Vidovdan-

Verfassung außer Kraft setzte und eine Königsdiktatur errichtete. Der SHS-Staat wird in

Jugoslavija umbenannt. König Alexander wird 1934 ermordet und fünf Jahre später konnte

ein Ausgleich zwischen Serben und Kroaten erzielt werden. 97

Während des Zweiten Weltkriegs kam es in den Jahren 1941 – 45 zur Besetzung

Jugoslawiens durch deutsche und italienische Truppen und zur Zerstückelung des

Territoriums. Am 6. April 1941 wurde Slowenien besetzt und in eine italienische, deutsche

92 Vgl. Sundhaussen: Geschichte Jugoslawiens. 1982, S. 38. 93 Vgl. ebda., S. 38ff 94 Vgl. ebda., S. 48ff. 95 Vgl. Brandstätter: Jugoslawien. 1999, S. 66ff. 96 Vgl. Länderinformationen: Slowenien. In: Osteuropa-Info-Seite. Online im Internet: URL: http://www.osteuropa-infoseite.de/slowenien.htm [Stand: 2010-02-14]. 97 Vgl. Brandstätter: Jugoslawien. 1999, S. 74ff.

24

und ungarische Zone aufgeteilt:98 Oberkrain und die ehemaligen Kärntner und steirischen

Gebiete fallen an das Deutsche Reich, Unterkrain und Ljubljana an Italien und Prekmurje an

Ungarn. Eine Germanisierung, eine Italianisierung sowie eine Magyarisierung der Slowenen

waren durch die Besatzer beabsichtigt, wobei bei erstgenannter am gründlichsten

vorgegangen wurde. Im Zuge der Umsiedlungspolitik wurde die Intelligenzija zuerst nach

Deutschland und nach Serbien deportiert und danach die Gottscheer-Deutschen angesiedelt.99

Unter der Führung der Kommunisten begann ein Befreiungskampf gegen die Besatzer, der

vor allem im heutigen Grenzgebiet zwischen Slowenien und der Steiermark stattfand. Dieser

wurde von der so genannten Befreiungsfront unter der Leitung der Kommunistischen Partei

Sloweniens organisiert, die auch die sozialistische Revolution durchführte.100

Durch Proklamation der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien unter der Führung Josip

Broz Titos wurde Slowenien 1946 Teilrepublik dieser. 1947 wurde das Staatsgebiet von 1941

wiederhergestellt und das slowenische Gebiet um Julisch-Venetien erweitert. Triest blieb aber

weiterhin italienisch. Weiters kam es zu einer Umgestaltung Jugoslawiens nach dem Vorbild

der UdSSR.

1948 kam es zum Bruch zwischen Tito und Stalin, in dessen weiterer Folge eine von Moskau

unabhängige Politik, eine Politik der Blockfreiheit, betrieben wurde. 1954 wurden Teile des

von den Alliierten geschaffenen Freistaats Triest Slowenien zugesprochen.

Eine 1974 vorgenommene Verfassungsänderung bildete die Grundlage für weitreichende

Autonomie in den Teilrepubliken.101

Nach dem Tod Titos 1980 geriet Jugoslawien in eine tiefe Krise.

„Ethnische, ideologische und wirtschaftliche Gegensätze, die schon unter Titos

Herrschaft (bis 1980) bestanden hatten, kamen nach Titos Tod 1980 offen zum

Vorschein.“102

Besonders die großserbischen Hegemoniebestrebungen, deren Ziel die Errichtung eines

zentralistischen Großserbien war, trugen dazu bei.103 Die wirtschaftlichen und politischen

98 Vgl. Lukšič: System Sloweniens. 2004, S. 637. 99 Vgl. ebda. 100 Vgl. ebda. 101 Vgl. Länderinformationen: Slowenien. In: Osteuropa-Info-Seite. Online im Internet: URL: http://www.osteuropa-infoseite.de/slowenien.htm [Stand: 2010-02-14]. 102 Republik Slowenien. Geschichte. In: Die Hagener Europaseite. Online im Internet: URL: http://www.europa.wfg-hagen.de/slowenien/osterweiterung_slowenien_geschichte.htm. [Stand: 2010-02-14]. 103 Vgl. Lukšič: System Sloweniens. 2004, S. 637.

25

Probleme des Vielvölkerstaates Jugoslawiens wurden immer größer. Ab Mitte der 80er Jahre

traten verstärkt separatistische Tendenzen in Slowenien auf.104 1987 publizierten slowenische

Intellektuelle ein Programm zur Demokratisierung der slowenischen Gesellschaft. Eine breite

Bewegung für die Demokratisierung und Verselbstständigung Sloweniens bildete sich, was zu

einem Pluralismus mit verschiedenen politischen Parteien führte. Fünf dieser neu gegründeten

Parteien nahmen im Mai 1989 die Forderung nach einem souveränen slowenischen Staat in

ihr Programm auf.105

„Unter dem Einfluß neuer gesellschaftlicher Bewegungen und Forderungen nach

Einführung von politischem Pluralismus sowie der reformistischen Strömung in

der slowenischen politischen Staatsführung, kam es im Jahr 1990 zu den ersten

Parlamentswahlen.“106

Es gewann 1990 die Vereinigte Demokratische Opposition bei den Wahlen. Durch die großen

Meinungsunterschiede wurde der „Bund der Kommunisten Jugoslawiens“ zunehmend

geschwächt und es kommt zu einer Zunahme der Differenzen zwischen den Republiken.

Nachdem sich bei einer Volksabstimmung vom 23. Dezember 1990 fast 90 Prozent der

Bevölkerung für die Unabhängigkeit aussprachen, wurde daraufhin das Bundesgesetz außer

Kraft gesetzt, eine slowenische Nationalgarde gebildet und am 26. Juni 1991 die

Unabhängigkeit erklärt.107

Die Nationalitätenkrise des Vielvölkerstaates schlug in einen Bürgerkrieg um. Belgrad

reagierte auf die formelle Unabhängigkeitserklärung Sloweniens (wie auch der Kroatiens) mit

Waffengewalt. Zur Grenzsicherung schickte Belgrad Truppen der von Serben dominierten

jugoslawischen Volksarmee und es kam zu kurzzeitigen Kampfhandlungen zwischen der

slowenischen Miliz und der jugoslawischen Bundesarmee. In diesem so genannten Zehn-

Tage-Krieg konnte sich die slowenische Bürgerwehr behaupten.108

104 Vgl. Republik Slowenien. Geschichte. In: Die Hagener Europaseite. Online im Internet: URL: http://www.europa.wfg-hagen.de/slowenien/osterweiterung_slowenien_geschichte.htm. [Stand: 2010-02-14]. 105 Vgl. Toš, Niko/Potočnik, Vinko: Religion und Kirche in Slowenien. In: Religion und Kirchen in Ost(Mittel)Europa: Ungarn, Litauen, Slowenien. Hrsg. Paul M. Zulehner/Miklós Tomka/Niko Toš. Ostfildern: Schwabenverlag 1999, S. 235. 106 Lukšič: System Sloweniens. 2004, S. 637. 107 Vgl. Štepec, Marko: Die Slowenen im 20. Jahrhundert. Von Österreich-Ungarn zur Republik Slowenien. In: Grenzenlos. Österreich, Slowenien und Ungarn 1914-2004. Hrsg. Wolfram Dornik/Rudolf Graßmug/Stefan Karner. Graz/Fehring: Stadtgemeinde Fehring 2007, S. 84f. 108 Vgl. ebda., S. 86.

26

Am 7. Juli 1991 fand die Brijuni-Konferenz109 statt, bei der ein Aufschub des Vollzugs der

Unabhängigkeit um drei Monate beschlossen wurde. Das jugoslawische Staatspräsidium

beschloss den Abzug der jugoslawischen Nationalarmee aus Slowenien (Abzug bis Oktober

1991). Weiters kam es im Dezember zur Verabschiedung einer demokratischen Verfassung

nach westlichem Vorbild. Bis Jahresende 1919 wurde Slowenien von zehn und ein Jahr später

von 33 Staaten völkerrechtlich anerkannt. 1992 erfolgte auch die Anerkennung durch die

Staaten der Europäischen Union und durch die USA.110

Im Juli 1997 kam es zur Ratifizierung des Europa-Abkommens und im November 1998 war

der offizielle Beginn der Beitrittsverhandlungen Sloweniens zur Europäischen Union. Am 1.

Februar 1999 trat das Europa-Abkommen mit der EU in Kraft. Der Prager Gipfel am 14.

November 2002 lud Slowenien zur Mitgliedschaft in der NATO ein. Das daraufhin im März

2003 stattfindende Referendum endete mit 89,61 % für den Beitritt zur Europäischen Union111

und ca. 66 % für den Beitritt zur NATO. Am 26. März 2003 kam es zur Unterzeichnung des

NATO-Beitrittsprotokolls in Brüssel und am 16. April desselben Jahres zur Unterzeichnung

des EU-Beitrittsvertrages in Athen. Am 1. Jänner 2007 löste der Euro den Dinar ab und

Slowenien wurde Mitglied der Euro-Zone und mit dem 21. Dezember 2007 fiel die Schengen-

Grenze zu Slowenien.112

5 Steirisch-slowenische Grenzentwicklung

“A curious phenomenon of this borderland between the Slavs and the Germans is

that names mean nothing. In one town I visited the man representing the Slav side

had a distinctly German name, and the German representative had an equally

good Slav name. The two peoples so fade into each other that it is difficult to say

what constitutes nationality. Language is not text, for they are mostly polyglot.

There is nothing about the personal appearance of the people or the build of their

towns that proves one contention or the other. German signboards in the towns

109 Die Brijuni (ital. Brioni) ist eine adriatische Inselgruppe. 110 Vgl. Štepec: Slowenen. 2007, S. 88. 111 Die Ergebnisse des EU-Beitrittsreferendums in Slowenien: 89,61 % DARFÜR, 10,29 % DAGEGEN, 60,29 % WAHLBETEILIGUNG. Vgl. Slowenien. In: Die Hagener Europaseite. Online im Internet: URL: http://www.europa.wfg-hagen.de/slowenien/osterweiterung_slowenien.htm [Stand: 2010-02-14 ]. 112 Vgl. ebda.

27

are always carefully pointed out as proofs of German nationality; but it is

impossible to say how much of this is due to the Germanising influence of the

schools under the Austrian Empire.”113

So beschreibt Sherman Miles in einem Brief vom 22. Jänner 1919 an seinen Vorgesetzen das

sich ihm bietende Bild dieses mehrsprachigen historischen Raums. Miles, der nach Ende des

Ersten Weltkriegs und nach dem Zerfall der k. u. k. Monarchie als Leiter der amerikanischen

Kommission eingesetzt wurde, welche Vorschläge für eine neue Grenzziehung erarbeitete, die

als Arbeitsgrundlage für die Friedensverhandlungen von St. Germain Verwendung dienen

sollte, macht in diesem Brief deutlich, wie schwierig sich eine Grenzfindung gestaltete.

Auch folgendes Zitat Eduard Staudingers expliziert die gegebene Situation: „Ein

historischer Raum, der sich mehrsprachig entwickelt hat, und der seit 1919/20 durch

eine Staatsgrenze getrennt wird.“114

Nach langwierigen Verhandlungen wurde am 29. August 1919 im Pariser Vorort St. Germain-

en-Laye der neue Grenzverlauf festgelegt:

„Von der Kote 1522 (Hühnerkogel) ostwärts bis zur Kote 917 (St. Lorenzen): eine

im Gelände noch zu bestimmende Linie welche über die Kote 1330 verläuft; von

dort ostwärts bis zu einem Treffpunkt mit der Grenze zwischen den politischen

Bezirken Marburg und Leibnitz: die Linie der Wasserscheide zwischen den

Becken der Drau im Süden und der Saggau im Norden von dort gegen Nordosten

und bis zu dem Treffpunkte der politischen Grenze der Bezirke Marburg und

Leibnitz mit der Mur: diese Verwaltungsgrenze; von dort bis zu einem Treffpunkt

mit der früheren Grenze von 1867 zwischen Österreich und Ungarn, ungefähr 5

Kilometer südlich von Radkersburg: der Hauptlauf des Murstroms abwärts; von

dort gegen Norden bis zu einem noch zu bestimmenden Punkte der Kote 400;

ungefähr 16 Kilometer nördlich von Radkersburg: die alte Grenze von 1867

zwischen Österreich und Ungarn; von dort gegen Nordosten bis zu einem auf der

Wasserscheide zwischen den Flußgebieten der Raab und der Mur noch zu

bestimmenden Punkte, ungefähr 2 Kilometer östlich von Toka (Touka), dem

113 Schober: Grenzregime. 2004, S. 39. 114 „Mensch der Grenze zu sein, bedeutet auch eine große Verletzlichkeit“ Ein Gespräch zwischen Ilse Pollack und Eduard Staudinger. In: Leibnitz Aktuell, Nr. VI/2001, S. 18f.

28

Treffpunkte der drei Grenzen Österreichs, Ungarns und des serbisch-kroatisch-

slowenischen Staates; eine im Gelände noch zu bestimmende Linie welche

zwischen Dörfern Bonisfalva (Bonisdorf) und Gedövár (Greitzendorf)

verläuft.“115

Die Grenze verläuft von der Koralpe/Golica über den Radlpass/Radelj weiter zum

Poßruck/Kozjak entlang des Hauptkammes, der die Wasserscheide zwischen Mur und Drau

darstellt, bis hin zur Pößnitz/Pensica, wo der Grenzverlauf die Wasserscheide verlässt.

Dieser Bereich des Grenzverlaufes ist durch viele Winkel und Ecken gekennzeichnet, da sich

die dort liegenden Gehöfte für Österreich oder SHS-Staat entscheiden konnten.

In diesem Grenzabschnitt gibt es drei Grenzübergänge für Österreicher und Slowenen sowie

Staatsbürger aus visumfreien Drittländern: Radlpaß – Radelj, Langegg – Jurij, Großwalz –

Duh. Zusätzlich gibt es noch mehrere Grenzübertrittstellen für den kleinen Grenzverkehr: St.

Pangratzen – Sveti Pankraciji, Oberhaag – Remšnik Arnfels – Kapla und Schlossberg –

Gradišče.116

Der Remschnigghöhenzug war als Grenze nichts Neues da er bereits als Gemeinde-, Pfarr-

und Gerichtsbezirksgrenze fungierte. Doch solche Grenzen stehen in einem starken Gegensatz

zu gut bewachten Staatsgrenzen.

Hinsichtlich der Sprachgrenze lässt sich aus einer Eingabe des Ortsschulrates Oberhaag an

den Bezirksschulrat Leibnitz aus dem Jahr 1932 feststellen, dass die Kenntnisse der deutschen

Sprache bei Schulanfängern aus den südlichen Bereichen der Gemeinde mangelhaft waren.

Außerdem sei die slowenische Sprache bei den dort wohnenden Familien vielfach in

täglichem Gebrauch.117

Im Gegensatz dazu zeigte die Auswertung der Volkszählungen von 1880 bis 1910 ein

differierendes Bild. So kann für den betreffenden Bereich (Oberhaag, Kleinradl) in diesem

Zeitraum ein Anstieg der slowenisch sprechenden Bevölkerung festgestellt werden und für

den Bereich Remschnig/Remšnik im gleichen Zuge ein Anstieg der deutschsprachigen

Bevölkerungsanteile.118

115 Staatsgesetzesblatt Nr. 303/1920. Ausgegeben am 21. Juli 1920. 116 Vgl. Čede/Fleck: Steirisch-slowenische Grenzraum. 2002, S. 27. 117 Vgl. Krasser, Johann: Die Grenze im Zeitraum von 1919 bis 2007. Unveröffentlichte Arbeit. Oberhaag: 2008, S.1. 118 Vgl. Čede/Fleck: Steirisch-slowenische Grenzraum. 2002, S. 34.

29

1880 1890 1900 1910 Deut. Slow. Deut. Slow. Deut. Slow. Deut. Slow. Oberhaag 2862

100% - 0%

2794 100 %

- 0 %

2693 99,22%

21 0,78%

2760 99%

28 1%

Kleinradl 539 100%

- 0 %

484 96,22%

19 3,78%

538 100%

- 0%

464 86,25%

74 13,75%

Remschnig/Remšnik 61 3,76%

1560 96,24%

52 3,20%

1575 96,80%

12 0,76%

1560 99,24%

147 9,48%

1403 90,52%

Die Geschehnisse des Ersten und des Zweiten Weltkriegs hinterließen ihre Spur in den

Köpfen der Menschen und auch die darauf folgende Grenzziehung bzw. die Abriegelung

dieser, führten zu einem Bruch. Dieser Bruch fand nicht nur im Bereich des kulturellen

Kontaktes statt, sondern zeigte sich auch im wirtschaftlichen Bereich.

Am Beispiel des weststeirischen Ortes Soboth ist deutlich das Problem der Verkehrs- und

wirtschaftlichen Abgrenzung zu sehen. Im Herbst 1920 kam es gewaltsam zu einer

Abtrennung des Gebietes südlich von Soboth. Durch ihren Kampf konnten die Sobother selbst

jedoch bei Österreich bleiben. Der Verbleib bei Österreich führte zu Problemen, denn die

wirtschaftliche und verkehrsmäßige Umstellung dauerte noch Jahre. Bis 1937 war die Soboth

nur über einen Karrenweg erreichbar und erst im Jahr 1961 wurde mit dem Ausbau der

Bundesstraße, der 1974 beendet war, begonnen. Das gesamte Gebiet war vormals

wirtschaftlich, sowie verkehrsmäßig Richtung Drautal orientiert und gehörte behördenmäßig

zum Gerichtsbezirk Mahrenberg, zur Bezirkshauptmannschaft Windischgraz und zum

Marburger Kreis.119

Ein weiteres Beispiel zeigt deutlich den Abbruch von Beziehungen über die Grenze. In der

Gemeinde Oberhaag wurde nach dem ersten Weltkrieg die Gemeindegrenze zur Staatsgrenze.

Es kam nahezu zu einem Verlust des Kontaktes zu den Bewohnern jenseits des Berges und in

Folge dessen zur Verödung des uralten Übergangs in das Drautal.120

Die Grenzziehung führte bald zu wirtschaftlichen Folgen. Manche österreichischen Bauern

wurden zu „Doppelbesitzern“. Ein Teil ihres Grundstückes lag diesseits, der andere jenseits

der Grenze. Für derartige Fälle gab es zwischen den Staaten zwar Regeln zur

Grenzüberschreitung, dennoch war die Benützung des Grundes mit erheblichen

Erschwernissen verbunden.

Schwerwiegende Schäden erlitt die österreichische Wirtschaft durch die rasche Entwicklung

eines regen Schmuggels im Grenzbereich zum Nachbarland. Kaffeebohnen, Weizenmehl,

119 Vgl. Maritschnik, Konrad: Land and der Grenze. Geschichte – Kultur – Erlebniswelt. Südsteiermark, Slowenien. 1. Aufl. Gnas: Herbert Weishaupt Verlag 1995, S. 19ff. 120 Vgl. ebda., S. 59.

30

Zucker und vor allem Rinder waren in Jugoslawien wesentlich billiger als in Österreich. Der

Handel zwischen den Bewohnern beiderseits der Grenze blühte und verlief in der Regel

problemlos. Schwierigkeiten entstanden lediglich beim Transport, falls man keinen Zoll

entrichten wollte. Zahlreiche Schleichwege abseits der Grenzübertrittstellen wurden

ausgekundschaftet. Bald hatte man die Kontrollgänge der Zöllner auf Strecke und Zeit genau

beobachtet.121

Seit 1936/37 näherte sich das Königreich Jugoslawien immer stärker an das „Dritte Reich“ an

und am 25. März 1941 kam zum Beitritt Jugoslawiens zum Pakt Deutschland-Italien-Japan.

Die beiden unterzeichnenden Politiker Ministerpräsident Cvetković und Außenminister

Marković wurden nach ihrer Rückkehr nach Belgrad durch einen Militärputsch entmachtet

und der 18jährige König Peter II. Karadjordjević übernahm die Regierung. Dieser schloss am

5. April 1941 einen Freundschafts- und Nichtangriffpakt mit der Sowjetunion. Dies wurde als

Anlass zum Einmarsch deutscher Truppen in Jugoslawien und zur Besetzung des Balkans,

Griechenlands und Kretas genommen. Innerhalb kürzester Frist kapitulierte die jugoslawische

Armee, die kaum Widerstand geleistet hatte. Am 8. Juli 1941 wurde von Italien und dem

Deutschen Reich das Ende Jugoslawiens ausgerufen. In Folge kam es zur Aufteilung

Jugoslawiens zwischen dem Deutschen Reich, Italien, Ungarn und Kroatien. Die nördlichen

slowenischen Gebiete wurden dem Deutschen Reich eingegliedert, Unterkrain, die

dalmatinischen Inseln und größere Küstenstreifen an der Adria wurden von Italien besetzt.

Das slowenische Gebiet wurde zwischen dem Deutschen Reich, Italien und Ungarn

aufgeteilt.122

„Wir wollen dieses Land so heranbinden, dass darinnen nur Platz hat der

Deutsche und jene Steirer, die Jahre und Jahrzehnte hindurch treu und

kameradschaftlich Schulter zu Schulter mit unseren Volksgenossen gekämpft

haben […] Wir werden mit Eiskälte alle jene Maßnahmen treffen, die erforderlich

sind, damit in dieser Entwicklung auch keine Rückschläge eintreten können. Dann

dass dieses Land […] deutsch ist auf ewig, daran zweifelt heute auf der Welt

niemand mehr […].“123

121 Vgl. Maritschnik: Land an der Grenze. 1995, S. 47. 122 Vgl. Karner, Stefan: Die Steiermark im 20. Jahrhundert. Politik – Wirtschaft – Gesellschaft – Kultur. Graz: Verlag Styria 2000, S. 229f. 123 Chef der Zivilverwaltung Sigfried Uiberreither. Zitiert nach: ebda., S. 230.

31

Die Ziele Hitlerdeutschlands finden in diesem Zitat Sigfried Uiberreithers bei dessen ersten

Besuch, kurz nach seiner Ernennung zum Chef der Zivilverwaltung, in der Untersteiermark

Ausdruck.124

Folgende Maßnahmen sollten in den Folgejahren durchgeführt werden:

• Ausweisung aller „Nationalslowenen“ und Ausweisung aller seit 1914 aus Serbien

zugezogenen Personen, Auflösung aller slowenischen Organisationen und

Beschlagnahmung ihres Vermögens durch den „Steirischen Heimatbund“ sowie die

Entfernung aller slowenischen Orts- und Geschäftsbilder.

• Aufstellung des „Steirischen Heimatbundes“ unter Bundesführer Steindl als

Vorfeldorganisation der NSDAP für Deutschsprachige und die als deutschfreundlich

eingestuften, sogenannten „Windischen“. Besonders verdiente „Volksgenossen“

konnten sofort in die NSDAP aufgenommen werden.

• Deportation von „Nationalslowenen“ als Staatsfeinde und Beschlagnahmung ihres

Vermögens. Unter ihnen waren vor allem Intellektuelle, Geistliche und Beamte.125

Von der Rassenpolitik waren in den slowenischen Gebieten vor allem Slowenen, aber auch

Juden und Zigeuner betroffen. Diejenigen, die nicht als „eindeutschungsfähig“ angesehen

wurden, wurden nach Serbien und Polen ausgesiedelt.126

„Deportationen, Umsiedelungen, Raub, Genozid und Hass, der sich zu

Kriegsende kollektiv gegen die Deutschsprachigen des Landes richtete, waren die

Folgen dieser NS-Politik.“127

Ab Sommer 1941 begann man mit der zweiten Germanisierungsphase, im Zuge der tausende

„nicht-eindeutschungsfähige rassisch minderwertige“ Slowenen nach Serbien und Kroatien

und rund 30.000 Slowenen aus einem Grenzstreifen südlich der Save um Rann/Brežice, in das

„Altreich“ deportiert wurden und tausende Gottscheer aus dem italienisch verwalteten Teil

Krains in das „Ranner Dreieck“ umgesiedelt, tausende „Volksdeutsche“ aus den Gebieten des

Schwarzen Meeres und der Bukowina angesiedelt wurden.128

124 Vgl. Karner: Steiermark. 2000, S. 230. 125 Ebda. 126 Vgl. ebda. 127 Ebda. 128 Vgl. ebda., S. 231.

32

Vor allem die unter den Slowenen stark verwurzelte katholische Kirche war ein wichtiges Ziel

der Nationalsozialisten. Zwar wurde der Gebrauch der slowenischen Sprache in den Kirchen

nach dem deutschen Einmarsch aus psychologischen Gründen noch erlaubt, aber schon im

Frühjahr 1942 wurde dies verboten. Der slowenische Klerus unterstützte ab 1942 die

Widerstands- und Partisanenbewegung im slowenischen Gebiet. Bereits im Mai des Vorjahres

kam es zur Verhaftung von 445 katholischen Priestern, Welt- und Ordenspriestern sowie

Ordensschwestern.129

Gegen Kriegsende nahm der Partisanenkampf zu und es kam vermehrt zu Anschlägen auf

untersteirische Verkehrs- und Kommunikationseinrichtungen. Viele NS-Funktionäre,

Kreisführer, Landräte und Beamte der Zivilverwaltungen, sowie Lehrer und Priester flohen

aus Angst vor Racheaktionen der Partisanen.130

Im April 1945 begannen erste Massenrepressionen gegen die „Deutschen“ in der

Untersteiermark. Die in weiterer Folge stattfindenden Repressionen, Einzel- und

Massenmorden, Vergewaltigungen, Masseninternierungen und Deportationen betrafen ca.

