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Institut für Operations Research Lehrstuhl Prof. Dr. Nickel Eine kritische Betrachtung der Entwicklungen im deutschen Rettungswesen Konzepte eines zukünftigen außerklinischen Versorgungssystems B.Sc. -Wi.-Ing. Jan Felix Gauger

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Institut für Operations Research Lehrstuhl Prof. Dr. Nickel

Eine kritische Betrachtung der Entwicklungen im deutschen Rettungswesen Konzepte eines zukünftigen außerklinischen Versorgungssystems

B.Sc. -Wi.-Ing. Jan Felix Gauger

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Inhaltsverzeichnis ii

INHALTSVERZEICHNIS

Abbildungsverzeichnis iv

1 Einleitung 5

1.1 Motivation .............................................................................................. 5

1.2 Aufbau der Arbeit ................................................................................. 6

2 Grundlagen der notfallmedizinischen Versorgung 7

2.1 Untersuchungsgegenstand .................................................................... 7

2.2 Historische Entwicklung des Rettungsdienstes ................................... 8

2.3 Krankentransport und Rettungswesen in Deutschland ................... 11 2.3.1 Begriffsabgrenzung Rettungsdienst ........................................... 11 2.3.2 Organisation und Durchführung des Rettungsdienstes .............. 12 2.3.3 Das deutsche System ................................................................. 14 2.3.4 Definition Notfall ....................................................................... 15 2.3.5 Definition Notsituation .............................................................. 15 2.3.6 Medizinisches Fachpersonal ...................................................... 16 2.3.7 Definition Hilfsfrist ................................................................... 18

3 Entwicklungen / Trends 21

3.1 Ausgangslage ........................................................................................ 21

3.2 Personalstruktur im Gesundheitsbereich .......................................... 23

3.3 Wandel des medizinischen Spektrums .............................................. 25

3.4 Demographischer Wandel .................................................................. 26

3.5 Auswirkungen / Prognosen ................................................................. 28

3.6 Problemstellung ................................................................................... 33

4 Aktuelle Situation und Änderungsvorschläge 34

4.1 Datenlage .............................................................................................. 34

4.2 Rechtliche Aspekte in Deutschland .................................................... 35

4.3 Begriffseinführungen .......................................................................... 36 4.3.1 NACA Score .............................................................................. 36 4.3.2 Münchner NACA Score (M-NACA) ......................................... 39

4.4 Kritik am NACA Score zur Indikation von Notarzteinsätzen ........ 40

4.5 Vorschlag für eine Neueinteilung von ärztlichen Einsätzen ............ 41 Skala 1: (zur Zeit: Notarzteinsatz) ......................................................... 44 Skala 2: (zur Zeit: Notfalleinsatz bzw. Notarzteinsatz) ......................... 44 Skala 3: (zur Zeit: Notfalleinsatz/ Primäreinsatz) ................................. 44

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Inhaltsverzeichnis iii

4.6 Auswirkungen der Überlegungen dieser Neuzuteilung von notärztlichen Einsätzen ........................................................................................................ 45

5 Praktizierte Planungsmethoden 46

5.1 Aktuelle Methode zur Ermittlung der Standorte ............................. 47

5.2 Aktuelle Methode zur Ermittlung der bedarfsgerechten Fahrzeugvorhaltung ..................................................................................... 51

6 Wissenschaftliche Standortmodelle 56

6.1 Statische und deterministische Modelle ............................................ 56 6.1.1 Das Location Set Covering Model (LSCM) .............................. 56 6.1.2 Das Maximum Covering Location Problem (MCLP) ............... 57 6.1.3 Kritische Betrachtung ................................................................ 60

6.2 Stochastische Modelle ......................................................................... 61

6.3 Relocation Modelle: ............................................................................. 62

6.4 Einbindung von Modellen in die Praxis des Rettungswesens .......... 62

6.5 Anpassung an weitere realistische Randbedingungen ..................... 64

7 Fazit lxvi

8 Empfehlungen 68

9 Literaturverzeichnis 70

A Anhang 76

Eigenständigkeitserklärung ......................................................................... 76

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Abbildungsverzeichnis iv

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Auszüge aus RD- Gesetzen ______________________________________ 14 Abb. 2: Rettungsmittel ________________________________________________ 15 Abb. 3: Hilfsfristen nach Bundesländer, eigene Darstellung __________________ 20 Abb. 4: Verteilung des Fahrtenaufkommens _______________________________ 22 Abb. 5: Normiertes Einsatzaufkommen, eigene Darstellung __________________ 23 Abb. 6: Konsequenzen des Ärztemangels für die Notfallrettung ________________ 25 Abb. 7: Gesellschaftliche Veränderungen _________________________________ 26 Abb. 8: Prognose über die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland ___________ 27 Abb. 9: Bevölkerungsaufkommen zwischen 1950 und 2050 ___________________ 28 Abb. 10: Prognose über das bundesweite Aufkommen an Notarztalarmierungen __ 29 Abb. 11: Aufkommen an Notarztalarmierungen ____________________________ 29 Abb. 12: Normierte Notarztalarmierungen und Notarztrate ___________________ 30 Abb. 13: Demographischer Wandel _____________________________________ 31 Abb. 14: Veränderungen der Krankheitsbilder _____________________________ 32 Abb. 15: Beispielberechnung Karlsruhe __________________________________ 32 Abb. 16: NACA Klassifizierung _________________________________________ 37 Abb. 17: MEES Score Einteilung _______________________________________ 38 Abb. 18: Münchner NACA Score (M-NACA) ______________________________ 40 Abb. 19: Notarztstandort Heidelberg, NACA Score Zuordnung ________________ 41 Abb. 20: Entwicklung der Notarzteinsätze anhand des Schweregrad NACA ______ 42 Abb. 21: Gegebenheiten und Diagnosen für einen indizierten Notarzteinsatzes ___ 43 Abb. 22: Mögliche Durchschnittsgeschwindigkeiten ________________________ 48 Abb. 23: Notarztstandortabdeckung in Baden-Württemberg, eigene Darstellung __ 49 Abb. 24: Standortabdeckung durch Rettungshubschrauber in Baden-Württemberg 50 Abb. 25: Verteilung der Fahrten nach Sonderrechten _______________________ 51 Abb. 26: Dichtefunktion und Häufigkeitsverteilung der Poissonverteilung _______ 52 Abb. 27: Arbeits- und Feiertage pro Jahr bezogen auf Baden-Württemberg _____ 53 Abb. 28: Wahrscheinlichkeit für das gleichzeitige Auftreten von x Notfällen _____ 54 Abb. 29: Rückfallebenen zum Abfangen von gleichzeitig auftretenden Notfällen ___ 55 Abb. 30: Das Location Set Covering Model _______________________________ 57 Abb. 31: Graph als Knotenmodell mit Einsatzschwerpunkten _________________ 59 Abb. 32: MEXCLP-Modell ____________________________________________ 61 Abb. 33: Planungsvarianten ___________________________________________ 64

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Einleitung 5

1 EINLEITUNG

1.1 Motivation

Das Rettungswesen ist ein wesentlicher Bestandteil der öffentlichen Aufgaben, die den Bürgern der Bundesrepublik Deutschland durch die jeweiligen Bundesländer bereitgestellt werden. Die Länder stellen hierzu Rettungsdienstpläne auf, die durch Rettungsdienstbereiche, Kommunen bzw. Stadt- und Landkreise zur Versorgung der Bevölkerung umgesetzt werden. Kommunale Rettungsdienstbetreiber, Hilfsorganisationen oder privatwirtschaftliche Unternehmen sind Betreiber des Rettungsdienstes und stellen damit die Leistungsträger dar.

Im Rettungswesen lassen sich folgende Trends beobachten: Einerseits nimmt die Zahl der Notfalleinsätze mit Notarztbegleitung kontinuierlich zu, andererseits nimmt die Zahl der tatsächlich indizierten Notarzteinsätze nach streng medizinischer Indikation (NACA IV–VI) stetig ab. Des Weiteren verzeichnen Krankenhäuser einen zunehmenden Mangel an Ärzten, der schon sehr zeitnah das Notarztwesen beeinflussen wird. Um die zukünftige Versorgung von Notfallpatienten auf einem hohen Niveau zu sichern, ist es notwendig, Trends auf der einen Seite zu identifizieren und andererseits die vorhandenen Strukturen und Konzepte neu zu überdenken. Ein trag- und leistungsfähiges Notarztsystem muss also auf die aktuellen aber auch auf zukünftige Entwicklungen adaptierbar sein.

Ziel dieser Arbeit ist es, zum einen die aktuelle Planungsmethodik des deutschen Rettungswesens zu analysieren und zum anderen Verbesserungspotentiale bei der Planung, Organisation und Durchführung des Rettungswesens zu identifizieren. Insbesondere soll untersucht werden, inwieweit Methoden aus dem Operations Research zur Verbesserung des Rettungswesens angewendet werden können.

Das Operations Research befasst sich als Teilgebiet der Angewandten Mathematik mit der Optimierung von Prozessen. So kann beispielsweise mit gegebenen Mitteln das maximale und bestmögliche Ergebnis erzielt werden. In Bezug auf das Rettungswesen können OR-Methoden den Standort von Rettungswachen und den dazugehörigen Abdeckungsbereich oder die Anzahl der vorzuhaltenden Rettungs- und Notarztwagen bestimmen.

Diese Arbeit versteht sich als Grundlagenarbeit im Bereich des Rettungsdienstes und soll als Einstieg die gängige Praxis zusammenfassen. Basierend auf den in dieser Arbeit besprochenen Methoden sollen zukünftig weitere Untersuchungen und vor allem Praxisanwendungen anknüpfen.

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Einleitung 6

1.2 Aufbau der Arbeit

Zunächst werden in Kapitel 2 die Grundlagen der aktuellen notfallmedizinischen Versorgung der Bundesrepublik Deutschland eingeführt. Dem Leser soll die Funktionsweise des Rettungsdienstes näher gebracht und durch Begriffsabgrenzungen eine Unterscheidung der verschiedenen Einsatzarten bewusst gemacht werden. Diese sind für das Verständnis der Operations Research Modelle wichtig, da je nach Einsatzart verschiedene Fahrzeuge ausrücken und eine unterschiedliche Dispositionsstrategie, je nach Dringlichkeit und Notfall, verfolgt wird. Die historisch gewachsene Form des Rettungsdienstes zeigt Strukturen auf, die heute sicherlich so nicht mehr zum Einsatz kommen würden.

In Kapitel 3 werden die bevorstehenden Herausforderungen an das Rettungswesen beleuchtet. Der Fokus liegt insbesondere auf den zukünftigen Entwicklungen hinsichtlich des Fahrtenaufkommens, des Personalbedarfes und dem damit verbundenen Planungsaufwand. Durch einen demographischen Wandel und Ärztemangel, verändern sich das Angebot und der Bedarf an Rettungsmitteln.

Kapitel 4 versucht Vorschläge zu unterbreiten, um weiterführende Dokumentationen im Rettungsdienst zu schaffen, die eine Unterscheidung zwischen einem ärztlichen und einem nicht-ärztlichem Notfalleinsatz ermöglicht. Auswertungen über Einsatzarten werden benötigt, um künftige Dispositionsentscheidungen, im Falle einer Kompetenzerweiterung für nichtärztliches Personal, zu erleichtern und Dispositionsentscheidungen auf fundierter Basis treffen zu können.

In Kapitel 5 wird die momentan gängige Planungspraxis detailliert erläutert.

Kapitel 6 führt in die Planung und zukunftsbedachte Entwicklung des Rettungswesens, mithilfe von OR Methoden, ein. Dabei wird versucht die gängige Vorgehensweise durch mathematische Methoden des OR zu erweitern und dadurch Optimierungspotentiale auszuschöpfen. Gerade in Anbetracht der sich verändernden Entwicklungen wird eine vorausschauende, mit wissenschaftlichen Methoden fundierte Planung unabdingbar. Die konkrete Anwendung anhand von real durchgeführten Modellen soll in weiterführenden Arbeiten vertieft werden.

Abschließend wird in Kapitel 7 eine Bewertung der aktuellen Planungspraxis vorgenommen und eine Empfehlung zur Weiterentwicklung des deutschen Versorgungssystems im Rettungswesen gegeben. Kapitel 8 fasst die Empfehlungen zusammen.

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Grundlagen der notfallmedizinischen Versorgung 7

2 GRUNDLAGEN DER NOTFALLMEDIZINISCHEN VERSORGUNG

2.1 Untersuchungsgegenstand

Im Jahre 2006 wenden die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland ca. 2,14 Milliarden Euro für Krankentransporte und Notfalltransporte auf.1

Der Rettungsdienst ist eine öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge und liegt nach Artikel 30, 70, 72, 74, und 83 des Grundgesetzes (GG) in der Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer. Aufgabe des Rettungsdienstes ist die bedarfsgerechte, hilfsfristorientierte, und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit den Leistungen der Notfallrettung – mit und ohne Notarzt – und des Krankentransports als medizinisch-organisatorische Einheit der Gesundheitsfürsorge und Gefahrenabwehr.

2

Jeder Bürger hat einen gesetzlich garantierten Anspruch auf eine flächendeckende, hilfsfristorientierte qualifizierte Hilfe, die dem jeweiligen Stand des medizinischen Wissens und der Technik entspricht und rund um die Uhr an jedem denkbaren Ort sicherzustellen ist.

3

Ein steigendes Einsatzaufkommen im Rettungsdienst und der Notfallversorgung und weitere Herausforderungen durch strukturelle Änderungen im Gesundheitssystem, durch den Anstieg der Pflegebedürftigen, soziale Strukturänderungen und ein demographischer Wandel der Bevölkerung, einhergehend mit einem ansteigendem Ärztemangel und finanziellen Engpässen vieler Krankenhäuser, erfordern ein Umdenken und ein strategisches Konzept einer überarbeiteten, neuen Versorgungsstruktur des Rettungswesens in Deutschland. Die finanziellen und personellen Engpässe von Krankenhäusern zusammen mit einer systemimmanent bedingten Fehlinanspruchnahme der Notfallversorgungsstrukturen können zum Ausfall der notärztlichen Versorgung führen bzw. dazu, dass bereits heute eine notärztliche flächendeckende Versorgung nicht mehr rund um die Uhr unter Berücksichtigung der Hilfsfrist gesichert ist. Viele Gegebenheiten der präklinischen Versorgung ergeben sich aus den historisch gewachsenen Strukturen im Rettungsdienst. Gerade in Sachen Fahrzeugbemessungen, Effektivität und Effizienz und Organisationsstrukturen besteht ein großer Handlungsbedarf. Um auch in Zukunft klare, gesicherte Vorgaben einhalten zu können, stehen verschieden Optimierungswege zur Verfügung: Steigerungen der Wirtschaftlichkeit in der Planungsmethodik und Einsatzsteuerung, Auswahlverfahren zur Vergabe rettungsdienstlicher Leistungen, Integration privatwirtschaftlicher Rettungsdienstanbieter, Trennung in reine Rettungswagen und Mehrzwecksysteme und

1 Bundesministerium für Gesundheit (2008): Übersicht endgültiger Rechnungsergebnisse der GKV 2006 2 Koch, B. et al. (2008): Herausforderungen an die Notfallversorgung der Zukunft: „Regional Health Care“ (RHC) , S. 92, Notfall & Rett.med 3 Menhorn, Vera (2008): Die Leitlinien müssen eingehalten werden, in: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 105, S. 1956

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Wahl der Notarztsysteme sind Ansatzpunkte für Untersuchungen im Rettungswesen. Diese Arbeit legt den Schwerpunkt auf die Ausarbeitung im Bereich der Planungsmethodik und beschäftigt sich mit den Auswirkungen eines funktionierenden Notarztsystems. Ein funktionsfähiger, nachhaltig tragbarer und effizienter Rettungsdienst liegt aufgrund der evidenten Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung im allgemeinen Interesse. Schon aus diesem Grunde sollten die Zeichen der Zeit nicht verkannt und Reformen in Angriff genommen werden.

2.2 Historische Entwicklung des Rettungsdienstes

Die Versorgung von Notfällen war anfangs nur auf den militärischen Bereich beschränkt, bei der in zahlreichen Kriegen die Hilfeleistung für Verwundete stattfand. Ab dem 18. Jahrhundert begann sich die Hilfeleistung auch im zivilen Bereich zu etablieren4

Nach dem 2. Weltkrieg beschränkte sich das Spektrum der Patienten fast ausschließlich auf chirurgische Notfälle und davon wiederum fast ausschließlich auf Verkehrsunfälle. Bei der Rettung des Patienten verfuhr man damals nach dem System „Scoop and Run“, bei dem der Patient auf dem schnellsten Weg, ohne medizinische Versorgungsmaßnahmen vor Ort, in das nächstliegende Krankenhaus transportiert wurde. Dabei postulierte der Heidelberger Chirurg Martin Kirschner bereits 1938: „Nicht der Patient muss so schnell wie möglich zum Arzt, sondern der Arzt zum

, was sich auf private, vorwiegend kirchliche und caritative Initiativen zurück führen lässt. Diese beschränkte sich jedoch auf die Versorgung von Verletzten. Ein Transport zu Ärzten oder Krankenstationen wurde dem Zufall überlassen. Die damals tätigen Organisationen handelten ohne gesetzliche Rahmenregelungen, so dass kaum von einem systematisch organisierten Rettungsdienst die Rede sein konnte. Erst ab Ende des 18. Jahrhunderts begann auch der Transport, der durch „Krankenträger“ stattfand; dies war der Beginn der ersten organisierten Rettungsdienste. Sie wurden im öffentlichen Bereich angesiedelt und teils von Feuerwehren oder (freiwilligen) Rettungsdiensten übernommen. Nach und nach wurden nationale Gesellschaften gegründet, so auch das Rote Kreuz 1863, der Arbeiter Samariter Bund (ASB) 1909, der an die katholische Kirche angebundene Malteser Hilfsdienst und die Johanniter Unfallhilfe der evangelischen Kirchen. Bereits 1908 fand der erste Internationale Rettungskongress in Frankfurt statt und erste Forderungen nach einer ärztlichen Notfallversorgung vor Ort wurden laut. Der Rettungsdienst wurde, ähnlich den Feuerwehren und Polizei, zunehmend als öffentliche Aufgabe betrachtet.

4 Hellmich, Christian: (2010) Qualitätsmanagement und Zertifizierung im Rettungsdienst, Springer Verlag, S. 6

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Grundlagen der notfallmedizinischen Versorgung 9

Patienten, da die Lebensgefahr in unmittelbarer Nähe zum Notfallereignis am größten ist.“5

Mit diesem Satz hatte Kirschner wissentlich oder vielleicht auch unwissentlich eine grundlegende Neuorientierung der präklinischen Versorgung angeregt. Hintergrund dieser Forderung war, dass zur damaligen Zeit 90% der Unfalltoten am Unfallort, auf dem Weg zum Krankenhaus bzw. noch innerhalb der ersten 24 Stunden verstarben. Kirschners Forderung nach Aufbau eines flächendeckenden, arztgestützten Rettungswesens wurde allerdings erst beginnend in den frühen 1970er Jahren umgesetzt.

