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3- DEZEMBER 1926 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 5. JAHRGANG. Nr. 49 23I 3 zeigen (LUBARSCH). Speziell bet Kindern, die, ohne je Gly- kosurie gezeigt zu haben, an ersch6pfenden resp. t0Xiseh -~ infekti6sen Erkrankungen gestorben sind, hat NAKAMURA schwerste Pankreasver~nderungen nachgewiesen. Unter diesen Umst~nden w~ichst auch bet den Pathologen die Neigung, einen nerv6sen Typus des Diabetes, wie ihn FALTA annimmt, anzuerkennen (E. J: KRAUS). Hierhergeh6rige F~ille mit Ver~inderungen an dem yon DRESEL und LEwY beschriebenen, yon CAMUS, ROUSSY, LI~GRAND, URECHIA und der L. R. Mfillerschen Schule best~itigten System yore Nucleus peri- ventricularis des Zwischenhirns fiber den visceromotorischen Vagosympathicuskern der Oblongata bis zum Grenzstrang sind wiederholt in der Literatur niedergelegt worden. Im AnschluB an einen eigenen Fall yon kindliehem Diabetes ohne nennenswerte Vergnderungen am Pankreas oder dem oben- genannten nervSsen e/Jektorischen System, abet mit einer sehwerenEneephalitis des Kleinhirnwurms, wurden an 2o Hun- den zum Teil umfangreiche Verletzungen an verschiedenen Stellen des Kleinhirnwurms und der -hemisph~iren vorgenom- men und das Verhalten des Blutzuckers untersucht. Sitz und Ausdetinung der Verletzung wurden histologisch, meist an Serienschnitten, ermittelt. Dabei zeigte sich, dab yon acht am oberen, mittleren Wurm oder den Hemisph~ren verletzten Hunden kein einziger l~nger als I i/~ Stunden nach der Ope- ration einen erh6hten Blutzucker aufwies. Bet 4 Hunder/ mit Verletzungen am mittleren Wurm bis zur Fiss. sec. dauerte die Blutzuckererh6hung bis 2~/, Stunden, dagegen bei 7 Hunden mit Verletzung der Uvula 3 Stunden bis 4 Tage. Bet den 12 Hunden der negativen oder schwach positiven Gruppe stieg der Zucker maximal bis auI 2o3, bet den 7 der positiven Gruppe auf 192--275 rag. Daraus ergibt sich, daft isolierte oberJldchliche Verletzungen der Uvula -- und nut dieses Kleinhirnteiles -- eine starke und andauernde Hyperg!ykdmie beim Hunde regelmi~flig her- vorru]en. Da die Uvula ihre zuliihrenden Fasern aus dem Tr. spino-cerebellares dors. bezieht und ihre abffihrenclen Bahnen, soweit bekannt, zum Zwischenhirn sender, scheint es sich hier um eine Verletzung des afferenten Schenkels der Blutzuckerregulation zu handeln. ( Aus der II. Medizinischen Klinik der Charitd, Berlin [Direktor: Geh.-Rat F. Kraus].) KASUISTISCHE MITTEILUNG. EINE WEITERE BEOBACHTUNG VON ,,INTERRENALISMUS". (Hypernephrom mit Metastasierung in Orbita, Siebbein and KieferhShle und rnit virilisierender Allgemeinwirkung.) Von Prof. Dr. reed. E. MAT~IAS und Dr. med. E. PETZAL. Aus dem Pathologischen Insfitut der Universit/it Breslau (Direktor: Professor Dr. F. HENKE) und aus der Abteilung f/2r Hals-Nase~-Ohrenkranke am AIIerheiligen Hospital zu Breslau (Prim~rarzt: Dr. GOERKE). Alle jene Beeinflnssungen yon K6rperbau nnd Geschlechts- merkmalen, die durch Hyperplasien nnd Gew~ichse der Neben- nierenrinde bewirkt werden, hat der eine yon uns (MATHIAS) als ,,Interrenalismus" bezeichnet. Es lag in dieser Namengebung die Absicht, durch sie die Abhangigkeit jener Umwandlungen des Organismus vonl Interrenalsystem zum Ausdruck zu bringen. Obwohl die Zahl der ver6ifentlichten Fiille schon nicht mehr ganz klein ist, erscheint es doch berechtigt, eine weitere, in ihrem Ver- lauf recht charakteristische Beobachtung kurz mitzuteilen. Die jetzt 32j~hr. Kranke bietet in ihrer Familien- und Kindheits- anamnese nichts Besonderes. Sie hat angeblich erst mit i8 Jahren menstruiert, die Menses sollen unregelm~gig al]e 4--7 Wochen auf- getreten sein, sie waren mit sta~ken Beschwerden verbnnden, und sie dauerten etwa y Tage. ~ber das Geschlechtsleben ~ibt sie an, dab sie nur einmal, 9 Monate vor der jetzigenErkrankung coitiert h~tte, weitere Angaben werden verweigert. Angeblich seitdem Ausflul3 (ira Ausstrich keine Gonokokken). Das gegenw~rtige Leiden begann im MXrz 1926 mit Schnupfen, Kopfschmerzen. Nach etwa 8 Tagen trat eine schmerzhafte Schwellung des rechten Auges ant. Nach Behandlung durch mehrere .