27.000 „Deutsche“.131

Die Schließung der Grenze zum kommunistischen Jugoslawien im Juli 1945 war eine der

ersten britischen Maßnahmen, um so die Flüchtlingsströme unter Kontrolle bringen zu

können. Die Situation an der Grenze war jedoch gespannt. Es herrschte eine rege

Schmugglertätigkeit und viele deutschsprachige Untersteirer wurden von Partisanen über die

Grenze nach Österreich getrieben.132

Weißgardisten kämpften ab Sommer 1946 von der Steiermark aus gegen Partisanen auf der

slowenischen Seite und ein Jahr später kam es zur Eskalation dieses Guerillakrieges, als Rote

Garden über die Grenze nach Österreich kamen und vom südsteirischen Gebiet aus operierten.

Die Grenzbewohner befanden sich in einer unsicheren Situation, da grenznahe Gehöfte immer

wieder Ziele von Anschlägen waren. Unterstützung oder gar Hilfe von Seiten der

österreichischen Gendarmerie konnte nicht erwartet werden, da diese zu schwach und auch

das Telefonnetz kaum ausgebaut war, wodurch Hilferufe erschwert wurden. Erst nach dem

Zusammentreffen des britischen Hochkommissars James Steele mit Tito in Veldes/Bled

konnte diese Grenzsituation unter Kontrolle gebracht werden.133

129 Vgl. Karner: Steiermark. 2000, S. 232. 130 Vgl. ebda., S. 309. 131 Vgl. ebda., S. 310. 132 Vgl. ebda., S. 341. 133 Vgl. ebda., S. 342.

33

„Mit der stetigen Entwicklung und dem Entstehen eines kommunistisch geführten,

totalitären Regimes im nunmehrigen „Tito-Jugoslawien“ wurde die gesamte

Südgrenze, wie auch später zu Ungarn und zur CSSR, eine abgeriegelte,

undurchlässige Grenze, mit Stacheldraht, Kahlschlägen, bewaffneten Soldaten,

Hundestreifen, mit Wegen und Straßen, die plötzlich zu Ende waren und

nirgendwo mehr hinführten. Es gab Flüchtlinge und es gab den Schießbefehl auf

jugoslawischer Seite.“134

Als Folge dieser Abriegelung war kein Personen- oder Warenverkehr möglich, es kam zur

Verödung des südsteirischen Grenzlandes und zum Abbruch der Kommunikation über diese

Grenze.135

„Noch dazu war diese Grenze nicht irgendeine Grenze wie vor 1938, sondern sie

war über nachte eine weltanschauliche und noch dazu eine ethnische Grenze

geworden. Handel und Wandel kamen im gesamten Grenzland zum Erliegen, alles

stagnierte. Zu dieser Zeit war es eine tote Grenze, an der auf beiden Seiten ganz

plötzlich das politische und das wirtschaftliche Leben endete, hüben und drüben

ein anderes Fühlen und Denken gegeben war, und vor allem eine andere Sprache

gesprochen wurde.“136

Gleich im Juli 1945 hatte die britische Besatzungsmacht entlang der gesamten Grenze zu

Jugoslawien eine Sperrzone errichtet. Diese durfte nur mit bestimmten Ausweisen betreten

und wieder verlassen werden. Die Bestimmungen des Rückzugs der Jugoslawen wurden von

den Engländern streng überwacht und gegebenenfalls wurde auch mit militärischem Druck

nachgeholfen.137 „Die Besatzungsmacht richtete sich nun vornehmlich in Stützpunkten ein,

wobei sie sich der alten Zollhäuser aus der Zeit vor 1941 bedient.“138

Mit Ausnahme von Spielfeld, wo bereits 1945 ein noch unbedeutender Straßen- und

Schienenverkehr aufgenommen wurde, der aber nur von Diplomaten, Angehörigen der

Besatzungsmächte und Flüchtlingen in Anspruch genommen wurde, wurde die Grenze mit

Stacheldraht dicht gemacht und es gab keinen Grenzverkehr mehr.

134 Richter, Heinz: Unsere Grenze im Süden. 1919 – 1991. Graz: Verlag für Sammler 1993, S. 91. 135 Vgl. Ebda. 136 Ebda. 137 Vgl. ebda., S. 92. 138 Ebda.

34

Neben Spielfeld waren auch Mureck, Langegg und der Radlpass als Grenzübergänge zwar

vorhanden, jedoch befanden sich diese, wie auch Spielfeld, auf dem Stand von 1941 und

waren demnach nicht ausgebaut. Die kleinen Grenzübergänge entstanden erst 1960.139

Nach einer Zeit der vollkommenen Geschlossenheit änderte sich die Grenzsituation langsam.

Seit 1953 war ein eingeschränkter kleiner Grenzverkehr wieder möglich140 und im Juli 1960

ermöglichte ein weiteres Abkommen Personen, die innerhalb der 20km-Zone bei der Grenze

lebten mittels eines „Dauergrenzscheines“ sich in der jeweiligen Grenzzone des

Nachbarlandes frei zu bewegen.141 1965 fiel die Visumspflicht zwischen Österreich und

Jugoslawien.142 1969 wurde die neue Grenzmurbrücke in Radkersburg fertiggestellt und unter

dem Beisein von Franz Jonas und Marschall Josip Broz Tito feierlich eröffnet.143

Die Grenze zu Jugoslawien war im Gegensatz zu anderen, wie zum Beispiel der zu Ungarn

oder der zu der CSSR, schon längere Zeit viel durchlässiger.

Bereits in den 1950er Jahren konnten viele steirische Landwirte144 aufgrund der

Bodenbesitzentwicklung ihren Grundbesitz, der in Slowenien lag, in ihr Eigentum

zurückerhalten. Die Besitzungen der österreichischen sowie auch die einiger slowenischer

Grundbesitzer auf der anderen Seite der Grenze, liegen vor allem im Radkersburgerraum und

im Verlauf der Grenzlinie an der weststeirischen Weinstraße.

Für diese so genannten „Doppelbesitzer“ galt im steirisch-slowenischen Grenzgebiet die EU-

Zollbefreiungsverordnung für Erzeugnisse aus dem 5-km-Streifen und das Gleichenberger

Abkommen von 1953, welches Doppelbesitzern ermöglicht, Agrarprodukte aus Slowenien

abgabenfrei nach Österreich zu bringen.145 Doch diese Möglichkeit stellte eine Ausnahme dar.

Das steirische Grenzland, dessen Wirtschaft vorwiegend agrarisch strukturiert ist, war in den

1950er und 60er Jahren durch eine starke Abwanderungsbewegung geprägt.146

139 Vgl. Richter: Grenze im Süden . 1993, S. 92. 140 Vgl. Schober: Grenzregime. 2004, S. 45. 141 Vgl. Dornik, Wolfram/Grasmug, Rudolf: Die Südoststeiermark im 20. Jahrhundert. In: Grenzenlos. Österreich, Slowenien und Ungarn 1914-2004. Hrsg. Wolfram Dornik/Rudolf Grasmug/Stefan Karner. Graz: Stadtgemeinde Fehring 2007, S.142. 142 Vgl. Schober: Grenzregime. 2004, S. 45. 143 Vgl. Richter: Grenze im Süden . 1993, S. 92. 144 Allein im Bezirk Radkersburg sind etwa 120 Personen davon betroffen, deren Flächenumfang auf rund 220 ha Stand 1995) beläuft. Vgl. Die Grenzgebiete Österreichs und seiner östlichen Nachbarn. Strukturen, Entwicklungen, regionalpolitische Ziele. Zusammenstellung und Bearbeitung Abteilung Agrarpolitik, Landsoziologie und Regionalforschung. Hrsg. Franz Greif. Wien: Bundesanstalt für Agrarwirtschaft 2001, S. 24. (=Schriftenreihe/Bundesanstalt für Agrarwirtschaft; 91) 145 Vgl. ebda., S. 23f. 146 Zwischen 1951 und 1961 betrug die Abwanderungsrate 15 %.

35

„Gegenüber der übrigen Steiermark, die mit den Jahren des Wiederaufbaues

nach dem Krieg bis 1955 einen wirtschaftlichen Aufschwung in Industrie, Handel

und Gewerbe erlebte, stagnierte die vornehmlich auf Landwirtschaft

ausgerichtete Grenzregion. Viele wanderten ab, da sie hier keine Zukunft mehr

sahen. Das Steueraufkommen aus jener Zeit weist ein deutliches Nord-Süd-

Gefälle auf, die Südsteiermark war das „Armenhaus“ der Steiermark

geworden.“147

Um diese Region zu fördern, wurden in Folge zwei Maßnahmen installiert. Einerseits

versuchte man mit konkreter Grenzlandförderung die Region zu stabilisieren, andererseits

wurde eine gezielte Nachbarschaftspolitik gegenüber Jugoslawien und Ungarn betrieben.148

Im Jahr 1955 kam es zur offiziellen Beilegung des Grenzkonfliktes mit Jugoslawien. Im Zuge

dessen konnte eine weitere Normalisierung der Beziehungen über die Grenze stattfinden.

Vorrangige Interessen galten der ökonomischen Entwicklung. So wurde zuerst von

Landeshauptmann Dr. Josef Krainer die „regionale“ Außenpolitik betrieben, um so149

„[…] zerstörte Brücken wieder aufzubauen und ein gewisses Zusammenleben an

der Grenze zu ermöglichen. Die Nachbarschaftspolitik und die

grenzüberschreitende Zusammenarbeit baute auf den vielfältigen,

jahrhundertealten Gemeinsamkeiten auf.“ 150

So wurde 1960 ein Zusatzabkommen zum Gleichenberger Abkommen abgeschlossen. Im

gleichen Jahr wurde im Schloss Eggenberg die „Steirische Akademie“151 von Hanns Koren

ins Leben gerufen. Weiters kam es zur Einrichtung einer ständig tagenden

Regionalkommission, die Dreiländerbiennale „trigon“152. Das Mogersdorfer-Symposion153

und die Arge Alpen-Adria wurden ebenso gegründet.154

147 Richter: Grenze im Süden. 1993, S. 91. 148 Vgl. Karner: Steiermark. 2000, S. 408f. 149 Vgl. ebda., S. 408f. 150 Ebda. 151 Die 1968 gegründete Steirische Akademie von steirischen sowie internationalen Experten bzw. Intellektuellen aktuelle gesellschafts- und kulturpolitische Themen diskutiert. Vgl. Imaginäre Akademie Steiermark. Online im Internet: URL: http://www.hanns-koren-auszeit.at/cms/ziel/7357557/DE/ [Stand: 2010-04-29]. 152 Diese 1962 geschaffene Dreiländerbiennale „trigon“ zwischen Österreich, Italien und Jugoslawien, hat sich hin zu einer alle zwei Jahre stattfindenden Gemeinschaftsausstellung für zeitgenössische Kunst westeuropäischer

36

Ab 1972 wurden die Außenbeziehungen zwischen der Steiermark und Jugoslawien

intensiviert. Die Landeshauptmänner Dr. Friedrich Niederl und Dr. Josef Krainer

unterstützten eine Weiterentwicklung der regionalen Außenpolitik und ihrer

Institutionalisierung im Rahmen einer überregionalen Zusammenarbeit. So kam es 1974 zur

Gründung der „Arbeitsgemeinschaft der östlichsten Alpenländer“ als Pendant zur westalpinen

Kooperation „Arge Alp“. Und ein Jahr später, am 20. November 1978, wurde die

„Arbeitsgemeinschaft Alpen-Adria“155 in Venedig gegründet. Ziel dieser Gemeinschaft war

der Abbau von Vorurteilen, die Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen und die

Durchsetzung gemeinsamer Anliegen in der Verkehrs- oder Wirtschaftspolitik.156 Die Arge

Alpen-Adria sollte eine Plattform für Begegnungen zwischen Ost und West sowie für

inoffizielle politische Vorstöße sein. Für die Gebiete Ungarn, Slowenien oder Kroatien diente

sie als Brücke zum Westen und als Einstieg in internationale Netzwerke und

Kooperationen.157

Obwohl die Grenze zu Jugoslawien im Vergleich zu Grenzen zu anderen osteuropäischen

sozialistischen Staaten immer verhältnismäßig offen war, blieb der Kontakt über die Grenze,

bis in die 1960er Jahre erloschen. Erst nach und nach wurde damit begonnen alte Kontakte

wieder zu knüpfen und Traditionen wieder aufleben zu lassen. Erste Initiativen wurden vor

allem im Bereich der Kirche gesetzt, die durch Wallfahrten und gemeinsame Gottesdienste

die Grenze wieder überschritt.

Sv. Duh na Ostrem vrhu - Hl. Geist am Osterberg

Auch in Heiligen Geist am Osterberg begann man ab 1961 wieder, wenn auch nur zaghaft,

neue Kontakte zwischen Slowenien und der Steiermark zu knüpfen. So wurden

Länder und Ungarns im Rahmen des steirischen herbstes entwickelt. Vgl. Trigon. Online im Internet: URL: http://austria-lexikon.at/af/AEIOU/Trigon [Stand: 2010-04-29]. 153 Das „Internationale Kulturhistorische Symposion Mogersdorf“ beschäftigt sich mit kulturellen, wirtschaftlichen, historischen und sozialen Fragen des pannonischen Raumes und findet jährlich an verschiedenen Veranstaltungsorten im Burgenland und in der Steiermark, in Ungarn, Jugoslawien bzw. später Slowenien und Kroatien statt. Vgl. Dornik/Grasmug: Südoststeiermark. 2007, S. 143. 154 Vgl. Karner: Steiermark. 2000, S. 408f. 155 Die Gründungsmitglieder waren die autonome Region Friaul-Julisch Venetien, das Land Kärnten, das Land Steiermark, die Sozialistische Republik Kroatien, das Land Oberösterreich, die sozialistische Republik Slowenien, und die Region Venetien. In den 1980er und 90er Jahren traten Trentino-Südtirol, die Lombardei, die Komitate Vas, Györ-Moson-Sopron und Zala sowie das Land Burgenland bei. Vgl. Dornik/Grasmug: Südoststeiermark. 2007, S. 143. 156 Die Anliegen der Arge Alpen-Adria betrafen folgende Bereiche: Infrastruktur, Energie, Wasser, Fremdenverkehr, Umwelt- und Naturschutz, Kultur etc. Vgl. ebda. 157 Vgl. Karner: Steiermark. 2000, S. 432.

37

Schiwettkämpfe miteinander ausgetragen, der Frauensingkreis Leutschach trat in Zellnitz auf

und slowenische Chöre in Leutschach. Aber auch hier hat vor allem die Kirche Zeichen zur

Überwindung von Vorurteilen und Gegensätzlichkeiten durch die Christen beider Pfarren

gesetzt. 1968 setzte der Leutschacher Kaplan Franz Ragam einen mutigen Schritt, indem er

mit einer Jugendgruppe der Pfarre eine Wallfahrt nach Heiligengeist veranstaltete. Dort wurde

dort seit 40 Jahren das erste Mal wieder eine heilige Messe in deutscher Sprache gefeiert.158

„Grenzenloser“ Wandertag

Aber nicht nur im Bereich der Kirche kam es zu grenzüberschreitenden Aktionen. Um

Kontakte über die Grenze hinweg aufrecht zu erhalten und neue zu knüpfen, organisiert der

Volksschullehrer Peter Stelzl mit einigen Mitarbeitern seit 1987 einen internationalen

Friedensmarsch von Arnfels nach Kapla. Zu diesem „grenzlosen“ Wandertag versammeln

sich jeweils am zweiten Sonntag im August in Arnfels Berggeher und Wallfahrer aus der

Steiermark, aus Deutschland, Spanien, Italien und anderen Ländern. Der Weg führt hinauf

zum Gasthaus Pronintsch, dann entlang des Kamms des Remschnigg, der so genannten

„Grünen Grenze“, über den Grenzübergang Arnfels – Kapla hinauf zum Dorf Oberkappel.

Dort wird von slowenischen und steirischen Geistlichen eine Friedensmesse abgehalten, bei

der in beiden Sprachen gebetet und gesungen wird. Hinterher gibt es ein gemeinsames Fest.159

Im Zuge der sich verbessernden Wirtschaftslage wurde die Grenze zunehmend durchlässiger.

Viele der in Österreich benötigten Arbeitskräfte kamen aus dem Ausland.160

„Vor allem die Baubranche zog 'Gastarbeiter' aus dem gesamten

südeuropäischen Raum an, in Belgrad und Istanbul wurden eigens

Anwerbestellen eingerichtet, die bis 1993 aufrechterhalten wurden. Die

damaligen jugoslawischen Autoritäten erlaubten ein temporäres Pendeln

jugoslawischer Arbeitskräfte nach Westeuropa […] “ 161

da eine immer größere Zahl benötigt wurde.

158 Vgl. Klug, Blasius: Die Pfarren Heiligengeist und Leutschach heute. In: Sv. Duh na Ostrem vrhu – Hl. Geist am Osterberg. Cerkev ne pozna meja – Kirche ohne Grenze. Festschrift zum 100jährigen Jubiläum der Pfarrerhebung. Hrsg. Gert Christian. Graz: Universitätsbuchdruckerei Styria 1992, S. 49f. 159Vgl. Maritschnik: Land an der Grenze. 1995, S. 191. 160 Vgl. Schober: Grenzregime. 2004, S. 49. 161 Reckinger, Gilles: Pendlerdasein. In: Das ganz alltägliche Elend. Begegnungen im Schatten des Neoliberalismus. Hrsg. Elisabeth Katschnig-Fasch. Wien: Löcker 2003, S. 300.

38

Spätestens ab den 1970er Jahren passierten viele Österreicher die jugoslawische Grenze um

dort billiger einzukaufen, zu essen oder an die Adriaküste zu fahren. Die Ausreise aus

Jugoslawien war bis 1989 schwierig, während die Einreise nach Österreich vergleichsweise

einfach war.162

Seit 1998 sind die Grenzgebiete wieder Kontaktzonen für die Bewohner auf beiden Seiten der

Grenze (Einkaufs-, Besuchs- und Fremdenverkehr, grenzüberschreitende Pendelwanderung,

Nachbarschaftshilfe) und Durchgangszonen für großräumigen Wirtschaftsverkehr, Tourismus

und Arbeitswanderungen.163

Bereits Anfang der 1990er Jahre, kurz nach dem Entstehen der Republik Sloweniens, wurden

in Österreich wissenschaftliche Arbeiten zu den möglichen Auswirkungen dieser Öffnung auf

die Grenzregionen publiziert. Aber den Arbeiten kann man kaum mehr als einen

„prognostischen“ Charakter zuweisen, denn ihr Erscheinen war wohl zu kurzfristig nach der

Öffnung. Schremmer und Karjasits analysieren die Situation der Grenzgebiete

folgendermaßen:

„Obwohl die österreichisch-slowenische Grenze schon längere Zeit viel

durchlässiger war als etwa die zu Ungarn oder gar zu ČSFR, haben sich nur

eingeschränkt grenzüberschreitende Verflechtungen zwischen Südsteiermark und

Slowenien entwickelt. Auch in dieser Grenzregion konnten bisher keine

Verbindungen aufgebaut werden, die technische, organisatorische oder soziale

Innovationen entstehen ließen. Eine überdurchschnittliche hohe Agrarquote, eine

für Randgebiete jedoch untypisch hohe Bedeutung des Dienstleistungssektors, ein

arbeitskostenorientierter Produktionsbereich weisen das südsteirische Grenzland

als Peripherie aus. Die geringe funktionale Verflechtung mit dem Zentralraum

Graz wird als Grund für die geringe Dynamik dieser Region gesehen. Auch auf

slowenischer Seite wird das ländliche Grenzgebiet als entwicklungsschwach

eingestuft. Die Konzentration der wirtschaftlichen Aktivitäten liegt in den

städtischen Ballungsregionen, die Abwanderung aus den ländlichen Gebieten

erfolgte in die Städte.“164

162 Vgl. Schober: Grenzregime. 2004, S. 50. 163 Vgl. Greif: Grenzgebiete Österreichs. 2001, S. 16. 164 Schremmer, Christof/Krajasits, Cornelia: Szenarien zur Ost-Grenzöffnung und deren Auswirkungen auf die österreichischen Ost-Grenzregionen. Wien: Riegelnik 1992, S. 97. (= Schriften zur Regionalpolitik und Raumplanung; 20)

39

Die Sicht auf die weitere Entwicklung des Grenzraumes war pessimistischer Natur und die

Aussichten der Grenzgebiete wurden eher zurückhaltend eingeschätzt.

Weiters wird die Kommunikation mit Österreich als vereinzelt und begrenzt angesehen. Laut

Schremmer/Krajasits scheint Österreich nicht von großer Bedeutung zu sein, die Slowenen

kommen zwar zum Einkaufen (Konsumtourismus) nach Österreich, aber die Orientierung der

Industrie und des Außenhandels ist auf die europäischen Zentren gerichtet.165

Auch das Bild des Österreichers vom ehemaligen Jugoslawien scheint negativ besetzt, was

sich auch auf die Wirtschaftsbeziehungen auszuwirken scheint.

„Die Auseinandersetzungen um Gastarbeiter und Minderheiten oder um

Aufrechterhaltung der Zentralgewalt und/oder um Gebietsansprüche hatten

Jugoslawien als ein „ungeordnetes, anarchisches, unorganisiertes Land“ (Holl,

1988, S. 64) erscheinen lassen.“166

Darin sehen Schremmer/Krajasits mögliche Gründe für das geringe Entwickeln nachhaltiger

grenzüberschreitender wirtschaftlicher (betrieblicher) Kooperationen. Weiters werden auch

die unklaren Eigentumsverhältnisse als Negativ-Faktor betrachtet.167

Aber durch entstehende Aktivitäten, injiziert durch die Europäische Union, die Republik

Österreich, verschiedener Vereine, aber auch durch Einzelpersonen, hat sich die

grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Slowenien und Steiermark verstärkt und

wurde forciert.

Bereits das „Regionalwirtschaftliche Konzept“ von Steiner 1994 vertritt eine optimistischere

Position, denn

„[…] durch den Aufbau grenzüberschreitender Beziehungen in unterschiedlichen

Wirtschaftszweigen mit dem nördlichen Slowenien [...] können neue

Wirtschaftskreisläufe geschaffen und die Basis zur Überwindung der bisherigen

Randlage entwickelt werden.“168

165 Vgl. Schremmer/Karajasits: Ost-Grenzöffnung. 1992, S. 98. 166 Ebda. 167 Vgl. ebda., S. 97. 168 Steiner, Michael/Gruber, Markus/Lang, Harald/ Wendner, Ronald: Regionalwirtschaftliches Konzept. Agrarisch dominierte und periphere Regionen der Steiermark. Graz: Institut für Technologie- und Regionalpolitik – InTeReg 1994, S. 147.

40

Folgende Bereiche werden in Steiners Studie angesprochen:

Überregionale Kooperation der Zentren Graz-Marburg

In diesem Bereich werden aufgrund der relativen Stärken der beiden Städte im Bereich der

Forschung und Technologie vor allem auf dem Gebiet der Motoren- und Fahrzeugtechnik und

der Energie- und Verfahrenstechnik gesehen. Die Konzeption des Aufbaus eines

„Technologieparks Slowenien“ soll eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit forcieren.

Weiters soll die Zusammenarbeit durch regelmäßige Kooperationsmeetings und die

Integration Marburg in einen regionalen Taktverkehr gefördert werden.169

Gewerbe und Wirtschaft

Maßnahmen, die in diesem Bereich zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Slowenien

und der Steiermark gesehen werden, sind der Aufbau eines Gründer- und Gewerbezentrums in

Bad Radkersburg, die langfristige Realisierung des Industrieparks Leibnitzer Feld und die

Organisation von regionalen Leistungsschauen.170

Tourismus und Landwirtschaft

Im einheitlichen Naturraum, vor allem im Weingebiet, sieht Steiner zahlreiche

Kooperationspotentiale: Zu setzende Maßnahmen sind das Anhängen Sloweniens an das

Steirische Radkonzept, der Aufbau und die Vermarktung einer gemeinsamen Weinstraße und

gemeinsamer Wanderwege sowie der Ausbau von gemeinsamen Angebotslinien und –

gruppen.

Im Bereich der Landwirtschaft ist vorgesehen Qualitätssteigerung und kooperative

Beziehungen zu fördern.171

Bildung und Kultur

In der gemeinsamen geschichtlichen und kulturellen Vergangenheit der südlichen Steiermark

und Nordsloweniens, sieht man die Möglichkeit zur Zusammenarbeit. Ein erster Schritt soll

die Landesausstellung 1998 in Bad Radkersburg in Zusammenarbeit mit dem Burgenland,

Slowenien, Kroatien und Westungarn sein.

169 Vgl. Steiner/Gruber/Lang/Wendner: Regionalwirtschaftliches Konzept. 1994, S. 147. 170 Vgl. ebda., S. 147f. 171 Vgl. ebda., S. 148f.

41

Durch die Errichtung eines Alpen-Adria-Kollegs in Bad Radkersburg soll eine gemeinsame

Bildungseinrichtung geschaffen werden.172

Umwelt und Raumentwicklung

Für dieses Gebiet will man Maßnahmen im Bereich der Beratungsinitiativen auf dem Gebiet

erneuerbarer Energien, den Aufbau eines gemeinsamen Ökologieprogramms in der

Landwirtschaft zur Sicherstellung einer grundwasserschonenden Bewirtschaftung und die

Erstellung von Landschaftspflegeplänen sowie die Installierung von regionalen

Kulturlandschaftprogrammen fördern.173

Diese Maßnahmen werden in erster Linie durch die Gemeinschaftsinitiative InterregIIA174

gefördert, welche die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebieten an den

Außengrenzen der Europäischen Union betrifft.

