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Neurologische Intensivstation Operative Intensivstation Interdisziplinäre Intensivstation Neonatologische Intensivstation Kardio- vaskuläre Intensiv- station Notfall- und Intensivmedizin Innere Medizin Urologie Kardiologie Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde Verwaltung Kinderstation Hausarztpraxis Gynäkologie Onkologie Radiologie NÄCHSTER HALT MEDIENBRUCH OP OP OP OP OP Patientendatenmanagementsysteme verbessern Behandlungs- und Abrechnungs- qualität – digital ist dabei nicht egal Das Journal für die deutsche, österreichische und schweizerische Healthcare IT Branche. N°4 04.2015 | www.hitcentral.eu/de/42 OP Eingeimpſt – das Schweizer Impfdossier wird von Ärzten und Patienten gewollt und gepflegt Sehr unbefriedigender Nutzungsgrad – Black Box IT

Eingeimpft – das NÄCHSTER HALT MEDIENBRUCH · 2016-10-05 · eHealth Summit Germany, auf dem Hauptstadtkongress, Juni 2015, Berlin 6 eHealth Summit Austria, Juni 2015 „Gesundheit

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Neurologische Intensivstation

Operative Intensivstation

Interdisziplinäre Intensivstation

Neonatologische Intensivstation

Kardio­vaskuläre Intensiv­station

Notfall­ und Intensivmedizin Innere Medizin

UrologieKardiologie Hals­, Nasen­, Ohrenheilkunde

Verwaltung

Kinderstation

Hausarztpraxis

Gynäkologie

Onkologie

Radiologie

NÄCHSTER HALT MEDIENBRUCH

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OP

OP

OP

OP

Patientendatenmanagementsysteme verbessern Behandlungs- und Abrechnungs - qualität – digital ist dabei nicht egal

Das Journal für die deutsche, österreichische und schweizerische Healthcare IT Branche.

N°4

04.2015 | www.hitcentral.eu/de/42

OP

Eingeimpft – das Schweizer Impfdossier wird von Ärzten und Patienten gewollt und gepflegt

Sehr unbefriedigender Nutzungsgrad – Black Box IT

Page 2: Eingeimpft – das NÄCHSTER HALT MEDIENBRUCH · 2016-10-05 · eHealth Summit Germany, auf dem Hauptstadtkongress, Juni 2015, Berlin 6 eHealth Summit Austria, Juni 2015 „Gesundheit

— EDITORIAL —

42 N°4 HIMSS Europe 3

Es liegt vielleicht an dem Begriff „E-Health“ – nimmt den ei-gentlich noch irgendjemand ernst? Oder wurde er genauso überstrapaziert wie Big Data, die Verwendung des Wortes „Kun-de“, wenn eigentlich der „Patient“ gemeint ist oder das Bonmot der „blühenden Landschaften“, die bestenfalls den ehemaligen innerdeutschen Grenzstreifen oder die Denaturierung verlasse-ner Dörfer Ostsachsens treffend beschreiben?

Das angekündigte deutsche E-Health-Gesetz bleibt jeden-falls weit hinter der gesammelten Hoffnung der innerdeutschen E-Health-Gemeinde zurück. Sollten die zahlreichen klugen Punkte aus der Anhörungsphase keinen Weg in das finale Ge-setz finden, verpasst der Gesetzgeber eine Möglichkeit zur ver-bindlichen Festlegung nationaler IT-Standards und erteilt der Interoperabilität, intersektoralen Kommunikation und somit dem Qualitätsmanagement, der Patientensicherheit und Kos-teneffizienz eine Absage.

Was für ein schönes Zeichen, hart erkämpft, wie ich an-nehmen darf, dass sich ALKRZ, BVITG, BVMI, GMDS, HL7 und IHE Deutschland, MFT, TMF und VUD (ich liebe die deutsche Verbandslandschaft und ihre Abkürzungen) auf eine gemeinsa-me Stellungnahme einigen konnten. Damit setzen die Verbände tatsächlich ein ernstzunehmendes Zeichen der willentlichen Kooperation zum Thema Interoperabilität. Das „gemeinsam“ ist nun einmal genau das, was im Gesundheitswesen oftmals fehlt.

Das kann bedauert oder aber anhand von Gesetzen gestärkt, ja, verbindlich beschlossen werden. Letzteres kann so nicht aus dem ersten Entwurf des Gesetzes herausgelesen werden, aber wie heißt es so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt! Also, noch nach dem Patienten, dessen Daten nicht rechtzeitig im Papier-wust wiedergefunden wurden ...

Und unsere Nachbarn? Sie machen es anhand einer Volks-abstimmung vor. In der Schweiz existiert ein elektronisches Impfdossier (Eingeimpft, S. 16) und es wird ein elektronisches Patientendossier geben. Gut, der ELGA-Start verzögert sich in Österreich auch erst einmal bis zum Ende des Jahres, auch hier gibt es Widerstand aus der Ärzteschaft.

Wo bleibt bei all dem der Patient und die Fürsorge? Stu-dien zeigen, dass Gesunde sich tatsächlich weniger Gedanken um Datenaustausch machen. Sie zeigen aber auch, dass je nä-her der Mensch am Patienten oder gar selbst Patient ist, desto höher wird seine Bereitschaft, behandelnden Ärzten Einblicke in seine Gesundheitsdaten beziehungsweise Krankenakte zu geben. Und warum auch nicht? Es heißt ja nicht, viele Ärzte verderben den Brei ...

Viel Freude beim Lesen!

MFG

Claudia Dirks Editorial [email protected]/de/42

E-Health zum Ausdrucken

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4 42 N°4 HIMSS Europe 42 N°4 HIMSS Europe 5

— INHALT —— INHALT —

Seite 55Klinikum Nürnberg 56IT in Zeiten von Mergern und KostendruckArzneimittelwirkung 60Aus dem Krankenhaus zurück auf den Teller Wolfgang Dorda 62Kulturwandel im Krankenhaus

66 conhIT: Gesundheits­IT­ Branche 2015: Innovationen und Trends

68 Agfa: Klinische Dokumenta­tion: Der Kreis schließt sich

69 Cerner: Eine große Chance für den Markt

70 CompuGroup: Telematik braucht „mehr­Werte“ für Ärzte und Patienten

71 ID: Semantische Frei­textanalyse: Prozesse optimieren mit Terminolo­gieservern

72 medatixx: Mobile Lösungen für Praxen, MVZ und Klinik­ambulanzen

73 MEIERHOFER: Kranken­haus­IT: Mittelstand als Stabilitätsfaktor

74 Deutsche Telekom AG: Digitales Mindset

75 Ascom: Ascom Myco bringt die mobile Revolution in die Pflege

76 Hewlett-Packard: 30 Prozent mehr Perfor­mance dank schnellem Speichersystem

78 ICW: Erfolgreiches Versor­gungsmanagement durch einrichtungsübergreifende Vernetzung und Pro­zesskoordination

79 medavis: Im Herzen ein RIS

80 Nuance: Alles könnte so einfach sein, ist es aber nicht!

81 VISUS: Mehr Effizienz auf allen Ebenen mit dem medi­zinischen Archiv

HealthTech Wire

Seite 43Kolumne: Der Brückenbauer 44Brennende Häuser versichernRainer Herzog 45Es fehlt der politische WilleDating Big Pharma 48Pharma umgarnt die mHealth-Szene MySugr 52Viel Arbeit und viel PassionKolumne: Mensch vs. Maschine 54Der Mensch hinter dem System