~rzte in der Provinz suchte die Kranke die Vereinsangenklinik in t3reslau auf. Von dort wurde sie in die Abteilung Ifir Hals-Nasen-Ohrenkranke des Allerheiligen- hospitals fiberwiesen, da der Krankheitsvorgang in der Augenh6hle rhinogen bedingt zu sein schien und dutch lokale Mal3nahmen nicht zu bessern war. Aufnahmebefund: Protrusio bnlbi und Chemosis des oberen Augenlides. Nase: Wenig eitriges Sekret, dieses im mittleren Nas;en - gang, starke entzfindliche Sehweltung des hypertropbischen Endes der mittleren Muschel rechts. Allgemeinzustand : B21agen fiber Mattigkeit, starke Kopf- schmerzen. Temperatur normal; Blutdruck 13o/95 mm Hg Riva-Rocci. Urin : o. B. Es wurde zun~chst das Vordete Ende der mittleren Mnschel ent- lernt, als die Sondierung der Stirnh6hle nicht gelang, znr Er6ffnung der Stirnh6hle yon auBen geschritten. Der Operationsbefund war recht gering. Es Iand sich etwas Schleim und etwas polypOse Schle[m- haut. Etwas mehr Sekret land sich in den vorderen Siebbeinzellen. Trotz ausgedehnter Freilegung der Stirnh6hle nach der Nase und nach unten nahmen die Angensymptome nich t ab; es wurden ira Gegenteil in den n~chsten Tagen Protrusion und Chemosis starker. Im Verlauf yon 14 Tagen hatte sich das Bitd der schweren Orbizal- phlegmone entwickelt. Trotz nochmaliger Er6ffnung der inzwischen fast v611ig verheilten Operafionswunde bet der sich fibrigens keiner- let die schweren Erscheinungeu erkl~rende Besonderheiten tanden, nahmen die Krankheitserscheinungen welter zu, undes entwiekelten sich bald schwere Augenhintergrundsver~nderungen : Neuritis optica, Ablatio retinae. Aul Veranlassung des Augenarztes am .A.11erheiligenhospital, Professor LExz (dem wit ffir die freundliche Uberlassung der Belunde zu Dank verpflichtet sind), wurde noch- mals eine ausgiebige Incision im Unterlid vorgenommen. Hiernaeh entleerte sich in gr6Berer Menge stinkender Eiter. Jedoch trat danach keinerlei Besserung ein. Die Orbitalphlegmone nahm viel- mehr ein h~morrhagisches Aussehen an. Jetzt wurde yore inneren Augenwinkel her eine Probeexcision gemacht. Der histologische ]3eiund ergab reichlich entzfindlich durchsetzte Metastase eines Hypernephroms. Es sind neben zahlreichen dfinnwandigen Ge- f~/3en und neben als unwesentlich angesehenen entzfindlichen Ge- websver~nderungen Zellen eines Blastoms vorhanden, deren Proto- plasma jene auffallend helle vakuoI~ire ]3esehaffenheit erkennen l~13t, wie man sie in reichlich lipoidhaltigen Zellen zu treffen pflegt. Diese Zellen sind tells in Reihen zu drfisenartigen Formationen, fells auch in alveot~trer Strnktur angeordnet. Die Gewebsbildung erinnert deutlich an die Zona fascicularis der Nebennierenrinde, die ~hnlichkeit mit diesem Organ wird noch dureh die zentral ge~ell- ten, runden und scharf abgegrenzteu Kern~ bestarkt. Eine R6ntgenaufnahrne des Sch~idels ergab: starke Vexschat- tung der gesamten rechten t(ieferh6hle, Schatten fiber dem Sieb- bein und in der medialen Orbitalwand. Diagnose: Tumor (Oberarzt Dr. SCHILLER). AUS dem histologischen Bilde ergab sich mit Sicherheit dig meta- statische Natur dieses Gew~ichses. Gleichzeitig und unabh~ingig von diesen Ereignissen lenkte eine Reihe anderer Erscheinungen die Aufmerksamkeit ant sich. Zun~ichst gab die Kranke an, dal? ihre Periode seit dem 20. April aufgeh6rt h~itte. Der bet der Aufnahme in geringer Menge vor- handene Bartwuchs hatte unterdessen, also bis Anlang Juli, ganz aul3erordentlich stark zugenommen, es war ein Schnurrbart yon durchaus m~nnlichem Typus entstanden, auBerdem sprol3te ein reichlicher ]3ackenbart. Bet einer eingehenden K6rperuntersuchung land sich weitgehende Atrophie der Mammae, es ist nnr noch wenig Drt~senparenchym zu ffihlen. Urn den Warzenhof finder sich ein etwa I cm breiter Haarkranz. Die Geschtechtsbehaarung ist beider- seits bis in die Leistengegend hin verbreitert, aul3erdem endet sie nicht in einer queren Linie, sondern reicht in der Mitre bis zum Nabel hinauf~ hat also eine durchaus m~nnliche Form angen0mmen. Leider ist bet der Aufnahme der Kranken nicht daranI geachtet worden, wie damals die Schamhaare beschaffen waren. Die Ober- schenkel stud, besonders an ibren Anl3enseiten, ganz dicht behaart. Die Untersuchung der Banchorgane ergab; Abdomen welch, beide Nieren ptotisch, kein ffihlbarer Tumor. Eine gyn~ikologische Unfersuchung dutch Oberarzt I~OERNER ergab: Uterus sehr klein, atrophisch, beide Ovarien anscheinend in geringem Grade cystisch entartet. Bet diesem ]3efunde erscheint folgende klinische Epikrise be- rechtigt: Das Symptomenbild eines malignen Gew~ichses der