Allgemein ist Steiner der Ansicht, dass

„[…] im industriellen Bereich das Potential kleinräumig grenzüberschreitender

Kooperationen, das heißt eine Kontaktaufnahme der direkt an der Grenze

gelegenen Wirtschaftsräume als insgesamt nicht sehr groß einzuschätzen ist.“175

Diese Kontaktaufnahme betreffe eher die beiden Zentralräume (Marburg/Graz) sowie

eventuell die westlichen Grenzregionen, da durch das vorherrschende Ost-West-Gefälle auf

beiden Seiten der Grenze, die östlichen Gebiete schwächer entwickelt sind.

Kooperationspotentiale werden aber durchaus in der Landwirtschaft, im Tourismus und im

Gewerbe gesehen.176

172 Vgl. Steiner/Gruber/Lang/Wendner: Regionalwirtschaftliches Konzept. 1994, S. 149f. 173 Vgl. ebda., S. 150. 174 Die Gemeinschaftsinitiative INTERREG des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) wurde 1990 von der Europäischen Kommission gegründet und fördert die Zusammenarbeit zwischen den Regionen der Europäischen Union. Ziel dieser Initiative ist der Abbau von nationalen Grenzen. Vgl. Wurditsch, Thomas: Analyse und Evaluierung ausgewählter touristischer Projekte im Rahmen des INTERREG IIIA Programms (2000-2006) in der steirisch-slowenischen Grenzregion. Dipl.arb. Graz: 2009, S. 13. 175 Steiner/Gruber/Lang/Wendner: Regionalwirtschaftliches Konzept. 1994, S. 146. 176 Vgl. ebda.

42

5.1 Analyse der grenzregionalen Situation

In die Analyse einer Grenzregion sind gewisse Parameter einzukalkulieren. Die jeweiligen

unterschiedlichen politischen Gegebenheiten, wie zum Beispiel divergierende

Regierungssysteme und unterschiedliche politische Interessen sind zu beachten. Im Falle der

ehemaligen jugoslawisch-österreichischen Grenze waren beide Aspekte dezidiert vorhanden.

Die unterschiedlichen politischen Systeme implizierten eine Verkomplizierung

grenzüberschreitender Beziehungen. Vor allem in der Nachkriegszeit waren die nicht

gegebenen außenpolitischen Kontakte bzw. die getrübten außenpolitischen Verhältnisse

ausschlaggebend dafür, dass diese Grenze eine „Tote Grenze“ war. Wie bereits erwähnt,

änderte sich diese Situation erst in den 50er Jahren. Dies war bedingt durch die Abkehr

Jugoslawiens von der Sowjetunion und der damit neuen politischen Interessen.

Die Beziehung zwischen zwei Nationalstaaten wird durch das jeweilige nationale

Selbstverständnis sowie von Empfindsam- und Empfindlichkeiten bezüglich vergangener

Verletzungen territorialer Machtansprüche und Integrität geprägt.177

Das Bild des Österreichers vom ehemaligen Jugoslawien scheint negativ besetzt zu sein, was

vor allem auf die gemeinsamen geschichtlichen Hintergründe zurückzuführen ist. Auch der

Krieg zur Unabhängigkeit Sloweniens 1991 hat die Erinnerungen an die Geschehnisse beider

Weltkriege wieder stärker in die Köpfe der Menschen gebracht.

„In meiner Kindheit, mein Stiefvater ist aus der Südsteiermark, wenn man eine

Stunde zu Fuß geht, geht man über die Fußgängergrenze. Und da hatten als der

Krieg begonnen hatte alle Angst vor den Minen, die gelegt hätten sein können in

den Wäldern.“178

„Als der Krieg anfing, da gab’s zuerst mal ganz große Angst. An der Grenze, bei

Spielfeld sind Panzer aufgefahren. Und die Jugoslawen haben Militär in

Bewegung gesetzt und es hat dann auch Grenzeinsätze gegeben vom

österreichischen Bundesheer. Das erste war einfach Angst, also diese alten

Gespenster tauchen sehr schnell auf. Wie nach dem ersten Weltkrieg ist das 177 Vgl. Schober: Grenzregime. 2004, S. 64. 178 Zitiert nach Siegmund, Judith: Soziale Geräusche. Stubice Frankfurt (Oder) Übermurgebiet/Slowenische Steiermark Graz. Hrsg. Forum Stadtpark. Graz: Jütte-Messedruck Leipzig GmbH 2003, S. 63.

43

damalige Jugoslawien einmarschiert, um Besitzansprüche zu stellen, und das ist

natürlich sofort in den Hinterköpfen.“179

Aber auch die Vorkommnisse während und nach dem Zweiten Weltkrieg prägen noch das

Bild vom Nachbarn auf der anderen Seite der Grenze.

„Primär war die Stimmung im Bezug auf Jugoslawien eher negativ, obwohl meine

Familie slowenische Vorfahren hat. Meine Großmutter ist, wie man sagt,

windisch, also aus der slowenischen Minderheit. Hat aber, da der nationale

Druck in der Zeit sehr sehr groß war, da hat’s eine große Umfrage gegeben in

den 50ern: Welche Sprache sprechen Sie und da hat man sich deklarieren

müssen: Entweder slowenisch oder windisch oder deutsch. Da hat natürlich der

Großteil in den Mischfamilien sich für deutsch entschieden. Und sie hat sich auch

für deutsch entschieden und gesagt, sie spricht deutsch. Obwohl sie eigentlich mit

ihrer Familie, […] nur windisch oder slowenisch gesprochen hat.“180

Auch die gespannten Verhältnisse in den 1970er Jahren zwischen Österreich und Jugoslawien,

nachdem der Kärntner „Ortstafelsturm“ 1972 die Emotionen in der Minderheitenfrage

neuerlich aufgeschaukelt hatte und von der Wiener Regierung 1976 – nach Beschluss eines

neuen Volksgruppengesetzes – eine weitgehend nutzlose Minderheitenfestlegung angesetzt

worden war, trugen zum negativen Stimmungsbild bei.181

Aber trotz dieser negativen Einflüsse und Erinnerungen, kam es schon früh wieder zu ersten

„neuen“ Kontakten zwischen Österreich und Slowenien.

„In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg und nach Entstehen des Eisernen

Vorhangs waren sich viele Menschen einig, dass es eine österreichische

Verantwortung hinsichtlich der kulturellen Verbindungen zu unserer

Nachbarschaft gibt. Diese Einstellung resultierte aus unterschiedlichen Motiven:

Zum einen fühlte man sich der alten deutschen Sprachinseln verbunden, und die

zur Emigration gezwungenen Menschen wollten, in Österreich angekommen,

wenigstens die Erinnerung aufrechterhalten. Zum anderen war sich die

179 Zitiert nach Siegmund: Soziale Geräusche. 2003, S. 65. 180 Zitiert nach ebda., S. 64. 181 Vgl. Maritschnik: Land an der Grenze. 1995, S. 165.

44

Kriegsgeneration um den kulturellen Verlust durch die Ost-West-Teilung sehr

wohl bewusst.“182

Vor allem seitdem Slowenien 1991 ein selbstständiger Staat wurde, kam es verstärkt zur

Initiierung gemeinsamer Veranstaltungen der Grenzlandbewohner, zum Beispiel zu einer

Pferdesegnung in Sv. Jurij (St. Georgen) am 23. April 1995: Einem alten Brauch zufolge,

versammelten sich Ross und Reiter aus beiden Ländern am Grenzübergang Langegg und

zogen gemeinsam unter Musikbegleitung ins zwei Kilometer entfernte Sv. Jurij (St. Georgen)

zur Pferdesegnung. Danach fand ein gemeinsames Fest statt.183

„Im Allgemeinen wird das slowenisch-deutsche Verhältnis in der Geschichte nicht

als friedliche Kohabitation und Nachbarschaft verstanden, sondern vor allem als

ununterbrochener Antagonismus und Kampf, welcher auch heute die

Wachsamkeit und Aufmerksamkeit insbesondere vor dem österreichischen

Nachbarn als kontinuierlichem Nachfolger des deutschen Nachbarn fordert.“184

Karner konstatiert fünf Aspekte, die im 20. Jahrhundert das Verhältnis zwischen Jugoslawien

und Österreich begründet haben:

1. Die Frage nach den 1918/19 verloren gegangenen Gebieten

2. Die Slowenisierungspolitik während des SHS-Staates

3. Die Germanisierungspolitik während der NS-Zeit

4. Die nach 1945 erfolgte Vertreibung der deutschsprachigen Minderheit durch die

AVNOJ-Beschlüsse185

5. Die ideologischen Differenzen zwischen dem kommunistischen Jugoslawien und dem

demokratischen Österreich in der Nachkriegszeit186

Mit der Staatswerdung Sloweniens traten noch drei weitere Fragen hinzu: 182 Busek, Erhard: Österreich und der Balkan. Vom Umgang mit dem Pulverfaß Europas. Wien: Molden Verlag 1999, S. 103. 183 Vgl. Maritschnik: Land an der Grenze. 1995, S. 165. 184 Štih Peter: Ungerechtfertigte Feinbilder in der slowenischen Geschichtsschreibung. In: Europaeische Rundschau. Vierteljahreszeitschrift für Politik, Wirtschaft und Zeitgeschichte. 29. Jg. 1/2001, S. 83. 185 Bei den AVNOJ-Beschlüssen handelt es sich um, vom Antifaschistischen Rat der Volksbefreiung Jugoslawiens, während des zweiten Weltkrieges ausgearbeiteteBeschlüsse, die nach Kriegsende als rechtliche Grundlage zur Enteignung und Degradierung der deutschsprachigen Bevölkerung Jugoslawiens dienten. Vgl. Karner, Stefan: Die deutschsprachige Volksgruppe in Slowenien und AVNOJ. In: Europaeische Rundschau. Vierteljahreszeitschrift für Politik, Wirtschaft und Zeitgeschichte. 29. Jg. 1/2001, S. 29. 186 Vgl. ebda., S. 25.

45

Bezüglich des österreichischen Staatvertrages wird Slowenien als Nachfolgestaat

Jugoslawiens nicht als Co-Signator akzeptiert. Dies wird von der slowenischen Minderheit,

die sich auf die im Artikel VII des Staatsvertrages verankerten Rechte berufen, kritisiert.

Ein weiterer Konfliktpunkt stellt das in Slowenien errichtete Atomkraftwerk Krško dar.

Dieses wurde von österreichischer Seite vehement kritisiert, was viele Slowenen als

ungerechtfertigte Einmischung in die Staatssouveränität auffassten.

Drittens kam es im Zuge des EU-Beitrittes Sloweniens wiederholt zu Diskussionen, da

Österreich dies als Chance zu nutzen versuchte Forderungen hinsichtlich des

Atomkraftwerkes Krško oder der Aufhebung der AVNOJ-Beschlüsse zu stellen.187

Štih betont, dass vor allem die Entwicklung des slowenischen Nationalbewusstseins durch

eine Abgrenzung zum österreichischen bzw. „deutschen“ gekennzeichnet sei.

„Das slowenische Nationalgefühl ist in hohem Maße ethnozentriert. Der adäquate

Begriff in deutscher Sprache dafür wäre wenn auch diskriminiert: völkisch.

Aufgrund sogenannter ‚objektiver’ Merkmale wie Sprache, Abstammung,

historische Schicksalsgemeinschaft, Kultur u. ä., ist feststellbar, wer dem

slowenischen Volke angehört.“188

Erste Bestrebungen um eine slowenische Nation entstanden um 1848, als im Programm des

„Vereinten Sloweniens“ ein alle Slowenen Österreichs vereinigendes Kronland gefordert

wurde.189 Das zentrales Element, um sich gegenüber der Monarchie abzugrenzen, war die

Sprache, die auch noch heute für das slowenische Nationalbewusstsein wichtig ist.

„Auch für das heutige slowenische Geschichtsbewusstsein ist die Sprache das

konstitutive Element des eigenen Daseins, war sie doch – je nach Sichtweise – bis

1918, 1945 oder 1991 wichtigstes sichtbares Zeichen der Existenz des

Slowenentums.“190

187 Vgl. Schober: Grenzregime. 2004, S. 65. 188 Vgl. ebda., S. 64. 189 Vgl. Bruckmüller, Ernst: Nationale Stereotypen unter Nachbarn. In: Europaeische Rundschau. Vierteljahreszeitschrift für Politik Wirtschaft und Zeitgeschichte. 29. Jg. 1/2001, S. 43. 190 Pammer, Martin: Das Österreich-Bild in Slowenien. In: Europaeische Rundschau. Vierteljahreszeitschrift für Politik Wirtschaft und Zeitgeschichte. 29. Jg. 1/2001, S. 55.

46

Die Bedeutung der Sprache für das österreichische Nationalbewusstsein ist weniger deutlich.

In grenznahen Gebieten ist Sprache jedoch nach wie vor wichtig für das Nationsverständnis

der ÖsterreicherInnen.191

5.2 Grenze – Peripherie

Zu beiden Seiten der Grenze muss diese Region als peripher gelegenes sich in einer

wirtschaftlichen Randlage befindliches Gebiet betrachtet werden. Sowohl die süd-westliche

Steiermark, als auch Nordslowenien sind eher agrarisch geprägte Regionen. Mit der

Grenzziehung 1920 und der Kappung alter Wirtschafts- und Verkehrswege, die sich

vorwiegend Richtung Drautal orientiert hatten, wurde diese wirtschaftlich schwache Region

zusätzlich ins Abseits gedrängt.

„Leicht freilich hat es weder die Industrie, noch das Gewerbe in diesen Gebieten.

Die Schwierigkeiten des wirtschaftlichen Lebens erhöhen sich noch in der Nähe

der Grenze, aus dem ganz einfachen Grund, weil die Möglichkeiten und die

Beziehungen nicht wie sonst nach allen Seiten hin wirksam werden können,

sondern nach der einen Seite hin abgeschnitten sind, weil die Grenzen in unseren

Tagen leider wieder oder immer noch schwer überwindbare Hindernisse für den

friedlichen Verkehr und den Austausch von Produkten sind, besonders wenn sie

Länder von grundsätzlich verschiedenen Wirtschaftsordnungen und Auffassungen

trennen. So wird das Leben, das sonst ein Land erfüllt, in der Nähe der Grenze

immer stockender und bedarf stärkerer Antriebe als sonst, Antriebe aus dem

betreffenden Gebiet selbst und Antriebe von außen her.“ 192

Grenzräume sind peripher gelegene Zonen, die oft auch wirtschaftlich eine Randlage

einnehmen. Zusätzlich zu dieser peripheren Lage kommt es durch die Wirkung der Grenze

auch noch zu einer Einschränkung an nutzbarem Raum, wodurch die Attraktivität des

Grenzraumes zusätzlich noch minimiert wird. Als Folge dieser Bedingungen sind

menschenentleerte Grenzräume nichts Außergewöhnliches.193 Die nach dem Zweiten

191 Vgl. Schober: Grenzregime. 2004, S. 64. 192 Kräfte und Nöte des Grenzlandes. In: Weststeirische Rundschau. Festbeilage der „Weststeirischen Rundschau“, Nr. 31/1954, S. 5. 193 Vgl. Schober: Grenzregime. 2004, S. 54.

47

Weltkrieg einsetzende Landflucht spiegelt diese Situation deutlich wider. So verließ allein in

den Jahren von 1951 bis 1961 15 % der Bevölkerung die Grenzregion.

„Die Gemeinde Stammeregg zählte [...] über 900 Einwohner. Heute sind es nicht

einmal 800 mehr. [...] es sind allzu viele Leute aus der Gemeinde ausgewandert.

Stammeregg liegt nämlich im südsteirischen Grenzgebiet, am Nordhang des

immerhin 1049 Meter hohen Kapunerkogels, der höchsten Erhebung des östlichen

Remschnigg-Rückens. Das sind schon zwei Momente, die die Abwanderung

begünstigen: Grenze und Höhenlage.“194

Die schlechte wirtschaftliche Lage und Infrastruktur förderten die Abwanderung der

Grenzbevölkerung. Das Leben in dieser Grenzregion wird in der Südost-Tagespost vom 9.

Juni 1958 wie folgt beschrieben:

„Aber sonst sind die Leute, die letzten auf der Höhe, voll und ganz in Ordnung.

Sie kämpfen einen schweren Kampf ums Dasein, der aber – auf weite Sicht

gesehen – ohne ausgiebige Hilfe – ausgiebigere als man sie bis jetzt gewähren

konnte – vergeblich sein müßte.“195

Aufgrund dieses gravierenden Bevölkerungsrückganges wurde von Seiten der steirischen

Politik versucht, dem mit Grenzland fördernden Maßnahmen und Beziehungsaufbau über die

Staatgrenze hinweg entgegenzuwirken und so diese Grenzregion zu stabilisieren.

„So reich an Naturschönheiten. Aber so arm an Geld. Hätten wir nicht einen

Landeshauptmann, der die Förderung des Grenzlandes auf seine Fahne

geschrieben hat, dann wäre es ja noch viel schlechter, dann würde man ehrlich

verzweifeln können.“196

Infrastrukturelle Maßnahmen wurden in die Wege geleitet um die Region anzubinden. So

wurde die Verbindung über die Soboth nach Kärnten ausgebaut, Straßen verbessert und das

öffentliche Verkehrsnetz verdichtet.

194 Wo Höfe sterben und Kirchen verfallen. Südost-Tagespost vom 9. Juni 1958, S. 8. 195 Ebda. 196 Ebda.

48

„[…] Maßnahmen zu einer besseren Durchblutung der Grenzgebiete, das heißt,

alle jene, die den Verkehr erleichtern und beschleunigen. […] Die Verdichtung

der Autobuslinien, die Verbesserung so manchen Straßenstückes haben das ihre

zu weiterer Belebung beigetragen. Nunmehr wird ein durchgehender Straßenzug

nach Kärnten diese Grenzlandschaft zu einem Glied in einer größeren Kette

machen, wird ein belebender Durchzugsverkehr eröffnen und wird den

Bewohnern das Gefühl der Vereinsamung nehmen, das sie oft genug

beschleicht.“197

Mit der Lockerung der Grenze, war auch eine Änderung des Umgangs der Bevölkerung mit

der Grenze möglich. Die Raumnutzung der Grenzzonen konnte sich verändern.

„Mit dem Begriff Grenzland war lange Zeit ein mitleidiger Unterton verbunden.

Doch die Gebiete in Richtung Slowenien und Ungarn haben seit dem Ende des

Eisernen Vorhangs und seit Österreichs Beitritt zur EU eine rasante

Erfolgsgeschichte vorexerziert.“198

Hinsichtlich Qualität und Intensität der aufkommenden grenzüberschreitenden Aktivitäten ist

seit den 1960er Jahren ein starker Anstieg zu verzeichnen. Dies ist auf das Näherrücken der

beiden Staaten, auf den späteren Beitritt Sloweniens zur Europäischen Union und seiner

Entwicklung hin zu einer gemeinsam agierenden Region zurückzuführen.

Die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg sprach nicht für eine baldige Normalisierung und

die damit verbundene Kontaktaufnahme über die Grenze hinweg. Die Bevölkerung auf beiden

Seiten war durch die Kriegsereignisse traumatisiert worden, der neue Staat Jugoslawien

riegelte die Grenze vollkommen ab. Auch gab es Uneinigkeiten bezüglich des gegebenen

Grenzverlaufes, da Jugoslawien Besitzansprüche geltend zu machen versuchte. Das

kommunistische Jugoslawien orientierte sich an seinem großen Bruder Russland und erst der

Bruch mit Stalin brachte eine Hinwendung Richtung Westen und ermöglichte eine Öffnung.

Im Zuge dessen wurde auch ein erstes Abkommen zwischen Österreich und Jugoslawien

197 Kräfte und Nöte des Grenzlandes. In: Weststeirische Rundschau. Festbeilage der „Weststeirischen Rundschau“, Nr. 31/1954, S. 5. 198 Kübeck, Johannes: Grenzland längst als Gewinner der Erweiterung. In: Kleine Zeitung vom 30. April 2004, S. 14.

49

geschlossen (Gleichenberger Abkommen 1953). Erste grenzüberschreitende Kontakte wurden

in den Bereichen Kultur und Kirche möglich.

6 Religion und Kirche in Slowenien

Es verwundert nicht, dass erste Schritte der Kontaktaufnahme im christlichen Rahmen gesetzt

wurden, da der Glaube an Gott und die über die Jahrhunderte entwickelte Rituale, Zeremonien

und Feiertage ein verbindendes Element darstellen.

Bei vielen der neu entstandenen, grenzüberschreitenden gemeinsamen Veranstaltungen waren

und sind auch heute noch religiöse Handlungen und Zeremonien zentraler Bestandteil. Der

christliche Glaube scheint auf slowenischer wie auch auf österreichischer Seite in dieser

Region tief verwurzelt und ein Anker bzw. ein gemeinsamer Anknüpfungspunkt zu sein.

Für das slowenische Volk ist die katholische Kirche, trotz voranschreitender Säkularisierung,

ein zentraler Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Juhant zieht Parallelen zwischen der

katholischen Kirche und der Ausbildung eines nationalen Bewusstseins. Aufgrund der

Fremdherrschaft über das slowenische Volk entwickelte sich eine enge Bindung zur

katholischen Kirche, wodurch auch eine Bindung an eine Autorität einherging. Juhant spricht

von einem199 „[…] Kristallisationspunkt zur Bildung eines nationalen Bewusstsein.“200

Die Kirche wäre, aufgrund des Fehlens eines eigenen slowenischen Staates, über Jahrhunderte

zugleich Mutter und Autorität gewesen und hätte sich so zu einer gesellschaftspolitischen

Stütze für das slowenische Volk entwickelt.201 „Sie war zugleich eine feste Burg gegenüber

der Herrschaft fremder Völker wie Türken, Deutsche, Italiener und Ungarn.“202

Diese Tatsache erschwerte die neuzeitliche Emanzipation im Vergleich zu anderen

Nationen.203

„So haben etwa die slowenischen Liberalen an der Wende zum 20. Jh. bei den

Wahlen immer wieder betont, dass sie mit der Kirche zu paktieren haben, weil die

199 Vgl. Juhant, Janez: Im Feuer der europäischen Ideenzüge. Slowenien: 2008, S. 13. 200 Ebda. 201 Vgl. ebda., S. 36. 202 Ebda., S. 13. 203 Vgl. ebda.

50

überwiegende Mehrheit des Volkes Katholiken seien und die Kirche die

bedeutende nationale Kraft sei. Aus diesem Antagonismus heraus entfachte sich

ein Kulturkampf, der Slowenien noch heute beherrscht, weil sich der Prozess der

Emanzipation wegen der kommunistischen Revolution verzögert hat.“204

Nach dem Zweiten Weltkrieg musste sich die katholische Kirche an die von der

kommunistischen Diktatur vorgegebenen Rahmenbedingungen halten. Das Erlernen einer Art

Selbstbegrenzung, der Begrenzung des theologischen Gedankens, war die Folge.205 „Das

Theologisieren wurde auf das Überleben der Kirche reduziert und auf den „Raum der

Sakristei“ beschränkt.“206

Die während dem königlichen Jugoslawien offiziell anerkannte religionspolitische

Heterogenität und die Möglichkeit Religionen frei auszuüben, wurde nach der „sozialistischen

Revolution“ von einem staatlich verfügten Atheismus abgelöst.207

„[…] die jugoslawischen Kommunisten […] zeigten sich zwar bereit, den

multinationalen Charakter Jugoslawiens anzuerkennen – aber nur mit der

Maßgabe, dass es sich bei diesem Anerkennungsakt um die Akzeptierung eines

eigentlich bürgerlichen Relikts handelt, das mit der erfolgreichen sozialistischen

Revolution definitiv zu Grabe getragen würde. Vollends aber war die

religionspolitische Heterogenität ein Überbleibsel, auf das politisch auf keinen

Fall Rücksicht genommen werden durfte.“208

In der ersten Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, also bis 1955, musste man mit Repressalien

rechnen, wenn man sich zu sehr für die Kirche bzw. für Priester einsetzte.209 Unter dem

Vorwand, dass die Repräsentanten mit dem Feind zusammengearbeitet hätten, kam es bis

1946 zur Ermordung bzw. Hinrichtung von ca. 13 Prozent der Geistlichen, ungefähr 50

204 Juhant: Europäische Ideenzüge. 2008, S. 37. 205 Vgl. ebda., S. 36. 206 Ebda., S. 35. 207 Vgl. Haberl, Othmar Nikola: Symbiose aus Religion und Nation. Religion, Nation und Politik im ehemaligen Jugoslawien. In: Essener Unikate. Berichte aus Forschung und Lehre. Hrsg. Universität Essen. Essen: Rektorat der Univ. Duisburg-Essen 21/2003, S. 46. 208 Ebda. 209 Vgl. Juhant: Europäische Ideenzüge. 2008, S. 28.