Seite 37 PDMS 38Nächster Halt MedienbruchRainer Röhrig 42Informationsverlust reduzieren

HIMSS Europe Community

eHealth Summit Germany, auf dem Hauptstadtkongress, Juni 2015, Berlin 6eHealth Summit Austria, Juni 2015 „Gesundheit neu denken“, Wien 8Swiss eHealth Summit, September 2015, Bern 8Entziffern 10Impressum 12

Seite 27 AMTS 28Im Sinne der PatientenUnbefriedigender Nutzungsgrad 32Black Box IT

N°4

Seite 13Eingeimpft 14Das elektronische Impfdossier der SchweizOhne Richtschnur 18KRITIS birgt große HerausforderungenThorsten Schütz 20Wir können den Aufwand noch nicht planenEntwicklung medizinischer Apps 22Was Sie wissen müssen!Kolumne: Der Überblicker 26Gesucht – Change Manager Gesundheitspolitik

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6 42 N°4 HIMSS Europe

— HIMSS EUROPE COMMUNITY —

Pflegekräfte sind die Helden des Alltags im Gesundheitswesen und haben einen Begleiter verdient, der sie bei der Arbeit unterstützt. Aus diesem Grund haben wir Ascom Myco™ (My companion) entwickelt. Ascom Myco™ ist ein spezialgefertigtes Smartphone und Kommunikationskonzept für die Krankenhausumgebung, das relevante Informationen genau dort bereitstellt, wo sie von Pflegekräften und Krankenhausmitarbeitern benötigt werden: at the heart of care!

Mehr Zeit für Patienten

Erfahren Sie mehr zu Ascom Myco. ascommyco.com

HIMSS Europe wird in diesem Jahr erstmals im Rahmen des Hauptstadtkongresses „Medizin und Gesundheit” vom 10. bis 12. Juni 2015 im CityCube Berlin den eHealth Summit Germany zum Thema „Digitalisierung der Medizin” ausrichten.

Der eHealth Summit vereint Entscheidungsträger aus Politik und Krankenhaus-Management mit Anwendern, Industrie und Forschung.

PROGRAMM: 12. JUNI 2015

9–10.30 Uhr

AMTS: Der unbehandelte Skandal

Arzneimitteltherapiesicherheit spielt im deut­schen Gesundheitswesen kaum eine Rolle. Dabei sterben hierzulande jährlich circa 40.000 Pati­enten infolge vermeidbarer Medikationsfehler, rund 15 Prozent aller Krankenhauseinweisungen lassen sich allein darauf zurückführen. Es sollte also ein gesellschaftspolitisches und volkswirt­schaftliches Interesse an der Behandlung die­ses Problems geben. Engagierte Protagonisten, stationär und ambulant, beweisen, dass es Lösun­gen gibt – lokal und regional. Ihnen allen gemein ist die Tatsache, dass die Digitalisierung des ge­samten Medikationsprozesses entscheidend ist.

Moderation: Manfred Criegee-Rieck, Leiter AG Arzneimittelinformationssysteme bei der GMDS, IT­Leiter Bad Kreuznach

11.30–13 Uhr

Aus dem Bauch in den Verstand: IT-Kennzahlen im Krankenhaus

Die Investition in IT wird oftmals gescheut, da die Akzeptanz in der Ärzteschaft gering ist. Dass das kurzsichtig, auch hinsichtlich einer erfolgreichen Unternehmensführung, ist, beweisen Häuser, die IT­Kennzahlen als Instrumentarium zur Weiter­entwicklung, auch ihrer medizinischen Qualität, und Integration bei Zukäufen entdeckt haben. Welches Modell macht am meisten Sinn? Wel­che Kenn zahlen werden benötigt und wie müssen

diese aussehen, um ein einheitliches Gerüst zu schaffen? Mit diesen Fragen setzen sich Anwen­der und Experten in der Session auseinander und entwickeln gemeinsam Lösungsansätze.

Moderation: Bernd Christoph Meisheit, Sana IT Services GmbH

14–15.30 Uhr

Verantwortliche gesucht! Ohne eine qualitäts-gesicherte IT-Infrastruktur gerät der Gesund-heitsstandort Deutschland ins Hintertreffen!

Das E­Health­Gesetz mag den richtigen Ansatz verfolgen. Doch was, wenn all die erfolgreichen Piloten nicht den Sprung in die bundesweite Praxis schaffen, weil die technischen Voraussetzungen in einem der reichsten Länder leider nicht aus­reichen und morgen schon veraltet sind? Medizin und Forschung schlagen Alarm, weil sie den Standort Deutschland in Gefahr sehen – die Kos­ten der Gesundheitsversorgung steigen weiter an –, und das alles aus voraussehbaren Gründen!

Moderation: Rainer Herzog, HIMSS Europe

Round Table: Marcel Fratzscher, Präsident DIW; Arno Elmer, GF Gematik; Adrian Schmid, e­Health­Suisse; Otto Rienhoff, Uni Göttingen

16.30–18 Uhr

Start-up-Slam: Traut euch!

Eine gute Idee – fünf Minuten Zeit, die Jury oder das Publikum zu überzeugen. Wie gewöhnlich ziert sich das Gesundheitswesen, wenn es darum geht, sich Neuerungen gegenüber zu öffnen. Aber aktuell sind viele mobile Lösungen auch noch gar nicht stationstauglich oder haben trotz guter Idee noch nicht die Hürde in die Gesundheitswelt genom­men – wir geben den guten Ideen eine Bühne. Wer traut sich?

Moderation: Juliane Zielonka, Geschäftsführerin Die­Artverwandten

Jury: • Friedrich von Bohlen

Geschäftsführer dievini Hopp Biotech• McKinsey

Sponsor des 1. Preises• Prof. Dr. Burkhard Schmidt

Designer Ikone, UdK Berlin

Mehr Informationen: www.ehealthsummit.de

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IT trifft Entscheidungsträger

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8 42 N°4 HIMSS Europe

— HIMSS EUROPE COMMUNITY — gehealthcare.com

Wenn ein schneller Zugriff auf Patientendaten die klinische Zusammenarbeit verbessert.

Das bringt die Qualität derPatientenversorgung voran.

©2015 General Electric Company – Alle Rechte vorbehalten. Centricity, GE und GE-Monogramm sind Marken der General Electric Company.General Electric Company, vertreten durch ihren Geschäftsbereich GE Healthcare.

* Marken der General Electric Company.1 Centricity Clinical Archive Lösung umfasst die folgenden Produktkomponenten: Centricity Enterprise Archive, Universal Viewer ZFP, Caradigm™ eHIE, Centricity Clinical Gateway, NextGate MatchMetrix™ EMPI, PACSGEAR PacsSCAN™.

GE Healthcare’s Centricity* Clinical Archive1 Lösung hilft Ihnen dabei einen innovativen Grundstein für die Zukunft zu legen, in dem sie Produktivität und Patientenversorgung in Einklang bringt.

Finden Sie heraus wie das Universitätsklinikum in Antwerpen das Centricity Clinical Archive als Level 3 herstellerunabhängiges Archiv (VNA) zur Bild- und Dokumentenspeicherung mit voller IHE XDS Unterstützung einsetzt.