Ende der 50er Jahre gingen in Heidelberg und Köln zwei unterschiedliche Notarztdienst-Modelle in die Erprobungsphase. Während in Heidelberg ein „Klinomobil“ mit einer siebenköpfigen OP-Besatzung an die Unfallstelle ausrückte, wurde in Köln ein Notarztdienst-Modell erprobt, bei dem das heute noch, vornehmlich in Großstädten etablierte, "stationäre System" erstmalig in Dienst ging. Dabei rückte im Fall eines Alarms ein Rettungsfahrzeug, welches an einer Klinik stationiert war, mit zwei Sanitätern und einem Arzt aus. Dieses System wird umgangssprachlich auch als "NAW- System" bezeichnet. Das System des Notarztwagens (NAW), bei dem der Notarzt auf dem Rettungswagen fest stationiert ist, findet man auch heute noch in ländlichen Regionen. In Heidelberg entwickelte der Chirurg Eberhard Gögler unter Berücksichtigung der Erfahrungen mit dem Klinomobil und dem Kölner NAW-System im Jahre 1964 eine weitere, bis heute prägende Variante des Notarzt-Systems mit einem schnellen und wendigen Einsatzfahrzeug für den Klinikarzt. Der "Notfall-Arztwagen" war geboren. Parallel zu diesem Fahrzeug wurde noch der Unfallrettungswagen (URW) an die Einsatzstelle entsandt. Es stellt das noch heute in seiner ursprünglichen Form verwendete NEF (Notarzteinsatzfahrzeug) dar. Beide Fahrzeuge wurden 1959 mit festen Mannschaften in den Rettungsdienst integriert. Dadurch war das Einsatzkonzept des "Rendez-vous-Systems" geschaffen. Durch die getrennte Anfahrt von Notarzt und Rettungsdienst, konnte so eine zielgerichtete und flexiblere Disposition der Ärzte stattfinden. Es wurde die Strategie für die Versorgung des Patienten am Notfallort verfolgt, ihn zunächst transportfähig zu machen und ihn anschließend unter ständiger Überwachung der Vitalparameter in die nächste Klinik zu bringen.

Ab 1967 wurde das deutsche Rettungswesen durch Ahnefeld und Frey verstärkt ausgebaut.6

5 Kirschner, M. (1938): Der Verkehrsunfall und seine erste Behandlung. Langebecks Archiv, S. 230- 302

Sie prägten den Begriff der „Rettungskette“ und machten sich zum Ziel, die Bevölkerung, welcher eine nicht unerhebliche Aufgabe am Notfallort zukommt, auf breiter Basis in „Erster- Hilfe“ auszubilden. Man erhoffte sich davon, dass die Bürger,

6Ahnefeld, Friedrich (1994): Rettungsdienst und Notfallmedizin: Rück- und Ausblick. Rettungsdienst 17, S. 88- 93

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Grundlagen der notfallmedizinischen Versorgung 10

was die Alarmierung der Rettungsmittel anging, präzisere Aussagen machen könnten.7 Diese Idee eines kohärenten Behandlungspfades bleibt auch in heutiger Zeit eine Herausforderung. Die Erstellung präklinisch-klinischer Behandlungspfade muss, wie schon damals richtig erkannt, im Zentrum der Weiterentwicklung stehen.8

1970 wurde der erste Rettungshubschrauber (RTH) eingesetzt. So war es möglich Patienten schneller zu erreichen und diese schonender in eine adäquate Klinik zu bringen.

Die Organisationen stießen recht bald an ihre Leistungsgrenzen, rechtliche Rahmenbedingungen für die Koordination der Zusammenarbeit aller Beteiligten und Anforderungen an Personal und Ausstattung der Rettungsmittel fehlten. Schnell setzte sich die Erkenntnis durch, dass der Staat eine stärkere Verantwortung für Organisation und Funktionsfähigkeit des Rettungswesens übernehmen muss.9 Eine erste gesetzliche Regelung wurde 1972 durch das „Muster für ein Landesgesetz über den Rettungsdienst“ getroffen, mit dem Inhalt, dass die sechzehn Bundesländer Gesetze zur Ordnung des Rettungswesens, Leitlinien und Rettungsdienstpläne erlassen um ein möglichst hohes und gleiches Leistungsniveau im Bundesgebiet zu schaffen. Diesem Musterentwurf sind die Länder auf unterschiedliche Weise gefolgt. In den Rettungsdienstgesetzen der Länder wird in der Mehrzahl die Aufgabe zur Erfüllung nach Weisung den Kreisen und kreisfreien Städten übertragen.10 Die Landkreise und kreisfreie Städte sind damit Träger des Rettungswesens, die sich zu Rettungszweckverbänden zusammen schließen sollen. Die südlichen Bundesländer, wie Baden-Württemberg, Bayern, das Saarland usw. bilden hier die „Ausnahme“, da dort die Hilfsorganisationen die Trägerschaft inne haben.11

1984 empfahl die Bundesärztekammer den Fachkundenachweis „Rettungsdienst“ für Notärzte im Rettungsdienst einzuführen, welcher eine qualifizierte Basisausbildung vorsah. Verbindlich vorgeschrieben wurde dieser Fachkundenachweis „Rettungsdienst“ jedoch erst im Jahre 1994. In einigen Ländern wird in jüngster Zeit zudem die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin vorgeschrieben.

Der jeweilige Träger hat die bedarfsgerechte und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit den Leistungen des Rettungsdienstes sicherzustellen.

In der Deutschen Industrienorm (DIN 13050) wird der Notarzt in Deutschland in seinen Aufgaben beschrieben. Damit wurde ein großer Schritt hin zur Qualifizierung von lebensrettenden Notfallmaßnahmen gemacht.

7 Vgl. Lay, A. (2002): Auswertung der Notarzteinsätze in Bayern auf dem DIVI- Protokolle als Basis für ein präklinisches Qualitätsmanagement, S.11 8Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen. Finanzierung, Nutzerorientierung und Qualität. Bundestagsdrucksache 15-350 9Abig, Constanze (2003): Die Rechtsstellung nichtärztlicher Leistungserbringer in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 28, 10 Abig, Constanze (2003): Die Rechtsstellung nichtärztlicher Leistungserbringer in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 30 11 Vgl. §2, (1) Rettungsdienstgesetz , Baden-Württemberg in der Fassung vom 08.02.2010

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Grundlagen der notfallmedizinischen Versorgung 11

In Sache Standortfrage erging 1992 vom BGH ein Urteil, welches eine „Hilfsfristpflichtigkeit“ auch für den Notarzt vorschrieb.12

Aber auch an der Verbesserung der Ausbildung und Fachkenntnisse des nichtärztlichen Personals, darunter fallen Rettungsassistent (RettAss) und Rettungssanitäter (RS), wurde gearbeitet, so dass daraus 1989 das Gesetz über den eigenständigen Berufsstand des Rettungsassistenten (RettAssG) resultierte.

13

Heute ist eine in den Rettungsdienst integrierte, ärztliche Notfallversorgung jederzeit gewährleistet und selbstverständlicher Bestandteil staatlicher Daseinsvorsorge. Der Anspruch der Bevölkerung hierauf ist höchstrichterlich entschieden

14 und in den Landesrettungsdienstgesetzen festgeschrieben.15

„Gegenstand der Notfallmedizin ist es, Notfallpatienten am Notfallort medizinisch zu versorgen sowie sie unter fachgerechter Betreuung in eine für die weitere Versorgung geeignete Einrichtung zu befördern.“

16

2.3 Krankentransport und Rettungswesen in Deutschland

Ein Problem besteht jedoch darin zwischen vital bedrohlichen und nichtvitalen Situationen zu unterscheiden.

2.3.1 Begriffsabgrenzung Rettungsdienst

Unter dem Begriff Rettungsdienst werden der qualifizierte Krankentransport, die Notfallrettung, der Notarztdienst und die Luftrettung zusammengefasst. Einfache Krankenfahrten, die die reine Beförderung von kranken Personen umfassen und keine medizinische Betreuung erfordern, sind dem Personenbeförderungsverkehr zuzuordnen. Als Beispiel sei hier die Taxifahrt von dialysepflichtigen Personen zu nennen. Benötigen die Personen während des Transports aufgrund ihres Gesundheitszustandes fachgerechte Betreuung durch einen Arzt oder nichtärztliches Hilfspersonal, insbesondere durch Rettungsassistenten oder Rettungssanitäter, oder eine besondere Ausstattung des Rettungsfahrzeuges (Krankentransport-, Rettungs- oder Notarztwagen sowie Rettungshubschrauber), so ist ein qualifizierter Krankentransport gegeben.17

12 Urteil des BGH vom 12. 11. 1992 (III ZR 178/91)

Die Notfallrettung besteht zunächst in der Versorgung von Verletzten oder Kranken am Einsatzort, um deren Transportfähigkeit herzustellen und dem anschließenden Transport in die nächst erreichbare Versorgungseinrichtung. Je nach Schweregrad des Krankheitsbildes wird der Notarzt hinzugezogen oder eigenständig durch das Rettungsdienstpersonal versorgt. Neben der präklinischen medizinischen Versorgung

13 DRK- Pressestelle, Bonn: (1990) Rettungsassistentengesetz verabschiedet. Notarzt 6, S. 31 14 BGH Entscheidung vom 9.1.2003, III ZR 217/ 01 15 Madler, C. et al. (2005): Das NAW-Buch, S. 3 16 Bayerisches Rettungsdienstgesetz. In: Lüttgen, R. (2005): Handbuch des Rettungswesens 17 Vgl. Abig, Constanze (2003): Die Rechtsstellung nichtärztlicher Leistungserbringer in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 26, 2003

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Grundlagen der notfallmedizinischen Versorgung 12

von Patienten gehört zur Notfallversorgung auch die Beförderung von bereits klinisch erstversorgten Notfallpatienten zwischen Behandlungseinrichtungen, sofern es sich um zeitkritische indisponible, also nichtplanbare Notfalleinsätze handelt.18

2.3.2 Organisation und Durchführung des Rettungsdienstes

Der Rettungsdienst umfasst somit die Notfallrettung und den Krankentransport.

Gemäß Art. 70 I GG liegt die Kompetenz zur Gesetzgebung grundsätzlich bei den Ländern, es sei denn, das Grundgesetz ordnet die Zuständigkeit des Bundes ausdrücklich an. Die Aufgabe des Rettungsdienstes ist nach herrschender Auffassung Teil der Gefahrenabwehr.19

Somit fällt die Zuständigkeit des Rettungsdienst- und Krankentransportwesens in die Hand der Länder, wenngleich auch die Finanzierung nach § 60 SGB V über die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) geregelt wird. Zwar werden die Leistungen des Rettungsdienstes nicht als Krankenbehandlung unter § 27 SGB V erfasst, sind jedoch über den Umweg als Fahrkosten verankert. Jedes Bundesland verfügt über sein eigenes Rettungsdienstgesetz. Die Rettungsdienstgesetze enthalten Regelungen über die Aufgabe, Trägerschaft, Finanzierung und Durchführung des Rettungsdienstes. Dabei entscheiden die Länder (in Baden-Württemberg das Ministerium für Arbeit und Soziales), ob sie die Notfallrettung selbst durchführen, z. B. durch die Berufsfeuerwehr oder damit Dritte beauftragen. In der Regel erfolgt hier eine Priorisierung der anerkannten Hilfsorganisationen, die als Leistungsträger die Durchführung des Rettungsdienstes inne haben. Dies ist in der historischen Entwicklung der Hilfsorganisationen begründet und lässt sich unter anderem auf die ehemaligen Besatzungszonen zurückführen Oftmals wird auch damit argumentiert, dass die Hilfsorganisationen Synergieeffekte durch die Einbindung in den Katastrophenschutz nutzen und ein breites Spektrum an Zusatzleistungen anbieten. Der Krankentransport hingegen, kann jedoch auch privaten Unternehmen überlassen werden.

Bundesland Träger des RD Personal

Baden-Württemberg

Sozialministerium,

evtl. Land- und Stadtkreise

2 geeignete Personen KTW: mind. 1 RS, RTW: mind. 1 RA, NEF: NA/RA

Bayern Landkreise und kreisfreie Gemeinden bilden Rettungszweckverbände

2 geeignete Personen KTW: mind. 1 RS, RTW: mind. 1 RA, Ausnahmen im Einzelfall wenn KFZ sonst nicht einsatzbereit

18 Ahnenfeld, F. (1998): Grundlagen und Grundsätze zur Weiterentwicklung der Rettungsdienste, S.343 19 Denninger,Erhard (1993): Rettungsdienst und Gesundheitsstrukturgesetz, in: Der Rettungsdienst, S.945

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Grundlagen der notfallmedizinischen Versorgung 13

Berlin Notfallrettung: Berliner Feuerwehr

Krankentransport: Aufgabe der Daseinsvorsorge

2 fachlich geeignete Personen, KTW mind. 1 RH/1SanH, RTW: mind. 1 RS/1 RA

Bremen Stadt Bremen, Senator für Inneres

2 fachlich geeignete Personen, KTW/RTW: mind. 1RS/1 RH

Brandenburg Landkreise und kreisfreie Städte

KTW: mind. 2 RS, RTW: mind. 1 RS/1 RA

Hamburg Behörde für Inneres 2 fachlich geeignete Personen KTW: mind. 2 RS, RTW: mind. 1 RS/ 1 RA

Hessen Landkreise und kreisfreie Städte

Besonders qualifiziertes Personal, KTW/RTW: mind. 1 RH/1 RA, NEF: mind. 1 RS

Mecklenburg-Vorpommern

Landkreise und kreisfreie Städte

2 Personen, KTW: mind. 2 RS, RTW: mind. 1 RS/1RA, NEF: 1 NA/1 RA

Niedersachsen Landkreise und kreisfreie Städte Cuxhaven, Göttingen, Hameln und Hildesheim

Personal muss geeignet und zuverlässig sein

Nordrhein-Westfalen

Kreise und kreisfreie Städte 2 fachlich geeignete Personen, KTW: mind. 1 RH/1 RS, RTW: mind. 1 RS/1 RA, NEF: 1 NA/ 1 RA

Rheinland-Pfalz

Land, Landkreise und kreisfreie Städte

2 fachlich geeignete Personen, KTW: mind. 1 RH/1 RS, RTW: mind. 1 RS/1 RA, NEF: mind. 1 RS

Saarland Landkreise und Stadt Saarbrücken bilden Zweckverbände

2 fachlich und gesundheitlich geeignete Personen, KTW: mind. 1 RS/1 SanH, RTW: 1 RA/1 SanH20

Sachsen Landkreise und kreisfreie Städte oder Rettungszweckverbände

2 fachlich geeignete Personen, KTW: mind. 1 RA, Ausnahmen im Einzelfall, wenn KFZ sonst nicht einsatzbereit

20 SanH= Sanitätshelfer (die Sanitätsausbildung stellt eine Erweiterung des Erste-Hilfe Kurses dar)

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Grundlagen der notfallmedizinischen Versorgung 14

Sachsen Anhalt

Landkreise und kreisfreie Städte

2 Personen: KTW: mind. 2 RS, RTW: mind. 1 RS/ 1 RA

Schleswig-Holstein

Kreise und kreisfreie Städte 2 Personen, KTW: mind. 1 RS/1 RA, RTW: mind. 1 RS (200 Einsätze Voraussetzung) / 1 RA

Thüringen Landkreise und kreisfreie Städte

2 geeignete Personen, KTW/RTW: mind. 1 RA, Ausnahmen im Einzelfall, wenn KFZ sonst nicht einsatzbereit

Abb. 1: Auszüge aus RD- Gesetzen21

2.3.3 Das deutsche System

Das deutsche Rettungssystem besteht aus den zwei Teilbereichen Notfallrettung und qualifizierter Krankentransport. In der Notfallrettung wird das Rettungsfachpersonal durch ärztliches Personal unterstützt. Je nach Teilbereich unterscheiden sich der Rettungsmitteltyp und die Qualifikation des nicht-ärztlichen Personals. Dieses wird entsprechend der Einsatzart eingesetzt, wobei die geforderte Qualifikation auf den Rettungsmitteln länderabhängig ist und dadurch aufgrund der Gesetzgebung der Länder variieren kann. Diese Gegebenheit zeigt Abbildung 1 auf vorheriger Seite.

Die meisten Notfalleinsätze in Deutschland sind keine Notarzteinsätze, d.h. sie werden ausschließlich vom nicht-ärztlichen Personal abgeleistet.

Die Organisation des Notarztdienstes erfolgt in zwei Formen. Im Stationssytem ist der Notarzt mit einer geeigneten Person als Fahrer und dem Rettungsassistenten/ Rettungssanitäter (je nach Landesgesetz) auf einem Rettungswagen, genannt Notarztwagen (NAW), an einer Klinik oder einer Rettungswache stationiert. Der Notarztwagen rückt als alleiniges Fahrzeug zum Notfallort aus.

Im Rendez-vous System wird der Notarzt von seinem Tätigkeitsort, in der Regel der Klinik, von einem Rettungsassistent oder Rettungssanitäter (je nach Landesgesetz) mit einem Notarzteinsatzfahrzeug zusätzlich zum Rettungswagen zum Einsatzort gefahren. In einigen wenigen Bereichen ist die Finanzierung des Fahrers auf dem Notarzteinsatzfahrzeug nicht geklärt, so dass der Notarzt das NEF selbstständig fährt.

Im Jahre 2004 wurden bundesweit 84,8 % des Notarztaufkommens im Rendez-vous System gefahren, entsprechend 15,2 % im Stationssystem, welches sich hauptsächlich in Ballungsgebieten wiederfindet22

21 Vgl. Lutomsky, Boris (2006): Leitfaden Rettungsdienst, S.49

. Das weitaus flexiblere Rendez-vous System, bei

22 Schmiedel, R. (2007): Leistungsanalyse Rettungsdienst 2004/2005

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dem der Notarzt schneller den nächsten Einsatzort aufsuchen kann, da eine Freimeldung früher erfolgt, findet sich dagegen häufiger in ländlich strukturierten Gegenden.

Krankentransportwagen (KTW):

Ausschließlich Beförderung von Nichtnotfallpatienten nach DIN EN 1789: Typ A1 und A2

Notfallkrankenwagen: Nach Erscheinen der DIN EN 1789 im Dezember 1999 neue Fahrzeuggruppe Typ B für den Transport, die Erstversorgung und die Überwachung von Patienten

Rettungswagen (RTW): Herstellung und Aufrechterhaltung der Transportfähigkeit von Notfallpatienten vor und während der Beförderung, erweiterte Behandlung und Überwachung von Patienten, nach DIN EN 1789: Typ C

Notarztwagen (NAW): Mit einem Notarzt besetzter Rettungswagen

Notarzteinsatzfahrzeug (NEF): Grundausstattung mit medizinisch-technischem Gerät, dient dazu, den Notarzt zur Einsatzstelle zu bringen, wo er mit einem anderen Rettungsmittel, in der Regel einem RTW, zusammentrifft. Das NEF dient nicht zum Patiententransport

Abb. 2: Rettungsmittel

2.3.4 Definition Notfall

Bei einem Notfall sind nach Ahnefeld23 die vitalen Funktionen (Atmung oder Kreislauf) durch akute Erkrankungen, Traumen oder Vergiftungen ausgefallen, gestört oder bedroht, bzw. es liegt eine schwerwiegende Störung weiterer wichtiger Funktionskreise – wie Bewusstsein, Wasser-Elektrolyt-Haushalt, Wärmehaushalt, Säure-Basen-Haushalt oder Stoffwechsel vor.24

2.3.5 Definition Notsituation

Eine akute Lebensgefahr ist bereits vorhanden oder sie droht unmittelbar. Es liegt eine unmittelbare notärztliche Aufgabenstellung vor. Der Einsatz von NAW, RTH, NEF bzw. RTW ist obligatorisch.

Eine Notsituation liegt vor, wenn keine primär vitale Bedrohung vorliegt, sondern ein akutes pathologisches Geschehen (mit der Gefahr zusätzlicher Schädigung) vorliegt. Hierzu zählen zum Beispiel begrenzte Verletzungen, einfache Frakturen, Luxationen, Koliken oder die akute Verschlimmerung einer chronischen Erkrankung zählen hierzu.

23 Gorgaß, Bodo et al. (2007): Das Rettungsdienst-Lehrbuch, S.232 24 Vgl. auch. Koch, B. et al. (2008): Herausforderungen an die Notfallversorgung der Zukunft: „ Regional Health Care“ (RHC), in: Notfall und Rettungsmed, S. 92

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Grundlagen der notfallmedizinischen Versorgung 16

Aufgrund der verwirrenden Nomenklatur wäre hier der Begriff „Akutfall“ aussagekräftiger und würde eine Vermischung mit dem Begriff Notfall verhindern.

Alle übrigen Patienten, die eine Betreuung durch nichtärztliches Personal benötigen, jedoch eine ärztliche Anordnung voraussetzen, gehören zum Krankentransport.

