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15.05.2007 1 empowerment empowerment empowerment empowerment einführung | relevanz | probleme Vortrag an der Universität Würzburg David Vossebrecher [Dipl. Psych.] [email protected]

einführung| relevanz| probleme Vortrag an der Universität ... · 15.05.2007 David Vossebrecher, Dipl. Psych. | Universität zu Köln [email protected] 2 zu meiner

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15.05.2007 1

empowermentempowermentempowermentempowermenteinführung | relevanz | probleme

Vortrag an der Universität Würzburg

David Vossebrecher [Dipl. Psych.]

[email protected]

15.05.2007 David Vossebrecher, Dipl. Psych. | Universität zu Kö[email protected]

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zu meiner Person

• Studium Psychologie in Bochum & Berlin (FU)

• Klinische Psychologie, Gemeindepsychologie, Kritische Psychologie (Holzkamp)

• Humanwissenschaftliche Fakultät, Universität zu Köln, Zentrum für Internationale Beziehungen

• Interessen: Empowerment, Prävention, Evaluation, qualitative Sozialforschung

• „Abenteuer Psychologie“ ☺

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Gliederung

• Einstieg

• Empowerment – Theorie: Einführung

• Empowerment – Theorie: Vertiefung

• Kritik am Konzept

• Projekte: Peer – Empowerment – Prävention

• Diskussion (& ggf. Übung)

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Geschichte: Rettung vor dem Ertrinken

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Psycho-soziale Probleme & Umwelt

• Sozial-Epidemiologie: Zusammenhänge zw. Todes- & Erkrankungshäufigkeit bzw. Gesundheitsindikatoren und ursächlichen Faktoren wie krankheits- & gesundheitfördernden Umweltbedingungen

• Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheiteinerseits und Mortalität (Sterblichkeit), Morbidität (Krankheitswahrscheinlichkeit), gesundheitsfördernden und -belastenden Faktoren andererseits

• psychische & körperliche Gesundheit (Krankheit)

• Faktoren• Armut (...Obdachlosigkeit)• Arbeit und Arbeitslosigkeit• Gender / Geschlecht• Migration• Lebensalter (Kinder, alte Menschen) etc.

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• die meisten psychosozialen Probleme sind mit sozialer Position verknüpft (vgl. Sozialepidemiologie):� Problem der Marginalisierung

• Betroffene haben wenig Möglichkeit (Ressourcen), die eigene Situation zu verbessern� Problem der Machtlosigkeit/Ohnmacht

• Professionelle arbeiten nicht an Ursachen......denken sich Lösungen für die Klienten aus und geben sie weiter (z.B. Psychoedukation)� Problem des Paternalismus� Funktion sozialer Kontrolle

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Zitat

“Empowerment implies that what you see as poor functioning is a result of social structure and lack of resources which make it impossible for the existing competencies to operate. […]

Competencies […] are best learned in a context of living life rather than in artificial programs where everyone, including the person learning, knows that it is really the expert who is in charge.”

Julian Rappaport 1981, S. 6

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Empowerment –Theorie:

1. Einführung

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hauptfragen des empowerment-konzepts

• Unter welchen Bedingungen gelingt es Menschen,

– sich aus einer machtlosen und demoralisierenden Situation heraus zu entwickeln,

– die eigene Stärke zusammen mit anderen zu erkennen und

– ihre Lebensbedingungen nach eigenen Vorstellungen zu gestalten?

• Wie lassen sich Formen der Selbstorganisation fördern?

• Welche Auswirkungen hat das auf die beteiligten Menschen und Organisationen?

(Stark 1996)

���� Betroffene und Professionelle

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was ist empowerment?

• „Selbstbemächtigung“ oder „Selbstbefähigung“; „handlungsfähig werden“, „sich durchsetzen können“

• Ziel: für Menschen die Möglichkeit erweitern, ihr Leben selbst zu bestimmen; d.h. Zugriff auf Ressourcen (wieder-) gewinnen.