51

Prozent waren inhaftiert. Im Sommer 1945 wurden große Schauprozesse gegen Priester

verschiedener Glaubensgemeinschaften abgehalten.210

123 Priester wurden getötet, ca. 200 Priester und der Bischof von Ljubljana Gregorij Rožman

verließen, so wie viele andere Slowenen, Jugoslawien.211 Kircheneigentum wurde

verstaatlicht, alle kirchlichen Schulen wurden geschlossen212 und der Religionsunterricht in

staatlichen Schulen wurde unterbunden.213

Das sozialistische System schränkte nicht nur einzelne Menschen ein, sondern brachte viele

Einschränkungen für Religionsgemeinschaften.214

„Die Katholiken haben sich dem neuen System nach außen hin beugen müssen,

um überleben zu können. Sich-Beugen hatte verschiedene Formen. Diejenigen,

die dem Glauben und der Kirche die Treue hielten, mussten mit entsprechendem

Druck rechnen, sie konnten keine öffentlichen Posten bekleiden.“215

Dadurch kam es zu einer Intensivierung des rein religiösen Lebens und einer Abkehr aus dem

öffentlichen Raum. Ziel der kommunistischen Regierung war die Entwicklung hin zu einer

religionslosen Gesellschaft.216 „Die gesellschaftliche Marginalisierung der Religion und der

Kirche hatte den „Tod der Religion“ zum Ziel.“217

Gleich nach Kriegende wurde mit der Umsetzung dieses Zieles begonnen. Der Grundsatz der

Trennung von Kirche und Staat wurde eingeführt, „was gleichbedeutend war mit der

Beschlagnahme von Matrikeln und damit der grundlegenden Dokumentation der Kirche.“218

Priester und kirchliche Organisationen mussten eine Bewilligung für ihre Tätigkeiten

nachweisen, die sie jedoch Großteils nicht bekamen. Ordensschwestern durften im staatlichen

Dienst keine Ordenstracht tragen. Die Kirchenpresse bekam Privatstatus und wurde meist

210 Vgl. Matković, Drago: Die Lage der katholischen Kirche in Jugoslawien. In: Der Donauraum. Zeitschrift des Forschungsinstitutes für den Donauraum. Hrsg. Forschungsinstitut für Donauraum. Wien: Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger GmbH 1970, S. 152. 211 Vgl. Toš/Potočnik: Kirche in Slowenien. 1999, S. 244. 212 Eine Ausnahme stellte die theologische Fakultät für die Priesterausbildung dar. Es kam jedoch zu einer Ausgliederung aus der Universität. Vgl. ebda., S. 245. 213 Vgl. Ebda. 214 Vgl. ebda., S. 244. 215 Juhant: Europäische Ideenzüge. 2008, S. 28. 216 Vgl. ebda. 217 Toš/Potočnik: Kirche in Slowenien. 1999, S. 245. 218 Ebda.

52

eingestellt. Weiters kamen viele steuerliche Verpflichtungen hinzu und im Zuge der

Agrarreform verlor die Kirche einen großen Teil ihres Eigentums.219

Mit der Verabschiedung des Reprivatisierungs- und des Entstaatlichungsgesetzes 1991,

dessen größte Nutznießerin aufgrund der großen Waldbesitzungen die katholische Kirche war,

wurde dieses Eigentum wieder rückerstattet.220

Die Bischöfe reagierten nach dem Zweiten Weltkrieg in einem Hirtenbrief kritisch auf die

Vorgehensweise der Regierung. Diese Kritik wurde als Angriff auf die kommunistische Partei

gewertet und kann als Anlass für die Kirchen- und Priesterverfolgungen gewertet werden.221

Der 1952 durchgeführte Brandanschlag auf den Laibacher Anton Vovk markiert den

Höhepunkt der Priesterverfolgung und im gleichen Jahr kam es zum Abbruch der

diplomatischen Beziehung zwischen dem Vatikan und Jugoslawien.222

Eine gänzliche Isolation der katholischen Kirche vom Ausland und eine Randexistenz in

Jugoslawien war die Folge. Über Religion bzw. Kirche wurde in der Gesellschaft nicht

gesprochen.223

„Das Weihnachtsfest wurde bis in die achtziger Jahre Neujahrsfest genannt, und

von Ostern sprach man als von Frühlingsfeiertagen. Die Menschen fürchteten

sich, daß man in der Öffentlichkeit erfahren könnte, daß sie kirchlich geheiratet

haben, ihre Kinder taufen haben lassen oder daß sie zur Kirche gehen.“224

Juhant konstatiert, dass sich eine Doppelfrömmigkeit unter den Katholiken bildete, da das

System diese gezwungen habe zwei Gesichter zu entwickeln:

„Ein Gesicht war nach außen gerichtet, also das, was man sehen konnte, das

andere war ein „inneres“, also in Familien oder im engeren Freundeskreis

gezeigtes Gesicht. Ein solches Gesicht begleitet ihre Träger nach wie vor und

prägt psychologisches Menschenbild mancher Slowenen.“ 225

219 Vgl. Toš/Potočnik: Kirche in Slowenien. 1999, S. 245. 220 Vgl. Lukšič: System Sloweniens. 2004, S. 638. 221 Vgl. Toš/Potočnik: Kirche in Slowenien. 1999, S. 245. 222 Vgl. ebda. 223 Vgl. ebda. 224 Ebda. 225 Juhant: Europäische Ideenzüge. 2008, S. 29.

53

Nach dem Kominformkonflikt wurde die Haltung Belgrads gegenüber der Kirche

versöhnlicher. Am 8. Jänner 1953 kam es zu einer Unterredung zwischen Tito und sieben

Vertretern der katholischen Kirche, die jedoch ergebnislos verlief.226

Das Jahr 1953 kann als Beginn einer Koexistenz zwischen Kirche und Staat gesehen werden.

Die rechtliche Stellung von Religionsgemeinschaften fand in einem Gesetz Eingang, wodurch

es zur Anerkennung der Religionsgemeinschaften als Rechtssubjekt kam. Weiters wurden

einige inhaftierte Priester begnadigt und auch andere Aktivitäten, wie die Herausgabe von

zwei Zeitungen, die Publikation einer neuen Bibelübersetzung, der „Ad limina“-Besuch in

Rom oder Religionsunterricht in Kirchen bzw. Pfarrhäusern, gestattet.227

Matkovic sieht erst unter Dr. Franjo Šeper, Nachfolger des am 10. Februar 1960 verstorbenen

Kardinals Stepinac Erzbischof von Agram, den Beginn einer langsamen Entspannung des

Verhältnisses zwischen Staat und katholischer Kirche.228

In den 1960er Jahren wandelte sich bzw. milderte und verfeinerte sich der Kampf der

Kommunisten gegen die Kirche. Zentral war hierbei das nach zweijährigen Verhandlungen

am 25. Juni 1966 abgeschlossene Protokoll zwischen Jugoslawien und dem Heiligen Stuhl,229

in dem sich die jugoslawische Regierung verpflichtete, die in der Verfassung festgesetzten

Grundsätze der Gewissens- und Glaubensfreiheit umzusetzen. Von Seiten des Vatikans wurde

zugesichert, auf die Geistlichkeit einzuwirken, sodass diese sich allen politischen Aktivitäten

enthalte.230

Kardinal Šeper verweigerte seine Zustimmung, da er „mehr Garantien für die katholische

Kirche in Jugoslawien haben wollte.“231

Matkovic macht in seinem Artikel für „Der Donauraum“ 1970 darauf aufmerksam, dass

Belgrad in den vorangegangenen Jahren Beweise seiner Bestrebungen,

„ […] der katholischen Kirche einige Erleichterungen im Rahmen der Verfassung

und des “Grundgesetzes über die Rechtsstellung der Glaubensgemeinschaften“

von 1965 zu verschaffen, […]“232

226 Vgl. Matković: Katholische Kirche. 1970, S. 153. 227 Vgl. Toš/Potočnik: Kirche in Slowenien. 1999, S. 245f. 228 Vgl. Matković: Katholische Kirche. 1970, S. 153. 229 Vgl. Juhant: Europäische Ideenzüge. 2008, S. 29. 230 Vgl. Matković: Katholische Kirche. 1970, S. 153. 231 Ebda. 232 Ebda., S. 154.

54

gegeben habe.

„Die Kirche verfügt heute schon über eine Bewegungsfreiheit, wie sie von keinem

anderen kommunistischen Staat außer Polen gewährt wird. Das bedeutet jedoch

noch lange nicht den ersten Schritt zur Religionsfreiheit im westlichen Sinne.

Auch in jüngster Zeit kam es vor, daß Katholiken wegen ihres Glaubens verfolgt

wurden. […] Die Beziehung des Staates zur katholischen Kirche in Jugoslawien

kann man besser mit dem Wort „Toleranz“ als mit „Religionsfreiheit“

bezeichnen.“233

1970 wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen dem Vatikan und Jugoslawien wieder

aufgenommen, wodurch sich der Kirchenpresse neue Möglichkeiten eröffneten und der

achtzehn Jahre zuvor verbotene Religionsunterricht in den Schulen allmählich in den

Pfarrgemeinden durchgeführt werden konnte. Ende der sechziger Jahre konnte sich auch

religiöse Erwachsenenbildung, wie zum Beispiel Ehevorbereitungskurse, etablieren.234

Der verbesserten Beziehungen zwischen Staat und Kirche spiegelten sich in der Gesetzgebung

sowie in kirchenrechtlichen Regelungen wider. 1965 kam es zu einer Modifikation des

Gesetzes über die rechtliche Stellung von Religionsgemeinschaften und 1976 wurde ein neues

Gesetz verabschiedet. Kirchenrechtlich wurden Veränderungen in der Diözesaneinteilung235

durchgeführt und 1968 die slowenische Kirchenprovinz Metropolie, mit Sitz in Ljubljana,

geschaffen. 236

Nach Toš/Potočnik stellte die Ernennung Dr. Alojzij Šuštars zum Metropoliten und

Erzbischofs von Ljubljana 1980 einen weiteren Schritt in der Zusammenarbeit zwischen

katholischer Kirche und der slowenischen sozialistischen Selbstverwaltungsobrigkeit dar. So

ermöglichte er, dass Mitte der achtziger Jahre Weihnachten, das 1952 als allgemeiner Feiertag

abgeschaffen worden war, wieder gefeiert werden durfte.237

1986/87 wurde von Dr. Alojzij Šuštar und vom Vorsitzenden der „Sozialistischen Allianz“,

Jože Smole zum ersten Mal eine Weihnachtsbotschaft im slowenischen Rundfunk

übermittelt.238

233 Matković: Katholische Kirche. 1970, S. 154. 234 Vgl. Toš/Potočnik: Kirche in Slowenien. 1999, S. 247. 235 Die Teile der Diözesen von Görz, Triest-Capodistria und Rijeka, die nach dem Zweiten Weltkrieg an Jugoslawien gefallen waren und bis 1964 eigenen Administratoren unterstellt waren, wurden zu einer eigenen Administratur für das slowenische Küstengebiet zusammengefasst. Vgl. ebda., S. 247. 236 Vgl. ebda. 237 Vgl. ebda. 238 Vgl. Kohl, Christine von: Jugoslawien. München: Beck 1990, S. 25. (=Aktuelle Länderkunde, 832)

55

„Weit früher als andere Kommunisten haben führende Parteifunktionäre

Kroatiens und Sloweniens einen Kompromiß mit der katholischen Kirche gesucht.

Die Kommunisten Kroatiens und Sloweniens hatten eingesehen, daß es angesichts

einer überwiegend katholischen Bevölkerung ratsam ist, mit der Kirche in

Frieden zu leben.“239

Mit der Etablierung des selbstständigen Staates Slowenien wurden neue bzw. veränderte

Aktivitätsmöglichkeiten, vor allem im Bereich der Wohltätigkeit, der Bildung und der Kultur,

für die Kirche eröffnet. Neue kirchliche Organisationen und Vereinigungen, die Caritas und

vier kirchliche höhere Schulen wurden in Slowenien gegründet.

Trotz der Verabschiedung eines Wiedergutmachungs- und Reprivatisierungsgesetzes konnte

die Kirche einen Großteil ihres vormals besessenen Vermögens noch nicht wiedererlangen.240

Nach der Volkszählung von 1991 gaben 71,4% der Bevölkerung an, Katholiken zu sein,

wogegen im Vergleich dazu, kirchliche Statistiken von 82,7 % in der katholischen Kirche

getauften, also formellen Katholiken, sprechen.

Slowenien ist in drei Diözesen Ljubljana, Maribor und Koper sowie insgesamt 797 Pfarren

aufgeteilt.

Auffällig für Slowenien ist eine hohe Anzahl an Kirchenbauten (ca. 2850), von denen

ungefähr 400 der Mutter Gottes geweiht sind. Neben diesen Kirchengebäuden gibt es noch

Tausende unterschiedlicher Kapellen, Bildstöcke, Kreuze, Pestsäulen etc.

Prägnant ist auch die Tatsache, dass über 200 der slowenischen Kirchen Wallfahrtsheiligtümer

sind, was auf einen starken Pilgercharakter des Christentums in Slowenien hinweist.

Während der Revolution wurden ca. 200 Kirchen zerstört bzw. schwer beschädigt und die

Hälfte davon ist nicht mehr in Stand gesetzt worden.241

Die materielle Grundlage der Kirche Ende der 1960er Anfang der 1970er Jahre wird von

Matkovic als sehr schwach bezeichnet. Nur die Theologische Fakultät in Laibach und die

Theologische Hochschule der Franziskaner in Sarajevo erhielten staatliche Subventionen.

Weitere staatliche Unterstützung beschränkte sich auf Zuschüsse zur Restaurierung

kunsthistorisch bedeutender Objekte und auf Pensions- und

Sozialversicherungsfondseinzahlungen der vom Staat geförderten „Priesterorganisationen“.242

239 Matković: Katholische Kirche. 1970, S. 153. 240 Vgl. Toš/Potočnik: Kirche in Slowenien. 1999, S. 247f. 241 Vgl. ebda., S. 248f. 242 Vgl. Matković: Katholische Kirche. 1970, S. 154.

56

So scheint es verwunderlich, dass während der kommunistischen Regierungszeit ungefähr 30

neue Pfarrkirchen errichtet worden sind. Dies konnte mit Hilfe von finanziellen

Unterstützungen aus Westeuropa, aber vor allem durch Spenden von Gläubigen selbst,

bewerkstelligt werden.243

7 Religion und Kirche in der Steiermark

Seit 1945 wandelte sich der Katholizismus in der Steiermark zunehmend. In den späten

1940er und 50er Jahren kann laut Opis von einer „weitgehenden Restauration und letzten

Blüte des Milieukatholizismus“244 gesprochen werden. Allgemein anerkannte kirchliche

Wertmaßstäbe und traditionelles Brauchtum waren wichtiger Bestandteil des Alltagslebens

der Katholiken in der Nachkriegszeit. Mit der gesellschaftlichen Modernisierung und dem II.

Vatikanum kam es zu einem Wandel.245 „Bindungen an Organisationen, Traditionen und

gemeinsame Werte lockerten sich und wurden durch eine abgestufte Intensität der Teilnahme

abgelöst.“246 Gleichzeitig begann ein Prozess der zunehmenden Individualisierung und

Privatisierung des Religiösen.247

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Religionsunterricht wieder eingeführt.248 Das vom

NS-Regime eingeführte Kirchenbeitragssystem wurde aufrechterhalten und das Vereinswesen

wurde neu strukturiert und mündete in der Katholischen Aktion.249

Obwohl die Kirche während des Zweiten Weltkrieges aus der Politik und Öffentlichkeit

verbannt und in die Sakristei zurückgedrängt worden war und es erhebliche Zerstörungen an

kirchlichen Bauten gab, war die kirchliche Organisationsstruktur aufrecht geblieben.250

243 Vgl. Toš/Potočnik: Kirche in Slowenien. 1999, S. 249. 244 Opis, Matthias: Steirischer Katholizismus in moderner Gesellschaft. Tradition, Erosion, Transformation. In: Steiermark. Die Überwindung der Peripherie. Hrsg. Alfred Ableitinger/Dieter A. Binder. Wien: Böhlau Verlag 2002, S. 467. 245 Vgl. ebda. 246 Ebda. 247 Vgl. ebda. 248 Vgl. Liebmann, Maximilian: Leben und Wirken der katholischen Kirche und ihrer Bischöfe bis zur Gegenwart. In: Steiermark. Die Überwindung der Peripherie. Hrsg. Alfred Ableitinger/Dieter A. Binder. Wien: Böhlau Verlag 2002, S. 354. 249 Vgl. Opis: Steirischer Katholizismus. 2002, S. 414. 250 Vgl. ebda.

57

„Während die Kirche in der NS-Ära aus dem öffentlichen Leben verbannt und

vom politischen Geschehen ausgeschlossen war, konnte sie im rein kirchlich-

religiösen Bereich ohne äußere Einmischungen planen und sich

umorientieren.“251

Mit dem Kriegsende konnte das religiöse Leben wieder im Öffentlichen stattfinden.

Wallfahrten, Prozessionen und Feiertage konnten wieder außerhalb der Kirchengründe

begangen werden. 252

„Bei Kriegsende herrschte in Klerus und Kirchenvolk zunächst großer

Orientierungsbedarf.“253 Der zukünftige Kurs der Kirche in Staat und Gesellschaft war

fraglich, doch erste Anweisungen diesbezüglich wurden vom Seckauer Fürstbischof

Ferdinand Pawlikowski am 9. Mai 1945 an den Diözesanklerus gegeben. Darin wurde

ausdrücklich die aktive Mitarbeit in der Politik untersagt und die Stellung der katholischen

Kirche im Bereich der Seelsorge und Caritas unterstrichen. In den Folgejahren kam es zu

einer Distanzierung der Kirche gegenüber der Parteipolitik. Auch eine Restauration im Sinne

des politischen Katholizismus, wie er während der Ersten Republik geprägt wurde, konnte

somit nicht vollzogen werden.254

Der Grundgedanke dieser politischen Abkehr lag in der Idee, die Kirche Andersdenkenden

nicht durch politische Äußerungen zu versperren. Außerdem war im Bereich der Caritas und

der Seelsorge Handlungsbedarf notwendig.255

Auch dem vor dem Zweiten Weltkrieg blühendem Vereinswesen wurde eine Absage erteilt

und das Hauptaugenmerk wurde auf den Neuaufbau der Katholischen Aktion gelegt.256

Das vereinsnegierende Pastoralkonzept wurde jedoch vielfach skeptisch betrachtet, da man

sich um die „[…] gesellschaftspolitische Ineffizienz von Kirche und Katholizismus, wenn es

keine katholischen Vereine mehr gäbe, die das weite Feld des ideologisch-gesellschaftlichen

Wirkens bestritten[…]“257, sorgte. „Den katholischen Vereinen wird nachgetrauert, weil sie

eine Art Barriere und Schutzschild gegen kirchenfeindliche Ideologien und Organisationen

waren.“258

251 Liebmann: Kirche und Bischöfe. 2002, S. 355. 252 Vgl. ebda. 253 Vgl. Opis: Steirischer Katholizismus. 2002, S. 415. 254 Vgl. ebda. 255 Vgl. ebda. 256 Vgl. ebda., S. 421. 257 Liebmann: Kirche und Bischöfe. 2002, S. 362. 258 Ebda.

58

Vor allem in der Jugendseelsorge wurde der Erfolg dieses vereinsnegierenden Konzeptes sehr

schnell sichtbar.259

„Hier spülte eine Woge jugendlicher Begeisterung alle Bedenken fort. Eine

politisch enttäuschte, in der Illegalität der NS-Zeit selbstbewußt gewordene und

gegenüber Ideologien skeptische Jugend fand in der Kirche nicht nur geistige

Orientierungen, sondern auch eine gemeinschaftliche Lebensform, die keinem

strengen organisatorischen Reglement unterworfen war.“ 260

Die Katholische Jugend hatte großen Zulauf. In einem Bericht Fürstbischofs Pawlikowski,

spricht er von über 40.000 Jugendlichen, die aktiv an kirchlichen wie auch außerkirchlichen

Veranstaltungen teilnahmen.261

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es auch zu einer Aufwertung des Laienkatholiken.262

„Die Verchristlichung unterschiedlicher gesellschaftlicher bzw. beruflicher

Bereiche oder Milieus, sollte durch das überzeugende Beispiel, durch die

persönliche Aktivität vieler einzelner erreicht werden.“263

Mit dem II. Vatikanischen Konzil kam es zu einer Demokratisierung kirchlicher Strukturen.

Schon währenddessen richtete der Graz-Seckauer Bischof Josef Schoiswohl 264den ersten frei

gewählten Priesterrat ein.265

In den 1960er Jahre wurde mit der Bildung von Pfarrgemeinderäten begonnen und bis 1973

gab es in der Steiermark 190 Pfarren, wo ein gewählter Pfarrgemeinderat aktiv war. Eine

weitere Erneuerung war die Installation der Pastoralen Diözesanräte in den 1970er Jahren.

Diese in der Steiermark als Diözesanrat bezeichnete Funktion ist für die Errichtung von

259 Vgl. Opis: Steirischer Katholizismus. 2002, S. 422. 260 Ebda. 261 Vgl. ebda., S. 423. 262 Vgl. ebda., S. 424. 263 Ebda. 264 Josef Schoiswohl lebte von 1901 – 1991 und wurde 1924 zum Priester geweiht. Von 1954 – 1968 war er Bischof von Graz-Seckau. Vgl. Liebmann: Kirche und Bischöfe. 2002, S. 370. 265 Vgl. ebda.

59

Pfarreien, Kirchenbauten, Dienstrecht und Besoldung kirchlicher Angestellter.266 1973

wurden in der Steiermark die vorhandenen 39 Dekanate auf 23 (heute 26) reduziert.267

Mit dem Anschluss Österreichs an Deutschland 1938 traten viele aus der katholischen Kirche

aus. Die Statistiken sprechen von ca. 90.000 Kirchenaustritten für das Bistum Seckau. Als

Wendepunkt kann auch hier die Schlacht von Stalingrad gesehen werden, da die Niederlage

Hitler-Deutschlands eine Kircheneintrittswelle auslöste, die bis 1945 50.000 erreichte.268 Im

Zuge des Kriegsendes setzte sich die Wiedereintrittswelle fort.269 Die Zahl der Katholiken in

der Steiermark steigerte sich von knapp 890.000 im Jahr 1945 auf ca. 1.140.000 im Jahr 1980.

Danach ist die Katholikenzahl rückläufig und erreichte 1999 einen Stand von unter 950.000

Gläubigen.270

Auch die Zahl der Diözesanpriester ist rückläufig. Für den Zeitraum von 1945 bis 1999 sank

die Zahl von 804 auf 365 Priester.271 Bereits seit der Nachkriegszeit kann für die Süd-

weststeirische Region ein Priestermangel festgestellt werden, so werden zum Beispiel St.

Oswald ob Freiland seit 1945, Glashütten seit 1951, etc. mitbetreut. Der Priestermangel

spiegelte sich auch bei den Kaplanstellen wider. Waren in der Pfarre Groß St. Florian im 19.

Jahrhundert noch vier Kapläne, schrumpfte diese Zahl bis 1971 auf 2 und später auf einen

Kaplan. Seit 1992 ist in der Pfarre kein Kaplan mehr vorhanden. Für den Bezirk

Deutschlandsberg kann festgehalten werden, dass alle Pfarren, die vor dem Zweiten Weltkrieg

noch über einen Kaplan verfügen konnten, seit spätesten der 1970er Jahre keine Kaplan mehr

hatten.272

Der Priestermangel führte dazu, dass von den 29 Pfarren des Dekanates Deutschlandsberg 15

Pfarren von einer anderen Pfarre mitbetreut werden.273

Laut Umfragen aus den Jahren 1970 und 1980 halten sich die Österreicher selbst mehrheitlich

für eher religiös. Zulehner führt dies auf die sozio-kulturellen Selbstverständlichkeiten

zurück. Bezüglich der Religiosität kann für Österreich ein West-Ost-Gefälle (mit Ausnahme

Burgenlands) und ein Nord-Süd-Gefälle festgestellt werden. Außerdem ist die Religiosität in

einzelnen sozialen Kategorien unterschiedlich ausgeprägt. So finden sich bei älteren Frauen

266 Vgl. Liebmann: Kirche und Bischöfe. 2002, S. 371f. 267 Vgl. ebda., S. 372. 268 Vgl. ebda., S. 345. 269 Vgl. Opis: Steirischer Katholizismus. 2002, S. 414. 270 Vgl. Liebmann: Kirche und Bischöfe. 2002, S. 399. 271 Vgl. ebda. 272 Vgl. Fischer, Gerhard: Pfarrliche und kirchliche Entwicklung. In: Geschichte und Topographie des Bezirkes Deutschlandsberg. Hrsg. Helmut-Theobald Müller. Graz: Steiermärkisches Landesarchiv 2005, S. 270. 273 Vgl. ebda.

60

mit niedriger Schulbildung, in kleineren Orten oder unter ÖVP-Anhängern stärkere

Ausprägungen von Religiosität.274

Hinsichtlich der Kirchlichkeit hält Zulehner fest, dass es zu einer Umstrukturierung dieser

gekommen sei. Die religiöse Praxis sei stabil geblieben, die Kirchenorientierung habe

abgenommen und die Kirchenbindung sei lockerer geworden.275

8 St. Pongratzen

8.1 Patrozinium

Die Kirche St. Pongratzen ist dem Hl. Pankratius, einem Märtyrer, der im 3. oder 4.

Jahrhundert in Rom lebte, geweiht. Die Verehrung des Pankratius ist weit verbreitet. Die

Existenz der historischen Person und die Grundzüge seiner Vita sind nicht konkret fassbar.