2.3.6 Medizinisches Fachpersonal

Im Rettungswesen setzt sich das Personal aus ärztlichem und nicht-ärztlichem Personal zusammen. Insgesamt umfasste das Rettungsfachpersonal in Deutschland im Jahre 2001, ca. 35.000 hauptamtliche Rettungsassistenten, Rettungssanitäter und Rettungshelfer. Durchschnittlich führt jede hauptamtlicher Mitarbeiter im Rettungsdienst Person 500 Einsätze pro Jahr durch, davon knapp die Hälfte als Notfalleinsätze.25

Das nichtärztliche Personal im Rettungswesen setzt sich aus Rettungshelfern, Rettungssanitätern und Rettungsassistenten mit aufsteigender Kompetenz und Verantwortung zusammen. Die Ausbildung zum Rettungsassistenten ist das bislang erste und einzige nicht-ärztliche Berufsbild im Rettungsdienst. Da z.B. der Begriff Eigenverantwortung nicht klar geregelt und definiert ist,

Diese Daten sind jedoch kritisch zu betrachten, da eine statistische Erhebung nicht erfolgt.

26

Die Ausbildung soll, laut § 3RettAssG, den Rettungsassistenten „als Helfer des Arztes“ insbesondere dazu befähigen, am Notfallort bis zur Übernahme der Behandlung durch einen Arzt lebensrettende Maßnahmen bei Notfallpatienten durchzuführen, die Transportfähigkeit solcher Patienten herzustellen, die lebenswichtigen Körperfunktionen während des Transports zum Krankenhaus zu beobachten und aufrechtzuerhalten sowie kranke, verletzte und sonstige hilfsbedürftige Personen, auch soweit sie nicht Notfallpatienten sind, unter sachgerechter Betreuung zu befördern.“

entspricht das Berufsbild jedoch eher einer Berufsschutzbezeichnung.

Die Ausbildung umfasst derzeit 2800 Stunden, wobei 1.200 Stunden auf die theoretische Ausbildung inklusive Prüfung im ersten Jahre entfallen und 1.600 Stunden auf die praktische Ausbildung auf einer Lehrrettungswache im zweiten Jahr. Eine abschließende Leistungskontrolle findet nicht statt.

Laut Ärztestatistik der Bundesärztekammer (BÄK) aus dem Jahre 2006 besteht das ärztliche Personal aus bundesweit 17.600 Notärzten, die die Zusatzweiterbildungsbezeichnung „Notfallmedizin“ besitzen. Wie viele davon als Notarzt tätig sind, wird nicht erfasst. Der Einsatz von Notärzten in der Notfallrettung

25Meyer, Verena (2010): Eine mögliche Abgrenzung eines notärztlichen von einem nicht-notärztlichen Rettungseinsatzes, S. 23 26 BAND Stellungnahme: http://www.band-online.de/imageordner/index.php?sessionid=leer&aktiv=52 &inhaltvon=52&menuoffen=34X47X

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Grundlagen der notfallmedizinischen Versorgung 17

richtet sich nach bestimmten Stichwörtern im Indikationskatalog für Notärzte, die als Empfehlungen der BÄK am 23.03.2001 veröffentlicht wurden.27 Diese Stichwörter sind jedoch vage und wurden auch nicht auf ihre Effektivität und Praktikabilität untersucht. Daher praktiziert jeder Rettungsdienstbereich andere Kriterien bei der Abwägung der Einsatzart. Diese unterscheiden sich regional und bundesweit deutlich. Nur so lässt sich die massiv schwankende Notarztrate erklären. Während beispielsweise im Kreis Münster28 14% aller Einsätze Notarzteinsätze darstellen, besteht der bundesweite Durchschnitt aus ca. 23 %.29

Die meisten Leitstellen (Einsatzzentralen, welche die Notrufe entgegen nehmen) verfügen über keine standardisierten Abfragealgorithmen, wodurch entschieden wird, wann ein Notarzt mit ausrückt und wann nicht.

30

In jüngster Zeit sind jedoch Bemühungen vorhanden, die Dispositionsgüte der Leitstellenmitarbeiter messbar zu machen. Dazu wurden Rückmeldesysteme erarbeitet, die über einen Rückmeldecode die tatsächliche Diagnose melden und diese mit der Verdachtsdiagnose der Leitstelle abgleichen. Über einen Rückmeldescore, der den Schweregrad der Verletzung/Erkrankung meldet, wird zudem die Abweichung des Schweregrades messbar. Dabei ist es möglich den Rückmeldescore, beispielsweise durch eine standardisierte Ziffernfolge, organspezifisch zu übermitteln.

Dadurch ist eine wissenschaftliche Untersuchung, wann die Notwendigkeit eines Notarzteinsatzes besteht, bisher nicht möglich gewesen. Derzeit kann die Feststellung nur retrospektiv, im Anschluss an den Einsatz, erfolgen. Auswertungen darüber sind jedoch kaum vorhanden.

31

27Indikationskatalog für den Notarzteinsatz, abzurufen unter: http://www.bundesaerztekammer.de/

downloads/Notarzteinsatz.pdf

Voraussetzung hierfür ist zunächst die Verwendung von einheitlichen Einsatzcodes der Leitstellen. Dieser kann aus der Verwendung eines dreistelligen Codes bestehen, der eine eindeutige Zuordnung von Diagnosen ermöglicht. Diese Möglichkeiten beinhalten ein hohes Potential zur Systematisierung und anschließenden Unterscheidung eines notärztlichen von einem nichtnotärztlichen Einsatzes dar. In Hinblick auf ein funktionierendes Qualitätsmanagementsystem muss einem Rückmeldesystem im Rettungsdienst zukünftig ein höherer Stellenwert zukommen. Momentan wird dieses System in Rettungsdienstbereichen in Hessen und Bayern verwendet. Für Rheinland-Pfalz ist die Einführung geplant. Die bisher kaum vorhandene Datenlage macht das Arbeiten mit Daten aus einem Rückmeldesystem jedoch zurzeit nicht möglich.

28Meyer, Verena (2010): Eine mögliche Abgrenzung eines notärtzlichen von einem nicht-notärztlichen Rettungseinsatzes, S. 22

29Schmiedel, R.( 2007): Leistungsanalyse Rettungsdienst 2004/2005 30Gräsner, J.: Forschung in der deutschsprachigen Notfallmedizin. Eine Bestandsaufnahme. Notfall und

Rettungsmed 8: S. 391-398 31 Luiz, Thomas (2010): Landeseinheitliche Einsatzcodes, Rückmeldesystem und elektronische

Einsatzmeldeformulare, abzurufen unter: http://www.bi-rlp.drk.de/fileadmin/Bildungsinstitut/ downloads/Fortbildung_2010/RMS.pdf

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2.3.7 Definition Hilfsfrist

Die Hilfsfrist ist die zentrale Kennzahl für die bodengebundene Notfallversorgung und Luftrettung. Sie stellt den Kompromiss zwischen den notfallmedizinischen Erfordernissen und den ökonomischen Möglichkeiten dar. Nach einer Sitzung des Fachausschusses Rettungsdienst vom 11.11.1992 wurde folgender Beschluss verfasst:

Die Hilfsfrist ist die Vorgabe für den einzuhaltenden Zeitraum vom Eingang der Notfallmeldung in der Rettungsleitstelle bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes am Notfallort. Sie soll aus notfallmedizinischen Gründen möglichst nicht mehr als 10 Minuten und darf nicht mehr als 15 Minuten betragen. Diese Voraussetzung kann immer dann als erfüllt angesehen werden, wenn die Hilfsfrist von 10 Minuten in mindestens 80%, die Hilfsfrist von höchstens 15 Minuten in mindestens 95% der in einem Jahr in einem Rettungsdienstbereich zu erwartenden Notfalleinsätze planerisch eingehalten werden kann. Zahl, Standorte und Ausstattung der bedarfsgerechten Rettungswachen sind so zu bemessen, dass die Hilfsfrist nach Maßgabe der vorgenannten Kriterien eingehalten werden kann.32

„Eintreffen am Notfallort“ und „Erfüllen der Hilfsfrist“ werden jedoch je nach Bundesland unterschiedlich definiert. In der Regel wird das „Eintreffen am Notfallort“ als Eintreffen des Rettungsdienstes an der Straße des Notfalls definiert, also der Teil des Zeitraums, der einer organisatorischen Beeinflussung im Rettungsdienst zugänglich ist. Der „Eingang der Notfallmeldung“ beschreibt in diesem Zusammenhang den Zeitpunkt, ab dem der Disponent in der Rettungsleitstelle aufgrund der eingegangenen Informationen über das Notfallereignis in der Lage ist, mit der Disposition der Rettungsfahrzeuge zu beginnen. Die Rettungsdienstträger haben bei der Planung und Steuerung die jeweilige Hilfsfrist und den Erfüllungsgrad zugrunde zu legen und deren Einhaltung regelmäßig nachzuweisen.

Eine Übersicht über die Hilfsfristunterschiede zeigt folgende Grafik auf:

32 Handbuch Rettungswesen (1998), Die Hilfsfrist im Rettungsdienst in der präklinischen Notfallversorgung als Grundlage der rettungsdienstlichen Konzeption, Ergänzung 2/1999, S.11 ff.

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Grundlagen der notfallmedizinischen Versorgung 19

Bundesland Definition Hilfsfrist / Zeitabschnitt

Erfüllungsgrad / Höchstwert

Baden-Württemberg

Eingang der Meldung bis Ankunft am Notfallort an Straßen

95 % in 15 Minuten

Bayern Fahrtbeginn bis Ankunft am an einer Straße gelegenen Einsatzort (= Fahrzeit)

12 Minuten in der Regel, 15 Minuten in dünn besiedelten Gebieten

Berlin Keine Angabe bedarfsgerecht

Bremen Eröffnung des Einsatzes bis Ankunft am Einsatzort an befestigter Straße

95 % in 10 Minuten

Brandenburg Eingang der Meldung bis Ankunft Notfallort

15 Minuten in der Regel

Hamburg Keine Angabe Flächendeckend und bedarfsgerecht

Hessen Nach Eingang der Meldung bis Ankunft am an einer Straße gelegenen Notfallort

90 % in 10 Minuten

Mecklenburg-Vorpommern

Von Eingang der Meldung bis Ankunft an einer Straße gelegenen Notfallort

10 Minuten in der Regel (Regel= Jahresdurchschnitt aller Einsätze)

Niedersachsen Beginn der Einsatzentscheidung bis Ankunft an einer öffentlichen Straße gelegenen Einsatzort

95 % in 15 Minuten

Nordrhein-Westfalen

Eingang der Meldung bis Ankunft am an einer Straße gelegenen Notfallort

5-8 Minuten; 12 Minuten im ländlichen Raum

Rheinland-Pfalz

Eingang des Hilfeersuchens bis Ankunft am an einer öffentlichen Straße gelegenen Einsatzort

In der Regel maximal 15 Minuten

Saarland Eingang der Meldung bis Ankunft am an einer Straße gelegenen Notfallort

95 % in 12 Minuten

Sachsen Eingang der Meldung bis Ankunft 95 % in 12 Minuten

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Grundlagen der notfallmedizinischen Versorgung 20

am Notfallort

Sachsen-Anhalt

Eingang der Meldung bis Ankunft am an einer Straße gelegenen Notfallort

95 % in 12 Minuten

Schleswig-Holstein

Eingang der Meldung bis Ankunft am ausschließlich über eine Straße erreichbaren möglichen Einsatzort

90 % in 12 Minuten

Thüringen Eingang der Meldung bis Ankunft am Notfallort

14 Minuten in dicht besiedelten Gebieten; 95% in 12 Minuten

17 Minuten in dünn besiedelten Gebieten; 95% in 15 Min

Abb. 3: Hilfsfristen nach Bundesländer, eigene Darstellung

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Entwicklungen / Trends 21

3 ENTWICKLUNGEN / TRENDS

3.1 Ausgangslage

Die Bundesanstalt für Straßenwesen ermittelt in dem Forschungsbericht „Mensch und Sicherheit“ in unregelmäßigen Abständen die Leistungsbilanz des öffentlichen Rettungsdienstes in der Bundesrepublik Deutschland.33

Im Jahr 2004/05 ergeben sich daraus 12,1 Millionen Einsatzfahrten. Davon werden 5,7 Millionen Fahrten (47%) mit Sonderrechten auf der Anfahrt durchgeführt. In 1,95 Millionen Fällen wird der Notarzt mit Sonderrechten alarmiert. Dessen Anfahrt erfolgt mit dem Notarztwagen (NAW) oder mit dem Notarzteinsatzfahrzeug (NEF). Der prozentuale Anteil der Fahrten mit Sonderrechten beträgt hierbei 94,8% für NAWs bzw. 89,5% für NEFs. Das bedeutet, dass in ca. einer von zehn Fahrten der Notarzt ohne Sonderrecht alarmiert wird. Ob hier eine gerechtfertigte Alarmierung des Notarztes als solches vorliegt, sollte geprüft werden. Geht man davon aus, dass die in dieser Arbeit vorgestellte zukünftige Situation des Rettungswesens, bei der der Notarzt nur für Notfälle zur Verfügung steht, so ist davon auszugehen, dass diese 10% der Alarmierungen ohne Sonderrechte zukünftig nicht auf einen Notarzt entfallen sollten. Von den 12,1 Mio. Einsatzfahrten werden 4,13 Mio. Fahrten durch den Rettungswagen (RTW) bedient.

Da eine Totalerhebung sämtlicher Einsatzfahrten in Deutschland aufgrund des immensen Umfangs nicht möglich ist, wird für den Bericht der Leistungsanalyse 2004/05 von einer Stichprobe, die etwa 188528 Einsatzfahrten enthielt in einem Hochrechungsverfahren auf das gesamte Einsatzaufkommen der Bundesrepublik geschlossen. Die Datenbasis entspricht damit ca. 23% der Bundesfläche und ca. 20% der Bundesbevölkerung.

34

33 Siehe auch: Behrendt, H. et.al (2007): Überblick über die Leistungen des Rettungsdienstes in der Bundesrepublik Deutschland im Zeitraum 2004/05, Notfall und Rettungsmed. Vol.5, S. 383 ff.

Nicht alle RTW Alarmierungen werden aber mit Sondersignal gefahren. 0,6 Millionen Einsätze oder 15% der Gesamtfahrten erfolgen ohne Signal. Diese Fahrten ergeben sich aus dem Übergangscharakter der zeitlichen Dringlichkeit zwischen Notfällen und Krankentransport. Da diese Fahrten ohne Sonderrechte trotzdem als Notfall eingestuft werden, müssten sie in der Bemessung der Notfallvorhaltung mit berücksichtigt werden.

34 Anmerkung: eine Zuordnung erfolgt nicht ex post aufgrund einer ärztlichen Beurteilung, sondern nach Meldebild des Anrufes

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Entwicklungen / Trends 22

Abb. 4: Verteilung des Fahrtenaufkommens35

Das Einsatzfahrtaufkommen weist im Bundesgebiet 2004/05 eine Fehlfahrtrate von 8% auf. Dies sind jährlich mehr als 996.000 Fehlfahrten. Die Rate steigt dabei mit zunehmender Dringlichkeit. Bei Notfällen ohne Notarztbesetzung beträgt die Quote 10,7%, Notfälle mit Notarztbesetzung werden mit 10,9% als fehlerhaft eingestuft. Als Fehlfahrt gilt eine Fahrt ohne Maßnahme vor Ort und ohne Transport oder ein Abbruch des Einsatzes auf der Anfahrt. Hinzu kommen Fahrten des Notarztes, die sich durch eine Fehleinschätzung des Meldebildes ergeben. Hier ist der Notarzt noch an der Einsatzstelle abkömmlich und kann für einen weiteren Einsatz abgezogen werden.

Da im Rendez-vous System, das mit ca. 85% das vorherrschende System der Notfallrettung in der Bundesrepublik ist, mit einer Meldung zwei Fahrzeuge zum Notfallort fahren, ist die Anzahl der Einsatzfahrten höher als die der Meldungen. 10,2 Millionen Meldungen werden durch 12,1 Millionen Fahrten abgedeckt.

Die Verteilung nach Einsatzarten ergibt, dass 4,7 Mio. Einsätze und damit fast jeder zweite Einsatz als Notfall eingestuft werden. 5,5 Mio. Einsätze werden als Krankentransporte klassifiziert.

Durch die Darstellung auf Alarmierungen pro 1000 Einwohner lässt sich das normierte Einsatzaufkommen übersichtlich darstellen:

35 Siehe auch Leistungsanalyse Rettungsdienst 2004/2005, S. 35

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Entwicklungen / Trends 23

- 47,2 Notfälle / 1000 Einwohner

o davon 24,1 Notarztalarmierungen / 1000 EW

- 75, 9 Krankentransporte / 1000 EW

- gesamt: 123,2 Einsätze / 1000 EW

Abb. 5: Normiertes Einsatzaufkommen, eigene Darstellung

Während sich die normierte Zahl der Einsätze im Vergleich zu der 2000/01 erstellten Leistungsanalyse um 1,9% reduziert hat, wurde eine signifikante Steigerung Notfalleinsätze um 8,8% festgestellt. Besonders die Notarztalarmierung ist um 10% gestiegen. Von Interesse ist jedoch nicht nur die Notarzteinsatzrate, sondern z.B. auch die altersspezifische Einsatzrate der Notfallrettung. Diese ergibt sich aus der Entwicklung der Bevölkerungsstruktur, wie in Kapitel 3.4 näher erläutert.

3.2 Personalstruktur im Gesundheitsbereich

Bereits im Jahre 2002 wurde von der Bundesärztekammer eine Studie unter dem Titel „Gehen dem deutschen Gesundheitswesen die Ärzte aus?“ veröffentlicht. Während das Medieninteresse damals nicht sonderlich hoch war, nachdem in den Jahren zuvor von einer regelrechten Ärzteschwemme gesprochen wurde, ist mittlerweile das Thema Ärztemangel in der öffentlichen Debatte fest etabliert und die Studie liegt seit August 2010 in der 4. Auflage unter dem Titel „Dem Deutschen Gesundheitswesen gehen die Ärzte aus!“ vor. Die Diskussion geht nicht mehr, wie anfangs noch, darum, ob es tatsächlich einen Ärztemangel in Deutschland gibt, sondern darum, mittels welcher Maßnahmen ihm entgegengetreten werden kann. Die Hauptursachen für die mangelnde Bereitschaft der Nachwuchsmediziner in Deutschland tätig zu werden, ist einerseits die als nicht angemessen erachtete Bezahlung, zweitens die zeitliche Überlastung und drittens das Ausmaß an zu bewältigenden nichtärztlichen Aufgaben. Diese aus der Sicht der Ärzte schwerwiegenden „Mängel“ einer ärztlichen Tätigkeit in Deutschland, dessen Beseitigung noch nicht ernstlich begonnen wurde, führt zu einer weiteren Verschärfung des Ärztemangels in Deutschland.36

Das Durchschnittsalter der unter 69-jährigen Vertragsärzte erreichte im Jahre 1993 mit 46,56 Jahren seinen niedrigsten Wert, seitdem stieg es kontinuierlich an – auf 51,92 Jahre im Jahre 2009. Dies ist eine Erhöhung um mehr als fünf Jahre.

36 Vgl. Kopetsch, Thomas (2010): Dem deutschen Gesundheitswesen gehen die Ärzte aus!, Studie zur Altersstruktur und Arztzahlentwicklung, Bundesärztekammer, S.13

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Entwicklungen / Trends 24

Der wachsende Frauenanteil, von 33,6% im Jahr 1991 auf 42,2 % im Jahr 2009 führt u.a. zu weniger Vollzeitstellen, da Frauen sich oft intensiver familiären Aufgaben stellen. Heutzutage sind 60% aller Medizinstudenten Frauen.

Desweiteren finden in Deutschland viele Hausärzte keine Nachfolger mehr; viele Arztstellen in ländlichen Gebieten, aber auch in Großstädten können nicht mehr besetzt werden, wobei vor allem die neuen Bundesländer betroffen sind. Dies führt dazu, dass das deutsche Gesundheitswesen zunehmend von der Anwerbung ausländischer Ärzte abhängig ist.