• Erhöhung von Selbstbestimmung und Unabhängigkeit, Partizipation erweitern, Hilfe zur Selbsthilfe

• Engagement für sozialpolitische Belange und soziale Veränderung, d.h. Empowerment als ‚soziale Bewegung’

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was ist empowerment?…seite der betroffenen

Definition bei W. Stark (1996):„E. lässt sich (…) als ein bewusster und andauernder Prozess bezeichnen, durch den Personen, die – meist im Rahmen lokaler Zusammenhänge – keinen ausreichenden Anteil an für sie wichtigen Ressourcen haben einen besseren Zugang zu diesen Ressourcen erreichen und deren Nutzung selbst bestimmen können.“ (S. 156)

D.h.– aktive Beteiligung und persönliches Engagement für

eigene und gemeinsame Belange– gegenseitige Achtung von Personen und Gruppen– kritische Betrachtung gesellschaftlicher und sozialer

Rahmenbedingungen

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was ist empowerment?…seite der professionellen

• veränderter Blickwinkel: ‚Stärken-Perspektive‘, Abkehr von Defizitsicht

• Orientierung an Kompetenzen/Ressourcen der Individuen• grundsätzliches Vertrauen in die Stärken der Adressaten

• „Rechte-Perspektive” und „Bedürfnis-Perspektive”

• Infragestellung des Rollen- und politischen Verständnissesder Professionellen

• neues Verhältnis zwischen ihnen und ihren ‚Klienten‘

• funktionierende soziale Netzein der realen Lebenswelt untersuchenund verstehen

• Aufbau neuer Lebenswelten,„social change”

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Rolle professioneller Fachkräfte

• „Da die meisten Adressat/innen Sozialer Arbeit als Individualisierungs- und Globalisierungsverlierer/innen bezeichnet werden können und müssen, braucht es sozialarbeiterische Konzepte, die diese Ohnmachtserfahrungen nicht weiter verstärken.“

Pankofer (2000)

• Aufgaben der Professionellen:� hilfreiche Bedingungen zur Nutzung der vorhandenen

Ressourcen bereitstellen� Unterstützen und Mentor sein � Schwächen und Bedürfnisse der Klienten berücksichtigen

ohne diese zu entmündigen� Netzwerke fördern (soziale Ressourcen)� Partizipation fördern (i. S. demokratischer Werte)

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relevanz von empowerment• Bürgerrechtsbewegung / Minoritäten• Geschlechterverhältnisse / Internationaler Feminismus• Gesundheit

– Gesundheitsselbsthilfe in Form von Selbstorganisation chronisch kranker Menschen

– Konsument/innen – Kontrolle (z.B. Beschwerdezentren, externe Qualitätskontrolle)

– Independent-Living-Bewegung der Behinderten• Erziehung• Entwicklung (Entwicklungshilfe) / Politik / Ökonomie• Philosophie• Arbeits- und Organisationspsychologie• Gemeindepsychiatrie / Gemeindepsychologie

(community psychology)• u.a.

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Empowerment –Theorie:

2. Vertiefung

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Entwicklungs-

phasen

von

Empowerment-

Prozessen

(nach Stark 1996, 126)

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ebenen von empowerment

• individuelle Ebene (psychologisch)

• Gruppenebene (gruppendynamisch, organisatorisch)

• strukturelle Ebene (gesellschaftlich, politisch)

>>> Gesamtprozess = Empowerment

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individuelles empowerment

• psychologische Ebene:• Menschen beginnen, ihr Leben wieder „in die

eigene Hand zu nehmen“• Ausgangspunkt: Situation der Hilflosigkeit,

Machtlosigkeit, Resignation etc.• Ressourcen und Stärken werden entdeckt und

genutzt; von 'erlernter Hilflosigkeit' zu einer Erfahrung der 'learned hopefulness' (Zimmermann)

• Psychologische Konzepte: Kontrollbewußtsein, Selbstwirksamkeit/ Selbstwirksamkeitserwartung, selbstwahrgenommene Kompetenz, Wahrnehmung von Schwierigkeiten (perceived difficulty)

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empowerment von gruppen

• Gruppenebene:• Zusammenschluss einer Gruppe• handeln sowohl innerhalb als auch nach außen

(Beispiele: Bewegung Psychiatrie-Erfahrener, Independent-Living).

• partizipative Entscheidungen, gemeinsame Motivation, gemeinsam Ressourcen entdecken/entwickeln

• ‚Stärkung‘ der Beteiligten, um gestaltenden Einfluss auf die Gesellschaft nehmen zu können

• Vernetzung verschiedener Gruppen

• Gruppendynamik• Organisationspsychologie

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sozial-politische ebene

• strukturelle Ebene:• Politik, Gesellschaft (kommunal, staatlich, global)• Zusammenspiel von Individuen, Gruppen und

Organisationen• strukturelle Veränderung der Gesellschaft als

Aufgabe • Enflußnahme z.B. durch Lobbyarbeit, Kampagnen• Bildung von Netzwerken

• in der Praxis meist kommunale/regionale Wirkung (community)

• z.B. Arbeit von Bürgerinitiativen, Sozialen Bewegungen, Selbsthilfe

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werte & leitprinzipien• „holistic view“: Orientierung an Rechte-Perspektive,