Besuchen Sie uns auf der conHIT 2015 Halle 2.2 Stand D101

Mehr Informationen fi nden Sie unter www.gehealthcare.com/CCA

WIEN – Vom 18. bis 19. Juni 2015 findet Österreichs nationaler eHealth Event im Apothekertrakt von Schloss Schönbrunn in Wien statt. Im dritten Jahr der erfolgreichen Zusammenarbeit von HIMSS, AIT, UMIT, OCG und ÖGBMT lautet das Summit­Motto „Gesundheit neu denken: Personalized Health“. Prof. Dr. Otmar Wiestler, Vorstandsvor­sitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), wird die Eröffnungskeynote zum „Paradigmenwechsel in der Medizin“ halten. Der zweite Konferenztag wird von Wolfgang Dorda eröffnet, ehemali­ger Leiter des Instituts für Medizinisches Informationsmanagement und Bildverarbeitung der Medizinischen Universität Wien, mit einer Skizze der „Aktuellen Herausforderungen der Medizinischen Informa­tik für die personalisierte Gesundheitsversorgung“.

Das weitere Programm gliedert sich, wie in den Vorjahren, in den wissenschaftlichen Teil der eHealth 2015 und in den anwenderori­entierten HIMSS­Track, für den das Programmkomitee aus Politik, Anwender, Industrie und Wissenschaft verantwortlich zeichnet. Sie können also sicher sein, dass die aktuellen Aufregerthemen des ös­terreichischen Gesundheitswesens das Programm bestimmen.

NEU: Erstmals wird die PDMS CONFERENCE D.A.CH. am 18. Juni 2015 in Wien als Teil des eHealth Summits Austria stattfinden. Patienten­datenmanagementsysteme – sicherheitsrelevant oder Kostenver­schwendung? Als offenes Expertenforum werden die brennenden Fragen diskutiert, um Wiederholungsfehler zu vermeiden.

eHealth Summit Austria 2015: „Gesundheit neu denken“ plus PDMS

Mehr Informationen unter: www.ehealthsummit.at und www.himss.eu/pdms

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MEHR EVENTS

Swiss eHealth Summit – Das Gesundheitswesen trifft sich in Bern

BERN – „Digitales Ökosystem Gesundheitswesen: Vorgaben umsetzen, Versprechen einlösen“ steht über dem Swiss eHealth Summit, der am 14./15. September 2015 im Kursaal Bern stattfindet. Es bleibt spannend in der Schweiz! Das elektronische Patientendossier geht aktuell in die nächste Runde – Befürworter und Gegner wappnen sich für den nun folgenden Schlagabtausch. Im September wird es ver­mutlich schon Sieger und Besiegte geben. Welchen Ein­fluss das auf die zukünftigen Entwicklungen im Schweizer Gesundheitswesen hat, wird dort in Bern skizziert.Die Mixtur aus wissenschaftlicher Konferenz, CIS­ Konferenz und Anwender­Track, der die innovativsten existierenden Lösungen mit allen Stakeholdern der Schweizer Gesundheitswirtschaft diskutiert, geht in die dritte Runde und nimmt sich genau dies vor: Wie kann es konkret weitergehen? Welche Möglichkeiten bieten eHealth­Lösungen? Was hat sich schon in der Realität bewährt?Der Blick über den Tellerrand Gesundheitswesen ist ge­nauso erwünscht, wie die Diskussion über die ganz prak­tischen Schritte auf dem Weg hin zu einer investitions­ sicheren Lösung, die das Zeug hat, Probleme zu lösen.

Mehr Informationen unter: www.ehealthsummit.ch

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— ENTZIFFERN —

PERSÖNLICHE GESUNDHEITSDATEN: VIELE PATIENTEN MÖCHTEN TEILEN

DIGITALE DOKUMENTATION: FREUND ODER FEIND?

UNTERSCHÄTZEN SIE NIEMALS DIE KLINISCHE DOKUMENTATION

Quelle: Schwenninger BKK study „Die Gesundarbeiter”; Januar 2015; 1.000 Deutsche im Alter zwischen 14 bis 34

Quelle: YouGov-Study „Quantified Health”; Dezember 2014; 1.000 Teilnehmer aus Deutschland, alle Altersgruppen

JA: 62%NEIN: 18%

WEISS NICHT: 20%

Würden Sie Ihrer Krankenversicherung Zugang zu persönlichen Daten geben, die durch Gesund-heits-Apps generiert wurden, wenn Sie daraus einen finanziellen Vorteil erhielten?

Anteil der Befragten, die befürchten, dass Versicherungsbei- träge steigen, wenn Gesundheitsdaten, die durch Apps generiert wurden, eine Verschlechter-ung der Gesundheit und Fitness auf-zeigen

Anteil der befragten Per-sonen, die glauben, dass Krankenver-sicherungen die mithilfe von Apps generierten Daten für andere Zwecke benutzen werden als angegeben

Welche Erfahrungen haben Sie mit digitaler Dokumentation?

21% Spart Zeit

11% Erleichtert die abteilungsübergreifende Koordination

27% Erhöht die Dokumentationszeit

16% Verursacht Schwierigkeiten mit der IT

Geschätzte Zeit, die mit klinischer Dokumentation verbracht wird

Zeit, die tatsächlich mit klinischer Dokumentation verbracht wird

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IN ZAHLEN REDEN

Würden Sie Ihrem Arzt Zugang zu persönlichen Gesund-heitsdaten geben, die mithilfe von Apps generiert wurden?

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JA: 32%

NEIN: 39%

WEISS NICHT: 29%

35 %44 % 30 % 36 %

Doktoren Pflegekräfte

Quelle: HIMSS Europe Studie „Auf den Spuren der Zeitdiebe im Krankenhaus: Die wahre Belastung durch Dokumentation an deutschen Akutkrankenhäusern wird unterschätzt”, März 2015, 229 Doktoren und Pfleger in > 180 deutschen Kranken-häusern, Oktober 2014 – Jan. 2015, ermöglicht von Nuance

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ÜBERBLICK

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Eingeimpft: Das elektronische Impfdossier der Schweiz 14Ohne Richtschnur: KRITIS birgt große Herausforderungen 18Thorsten Schütz: Wir können den Aufwand noch nicht planen 20Entwicklung medizinischer Apps: Was Sie wissen müssen! 22Der Überblicker: Gesucht – Change Manager Gesundheitspolitik 26

ANNA WINKER, Artdirektorin, ist seit über zehn Jahren den deutschsprachigen Gesundheitssystemen verbunden. Sie erklärt sie anschaulich, macht sie bunter, verständlicher und schöner.

Das Journal für die deutsche, österreichische und schweizerische Healthcare IT Branche.

www.hitcentral.eu/de/42

HerausgeberHIMSS Europe GmbH

Lennéstr. 9, 10785 BerlinT: +49 30 46 7777 330

Chefredaktion (V.i.S.d.P.)Claudia Dirks: [email protected]

ArtdirektionAnna Winker: [email protected]

Mitarbeiter dieser AusgabePhilipp Grätzel von Grätz, Romy König, Michael Lang,

Susanne Neumayer­Remter

Schlussredaktiontextpool­berlin

GeschäftsführerHIMSS Europe GmbH

Steve Bryant und Jeremy Bonfini

Anzeigen & HealthTech WireAriane Müller: [email protected]

42 arbeitet mit HealthTech Wire zusammen, um seinen Lesern Informationen der Hersteller zu übermitteln.

www.healthtechwire.de

Bitte senden Sie Pressemitteilungen an: [email protected]

Druck MEDIALIS Offsetdruck GmbH

Printed in Germany

Nachdruck, auch auszugsweise, Aufnahme in Onlinedienste und Internet sowie Vervielfältigung auf Datenträger wie CD­ROM, DVD­

ROM etc. nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung durch HIMSS Europe. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos

keine Gewähr.