Aufgrund der demographischen Entwicklung der Bevölkerung und der damit einhergehenden Wandlung des Morbiditätsspektrums37

Dieser Ärztemangel wirkt sich nicht unerheblich auf den Notarztbestand mit folgenden Konsequenzen aus: Der Arztmangel in Kliniken führt zu einer verminderten Bereitstellung von Notärzten, da bei einer erforderlichen Konzentration auf Kernleistungen des Krankenhauses die präklinische Versorgung als vermutlich erster externer Aufgabenbereich eingestellt wird. Eine niedrige Honorierung verstärkt den Effekt der Abnahme von Personal im Notarztbereich. Durch eine Überlastung im Regeldienst, ist die Bereitschaft vermindert, eine zusätzliche Übernahme von Notarztdiensten zu übernehmen.

und der Ausweitung der Multimorbidität ist eine erhöhte Zahl an Ärzten künftig notwendig. Auch der medizinische Fortschritt führt zu höherem Behandlungsaufwand und steigendem Ärztebedarf.

38

Spezielle Gründe für einen Arztmangel im Notarztbereich zeichnen sich u.a. durch das geänderte Arbeitszeitgesetz als Folge des Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 09. September 2003 ab, in dem entschieden wurde, dass Bereitschaftsdienste in Form persönlicher Anwesenheit in vollem Umfang als Arbeitszeit gewertet werden müssen. Die Konsequenzen der damit verbundenen Ruhezeit führen zu eingeschränkteren Bereitschaftsdiensten.

Dennoch stehen vertraglich gebundene Krankenhäuser in der Pflicht den Notarzt rund um die Uhr zu stellen und können, vgl. z.B. §5, Abs.3 Rettungsdienstgesetz B.-W., durch den Bereichsausschuss zur Sicherstellung aufgefordert werden.

Außerdem führte die Umstellung des Vergütungssystems im Krankenhausbereich auf das pauschalierte System „Diagnosis Related Groups“ (DRG) zu einer Spezialisierung der Krankenhäuser, die dadurch auf möglichst lukrative Leistungsbereiche setzen. Kompetenzzentren bilden sich heraus, so dass die Notfallversorgung als weniger lukrativer Leistungsbereich hinten angestellt wird. Dies führt immer mehr dazu, dass

37 Unter Morbidität versteht man die Krankheitshäufigkeit einer Bevölkerungsgruppe, hieraus lässt sich die Krankheitswahrscheinlichkeit als statistische Kenngröße ableiten. 38 Vgl. Stratmann, Sefrin et al (2004): Stellungnahme zu aktuellen Problemen des Notarztdienstes

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Entwicklungen / Trends 25

ökonomisch unrentable Krankenhäuser schließen. Laut Prognosen werden 330 Krankenhäuser, besonders im ländlichen Bereich, langfristig schließen. Das entspricht 15% aller 2240 Kliniken39

Folgende Konsequenzen ergeben sich für die Notfallrettung:

.

- Verringerung der an Kliniken angeschlossenen Notarztstandorte, Verlängerung der notärztlichen Hilfsfristen

- Eine nahegelegene geeignete Weiterversorgung von Notfallpatienten reduziert sich

- durch längere Transportzeiten verlängert sich die Bindungszeit des Arztes

Abb. 6: Konsequenzen des Ärztemangels für die Notfallrettung

3.3 Wandel des medizinischen Spektrums

Seit den 70er Jahren nimmt das Unfallrisiko im Straßenverkehr kontinuierlich ab. Zudem steigt die Arbeitssicherheit weiter an, so dass sich die Einsatzarten heute deutlich von den früheren unterscheiden. Das Gros der Einsätze stellen heutzutage chronische Erkrankungen und internistische Patienten dar. Zudem wird der Rettungsdienst häufig mit präfinalen Zuständen der Patienten konfrontiert40 Dies hat zur Folge, dass die Notfallmedizin immer mehr dort nachgefragt wird, wo Lücken im Versorgungsnetz bestehen.41

Sich ändernde gesellschaftliche Rahmenbedingungen haben direkte Auswirkungen auf das Fahrtenaufkommen des Notarztwesens. Es liegt die Beobachtung vor, dass inzwischen höchstens 20 bis 45% der Notarzt-Einsätze vital bedrohlicher Patienten gelten.

Auch bei chronischen Schmerzpatienten oder als Ersatz des Geriaters in Altenheimen, anstelle des Zuständigkeitsbereichs des Hausarztes und in der Akutpsychiatrie haben der Notarzt und der Rettungsdienst oft eine zentrale Aufgabe eingenommen.

42 Laut Madler wird der Notarzt zum „Hochhausarzt“. Eine traditionelle Hausarztbindung besteht besonders in sozial schwächeren Bevölkerungsschichten nicht mehr.43

39 Prognose der Welt am Sonntag vom 04. April 2004

Da der Notarzt als einzige medizinische Institution mit der Funktion „wegholen“ und „rausbringen“ befugt ist, wird dieser häufig in sozialen Brennpunkten angefordert.

40 Vgl. Madler, Christian (2005): Das NAW-Buch, S. 4 41

Messelken, M (2001): Zentrale Auswertung von Notarzteinsätzen im Rahmen externer Qualitäts-sicherung in Notfall Rettungsmed., S. 408ff. 42 Sefrin,P. (2001): Der Notarztdienst in Bayern. Bayerisches Ärzteblatt 56 43 Madler, Christian (2005): Das NAW-Buch, S. 6

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Entwicklungen / Trends 26

Folgende Übersicht zeigt die soziale Wirklichkeit in Deutschland auf.44

- 10 Mio. Singles, darunter 4,5 Mio. Senioren

- Zunahme an Altenheimbewohnern um 35% (1998-2001)

- Scheidungsrate von 40%

- 12% der Deutschen leben unter der Armutsgrenze

- 860 000 obdachlose Menschen

- 2 500 000 behandlungsbedürftige alkoholkranke Bürger

Abb. 7: Gesellschaftliche Veränderungen

3.4 Demographischer Wandel

In den nächsten Jahrzehnten wird sich die Altersstruktur in der Bundesrepublik drastisch verändern. Da die Altersstruktur der Bevölkerung direkt mit der Nachfrage nach Rettungsdienstmitteln korreliert und damit die Inanspruchnahme der Rettungsmittel zunimmt, ist auch der Rettungsdienst vom demographischen Wandel betroffen.45

Die altersspezifischen Einsatzraten bilden zusammen mit der Bevölkerungsprognose die Grundlage, um das zukünftige rettungsdienstliche Einsatzaufkommen prognostizieren zu können. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Nachfrage nach rettungsdienstlichen Leistungen in der Bevölkerung maßgeblich von der zugrunde liegenden Altersstruktur abhängig ist, d. h. die verschiedenen Altersklassen weisen unterschiedliche Einsatzraten auf, wobei erwartungsgemäß die Einsatzraten mit zunehmenden Alter steigen.

46

44 Statistisches Bundesamt (2001), Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung 2001

Dabei ist allerdings zu beachten, dass die altersspe-zifischen Einsatzraten zwischen den rettungsdienstlichen Aufgabenbereichen Krankentransport und Notfallrettung variieren, wobei zusätzlich innerhalb des Aufgabenbereichs der Notfallrettung die altersspezifischen Einsatzraten zwischen Notfallrettung mit und ohne Notarztbeteiligung signifikant voneinander abweichen. Hieraus folgt, dass zur zukünftigen Abschätzung des Gesamtaufkommens an rettungsdienstlichen Einsätzen neben der eigentlichen Bevölkerungsprognose zusätzlich die altersspezifischen Krankentransport- und Notfallraten benötigt werden bzw. zur Ermittlung des zukünftigen Notarztaufkommens die altersspezifischen Notarztraten.

45 Vgl. Behrendt, H. et al.: Ein Problemaufriss über den demographischen Wandel in der Bundesrepublik Deutschland, S. 49 46 Vgl. Behrendt, H. et al.: Ein Problemaufriss über den demographischen Wandel in der Bundesrepublik Deutschland, S. 45

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Entwicklungen / Trends 27

Abb. 8: Prognose über die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland bis 2050 nach der 10. Bevölkerungsvorausrechnung gemäß der mittleren Planungsvariante47

Die zeitliche Entwicklung der bundesweiten Bevölkerungszahl zeigt Abbildung 8. Die Angaben beruhen auf der 10. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung, die u. a. von einer mittleren Lebenserwartung im Jahr 2050 bei Frauen ein Alter von 86,6 Jahren und bei Männern von 81,1 Jahren unterstellt.

48

Nach dieser Prognose wird die Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland auf 83 Mio. bis 2013 steigen, um danach bis 2050 auf 75 Mio. Einwohner abzusinken, was dem Stand von 1963 entsprechen würde.

47 Behrendt, H. et al (2009): Ein Problemaufriss über den demographischen Wandel in der Bundesrepublik Deutschland, S. 46 48 Pötzsch, O.: (2003) Bevölkerung Deutschland bis 2050 – Ergebnisse der 10. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung. Statistisches Bundesamt

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Entwicklungen / Trends 28

Abb. 9: Bevölkerungsaufkommen zwischen 1950 und 2050 nach Geschlecht und Altersklassen49

Die zugehörige Veränderung im Altersaufbau der Bevölkerung ist Abbildung 9 zu entnehmen. Danach ist erkennbar, dass bis 2050 die Bevölkerung in den Altersklassen bis 60 Jahre deutlich abnehmen wird, während gleichzeitig die Bevölkerung in den höheren Altersklassen zunimmt. Der Anteil der unter 60-Jährigen wird von 79,8% im Jahr 1994 auf 63,3% im Jahr 2050 absinken, während gleichzeitig der Anteil der über 60-Jährigen von 20,2% im Jahr 1994 auf 36,7 % im Jahr 2050 ansteigen wird. Im Verlauf der Grafik lässt sich deutlich durch das steigende Durchschnittsalter und einer gelichzeitig zurückgehenden Geburtenrate ein sogenannter „Rentnerbauch“ erkennen. Die Auswirkungen dieses „Rentnerbauchs“ auf das rettungsdienstliche Einsatzaufkommen werden im Folgenden aufgrund der vorgefundenen wissenschaftlichen Veröffentlichungen und den damit verbundenen Ergebnissen zur Patientenstruktur im Rettungsdienst für das Notarztgeschehen aufgezeigt.

3.5 Auswirkungen / Prognosen

Die Datenbasis dieser Analyse beruhen auf einer Studie von Schmiedel, Moecke und Behrendt aus dem Jahre 2002, die eine Auswertung von 2769 „DIVI-Protokollen“ 50

Die folgenden Abbildungen zeigen die Entwicklung des bundesweiten Aufkommens an Notarztalarmierungen bis ins Jahr 2050 (nach der mittleren Prognose). Trotz einer sinkenden Bevölkerungsanzahl nimmt das Fahrtenaufkommen von Notarzt besetzten Rettungsmitteln zu. Bis 2050 steigen die Notarztalarmierungen auf 2,15 Millionen. Das entspricht einer Notarztrate von 28,59 Alarmierungen pro 1000 Einwohner (vgl. Kap. 3.1: 2009: 24,1 Notarztalarmierungen pro 1000 EW) Somit steigt das absolute

anfertigten. Durch Hochrechnung anhand der Leistungsanalyse lässt sich so das bundesweite Notarztaufkommen berechnen.

49 Statistisches Bundesamt, 2009 50 Notarztprotokolle der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI)

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Entwicklungen / Trends 29

Notarztaufkommen wie in Grafik 10 verdeutlicht, als auch die normierte Notarztrate. Diese Veränderungen machen eine neu überdachte Bedarfsplanung notwendig. Gerade auch in Hinblick auf die Entwicklung der zukünftig zur Verfügung stehenden Ärztezahl sollten neue Modelle in Betracht gezogen werden bzw. nachhaltige Veränderungen der rettungsdienstlichen Infrastruktur nach sich ziehen.

Abb. 10: Prognose über das bundesweite Aufkommen an Notarztalarmierungen bis 205051

Abb. 11: Aufkommen an Notarztalarmierungen zwischen 1994 und 2050 nach Geschlecht und Altersklassen52

51 Behrendt, H. et al (2009): Ein Problemaufriss über den demographischen Wandel in der Bundesrepublik Deutschland, S. 48

52 Behrendt, H. et al (2009): Ein Problemaufriss über den demographischen Wandel in der Bundesrepublik Deutschland, S. 48

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Entwicklungen / Trends 30

Jahr 1994 2005 2050 Notarztalarmierungen 1,7 1,95 2,15 normierte Notarztrate / 1000 EW 18,3 24,1 28,6

Abb. 12: Normierte Notarztalarmierungen und Notarztrate53

2050 wird ein Patientenkollektiv von überwiegend über 70- bzw. über 80 jährigen Personen vorzufinden sein.

54

Der Anteil der über Sechzigjährigen wird von derzeit 20% auf über 30% im Jahr 2040 ansteigen, in der gleichen Periode wird der Anteil der 20 bis 60 Jährigen von ca. 58% auf 50% sinken.

55

Korrelierend mit dem Alter nehmen Herz-Kreislauferkrankungen, chronische Erkrankungen und Morbidität zu. Daher kann auch die Pflegebedürftigkeit als ein Indikator für ein steigendes Einsatzaufkommen im Rettungsdienst herangezogen werden. Die stark erhöhte Pflegebedürftigkeit ergibt sich aus der erhöhten mittleren Lebenserwartung im Jahre 2050.

Zudem werden die Erwerbstätigen von 37 auf 24 Millionen Menschen abnehmen und die Pflegebedürftigkeit immens ansteigen.

53 Behrendt, H; Runggaldier, K. (2009): Ein Problemaufriss über den demographischen Wandel in der Bundesrepublik Deutschland, Auswirkungen auf die präklinische Notfallmedizin, Notfall und Rettungsmed 2009, 12:45–50, sowie: Schmiedel, R. (2007): Leistungen des Rettungsdienstes 2004/05, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen 54 Vgl. Behrendt, H. et al (2009): Ein Problemaufriss über den demographischen Wandel in der Bundesrepublik Deutschland, S. 49 55 Koch,B. et al. (2008): Herausforderungen an die Notfallmedizin, S. 493

0

5

10

15

20

25

30

1994 2005 2050

Notarztalarmierungen

normierte Notarztrate / 1000 EW

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Entwicklungen / Trends 31

Abb. 13: Demographischer Wandel in Bezug auf Entwicklung der Pflegebedürftigkeit in Deutschland56

So ändern sich aber nicht nur die Einsatzzahlen, sondern auch die Krankheitsbilder, die zukünftig vorgefunden werden. Gerade das Krankheitsbild ist in Hinblick auf die Unterscheidung eines ärztlichen und nichtärztlichen Rettungsdiensteinsatzes von großer Bedeutung. Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden ca. um. die Hälfte steigen, die Krankheitsbilder Atmung, Stoffwechsel und ZNS werden um ein Drittel ansteigen. Interessant ist auch die Prognose der Steigerung von Fehlfahrten um 30%. Plausible Gründe hierfür gibt Behrendt

57

jedoch nicht an. Pädiatrische und gynäkologische Notfälle dagegen sollen laut Behrendt um ein Fünftel zurück gehen.

56 Koch,B. et al. (2008): Herausforderungen an die Notfallmedizin, S. 494 57Behrendt, H. et al (2009): Ein Problemaufriss über den demographischen Wandel in der Bundesrepublik Deutschland, S. 46

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Entwicklungen / Trends 32

Abb. 14: Veränderungen der Krankheitsbilder im bundesweiten Aufkommen an Notarztalarmierungen zwischen 2004 und 2050

Berechnung am Beispiel des Rettungsdienstbereichs Karlsruhe:

Tatsächliche Notarzteinsätze 2009: 17.257

Hochgerechnete Notarzteinsätze 2009: 722.117 EW im Einzugsgebiet x 24,1/1000 = 17 403

Abweichung: ca. 0,8 %

Hochgerechnete Notarzteinsätze 2050: 652.613 EW im Einzugsgebiet x 28,59/1000 = 18 658

Abb. 15: Beispielberechnung Karlsruhe

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Entwicklungen / Trends 33

3.6 Problemstellung

Der Anstieg an Einsätzen im Rettungsdienst um 19% bis 2050, sowohl in der Notfallrettung, als auch im Krankentransport lässt sich auf mehrere Faktoren zurück führen:

1. Einerseits schlagen die Auswirkungen der demographischen Entwicklungen durch. Dies lässt sich beispielsweise an der Veränderung des Einsatzspektrums erkennen. Neben chronischen Erkrankungen nehmen psychiatrische Einsätze und geriatrische Meldebilder zu. Auch die versagende Hausarztbindung verursacht einen weiteren Anstieg der Einsatzzahlen.

2. Andererseits trägt ein Ärztemangel zu Engpässen und Problemen im Rettungsdienst bei. Durch immer weiter spezialisierte Kliniken erhöhen sich zudem die Verlegungsfahrten, für die nicht selten eine Arztbegleitung notwendig sind.

Diesem Trend kann man durch verschiedene Möglichkeiten entgegen treten: Zum einen kann die Einsatzzuteilung und Einsatzkompetenz i.S. einer alleinigen Zuständigkeit zugunsten des nicht medizinischen Personals verlagert werden, zum anderen muss zukünftig eine tragfähige Planung des Fahrtenaufkommens geschehen und durch objektive Methoden optimiert werden. Verkürzung der Einsatzwege ermöglichen schnellere Eintreffzeiten und kürzere Einsatzzeiten. Durch Optimierung in der Zuteilung und des Standortes lassen sich weitere Einsparungen realisieren um die hohe Qualität im Rettungswesen beizubehalten.

Beide Ansatzpunkte, sowohl die Verlagerung der Einsatzkompetenz, als auch die Optimierung bereits in der Planung benötigen jedoch eine umfassende Datenbasis. Eine belastbare Datenbasis, auch als Grundlage für ein Qualitätsmanagement ist jedoch nur in Ansätzen gegeben.

Es wird daher versucht, im folgenden Kapitel eine verbesserte Datenbasis zu erörtern, auf dessen Grundlage weitere Anstrengungen erfolgen können um Einsatzzuteilungen auf Rettungsdienstpersonal berechnen zu können und abzuschätzen, in wie weit ein Notarztmangel durch Rettungsdienstpersonal mit erweiterten Kompetenzen kompensiert werden kann.

Da nach momentanem Stand der Anwendung ausgearbeitete Kriterien nur ansatzweise erhoben werden, ist eine Optimierung der aktuellen Situation mithilfe von Kompetenzumverteilungen zur Zeit nicht möglich. Eine andere Möglichkeit, den in Kapitel 3 erarbeiteten Problemen entgegenzutreten, besteht aus einer wirtschaftlicheren Planungsmethodik im Sinne einer optimalen Standortplanung und Dispositionsstrategie, welche in den darauffolgenden Kapiteln aufgezeigt wird.

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Aktuelle Situation und Änderungsvorschläge 34

4 AKTUELLE SITUATION UND ÄNDERUNGSVORSCHLÄGE

Es kann nicht sinnvoll sein, in jeder Notfallsituation einen Notarzt einzusetzen. Daher ist eine dringende Abgrenzung zwischen einem nicht-notärztlichen Notfall (und damit einem Rettungsassistenteneinsatz) und einem notärztlichen Einsatz nötig. Empfehlungen der BÄK58

Nach einer Einführung in die rechtlichen Grundlagen des momentanen Stands von Rettungsdienstpersonal, wird versucht, eine Abgrenzung eines ärztlichen von einem nichtärztlichen Einsatz darzustellen. Da die konkrete Ausarbeitung ärztlichen Fachgesellschaften vorbehalten werden sollte, werden hier Ansatzpunkte an die Hand gegeben, um eine Abgrenzung zu schaffen. Als Methode wird ein modifiziertes Scoringystem, welches vom NACA Score abgeleitet wurde, verwendet. Veränderungen in der Struktur der Einsatzarten müssen mit einer erhöhten Qualifizierung, Ausbildung und Verantwortungsbereich des Rettungsdienstpersonals einhergehen.

liegen hier zwar vor, werden aber nicht einheitlich umgesetzt und sind auch nicht ausführlich genug um darauf basierende Dispositionsentscheidungen treffen zu können.