Nach einer aus dem 6. oder 7. Jahrhundert stammenden Passio wurde Pankratius als Sohn des

vornehmen Ehepaares Kleonios und Kyriada in Phrygien geboren und reiste nach deren Tod

gemeinsam mit seinem Bruder zu dessen Onkel Dionysos nach Rom. Dort lebe er im selben

Viertel, in dem sich Papst Caius vor der Christenverfolgung versteckt hielt und kam so in

Berührung mit dem Christentum und dessen Lehren. Pankratius und sein Onkel hätten sich

von Papst Caius taufen lassen. Im weiteren Text widerspricht sich die Passio aber, da sie

einerseits davon berichtet, dass sich Pankratius und sein Onkel aus tiefgläubiger Begeisterung

zur öffentlichen Glaubensbezeugung entschieden hätten und sich freiwillig den Verfolgern

ausgeliefert hätten, andererseits wird in der Passion auch erzählt, dass Dionysos kurz nach der

Taufe gestorben sei und allein Pankratius im Zuge des allgemeinen Verfolgungsbefehl Kaiser

Diokletian in Gefangenschaft geriet. Pankratius sei aufgrund seiner vornehmen Abstammung

dem Kaiser vorgeführt worden, der ihn mit Versprechungen und Androhung der Todesstrafe

versucht habe, vom Christenglauben abzubringen. Dies jedoch schlug fehl, denn Pankratius,

damals erst um die 15 Jahre alt, blieb seinen Überzeugungen treu. Diokletian ließ ihn in der

274 Vgl. Zulehner, Paul Michael: Religion im Leben der Österreicher. Dokumentation einer Umfrage. Wien: Herder 1981, S. 16f. 275 Vgl. ebda., S. 117.

61

Via Aurelia enthaupten. Sein Leichnam wurde von Octavilla geborgen und am 12. Mai in

einem neuen Grab beerdigt.276

Papst Symmachus (498-514) veranlasste, dass über dem Grab Pankratius‘ am 2. Meilenstein

der Via Aurelia eine Basilika errichtet wurde. Die Verehrung des Heiligen ging durch

Pilgerwesen und Reliquienkult schon früh über Rom hinaus.

Patronate

Der hl. Pankratius gilt als Schützer des wahren Eides und Rächer des Meineides, als Patron

der Kinder und Jugend, als Patron der Ritter und des Adels, der Erstkommunikanten sowie als

Patron der Kranken.

Im Spätmittelalter wird er auch zu den 14 Nothelfern gezählt. Aufgrund des Gedenktages am

12. Mai wird Pankratius auch zu den Eisheiligen gerechnet. Vom 12. Bis 14. Mai sind die

Gedenktage des hl. Pankratius, Servatius und Bonifatius, an denen es für die Landwirtschaft

von Bedeutung ist, ob diese eisfrei sind oder nicht. Aus diesem Grund wird er auch als

Schützer der jungen Saat und der Blüten angerufen.277 Daher wird der hl. Pankratius in der

Südweststeiermark vor allem auch von Weinbauern verehrt.278

Darstellung

Der hl. Pankratius wird wegen seiner weit verbreiteten Bedeutung als Patron des Adels und

der Ritter sehr oft als Ritter bzw. Adelsherr dargestellt. In Bezug auf sein Martyrium in Rom

finden sich auch Darstellungen, die ihn als römischen Soldaten mit Helm, Schwert und

Martyrerpalme zeigen. Er wird auch als römischer Jugendlicher in Tunika und/oder Mantel

mit Schwert und Palme abgebildet. Das Schwert symbolisiert sowohl den Soldaten, als auch

die Art und Weise seines Todes. Spätere Darstellungen zeigen Pankratius auch in vollem

Harnisch, zu Pferd, bärtig oder mit Krone.279

In der Kirche St. Pongratzen (Sv. Pankracij) wird der hl. Pankratius als römischer Jüngling

mit Harnisch und rotem Mantel dargestellt. In der rechten Hand hält er einen Speer.

Martyrerpalme sowie weitere Attribute sind nicht vorhanden. Die linke Hand hat er auf die

Brust in Höhe des Herzens gelegt.

276 Vgl. Drobner, Hubertus R.: Pankratius. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon. Bd. XXIII. Nordhausen: Verlag Traugott Bautz 2004. Online im Internet: URL: www.bautz.de/bbkl/p/pankratius.shtml [Stand: 2010-05-02], Sp. 1039-1058. 277 Vgl. ebda. 278 Vgl. Račnik, Marjan: Znano in neznano o Remšniku. Remšnik: v samozaložbi 2003, S. 53. 279 Vgl. Drobner: Pankratius. 2004, Sp. 1039-1058.

62

8.2 Kirchen- und Baugeschichte

„Klar und deutlich zeichnen sich die Konturen der Bergkirche St. Pongratzen im

Abendschein der Sonne hoch oben am Ausläufer des Radlzuges ab, der sich

allmählich nach Osten zu absenkt. Unzählige Verehrer des heiligen Pankratius

aus dem weiten Umfeld des Saggautales und der Bergbewohner auf slowenischer

Seite versammeln sich oben unmittelbar an der Grenze anlässlich kirchlicher

Festlichkeiten.

Die vielen, vielen Wallfahrer, die an Kirchtagen mit dem Auto von Oberhaag oder

von Eibiswald über Großradl und Sterglegg nach Pongratzen anreisen, finden auf

den engen Wegen und steilen Bergrücken nur schwer einen Abstellplatz, um dann

nach zirka 20 Minuten Fußmarsch über einen steilen, holprigen Waldweg das

Plateau des Kirchplatzes zu erreichen.“280

So beschreibt Konrad Maritschnik in seinem Buch „Land an der Grenze“, die direkt an der

Grenze, auf slowenischem Staatsgebiet, liegende Kirche St. Pongratzen. Diese zur Pfarre St.

Georgen am Remschnik gehörende Filialkirche ist eine der unzähligen Kirchen und Kirchlein,

die entlang des Remschniggzuges bzw. in dessen nahem Hügelland die kleineren und

größeren Gipfel zieren.

Die auf 900 Metern liegende Kirche wurde im Jahr 1490 erbaut und erfuhr mehrere

Erneuerungen. Bereits davor befand sich an derselben Stelle eine Kapelle, die bereits 1377

erstmals urkundlich genannt wird.281 Laut mündlicher Überlieferung, die vor allem auf

österreichischer Seite tradiert wurde, soll zuvor ein römischer Posten sowie ein heidnischer

Tempel an dieser Stelle vorhanden gewesen sein.282

Kramberger konstatiert, dass die erste Nennung St. Pongratzens mit dem Jahr 1498 datiert

wird.283 Über die Gründe zur Errichtung der Kirche sind keine Quellen vorhanden.

280 Maritschnik: Land an der Grenze. 1995, S. 195. 281 Vgl. ebda. 282 Vgl. Račnik: Remšniku. 2003, S. 52. 283 Vgl. Kramberger, Erich: St. Pongratzen – Schicksal einer Grenzkirche. In: Blätter für Heimatkunde. Hrsg. Historischer Verein für Steiermark. 45. Jg. Graz: 1971, S. 164.

63

„Keine Chronik berichtet über die Motive, die die Bergbewohner hier oben auf

über 800 Meter Seehöhe unter schwierigen Bedingungen bewogen haben mögen,

anstelle einer Kapelle eine Kirche zu errichten.“ 284

Betreffend die Zugehörigkeit der Kirche werden unterschiedliche Varianten angeführt. Im

„Ortsnamenbuch der Steiermark im Mittelalter“ erwähnt Zahn die Kirche bei der Herrschaft

Eibiswald, wohingegen Pirchegger St. Pongratzen 1498 zur Vogtei-Herrschaft Schmierenberg

zählte.285

Während der Türkenkriege wurde unterhalb der Kirche eine Kreidfeuerstation errichtet. Die

Stelle war gut dafür geeignet, da von Pongratzen aus eine Sichtverbindung mit fast allen

größeren Orten der Weststeiermark vorhanden war. Die Lokalisierung der Kreidfeuerstelle

konnte aus einer Beschreibung der Gülten der Herrschaft Eibiswald ermittelt werden. Im

Bericht vom 24. August 1612 steht Folgendes geschrieben:286

„[…] vom Schloß Eibiswald in die Höhe, durch des Mörthen Schnabels, eines

nach Schmierenberg gehörigen Untertans Grund, bis auf eine Blöße gegen Sankt

Pangarazen, einer Kirche zu oberst am Traff des Rädlingwaldes erbauet, von

welchem Kirchlein ungefähr bei drei Büchsenschuß gegen das Schloß (Eibiswald)

herwärts, in der letzten Rebellionszeit ein Kreidfeuer, so noch stehet, aufgerichtet

wurde, […].“287

Die Maßangabe „drei Büchsenschuß“ ins heutige Maßsystem umgerechnet, entspricht einen

Abstand von ungefähr 300 Meter. Mithilfe dieser Textstelle konnte die Kreidfeuerstation etwa

in dieser Entfernung unterhalb der Kirche auf der einzig vorhandenen Plattform der Gegend

beim Gasthof Legat, vulgo Wutschning, ermittelt werden.288

Im Jahr 1532 wird die Kirche von den Türken niedergebrannt.289

284 Maritschnik: Land an der Grenze. 1995, S. 195. 285 Vgl. Kramberger: St. Pongratzen. 1971, S. 164. 286 Vgl. ebda. 287 Relation über die Pfandschillingherrschaft Eibiswald, Hofkammer-Sachabteilung, Kart. 97, U 7/3. Zitiert nach ebda. 288 Vgl. ebda. 289 Vgl. Račnik: Remšniku. 2003, S. 53.

64

Eine weitere Nennung des Gotteshauses erfolgte in der Diözesanbeschreibung aus dem Jahre

1655. Darin wird die Kirche St. Pankratius als eine Filiale von St. Georgen am Remschnigg290

genannt291 und als „St. Pongraz auf der Höhe des Remschnik“ bezeichnet.292 Im Jahr 1779

wurde ein neues Presbyterium errichtet, das am 9. November desselben Jahres durch Vicar

Josef Payr gesegnet wurde.293

Im darauf folgenden Jahrhundert wurde St. Pongratzen mehrmals genauer beschrieben. Unter

diesen Beschreibungen finden sich folgende drei Berichte:

In seiner slowenischsprachig verfassten Autobiographie erinnert sich der aus der Umgebung

von Leutschach stammende Keuschlersohn Anton Šantel wie folgt an eine Wallfahrt nach St.

Pongratzen 1852:

Die Wallfahrt nach St. Pongratzen war für mich sehr interessant. Schon im Alter

von sieben Jahren nahm Mutter mich auf diesen sieben Stunden langen Weg mit,

der sich mit dem Weg von Görz nach St. Gendra vergleichen ließe. Nur mühsam

hielt ich mit meiner Mutter Schritt, die mich stets ungeduldig antrieb, weil sie

befürchtete, zu spät zur Messe zu kommen. Der Weg führte über Hochenegg auf

den Wodanegg-Kogel, danach eben über einen Hügelrücken mit Aussicht nach

Süden auf Kappel und später auf Sankt Georg (Šentjur) in Remschnigg und nach

Norden in die Mittelsteiermark, bis wir schließlich zuletzt den kegelförmigen

Hügel zur kleinen Kirche des hl. Pankrazius hinaufkletterten. Von dort oben sah

ich unter mir Eibiswald genauso wie Heiligengeist und Leutschach. Ich begab

mich mit Mutter in die kleine Kirche, wo ich mich über die gerade Holzdecke statt

des gewohnten Gewölbes wunderte; für mich sah es aus wie in einer Wohnung. In

der Kirche gab es bald ein furchtbares Gedränge, und die deutschen Pilger, die

hier an der Sprachgrenze in der Mehrheit waren, drängten sich, mit den Ellbogen

nach links und rechts die Leute wegstoßend, rücksichtslos nach vorne, wie es eben

ihre Gewohnheit war. Die große Hitze und der unbeschreibliche Gestank, der von

den schwitzenden und schmutzigen Menschen ausging, führten dazu, daß mir

unsagbar übel wurde. Ich mußte aus der Kirche hinaus. Unter größten

290 St. Georgen am Remschnigg wurde als älteste Pfarre des gesamten Gebietes 1201 als Pfarre von St. Paul im Lavanttal errichtet. 291 Vgl. Lamprecht, Otto: Die Besiedelung des Remschnikberglandes. In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark. 47. Jg. Graz: 1956, S. 165f. 292 Vgl. Maritschnik: Land an der Grenze. 1995, S. 195. 293 Vgl. Kramberger: St. Pongratzen. 1971, S. 164.

65

Anstrengungen schafften wir es schließlich. Kaum war ich draußen angekommen,

entleerte sich auch schon mein Magen. Danach saß ich am Westausgang am

Rand der Ebene und beobachtete Männer, die unter mir am Steilhang Böller

schossen. Ich hatte meinen Spaß daran zuzusehen, wie manche Böller beim

Explodieren hochsprangen und den Steilhang hinunter hüpften, die Männer wild

hinter ihnen herjagend. Bei dieser Kirche trafen wir auch unsere Verwandten aus

Kappel, nämlich die Brüder Mihelič. Sie gaben uns Wein, von dem 3/10 Liter 14

Kronen kosteten, ein für mich unerhörter Preis. Wir gingen daraufhin gemeinsam

nach Hause, weil der Weg nahe beim Haus der Mihelič, dem Heimathaus meiner

Mutter, vorbeiführte. Bei dieser Gelegenheit war ich das einzige Mal in diesem

Haus.294

Im Jahr 1869 berichtet Jurij Žmavc, späterer Pfarrer von St. Georgen, von seiner ersten

Wanderung auf den Pongratzenberg. Kurz bevor er den Gipfels erreicht, habe der damalige

Pfarrer Anton Pirtošek folgendes ausgerufen: „Jetzt wird der Vorhang im Theater

aufgezogen!“ Im Weiteren wird in begeisterten Worten die Aussicht von diesem Berg

geschildert: Es werden alle Dörfer und Schlösser, Flüsse und Berge aufgezählt, die bei klarem

Wetter von Pongratzen aus erkennbar sind. So werden von Westen beginnend Maria

Osterwitz auf der Koralpe, die Schlösser Hollenegg und Landsberg sowie die Kirche von

Stainz beschrieben. Mit freiem Auge seien von Graz der Schlossberg, die Herz-Jesu-Kirche,

der Feldhof und Puntigam zu erblicken. In Richtung Obersteiermark seien der Zinken und der

Hochschwab zu sehen. Weiters erwähnt Žmavc Kitzeck im Sausal, Schloß Seggau, die

Riegersburg, die Ebene Ungarns, Oberradkersburg, Heiligen Geist am Osterberg, den Kulm

und den Wechsel. Žmavc schreibt, dass im Süden die bewaldeten Hänge des Remschniggs

mit der Kirche St. Georgen, das Bacherngebirge mit vielen Kirchen und Kapellen zu sehen

seien. Weiters beinhaltet Žmavcs Beschreibung eine Reihe von Versen und Gedichten, die er

dem Pongratzer Gedenkbuch295 entnommen hatte. Diese spiegeln die Begeisterung der

Wanderer wider.296

294 Grenzenlos zweisprachig. Die Erinnerungen des Keuschlersohnes Anton Šantel (1845-1920) an seine Kindheit in Leutschach und Jugend in Marburg. Aus dem Slowenischen von Andrea HABERL-ZEMLJIČ. Hrsg. Klaus-Jürgen Hermanik/Christian Promitzer. Graz: Leykam 2002, S. 90f. 295 Das Pongratzer Gedenkbuch befindet sich nach wie vor im Pfarramt der Pfarre Remschnik und wurde von Pfarrer Toni Kmet und mir bei der Durchsicht diverser Akten und Bücher entdeckt. 296 Vgl. Kramberger: St. Pongratzen. 1971, S. 165.

66

Da die Kirche zu diesem Zeitpunkt bereits baufällig war, wurde ein Verein zur

Wiederherstellung des Gotteshauses gegründet.297

Neben Jurij Žmavc findet St. Pongratzen auch bei Professor Johannes Frischauf aus Graz eine

Erwähnung, als er über eine Wanderung über den Remschnigg im Jahr 1872 berichtet. Darin

bezieht er sich auf den schlechten Bauzustand der Kirche und berichtet weiters, dass sie

vergrößert umgebaut werde. In seinen Aufzeichnungen befindet sich auch eine Beschreibung

der alten, heute nicht mehr vorhandenen, Holzdecke, die mit Gemälden verziert war. Auf

diesen Gemälden wären Blumenstücke, Früchte, Muscheln und andere Ornamente dargestellt.

Außerdem lobte er den schönen Klang der Orgel von St. Ponkratzen. Frischauf spricht von

„[…] der kleinen, aber höchst sinnreich construierten Orgel […]“.

Neben dem alten Kirchlein gab es zu dieser Zeit ein Mesnerhaus und einige alpine

Gasthäuser. Diese waren nur zur Zeit der Prozessionen in Betrieb. Das benötigte Wasser

musste von einer auf der Südseite gelegenen Quelle mit einer Maschine nach oben gepumpt

werden, weil auf Höhe der Kirche kein Brunnen vorhanden war. Weiters beschreibt Frischauf

ebenfalls die großartige Aussicht, die man von dem Gotteshaus aus hat.298

Ein noch erhaltenes Besucher- bzw. Gästebuch im Pfarrhaus in Remšnik für den Zeitraum

von 1891 und 1918 belegt, dass die Kirche ein beliebtes Ausflugziel für Einheimische und

Ausflügler aus Graz war. In diesem Gästebuch sind interessante Kurztexte und Verse in

Deutsch und Slowenisch sowie einige Zeichnungen der damaligen Kirche vorhanden.299

Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts finden sich vermehrt intolerante, ethnisch und national

bewusste Texte, wie zum Beispiel: „Do tod in nikamor dlje ne boš prišel, Nemec!“300, was

Račnik auf das Erstarken des slowenischen Nationalbewusstseins zurückführt.301

Auch in den Schulchroniken von Remšnik finden sich viele Eintragungen von Ausflugsgästen

aus Slowenien, die Besuche in St. Pongratzen belegen.302

Im Jahr 1866 zerstörte ein Blitz einen Teil des Turmes, ein großes Stück Mauerwerk und die

Orgel. Notreparaturen wurden durchgeführt und 1882 wurde sie teilweise umgebaut.303

297 Die Statuten dieses Vereines wurden mit Erlaß der hoh. k. k. Statthalterei Graz, ddo. 19. Sept. 1893, mit Zahl 23.766 bestätigt 298 Vgl. Lamprecht: Remschnikbergland. 1956, S. 165f. 299 Vgl. Račnik: Remšniku. 2003, S. 53. 300 „Bis hierher, und nirgends mehr wirst du nicht kommen, Deutscher!“ 301 Vgl. Račnik: Remšniku. 2003, S. 53. 302 Vgl. Sv. Pankracij. Razgledni stolp - St. Pongratzen. Aussichtsturm. Hrsg. Občina Radlje ob Dravi. Radlje: Atelje Kresnik 2003, S. 9.

67

Der Grundstein für das heutige Aussehen St. Pongratzens wurde bereits 1898 gelegt.304

Pfarrer George Žmavc segnete den Grundstein für die neue Kirche, an deren Zeremonie, laut

Chronik, rund tausend Menschen beider Nationalitäten teilnahmen.305 In den Jahren 1908 bis

1910 wurde die Kirche in ihrer jetzigen Größe neu erbaut.306

Die Gestalt der heutigen Kirche bildet sich durch ein rechteckiges 26 Meter langes, 10 Meter

breites und 8 Meter hohes Schiff mit Seitenaltären, das in ein polygonales abgeschlossenes

Presbyterium ausläuft.307 An der Südfassade befinden sich die Sakristei und der Glockenturm.

Am Hauptaltar befindet sich eine Abbildung des Märtyrers St. Pankratius, dem die Kirche

1910 durch Bischof Michael Napotnik aus Marburg auch geweiht wurde.308

Pfarrer George Žmavc sollte die Fertigstellung des Neubaus des heutigen Gotteshauses nicht

mehr erleben, sein Nachfolger war Anton Podvinski.309

Grenzziehung und Zwischenkriegszeit

Nach dem Ersten Weltkrieg, mit der Grenzziehung 1918, änderte sich die Staatszugehörigkeit

vieler und auch St. Pongratzen befand sich nunmehr nicht mehr auf österreichischem, sondern

auf jugoslawischem Staatsgebiet, doch tat dies dem Kirchenbesuch auch von österreichischer

Seite keinen Abbruch.

Kramberger schreibt, dass sich „noch einige Bauern der Gegend erinnern“ und er beschreibt

dies wie folgt:

„[…] große Kirchweihfeste wurden hier gefeiert, und daran änderte sich auch

nichts, als der Friedensvertrag von Saint Germain St. Pongratzen jugoslawisch

machte. Wie eh und je kamen die Bauern der Gegend zur Kirche und besuchten

Gottesdienst und Gasthäuser auf österreichischem und jugoslawischem

Boden.“310

„Bürgermeister Franz Hochnegger von Kleinradl (auch sein Vater und sein

Großvater waren Bürgermeister dieser Gemeinde) erzählt heute noch von den

303 Vgl. Račnik: Remšniku. 2003, S. 53. 304 Maritschnik: Land an der Grenze. 1995, S. 195. 305 Vgl. Račnik: Remšniku. 2003, S. 53. 306 Vgl. Kramberger: St. Pongratzen. 1971, S. 166. 307 Vgl. ebda. 308 Vgl. Maritschnik: Land an der Grenze. 1995, S. 196. 309 Vgl. Račnik: Remšniku. 2003, S. 53. 310 Kramberger: St. Pongratzen. 1971, S. 166.

68

großen Festen in der Zwischenkriegszeit. Im Gasthof Wuschning, gleich unterhalb

der Kirche, gab es an den Festtagen die sogenannten Pongratzen-Weckerl, ein

weißes Brotlaibchen, das eigens für diesen Tag im Gasthaus gebacken wurde;

einem aus der Gegend stammenden Schilcher wurde lebhaft zugesprochen (zwei

Halben schenkte der Wirt an einem Tag aus!). Kein Wunder, daß es am

Nachmittag und Abend zu argen Raufereien kam. Bürgermeister Hochnegger

erinnert sich noch, wie ein Bursche seiner Gemeinde mit einer „Futterkrall“ (eine

Eisengabel zum Grasaufhäufeln) erschlagen wurde.“311

Auch Josef Skurnigg erinnert sich daran, dass die Grenzziehung von 1919 keinen Abbruch

der Beziehungen über die Grenze bedeutete, da die Grenze nicht als solche wahrgenommen

worden sei. „Zwischen den Kriegen, da waren noch keine [Soldaten] oben, da ist noch keine

Grenz‘ gewesen.“312

Bezüglich der Grenzziehung bzw. der Grenzfestlegung im Bereich der Kirche wird in der

Literatur Unterschiedliches berichtet. Maritschnik schreibt, dass die Staatsgrenze

vorübergehend mitten durch die Kirche verlaufen sein soll. Pfarrer Augustin Skara aus St.

Georgen am Remschnik berichtete ihm diesbezüglich folgendes:

„Nach seiner Erzählung wurde die Kirche je zur Hälfte über der Grundgrenze

zweier benachbarter Bauern errichtet. Als nach dem Ersten Weltkrieg die

Grundgrenze zur Staatsgrenze wurde, befand sich die Kirche plötzlich zur einen

Hälfte auf österreichischer und zur anderen Hälfte auf slowenischer Seite. Für die

Gottesdienstbesucher gab es sogar getrennte Eingänge. Die Österreicher nützten

den Haupteingang und nahmen auf der linken Seite der Kirche Platz, während die

Slowenen durch die Sakristei kamen und den rechten Kirchenteil für sich

beanspruchten. Erst nach langen Verhandlungen zwischen Österreich und

Jugoslawien wurde entschieden, daß nunmehr die Staatsgrenze fünf Meter

nördlich der Kirche verläuft, was bedeutet, daß die Kirche seither zur Gänze auf

ehemals jugoslawischem, heute slowenischem Gebiet liegt.“ 313

311 Ebda. 312 Interview mit Josef Skurnigg vulgo Sachernegg Keischn [2009-04-05]. 313 Maritschnik: Land an der Grenze. 1995, S. 196.

69

Das Land für den Neubau der Kirche war von den Bauern Korank und Bučnik zur Verfügung

gestellt worden, deren Landesgrenzen mitten durch die Kirche gingen. So hätte auch die neue

Staatsgrenze das Gotteshaus geteilt. Erst später wurde die Grenze durch ein internationales

Abkommen korrigiert, wodurch sich die St. Pongratzen zur Gänze auf slowenischem

Territorium befindet. 314

Auch in der Südost-Tagespost vom 9. Juni 1958 steht vermerkt, dass die Kirche „[...] knapp

an der Grenze schon auf jugoslawischem Gebiet steht [...]“ 315, und dass „man [...] bei der

Grenzziehung zugunsten eines Ackers auf sie verzichtet“ 316 hat.