© HIMSS EUROPE GmbH, 2015.Alle Rechte vorbehalten.

PHILIPP GRÄTZEL VON GRÄTZ ist Chef­redakteur der englischsprachigen Insights aus dem Hause HIMSS Europe. Der schrei­bende Mediziner ist spezialisiert auf Ge­sundheitspolitik, besonders in den Themen E­Health und Informationstechnologien für das Gesundheitswesen zu Hause und Autor des Buches „Vernetzte Gesundheit“.

42 N°5 ERSCHEINT AM 8. JUNI 2015

Die Neuvermessung der Medizin: Personalisierte Therapien kündigen einen Paradigmenwechsel in der Medizin an. Hoffentlich!

Digitalisierung der Medizin: Deutschland ist dabei, wichtige Meilensteine zu verpassen.

Der „Digitale Patient“: Wie bereitet sich das Gesundheits­wesen auf die neue Generation Patient vor?

Kollaborationsmodelle: Ohne E­Health nicht denkbar. Eine integrierte Versorgung oder Patienten­Monitoring leisten nicht nur für Patienten sehr viel; sie schicken sich an, Zukunftsmodell für eine alternde Gesellschaft zu werden.

Bilder, wohin das Auge reicht: Die neue Rolle der Radiologie

ALADIN ANTIC war in einem ersten Leben Veranstalter von Heavy­Metal­Konzerten, Redakteur einer Musikzeitschrift, DJ, in einem zweiten Leben Biochemiker, dann kam das Gesundheitswesen und machte ihn zum Healthcare­IT­Experten.

FELIX CORNELIUS ist Geschäftsführer der Spreeufer Consult GmbH, die sich auf Projekte spezialisiert hat, in denen ärztliches und betriebswirtschaftliches Denken versöhnt werden sollen. Er ist auch Mitgründer und Vorstand des Verbandes digitale Gesundheit (VdigG).

SUSANNE NEUMAYER-REMTER berichtet als freie Journalistin seit mehr als einem Jahrzehnt vom Nachrichtengeschehen in der Hauptstadt. Ihre Schwerpunkte sind unter anderen Gesundheits­ und Wirt­schaftsthemen sowie Innovationen.

N°4

— IMPRESSUM —

MICHAEL LANG schreibt als freier Journalist über Themen aus den Bereichen Medizin und Wissenschaft. Der Naturwissenschaft­ler hat sich auf Technik und IT spezialisiert.

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— ÜBERBLICK —— ÜBERBLICK —

Wenn Ärzte anfangen, über Algo-rithmen nachzudenken, lässt das aufhorchen: Claire-Anne Siegrist,

Kinderärztin und Professorin für Infektionen und Impfkunde an der Universität Genf, hatte bereits eine ganze Weile beobachtet, wie die Zahl der verfügbaren Impfungen und Impf-stoffe in der Schweiz immer weiter anstieg. Wie der jährliche Impfplan, herausgegeben vom Schweizer Bundesamt für Gesundheit (BAG) und der eidgenössischen Kommission für Impffragen, immer üppiger ausfiel, die Empfehlungen detaillierter und umfangreicher wurden. „Diese Empfehlungen unterscheiden zwischen Basisimpfungen, die unerlässlich für die individuelle und öffentliche Gesund-heit sind, und ergänzenden Impfungen, die einen optimalen individuellen Schutz bieten“, erklärt Siegrist. Hinzu kämen Impfungen, die in besonderen Risikosituationen empfohlen werden, etwa bei Reisen. Allein 42 Seiten um-fasst der Impfplan für 2015, acht Seiten mehr als noch zwei Jahre zuvor.

Das Problem: Kaum ein Hausarzt hat Zeit, die einzelnen Empfehlungen gewissenhaft zu studieren und – mehr noch: sie bei jedem Patienten, abgestimmt auf dessen persönliche Bedürfnisse, anzuwenden. „Ein individuel-les Impfmanagement ist sehr anspruchsvoll geworden“, sagt Siegrist. Was man bräuch-te, so ihre Überlegung vor wenigen Jahren, wäre eine Maschine, die mit all diesen neuen Empfehlungen gefüttert wird, ergänzt um persönliche und relevante Informationen der Patienten – und die dann eine individuelle Empfehlung herausgibt.

Hier trifft Impfkunde auf Informatik, Arzt-wissen auf Algorithmen: Gemeinsam mit

einem IT-Experten entwickelte und program-mierte die Medizinerin eine Software, die ge-nau das leisten sollte: Impfdaten aufnehmen, bewerten und zu passenden Prophylaxe- und Therapieanleitungen führen. Siegrist rührte die Werbetrommel, stellte das Konzept dem BAG vor – und stieß hier auf offene Ohren.

Hoher Druck von der Straße „Das Amt wollte ohnehin das Impfvolu-

men im Land steigern, deshalb haben die eine solche Idee dankbar angenommen“, er-innert sich Sang-Il Kim. Kim ist gelernter Hu-manmediziner und Informatiker und arbeitet als Projektmanager bei eHealth Suisse, der Koordinationsstelle für E-Health-Vorhaben der Alpenrepublik. Hier laufen die Fäden al-ler Projekte zusammen, mit der die Schwei-zer Regierung künftig Gesundheitsdienste elektronisch verknüpfen und die Beteiligten vernetzen will. Bis Ende 2015 soll Schritt für Schritt das elektronische Patientendossier aufge baut werden.

Die Vorarbeit von Claire-Anne Siegrist be-schreibt Sang-Il Kim als einen der wichtigsten Schritte in diese Richtung. Gemeinsam mit dem BAG und auf Grundlage ihrer Software hat die Impfexpertin in den letzten Jahren ein Portal aufgebaut, über das Patienten die Daten über ihre Impfungen pflegen und ver-walten können: www.meineimpfungen.ch. Das Konzept: Der Patient registriert sich, gibt per-sönliche Informationen über seinen Beruf, sein Umfeld und eventuelle Krankheiten sowie die Daten aus seinem Impfausweis ein. Ein elekt-ronischer Assistent hilft dabei – auch bei der Wiederherstellung der Impfvorgeschichte, falls der Patient keinen Impfausweis hat. Wenn er

EingeimpftWährend in Deutschland das Hinterlegen der aktuellen

Adresse auf der elektronischen Gesundheitskarte diskutiert wird, ist das elektronische Impfdossier in der Schweiz seit

Jahren real. Gewollt und gepflegt von Ärzten und Patienten.

Von Romy König

„Die Zeit, die benötigt

wird, um eine Impfanamnese

über das Kindesalter hinaus

zu bewahren, kann dem Arzt

unter „‚Leistung in Abwesenheit des Patienten‘

verrechnet werden“.

Alessandro Diana, Kinderarzt

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MEDIZIN STATT BÜROKRATIE

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Bundesmedikationsplan

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www.id-berlin.de

AMTS-FORUM

„Arzneimitteltherapie-sicherheit (AMTS) – Status quo und quo vadis?“conhIT, Networkfläche 1.2Dienstag, 14. April 201514.30 -15.30 Uhr

Deutschland tritt auf der Stelle! Reichen mehr oder weniger private und regionale Initiativen, um das Thema Arzneimitteltherapiesicherheit und den damit verbundenen Patientenschutz auf internati­onales Niveau zu heben? Oder muss der Staat nicht insbe­sondere bei diesem Thema, wie andere Länder es vorma­chen, auch hierzulande seine Richtlinienkompetenz stärker wahrnehmen? Oder reicht die Idee des Medikationsplans auf Papier?