4.1 Datenlage

Im Juni 2010 wurde im Rahmen einer Dissertation an der Universitätsklinik Münster eine Untersuchung sämtlicher EU – Staaten hinsichtlich einer klar definierten, messbaren, präklinischen Schweregradeinteilung durchgeführt, die eine Unterscheidung zwischen ärztlichem und nichtärztlichem Einsatz zum Ziel hatte. Diese Schweregradeinteilung konnte jedoch in keinem Staat aufgefunden werden, es wurden keinerlei Strukturen und Komponenten festgestellt, die sich auf eine Abgrenzung der Einsätze in Deutschland einarbeiten lassen.59

Auch standardisierte Notrufabfrageprotokolle auf Rettungsleitstellen wurden nicht bestätigt. Laut Meyer muss „das Rad neu erfunden werden“, da die untersuchten EU –Länder nicht zur Zielerreichung behilflich sein konnten, auch wenn gute Ansätze vorhanden sind.

58 Bundesärztekammer: Indikationskatalog für den Notarzteinsatz, abzurufen unter: www.bundesaerzte kammer.de/ downloads/Notarzteinsatz.pdf 59 Meyer, Verena (2010): Eine mögliche Abgrenzung eines notärztlichen von einem nicht-notärztlichen Rettungseinsatzes, S. 93

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Aktuelle Situation und Änderungsvorschläge 35

4.2 Rechtliche Aspekte in Deutschland

Das Berufsbild des Rettungsassistenten enthält zur Zeit nicht die gewünschte Rechtssicherheit. Es fehlt ein eigener Behandlungs- und Kompetenzbereich um eigenverantwortlich arbeiten zu können.60

So muss der Rettungsassistent vor der Durchführung einer medizinischen Maßnahme prüfen, ob die Voraussetzungen für die Durchführung einer Notkompetenzmaßnahme vorliegen, die wiederum auf der gesetzlichen Grundlage des rechtfertigenden Notstands gemäß § 34 StGB beruht. Dies erfordert aus juristischer Sicht eine Diagnose, die jedoch nur von einem approbierten Arzt, bzw. einer Person, die über eine Erlaubnis nach dem Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (HeilprG) verfügt, durchgeführt werden darf. Hierzu zählt die Berufsgruppe Rettungsassistent zurzeit nicht.

Die Stellungnahme der Bundesärztekammer (BÄK) von 199261

Somit muss für ein zukünftiges Rettungsdienstmodell eine Einführung einer Regelkompetenz geschaffen werden, die auf einer rechtswirksamen Stellungnahme beruht. Nur dann kann die Durchführung von notfallmedizinischen Maßnahmen im rechtssicheren Raum geschehen. Ähnlich wie Gesundheits- und Krankenpfleger, die über einen eigenen Handlungsspielraum verfügen, bedarf es auch im Rettungsdienst eigenständiger Kompetenzen.

, ist ein Ansatzpunkt und Beginn einer klaren Vorgabe, jedoch nicht rechtsverbindlich, da ihr keine legislative Befugnis zusteht.

62

Eine Regelkompetenz hat mit einer erweiterten Ausbildung des Rettungsdienstpersonals einherzugehen. Die dreijährige Ausbildung zum Rettungsassistenten ist längst überfällig, eine entsprechende Novellierung wird bereits auf politischer Ebene gefordert.

Eine Umstellung lässt sich in praktischer Hinsicht auf vielfältige Weise erreichen. So kann über einen gewissen Zeitraum die Maßnahme im Beisein eines Arztes geschehen und Handlungen können sich an „Standing orders“, Indikationskatalogen und festen Algorithmen ausrichten. Ein erfolgreiches Modell dieser Art lässt sich in den Niederlanden finden.

63

60 Meyer, Verena (2010): Eine mögliche Abgrenzung eines notärztlichen von einem nicht-notärztlichen Rettungseinsatzes, S. 94

Hierauf soll nicht weiter eingegangen werden, da entsprechende Empfehlungen zur Novellierung des Rettungsassistentengesetzes zur Genüge vorhanden sind.

61 Bundesärztekammer: Indikationskatalog für den Notarzteinsatz; Medikamente, deren Applikation im Rahmen der Notkompetenz durchgeführt werden und Stellungnahme der Bundesärztekammer zur Notkompetenz von Rettungsassistenten und zur Delegation ärztlicher Leistungen im Rettungsdienst. 62 Vgl. Meyer, Verena (2010): Eine mögliche Abgrenzung eines notärztlichen von einem nicht-notärztlichen Rettungseinsatzes, S. 95 63 Deutscher Bundestag (2007): Anhörung zur Reform des Rettungsassistentengesetzes vom 21.06.2007

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Aktuelle Situation und Änderungsvorschläge 36

4.3 Begriffseinführungen

4.3.1 NACA Score

Für die Unterscheidung eines nichtärztlichen von einem ärztlichen Notfalls wird eine Einführung in den NACA Score gegeben.

Der NACA- Score wurde in den späten sechziger Jahren vom National Adivsory Committee of Aeronautics, der Vorgänger Institution der NASA entwickelt und war international eine der ersten brauchbaren Methoden zur Schweregradbeurteilung von verletzten Patienten. Ursprünglich wurde der Score im Hinblick auf Unfälle in der Luftfahrt entwickelt. Bald darauf wurde er jedoch von der US-Army im Vietnam-Krieg als Triageinstrument64 eingesetzt. Er umfasst ein einfaches Scoresystem zur Einordnung der Erkrankungs- oder Verletzungsschwere von Patienten in sieben, mit kurzen allgemein-klinischen Definitionen, umschriebenen Kategorien. Der Score ist unabhängig von Messwerten, lässt sich sowohl bei Erkrankungen als auch Verletzungen anwenden und ist damit für die präklinische Notfallmedizin, in der nur auf eingeschränkte diagnostische Möglichkeiten zurückgegriffen werden kann, besonders geeignet. Daher ist der NACA-Score im DIVI-Notarzteinsatzprotokoll und Mindestdatensatz Notfallmedizin (MIND) als wichtiger Parameter in der präklinischen Patientendokumentation etabliert.65

64Als Triage bezeichnet man den Prozess, Patienten ,unmittelbar nach ihrer Ankunft, in einer Notfallstation einzuschätzen und ihnen eine Priorität für die weitere Behandlung zuzuweisen. 65 Schlechtrienem, T. (2005), Validierung des NACA-Score anhand objektivierbarer Parameter, Notfall & Rettungsmedizin 2005, S. 96

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Aktuelle Situation und Änderungsvorschläge 37

Abb. 16: NACA Klassifizierung66

Die Einteilung erfolgt in sieben Stufen je nach Schweregrad des Krankheits-/ Verletzungsbildes. Die Beurteilung sollte sich dabei am schlechtesten Zustand des Patienten orientieren. In der Literatur wird häufig NACA I und NACA II zusammen gefasst, da eine Unterscheidung ex post anhand der Dokumentation im Notarztdienst nur sehr schwer möglich ist.

NACA I / NACA II:

Eine ambulante Behandlung ist möglich, die Angabe einer Zielklinik fehlt. Eine Gefährdung der Vitalparameter liegt nicht vor. Definitionsgemäß liegt hier eine geringfügige Störung vor. Eine ambulante Abklärung ist notwendig.

Beispieldiagnosen sind z.B. Stürze, Prellungen, etc.

66 Schlechtrienem, T. (2005), Validierung des NACA-Score anhand objektivierbarer Parameter, Notfall & Rettungsmedizin 2005, S. 99

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Aktuelle Situation und Änderungsvorschläge 38

NACA III:

Die Diagnose erfordert eine stationäre Behandlung. Eine Zielklinik ist in der Dokumentation vorzufinden. Ein Vergleich mit dem Mainz Emergency Evaluation Score (MEES) entspricht einem Punktwert 3.

Beispieldiagnosen sind u.a. isolierte geschlossene Frakturen, Hypoglykämie <50 mg/dl Blutzucker, Synkopen.

NACA IV:

Hier liegt eine Gefährdung der Vitalparameter vor. Ein Vergleich mit dem Mainz Emergency Evaluation Score (MEES) entspricht laut Schlechtriemen et al. einem Punktwert 2.

Beispieldiagnosen dieses Bereichs sind u.a. Aspiration, AP- Beschwerden, anaphylaktische Reaktionen, TIA etc.

Abb. 17: MEES Score Einteilung67

NACA V:

Hier liegt akute Lebensgefahr vor. Diese Einteilung entspricht im MEES Score dem Punktewert 1. Beispieldiagnosen sind u.a. Myokardinfarkt, Lungenembolie, Polytrauma etc.

67 Schlechtrienem, T. (2005), Validierung des NACA-Score anhand objektivierbarer Parameter, Notfall & Rettungsmedizin 2005, S. 98

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Aktuelle Situation und Änderungsvorschläge 39

NACA VI:

Die erfolgreiche Reanimation entspricht dem Schweregrad VI.

NACA VII:

Der Patient ist bereits vor Eintreffen des Rettungsmittels verstorben oder es liegt eine erfolglose Reanimation vor.

4.3.2 Münchner NACA Score (M-NACA)

Die Klassifizierung der Diagnose im NACA Scores weist durch die subjektive Einschätzung der Notärzte immer wieder inkongruente Ergebnisse auf. Daher wurde von Schlechtriemen et al. eine Modifikation entwickelt, die zur Beurteilung der Vitalparameter den MEES Score einbezieht und zur Klassifikation der Verletzungsschwere den Utstein-Style verwendet. Dadurch lässt sich eine objektivere Einteilung in Erkrankungsgrad und Verletzungsschwere erhalten. Inwieweit sich mit dem M-NACA eine differenziertere Beurteilung der präklinischen Versorgungsabläufe erzielen lässt, muss durch weitere Untersuchungen beantwortet werden. Besonders zur Unterscheidung von ärztlichen Einsätzen könnte durch dessen Verwendung eine Präzisierung des Ergebnisses erzielt werden.

Die präklinischen Daten, die zu dieser Präzisierung des NACA-Score notwendig sind, lassen sich aus dem von der DIVI für die Dokumentation in der präklinischen Notfallmedizin empfohlenen Datensatz MIND2 entnehmen.

Noch findet der im Jahr 2005 entwickelte M-NACA Score keine Verwendung. Er könnte aber für die hier aufgestellte Untersuchung zur Unterscheidung von ärztlichen Einsätzen eine zukünftig hohe Rolle spielen.

Abbildung 18 zeigt die Kategorisierung der M-NACA Einteilung auf. Genaue Angaben machen eine objektive, einheitliche Zuordnung möglich.

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Aktuelle Situation und Änderungsvorschläge 40

Abb. 18: Münchner NACA Score (M-NACA)68

4.4 Kritik am NACA Score zur Indikation von Notarzteinsätzen

Einige Krankheitsbilder zeigen im Verlauf deutliche Unterschiede im Schweregrad auf. So ist es möglich, dass bei einer vasovagalen Synkope der Patient während des Anrufes auf der Leitstelle einem höheren NACA Score zugeordnet werden müsste, als nach Eintreffen des Rettungsmittels vor Ort. Wird der NACA Score jedoch zur Einsatzindikation eines Notarztes verwendet, so stellt sich die Frage welcher Zeitpunkt

68 Schlechtriemen (2005): Der Münchner NACA Score, Eine Modifikation des NACA Scores für die präklinische Notfallmedizin, Notfall & Rettungsmed 8: S. 210, Springer Verlag

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Aktuelle Situation und Änderungsvorschläge 41

der Bewertung der beste zur Einsatzentscheidung ist. Hier ist sicherlich die Bewertung zum Zeitpunkt des schlechtesten Zustandes am sinnvollsten. Dieser kann jedoch nur ex post ermittelt werden und nicht zum Zeitpunkt der Disposition. Dennoch stellt die Klassifizierung des NACA Scores eine erste Möglichkeit der Unterscheidung zwischen ärztlichem und nichtärztlichem Einsatz dar. Daher ist es unumgänglich durch ein Rückmeldesystem (vgl. Kapitel 1.3.6) die Güte des NACA Scores zu verifizieren und so verlässliche Daten zu erhalten. Die Verwendung des M-NACA Scores würde die Dokumentationsqualität weiter erhöhen.

4.5 Vorschlag für eine Neueinteilung von ärztlichen Einsätzen

Bereits in diverser Literatur lassen sich Angaben finden, dass 30 bis 40% aller Notarzteinsätze keine Notfälle zugrunde liegen und mindestens 30% aller Notarzteinsätze nicht gerechtfertigt sind.69

Diese Angaben liegen bis zu zehn Jahre zurück, so dass davon ausgegangen werden kann, dass sich diese Anzahl eher noch erhöht hat. Gründe dieser Fehlzuweisung könnten einerseits im Bereich der Leitstellen liegen, die aufgrund des Meldebildes eine Fehleinschätzung vornehmen oder aufgrund fehlender Indikationskataloge subjektive Einschätzungen zu Grunde legen. Andererseits liegt der hohe Anteil an nicht notwendiger Indikation des Notarztes beim Rettungsassistenten der sich durch Nachalarmierung des Arztes rechtliche Sicherheit verschaffen möchte. Auch wenn beispielsweise das Meldebild in das Spektrum des vertragsärztlichen Bereitschaftsdienstes gehört, wird häufig der Notarzt alarmiert. Dieser sollte aber für den tatsächlich indizierten Notfall zur Verfügung stehen.

Abb. 19: Notarztstandort Heidelberg, NACA Score Zuordnung70

Aus dem MIND

71

69 Vgl. Dick, W. (2002) Brauchen wir noch einen Notarzt oder brauchen wir einen anderen Notarzt, Notfall & Rettungsmed, Springer Verlag, und: Ahnefeld (1998) Grundsatzpapier Rettungsdienst, Notfall & Rettungsmed 1: 68 – 74 und: Handbuch Rettungsmedizin

Datensatz des Notarztstandortes am Universitätsklinikum Heidelberg ist die Aufschlüsselung der Einsätze nach NACA Score ersichtlich. Im Jahr 2008 beträgt der Anteil NACA I – III 43, 8 %. Hinzu kommt noch der Anteil an Fehlfahrten, der in diesem Datensatz nicht erfasst ist, so dass der Anteil aller Notarzteinsätze kleiner

70 Jahresbericht 2007/2008, Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Heidelberg, http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Jahresberichte.4297.0.html?&FS=title%3DHauptabteilung 71 Minimaler Notarztdatensatz der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI)

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Aktuelle Situation und Änderungsvorschläge 42

NACA IV mindestens 50% entspricht. Eine Zunahme des indizierten Notarzteinsatzes am Heidelberger Standort über einen Zeitraum von 2003-2008 ist ansatzweise bereits erkennbar. Abbildung 20 zeigt auf, dass der nicht indizierte Notarzteinsatz, also der, der einem NACA Score I bis III entspricht, von 53% in 2003 auf ca. 44% abgenommen hat. Unter der Annahme, dass NACA I bis III eigentlich nicht in die Kompetenz des Notarztes fallen soll, ist eine beachtliche Quote von 44% dennoch deutlich überhöht und sollte Anlass für eine rege Diskussion über die Effizienz und Wirtschaftlichkeit im Rettungswesen geben.

Abb. 20: Entwicklung der Notarzteinsätze anhand des Schweregrad NACA im Zeitverlauf am Standort Heidelberg

Auch eine Untersuchung des Notarztdienstes in Bayern vom April 2010 lässt eine Einschätzung über die Effizienz von Notarztalarmierungen zu. Zwar liegt die normierte bayernweite Notarztalarmierungsrate mit 29,2 Einsätzen/1000 Einwohnern über dem bundesweiten Durchschnitt (im Vergleich zu 24,1 Einsätze/1000 Einwohner), dennoch gibt das Fahrtziel eine grobe Einschätzung der Relevanz des Notarztes an. So waren 42,2% aller Notarzteinsätze Zielkliniken der Versorgungsstufe I, während 30% der Fahrten in eine Klinik der Versorgungsstufe II dokumentiert wurden, weitere 21,4% des Fahrtaufkommens mit Arzt wurden in eine Klinik mit der höchsten Versorgungsstufe

Jahr 2003 2004 2005 2006 2007 2008 NACA I -III 53,10% 51,30% 53,00% 44,60% 45,60% 43,80%

0,00%

10,00%

20,00%

30,00%

40,00%

50,00%

60,00%

2003 2004 2005 2006 2007 2008

NACA I -III

NACA I -III

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Aktuelle Situation und Änderungsvorschläge 43

vermerkt.72

Der Krankenhausplan legt Allgemeinkrankenhäuser mit drei Versorgungsstufen und Fachkrankenhäuser fest. Krankenhäuser der I. Versorgungsstufe dienen der Grundversorgung. Krankenhäuser der II. Versorgungsstufe erfüllen in Diagnose und Therapie auch überörtliche Schwerpunktaufgaben. Krankenhäuser der III. Versorgungsstufe halten im Rahmen des Bedarfs ein umfassendes und differenziertes Leistungsangebot sowie entsprechende medizinisch technische Einrichtungen vor.

Dabei definiert das Bayerische Krankenhausgesetz Versorgungsstufen wie folgt:

73

Der Versuch einer Definition des indizierten Notarzteinsatzes ist nicht neu. Auch nach Untersuchungen von Dirks (Universitätsklinik für Anästhesiologie, Ulm) kann ein indizierter bzw. nicht indizierter Notarzteinsatz nicht allein aus dem NACA Score zutreffend ermittelt werden. Er nennt Einschlusskriterien für einen indizierten Notarzteinsatz anhand zusätzlicher Faktoren: Ein indizierter Notarzteinsatz liegt vor, wenn folgende Gegebenheiten oder Diagnosen vorliegen. Dabei reicht bereits das Auftreten eines Kriteriums für die Einstufung als Notarzteinsatz.

Auch hier lässt sich zeigen, dass in ca. 40% der Fahrten Patienten versorgt und begleitet werden, die durch entsprechend geschultes Rettungsdienstpersonal ebenso effizient versorgt werden könnten. Angenommen der Notarzt wäre in dieser Zeit nicht gebunden und könnte für dringliche, indizierte Einsätze zur Verfügung stehen, so kann damit bereits das Mehraufkommen durch Steigerung der Einsatzzahlen von 19% (nach Prognose für das Jahr 2050) begegnet werden.

• NACA-Score ≥ 4 • Angina pectoris

• GCS-Wert ≤ 11 • Herzinfarkt

• Patient bewusstlos • TIA/Insult/Blutung

• starke Schmerzen des Patienten • Lungenembolie

• Atemstörungen liegen vor • Lungenödem

• Apnoe liegt vor • Rhythmusstörungen

• Der Patient wird beatmet • Hypertensiver Notfall

• Das EKG zeigt VT, VF, Asystolie, PEA an

• Medikamenten-intoxikation

• Geburt

Abb. 21: Gegebenheiten und Diagnosen für einen indizierten Notarzteinsatzes nach Dirks 72 INM, Klinikum der Universität München (2010): Untersuchungen zum Notarztdienst und arztbegleiteten Patiententransport in Bayern, 73 siehe Bayerisches Krankenhausgesetz (BayKrG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. März 2007, online abzurufen unter: http://by.juris.de/by/gesamt/KHG_BY_2007.htm

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Aktuelle Situation und Änderungsvorschläge 44

Abbildung 21 zeigt bereits Tendenzen einer sinnvollen und exakten Zuteilung von ärztlichen Einsätzen. Es wird jedoch angeregt, statt des von Dirks vorgeschlagenen NACA Score den präziseren M-NACA Score zu verwenden. Eine Möglichkeit der Zuteilung wird im Folgenden dem Leser näher gebracht.

Eine mögliche Einteilung der Alarmierungen kann, basierend auf dieser Neueinteilung auf einer Skala von 1 bis 4 sinnvoll abgebildet werden.

Skala 1: (zur Zeit: Notarzteinsatz)

Hierunter sind sämtliche Einsätze zu verstehen, die einen Notarzt dringend erforderlich machen. Diese fallen unter den M-NACA Score IV / V / VI /VII und der Auflistung nach Dirks (Abb. 17). Insbesondere gehören als Tätigkeiten hierzu Narkoseeinleitungen, Intubationen und Beatmungen, invasive chirurgische Eingriffe wie Thoraxdrainagen etc.