In den dreißiger Jahren erfuhr St. Pongratzen noch einige bauliche Veränderungen. So wurde

der Kirchturm 1935 zu einem Aussichtsturm umgebaut, indem in der Höhe des obersten

Geschosses ein Rundgang angebaut wurde.317

Während der Bauphase wurden die Besucher gebeten, einen Stein zur Unterstützung der

Errichtung des Aussichtsturmen mitzubringen.318 Ein Zeitungsausschnitt, der sich in der

Schulchronik findet zeugt von dieser Bitte:

"Tako se naproša, da vsak, ki je blage volje in to telesno zmore, prinese kamen in

tako spolnjuje ono grmado kamenja, ki je potrebna za zidavo. Skupno delo bo

uspeh imelo ter rodilo čast in ponos nasega naroda in domovine."319

Aus diesen Beschreibungen geht hervor, dass St. Pongratzen vor dem Zweiten Weltkrieg eine

beliebte Touristenattraktion war. Nach der Remšniker Schulchronik haben auch viele Schulen

aus Slowenien das Gotteshaus besucht. Vor allem Wanderer, die mit dem Zug nach Podvelka

fuhren und die restliche Strecke zu Fuß zurücklegten, statteten der Kirche, wo sich zu dieser

Zeit noch eine Bergschutzhütte des Alpenvereins Maribor-Matica befand, einen Besuch ab.320

314 Vgl. Račnik: Remšniku. 2003, S. 53f. 315 Wo Höfe sterben und Kirchen verfallen. Südost-Tagespost. 9. Juni 1958, S. 8. 316 Ebda. 317 Vgl. Kramberger: St. Pongratzen. 1971, S. 166. 318 Vgl. Račnik: Remšniku. 2003, S. 54. 319 Zitiert nach ebda. 320 Vgl. Račnik: Remšniku. 2003, S. 54.

70

Ab 1938 wurde es von den deutschen Behörden verboten, die Grenze zu überschreiten.

Jeglicher „kleiner Grenzverkehr“ wurde untersagt. Somit war auch der Besuch der Kirche

unterbunden worden.321

Der Zweite Weltkrieg

Während des zweiten Weltkriegs gab es bei St. Pongratzen einen Luftbeobachtungsstand der

deutschen Wehrmacht.322 So befanden sich in der Nähe der Kirche unter dem Gasthaus Legat

bei „Moser-Bergschober“ und „Waldgreger“ kleinere HIGA323-Stützpunkte.324

In den letzten Tagen des zweiten Weltkriegs wurde die Kirche beinahe völlig zerstört, sodass

die Kirche einer Ruine glich. Die Orgel wurde verbrannt, alles aus Holz war vernichtet und

Messkleider und Bücher wurden zerrissen. Auch das Dach war zerstört und undicht und der

Verputz bröckelte.325

„Nach dem Krieg erst war die Kirche zu, sie haben alles Altar und alles

weggerissen, das Militär drüben, die die Grenze über gehabt haben. Das war

nach dem Krieg. […] Nach dem zweiten Weltkrieg, danach sind Soldaten an der

Grenz gewesen, danach haben’s kaputt gemacht.“326

In der Südost-Tagespost vom 9. Juni 1958 wird unter dem Titel „Wo Höfe sterben und

Kirchen verfallen“ auf den schlechten Zustand des Gotteshauses verwiesen.

„Die Kirche ist verfallen, Fichtenbäume wachsen auf den Stufen des

Haupteinganges. Der fürwitzige Reporter schleicht sich auf jugoslawisches

Gebiet und tut einen Blick durchs Schlüsselloch: die Bänke sind herausgerissen,

drei Heiligenstatuen stehen mitten auf dem Boden, verschmutzt und zerbrochen.

Neben der Kirche war eine Herberge des slowenischen Alpenvereins, sie ist nur

noch ein Trümmerhaufen.“327

321 Vgl. Kramberger: St. Pongratzen. 1971, S. 166. 322 Vgl. ebda. 323 HIGA bedeutet Hilfsgrenzangestellte. 324 Vgl. Blatnik, Herbert: Zeitzeugen erinnern sich an die Jahre 1938-1945 in der Südweststeiermark. Eibiswald: Lerchhaus Verlag 2000, S. 51. 325 Vgl. Kramberger: St. Pongratzen. 1971, S. 166. 326 Interview mit Josef Skurnigg. 327 Wo Höfe sterben und Kirchen verfallen. Südost-Tagespost. 9. Juni 1958, S. 8.

71

Einige Zeit diente das Gotteshaus Tito-Soldaten als Lagerhalle und als Pferdestall.328

Nach dem Zweiten Weltkrieg errichtete Jugoslawien entlang der Grenze einen

Sicherheitsstreifen. Der Wald wurde abgeholzt und das „Niemandsland“ streng bewacht. Das

Gebiet um die Kirche wurde einige Zeit von den jugoslawischen Soldaten hermetisch

abgeriegelt und zum Sperrbezirk erklärt.329

„Der Krieg ist aus gewesen 45, danach 45, 46, 47 ist frei, ganz frei gewesen.

Nachher erst sind die Soldaten raufgegangen und wir haben auch nix mehr rauf

dürfen.“330

Der Besuch St. Pongratzens war somit unterbunden, doch der heilige Pankratius wurde auch

weiterhin an den gewohnten Festtagen geehrt. Auf österreichischer Seite wurden die Messen

anstatt in der Kirche bei der Wutschnik-Kapelle gefeiert. 331

8.3 Der Wiederaufbau der Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg

Die politische Lage zwischen Österreich und Jugoslawien entspannte sich im Laufe der Jahre.

Dies bekamen auch die Grenzbewohner deutlich zu spüren. Die Pfarrer von St. Georgen und

Oberhaag, August Skara und Karl Mandl, nützten diese Entspannung und beschlossen die

Kirche in St. Pongratzen wieder ihrer wahren Aufgabe zuzuführen, da diese, wie oben

erwähnt, gegen Ende des Krieges in Verwendung der Tito-Soldaten gestanden war und die

Kirche zu renovieren. „Die österreichische Grenzbevölkerung hatte schon lange den Wunsch,

diese Kirche zu restaurieren, um sie wieder besuchen zu können.“332

Mit dem Beschluss die Kirche vor dem Verfall zu retten und zu sanieren, stand man jedoch

erst am Beginn der eigentlichen Aufgabe.

Durch den Einsatz des österreichischen Botschafters in Belgrad im Jahr 1962 bekam man die

Erlaubnis, die Kirche zu erneuern.333 Vor Baubeginn mussten Finanzierungsquellen gesichtet

werden und viele Behördengänge nach Marburg waren notwendig. 334 „Nach langen

328 Vgl. Maritschnik: Land an der Grenze. 1995, S. 196. 329 Vgl. ebda. 330 Interview mit Josef Skurnigg. 331 Vgl. Maritschnik: Land an der Grenze. 1995, S. 196f. 332 Ein Festtag für den heiligen Pankratius. In: Grenzlandbote vom 1. Juli 1966, S. 7. 333 Vgl. Račnik: Remšniku. 2003, S. 55. 334 Vgl. Maritschnik: Land an der Grenze. 1995, S. 197.

72

Verhandlungen mit Jugoslawien wurde in Deutschlandsberg ein Vertrag unterzeichnet, der

diesen Wunsch verwirklichte.“335

Von beiden Seiten der Grenze wurden von 1962 bis 1966 Mittel erhoben und gemeinsam an

der Wiederherstellung des Gebäudes gearbeitet. Geldspenden kamen aus der Steiermark, aus

Marburg und von österreichischen Bauern wurde Geld sowie Baumaterial im Wert von mehr

als 30.000 Schilling gespendet und zur Anhöhe transportiert.336 Im Grenzland sammelte man

einen „[…] Betrag von 28.000 Schilling für die Restaurierung, der den Jugoslawen

übergeben wurde.“337

Erst danach konnte mit den Instandsetzungsarbeiten begonnen werden.

„Fast wäre es im letzten Augenblick zu einem Scheitern des Planes gekommen:

den österreichischen Handwerkern wurde das Arbeiten an der Kirche nicht

gestattet, nur das Material durfte zollfrei nach Jugoslawien gebracht werden, und

slowenische Firmen mußten allein die Bauarbeiten durchführen.“338

Im Zuge der Restaurierung wurde

„[…] der Innenraum der Kirche ausgeweißt und ein alter Altar aufgestellt, den

das Pfarramt St. Johann i. S. gespendet hatte. Dieser wurde frisch gestrichen und

mit der Statue des heiligen Pankratius geziert.“339

Außer dem Altar und der Heiligenstatue blieb die Kirche noch leer und auch am

Einweihungstag, der nach vierjähriger Bautätigkeit am Pfingstmontag stattfand, präsentierte

sich die Kirche in diesem Bild. Erst später konnte mit Hilfe diverser Spenden das Inventar des

Gotteshauses erweitert werden.

8.4 Die Eröffnungsfeierlichkeiten

335 Ein Festtag für den heiligen Pankratius. In: Grenzlandbote vom 1. Juli 1966, S. 7. 336 Vgl. Kramberger: St. Pongratzen. 1971, S. 167. 337 Ein Festtag für den heiligen Pankratius. In: Grenzlandbote vom 1. Juli 1966, S. 7. 338 Kramberger: St. Pongratzen. 1971, S. 167. 339 Ein Festtag für den heiligen Pankratius. In: Grenzlandbote vom 1. Juli 1966, S. 7.

73

Die feierliche Wiedereröffnung und Weihe St. Pongratzens fand am Pfingstmontag, dem 30.

Mai 1966 statt. Der Ablauf der Feierlichkeiten wird in einem kurz darauf erschienen Artikel

im Grenzlandboten vom 1. Juli 1966 detailliert beschrieben:

„Um etwa 10 Uhr traf der Bischof von Marburg, Dr. Držečmik mit seinem

Gefolge von etwa 12 Geistlichen unter Assistenz des Pfarrers von Oberhaag,

Geistl. Rat Karl Mandl, ein und wurde von einer südsteirischen Blasmusikkapelle

und tausenden Wallfahrern festlich empfangen. Beim Haupteingang der Kirche,

wo die erste Zeremonie stattfand, drängten sich hunderte Gläubige. Der Bischof

hielt zuerst in vollem Ornat eine Ansprache in slowenisch und deutsch, und dann

begann die Weihe. Es wurde Asche, Salz und Wein vermengt und geweiht, dann

wurde die Kirche von außen besprengt und dann im Inneren auf diese Art

geweiht. Erst dann wurden die Wallfahrer in das Innere der Kirche eingelassen.

Bei dem folgenden Pontifikalamt sangen die Slowenen wundervolle

Kirchenlieder.“340

Nach den eigentlichen Einweihungsfeierlichkeiten wurde noch um und in der Nähe der

Kirche gefeiert. An diversen Ständen wurden auf slowenischer Seite Getränke, Speisen und

diverse Andenken verkauft. „Die Slowenen hatten auf ihrer Seite mehrere Stände mit

Getränke, Eßwaren und Andenken errichtet und ein gutes Geschäft gemacht.“341

Aber nicht nur oben, direkt um das Gotteshaus herum, wurde den ganzen Tag über gefeiert.

Auch beim nahegelegenen Gasthaus Wutschning auf österreichischer Seite wurde die

Wiedereröffnung St. Pongratzens zelebriert. „Jedenfalls war halt so – wir sind aber nachher

am Nachmittag von der Feier, da sind wir Richtung Gasthaus runter, da zum Wutschning.“342

Viele Menschen von slowenischer wie auch von österreichischer Seite nahmen an den

Feierlichkeiten teil und dies trotz der Tatsache, dass der Zugang zu dieser Bergkirche, damals

wie auch heute noch, verkehrstechnisch schwierig war und ist.

Im Grenzlandboten vom 1. Juli 1966 wird sogar berichtet, dass auf österreichischer Seite

340 Ein Festtag für den heiligen Pankratius. In: Grenzlandbote vom 1. Juli 1966, S. 7. 341 Ebda. 342 Interview mit Josef Loibner [2009-03-14].

74

„[…] bis zum Gasthaus Wutschning, das etwa eine Viertelstunde unter der Kirche

liegt, eine zur Not befahrbare Autostraße, die von Hörmsdorf und Kleinradl bis

zum Gasthaus führt, angelegt [wurde].“ 343

Zwar ist die Straße zum Gasthaus Wutschning mittlerweile ausgebaut und gut befahrbar, aber

das letzte Stück zur Kirche, das heißt vom Gasthof zum Gotteshaus hinauf, muss auch

weiterhin von österreichischer Seite zu Fuß bewältigt werden. Dies gilt auch für die

slowenische Seite.

Trotz der schlechten Erreichbarkeit der Kirche pilgerten viele Gläubige nach St. Pongratzen,

um den Einweihungsfeierlichkeiten beizuwohnen, sodass sich allein auf österreichischer Seite

folgendes Bild bot: „Diese Straße war kilometerweit von Autos, Traktoren und Motorrädern

gesäumt, es waren doch viel hundert Menschen zu diesem seltenen Fest erschienen.“344

Allen Interviewten ist die Menge an Menschen, die an diesem Tag in St. Pongratzen waren,

primär in Erinnerung. Josef Skrunigg kann sich noch gut an die Menschenmasse erinnern:

„Oh do san eine Leut gewesen - da Krammer - alles ist oben gewesen damals.“345

Auch Walter Stelzl beschreibt, das sich ihm gebotene Bild wie folgt:

„Des erste Mal war ich zur Einweihung in St. Pongratzen, das war 1968 [1966],

oder so. Wir sind zum Fest raufg‘gangen mit der Familie. Dort war a Haufen

Leut’. Der Bischof von Marburg war da und viele, viele Leut’ waren oben. Wir

waren aber nur beim Fest, weil in der Kirchen war kein Platz mehr.“346

Auch der spätere Pfarrer von Oberhaag, KR Josef Klobassa, war das erste Mal zur Eröffnung

der Kirche in St. Pongratzen.

„Jo, das erste Mal, dass ich in Pongratzen war, des war ja 66er Jahr

Pfingstmontag, wo die Kirche eingeweiht wurde, da war ich Kaplan in St. Johann,

und do warn jo sehr viel Leut oben.“347

343 Ein Festtag für den heiligen Pankratius. In: Grenzlandbote vom 1. Juli 1966, S. 7. 344 Ebda. 345 Interview mit Josef Skurnigg. 346 Interview mit Walter Stelzl vulgo Ranz [2009-03-12]. 347 Interview mit Pfarrer KR Josef Klobassa [2009-05-24].

75

„Wie i das erste Mal da rauf bin, in meiner Jugend, geh ma z Fuß aufi net war,

sam ma, um 10 ne war des do oben ne und des soll ja Massen, Gottes Willen san

da Leut‘ oben ne und des war jo irgendwie guat, a Schätzungen, damals haben sie

g’sagt a 4000, was weiß i …“348

Das Fest bot die Möglichkeit, alte Bekannte und Freunde wieder zu treffen, denn es fand das

erste Mal seit ungefähr zwanzig Jahren wieder ein Gottesdienst in St. Pongratzen statt:

„Es war eine gute freundschaftliche Atmosphäre, unsere Leute da die haben viele

schon gekannt über der Grenze, wie da Loibner Sepp zum Beispiel, er hat den

Spitznamen Außenminister, aber des stimmt ja, wirklich schon immer wieder

diesen Kontakt gepflegt, wahrscheinlich vielleicht durch sein Vater i weiß es net,

ich nehm es an, ja und auch der Huabnbauer zum Beispiel, der Huabnbauer hat,

slowenisch gewusst, jo, der hat auf Slowenisch gredt der Huabnbauer, der Alte,

da Hans net, und sind Leute die haben halt Deutsch gredt und miteinander ne und

die haben dann Deutsch geantwortet ne.“349

Josef Loibner beschreibt seine Eindrücke der Eröffnungsfeierlichkeiten wie folgt:

„Bin ich oben g‘wesen, wenn einmal 4000 Leut ungefähr oben waren, das is

muats a Wirbel g‘wesen und des is im 66er Jahr g‘wesen, und und 45, 55, 65

praktisch 20 Jahr is keine Verbindung g‘wesen nicht, net, noch 20 Jahr auf

einmal frei, ist frei zugänglich g‘wesen für alle für beide Volksgruppen. Da war

dann halbwegs alles oben was nicht niet- und nagelfest war und es ist

weggesoffen worden und ang‘feiert. Und von früher her hat man ja kennt den

Bauern und hat Freund g‘habt, die man von früher her no gekannt g‘habt hat. Ist

sogar unsere Oma mit oben gewesen und natürlich von Kriegszeit her ihre

Freundinnen drüben, mit die sie immer, immer außezua austauscht hat und so

und die sind wieder einmal zusammengekommen.“350

Die Einweihungsfeier bot nach Jahren der Abgrenzung die Möglichkeit, lange nicht

gesehene Freunde, Bekannte oder Verwandte in einem ungezwungenen Rahmen das

348 Interview mit Pfarrer KR Josef Klobassa. 349 Ebda. 350 Interview mit Josef Loibner.

76

erste Mal wiederzusehen. Der Grenzlandbote schrieb in der kurz darauf erscheinenden

Ausgabe: „Diese Weihe, die von den Deutschen und Slowenen gemeinsam gefeiert

wurde, war ein einmaliges Fest gemeinsamer Andacht.“ 351 Vor allem nach den

Erfahrungen während und nach den beiden Weltkriegen war dieses gemeinsame Feiern

über die Grenze hinweg ein erster Schritt, der in den darauffolgenden Jahren bis zum

heutigen Tag ein wichtiges Element der Grenzbevölkerung in diesem Gebiet darstellt.

Josef Loibner beschreibt dies wie folgt: „Das erste Mal wieder begrüßt, wo man die

ganze Jahr nimmer gesehen hat, net, dort oben ist a Insel, da da ist a Insel der Seeligen

geworden.“352

8.5 Das Inventar der Kirche

Nach der Fertigstellung der Erneuerung der Kirche innen wie auch außen, musste noch

Inventar besorgt werden.

Erst im Jahr 1972, also sechs Jahre nach der Einweihung St. Pongratzens, erhielt die Kirche

wieder ein Geläut. Die zuvor vorhandenen Glocken verschwanden während des Zweiten

Weltkrieges. Die Glocken waren eine Spende der Pfarrkirche Ottendorf im Bezirk Feldbach,

die ein neues Geläut bekommen hatte.

„Die beiden Glocken sind dann von Ottendorf kommen. Ottendorf des is bei

Hartmannsdorf, durt hoben uns die Glocken gespendet, nachdem der Pfarrer

Ehmann a Oberhaager ist, er dort Pfarrer war, jo er ist jetzt auch schon in

Pension, und die haben neue Glocken bekommen und die beiden Glocken habens

uns spendiert für die St. Pongratzen Kirche.“353

Die Überführung der zwei Glocken war jedoch mit Schwierigkeiten verbunden. Zwar konnte

mit der Grazer Finanzamtsdirektion ausgehandelt werden, dass die Glocken zollfrei über die

Grenze gebracht werden konnten, da es sich ja um ein Geschenk handelte, aber die

Grenzüberstellung brachte Schwierigkeiten mit sich.

351 Ein Festtag für den heiligen Pankratius. In: Grenzlandbote vom 1. Juli 1966, S. 7. 352 Interview mit Josef Loibner. 353 Interview mit Pfarrer KR Josef Klobassa.

77

„I weiß no bei die Glocken damals hat sie g‘sagt, irgendwie hab is eingesehen i

mein Grenz is Grenze aber, aber was ma g‘redt so viel bettelt haben die Behörden

und so weiter na, na, na, aber auf da anderen Seite is glei zollfrei und

finanzmäßig haben wir’s gemeldet bei der Finanz, ne, und hab ma g’sagt, dass a

Geschenk is, ja, aber sie müssen aber drüber über die normale Grenze.“354

Zuerst wurde das Geläut nach Oberhaag überstellt, wo es bei der ortsansässigen Schmiede

von Franz Kammeritsch aufpoliert wurde. Danach sollte der Glockentransport von Oberhaag

über Lieschen direkt rauf zur Kirche erfolgen. Dies wurde aber von den zuständigen

jugoslawischen Behörden nicht erlaubt.

„Wir wollten sie [die Glocken] gleich beim Wutschnigg beim Gasthof Legat mit

dem Traktor rauftransportieren, zuerst haben sie gesagt, jo es geht und dann

haben sich aber, die Slowenen, die damaligen Jugoslawen, nicht dazu bereit

erklärt. Es muss über Spielfeld der Transport geschehen. Jo, trotz aller Bitten von

unserer Seite, aber von jugoslawischer, von der damals jugoslawischen Seite,

ne.“355

So musste das Geläut auf Umweg über Spielfeld und Marburg nach St. Pongratzen gebracht

werden, da die jugoslawischen Behörden nur so zugestimmt hatten.356 Die bedeutete eine

Wegstrecke von ungefähr 99 km.

„Mussten dann mit den beiden Glocken mit dem Auto nach Spielfeld fahren,

führen, jo dann hab ma mit den Slowenen hab ma verständigt die Pfarre

Remschnigg bzw. das Oritinariat Maribor net war, mit dem Bischof mit dem

haben wir noch einmal verhandelt und mit den Behörden, nicht gelungen nein

über Spielfeld, jo guat, hinüber und bis zur Grenze geführt, da haben wir dann

müssen a paar Stunden warten bis, die haben uns sitzen lassen net war,

stundenlang haben sie sich nicht gerührt, obwohl wir g’sagt haben…, fertig da

musst warten, von der anderen Seite war der Herr Fuhrmann schon da, der hat

die Glocken in Empfang genommen, aber leider erst geworden 12 Uhr jo, wir

waren um 9 Uhr unten aber jo, dann sind ma wieder rein in die Kanzlei mit die

354 Interview mit Pfarrer KR Josef Klobassa. 355 Ebda. 356 Vgl. Maritschnik: Land an der Grenze. 1995, S. 197.

78

Papiere dann hat er gesagt passt schon könnt’s schon gehen, des war’s dann

quasi, jo aber zuerst hat er na g’sagt, jo is’ halt so.“357

Am Spielfelder Grenzübergang mussten Pfarrer KR Josef Klobassa und seine Begleiter einige

Stunden Wartezeit in Kauf nehmen. Obwohl der Glockentransport genehmigt und alle

Unterlagen bewilligt waren, wurden ihnen die Papiere abgenommen und sie mussten auf

unbestimmte Zeit warten, bis ihnen der Grenzübertritt erlaubt wurde.

„Du hast net fortgehn können, weil du net g’wusst hast, hat die ganzen Papiere

g’habt, hat’s abg’nommen, von unserer Seite was ma habt haben von der

Finanzamtsdirektion, ja, du hast einfach, ja da is er einigangen da in die Kanzlei

und du musst halt draußen warten, hast halt g’wartet ,bist umigangen wo halt

Niemandsland war, zum andern wo gewartet hat auf der anderen Seite, der

Fuhrmann, jo jo so is’ as, san ma nix freigeben, wart ma do, wie a dann

rauskommen is’, wie schauts aus hab i dann g’sagt, warten warten, …des war des

einzige wo g’sagt hab mein Gott na …warten warten warten, bewilligt war’s aber,

hat dann einen Stempel raufgeben.“358

Immer wieder sei der Zollbeamte erschienen, aber habe sie nur immer weiter vertröstet. „Is er

reingangen, is er rauskommen, wird scho werden bissi warten, bissi warten, zwingen darfst es

eh net, dann geht gar nix.“359

Nach erfolgter Überführung nach St. Pongratzen wurden Glocken mit österreichischer Hilfe

aufgezogen.

„Dann hab ma‘s auf der Remschnigger Seite raufgeführt und auf a G‘stell

aufgehängt da und da Klinger, da Norbert, da Ranz, do von Pongratzen, Klinger

Franz, der hot mit seinem Traktor die Glocken aufgezogen, der dort aufigefahren

und von unserer Seiten und die Glocken sind von der anderen Seite, mit an Kran

den er ghobt hot und an Traktor, er hot großen Traktor ghobt an starken ne, die

hot er aufizogen, damals noch mit Seil und Strick.“360

357 Interview mit Pfarrer KR Josef Klobassa. 358 Ebda. 359 Ebda. 360 Ebda.

79

Mittlerweile funktioniert das Geläut elektrisch, aber bis 2004 mussten die Glocken noch

immer per Hand betätigt werden.

„Früher haben sie händisch müssen läuten, wenn Messe war, wochentags haben

sie früher nicht geläutet, nur an Festtagen, sind sie raufgegangen, wo Messe war

haben sie dann geläutet, auf unser Seite sind halt die Buben rauf gelaufen und

haben geläutet halt, die Tür war ja offen und wie sie es elektrisch gemacht haben,

jetzt geht’s ja automatisch.“361

Die Bänke wurden vom Knabenseminar in Graz gespendet.362 Der erste Volksaltar war ein

von einem Tischler angefertigter Holztisch. Der heutige Volksaltar wurde 1989 von der

Oberhaager Pfarrkirche gespendet, da man dort im Zuge der Renovierung den vorhandenen

Holzvolksaltar, der nicht mehr den Vorschriften entsprach, durch einen neuen ersetzen

musste.

„Der Volksaltar ist im 89er Jahr raufgekommen von unserer Pfarrkirche, weil wir

einen neuen Volksaltar kriegt haben, früher haben wir einen Holzvolksaltar

gehabt mit Anbau, bei der Renovierung hat das Denkmalamt und das Ordinariat

und die Liturgiekommission gesagt, nein, und auch der Bischof, der Altar muss

feststehend sein, nicht transportabel, das er weggehoben werden kann, früher war

das so, und dann haben wir müssen einen neuen Altar machen, den was wir jetzt

haben, und jetzt was machen wir mit dem Volksaltar, die haben oben nur einen

Tisch gehabt, einen Tisch, den hat der Tischler gemacht, net so schlecht gewesen,

net, jo dann haben wir einfach, da haben wir geredt mit dem damaligen Pfarrer,

du kannst meinen Volksaltar wennst willst zamt die Sessel und so weiter, jo,

wennst uns her gibst, dann hat‘s der Rothschädl der Alte mit dem Traktor

raufgeführt bis zum Mutschning und der Gustl net, der auch schon gestorben ist,

der Ehgartner, der hat des rauftransportiert.“363

361 Interview mit Pfarrer KR Josef Klobassa. 362 Vgl. Maritschnik: Land an der Grenze. 1995, S. 197. 363 Interview mit Pfarrer KR Josef Klobassa.