Diskutanten:

Dr. Daniel Diekmann, Geschäftsführer ID­Berlin

Frank Ladendorf, CompuGroup Medical Deutschland AG

Adrian Schmid, Leiter eHealth Suisse, Koordinationsorgan Bund­Kantone

Harald Dormann, Ärztlicher Direktor Klinikum Fürth

Moderation:

Claudia Dirks, Chefredakteurin 42 – Das Journal für die deutsche, österreichische und schweizerische Healthcare IT Branche, HIMSS Europe GmbH

es wünscht, kann der Patient seinem Arzt und seiner Apo-theke den Zugang zu seinen Daten erlauben. Umgekehrt kann auch der Arzt – vorab authentifiziert mittels EAN/GLN-Nummer – die Daten erfassen – und den Aufwand dafür sogar abrechnen, wie der Genfer Kinderarzt Ales-sandro Diana erklärt. „Die Zeit, die benötigt wird, um eine Impfanamnese über das Kindesalter hinaus zu bewahren, kann dem Arzt unter „Leistung in Abwesen-heit des Patienten“ verrechnet werden“.

Anfangs hätten sich die Schweizer Ärzte nur zöger-lich bei dem Portal registriert, berichtet Sang-Il Kim. Dann aber sei der „Druck von der Straße“ zu groß geworden, hätten sich immer mehr Patienten angemeldet und die Ärzte dadurch sanft gezwungen, bei dem Projekt mitzuwirken. Heute seien knapp 100.000 Impfdossiers hinterlegt, gut 30 bis 40 Prozent der Patienten geben ihre Daten selbst ein. Mit einer zusätzlichen Lizenz können sich die Mediziner außerdem auf Knopfdruck anzeigen lassen, welche der in der Schweiz verfügbaren Impfungen dem jeweiligen Pati-enten verabreicht werden sollten, in welchen Dosen und mit welchem Intervall. Dafür sorgt eine Schnittstelle zu Siegrists eigens entwi-ckelter Software.

Vorbild für nationales ProjektDas Projekt – und hier kommt wieder die

Politik ins Spiel – könnte als Blaupause die-nen für alle weiteren eHealth-Pläne des Lan-des – besonders für das elektronische Patien-tendossier. Tatsächlich wird das Impfdossier bei der Koordinationsstelle eHealth Suisse als Leuchtturmprojekt gehandelt, anhand dessen ein „konkreter Nutzen von eHealth aufgezeigt“ und „schweizweit sicht- und erlebbar“ ge-macht werden könnte, wie es in einem Bericht des Gremiums heißt.

„Noch sprechen wir hier von Zukunfts-musik, weil der Dienst proprietär läuft“, sagt Kim. Aber im Hintergrund hat seine

Projektgruppe bereits ein Austauschformat erarbei-tet, über das behandelnde Ärzte sowie Apotheker künf-tig landesweit Impf- und Immunschutzinformationen untereinander übertragen können. Auch ein elektro-nischer Dienst zur Prüfung von I mpfa na m nese u nd Immunstatus ist vorgese-hen: Über den sogenannten eImpfcheck sollen Impflü-cken einer Person online festgestellt werden können. Im letzten Jahr hat e-Health- Suisse nun einen Implemen-tierungsleitfaden vorgelegt, der die Spezifikationen für die semantische Interoper-abilität für das Impfdossier beschreibt, basierend auf IHE-Integrationsprofilen und der HL7 Clinical Document

Architecture. „Das elektronische Impfdossier kann nun schweizweit einheitlich angewandt werden“, so Kim.

„Nicht darauf angesprungen“Und nicht nur dort: Theoretisch könne die

Lösung auch in anderen Ländern laufen, wenn die Software mit anderen Regeln gefüttert werde, so Kim. Österreich habe bereits Inter-esse gezeigt, hätte jedoch noch keine konkrete Idee, wie das Konzept praktisch umzusetzen sei. Und auch Deutschland sei nicht wirklich darauf angesprungen. „Das hat mich etwas er-staunt“, so Kim. Vermutlich liege das daran, dass sich niemand so richtig für eHealth-Ideen verantwortlich fühle. „Aber vielleicht ändert sich das ja einmal mit der elektronischen Ge-sundheitsakte.“

Auch Claire-Anne Siegrist, die rührige Pro-fessorin aus Genf, hat ihre Software unterdes-sen immer weiterentwickelt, hat mit jedem Release Bugs korrigiert, Impfstoffe aktuali-siert und Empfehlungen angepasst, zudem ei-nen Service eingebaut, der Patienten per SMS oder E-Mail über notwendige Impfungen in-formiert. Seit neuestem können die Nutzer ih-ren Impfausweis sogar per App verwalten. Sie geht eben mit der Zeit – die Ärztin ohne Scheu vor Algorithmen. ¬

SANG-IL KIM, Humanmediziner, Informatiker und Projekt­manager bei eHealth Suisse, dem Koordinationsorgan Bund­Kantone.

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— ÜBERBLICK —— ÜBERBLICK —

Manntage dafür ein; ein gutes Jahr wird der Externe also sicher beschäftigt sein. Katt ringt der mühevollen Aufgabe auch einen Vorteil ab: „Wir decken bei dieser Gelegenheit Schwachstellen und sub-optimale Systeme auf, Prozesse, die die Mitarbeiter vielleicht über Jahre achsel-zuckend hingenommen haben, etwa das System an irgendeiner Stelle jedes Mal wieder neu starten zu müssen.“

Im Zweifel werden dünne Bretter gebohrt

Es ist also ein bisschen wie eine Groß-reinemach-Aktion, zu der sich durchge-rungen wird, wenn Wochenendbesuch ansteht: Da wird in alle Ecken geschaut, geputzt, wo vorher lange kein Lappen hin-kam. „Wir nehmen das geplante Gesetz zum Anlass, tief einzusteigen – das müs-sen aber andere Häuser noch längst nicht so machen“, sagt Katt. Deshalb glaubt der IT-Leiter auch nicht, dass das Gesetz und der damit verbundene Aufwand Kranken-häuser an ihre Grenzen bringt. „Im Zweifel wird vermutlich einfach das dünnste Brett gebohrt.“ Hier biete das Gesetz nämlich weiterhin Spielräume. Das Krankenhaus könne auch einfach nur alle Systeme auf-führen, so Katt, deren Funktionen für den Behandlungsprozess und die Zugriffe be-schreiben und ein Ausfallkonzept vorstellen – und sei dann genauso gegen den Vorwurf des vorsätzlichen Organisationsverschul-dens geschützt.