Orientierung an Bedürfnis- und Interessenlage

• „holistic view“: komplexer Zusammenhang Mensch –Umwelt (Kultur, Gesellschaft)

• Werte der Gemeindepsychologie:

(Jeschke, Vossebrecher & Zaumseil, 2007; Tab. vereinfacht

nach Nelson & Prilleltensky, 2005)

soziale Gerechtigkeit,

Verantwortung

Unterstützung für

Gemeindestrukturen

Gemeinschaftliches Wohlbefinden

Bürgerbeteiligung (Partizipation) Respekt für Diversität (diversity)

Relationales Wohlbefinden

GesundheitFürsorge, MitgefühlSelbstbestimmung

Persönliches Wohlbefinden

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kritik

• Kontrollbewußtsein vs. tatsächliche Kontrolle (Verfügungsmacht)

• “The concept of empowerment is sometimes used in a way that confounds a sense of efficacy or esteem […] with that of actual decision-making control over resources“ (Riger 1993)

• Unterschied zwischen dem kognitivistischen „Sense of Empowerment“ (Kontrollüberzeugung etc.) und Zugewinn an realer Verfügungsmacht.

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kritik

• Gesellschaftstheorie

• strukturelle Rahmenbedingungen = große Verwaltungen, Gemeinden, Stadtteile etc. (Stark 1996)

• Konzeptualisierung der politischen Ebene seltsam unvollständig...

� politisches System? Staat? gesellschaftliche Institutionen? Kultur?

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kritik• Anforderung an Individuen im Neoliberalismus:

Selbstregulation im Rahmen der Flexibilisierung der Berufs- und Alltagswelt („Individualisierungs-Theorem“, „Risikogesellschaft“)

– Individualisierung von Lebensverantwortung im allen Lebensbereichen

– auch im Hinblick auf eine bessere ökonomische Verwertbarkeit (z.B. Deregulierung von Arbeitsverhältnissen)

• Gefahr, den entsprechenden flexiblen, „marktgängigen“Menschen zu propagieren.

• ...läßt sich aus Empowermentperspektive schwer kritisieren

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projekt babes & babies

– junge Mütter & Schwangere (+ Väter)

– Alter bis ca. 22 J, Kinder bis 2 J.

– Peer-Ansatz; Gruppe von 6-8 jungen Frauen

– Gruppe als Ausgangspunkt

– Gruppe als Rückhalt

– Aktivität „nach außen“ (Prävention i.w.S.)

– sozial ungleich verteiltes Phänomen

– Förderung: „wir helfen e.V.“

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projekt schlag.fertig

– männliche Jugendliche (bis 22 J.), straffällig mit Gewaltdelikten (Körperverletzung)

– Auswahlprozedur >> „Coolness-Training“ (modifiz.) >> Peer-Schulung (Gruppe) >> Aktivitäten (Prävention)

– z.B. Schulklassen, JuZ, Lehrer/Multiplikatoren, politische Entscheider...

– begleitende Unterstützung für Peer-Educator(Umfeld verbessern, Ressourcen)

– grenzwertig: Empowerment <> Gewalttäter(„zwei Pädagogiken“)

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literaturJeschke, K. & Vossebrecher, D. (2007, in Vorber.). Empowerment im Rahmen

gemeindepsychologischer Ansätze. In: Lengerke, T. v. (Hrsg.), Public Health Psychology. Eine Einführung. Freiburg: Juventa.

Pankofer, S. (2000). Empowerment – Eine Einführung. In: T. Miller / S. Pankofer (Hrsg.), Empowerment konkret. Handlungsentwürfe und Reflexionen aus der psychosozialen Praxis. Stuttgart: Lucius & Lucius.

Prilleltensky, I., & Nelson, G. (1997). Community Psychology: Reclaiming social justice. In D. Fox & I. Prilleltensky (Hrsg.), Critical Psychology. An Introduction. London: Sage.

Rappaport, J. (1981). In praise of paradox: a social policy of empowerment over prevention. American Journal of Community Psychology, 9(1), 1-25. [dt.: Rappaport, J. (1985): Ein Plädoyer für die Widersprüchlichkeit: Ein sozialpolitisches Konzept des ”empowerment” anstelle präventiver Ansätze. In: Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis Jg.17, S.257-278.]

Stark, Wolfgang (1996). Empowerment. Neue Handlungs-kompetenzen in der psychosozialen Praxis. Freiburg: Lambertus.

Vossebrecher, D. & Jeschke, K. (2007, im Druck). Empowerment zwischen Vision für die Praxis und theoretischer Diffusion. In: Forum Kritische Psychologie 51. Hamburg: Argument.