Eine Weitere Beobachtung von „Interrenalismus“

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3- DEZEMBER 1926 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 5. J A H R G A N G . N r . 49 23I 3

zeigen (LUBARSCH). Speziell be t K inde rn , die, ohne je Gly- kosur ie gezeigt zu h a b e n , a n e r s c h 6 p f e n d e n r e sp . t0Xiseh -~ in fek t i6sen E r k r a n k u n g e n ges to rben sind, h a t NAKAMURA schwers te P a n k r e a s v e r ~ n d e r u n g e n nachgewiesen . U n t e r diesen U m s t ~ n d e n w~ichst a u c h bet den P a t h o l o g e n die Neigung, e inen nerv6sen Typus des Diabetes, wie ihn FALTA a n n i m m t , a n z u e r k e n n e n (E. J : KRAUS). H ie rhe rgeh6r ige F~ille m i t Ver~inderungen a n d e m yon DRESEL u n d LEwY besch r i ebenen , y o n CAMUS, R O U S S Y , LI~GRAND, U R E C H I A u n d de r L. R. Mfi l lerschen Schule best~i t ig ten S y s t e m yore Nucleus peri- ven t r i cu l a r i s des Zwischenh i rn s f iber den v i s ce romoto r i s chen V a g o s y m p a t h i c u s k e r n de r O b l o n g a t a bis zum G r e n z s t r a n g s ind w iede rho l t in de r L i t e r a t u r n iederge leg t worden .