Nach Einschätzung des Autors, Statistiken und Befragung von Notärzten dürften Einsätze der Skala 1 weniger als 50% der bisherigen Notarzteinsätze ausmachen. Im Referenzdatensatz Baden-Württemberg der MIND Auswertung machen Einsätze mit NACA Score ≥IV 47% aus.

Skala 2: (zur Zeit: Notfalleinsatz bzw. Notarzteinsatz)

Einsätze der Skala 2 entsprechen dem früheren Notfalleinsatz inklusive einiger momentanen Notarzteinsätzen, die zukünftig von einem Rettungsassistent eigenständig versorgt werden. Hierunter fallen Einsätze des M-NACA Score II und III.

Überdies fällt in Skala 2 auch die Tracer-Diagnose Apoplex, der präklinisch in nur seltenen Fällen versorgt werden kann und hier der Zeitfaktor die höchste Priorität in der außerklinischen Versorgung darstellt. Dies unterstreicht die Auswertung der NADOK Protokolle deutlich: In weniger als 13 % der Apoplex Einsätze ist eine medikamentöse Behandlung (Antihypertensiva, Katecholamine) erfolgt.74

Skala 3: (zur Zeit: Notfalleinsatz/ Primäreinsatz)

Skala 3 Einsätze müssen sofort bedient werden, jedoch ist eine Anfahrt ohne Sondersignal möglich. Hierunter fallen z.B. Verletzungen etc.

Skala 4: (qualifizierte Krankentransporte)

Fahrten auf Skala 4 entsprechen dem qualifizierten Krankentransport.

74 Daten beruhen auf dem Referenzdatensatz MIND Baden – Württemberg 2002-2006

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Aktuelle Situation und Änderungsvorschläge 45

Eine Ausarbeitung der spezifischen Diagnosen mit der Einteilung auf der Skala von 1 bis 4 sollte durch geeignete Gremien geschehen und so dem Leitstellenpersonal ein konkreter Indikationskatalog an die Hand gelegt werden.

4.6 Auswirkungen der Überlegungen dieser Neuzuteilung von notärztlichen Einsätzen

Trotz eines vorausgesagten Notärztemangels in Verbindung mit einem Anstieg der oberen Altersklassen in der Bevölkerung lässt sich ein zukünftiger Qualitätsverlust aufgrund der fortschreitenden Nichteinhaltung der Hilfsfrist im Notärztlichen Bereich kompensieren. Hierzu wird die eigenständigere Versorgung durch nichtärztliches Rettungsdienstpersonal vorausgesetzt. Dies erfordert jedoch eine streng definierte Unterscheidung zwischen ärztlichem und nicht ärztlichem Einsatz. Die in Kapitel 4 erörterten Vorschläge müssen hierzu jedoch als Grundlage zunächst umgesetzt werden. Dies kann in folgenden Schritten geschehen: Zunächst erfolgt die Erfassung des M-NACA Scores auf NADOK und DIVI Protokollen. Auf Basis einer darauf basierenden Auswertung wird ein Indikationskatalog nach Vorschlägen des Kapitels 4.5 erarbeitet. So kann der Leitstellendisponent nun gezielt zwischen den verschiedenen Einsatzarten unterscheiden und vermehrt Einsätze an nicht ärztliches Personal zuteilen.

Dieses Vorgehen macht es möglich, einem Anstieg des Fahrtenaufkommens von ca. 19% und einem Ärztemangel aktiv zu begegnen. Nach Einschätzungen des Autors können so 40 bis 50% der heutigen Notarzteinsätze verlagert werden.75

Erweiterte Maßnahmen des Rettungsdienstpersonals führen zudem zur Standardisierung und Gewöhnung des Rettungsassistenten an Tätigkeiten, die zuvor während der Notkompetenz nicht unbedingt sicher beherrscht worden sind, da die Tätigkeit nicht routinemäßig ausgeübt wurde.

Da die Abdeckung von Versorgungsgebieten durch Rettungswachen höher als die von Notarztstandorten ist, und mehr bisherige notärztliche Einsätze auf Rettungsdienstpersonal abgewendet werden, erhöht sich dadurch die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen Hilfsfrist.

Diese Überlegungen sollten mit einer bedarfsgerechten Fahrzeugvorhaltung und Standortzuweisung einhergehen. Der aktuelle Forschungsstand an Bemessungsverfahren zur Fahrzeugvorhaltung und Standortplanung wird im nächsten Kapitel erörtert.

75 Vgl. Meyer, Verena(2010): Eine mögliche Abgrenzung eines notärztlichen von einem nicht-notärztlichen Rettungseinsatzes

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Praktizierte Planungsmethoden 46

5 PRAKTIZIERTE PLANUNGSMETHODEN

Einhergehend mit der Verlagerung der Einsätze auf nichtärztliches Rettungsdienstpersonal stellt sich die Frage nach einer effizienten Allokation der Standorte und einer effektiven Fahrzeugvorhaltung von Rettungswagen und Notarztfahrzeugen. Hier bestehen im internationalen Vergleich erhebliche Unterschiede. „High Performance“ Rettungsdienstsysteme, wie sie in Großbritannien, USA oder in Skandinavien vorzufinden sind, implementieren bereits neue Anwendungs-möglichkeiten, die durch geographische Informationssysteme die Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit deutlich steigern.76

Die Bedarfsberechnung in den meisten deutschen Rettungsdienstbereichen erfolgt bisher in einem zweistufigen System, das im Folgenden näher erläutert wird.

In einem ersten Schritt wird auf Basis der Erreichbarkeit ein Standort ermittelt. Ohne Berücksichtigung des zu erwartenden Fahrtenaufkommens wird geprüft, ob sämtliche Gebiete des Versorgungsbereichs planerisch unter Berücksichtigung der Verkehrserschließung, der topographischen Gegebenheiten sowie der einsatztaktischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte des Rettungswachen-Versorgungsbereiches im Rahmen der so genannten Hilfsfrist [siehe 2.3.1] eingehalten werden können. In einem zweiten Schritt wird anhand des zu erwartenden Einsatzaufkommens die Fahrzeugvorhaltung ermittelt. Relevant hierfür sind Duplizitätsfälle, also der Fall in dem mehrere Notfälle gleichzeitig auftreten, die nicht nacheinander abgearbeitet werden können. Dies soll entsprechend selten auftreten.

Die Standortentscheidungen werden in einem Bedarfsplan festgehalten. Dabei sind die Anzahl und Standorte der Rettungswachen so festzulegen, dass die Hilfsfrist nach dem jeweiligen Landesrettungsdienstgesetz planerisch eingehalten werden kann.

In regelmäßigen Abständen haben die Leistungsträger an das Sozialministerium über die Einhaltung der Hilfsfrist zu berichten.

In Baden Württemberg konnten 25 von 37 Rettungsdienstbereiche die Vorgaben im Bereich der Rettungswagen nicht einhalten. Im Notarztbereich haben nur vier Bereiche den gesetzlich vorgegebenen Wert von 95% einhalten können.77

76 Krafft, Thomas et. al (2007): Nachfrageorientierte Steuerung von Rettungsdienstsystemen, in: Strobl J, Blaschke Th und G Griesebner (Hrsg.): Angewandte Geoinformatik 2007, S.409

77 Ministerium für Arbeit und Sozialordnung B.-W.(2010): Einhaltung der Hilfsfristen, Hilfsfristübersicht 2009

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Praktizierte Planungsmethoden 47

5.1 Aktuelle Methode zur Ermittlung der Standorte

Zunächst wird das Gebiet des Rettungsdienstbereiches in Rettungswachen versorgungsgebiete unterteilt. Jede Rettungswache muss die Notfallversorgung planerisch unter Beachtung der Hilfsfrist sicherstellen können. Wenn möglich sind die Rettungswachen in Nähe von Versorgungsschwerpunkten zu errichten: Dabei ist zu beachten, dass die Hilfsfrist auch in Hauptverkehrszeiten eingehalten werden muss. Dies kann teils nur dadurch ermöglicht werden, dass sich die Hilfsfrist-Isochronen78 mit dem Versorgungsbereich der benachbarten Rettungswache überschneiden und so eine verkehrs-antizyklische Versorgung möglich ist.79

Die FORPLAN GmbH, welche die Standortplanung landesweit für Baden-Württemberg vornimmt, berechnet Standorte über ein statisches Vorgehen mithilfe eines Simulationsprogrammes, welches Straßenabschnitte in vier Straßenkategorien und vier Geschwindigkeitsstufen einteilt. Anhand dessen werden Wegstrecken, zusätzlich abhängig von der Topographie, ermittelt. Eine Verkehrsauslastung wird nicht mit berücksichtigt. Auch der Fall, dass ein Fahrzeug nicht von der Wache startet, kann in diesem Modell nicht berücksichtigt werden.

Nach Schmiedel et al. kann ein „Ausnahmegebiet“ von der Planung ausgeschlossen werden, wenn in den vergangenen vier Jahren weniger als zehn Notfälle im Jahresdurchschnitt aufgetreten sind.

In der zurzeit angewandten Methodik erfolgt für die Planung von Rettungswachen- und Notarztstandorten zunächst eine Realbefahrung. Auf Grundlage dessen wird ein Befahrungsraster für das zu untersuchende Gebiet angelegt, welches durch klassifizierte Straßenabschnitte definiert wird. Die Standorte werden anschließend unter Berücksichtigung der Hilfsfrist und Berücksichtigung von Versorgungsschwerpunkten erstellt. Wissenschaftliche Methoden aus dem Operations Research werden nicht eingesetzt.

RTW-Planungsgeschwindigkeiten:

• 58 km/h für geschlossene Ortschaften • 95 km/h für Autobahn und autobahnähnliche Straßen • 90 km/h für Bundesstraßen • 80 km/h für Landes- und Kreisstraßen • 65 km/h für Ortsstraßen

78 Isochronen sind die Verbindungslinien aller Orte, die von einem Ausgangspunkt aus in derselben Zeit zu erreichen sind. 79 Schmiedel, Behrendt (2004): Bedarfsplanung im Rettungsdienst, S.18

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Praktizierte Planungsmethoden 48

NEF-Planungsgeschwindigkeiten:

• 63 km/h für geschlossene Ortschaften • 105 km/h für Autobahn und autobahnähnliche Straßen • 100 km/h für Bundesstraßen • 90 km/h für Landes- und Kreisstraßen • 75 km/h für Ortsstraßen

Abb. 22: Mögliche Durchschnittsgeschwindigkeiten

Abbildung 23 repräsentiert schemenhaft die Erreichbarkeit von Notfällen durch Notarzteinsatzfahrzeuge in Baden-Württemberg, die durch Kreise gekennzeichnet sind. Es wird von einer 12 Kilometer Luftlinienentfernung ausgegangen, die sich aus einer Fahrzeit von elf Minuten in Baden-Württemberg und einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 69 km/h ergeben. Dabei wird unterstellt, dass 80% Innerorts, 10% auf Bundesautobahnen und 10 % auf Landstraßen gefahren wird, welches einer durchschnittlichen Einsatzfahrt entspricht. Die Fahrzeit von elf Minuten ergibt sich aus einer Hilfsfristvon 15 Minuten abzüglich 4 Minuten für Dispositions- und Ausrückzeit. (siehe auch Kap. 5.5) Eine Luftlinienentfernung von 12 Kilometer repräsentiert ungefähr eine Wegstrecke von 15 Kilometer. Hierbei wird ein Umwegfaktor von 1,380

In Baden-Württemberg existiert auch für den Notarzt die Anforderung, in 95% aller Fälle den Patienten in 15 Minuten zu erreichen.

angenommen.

80 Der Umwegfaktor gibt die Abweichung zwischen Luftlinie und dem tatsächlichen Weg an. In der Literatur lassen sich Werte zwischen 1,1 und √2 finden. Im Mittel lässt sich das deutsche Straßennetz am besten mit 1,3 approximieren.

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Praktizierte Planungsmethoden 49

Abb. 23: Notarztstandortabdeckung in Baden-Württemberg, eigene Darstellung81

Man versucht Standorte, die bodengebunden nicht innerhalb der Hilfsfrist erreicht werden können über den Tag luftgestützt abzudecken. Dieser Umstand ist in Grafik 24 zu entnehmen. Wie auch in gängiger Literatur beschrieben, nimmt man hier einen 50 Kilometer Radius als Grundlage. Dieser setzt sich aus einer Flugzeit von 12 Minuten und einer mittleren Geschwindigkeit von 230km/h zusammen. Zwei Minuten fallen für Disponierung und Startvorgang des RTH an, eine weitere Minute für den Landevorgang. Der Fall, dass ein Rettungshubschrauber nicht an der Einsatzstelle landen kann und die Besatzung durch ein weiteres Transportmittel zum Patienten gebracht werden muss, ist in der Kalkulation nicht berücksichtigt. Diese Inkonsistenz

81 In Anlehnung an DRK (2010), Qualitätsbericht Rettungsdienst Baden-Württemberg 2009, S.18

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Praktizierte Planungsmethoden 50

ergibt sich durch eine unsaubere Dokumentation, bei denen die Ankunftszeiten der Landungen erfasst werden und die tatsächliche Zeit, die man zum Erreichen des Patienten benötigt, nicht berücksichtigt wird. Vergleiche hierzu auch Kap. 2.3.7, in dem beschrieben wird, wie für bodengebundene Rettungsmittel die Hilfsfrist in der Regel bei Ankunft am an einer Straße gelegenen Einsatzort erfasst wird.

Abb. 24: Standortabdeckung durch Rettungshubschrauber in Baden-Württemberg, eigene Darstellung82

82 http://www.adac.de/_mm/pdf/Standortkarte_Juni_2010_43482.pdf

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Praktizierte Planungsmethoden 51

5.2 Aktuelle Methode zur Ermittlung der bedarfsgerechten Fahrzeugvorhaltung

In einem weiteren Schritt wird die Fahrzeugvorhaltung berechnet. Hierfür werden die vergangenen Notfälle zu Grunde gelegt. Bemessungsrelevant sind jedoch nur Notfälle, welche mit Sonderrechten disponiert worden sind.83

In dem in dieser Arbeit dargelegten Modell (vgl. Kapitel 2.5) sollten Einsätze der Skala 2 für die Ermittlung der Vorhaltung von Rettungswagen und Einsätze der Skala 1 für die Ermittlung der Vorhaltung von Notarzteinsatzfahrzeugen berücksichtigt werden.

Notarzteinsatz Notfalleinsatz Mit Sonderrechten 90,50% 76,40% Ohne Sonderrechte 9,50% 23,60% Gesamt 100% 100%

Abb. 25: Verteilung der Fahrten nach Sonderrechten84

Benötigt werden die Erwartungswerte über die rettungsdienstliche Ereignishäufigkeit, dargestellt als normierte Einsatzraten, sowie als weiterer Parameter die mittlere Einsatzzeit. Bemessungsrelevant ist ausschließlich das gleichzeitige Auftreten von Notfallereignissen. Das mittlere Fahrtenaufkommen spielt keine Rolle, da Fahrten bei gleichverteiltem Vorkommen nacheinander abgearbeitet werden könnten. Da dies bei Notfallereignissen in der Regel aber nicht der Fall ist, da die Ereignisse zufällig verteilt auftreten, ist von Interesse wie oft wie viele Ereignisse gleichzeitig vorkommen. Die Poisson Verteilung, als Verteilung von seltenen Ereignissen, die durch den Parameter

λ vollständig charakterisiert wird, ist hierfür eine geeignete Näherung. Sie liefert die Aussage über die Anzahl x der auftretenden zufälligen, voneinander unabhängigen Ereignisse, hier der Anzahl an Notfällen.

( )!

xeP xx

λλ −

= (1) λ = np; p= 𝑘

𝑚

p = Eintrittswahrscheinlichkeit von x Notfällen [in Minuten]

k = Summe aller Notfälle im Zeitraum m

83 Behrendt, Schmiedel (2002): Ermittlung der bedarfsgerechten Fahrzeugvorhaltung im Rettungsdienst, S 191, Notfall & Rettungsmed 84 Vgl. Leistungsanalyse Rettungsdienst 2004/2005, S. 26

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Praktizierte Planungsmethoden 52

m = Erfassungszeitraum [in Minuten]

n = durchschnittliche Einsatzzeit eines Notfalls im Zeitraum m

x = Anzahl gleichzeitig auftretender Notfallfahrten

Die Anzahl der gleichzeitig auftretenden Notfälle, die für die Fahrzeugvorhaltung von Interesse ist, lässt sich über die rekursive Berechnung bestimmen:

Zunächst wird P(0) bestimmt:

(0)P e λ−= (2) Anschließend lassen sich die Wahrscheinlichkeiten für die Anzahl X= 1,2,3,… an Notfällen bestimmen über:

(3)

X= 0 1 2 3 4 5 Wahrscheinlichkeit für f(x=X) 0,607 0,303 0,076 0,013 0,002 0,000 Summenverteilung F(X≥x) 0,607 0,910 0,986 0,998 1,000 1,000

Abb. 26: Dichtefunktion und Häufigkeitsverteilung der Poissonverteilung für λ = 0,5

Abbildung 26 zeigt eine fiktive Anzahl an gleichzeitig auftretenden Notfällen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Notfall im betrachteten Zeitraum eintritt, beträgt hier 30,3%, die Wahrscheinlichkeit für zwei gleichzeitig auftretende Notfälle beträgt 7,6%. Mit 3 Fahrzeugen wären in 99,98% aller Fälle alle gleichzeitig auftretende Notfälle bedient.

0,000

0,100

0,200

0,300

0,400

0,500

0,600

0,700

0,800

0,900

1,000

0 1 2 3 4 5

Dichtefunktion

Verteilungsfunktion

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Praktizierte Planungsmethoden 53

In Abbildung 27 wird die Fahrzeugvorhaltung für ein fiktives Fahrtenaufkommen mithilfe der Poisson-Verteilung berechnet. Der Detaillierungsgrad besteht aus 8 Stunden Schichten und ist unterteilt nach Wochentag, Samstag und Sonn- bzw. Feiertagen. Abbildung 28 visualisiert das gleichzeitig auftretende Notfallaufkommen.

Tag Anzahl Tage

pro Jahr Intervall Fahrtaufkommen Mittlere

Einsatzzeit [min]

Montag bis Freitag:

251 07.00 – 15.00 Uhr 1385 52

15.00 – 23.00 Uhr 1251 56

23.00 – 7.00 Uhr 546 48

Samstag: 52 07.00 – 15.00 Uhr 358 45

15.00 – 23.00 Uhr 300 48

23.00 – 7.00 Uhr 189 46

Sonn- und Feiertag:

62 07.00 – 19.00 Uhr 420 46

19.00 – 7.00 Uhr 195 46

Gesamt: 365 3259

Abb. 27: Arbeits- und Feiertage pro Jahr bezogen auf Baden-Württemberg im Jahr 2010 mit fiktiven Einsatzzahlen

X 0 1 2 3 4 5 6

W‘keit 0,550031 0,328798 0,098274 0,019582 0,002926 0,000350 0,000035

Berechnung: k = 120480 ( 8 Stunden/Tag x 60 Minuten/Stunde x 251 Tage = 120480 Minuten ) n = 52 (durchschnittlich 52 Minuten pro Einsatz) P = 0,011496 ( 1385 Notfälle / 120480 Minuten = 0,011496 Einsätze pro Minute) λ = 0,5978 ( 52 Minuten x 0,011496 Einsätze pro Minute)

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Praktizierte Planungsmethoden 54

Abb. 28: Wahrscheinlichkeit für das gleichzeitige Auftreten von x Notfällen von Montag- Freitag zwischen 7.00- 15.00 Uhr

Interessant für die risikoabhängige Bemessung ist der Fall, dass ein Notfall nicht „abgearbeitet“ werden kann, da sämtliche Rettungsmittel gebunden sind. Das bedeutet, dass die gleichzeitige Anzahl an Notfällen höher ist, als die Anzahl der Fahrzeuge im Rettungsdienstbereich. Dieses Systemversagen wird als Überschreitungs-wahrscheinlichkeit bezeichnet. Da die Häufigkeit des Versagens von Interesse ist, bezieht man die Überschreitungswahrscheinlichkeit auf einen Zeitraum. Behrendt und Schmiedel geben als Zeitraum eine Schichtlänge an. Die Wiederkehrzeit darf eine bestimmte Toleranzgrenze nicht überschreiten. Eine Wiederkehrzeit von zehn Schichten bedeutet, dass beispielsweise bezogen auf eine Werktagsschicht von 8.00 Uhr – 15.00 Uhr alle zwei Wochen im Zeitraum Montag bis Freitag zwischen 8.00 Uhr – 15.00 Uhr ein Notfall rechnerisch nicht abgearbeitet werden kann. Diese Anzahl wird als befriedigend erachtet.85

Die Wiederkehrzeit berechnet sich aus dem Kehrwert der Überschreitungswahrscheinlichkeit gewichtet mit der mittleren Notfalleinsatzzeit, die auf die Dauer eines Bemessungsintervalls bezogen wird. Die Dauer d eines Bemessungsintervall setzt sich aus dem Erfassungszeitraum m, dividiert durch die Anzahl der Bemessungsintervalle zusammen.