80

Der Baldachin wurde von Kleinradler Frauen unter Magarete Loibner gestickt.364 Die

Jägerfrauen der Gemeinde Großradl fertigten in gemeinsamer Arbeit den bis heute in

Gebrauch stehenden Baldachin an.

Dieser war notwendig, da nur so die Prozession zur wieder instand gesetzten Hubertuskapelle

durchgeführt werden konnte. Diese kleine Kapelle, auch Jägerkapelle genannt, befindet sich

in unmittelbarer Nähe der Kirche St. Pongratzen auf österreichischer Seite.

Laut Legende begaben sich im 4. Jahrhundert die beiden Söhne des damaligen Kastellans

Primus und Petrum in den Krieg nach Kleinasien, wo sie ihren väterlichen Freund Pankratius

kennenlernten. Diesen begleiteten sie nach Rom, wo Pankratius sich zum Christentum

bekehrte und eines Märtyrertodes starb. Zu Ehren Pankratius erbauten Primus und Petrum

nach ihrer Rückkehr in die Heimat die Hubertuskapelle an der heutigen Stelle.365

Erstmals erwähnt wurde die Kapelle 1377, im Jahr 1910 wurde sie neu errichtet und war bis

1983 dem Verfall durch die Natur freigegeben worden.366

„Weil es is‘ so, die Kapelle is‘ ja verfallen g‘wesen, is‘ ja a Steinhauf‘n g’wesen,

oben die Kapelle. Und die Jäger haben den Steinhaufen auseinand‘ g‘klaubt und

haben die Kapelle wieder errichtet.“367

Erst dann wurde die Hubertuskapelle durch die Mitglieder der Jägerschaft der Gemeinde

Großradl renoviert. Gemeinsam wurden Spenden in allen umliegenden Gemeinden gesammelt

und die Wiederinstandsetzung dieser im Jahre 1377 erstmals erwähnten Kapelle

ermöglicht.368

„Jetz‘ often hab i eh mit dem Oberhaager Pfarrer damals g‘redt bei der

Einweihung der Kapelle jetzt wär‘ net schlecht wieder a Prozession zu machen,

weil die alte Kapelle, die zusammen g‘fallen g’wesn is‘, is‘ ja die

Prozessionskapelle g’wesen. Da bin i im 44er Jahr das letzte Mal bei der

Prozession bei der alten Kapelle dabei g’wesen. Die is zusammeng‘fallen und

jetz‘ haben‘s unsere Jäger aufbaut. Jetz‘ hab ma g‘sagt wär wieder gut einen

364 Vgl. Maritschnik: Land an der Grenze. 1995, S. 197. 365 Vgl. Zeichen des Glaubens. Kirchen, Kapellen, Kreuze, Marterln. Kirchliches Brauchtum zwischen Saggau und slowenischem Drautal. Hrsg. Eibiswalder Veranstaltungsinitiative. Eibiswald: Eigenverlag EVI 2003, S. 274. 366 Vgl. ebda., S. 274. 367 Interview mit Josef Loibner. 368 Vgl. Zeichen des Glaubens. 2003, S. 274.

81

Umgang zu machen. So wie‘s früher war. Er [der Oberhaager Pfarrer] war schnell

einverstanden.“ 369

Um die Prozession am Einweihungstag, dem 4. September 1983, zu ermöglichen, wurde ein

Baldachin von der Pfarre St. Anton am Radlpaß ausgeliehen.

„Jetzt hab ma ja keinen Himmel g‘habt, keinen Baldachin, den brauchst, musst ja

an Himmel tragen, jetzt hab i von St. Anton oben am Radlpass den Himmel g‘holt

[…] jetzt hab ma halt beim ersten Umgang den Himmel verwendet und weil der

aber zum Radlpass rauf g‘hört haben unsere Frauen g‘sagt, dass sie an Himmel

machen.“370

Da dieser Baldachin jedoch wieder zurückgegeben werden musste, ergriffen die Jägerfrauen

die Initiative und nähten einen neuen Himmel und bestickten diesen mit einem

Kreuzstichmustern.

Jeden ersten Sonntag im September, dem so genannten Jägersonntag, findet seitdem eine

Prozession zur Hubertuskapelle statt.

„Die is‘ zweisprachig, der Baldachin wird […] von zwei slowenischen Jägern und

zwei österreichische Jäger getragen, und die Evangelien, die bei der Prozession

stattfinden, werden zwei in deutscher Sprache und zwei auf Slowenisch

gelesen.“371

Dieser Festzug wird abwechselnd von der Oberhaager oder Eibiswalder Musikkapelle

musikalisch umrahmt.

Eine Orgel wurde erst vor drei Jahren in der Kirche installiert. Diese war eine Spende der

Pfarre Radlje. Dabei handelt es sich, laut Pfarrer KR Josef Klobassa, um eine Orgel, die zuerst

für eine andere slowenische Kirche bestimmt war, jedoch dort nicht reingepasste und somit

nach St. Pongratzen kam, wo sie „wunderbar reingepasst“ hat.

Seit 2007 ist auch das Innenlicht eingeleitet und Scheinwerfer sind installiert worden.

369 Interview mit Josef Loibner. 370 Ebda. 371 Ebda.

82

Erst nach und nach konnte seit der Eröffnung 1966 das Inventar St. Pongratzens erweitert

werden. Dies wurde durch Spenden aus umliegenden Pfarrgemeinden und der Bevölkerung

dieser Region möglich.

„Jo in der Umgebung halt, in der Gemeinde haben wir Geld g‘sammelt, holt, jo

jo, san ma von Haus zu Haus g‘gangen und vom Bauernbund hab ma g’spendet:

hab ma sogar einen Scheinwerfer, der die Kirche beleuchtet.“372

„Ah Geld g‘sammelt, Geld g‘sammelt haben wir einmal für die Orgel und für die

Renovierung und für die Aussichtswarte. Hab i ja mit der Gemeinde, i war ja a

paarmal wegen der Aussichtswarte in Marburg unten mit, weil ansuchen hobn sei

[die Gemeinde Remšnik/Radelje] musst, aber wir hab’n, die Gemeinde und die

Pfarr‘ - der Oberhaager Pfarrer a - wir hab‘n ja ein Unterstützungsschreiben

beig’legt, dass die EU-Gelder fließen hab‘n g‘keppt.“ 373

Pfarrer KR Josef Klobassa bezeichnet es als „Geschenke, die jo so praktisch so langsam nach

und nach kommen sind.“374

Anders wäre der Aufbau der Kirche nicht möglich gewesen, da der katholischen Kirche in

Slowenien kaum finanzielle Mittel zur Verfügung standen.

Die Kirche St. Pongratzen scheint in der Bevölkerung dieser Regionen einen wichtigen

Stellenwert zu besitzen, denn nur so lässt sich diese grenzüberschreitende Kooperation

erklären. „Die Kirchen, weil sie für uns - weil wir‘s mitbesitzen - weil sie für uns a unser

Kirchen is‘.“375 Die Kirche und die vorhandenen Traditionen stellen wichtige

Gemeinsamkeiten in dieser multinationalen räumlichen Einheit dar.

Die Qualität und Intensität der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit hat sich im Laufe der

letzten fünf Jahrzehnte gewandelt. So waren vor der Unabhängigkeit Sloweniens diverse

Interaktionen mit Hindernissen konfrontiert, was die Berichte einzelner Zeitzeugen, zum

Beispiel in Bezug auf den Glockentransport, bestätigen.

372 Interview mit Josef Loibner. 373 Ebda. 374 Interview mit Pfarrer KR Josef Klobassa. 375 Interview mit Josef Loibner.

83

Vor allem, wenn der formelle Weg gegangen werden sollte, musste mit bürokratischen

Schwierigkeiten bzw. Langwierigkeiten gerechnet werden. Um sich das Leben einfacher zu

gestalten, wie es Pfarrer KR Josef Klobassa ausdrückte, „[…] hat ma nix was g’sagt, ja dann

wars gut.“376 So war Schmuggel ein „einfacherer“ Weg, um Spenden schnell und

unkompliziert an das Ziel des gewünschten Empfängers zu bringen.

8.6 Die Kirche und die Grenze -Die Zusammenarbeit zwischen den Pfar-ren

Die Kooperation der Pfarren Oberhaag und Remšnik kann als durchaus positiv beschrieben

werden. In Artikeln regionaler Medien spiegelt sich dieses Stimmungsbild wider. Zum

Beispiel berichtet Leibnitz Aktuell 1990 folgendes: „Seit der Wiedereinweihung vor 24

Jahren verbindet die Pfarren Oberhaag und Remšnik wieder eine herzliche Freundschaft.“377

Auch in der Kleinen Zeitung vom 14. Oktober 2003 wird die freundschaftliche Verbundenheit

hervorgehoben:

„Eine Region, in der man den Schritt auf die andere Seite der Grenze längst

gemacht hat. […] Und diese Freundschaft wird auch tatsächlich gelebt, wie beim

Kirchweihfest in St. Pongratzen, das jährlich am Pfingstmontag stattfindet.“378

Die Teilnahme Bischofs Dr. Drzecnik am Begräbnis des Oberhaager Pfarrers Karl Mandl im

Jahr 1971 zeigte dessen Dank und freundschaftliche Verbundenheit, die durch den

gemeinsamen Wiederaufbau St. Pongratzens entstanden war.

„Bischof Dr. Drzecnik von der Nachbardiözese Marburg war gekommen, um dem

Verewigten für seine großen Bemühungen beim Wiederaufbau der

Wallfahrtskirche St. Pongratzen an der Staatsgrenze Dank zu sagen.“379

376 Interview mit Pfarrer KR Josef Klobassa. 377 Sankt Pongratzen – Sv. Pankracij: Pionier der „Kirche ohne Grenze“. In: Leibnitz Aktuell, Nr. VII/1990, S. 11. 378 Höbel, Sandra: Ins Land schaun. In: Kleine Zeitung vom 14. Oktober 2003. 379 Heimgang des Pfarrherrn von Oberhaag. In: Grenzlandbote, Nr. 12/1971, S. 12.

84

Auch Pfarrer KR Josef Klobassa befindet die Zusammenarbeit der beiden Pfarren Remšnik

und Oberhaag als sehr positiv und erfolgreich. Dies spiegelt sich auch im gemeinsamen

Wiederaufbau der Kirche St. Pongratzen wider.

Vor allem die Tatsache, dass der Oberhaager Pfarrer KR Josef Klobassa Slowenisch spricht,

erleichterte ihm von Beginn an die Zusammenarbeit. Bereits als er das erste Mal bei den

Eröffnungsfeierlichkeiten in St. Pongratzen war, hatte er aufgrund seiner

Slowenischkenntnisse, keine Schwierigkeiten in ein Gespräch zu kommen:

„Und äh da sitz i, drüben sind a paar Standler g’wesen und so aha, bin i

zuwigangen und äh für mi wars insofern leicht, i habs dann mit slowenisch

ang’redt…Austria göll, Jo jo Austria jo, jo Slowenisch…Jo und dann war der

Kontakt scho hergestellt ne.“380

Auch bei seinem Amtsantritt in der Pfarre Oberhaag konnte daher schnell ein

grenzüberschreitender Kontakt aufgebaut werden, da bereits bekannt war, dass er der

slowenischen Sprache mächtig ist.

„Jo a paar Tag wie i da war, äh, do sind von drüben von Remschnigg scho a paar

Leut‘ hergangen zu mir, weil sie gewusst haben, dass i do Pfarrer worden bin und

dass i Slowenisch kann und so weiter - jo wie wird des jetzt werden und des is

praktisch - und jo und - kann ma reden mit ihnen und so weiter.“381

Die Grenze erschwerte die Hilfeleistungen von österreichischer Seite. Zwar war es laut

Pfarrer KR Klobassa kein Problem, wenn man sagte, dass es sich um eine Spende handelte.

„Wir haben das dann so gemacht, dass ma g’sagt haben, pass auf des is a Spende, war kein

Problem, ma hat nur müssen sagen, des is a Spende.“382 Der offizielle Weg über die Grenze

musste jedoch eingehalten werden, das heißt, dass entweder der Grenzübergang Spielfeld oder

Radlpass für den Transport benutzt werden musste. Dies bedeutete konkret, dass ein Umweg

von 40 bis 90 Kilometer in Kauf genommen werden musste. Um dies zu vermeiden wurden

kleinere Spenden, wie zum Beispiel Messkleider, Kerzen, etc. geschmuggelt.

380 Heimgang des Pfarrherrn von Oberhaag. In: Grenzlandbote, Nr. 12/1971, S. 12. 381 Interview mit Pfarrer KR Josef Klobassa. 382 Ebda.

85

“Oder du hast es schwarz rüber bracht, des i a gangen, wenn Gottesdienst war,

hast was mitrauf gnommen, bitte nimms mit, fertig, hat eh keiner kontrolliert

drüben dann fertig.“383

Ein Bedarf an Ausstattung für Messen wie zum Beispiel Kerzen, Messkleider, etc. war

durchaus vorhanden, da diese in Jugoslawien teuer zu erstehen waren. „Zum Beispiel

Messkleider, Kerzen und so weiter kriegt er drüben net oder war sehr teuer und so weiter mit

n Dinar, hab i gsagt pass auf i kauf da des da und so weiter und bring das dann aufi.“384 So

kaufte Pfarrer KR Josef Klobassa diese in Österreich und brachte sie offiziell, aber auch

inoffiziell über die Grenze.

Inoffiziell lief der Transport vor allem im Zuge der in St. Pongratzen stattfindenden

Messfeierlichkeiten statt. So brachte Pfarrer KR Josef Klobassa Gegenstände für die Messe

mit nach St. Pongratzen, die danach nach Remšnik mitgenommen wurden. Kontrollen fanden

hierbei nie statt.

„Es ist ja darum gegangen wieviel Wert das hat, wieviel man zahlen muss, musst

Zoll zahlen und so weiter, aber Kerzen haben ma sagt haben ja net viel Wert, jo

ok, is schwieriger, hab zum Pfarrer g’sagt, jo nimm’s mit und fertig, brauchst du

bei der Messe, ja is klar, dass des Schmuggel war, aber wenn mi wer gfragt hätt,

jo des g’hört dem Pfarrer, net.“

Mit dem Schmuggel war auch immer eine gewisse Angst, entdeckt zu werden, verbunden.

Vor allem der Remšniker Pfarrer hätte sich vor Kontrollen der Miliz gefürchtet. „Jo aber er

hat si oft net mitnemman traut über die Grenz, wenn er kontrolliert wird, hättens g‘sagt, jo

schau der Pfarrer schmuggelt, ne.“385

Es kam auch vor, dass Pfarrer KR Josef Klobassa einfach der Miliz mitteilte, dass er ein paar

Kerzen für den Pfarrer Remšnik mitgebracht hatte und diese ohne Probleme über die Grenze

gebracht werden konnten. „Ab und zu hab schon g’sagt zu die Miliz, dass i was mitgebracht

hab, nur Kerzen und was weiß i.“386

383 Interview mit Pfarrer KR Josef Klobassa. 384 Ebda. 385 Ebda. 386 Ebda.

86

8.7 Der Zugang zur Kirche

Die Regelung des Zugangs von österreichischer Seite zur Kirche erfolgte durch ein

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik

Jugoslawien. Dieses trat am 26. Mai 1967 in Kraft und ermöglichte österreichischen

Kirchenbesuchern den kürzesten Zutritt.

In einem Notenwechsel vom 26. April desselben Jahres wurde dieser Wunsch wie folgt

tituliert:

„Vom Wunsche geleitet, den österreichischen Teilnehmern am Kleinen

Grenzverkehr zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen

Föderativen Republik Jugoslawien an bestimmten Tagen den kürzesten Zutritt zu

der auf jugoslawischem Staatsgebiet gelegenen Kirche St. Ponkratzen zu

ermöglichen [...].“387

In weiterer Folge schlägt die Österreichische Bundesregierung den Abschluss nachstehender

Vereinbarung vor:

1. Die Inhaber von österreichischen Ausweisen für den Kleinen Grenzverkehr

dürfen zum Besuch der Kirche St. Ponkratzen die Staatsgrenze auf dem

Übergang zwischen den Grenzsteinen XII/60 und XII/61 überschreiten.

2. Das Überschreiten der Staatsgrenze ist beim Eintritt und Austritt an

folgenden Tagen in der Zeit von 9 Uhr bis 13 Uhr gestattet:

— Ostermontag

— 12. Mai

— 1. Sonntag nach dem 12. Mai

— Pfingstmontag

— 17. Juli

— 1. Sonntag nach dem 17. Juli

— 1. Sonntag im September.

387 BGBl. Nr. 177/1967. Ausgegeben am 20. Juni 1967.

87

3. Der Aufenthalt auf jugoslawischem Staatsgebiet ist nur in der Kirche St.

Ponkratzen und im Bereich unmittelbar um die Kirche gestattet.

4. Nach Beendigung der Feierlichkeiten haben die oben genannten Personen bei

der Rückkehr nach Österreich die Staatsgrenze wiederum an dem im Punkt 1

bezeichneten Übergang zu überschreiten.

5. Für die Verbringung von Waren werden die für den Kleinen Grenzverkehr

zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen

Republik Jugoslawien geltenden Bestimmungen angewendet.

6. Jede der beiden Regierungen kann diese Vereinbarung unter Einhaltung einer

Frist von 30 Tagen jederzeit schriftlich kündigen.388

Am 18. Juli 1984 wurde in Belgrad ein weiteres Abkommen zwischen Österreich und

Jugoslawien unterzeichnet und trat mit 1. Februar 1985 in Kraft.389 Dieses beinhaltete den

touristischen Grenzverkehr zwischen diesen beiden Ländern.

„43. Abkommen zwischen der Österreichischen Bundesregierung und dem

Bundesvollzugsrat der Versammlung der Sozialistischen Föderativen Republik

Jugoslawien über den alpinen Touristenverkehr im Grenzgebiet.“390

Um, wie es im Abkommen heißt, die gutnachbarlichen Beziehung zu fördern, wurde es den

Staatsbürgern Österreichs und Jugoslawiens erlaubt, an gewissen Grenzübergängen und auf

den entlang der Staatsgrenze führenden Wegen die Grenze zu überschreiten bzw. sich „[…]

im Gebiet des anderen Vertragsstaates unter Einhaltung der markierten Wege in beiden

Richtungen […]“391 zu bewegen und bestimmte Ausflugsziele zu besuchen.

388 BGBl. Nr. 177/1967. 389 Zwar waren bereits zuvor drei Abkommen über den alpinen Touristenverkehr im Grenzgebiet abgeschlossen worden, jedoch bezogen diese auf Grenzgebiete in Kärnten und auf Großwalz – Sv. Duh. 390 BGBl. Nr. 43/1985. Ausgegeben am 29. Jänner 1985. 391 Ebda.

88

Dabei musste ein gültiger Reisepass bzw. für österreichische Staatsbürger ein seit weniger als

fünf Jahren abgelaufener Reisepass oder ein Grenzausweis für den Kleinen Grenzverkehr

mitgeführt werden.392

Für den die Kirche St. Pongratzen betreffenden Grenzraum werden im Abkommen die beiden

Grenzübergänge Radlpass – Radlje und Oberhaag – Remšnik genannt.393 So durfte man

„[v]om Grenzübergang Radlpaß — Radlje, Grenzstein XIII/78, bis zum

Grenzübergang Oberhaag— Remšnik, Grenzstein XII/35, unter Benützung jener

Wege auf österreichischem und jugoslawischem Gebiet, die bei den Grenzsteinen

XIII/78 bis XIII/52, XIII/33, XII/137, XII/122, XII/121, XII/120, XII/102, XII/92,

XII/90, XII/65, XII/ 62, XII/61, XII/60, XII/46, XII/45, XII/35 die Staatsgrenze

berühren, überqueren oder entlang der Staatsgrenze über den Klement Kogel,

Kote 1052, Kapuner Kogel (Kapuner), Jäger Kreuz, Kote 983, und die Kirche St.

Ponkratzen (Sv. Pankracij) führen.“394

Ausflugsziele zu denen man sich in diesem Grenzabschnitt begeben konnte, waren auf

österreichischer Seite das Gasthaus Wutschning, welches ca. 500 Meter unterhalb St.

Pongratzens befindet und auf jugoslawischer Seite der Ort Remschnigg (Remšnik) und die

Kirche St. Ponkratzen (Sv. Pankracij).395

Der Grenzübertritt und die Wegebenützung waren für diesen Grenzabschnitt Radlpass

(Radlje) bis Schlossberg (Gradišče) vom 1. März bis zum 30. November von Sonnenaufgang

bis –untergang erlaubt.

Beide Abkommen wurden zwischen Österreich und der Republik Slowenien erneut bestätigt.

Mit dem Beitritt Sloweniens zur Europäischen Union und der Ausweitung des Schengen-

Raumes auf Slowenien am 21. Dezember 2007 wurde dieses Abkommen hinfällig, da die

Grenze entlang ihres Verlaufes nun ohne Formalitäten übertreten werden kann.

392 Vgl. BGBl. Nr. 43/1985. Ausgegeben am 29. Jänner 1985. 393 Die im Abkommen genannten Grenzübergänge waren Mittagskogel – Kepa – Stol, Steiner Alpen – Kamniške Alpe, Petzen – Peca, Radlpass – Radlje, Radlberg – Radlje, Remschnigg – Remšnik, Schlossberg –Gradišče, Großwalz – Duh na Ost. Vgl. ebda. 394 Ebda. 395 Vgl. Ebda.

89

8.8 Die Wahrnehmung der Grenze

Durch das Abkommen zwischen Jugoslawien und Österreich wurde der Zugang zur Kirche

zwar geregelt, jedoch wirft dies auch die Frage auf, ob und inwieweit die Grenze, vor allem

an den Tagen, an denen gefeiert wurde, wahrgenommen wurde.

Der Grenzübertritt war an denen im Abkommen festgehaltenen Tagen gestattet und

Zollwachebeamte bzw. Miliz waren zugegen, aber es erfolgten keine Kontrollen:

„Unsere Zoll - also Zöllner, wie ma sagt - unsere Zollwache, die haben eine

Station gehabt, die haben natürlich Dienst gemacht an diesen Tagen, da hast auch

einen Ausweis mitnehmen müssen - einen Pass. Aber an diesen Tagen, wo

Gottesdienste waren, wo gefeiert wurde, war freier Grenzübertritt. Da war

überhaupt nix notwendig g’wesen - keine Kontrolle war. Nur die Miliz, da von

der anderen Seite, da haben zwei oder drei Dienst gemacht. Von unserer Seite

haben‘s auch Dienst gemacht -der Melmer hat oft Dienst gemacht, der Schwab,

Stingl Peter und so. Die halt Zöllner waren. Rund um die Kirche war‘s von bis ein

bis 2 Uhr offen, also dann ist eh zugesperrt worden. Also, da hat keiner gefragt,

und die Kirche war zollfreie Zone und jetzt ist es sowieso – jetz‘ kann runter

gehen, wer will!“

Wie Pfarrer KR Josef Klobassa berichtet auch Josef Loibner:

„Der Grenzübergang hat muasst besetzt sei, jetz‘ is‘ aber kontrolliert worden.

Grenzübergang is‘ da g’wesen, besetzt hat er musst sein - besetzt, aber

kontrolliert hat keiner.“ 396

Aus den Interviews geht hervor, dass es Slowenen möglich war, das österreichische

Staatsgebiet zu betreten, aber das jugoslawische Staatgebiet wurde streng bewacht.

„Wenn in St. Pongratzen a Fest war, do war‘s hinter der Kirche unten im Wald

hermetisch abg‘riegelt, do hab‘n sie [die Grenzsoldaten] sich zurück’zogen, a

Stückl in den Wald. Auf österreichischer Seiten war‘s wurscht.“ 397

396 Interview mit Josef Loibner. 397 Interview mit Walter Stelzl.

90

Da der Grenzübertritt an diesen Tagen von 9 bis 13 Uhr nicht kontrolliert wurde, nutzten

einige Slowenen die Möglichkeit und nahmen an den Festen beim Gasthof Wutschning teil.

Aus Angst vor Konsequenzen hätten aber viele den Bereich der Kirche nicht verlassen.

„Die [Slowenen] sind immer schon runter g’gangen, bis im 92er Jahr net. Es war

immer Polizei und Militär oben - hab‘n eh net kennt, wen‘s net kennt hab’n.

Hab‘n eh net kennt, ob‘s a Slowene is‘ oder ein Österreicher.“398

Aus Angst vor Konsequenzen, sei auch der Pfarrer von Remšnik der Einladung zum Gasthof

Wutschning erst nach der Absprache mit der Miliz gefolgt.

„Es hat nie, wer was gesagt, wenn i den Pfarrer eingeladen hab zum

Runtergehen. Er hat sich zuerst nicht getraut und i hab dann mal die Miliz

gefragt, ob sie was dagegen haben, wenn er mit runtergeht. […] Da hat er gehen

dürfen.“399

Selbst einige Milizsoldaten seien der Einladung Pfarrer KR Josef Klobassas gefolgt und sind

mit zum Gasthaus gegangen.