I m Ansch luB a n e inen e igenen Fall yon kindliehem Diabetes ohne nennenswerte Vergnderungen am Pankreas oder dem oben- genannten nervSsen e/Jektorischen System, abet mit einer sehwerenEneephalitis des Kleinhirnwurms, w u r d e n a n 2o H u n - den z u m Teil u m f a n g r e i c h e V e r l e t z u n g e n a n v e r s c h i e d e n e n Ste l len des K l e i n h i r n w u r m s u n d de r -hemisph~iren v o r g e n o m - m e n u n d das V e r h a l t e n des B l u t z u c k e r s u n t e r s u c h t . Si tz u n d

A u s d e t i n u n g de r V e r l e t z u n g w u r d e n his tologisch, m e i s t an Se r i enschn i t t en , e r m i t t e l t . D a b e i zeigte sich, d a b yon a c h t a m oberen, m i t t l e r e n W u r m oder den H e m i s p h ~ r e n v e r l e t z t e n H u n d e n ke in e inziger l~nger als I i/~ S t u n d e n n a c h der Ope- r a t i o n e inen e r h 6 h t e n B l u t z u c k e r aufwies. Bet 4 Hunde r / m i t Ve r l e t zungen a m m i t t l e r e n W u r m bis zu r Fiss . sec . d a u e r t e die B l u t z u c k e r e r h 6 h u n g bis 2~/, S tunden , dagegen bei 7 H u n d e n m i t V e r l e t z u n g de r U v u l a 3 S t u n d e n bis 4 Tage. Bet den 12 H u n d e n de r n e g a t i v e n oder s chwach p o s i t i v e n G r u p p e s t ieg der Zucker m a x i m a l bis auI 2o3, bet den 7 de r pos i t i ven G r u p p e auf 192- -275 rag.

D a r a u s e rg ib t sich, daft isolierte oberJldchliche Verletzungen der Uvula - - u n d n u t dieses Kle inh i rn te i l e s - - eine starke und andauernde Hyperg!ykdmie beim Hunde regelmi~flig her- vorru]en. Da die U v u l a ihre zu l i i h r enden F a s e r n aus d e m Tr. sp ino-cerebel lares dors. bez i eh t u n d ih re abff ihrenclen B a h n e n , sowei t b e k a n n t , z u m Zwischenh i rn sender , s che in t es sich h ie r u m eine Ver l e t zung des a f f e r en t en Schenke l s de r B l u t z u c k e r r e g u l a t i o n zu h a n d e l n . ( Aus der I I . Medizinischen Klinik der Charitd, Berlin [Direktor: Geh.-Rat F. Kraus].)

K A S U I S T I S C H E M I T T E I L U N G .

EINE WEITERE BEOBACHTUNG VON ,,INTERRENALISMUS".

( H y p e r n e p h r o m m i t M e t a s t a s i e r u n g in Orbita, Siebbein a n d KieferhShle u n d rnit v i r i l i s ie render Al lgemeinwi rkung . )

Von

Prof . Dr . reed. E. MAT~IAS u n d Dr. med. E. PETZAL. Aus dem Pathologischen Insfitut der Universit/it Breslau (Direktor: Professor Dr. F. HENKE) und aus der Abteilung f/2r Hals-Nase~-Ohrenkranke am AIIerheiligen

Hospital zu Breslau (Prim~rarzt: Dr. GOERKE).

Alle jene Beeinflnssungen yon K6rperbau nnd Geschlechts- merkmalen, die durch Hyperplasien nnd Gew~ichse der Neben- nierenrinde bewirkt werden, ha t der eine yon uns (MATHIAS) als ,,Interrenalismus" bezeichnet. Es lag in dieser Namengebung die Absicht, durch sie die Abhangigkeit jener Umwandlungen des Organismus vonl Interrenalsystem zum Ausdruck zu bringen. Obwohl die Zahl der ver6ifentl ichten Fiille schon nicht mehr ganz klein ist, erscheint es doch berechtigt, eine weitere, in ihrem Ver- lauf recht charakterist ische Beobachtung kurz mitzuteilen.

Die je tzt 32j~hr. Kranke biete t in ihrer Familien- und Kindheits- anamnese nichts Besonderes. Sie ha t angeblich erst mi t i8 Jahren menstruiert , die Menses sollen unregelm~gig al]e 4 - -7 Wochen auf- get re ten sein, sie waren mi t sta~ken Beschwerden verbnnden, und sie dauerten etwa y T a g e . ~ b e r das Geschlechtsleben ~ibt sie an, dab sie nur einmal, 9 Monate vor der j e t z igenErk rankung coitiert h~tte, weitere Angaben werden verweigert. Angeblich seitdem Ausflul3 (ira Ausstrich keine Gonokokken). Das gegenw~rtige Leiden begann im MXrz 1926 mit Schnupfen, Kopfschmerzen. Nach etwa 8 Tagen t r a t eine schmerzhafte Schwellung des rechten Auges ant. Nach Behandlung durch mehrere .~rzte in der Provinz suchte die Kranke die Vereinsangenklinik in t3reslau auf. Von dort wurde sie in die Abteilung Ifir Hals-Nasen-Ohrenkranke des Allerheiligen- hospitals fiberwiesen, da der Krankhei tsvorgang in der Augenh6hle rhinogen bedingt zu sein schien und dutch lokale Mal3nahmen nicht zu bessern war.