Vielleicht ist es dieser Pragmatismus, den die Krankenhäuser im Umgang mit dem neuen Gesetz brauchen. Doch den legen noch längst nicht alle IT-Leiter an den Tag. „Tatsächlich wissen wir noch gar nicht, ob es lediglich darum geht, eine Art Notfallbe-trieb aufrechterhalten zu müssen – oder aber das reguläre Tagesgeschäft“, sagt ein Kli-nikinformatiker, der nicht genannt werden möchte. Laut einem internen Papier aus dem Umfeld des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sieht das Amt eine Eingrenzung auf den Not- beziehungsweise Krisenfall „als nicht zielführend“ an. Zwar könnten nicht notwendige oder verschiebbare Dienstleistungen wie etwa „Schönheits-OPs“ oder die „Feststellung der Sehschärfe“ aus-

geklammert werden, aber, so das BSI, im Grunde gehe es um die „Aufrechterhaltung des regulären Geschäftsbetriebs“. Wenn das so eintrete, interpretiert der Informa-tiker, „bedeutet das, dass wir im Extremfall dafür haftbar gemacht werden können, wenn unsere Kli-maanlage ausfällt.“

Auch Jochen Kaiser hält die De-finition für zu ungenau: „Wenn wir nicht nur für den Krisenfall, sondern die Sicherstellung des Normalbetriebs geradestehen müssen, müssten wir die gesamte Krankenhaus-IT um ein Level höher heben. Ein Vorhaben, das Millionen kosten würde.“ Zu den er-wartbaren Kosten äußert sich das Bun-desinnenministerium im Gesetzentwurf denn auch reichlich lakonisch: Das Min-destniveau an IT-Sicherheit einzuhalten werde dort zu Mehrkosten führen, wo bislang „kein hinreichendes IT-Sicher-heitsniveau vorhanden ist.“ „Das ist ja fast schon zynisch“, sagt Kaiser.

Ungeklärt sei auch die Frage nach der Medizintechnik: „Wir müssen vermei-den, dass durch das Gesetz eine Unklar-heit entsteht, was die Haftung bei Medi-zinprodukten betrifft“, so Kaiser. Wenn das Gesetz Krankenhäuser für unsichere Medizin produkte verantwortlich mache, etwa, wenn diese noch auf nicht mehr ge-warteten Betriebssystemen laufen, „dann hilft das keinem.“

Felix Katt ist in dem Punkt eher nach-sichtig: „Klar, die MT-Hersteller halten sich da gerne raus“, sagt der Berliner IT-Leiter. „Aber am Ende muss doch auch ich als An-wender Geld und Mut aufbringen, Systeme und Produkte zu aktualisieren.“ Und wenn das nicht möglich sei, sei es immer noch eine Frage des richtigen Schutzes: Auch Geräte, die unter Windows XP laufen, dem System also, das keine Sicherheitsupdates mehr erhält, könne man abschotten. „Da müssen Sie eben Inseln mit genau definierten Grenzübergängen bauen.“ Also wieder ein Aufwand, wieder der Einsatz eines Mitarbeiters, der Geld kostet. Ist das neue Gesetz nun ein Segen oder ein Fluch? Katt: „Es ist ein Segen, den man manches Mal verfluchen möchte.“ ¬

DER ENTWURF IM ÜBERBLICK

Das Bundesinnenministerium will per Gesetz Betreiber von kritischen Infrastrukturen dazu verpflichten, ein Mindestniveau an IT­Sicherheit zu gewähr­leisten. Es argumentiert, diese Betreiber hätten eine „beson­dere Verantwortung für das Gemeinwohl“, und der Ausfall oder die Beeinträchtigung ihrer Infrastrukturen würden erheb­liche Versorgungsengpässe nach sich ziehen. Die Sicher­heitsstandards können die Betreiber selbst vorschlagen – das BSI prüft die Vorschläge.

Neben der Einhaltung der Standards müssen die Betreiber: . Sicherheitsaudits durch­

führen (lassen) . erhebliche IT­Sicherheits­

vorfälle an das BSI melden – und Verfahren für diese Meldungen einrichten und aufrecht erhalten. Das BMI schätzt, dass von jedem Betreiber im Schnitt pro Jahr maximal sieben Meldungen ausgehen werden.

. eine Kontaktstelle betreiben, über die das BSI die Einrich­tung jederzeit erreichen kann.

Die Betreiber haben nach In­krafttreten zwei Jahre Zeit, die Vorkehrungen zu treffen; sechs Monate, um die Kontaktstelle einzurichten.

Alle zwei Jahre müssen sie mit einer Aufstellung an Audits, Prüfungen oder Zertifizierun­gen nachweisen, ob sie die Anforderungen erfüllen – einschließlich der dabei fest­gestellten Sicherheitsmängel.

Wie gefährdet sind Patienten eines Kranken-hauses, wenn in der Aufbereitungsabteilung ein Sterilisator ausfällt? Wenn der Strom ein-

mal kurz ausbleibt, oder – ja, der Kleiderausgabeauto-mat streikt? Und inwiefern ist die hauseigene IT dafür haftbar? Es sind Fragen wie diese, kleinteilig, vielleicht sogar abstrus, die Krankenhaus-IT-Leiter dieser Tage umtreiben. Zumindest jene, die bereits von dem Gesetz-entwurf gehört haben, der derzeit die Instanzen durch-läuft: Das Bundesinnenministerium will die IT-Infra-struktur in Deutschland laut eigener Aussage „zu der sichersten weltweit“ machen und legte dazu einen Entwurf vor, der bestimmte Anforderungen an die IT-Sicherheit von Organisationen und Unternehmen stellt. Besonders im Fokus: sogenannte „kritische In-frastrukturen“ (KRITIS), Einrichtun-gen also, die von zentraler Bedeutung für das Gemeinwesen sind. Zu diesen zählt neben Energieversorgern und Verkehrsunternehmen, so heißt es im Entwurf, auch die medizinische Ver-sorgung.

So wirklich sei das mögliche Aus-maß dieses Gesetzes noch gar nicht bei den Krankenhäusern angekom-men, beobachtet Thorsten Schütz, IT-Leiter am Klinikum Itzehoe und Mitglied des Bundesverbands der Krankenhaus-IT-Leiter (KH-IT). Der Verband hat vergangenes Jahr auf-grund des Vorstoßes einen Arbeits-kreis gegründet (siehe auch Interview Seite 22), der, so Schütz, sensibilisie-ren und aufklären will. Und: soweit es noch geht, auf die Details einwirken. Die seien nämlich noch weitgehend ungeklärt, wie Jochen Kaiser, Mitglied

der IT-Leitung am Klinikum Stuttgart, warnt: „Das Ansinnen eines solchen Gesetzes ist ja eigentlich vernünftig. Aber in der vorliegenden Form ist der Entwurf zu weich gezeichnet.“ Was fehle, sei eine konkrete Information darüber, welche Anwendungen in einem Krankenhaus überhaupt kritisch seien. Kaiser: „Die Ungenauigkeit macht mich nervös: Spre-chen wir von der kompletten IT? Oder nur von einzelnen Anwendungen? Ich wünsche mir eine Methodik, mit der jedes Krankenhaus die eigenen kritischen Applikationen ermitteln kann.“

Aus eigener Kraft kaum zu stemmenDoch eine solche Richtschnur steht

noch aus. Dennoch beginnen einige Krankenhäuser bereits, nach bestem Wissen und Gewissen und mittels einer Risikoanalyse ihre IT zu durchleuch-ten. Wenn auch zähneknirschend: „Auf uns kommt eine Menge Arbeit zu“, sagt Felix Katt, IT- und Medizin-technik-Leiter am Unfallkrankenhaus Berlin (ukb). „Wir müssen uns jedes unserer 140 IT-Verfahren anschau-en, den dahinterliegenden Prozess beleuchten, schließlich analysieren, wie die IT an diesem Punkt in die Behandlung oder die Diagnostik eingreift. Erst dann können wir einschätzen, was passiert, wenn das System ausfällt.“ Anfangs hatte das ukb versucht, die Ana-lyse selbstständig und mit vor-handener Manpower zu starten. „Etwas naiv“, wie Katt rückbli-ckend einräumt. Ab April setzt das Haus nun einen externen Berater auf diese Aufgabe an. Mit Vor- und Nacharbeitung kalkuliert Katt etwa 150 bis 200

Das deutsche Bundesinnenministerium will per Gesetz Betreiber von kritischen Infrastrukturen dazu verpflichten, ein Mindestniveau an IT-Sicherheit zu gewährleisten. Das stellt Krankenhäuser vor kostenintensive Herausforderungen.