In verdichteten Räumen mit benachbarten Rettungswachen und Überschneidungen der Bereiche wird eine Wiederkehrzeit von fünf Schichten geduldet. Hier darf also einmal pro Woche ein Notfall rechnerisch „nicht bedient“ werden.

(4)

85 Behrendt, Schmiedel (2002): Ermittlung der bedarfsgerechten Fahrzeugvorhaltung im Rettungsdienst, S 191, Notfall & Rettungsmed

0,000000

0,100000

0,200000

0,300000

0,400000

0,500000

0,600000

0 1 2 3 4 5 6

Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von x Notfällen

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Praktizierte Planungsmethoden 55

(5)

Tritt der Fall der Überschreitungswahrscheinlichkeit ein, so hat der Leitstellendisponent auf verschiedene Rückfallebenen zurück zu greifen:

1. Rückfallebene: Ein im Versorgungsbereich vorhandenen RTW, der auf der Anfahrt zu einem Krankentransport ist, für den Notfall abziehen

2. Rückfallebene: Dem Notfall ein im Versorgungsbereich stationiertes notarztbesetztes Rettungsmittel zuteilen.

3. Rückfallebene: Dem Notfall ein RTW aus einem benachbarten Rettungswachenversorgungsbereich zuordnen.

4. Rückfallebene: Den nächsten freien Rettungshubschrauber dem Notfall zuteilen. (nur tagsüber möglich)

Abb. 29: Rückfallebenen zum Abfangen von gleichzeitig auftretenden Notfällen86

86 Vgl. Behrendt, Schmiedel (2002): Ermittlung der bedarfsgerechten Fahrzeugvorhaltung im Rettungsdienst, S 194, Notfall & Rettungsmed

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Wissenschaftliche Standortmodelle 56

6 WISSENSCHAFTLICHE STANDORTMODELLE

Zwischen den praktizierten Planungsmethoden und dem aktuellen Stand an wissenschaftlichen Verfahren ist eine beachtliche Diskrepanz vorzufinden.

Bereits in den 1970er Jahren wurden im angelsächsischen Raum Modelle entwickelt, die mathematische Lösungen aufzeigen, welche besonders heutzutage in Verbindung mit Geoinformationssystemen (GIS) und fortgeschrittener Informationstechnik enorme Optimierungspotentiale aufzeigen können.87 Die aktuellen wissenschaftlichen Modelle lassen sich in drei verschieden Klassen einteilen.88

6.1 Statische und deterministische Modelle

Im Folgenden wird jede Klasse zunächst eingeführt, dann beschrieben und anschließend einer kurzen Bewertung unterzogen.

Eine der ersten Modellklassen stellte statische und deterministische Standortprobleme dar. Wie in jedem Modell müssen Annahmen getroffen werden, was einige Abstraktionen erfordert. Es wird davon ausgegangen, dass die Notfälle eine endliche Anzahl an Knoten darstellen. Sie bilden die Nachfrage. Fahrzeuge stellen das Angebot dar, welches ebenso als endliche Anzahl an Knoten dargestellt wird. Zudem wird vorausgesetzt, dass sämtliche Fahrzeiten zwischen den Knoten bekannt sind. In der Regel wird der kürzeste Weg und damit die kürzeste Fahrzeit verwendet. Durch diese Annahmen vereinfacht sich das Modell auf ein Abdeckungsproblem. Die Nachfrageknoten müssen durch die Angebotsknoten „abgedeckt werden“. Ähnliche Problemstellungen wurden bereits 196489

von Hakimi beschrieben. Er formulierte Center-Probleme, bei denen ein zentraler Punkt bestimmt wird, der den minimalsten Abstand zu dem am entferntesten Punkt angibt.

6.1.1 Das Location Set Covering Model (LSCM)

Eines dieser Modelle stellt das Location Set Covering Model90 (LSCM)91

87 Laporte, Gilbert, et.al (2009): Applications of the Double Standard Model for Ambulance Location, S.235

dar. Es versucht die Anzahl aller benötigten Standorte unter der Prämisse, dass jeder Notfall innerhalb der Hilfsfrist abgedeckt werden kann, zu minimieren.

88 Brotcorne, Luce; Laporte, Gilbert et.al (2003): Ambulance location and relocation models, S. 451 89 Hakimi S. (1964): Optimum Locations of Switching Centers and the Absolute Centers and Medians of a Graph, Operational Research Vol. 12, S. 450-459 90 Erstmals bekannt geworden durch: Toregas et al. (1971): The location of emergency service facilites, S.1363-1373

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Wissenschaftliche Standortmodelle 57

Es gebe s die Hilfsfrist an. Notfälle repräsentieren Knoten i ∈V und Fahrzeugstandorte werden durch Knoten j ∈ W abgedeckt. Gibt tij die Fahrzeit an, so wird ein Notfall i ∈ V durch j ∈ W abgedeckt, falls tij ≤ s ist. Wi = {j ∈ W | tij ≤ s } ist die Anzahl der Notfälle die durch Fahrzeugstandort j abgedeckt werden kann. Sollen nun alle Knoten i abgedeckt werden, benötigt man eine Binärvariable xj . Für xj = 1 ist ein Fahrzeug an Knoten j allokiert, für xj = 0, ist kein Fahrzeug an Knoten j. Damit ergibt sich folgendes Modell:

Minimiere z = � 𝑥𝑗𝑛𝑗=1

u.d.N.: ∑ 𝑥𝑗j ∈ Ni ≥ 1

xj ∈ {0,1}

Abb. 30: Das Location Set Covering Model

Die optimale Lösung besteht hier aus einer massiven Anzahl an Fahrzeugen, da das Modell eine komplette Abdeckung verlangt und der Kostenfaktor völlig vernachlässigt wird. Faktoren wie Bevölkerungsdichte, Erreichbarkeiten oder Häufigkeit von Notfällen können nicht abgebildet werden.

Da für diese Betrachtung rein theoretisch W Fahrzeuge benötigt werden, ist dieses Modell für die Praxis sicherlich ungeeignet, stellt aber die Grundlage dar, um auf diesem Modell Erweiterungen und Spezialisierungen aufbauen zu können.

Ein Abkömmling des LSCM ist das p-Center Problem, das für p Fahrzeuge den bestmöglichen Standort findet, indem das Maximum der Entfernungen minimiert wird.

6.1.2 Das Maximum Covering Location Problem (MCLP)

Das Maximum Covering Location Problem92

91 Synonym: Location Set Covering Problem (LCSP), siehe: ReVelle, C. (1989): Review, extension and prediction in emergency service siting models, S. 59

(MCLP), bei dem die Anzahl der Standorte p bereits fest vorgegeben ist, hat hingegen das Ziel, eine größtmögliche Fläche abzudecken. Wobei bei „beschränkten Ressourcen“ eine vollkommene Abdeckung nicht unbedingt erreicht wird und auch nicht angestrebt wird. Die Lösung ergibt sich z.B. durch das wiederholte Lösen von MCLP, bis eine adäquate Abdeckung erreicht wird. Da die LP Relaxation des Problems in der Regel eine ganzzahlige Lösung liefert, lässt sich das Modell gut lösen und stellt damit wohl das einflussreichste Modell

92Erstmals bekannt geworden durch: Church R., ReVelle C. (1974): The Maximum Covering Location Problem S.101-118

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Wissenschaftliche Standortmodelle 58

dar. Trotz der guten Lösbarkeit und noch recht einfachen Komplexität weist auch MCLP deutliche Schwächen auf. Es geht davon aus, dass die Fahrzeiten bekannt und statisch sind. Dies entspricht natürlich nicht der Realität. Einflussfaktoren wie Wetter, Verkehrsstaus etc. haben einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Reisezeit. Außerdem kann nicht, wie in dem Modell angenommen, davon ausgegangen werden, dass am nächsten freien Standort auch immer ein freies Fahrzeug zur Verfügung steht. Dies sind nur einige Schwächen des Modells.

MCLP fand erstmals Anwendung bei der Planung des Rettungsdienstes in Austin, USA. In mehreren Testläufen wurden für zwölf Rettungsmittel 358 mögliche Standorte ermittelt. Die häufigsten Standorte, welche sich durch Simulationen aus verschiedenen Nachfragemuster ergaben, wurden tatsächlich errichtet und sparten laut Autor93

Obwohl beide Modelle ursprünglich für „Ambulance Services“ entwickelt worden sind, wurden diese eher im zivilen Bereich eingesetzt. So wurden mit dem LSCM Bushaltestellen geplant und MCLP verwendet, um Klinikstandorte zu bestimmen. Da in diesen Anwendungsfällen die Kunden zum Standort kommen, können die Standorte rein auf Grundlage von geographischen Entfernungen geplant werden. Es besteht einerseits nicht das Problem, dass sich der Standort entfernt und andererseits, dass der Standort „besetzt“ ist, da die Einrichtungen in der Regel über ausreichend Kapazitäten verfügen.

3,4 Millionen US Errichtungskosten und 1,2 Millionen Dollar Unterhaltskosten ein. Gleichzeitig wurde die durchschnittliche Eintreffzeit erhöht.

94

Modellanforderungen:

Dies ist im Rettungswesen nicht gegeben. Im Rettungsdienst ist es durchaus möglich, dass ein Rettungswagen aufgrund einer hohen Auftragslage 80 bis 90 % der Dienstzeit auf der Straße verbringt, nicht frei ist und damit einen Standort nicht abdeckt. Daher wurden nach und nach feinere Methoden entwickelt um eine Mehrfachabdeckung zu gewährleisten und auch unterschiedliche Fahrzeugtypen berücksichtigen zu können.

Erwartete Abdeckung:

1. Angenommen die Wahrscheinlichkeit, dass an einer Rettungswache ein freies Fahrzeug stationiert ist, beträgt p, dann beträgt die erwartete Abdeckung eines Notfalls innerhalb der Hilfsfrist nicht 1, sondern p.

2. Ein am Standort positioniertes Fahrzeug erreicht ein Notfall innerhalb der Hilfsfrist in q Fällen, dann beträgt die erwartete Abdeckung q.

93 Eaton, D et al. (1985): Determining Emergency Medical Service Vehicle Deployment in Austin, Texas, S.99ff 94 Vgl. ReVelle, C. (1989): Review, extension and prediction in emergency service siting models, S. 61

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Wissenschaftliche Standortmodelle 59

Vereint man nun beide Modellannahmen, so beträgt die erwartete Abdeckung eines Notfalles pq, unter der Annahme dass beide Wahrscheinlichkeiten unabhängig voneinander sind.

Eine Beispielrechnung:

Angenommen es gibt zwei Notfälle A und B. Notfall A kann innerhalb einer fiktiven Hilfsfrist von 10 Minuten vom Standort des betrachteten Fahrzeuges erreicht werden, Notfall B nicht. Die Eintreffzeiten am Notfall A und B sind normalverteilt und betragen (9,5; 2,5) und (10,5; 2,5) Hier wird eine Normalverteilung (μ; σ) zugrunde gelegt.

Nach MCLP, wie auch LSCM, das von durchschnittlichen Fahrzeiten ausgeht, genau wie auch in dem momentan hauptsächlich angewandten Berechnungsverfahren, wird Standort A abgedeckt und Standort B dagegen nicht. Die Abdeckungen betragen also 100 % und 0 %. Tatsächlich wird jedoch der Notfall A in 58 % innerhalb der Hilfsfrist erreicht, Notfall B in 42 %. Noch deutlicher wird der Unterschied, sobald man davon ausgeht, dass das Fahrzeug mit der Wahrscheinlichkeit p besetzt ist. Geht man von einer nicht unrealistischen Annahme aus, dass das Fahrzeug im Versorgungsgebiet in 30% des Zeitraums besetzt ist, so erhält man eine hilfsfristgerechte Abdeckung von 40,5% bzw. 29,5% für Notfall B. Diese Ergebnisse unterscheiden sich doch erheblich von einer hundertprozentigen Abdeckung und nicht erreichbar, wie bei fixen Fahrzeiten angenommen wird.

Sehr anschaulich lassen sich unterschiedliche Ergebnisse durch Positionierung von Fahrzeugen an Einsatzschwerpunkten darstellen:

Abb. 31: Graph als Knotenmodell mit Einsatzschwerpunkten95

Die Abbildung zeigt die Fahrzeiten an den Kanten und die Nachfrageintensität, also die Anzahl an Notfällen an den Knoten. Die Fahrzeiten verhalten sich additiv, die Dauer von Knoten A nach Knoten D beträgt z.B. 5+5+10 = 20 min. Angenommen es existiert

95 Erkut, Erhan (2007): Computational Comparison of Five Maximal Covering Models for Locating Ambulances, S. 4

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Wissenschaftliche Standortmodelle 60

eine Hilfsfrist von acht Minuten, so kann durch die Positionierung von Fahrzeug 1 an Knoten B und Fahrzeug 2 an Knoten D die Abdeckung nach Modellklasse 1, bei der keine Wahrscheinlichkeiten berücksichtig werden, zu 100% erreicht werden.

Werden Wahrscheinlichkeiten berücksichtigt, und man geht davon aus, dass beide Fahrzeuge unabhängig voneinander zu 30% besetzt sind, so ergibt sich eine erwartete Abdeckung von 28 Notfällen: (1-0,3) * 40 = 28. Da sich die Einsätze jedoch schwer-punktmäßig von Knoten A bis Knoten C erstrecken, erreicht man eine Abdeckung von (1-0,3) * 37 + 0,3 * (1-0,3) * 37 = 33,7 Notfällen, bei Positionierung von beiden Fahrzeugen an Knoten B. Dies entspricht der maximal möglichen Abdeckung.

Bei Berücksichtigung von variablen Fahrzeiten, wenn z.B. die Fahrzeiten aus obiger Abbildung die mittlere Fahrzeiten angeben und eine Log-Verteilung zugrunde gelegt wird und die mittlere Abweichung aus der halben Fahrzeit besteht, dann ergibt sich nach Erkut et al.96

Bereits diese einfache Beispielrechnung kommt zu vier unterschiedlichen Lösungen, die anschaulich zeigen, dass statische deterministische Modelle nicht zu dem optimalen Ergebnis kommen.

die bestmögliche Abdeckung durch Positionierung der Fahrzeuge an Knoten A und C. Werden wiederum Unsicherheit bei der Fahrzeit und der Abdeckung angenommen, so sollten die Fahrzeuge an Knoten A und Knoten B positioniert werden.

6.1.3 Kritische Betrachtung

Statische Modelle der ersten Klasse wurden rein für Planungszwecke entwickelt und berücksichtigten noch keine Wahrscheinlichkeiten. So konnte nicht modelliert werden, dass durch das Zuteilen eines Auftrages an ein Fahrzeug die Abdeckung des Standortes des besetzten Fahrzeuges verloren geht. Ein besetztes Fahrzeug bedeutet, dass ein Rettungswagen bereits auf der Anfahrt zu einem anderen Notfall ist, einen Patienten versorgt oder mit diesem auf der Anfahrt in ein Krankenhaus ist. Außerdem wird von einer konstanten Fahrtgeschwindigkeit über den Zeitverlauf ausgegangen.97

96 Vgl. Erkut, Erhan (2007): Computational Comparison of Five Maximal Covering Models for Locating Ambulances, S. 5

Jedoch ist vor allem in Zeiten des Berufsverkehrs eine Variierung der Fahrtgeschwindigkeiten vorzufinden und hat den größten Einfluss auf das Optimierungsproblem. Daher sollten statische Standortprobleme heute keine große Relevanz in der Planungspraxis einnehmen. Die meisten in der gängigen Literatur vorzufindenden Ambulance Location Probleme basieren jedoch auf statischen Varianten und sind abgeleitete Modelle bzw. Erweiterungen derer.

97 Vgl. Schmid, Verena; Doerner, Karl (2010): Ambulance location and relocation problems with time-dependent travel times, S. 1

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Wissenschaftliche Standortmodelle 61

6.2 Stochastische Modelle

In der zweiten Modellklasse, den Wahrscheinlichkeitsmodellen, wird der Umstand berücksichtigt, dass durch das Annehmen eines Notfalls das Fahrzeug gebunden ist und damit ein weiterer Notfall nicht unmittelbar abgearbeitet werden kann. Es wird davon ausgegangen, dass alle Fahrzeuge unabhängig voneinander98 mit einer Wahrscheinlichkeit q belegt sind. Das zugehörige Modell wurde erstmals 1983 mit dem Namen maximum expected covering location problem formulation (MEXCLP) beschrieben.99 Dieses Problem lässt sich mit einem heuristischen Verfahren lösen. Eine Weiterentwicklung 1994, genannt TIMEXCLP berücksichtigte variable Geschwindigkeiten über den Tagesverlauf. Goldberg100

Im folgenden Modell gibt 𝑑𝑖 die Nachfrage des Knoten i an und q die Wahrscheinlichkeit mit der ein Fahrzeug belegt ist. Diese lässt sich als Quotient der Gesamtdauer aller Fahrzeuge und Einsätze durch die Summe der Schichtdauer aller Fahrzeuge abschätzen. Entsprechend gibt (1-q) die Wahrscheinlichkeit an, dass ein Fahrzeug k verfügbar ist. Maximal stehen p Fahrzeuge zur Verfügung. 𝑦𝑖𝑘 ist Binärvariable und wird auf eins gesetzt, sobald ein Notfall 𝑖 ∈ 𝑉 von mindestens k Fahrzeugen abgedeckt wird. Andernfalls beträgt 𝑦𝑖𝑘 null. 𝑥𝑗 wird auf eins gesetzt, sobald ein Fahrzeug dem potentiellen Standort 𝑗 ∈ 𝑊 zugeordnet wurde, sonst wird 𝑥𝑗 auf null gesetzt.

hingegen ging bei einer Weiterentwicklung von stochastischen Geschwindigkeiten aus.

Maximiere z = ∑ ∑ 𝑑𝑖𝑝𝑘=1 (1 − 𝑞)𝑞𝑘−1𝑦𝑖𝑘𝑖 ∈𝑉

u.d.N.: ∑ 𝑥𝑗𝑗 ∈ 𝑊𝑖 ≥ ∑ 𝑦𝑖𝑘𝑝𝑘=1 (i ∈ V)

∑ 𝑥𝑗𝑝𝑗 ∈𝑊 ≤ 𝑝

𝑥𝑗 ∈ ℤ (𝑗 ∈ 𝑊)

𝑦𝑖𝑘 ∈ {0,1} ( 𝑖 ∈ 𝑉,𝑘 = 1 … .𝑝)

Abb. 32: MEXCLP-Modell101

98 Diese Annahme muss für die Modellbeschreibung getroffen werden, entspricht gerade im Rettungsdienst aber nicht der Realität, da besonders bei Großschadensereignisse,etc. nicht von Unabhängigkeit ausgegangen werden kann.

99 Daskin, M. (1983): A maximum expected location model, S.48 ff 100 Goldberg, J. (1990): Validating and applying a model for locating emergency medical services in Tucson, S.308 ff. 101 Vgl. Brotcorne, Luce et al. (2003): Ambulance location and relocation models, S. 456 ff.