Aufnahmebefund: Protrusio bnlbi und Chemosis des oberen Augenlides. Nase: Wenig eitriges Sekret, dieses im mitt leren Nas;en - gang, starke entzfindliche Sehweltung des hypertropbischen Endes der mit t leren Muschel rechts.

Allgemeinzustand : B21agen fiber Mattigkeit, starke Kopf- schmerzen.

Temperatur normal; Blutdruck 13o/95 mm Hg Riva-Rocci. Urin : o. B.

Es wurde zun~chst das Vordete Ende der mit t leren Mnschel ent- lernt, als die Sondierung der Stirnh6hle nicht gelang, znr Er6ffnung der Stirnh6hle yon auBen geschritten. Der Operationsbefund war recht gering. Es Iand sich etwas Schleim und etwas polypOse Schle[m- haut. Etwas mehr Sekret land sich in den vorderen Siebbeinzellen. Trotz ausgedehnter Freilegung der Stirnh6hle nach der Nase und nach unten nahmen die Angensymptome nich t ab; es wurden ira Gegenteil in den n~chsten Tagen Protrusion und Chemosis starker. Im Verlauf yon 14 Tagen ha t te sich das Bitd der schweren Orbizal-

phlegmone entwickelt. Trotz nochmaliger Er6ffnung der inzwischen fast v611ig verheilten Operafionswunde bet der sich fibrigens keiner- let die schweren Erscheinungeu erkl~rende Besonderheiten tanden, nahmen die Krankheitserscheinungen welter zu, u n d e s entwiekelten sich bald schwere Augenhintergrundsver~nderungen : Neuritis optica, Ablatio retinae. Aul Veranlassung des Augenarztes a m .A.11erheiligenhospital, Professor LExz (dem wit ffir die freundliche Uberlassung der Belunde zu Dank verpfl ichtet sind), wurde noch- mals eine ausgiebige Incision im Unterlid vorgenommen. Hiernaeh entleerte sich in gr6Berer Menge st inkender Eiter. Jedoch t r a t danach keinerlei Besserung ein. Die Orbitalphlegmone n a h m viel- mehr ein h~morrhagisches Aussehen an. Je tz t wurde yore inneren Augenwinkel her eine Probeexcision gemacht. Der histologische ]3eiund ergab reichlich entzfindlich durchsetzte Metastase eines Hypernephroms. Es sind neben zahlreichen dfinnwandigen Ge- f~/3en und neben als unwesentlich angesehenen entzfindlichen Ge- websver~nderungen Zellen eines Blastoms vorhanden, deren Proto- plasma jene auffallend helle vakuoI~ire ]3esehaffenheit erkennen l~13t, wie man sie in reichlich lipoidhaltigen Zellen zu treffen pflegt. Diese Zellen sind tells in Reihen zu drfisenartigen Formationen, fells auch in alveot~trer S t rnktur angeordnet. Die Gewebsbildung erinnert deutlich an die Zona fascicularis der Nebennierenrinde, die ~hnl ichkei t mi t diesem Organ wird noch dureh die zentral ge~ell- ten, runden und scharf abgegrenzteu Kern~ bestarkt.

Eine R6ntgenaufnahrne des Sch~idels ergab: starke Vexschat- tung der gesamten rechten t(ieferh6hle, Schat ten fiber dem Sieb- bein und in der medialen Orbitalwand.