Von Romy König

Ohne Richtschnur

ERSTHILFE

Krankenhäuser, die bereits jetzt eine Risikoanalyse durch­führen wollen, können sich an einem Leitfaden orientieren, den das BSI gemeinsam mit dem Bundesamt für Bevöl­kerungsschutz und Katast­rophenhilfe, der Senatsver­waltung für Gesundheit und Soziales des Landes Berlin und dem Unfallkrankenhauses Ber­lin erarbeitet hat. Er beschreibt eine Methode, mit der kritische IT­Abhängigkeiten in Kranken­häusern und daraus erwach­sende Risiken für die Patien­tenversorgung identifiziert und bewertet werden sollen.

Der Leitfaden steht zum Download bereit: www.kritis.bund.de

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— ÜBERBLICK —

HIMSS Europe hat im Auftrag von Nuance Healthcare in den vergangenen Monaten Ärzte und Pflegende zu ihrem Dokumentationsverhalten befragt. Ziel war es herauszufinden, wie weit Wahrnehmung und Realität über den Aufwand auseinander liegen und in welchem Umfang bewährte Hilfsmittel zur Dokumentation genutzt werden. Die Ergebnisse stimmen nachdenklich.

Warum dokumentieren Ärzte 4, Pflegende durchschnittlich 3 Stunden pro Tag? Und finden am Ende doch nicht die notwendige Information?

Jetzt lesen: dokumentationsfalle.eu

Nuance Stand A-106, Halle 2.2 @conhIT 2015

nuance.de/healthcare Intelligente Systeme schaffenneue Möglichkeiten

Viel dokumentiert hilft viel?

Interview mit Thorsten Schütz, IT-Leiter des Klinikums Itzehoe und Vorstandsmitglied im Bundesverband der Krankenhaus-IT-Leiter

Herr Schütz, Ihr Verband nahm das geplante IT-Sicherheitsgesetz zum Anlass, gemeinsam mit dem BSI den Arbeitskreis „KRITIS“ zu gründen, der sich seither regelmäßig trifft. Wie arg wird hier über das geplante Gesetz geschimpft?

Überraschend wenig. Das Thema Sicher-heit genießt in Krankenhäusern einen hohen Stellenwert. Außerdem sind die Häuser daran gewöhnt, gegenüber diversen Prüfinstanzen Rechnung ablegen zu müssen: Denken Sie an den Datenschutz, die Wirtschaftsprüfer, Qualitätsmanagement-Audits. Das Gesetz bietet zudem einen großen Vorteil: Größere IT-Sicherheitsvorfälle müssen an das BSI ge-meldet werden; die dort zusammenlaufenden Informationen werden ausgewertet und – sofern sinnvoll – den Betreibern zur Verfügung gestellt. Das heißt: Entsteht im Krankenhaus ein paar Kilometer weiter ein ernster Sicherheitsvorfall, der auch mich betreffen könnte, erfahre ich das künftig schneller.

Gar keine Klagen also? Natürlich befürchten diejenigen, die sich bereits mit dem

Entwurf beschäftigen – das sind beileibe noch nicht alle –, einiges an Dokumentationsaufwand ...

Wie viel Mehraufwand erwarten Sie etwa an Ihrem Klinikum in Itzehoe?

Das ist genau das Problem: Das lässt sich aktuell noch überhaupt nicht abschätzen. Vielleicht ist die Analyse des bestehenden Sicherheitsniveaus mit anderen Funktionen kombinierbar, kann also etwa von einem Risikomanager oder Sicherheitsbeauftragten abgearbeitet werden; im schlimmsten Fall muss eine neue Kraft eingestellt werden. Aber genau das können wir nicht planen, weil der Entwurf noch reichlich Un-klarheiten beinhaltet.

Welche genau? Der Entwurf fordert, dass kritische Branchen ein Mindest-

sicherheitsniveau einhalten müssen. Die Kriterien dafür gilt es aber erst noch festzulegen. Hier fragen wir uns: Welche IT, welches System ist eigentlich „kritisch“? Die IT in ihrer Gesamt-heit? Oder nur einzelne Anwendungen?

Die IT durchdringt mittlerweile fast jede Ecke eines Krankenhauses, steckt in der Gebäu-desicherung ebenso wie in der Klimaanlage ...

Genau! Doch welche Anwendungen und Systeme sind für den Betrieb ausfallkritisch? Vieles erschließt sich erst durch die Betrach-tung der Prozesse. Das muss sorgsam erarbei-tet werden – der Arbeitskreis will IT-Verant-wortliche hier bei unterstützen.

Wo würden Sie denn persönlich die Grenze ziehen, etwa in Ihrem Klinikum?

Ich nehme als Beispiel unsere Software für die Zentralsterilisation: Wenn die ausfällt, können die Instrumente nicht mehr sterilisiert werden, die Chirurgen müssten schlimmsten-falls den OP-Betrieb einschränken. Hier fängt es nach unserer Betrachtung an, kritisch zu werden. Aus der Intention des Gesetzgebers heraus liegt die Grenze für Kritikalität aber vielleicht viel höher. Auch ist der Terminus

„kritische Branchen“ noch nicht abschließend geklärt: Im Entwurf steht nur etwas vom „Sektor Gesundheit“ mit dem Unterpunkt „medizinische Versorgung“...

Wollen Sie damit sagen, Krankenhäuser könnten am Ende gar nicht von dem Gesetz betroffen sein?

Zumindest vielleicht nicht alle. Auf den ersten Blick sind große Häuser als eher ausfallkritisch zu sehen als kleinere. Aber ein kleines Haus mit einer Spezialausrichtung kann auch zu den kritischen Infrastrukturen zählen – genauso wie ein größeres Haus aus dieser Betrachtung herausfallen könnte, wenn in der näheren Umgebung drei oder vier weitere Krankenhäuser ansässig sind. Hier müssen noch Schwellenwerte erarbeitet werden. Ein weiteres Indiz dafür, dass vielleicht nicht alle Krankenhäuser betroffen sein werden, ist auch die laut Entwurf zu erwartende Anzahl der insgesamt betroffenen Betreiber: rund 2.000 nämlich. Da wäre ja rein rechnerisch neben den Krankenhäusern kein Platz mehr für andere kritische Branchen ...