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Wissenschaftliche Standortmodelle 62

Die Implementierung von MEXCLP in Bangkok erreichte nach Fujiwara102

Weitere stochastische Modelle, die eine Vielzahl von Nebenbedingungen berücksichtigen, wie MALP I, MALP II, AMEXCLP, QPLSCP, REL-P sind in der Literatur zu finden

eine nahezu deckungsgleiche Abdeckung bei gleichbleibenden mittleren Fahrzeiten trotz Reduzierung der Einsatzfahrzeuge von 21 auf 15 Stück.

103

6.3 Relocation Modelle:

.

Die fortschrittlichste Problemklasse sind dynamische Modelle, die unter Echtzeitbedingungen Standortverlegungen kontinuierlich ermitteln. Im Rettungswesen lässt sich ein Modell finden, das von Gendreau104 unter dem Namen dynamic double standard model (DDSM) zu finden ist. Anhand der aktuellen Position der Fahrzeuge soll hier der bestmögliche Standort gefunden werden. Diese Problemklasse lässt sich z.B. durch eine Tabu Search Heuristik lösen, findet aber noch keine Anwendung. In einem Testdurchlauf konnte dieser Algorithmus in 95 % der Fälle eine Standortverlegungs-Lösung finden, die laut Angaben105

In jüngster Zeit entstandene Erkenntnisse der Forschungsgruppe Geomed konnten durch den Einsatz von Geoinformationssystemen (GIS) deutlich bessere Ergebnisse als die derzeitigen Planungs- und Steuerungskonzepte erzielen. Eine Hilfsfristverbesserung konnte durch die Reallokation von Rettungsmitteln aus Bereichen mit einer niedrigen Einsatzfrequenz in Bereiche mit einer höheren Einsatzfrequenz erreicht werden.

nur 2 % unter dem Optimum liegt.

106

6.4 Einbindung von Modellen in die Praxis des Rettungswesens

Laut Autor wurde eine Erhöhung des Hilfsfristniveaus von unter 85% auf knapp 90% bei gleichbleibender Fahrzeugvorhaltung erreicht. Grundlage bildete das oben beschriebene MCLP Modell, das durch eine Weiterentwicklung die gleichzeitige Optimierung von Standorten und Fahrzeugbemessung, unter der Berücksichtigung von „belegten Fahrzeugen“, ermöglichte.

Für den momentanen Anwendungsstand sollten einfache Nebenbedingungen berücksichtigt werden, die durch einen geringen Mehraufwand schnell realisiert werden können.

102 Fujiwara, O. et al. (1987): Ambulance deployment analysis: A case study of Bangkok. European Journal of Operational Research 31, 9–18. 103 Vgl. Brotcorne, Luce et al. (2003): Ambulance location and relocation models, S. 456 ff. 104 Gendreau, M. et.al (2001): A dynamic model and parallel Tabu search heuristic for real-time ambulance relocation. S. 1641-1653 105 Brotcorne, Luce et al. (2003): Ambulance location and relocation models, S. 459 106 Krafft, Thomas et. al (2007): Nachfrageorientierte Steuerung von Rettungsdienstsystemen, in: Strobl J, Blaschke Th und G Griesebner (Hrsg.): Angewandte Geoinformatik 2007, S.412

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Wissenschaftliche Standortmodelle 63

Die Ermittlung von Standorten sollte kontinuierlich geschehen und mithilfe empirischer Daten gestützt werden, um die Verkehrsdichte zu berücksichtigen. Nach Auswertung können die Ergebnisse auf größere Zeitintervalle aggregiert werden. Dadurch würden sich gänzlich neue Standorte über den Zeitverlauf ergeben. Dies kann zur Folge haben, dass sich Standorte in Hauptverkehrszeiten neu formieren. Sogenannte Standortverlegungen sind im amerikanischen Raum weit verbreitet. In Kanada stellen sich beispielsweise Ambulances in Hauptverkehrszeiten nahe von vielbefahrenen Autobahnen zur Verbesserung der Abdeckung auf. Ob eine Anwendung dieses Verfahrens unter ökonomischen Aspekten in Deutschland begründbar ist, bleibt zu prüfen. Da der „United States Emergency Medical Services Act“ in städtischen Gegenden eine Hilfsfrist von 10 min in 95% der Fälle vorsieht, kommt der Allokation von Rettungswagen in Nordamerika eine umso höhere Bedeutung zu.107

Einige Rettungsdienstbereiche in ländlichen Regionen verbessern ihre Abdeckung durch sogenannte „mobile Wachen“, „Gebietsabdeckungen“ oder „Standortverlegungen“. Da in dünn besiedelten Regionen oft nur ein Fahrzeug für ein Gebiet vorgehalten wird, ist diese Region beim Auftreten eines Notfalls nicht mehr abgedeckt. Wird ein Rettungswagen durch einen Einsatz gebunden, positioniert sich ein freies Fahrzeug eines anderen Standortes an einen näher gelegenen Standort. Auch bei Vorsorgegründen bei stark schwankender Frequenz am Wochenende in besonderen Ausflugsgebieten kann die Mobile-Wache-Strategie zur Anwendung kommen.

108

Standorte können gekennzeichnete Parkplätze, öffentliche Plätze, Kreuzungen etc. sein. Gerade in dünn besiedelten Regionen mit Einfachabdeckungen hat man wohl bereits den Nutzen von Standortallokierung erkannt. Einen Überblick über verschiedene aufwendige Möglichkeiten der Datenbereitstellung für eine fundierte Planungsbasis im Rettungsdienst zeigt Abbildung 33 mit steigender Komplexität. Erst wenn ausreichend Informationen über die räumliche und zeitliche Verteilung von Einsatzzahlen erfasst werden und vorliegen, können wissenschaftliche Methoden in den Praxisalltag des Rettungswesens Einzug finden. Ansonsten werden Operations Research Modelle weiterhin nur mit fiktiven Beispielrechnungen verifiziert und nicht angewandt.

Beispiel Baden-Württemberg:

Die Hilfsfrist in Baden-Württemberg beträgt 15 Minuten. Abzüglich 2 Minuten (laut Forplan Schmiedel GmbH) für Dispositions- und Ausrückzeit verbleiben 13 Minuten für die Planung der Hilfsfrist-Isochronen.

Die Darstellung der Rettungswagenversorgungsbereiche kann durch verschiedene Varianten,

107 Günes, Erdogan, et.al (2008): Scheduling Ambulance Crews for Maximum Coverage, S.2 108 Vgl. Bereichsplan für den Rettungsdienstbereich Wetteraukreis, 3. Fortschreibung, 2004

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Wissenschaftliche Standortmodelle 64

geordnet nach steigenden Komplexitätsstufen, geschehen:

1. Statische Variante: ausgehend von Durchschnittsgeschwindigkeiten über den gesamten Versorgungsbereich

a. Von Luftlinie auf reale Entfernungen schließen (Faktor ca. 1,3)

b. Über Durchschnittswerte der Straßentypen zu bemessende Geschwindigkeiten abschätzen

2. Realbefahrungen: ausgehend von realen Befahrungen Straßenkategorien klassifizieren

3. Vergangenheitsorientierte Variante: Auswertung vergangener Einsatzgeschwindigkeiten und –entfernungen; über GPS aufgezeichnete Vergangenheitsdaten auswerten, Leitstellendaten verwenden

4. Wahrscheinlichkeitstheoretische Variante: Wahrscheinlichkeitstheoretische Annahmen über Zeitintervalle verwenden

5. Dynamische Variante: Berücksichtigung der Re-Allokation von Fahrzeugen durch Standortwechsel während einer Periode

Abb. 33: Planungsvarianten

6.5 Anpassung an weitere realistische Randbedingungen

Unterschiede ergeben sich für die Berechnung des Notarztstandortes, da die Ausrückzeit des Notarztes nicht rechnerisch mit einer Minute angesetzt werden kann. (Zurzeit beträgt die rechnerische Dispositions– und Ausrückzeit je eine Minute). Nach Interviews, eigenen Erfahrungen, Analysen und Stichprobenauswertungen muss eine Ausrückzeit von rechnerisch drei Minuten vorgesehen werden. Inklusive Dispositionszeit kommt man auf realistische vier Minuten von Eingang der Meldung bis Fahrtbeginn. Eine geringere Ausrückzeit würde man nur in dem Fall erreichen, wenn der Notarzt nicht in den regulären Klinikbetrieb eingebunden ist, sondern das Notarzteinsatzfahrzeug durch einen dedizierten Arzt besetzt ist, der ausschließlich als Notarzt zur Verfügung steht oder falls das bereits notarztbesetze Fahrzeug von einer Rettungswache ausrückt.

Auch im Vorhalteplan von Rettungswagen sollte ein realistisches Zeitfenster von zwei Minuten Ausrückzeit plus einer Minute Dispositionszeit bedacht werden. Ausrückzeiten von einer Minute beruhen nicht auf historischen Daten, sondern werden verwendet um eine rechnerisch „günstigere“ Hilfsfristeinhaltung zu erreichen.

Die Berechnung sollte einen feineren Detailiierungsgrad und eine Unterscheidung zwischen Werktagen, Samstagen und Sonn- bzw. Feiertagen haben. Nachdem für jedes

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Wissenschaftliche Standortmodelle 65

Einstundenintervall das Auftreten gleichzeitiger Notfälle berechnet wurde, kann darauf basierend ein Schichtmodell festgelegt werden.

Zudem sollte die Fahrzeugvorhaltung nicht einmalig in der Planungsphase berechnet werden, sondern in regelmäßigen Abständen, z.B. jährlich überprüft und angepasst werden. Nur so lässt sich eine qualifizierte, flächendeckende und hilfsfristgerechte Notfallrettung realisieren.

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Fazit 66

7 FAZIT

Diese Abschlussarbeit gibt einen Einblick in das Rettungswesen in Deutschland und zeigt die Entwicklungen des Rettungsdienstes auf. Viele Gegebenheiten beruhen auf historisch gewachsenen Strukturen, welche in Zukunft auf Probleme stoßen könnten. Im Zeitverlauf der letzten Jahre wurde ein steigendes Notfallaufkommen, welches einem Ärztemangel gegenüber steht, wahrgenommen.

Anhand von demographischen Entwicklungen wurde eine signifikante Steigerung des Fahrtenaufkommens von ca. 19% bis in das Jahr 2050 aufgezeigt. Dieser Trend lässt sich durch die vermehrte Inanspruchnahme von Rettungsmitteln durch die oberen Altersklassen erklären. Trotz der Abnahme der Gesamtbevölkerung steigt die normierte Notarztrate von 24 Einsätzen pro 1000 Einwohner auf 29 Einsätze pro 1000 Einwohner. Hinzu kommt ein Ärztemangel, der auch Auswirkungen im notärztlichen Bereich hat. Diese beiden entgegen läufigen Trends dürfen nicht unbeachtet bleiben und müssen zeitnah angegangen werden um eine adäquate Versorgung sicherstellen zu können. Es wurde gezeigt, dass durch zwei Maßnahmen die Nachfragesteigerung nach Rettungsmitteln kompensiert werden kann. Zum einen führt die Umverteilung der Einsätze auf nichtärztliches Personal zu einer verringerten Anzahl an Notarzteinsätzen. Da die Abdeckung durch Rettungswachen höher als die der Notarztstandorte ist, kann der Patient zudem im Notfall schneller erreicht werden. Zum anderen kann durch eine optimierte Planung der Standorte und eine effiziente Disposition die Fahrzeit verkürzt und Hilfsfristen eingehalten werden.

Hierbei kommt der Unterscheidung zwischen einem ärztlichen und nichtärztlichen Einsatz eine hohe Bedeutung zu. Nur so kann entschieden werden, wann ein Notarzt und wann Rettungsdienstpersonal zu einem Notfall ausrücken. Auswertungen zufolge können 30 bis 40% der momentanen Notarzteinsätze an nichtärztliches Personal delegiert werden. Dies lässt sich an der hohen Anzahl an Notarztfahrten mit der NACA Einstufungen I bis III von ablesen. Circa 44% aller Notarzteinsätze fallen in diese Kategorie. Hinzu kommt eine Fehlrate von 10% im Bereich der Notarztrettung. Dass diese Rate deutlich zu hoch ist und für einen ineffizienten und nicht indizierten Notarzteinsatz spricht, lässt sich auch daran ablesen, dass die meisten MIND Datensätze der großen Kliniken nicht öffentlich zur Verfügung stehen und unter Verschluss gehalten werden.

Außerdem wurde aufgezeigt, dass die derzeitige Planungsmethodik nicht auf zukünftige Veränderungen im Rettungswesen ausgelegt ist. Bereits heute ist die Abdeckung durch Standorte nicht ausreichend. Dies belegt die Tatsache, dass in Baden-Württemberg zwölf von 37 Rettungsdienstbereiche im Bereich der Rettungswagen und nur vier der 37 Bereiche im Notarztbereich die Vorgaben der Hilfsfrist einhalten konnten. Im derzeitig verwendeten Verfahren werden bei der Planungsmodellierung die Standorte der

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Fazit 67

Fahrzeuge bei Fahrtzuteilung nicht berücksichtigt. So fährt ein Fahrzeug im Großteil der Dienstzeit nicht von der Rettungswache ab, sondern ab dem zuletzt beendeten Auftrag. Hierdurch ergibt sich eine Verschiebung der Abdeckungs-Isochronen. Außerdem wurde aufgezeigt, dass Ausrückzeiten, besonders im notärztlichen Bereich nicht auf Realdaten beruhen.

Im Folgenden wurden Modelle aus dem Operations Research dargestellt. Durch wissenschaftliche Modelle der Planungsmethodik kann eine weitere Effizienzverbesserung erreicht werden. Ein Beispiel eines Relocation Verfahrens mithilfe von Geoinformationssystemen in einem hessischen Rettungsdienstbereich zeigt diesen Umstand. Hier konnte das Hilfsfristniveau von 85% auf 90% angehoben werden. Das sechste Kapitel schließt mit Maßnahmen und Empfehlungen zur Verbesserung der Praxistauglichkeit der Modelle ab.

Die Neuzuordnung der Einsätze verlagern Fahrten auf Rettungsdienstpersonal. Flexiblere Standorte in Verbindung mit der erhöhten Qualifikation von Rettungsassistenten lassen den Hilfsfristerreichungsgrad steigen und sichern so in Zukunft die Qualität des Rettungsdienstes. – Ein Konzept eines neuen außerklinischen Versorgungssystems.

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Empfehlungen 68

8 EMPFEHLUNGEN

Dokumentationen im Rettungsdienst als Grundlage für eine Bewertung von Strukturen, Organisation und Standortfragen des Rettungswesens und für ein sauberes Qualitätsmanagementsystem sind nur spärlich vorhanden und stecken noch in der Anfangsphase. Die Einführung eines einheitlichen Dokumentationssystems (NADOK) für Notärzte in Baden-Württemberg ist ein sinnvoller Schritt, obgleich diesem nicht jeder Standort folgt. Weitere Auswertungen werden nur zweckgebunden erhoben und entstammen stets nur aus einzelnen Rettungsdienstbereichen. Eine Leistungsanalyse des Rettungsdienstes in Deutschland, welche zuletzt über das Jahr 2004/05 vom Bundesamt für Straßenwesen veröffentlicht wurde, enthält Daten aus einzelnen Rettungsdienstbereichen, die in einem Hochrechnungsverfahren auf Deutschland bezogen werden. Eine globale Datenbasis ist nicht verfügbar. Auch die Auswertung der Landesärztekammer Baden-Württemberg über das Notarzteinsatzaufkommen war nicht zugänglich und wurde auch nicht für den Zweck einer wissenschaftlichen Betrachtung des Notarztwesens zur Verfügung gestellt. Der erstmalige Qualitätsbericht im Rettungsdienst für Baden-Württemberg 2009 der Hilfsorganisationen DRK, ASB, JUH und Maltester zeigt erste Bemühung zur gewünschten umfassenden Qualitätssicherung im Rettungsdienst, die vom Landesausschuss für den im Dezember 2009 beschlossen wurde.

Das Vorgehen zur Unterscheidung zwischen einem ärztlichen und nichtärztlichen Einsatz kann wie folgt aussehen: Zunächst muss der erweiterte M-NACA Score Eingang in die Dokumentationsprotokolle NADOK und DIVI finden. Durch die Aufnahme des M-NACA Score kann die Inzidenz eines Notarzteinsatzes objektiv überprüft werden. Weitere Angaben wie Standort des Fahrtbeginns müssen ergänzt werden, um eine bessere Auswertung zu ermöglichen. Der Standort des Einsatzbeginns des Notarztwagens wird für Relocation Modelle benötigt, insofern dieser nicht bereits durch GPS übermittelt wird. Dies setzt voraus, dass diese Protokolle einheitlich und verbindlich verwendet werden. Ist dies geschehen, kann eine Auswertung der Notarzteinsätze auf Basis einer umfangreichen Grundgesamtheit geschehen. Gleichzeitig sollten einschlägige Kriterien für einen indizierten Notarzteinsatz erarbeitet werden. Dies kann auf Vorlage der in Kapitel 4.5 erarbeiteten Vorschläge erfolgen, anhand dessen schließlich eine objektive Zuteilung der Einsatzarten möglich ist. In Kombination mit einem Rückmeldesystem kann fortlaufend überprüft werden, ob ein indizierter Notarzteinsatz vorliegt. So erhält die Leitstelle Rückmeldung über die Dispositionsgüte und verringert die Fehleinsatzrate. Ein Notarztmangel kann nun kompensiert werden.

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Empfehlungen 69

Der Indikationskatalog der Bundesärztekammer ist für den praktischen Einsatz nicht verwendbar und muss konkretisiert werden. Ein Vorschlag über die Kategorisierung kann dieser Arbeit entnommen werden.

Ein Großteil an Gutachten über Berechnungen zur Standortermittlung von Rettungswachen und Fahrzeugbemessungen werden von einer Firma durchgeführt. Komplexe Modelle unter Berücksichtigung vielschichtiger Faktoren und Parameter werden nicht angewendet. Gerade Planungsmethoden wie Fahrzeugbemessung und Standortermittlung haben auf einer soliden Datenbasis zu erfolgen und müssen auch Entwicklungstendenzen berücksichtigen. Hier könnten Methoden aus dem Operations Research, kombiniert mit GIS, wie sie bereits im englischsprachigen Ausland Anwendung finden, wertvolle Ansätze liefern und zu gänzlich unterschiedlichen Lösungen kommen. Nach Meinung des Autors sind hier noch immense Optimierungspotentiale und Forschungsmöglichkeiten vorhanden. Als Grundlage einer auf Realdaten basierten Planung mithilfe von GIS Methoden muss der Abfahrtsstandort Eingang in die Datenbanken der Leitstellen finden.

Neben der Novellierung des Rettungsassistentengesetzes zur Verbesserung der Qualifikation des Rettungsdienstpersonals wird eine umfangreichere, eigenständigere Versorgung durch nichtärztliches Personal angeregt. Rechtssicherheit und Regelkompetenz sind die Grundlage dieses Konzepts. So kann auch in ländlichen Gegenden in Verbindung mit effizienten Standortkonzepten eine hohe Versorgungsqualität zukünftig gesichert werden.

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[6] Bundesministerium für Gesundheit (2008): Übersicht endgültiger Rechnungsergebnisse der GKV 2006, abzurufen unter: http://www.bundesgesundheitsministerium.de/cln_160/nn_1168248/SharedDocs/Downloads/DE/Statistiken/Gesetzliche-Krankenversicherung/Finanzergebnisse/ kj12006,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/kj12006.pdf

[7] Landesrecht Baden-Württemberg (2010): Rettungsdienstgesetz in der Fassung vom 08.02.2010, abzurufen unter: www.landesrecht-bw.de/jportal/?quelle= jlink&query=RettDG+BW&psml=bsbawueprod.psml&max=true&aiz=true

[8] Luiz, Thomas (2010): Landeseinheitliche Einsatzcodes, Rückmeldesystem und elektronische Einsatzmeldeformulare, abzurufen unter: http://www.bi-rlp.drk.de/fileadmin/Bildungsinstitut/ downloads/Fortbildung_2010/RMS.pdf

[9] Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Anästhesiologie, NADOK

Auswertung 2009, und Jahresbericht 2007/2008 abzurufen unter: http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Jahresberichte.4297.0.html?&FS= title%3DHauptabteilung