Diagnose: Tumor (Oberarzt Dr. SCHILLER). AUS dem histologischen Bilde ergab sich mit Sicherheit dig meta-

statische Natur dieses Gew~ichses. Gleichzeitig und unabh~ingig von diesen Ereignissen lenkte

eine Reihe anderer Erscheinungen die Aufmerksamkeit ant sich. Zun~ichst gab die Kranke an, dal? ihre Periode seit dem 20. April aufgeh6rt h~itte. Der bet der Aufnahme in geringer Menge vor- handene Bartwuchs ha t te unterdessen, also bis Anlang Juli, ganz aul3erordentlich s tark zugenommen, es war ein Schnurrbar t yon durchaus m~nnlichem Typus entstanden, auBerdem sprol3te ein reichlicher ]3ackenbart. Bet einer eingehenden K6rperuntersuchung land sich weitgehende Atrophie der Mammae, es ist nnr noch wenig Drt~senparenchym zu ffihlen. Urn den Warzenhof finder sich ein etwa I cm breiter Haarkranz. Die Geschtechtsbehaarung ist beider- seits bis in die Leistengegend hin verbreitert , aul3erdem endet sie nicht in einer queren Linie, sondern reicht in der Mitre bis zum Nabel hinauf~ ha t also eine durchaus m~nnliche Form angen0mmen. Leider ist bet der Aufnahme der Kranken nicht daranI geachtet worden, wie damals die Schamhaare beschaffen waren. Die Ober- schenkel stud, besonders an ibren Anl3enseiten, ganz dicht behaar t .

Die Untersuchung der Banchorgane ergab; Abdomen welch, beide Nieren ptotisch, kein ffihlbarer Tumor. Eine gyn~ikologische Unfersuchung dutch Oberarzt I~OERNER ergab: Uterus sehr klein, atrophisch, beide Ovarien anscheinend in ger ingem Grade cystisch entartet .

Bet diesem ]3efunde erscheint folgende klinische Epikrise be- rechtigt : Das Symptomenbild eines malignen Gew~ichses der

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rechten Orbitalgegend erweiterf sich bet der histologischen Unter- suchung d a m n , dab die 5ietastase eines Hypernephroms mi t $icherheit ' festgestellt wird. Auf das Vorhandensein einer gleich- artigen lgeubildung weist aber in eindrucksvoller Form die Ver- ~inderung des Gesamtzustandes der Kranken him Hier liegt eine ganz augenscheinliche Verm~nnlichung vor. LIber die Behaarung kann ausgesagt werden, dab sie unter unseren Angen ents tanden ist. Gleichzeitig ist der Gesichtsausdruck in auffallender Weise viril geworden. ]3emerkenswert ist auch die m~nnliche Grenz- l i n i e der Gesch!echtsbehaarung. Nut mi t Vorsicht zu bewerten sind die Riickbildungsvorg~nge der Mammae. Hier k6nnte es sich um eine Wirkuug der allgemeinen Kachexie handeln.

Zusammenfassend l~Bt sich sagen, dab mit de m Fortschrei ten eines b6sartigen Gew~chses, das sich histologisch als zu den I-Iyper 2 nepllromen geh6rig erwies und das klinisch nur durch seine Meta- stasen in Erschein.ung trat , ein pl6tzlicher Umschlag bet einem XYeib nach der mAnnlichen Seite hin erfolgt is*.

Allgemeinpathologisch kann der pl6tzliche Umschlag eines ge- schlect~tsreifen, bis dahin anscheinend normalen Weibes nur auf hormonale, endokrine Wirkungeu zurfickgefflhrt werden.

Erfahrungsm~13ig gibt es ft~r diesen seitsamen Krankhei ts- vorgang zwei ursAchliche 1V[6glichkeiten. NXmlich ent-weder ein Hypernephrom oder einen Ovarialtumor.

Die Eierstockgew~chse k6nnen folgendermaBen verm~nn- lichend wirken :

I. In einem Ovotestis, der bis dahin l a ten t war, ger~t der m~nn- tiche Anteil in geschwulstm~Siges Wachs tum.

2. In einem teratoiden OvarialgewAchs kann eine m~nnliehe Komponente als Bildner des entsprechenden Hormons vorhanden seim

Die fraglichen Hype rueph rome k6nnen entweder der eigent- tichen Nebennierenrinde e n t s t a m m e n , sie k6nnen ferner aus ab- gesprengten Nebennierenkeimen hervorgehen. Solche finden sich

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in der unmit te lbaren Nachbarschaft der Nebenniere, ferner im ganzen phylogenetischen Ausbreitungsgebiet des Organs und -- hier berfihrt sic h die Frage mi t den Ovar ia l tumoren -- im Eier- stock. Ffir sAmtliche M6glichkeiten, die hier aufgez~hlt wurden, gibt es Belegstflcke in der Literatur.