„Ah, ein paar Mal ist sogar die Miliz mit runterg‘gangen, und so weiter, sind

selber mit runter und i hab sie dann eingeladen auf ein Getränk - jo schutpi

Kamarodi - und so weiter.“400

Es war jedoch von den jeweils stationierten Milizsoldaten abhängig, ob der Übertritt über die

Grenze erlaubt wurde. „Manche haben dann gesagt, na der soll drüben bleiben, des is‘ klar,

wenn der dann was schmuggelt und so weiter. Na, i hab nie, nie welche Schwierigkeiten

g’habt.“401

„Wenn die Serben da waren, meistens haben die Serben da Dienst gemacht, als

Zöllner, die Miliz, die waren schon streng, aber die anderen, die da von der

Gegend waren auf der andern Seite, die, na, die waren menschlicher.“402

398 Interview mit Pfarrer KR Josef Klobassa. 399 Ebda. 400 Ebda. 401 Ebda. 402 Ebda.

91

Auch Josef Skurnigg berichtet von der Strenge der Miliz folgendes:

„Ah Grenz is a Grenz, am 1. Mai is‘ immer Messe oben beim Kreuz, beim

Jägerkreuz, hast an Schritt überumma über die Grenz g‘macht, hat die schon

einer g‘habt, da war‘n sie mehr genau, alle von Serbien rauf, einheimische sind

net viele g’wesen.“403

Außerhalb dieser „St. Pongratzen-Tage“ wurde die Grenze jedoch als streng und „Gefahr“

wahrgenommen. So berichtet Walter Stelzl von einem Zwischenfall, der knapp unterhalb der

Kirche St. Pongratzen passierte:

„Die Grenz war ganz streng. Da hast kan Zentimeter über die Grenz gehen

dürfen. Einmal sind ma sogar verhaftet worden, da Toni und i. Erst nach dem

Umsturz war‘n die Streifen weg. Da Toni is‘ einen Schritt über die Grenz‘ rüber,

oder er war knapp an der Grenz, ich weiß net, ob er schon drüben war. Jedenfalls

war‘n zwei Soldaten mit den Maschinengewehren im Anschlag sofort da und

hab‘n uns abg‘führt. Des war unterhalb von St. Pongratzen. Des war immer so

streng. Wir haben beides, Grenzschein und Pass nicht mitg‘habt. Beim kleinen

Grenzübertritt, wo die Kaserne war, hat uns a österreichischer Zöllner ausg‘löst,

der hat mit ihnen g‘redt, die Daten austauscht und dann hab’n ma können

gehen.“404

Vor allem an der südsteierisch-jugoslawischen Grenze war eine solche Situation, wie oben

geschildert, keine Seltenheit, da die Grenze direkt neben Wanderwegen bzw. Straßen verläuft

und diese Wege immer wieder das jeweilige Staatsgebiet verlassen. So berichtete auch Pfarrer

KR Josef Klobassa von einem Schulwandertag der Volksschule Oberhaag, an dem die

Wanderung entlang der Staatsgrenze führte und die Kinder von den Milizsoldaten gewarnt

wurden, den Weg entlang der Grenze nicht zu verlassen.

Laut Klobassa saßen die Milizsoldaten oft im Gebüsch neben dem Weg, gaben Anweisungen,

wie weit man gehen durfte und warnten vor dem Grenzübertritt.

403 Interview mit Josef Skurnigg. 404 Interview mit Walter Stelzl.

92

8.9 Gelebte Nachbarschaft - Bedeutung der Kirche

Nach der Wiedereröffnung wurden die früher üblichen Wallfahrten nach St. Pongratzen

wieder aufgenommen. Seit den 1970er Jahren werden in St. Pongratzen siebenmal im Jahr

Gottesdienste gefeiert, an denen die zahlreichen Besucher von österreichischer und

slowenischer Seite die Möglichkeit haben, Kontakte zu knüpfen und Neuigkeiten

auszutauschen.405

„An den erwähnten sieben Tagen werden die Grenzsteine um die Kirche ignoriert.

In Scharen pilgern die Bauern der umliegenden steirischen und slowenischen

Gemeinden zum Gottesdienst der in deutscher und slowenischer Sprache

abgehalten wird. Ringsum stehen Verkaufsbuden und man kann nicht nur in

Deutsch oder Slowenisch bestellen, man kann auch mit Schilling oder Dinar

bezahlen. Die Jungen verstehen sich oft nur durch Gesten oder Wortbrocken, aber

die alten Bauern des Remschniggs reden in beiden Sprachen. Alte

Bekanntschaften werden erneuert oder aufgefrischt. Verwandte treffen sich oder –

was bei der Jugend gar nicht selten ist – lernen sich kennen. […] Sogar die

gestrengen Zollbeamten der beiden Staaten stehen beisammen und kosten einmal

da oder dort von dem Angebotenen.“406

An den Verkaufsständen werden unterschiedlichste Waren angeboten. Kramberger führt an,

dass „Lebzelt aus Eibiswald oder Windischgraz, Würste aus Hohenmauten oder Oberhaag,

Bier aus Steiermark und Wein aus Slowenien werden genossen.“407

Das angebotene Sortiment hat sich seit den 1970er Jahren zwar gewandelt, aber es befinden

sich noch immer Verkaufsbuden um die Kirche herum.

„Um die Kirche, die keine fünf Meter >drüben< steht, sind Kramerstände

aufgebaut. Wein, Bier und Schnaps wird ausgeschenkt. Steirer von hüben und

drüben braten Würste, kaufen slowenische Holzrechen, Werkzeugstiele,

Birkenbesen, hölzernes Kinderspielzeug.“408

405 Vgl. Maritschnik: Land an der Grenze. 1995, S. 179. 406 Kramberger: St. Pongratzen. 1971, S. 167. 407 Ebda. 408 Brettschuh, Gerald: Brief an Inge Morath. In: Inge Morath. Grenzräume. Obmejni Prostori. Ein Projekt von Graz 2003. Hrsg. Regina Strassegger. München: Prestel Verlag 2002, S. 198.

93

Südlich und westlich des Gotteshauses verkaufen Slowenen Speisen, Getränke, aber auch

Erzeugnisse aus der Umgebung. Neben Holzwerkzeugen sind auch Korbwaren, die von

Bauern der Umgebung in Handarbeit angefertigt werden, erhältlich.

„Und irgendwann dann haben sie drüben angefangen dass an diesen Sonn- und

Pfingsttagen und so weiter heutzutag die Bauern ihre Werkzeuge verkaufen wie

Heugabeln und so weiter oder Kochlöffel, so Dinge die sie selber gemacht haben,

auch jetzt tun sie das noch, Rechen, Heugabeln oder auch Vasen aus Holz so

verschiedene Dinge die man verkauft.“409

Auf österreichischer Seite, ca. fünf Meter nordöstlich der Kirche, gibt es einen Stand, wo

Getränke und eventuell Würste verkauft werden. Weitere Verkaufsstände mit diversen

Jahrmarktswaren von Österreichern gibt es eigentlich nur zu Pfingsten. Diese werden jedoch

beim Gasthof Wutschnigg aufgestellt, da die Zufahrt zur Kirche von österreichischer Seite

nicht möglich ist. „Jo oben sind die slowenischen Standler, die österreichischen sind net

raufg‘gangen, sie kommen rauf a net!“410

Zwar wurde und wird auch oben bei der Kirche konsumiert und gefeiert - „Steirisch,

Windisch, Slowenisch und >Daitsch< wird geredet und gesungen.“411 - aber für viele

Österreicher fand und findet dann das eigentliche Fest unten beim Gasthof Wutschning statt.

„Ich war in meiner Jugend fast bei jedem Fest in St. Pongratzen. Die Messen

waren auf Deutsch und Slowenisch. Um 10 Uhr wars auf Slowenisch und um 11

Uhr auf Deutsch. Die Österreicher und Slowenen waren extra in der Kirche. Das

Fest war dann herunten beim Mutschnik. Wenige Slowenen sind

runterkommen.“412

Die meisten Österreicher bleiben aber nur kurz oben bei der Kirche, denn der eigentliche

Frühschoppen findet weiter unten beim Gasthof Wutschning statt. Dort gibt es Speisen,

Getränke und Musik. Ein fix installierter Tanzboden zeugt noch von der

„Volksfeststimmung“, die hier oft aufkam bzw. auch noch aufkommt. „Des Festl war lustig,

409 Interview mit Pfarrer KR Josef Klobassa. 410 Interview mit Josef Loibner. 411 Brettschuh: Brief an Inge Morath. 2002, S. 198. 412 Interview mit Walter Stelzl.

94

Musik hot immer gspült und a Haufn Leut worn immer. Es war fast immer a klans Volksfest

obn.“413

2003 besuchte Inge Morath St. Pongratzen und schrieb in einem im Zuge der Kulturhauptstadt

Graz erschienen Buch:

„Der Grenzstein vor der Kirche von Sankt Pongratzen/Sveti Pankrac, der früher

einmal die Grenze mitten durch die Kirche angezeigt hat, bekommt

erfreulicherweise immer mehr Museumscharakter. Jeden Pfingstmontag feiern die

österreichischen Steirer und die slowenischen Steirer gemeinsam ihr Kirchen-

Grenzfest. Mit Musikkapellen, Feuerwehr, Jägern, Prozession, ‚Himmel-Tragen’.

Da spürt man, wie sehr die Grenze sich hier zum Guten verändert hat. Hoffentlich

geht’s weiter so.“414

Gerhard Brettschuh schrieb folgenden Brief an Inge Morath:

„Von uns weg liegt eine dreiviertel Stunde bergauf eine mehrhundertjährige, dem

hl. Pankratius geweihte Wallfahrtskirche, die bald nach der Unabhängigkeit

Sloweniens 1991 wieder in Stand gesetzt wurde. – Soweit ich mich erinnere,

wolltest Du dort ja auch photographieren. – Wir gehen seit über zwanzig Jahren

am Pfingstmontag mit Freunden von Arnfels aus denselben Weg wie seinerzeit mit

Eltern und Geschwistern zum Pongratzenkirchtag der Offenen Grenze. Um die

Kirche, die keine fünf Meter ‚drüben’ steht, sind Kramerstände aufgebaut. Wein,

Bier und Schnaps wird ausgeschenkt. Steirer von hüben und drüben braten

Würste, kaufen slowenische Holzrechen, Werkzeugstiele, Birkenbesen, hölzernes

Kinderspielzeug. Steirisch, Windisch, Slowenisch und ‚Daitsch’ wird geredet und

gesungen. Ich hoffe, Du kannst das alles bei schönem Sommerwetter

photographieren und eine echte steirische Grenzgaudi!“ 415

Bis 2008 gab es an jedem dieser sieben Tage zwei Messen. Eine fand um 10 Uhr in

slowenischer, die zweite um 11 Uhr in deutscher Sprache statt. Seit zwei Jahren werden nun

413 Interview mit Walter Stelzl. 414 Inge Morath. Grenzräume. Obmejni Prostori. Ein Projekt von Graz 2003. Hrsg. Regina Strassegger. München: Prestel Verlag 2002, S. 192. 415 Brettschuh: Brief an Inge Morath. 2002, S. 198.

95

die Gottesdienste gemeinsam vom Remšniker und Oberhaager Pfarrer abgehalten. Seit 2006

wird auch eine gemeinsame Christmette zelebriert.

Der gemeinsame Gottesdienst hat den Vorteil, dass aufgrund von Pfarrzusammenlegungen auf

slowenischer wie auch auf österreichischer Seite die Durchführung erleichtert wird. So wird

nun seit einigen Jahren Remšnik von der Pfarre Brezno mitbetreut, wodurch die Abhaltung

der Zehnuhrmesse in St. Pongratzen nicht mehr bzw. erschwert möglich wurde. Wenn in St.

Pongratzen gefeiert wird, finden zwar keine Gottesdienste in Remšnik statt, jedoch in Brezno

schon. Im Gegensatz zu Remšnik findet in der Pfarre Oberhaag an diesen sieben St.

Pongratzen-Tagen trotzdem eine Messfeier statt. Dies ist auch der Grund, warum die

österreichische Messe immer erst um 11 Uhr in St. Pongratzen zelebriert wurde.

Ein weiterer Grund für die Messzusammenlegung liegt im Besucherrückgang, der sich in den

letzten Jahren verstärkt hat. Für Pfingsten, den Alexitag und den 1. Sonntag im September ist

dieser Rückgang nicht zu verzeichnen.

Der gemeinsame Gottesdienst wird wie folgt gestaltet:

„Die Lesungen in den beiden Sprachen schreiben und die Predigt in Slowenisch

und macht a wengal in Deutsch und so dass ma alle was haben, und beim Singen

ist so, der kommt meistens mit rüber der Kirchenchor Remschnig und dann sing

ma so noch was Deutsches.“416

Nach der Unabhängigkeit und vor allem nach dem Beitritt Sloweniens zur Europäischen

Union verschwand die Grenze zusehends. Dies spürten auch die Grenzbewohner. „Nicht dass

man vorher Schwierigkeiten, Probleme gehabt hätte, aber das Gefühl war anders.“417

Bezüglich St. Pongratzens ist nicht von einer direkten Intensivierung der ab 1966

aufkommenden Kontakte zu sprechen, da, so wie schon damals, noch immer an diesen sieben

Tagen im Jahr gemeinsam in dieser Kirche gefeiert wird. Die Tage, die 1967 festgelegt

wurden, sind noch immer die gleichen. Einzig zu Weihnachten wird nun auch die Christmette

von Slowenen und Österreichern gemeinsam gefeiert.

„Und was mi imponiert hat: Oben bei der Metten, da jo für die Österreicher da

wurden Fürbitten ghalten und dann hob ma gsungen, zum Beispiel Stille Nacht

Heilige Nacht. Die Slowenen auf Slowenisch, die Österreicher auf Deutsch, jeder

416 Interview mit Pfarrer KR Josef Klobassa. 417 Interview mit Walter Stelzl.

96

in seiner Sprache, gemeinsam, Stille Nacht Heilige Nacht, i hob laut

g‘sungen.“418

Verändert hat sich nur die Grenze, die mehr und mehr unsichtbar wurde. Niemand muss mehr

darauf achten, dass man sich um 13 Uhr wieder auf seiner Seite der Grenze befindet.

9 Fördernde Projekte zum Abbau von Grenzen

Die Kirche St. Pongratzen gehört zur Pfarre Remšnik und steht auf dem Gebiet der Gemeinde

Radlje ob Dravi. Sie grenzt an die steirische Gemeinde Großradl sowie an die Pfarre

Oberhaag. Nicht allein das Gotteshaus trägt den Namen St. Pongratzen, sondern ein Ortsteil

der Gemeinde Großradl heißt ebenfalls St. Pongratzen.

Auf beiden Seiten der Grenze sind fördernde Maßnahmen im Bereich des Tourismus und der

Infrastruktur notwendig. Daher schlossen sich die drei Gemeinden Remšnik/Radlje, Oberhaag

und Großradl 1999 im Rahmen der europäischen Gemeinschaftsinitiativen INTERREG und

PHARE CBC419 zusammen und gründeten, in Hinblick auf den EU-Beitritt Sloweniens, die

„Europakleinregion St. Pongratzen – Mala Evropska Regija Sv. Pankracij“. Die gemeinsame

Kommission setzt sich aus je fünf Mitglieder der drei Gemeinden zusammen.

Ziel dieser Fördergemeinschaft ist es gemeinsame Aktivitäten zu entwickeln,

Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung für neue Gemeinsamkeiten zu fördern und den

Kontakt zu den EU-Behörden zu halten.

Der behördliche Kontakt erfolgt in der Steiermark über die Landes- und

Regionalplanungsabteilung der Steirischen Landesregierung (INTERREG II Programm) und

in Slowenien über die MEOR Ljubljana und Maribor (PHARE CBC).420

Vier konkrete Projekte wurden formuliert:

• Renovierung der Aussichtswarte St. Pongratzen

• Straßenverbindung zwischen den Gemeinden Großradl und Remšnik/Radlje 418 Interview mit Josef Loibner. 419 Das PHARE CBC (PHARE-Crossborder-Cooperation Programm) wurde 1995 geschaffen, um die zuvor nur auf das EU-Gebiet beschränkte INTERREG Initiative auch über die EU-Außengrenze hinaus auszudehnen. Vgl. Wurditsch: INTERREG IIIA. 2009, S. 13. 420 Vgl. Loibner, Josef: St. Pongratzen. Das Wallfahrtskirchlein an der Grenze zur Steiermark. In: Viharnik. Gozdno gospodarstvo slovenj gradec. Nr. 7/2000, S. 3.

97

• Genussradeln

• Ausflüge über die Grenze

Renovierung der Aussichtswarte St. Pongratzen

Um den Tourismus in der Region zu fördern, wurde die Renovierung der Aussichstwarte St.

Pongratzen durchgeführt. Im Zuge von INTERREG IIIA421 unter dem Projekttitel „The St.

Pancratious Lookout Tower – The Panorama Of Two Lands“, konnten an der Kirche St.

Pongratzen weitere Umbauten vorgenommen und der Kirchturm als Aussichtswarte renoviert

werden. So wurde 2003 die baufällige Holzaußentreppe auf den Aussichtsturm südseitlich

durch eine Eisenspindeltreppe ersetzt.422

Wurditsch betrachtet dieses Projekt

„[…] als gutes Beispiel einer unkomplizierten Kooperation. Sowohl Planung,

Umsetzung und Finanzierung wurden gemeinsam durchgeführt. Als positiver

Effekt gilt die Weiternutzung einer bereits bestehenden Infrastruktur.“423

Die Kosten für den Umbau zur Aussichtswarte beliefen sich insgesamt auf 20.000 Euro.

Dieser Betrag setzte sich aus 17.000 Euro öffentlicher Fördermittel, 10.000 vom

Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) sowie 3.000 Euro an Eigenmittel der

Projektträger zusammen.424

Im Rahmen des Projektes wurde auch ein Informationsfolder mit dem Titel „Sv. Pankracij.

Razgledni Stolp – St. Pongratzen. Aussichtsturm“425 erstellt. Darin beschreibt Christian

Draxler, Bürgermeister der Gemeinde Großradl, dass St. Pongratzen den Vorteil bietet,

„[…] sowohl süd- als auch nordwärts die wunderschöne Landschaft durch mehr

oder weniger kleine „Abstecher“ zu erkunden. Gerade solche Wege ermöglichen

dem Wanderer wesentliche Einblicke in die bäuerliche Architektur und das

frühere Leben der Bewohner diesseits und jenseits der Grenzen.“426

421 Das Ziel von INTERREG IIIA (2000-20006) ist die Förderung der grenzübergreifenden Zusammenarbeit benachbarter Gebiete und die Umsetzung gemeinsamer Entwicklungsstrategien. Vgl. Wurditsch: INTERREG IIIA. 2009, S. 13. 422 Vgl. Aussichtsturm. 2003, S. 9. 423 Wurditsch: INTERREG IIIA. 2009, S. 56. 424 Vgl. ebda., S. 58. 425 Aussichtsturm. 2003. 426 Ebda., S. 3.

98

Straßenverbindung zwischen den Gemeinden Großradl und Remšnik/Radlje

Ziel dieses Projektes war es eine Verbindungsstraße über die Grenze zwischen der Gemeinde

Großradl und dem Ort Remšnik zu bauen. Die Straße im Gemeindegebiet Großradl lief bis

fast an die Grenze, nur ein Stück von achthundert Meter musste überwunden werden. Die

Projektdurchführung wurde aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten hinausgezögert.

Obwohl die Planungsphase (Routenausarbeitung und Dokumentation) bereits im Jahr 2000

abgeschlossen war,427 konnte die Schotterstraße erst 2008 fertiggestellt. Die Kosten beliefen

sich auf 180.000 Euro und wurden beinahe zur Gänze aus Fördergeldern finanziert.428

Durch diese neue Verbindungsstraße konnte die Strecke von Großradl nach Remšnik bzw.

nach Slowenien sowie auch in die südlich gelegenen Gemeindeteile Oberhaags um einige

Kilometer verkürzt werden. Zuvor musste man entweder den Grenzübergang Radlpaß –

Radelje oder Oberhaag – Remšnik benutzen.

Genussradeln

Mit diesem Projekt soll ein verbindender Radweg zwischen den drei an der Kleinregion St.

Pongratzen beteiligten Gemeinden entstehen. Pfade existieren bereits in einzelnen

Abschnitten, jedoch fehlen teilweise Verbindungsstücke und die Markierung der

Radstrecke.429

Ausflüge über die Grenze

Durch Fahrten über die Grenze sollen die bilateralen Beziehungen gefestigt, engere Kontakte

geknüpft und neue Bekanntschaften gefunden werden.430

427 Vgl. Viharnik. Gozdno gospodarstvo slovenj gradec. Nr. 7/2000, S. 4. 428 Vgl. Grenzstrasse St. Pongratzen. In: Unser Großradl 3/2008, S. 3. 429 Vgl. Viharnik. Gozdno gospodarstvo slovenj gradec. Nr. 7/2000, S. 4. 430 Vgl. Viharnik. Gozdno gospodarstvo slovenj gradec. Nr. 7/2000, S. 4.

99

10 Resümee

Als Wallfahrtskirche für den regionalen Raum besaß und besitzt St. Pongratzen eine

besondere Anziehung. Mittlerweile sind 44 Jahre seit der feierlichen Wiedereröffnung,

welche den Beginn der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit markierte, vergangen. Im

Laufe dieser Zeit wandelte sich die Grenze und es veränderten sich die Rahmenbedingungen

der Kooperation. Eine vormals starre Grenze entwickelte sich sukzessive hin zu einer

verschwindenden Grenze, sodass nun von einer integrierten Grenzregion (integrated

borderland) gesprochen werden kann.

Durch die gemeinsamen Arbeiten und Feiern über die Grenze hinweg, konnten alte

Freundschaften und neue Bekanntschaften wieder entstehen. „Alte, fast vergessene

Beziehungen lebten wieder auf, neue Bekanntschaften entstanden, und auch viele Vorurteile

wurden abgebaut.“431 Integrationsarbeit vollzog sich beinahe unbemerkt und unbewusst.

Auch die Art der Zusammenarbeit entwickelte sich mit den Jahren weiter und wurde Routine,

wodurch sich gemeinsame regionale Projekte immer einfacher abwickeln ließen und lassen,

da man auf bereits vorhandene Strukturen und Kooperationspartner zurückgreifen kann.

Der „Fremde“ auf der anderen Seite der Grenze ist bekannt – ist ein Freund. Dadurch war die

Hemmschwelle in der Phase der EU-Integration und bei der Planung und Durchführung von

Projekten im Zuge von INTERREG niedriger. Man konnte auf bereits bestehende Kontakte

und Kooperationsstrukturen zurückgreifen. Dies spiegelt sich auch, wie Wurditsch

konstatierte, in der gemeinsamen Projektumsetzung wider.

Auf österreichischer Seite wird St. Pongratzen nicht als slowenisches Gotteshaus angesehen,

sondern als Kirche der Region. Auf die Frage, warum man sich am Wiederaufbau beteiligte,

Spenden sammelte, Feste mitgestaltete etc. bekommt man eine einfache Antwort, die sich aus

dieser Tatsache ergibt: Weil es auch unsere Kirche ist.

Vielleicht führt deswegen auch in manchen Artikeln und Berichten der Grenzverlauf noch

immer mitten durch das Gotteshaus, obwohl die Kirche eigentlich zur Gänze auf

slowenischem Staatsgebiet steht.

431 Sankt Pongratzen – Sv. Pankracij: Pionier der „Kirche ohne Grenze“. In: Leibnitz Aktuell, Nr. VII/1990, S. 11.

100

Trotz des gemeinsamen Wirkens bei der Wiederinstandsetzung und Erhaltung St.

Pongratzens, wurden die sieben Mal im Jahr stattfindenden Gottesdienste – abgesehen von der

Prozession zur Hubertuskapelle am Jägersonntag - getrennt abgehalten. Erst später, nach der

Jahrtausendwende wurde damit begonnen, auch gemeinsame Messen zu feiern. Gründe dafür

sind im Rückgang der Kirchenbesucher, sowohl auf slowenischer wie auch auf

österreichischer Seite, aber auch auf die verstärkte Integration zurückführen.

Josef Loibner beschreibt St. Pongratzen wie folgt: „Jo, jo, des is‘ es, do kommt man rauf,

trinkt a paar Bier miteinand‘ - des is‘ die Insel der Seeligen - oda a Viertel.“432

432 Interview mit Josef Loibner.

101

11 Quellen- und Literaturverzeichnis

11.1 Quellenverzeichnis Grenzenlos zweisprachig. Die Erinnerungen des Keuschlersohnes Anton Šantel (1845-1920)

an seine Kindheit in Leutschach und Jugend in Marburg. Aus dem Slowenischen von Andrea

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Interviews

Interview mit Pfarrer KR Josef Klobassa [2009-05-24].

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Interview mit Walter Stelzl vgl. Ranz [2009-03-12].

Interview mit Josef Skurnigg vgl. Sachernegg Keischn [2009-04-05].

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30. April 2004, S. 14.

„Mensch der Grenze zu sein, bedeutet auch eine große Verletzlichkeit“ Ein Gespräch

zwischen Ilse Pollack und Eduard Staudinger. In: Leibnitz Aktuell, Nr. VI/2001, S. 18f.

Sankt Pongratzen – Sv. Pankracij: Pionier der „Kirche ohne Grenze“. In: Leibnitz Aktuell, Nr.

VII/1990, S. 11.

Wo Höfe sterben und Kirchen verfallen. In: Südost-Tagespost vom 9. Juni 1958, S. 8.

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