Neben dem ~ul3eren Bilde des Pseudohermaphrodit ismus mas- culinus externus, wie es durch Hypertrophie der Nebennierenrinde oder, vergleichend anatomisch ausgedr~ickt, des Interrenalgewebes her-<orgerufen wird, nnd bereits bet der Gebur t s ichtbar ist; gibt es eine gewissermal3en akute Umgestal tung der K6rperform und der Geschlechtsmerkmale dutch schnellwachsende m a l i g n e Neu- bildungen. Die Minische Untersuchung kann in solchen FMlen yon Verm~nnlichung zum Nachweis des Tumors durch Betastur/g oder durch andere diagnostische Methoden ffihren. Unsere Kranke .war zu Mend, Ms dab ein Pneumoperi toneu m oder die Luf tum- spritzung der Nebennieren in Frage gekommen .w~re.

Nicht ganz selten m a c h e n Hypernephrome auch frflhzei~ig Metastasen, welche sich eher Ms der Pr im~r tumor dutch Er- scheinungen an tier StelIe ihres zui~lligen Sitzes bemerkbar machen. Hier entsclaeidet diagnostisch das histologische Bild in der Probe- excision, ob es sich um einen prim~ren Tumor oder um eine meta- statische Bildung handelt .

Neben den auf Hypernephrom hinweisenden Allgemeinerschei- nungen gab in unserem FalI das mikroskopische t3ild den Ausschlag.

Innerhalb eines Zeitraumes yon wenigen Wochen entwickelte sich ein Virilismus; neben den bekannten Erscheinungen des ma- l~gnen metastasierenden Wachstums t r a t en noch morphogene- tische Wirkungen des Blastoms ant. Ffir diesen Symptomenkom- plex ha t tier eine yon uns (MATI~IAS) die Krankhei tsbezeichnung , , Interrenalismus" gepr~gt, um so in der Namengebung es zum Ausdruck zu bringen, dab bier pathologische hormonale Einflflsse des Interrenalsystems am Werke sind.

IJber den weiteren Verlauf des Falles wird ber ichtet werden.

PRAKTISCHE ERGEBNISSE. K O N G E N I T A L E LUES U N D AUGE*) .

y o n

J o s e ~ !GERSHEIMER, F r a n k f u r t a. M a i n .

W e n n h ie r y o n den B e z i e h u n g e n des Auges zur a n g e b o r e n e n Syphi l i s g e s p r o c h e n w e r d e n soll, so i s t es eine E h r e n p f ! i c h t , des: M a n n e s zu gedenken , dessen k l i n i s c h e m Scha r fb l i ck die w i c h t i g s t e n E r k e n n t n i s s e dieses Gebie tes zu d a n k e n s ind u n d auf dessert L e h r e n die m o d e r n e Syphi l i s~ra n a c h m a n c h e r l e i I r r w e g e n wieder zur t i ckgef f ih r t ha t , JONATHAN I-IUTCHINSONS.

E r k r a n k u n g e n des Auges b i lden e inen i n t e g r i e r e n d e n Be- stand%ell i m S y m p t o m e n b i l d de r k o n g e n i t a l e n Lues . Die F o r m , in de r s ich das Auge be te i l ig t , i s t eine sehr ve r s ch i eden - ar t ige, j a m a n k a n n sagen, d a b j ede r Tell des Bu lbus , de r A d n e x e u n d de r S e h b a h n ge legent l ich -- p r i m e r ode r se- kund / i r - - in M i t l e i d e n s e h a f t gezogen wird. W i r k l i c h p a t h o - g n o m o n i s c h ffir die Lues c o n g e n i t a im spezie! ien s ind a b e t n u r 2 A f f e k t i o n e n : die Chor io re t in i t i s in de r P e r i p h e r i e des B u l b u s (Chorioretinitis anterior) u n d die K e r a t i t i s p a r e n - c h y m a t o s a .

Meine Ausf f ih rungen , die bet de r Kfirze de r Ze i t n u r auf die H a u p t p u n k t e e ingehen k 6 n n e n , g l iederu s ich in 3 Teile. I m e r s t en sol len die klinischen Erseheinungs]ormen sowie ih re B e e i n f i u B b a r k e i t d u r c h die Therapie b e s p r o c h e n werden , im 2. die wissenseha]tliehen Probleme a n g e d e u t e t u n d im 3. sozial- tzygienis.ehe ~'ragen b e r f i h r t werden .

1. Klinische Erseheinungs/ormen und Therapie. Es soll h i e r v o r a l l em y o n den 2 w i c h t i g s t e n E r -

k r a n k u n g e n de r k o n g e n i t a l e n Lues g e s p r o c h e n werden . Die Chorioretinitis anterior i s t e ine Affek t ion , die s ich sehr

h a u f i g oder me i s t ens d u r c h ke iner le i Ze ichen n a c h a u g e n h in zu e r k e n n e n g ib t ; die A u g e n s ind n i c h t gere iz t o d e r en tz f inde t ,

*) Referat, erstattet auf der 89. Tagung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und ,;!x~te in Dfisseldor~ am 23. I X , z9~6.

a u c h Sehve rm6gen , L ich t s i l ln u n d F a r b e n s i n n b l e iben of t genug ganz unbeeinf lul3t . So k o m m t es, d a b die Ve r~nde - r u n g e n h~uf ig n u r d u r c h Zufal t oder bet d i r e k t d a r a u f ger ich- %eter A u f m e r k s a m k e i t e r k a n n t werdeI1. Aus d iesem G r u n d e sowie aus d e r Ta t sache , d a b die p e r i p h e r e Lage de r Ver/~nde- r u n g e n ftir die E r k e n n u n g Schwie r igke i t en b i e t e n k a n n , i s t es zu v e r s t e h e n , d a b diese Chor io id i t i s pe r iphe r i ca yon N i c h t o p h t h a ] m o l o g e n tange m c h t so g e k a n n t u n d g e w u r d l g t wird, w~e sie es aus a l l geme ind iagnos t i s chen Grf inden ve rd i en t . Ffir den F a c h m a n n s ind abe r die 6abe t v o r k o m r n e n - den Typen so genau durch HAAB, SIDLER-HuGIJENIN, HIRSCH- BERG U.a. festgelegt, dab eine Verwechslung etwa des ,,Schnupftabakfundus" oder des Pfeffer- und Salzfundus" mit andersartigen nnd andersatiologischen Erkrankungen kaum vorkommt.

Bet den , , formes frus%es" oder n u r v e r d ~ c h t i g e n Fa l l en mul3 m a n j e d o c h m i t de r Diagnose vo r s i ch t ig sein, besonde r s w e n n es s ich urn b l o n d e I n d i v i d u e n hande l t , die e inen auf- fa l lend gesp renke l t en A u g e n h i n t e r g r u n d aufweisen k6nnen .

I ch zeige I h n e n h ie r ve r seh i edene A r t e n dieser Chor io id i t i s im P ro jek t ionsb i ld , well s ich so besser Ms m i t v i e l en W o r t e n das Typ i sche e r k e n n e n laBt. W e n n ich v o r h i n sagte, dab die E r k r a n k u n g e n m e i s t eine V e r s c h l e e h t e r u n g de r S e h f u n k t i o n e n n i c h t m i t s ich b r ingen , so k a n n das in a n d e r e n Fal len, bet d e n e n tier h i n t e r e Po l des Auges u n d evt l . de r S e h n e r v m i t b e t r o f f e n s ind, a u c h ge legen t l i eh r e c h t a n d e r s se in : H e r a b g e s e t z t e r Visus, e ingesch r~nk te s Ges ieh ts fe ld u n d N a c h t b l i n d h e i t k 6 n n e n i n d iesen schweren F~l len sehr ansgesp rochen bes t ehen , ja es g ib t Fglle, die n a c h i h r e m o p h t h a l m o s k o p i s c h e n B e i u n d sowohl als auch n a c h i h r e m de le t~ren A b l a u t s ich ganz a h n - l ich wie eine Re t in i t i s p i g m e n t o s a v e r h a l t e n .

Die Chorioidi t i s a n t e r i o r g i l t v i e l f ach Ms ein sp~t a u f - t r e t e n d e s Ze ichen de r a n g e b o r e n e n Lues ; das i s t a b e r eine T~uschung , v e r a n l a B t dadu rch , d a b wir sie aus re in ~uBeren Gr f inden me i s t ens e r s t s p a t e rkennen . Sie i s t im Gegente i 1 --