Was schätzen Sie: Wird das Gesetz am Ende durchgehen? Davon gehe ich aus. Aber es könnten sich noch Ände-

rungen ergeben, etwa was den Umfang und die Aufbewah-rungsfristen der Daten betrifft, die bei Vorfällen an das BSI übermittelt werden müssen. Aber auch wenn es noch Klä-rungsbedarf gibt: An der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit zweifelt keiner. ¬

„Wir können nicht planen“von Romy König

„Der Gesetzentwurf

ist noch sehr ungenau.“Thorsten Schütz

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— ÜBERBLICK —— ÜBERBLICK —

Die Zahl mobiler Gesund-heits-Apps boomt. Markt-forscher der Firma resear-

ch2guidance schätzen, dass „die Anzahl der mHealth Apps, die auf den beiden führenden Platt-formen iOS und Android veröf-fentlicht sind, sich allein in den letzten zweieinhalb Jahren mehr als verdoppelt hat und sich nun auf mehr als 100.000 Apps beläuft (Q1 2014)“. Mit der wachsenden Verfügbarkeit von Apps hat gleich-zeitig auch deren Beliebtheit unter Patienten zugenommen. Laut Da-vid Sainati, CEO der in Paris beheimateten Medappcare, „wür-den 90 Prozent der Patienten es akzeptieren, wenn ihnen ihr Arzt eine App als Medikament verschreibt und 89 Prozent der Ärzte in den USA würden ihren Patienten Apps empfehlen“.

Medizinische Apps im VormarschWelcher Beliebtheit sich medizinische Apps mittlerweile

erfreuen, zeigt sich auch daran, dass eine wachsende An-zahl an Krankenversicherungen und Gesundheitssystemen inzwischen gesundheitsbezogene Apps umsonst auf ihren Webseiten anbieten. Zum Beispiel bietet die größte gesetzli-che Krankenkasse Deutschlands, Techniker Krankenkasse, Apps an, die ihren Mitgliedern helfen, einen geeigneten Arzt ausfindig zu machen oder das nächstliegende Versicherungs-büro zu lokalisieren.

In Anbetracht der Größe des US-Marktes und dessen reife-rer Nutzung von Gesundheits-Apps, verwundert es nicht, dass App-Entwickler in Europa natürlich daran interessiert sind he-rauszufinden, wie man am besten den amerikanischen Markt

erschließen kann. Die amerikani-sche Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelzulassungsbe-hörde, die sogenannte „Food and Drug Administration“ (FDA), be-hauptet von sich, dass sie, wenn es um Regulierung geht, eine „maßgeschneiderte, risikoba-sierte Haltung“ einnimmt, um so gleichermaßen die Sicherheit der Nutzer als auch das Vorankommen von Innovationen zu gewährleis-ten. Die FDA zieht eine Grenze zwi-schen dem, was Regulatoren als eine bloße Lebensstil-App − ohne

Risiko für den Nutzer und ohne Notwendigkeit zur Kontrolle − und eine medizinische App, die einer Regulierung bedarf, bezeichnen. Obgleich auf beiden Seiten des Atlantiks die zu-grunde liegenden Überlegungen bezüglich der Regulierung ähnlich sind, unterscheiden sie sich doch hinsichtlich der re-gulatorischen Auflagen und der Qualitätsanforderungen. Um die europäischen Entwickler zu unterstützen, haben hochran-gige Diskutanten auf dem App-Entwickler-Workshop anlässlich des letzten europäischen eHealth Gipfels die jüngsten Vorgaben der FDA erläutert und wertvolle, praktische Empfehlungen zur Entwicklung vermarktbarer Apps gegeben.

Unterliegt meine App der Regulierung?Im September 2013 hat die FDA eine abschließende Orien-

tierungshilfe bezüglich mobiler medizinischer Apps heraus-gegeben, welche einen vorherigen Gesetzesentwurf auf den aktuellsten Stand brachte. Auf dem Workshop erklärte Bradley Thompson von der US-amerikanischen Anwaltskanzlei Epstein Becker Green: „Die FDA hat mit dieser Vorgabe bezweckt, die

Die Entwicklung medizinischer Apps wird ein ebenso globales

Geschäft wie andere Bereiche der Medizintechnologie. Dies erfordert

jedoch erhebliche Investitionen in Zeit und Geld. Was müssen

europäische App-Entwickler über das Genehmigungsverfahren der FDA

wissen? Ein Symposium auf dem mHealth Gipfel in Berlin lieferte dazu

einige Antworten.

Von Cornelia Wels­Maug

Entwicklung medizinischer Apps

– Was Sie wissen müssen!

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— ÜBERBLICK —Shield_White_2013

Version 1.1 – 25 October 2013

Weil Gesundheit das Wichtigste bleiben mussWie können wir Ärzten helfen, Patienten zu heilen, und gleichzeitig dafür sorgen, Medizin bezahlbar zu halten? Diese Frage stellen wir uns jeden Tag aufs Neue. Dafür forschen wir und entwickeln Medizintechnik, die innovative Diagnose- und Therapieverfahren möglich macht und darüber hinaus hilft, die Kosten im Gesundheitswesen zu minimieren. So verkürzen wir Unter-suchungszeiten, vereinfachen Diagnosen und entlasten medizinisches Personal, damit mehr Zeit für das Wesentliche bleibt: den Patienten.

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Grenze zwischen dem Bereich, der reguliert und dem, der nicht regu-liert wird, zu ziehen. Sie legt den Schwerpunkt ausdrücklich auf Soft-ware. Wenn Sie herausfinden wol-len, ob Ihre Software der Regulie-rung unterliegt, müssen Sie auf der FDA-Webseite unter einem Begriff, der die übergreifende Funktionali-tät Ihrer App mit einem Stichpunkt beschreibt, nachschlagen. Schau-en Sie nicht nach der Technologie! Falls eine App die gleiche Funktion wie ein von der FDA reguliertes Ob-jekt ausübt, unterliegt auch sie der Regulierung. Wir müssen aber die Fälle herausknobeln, in denen das Smartpho-ne etwas macht, das so noch nirgends von je-mandem gemacht wurde.“

Worauf sollten Sie sonst noch achten?Nachfolgend ein paar Tipps für App-Entwick-ler vom Workshop:• Stolpern Sie nicht zufällig in den Gesund-

heitsbereich, da er eine Menge persönlichen Einsatz, Anstrengungen und Dokumentati-on über Entwicklung, Validierung und Ver-marktung der App abverlangt. Halten Sie die regulatorischen mit Ihren geschäftlichen Anforderungen im Gleichgewicht. Legen Sie klar den Anfangs- und Endpunkt Ihres Strategieplans zur App-Entwicklung fest und überlegen Sie sich gut Ihr Qualitätssi-cherungssystem, verschiedene Betriebssys-teme sowie benötigte Kapazitäten in mobilen Netzen. Fangen Sie klein mit etwas an, das Sie wirklich verstehen. Überdenken Sie sehr genau die beabsichtigte Anwendung. Die Wortwahl bestimmt, ob und wie eine App reguliert wird und welche Dokumentation die FDA verlangt.

• Denken Sie über den Lebenszyklus Ihrer App nach. Schon während Sie die anfängli-che Softwarearchitektur entwerfen, sollten Sie die späteren Versionen miteinbeziehen. Dies betrifft auch das Hosting der App im Hinblick auf Datensicherheit und Schutz der Privatsphäre. Zudem ist ein Entwick-ler auch dafür verantwortlich zu eruieren, wie ein neues Betriebssystem die Software beeinflusst, und muss möglicherweise eine Runde Überprüfungen und Validierungen durchführen.

Die Einführung einer App in einem App Store bedeutet, dass man eine strikte Kontrolle über die App auf-gibt. Im Falle einer mit einem hohen Risiko behafteten App empfiehlt es sich, diese nicht in einem App Sto-re, sondern auf einem separaten Vertriebsweg, den Sie selber ma-nagen können, zu vermarkten. Des Weiteren sollten Sie klarstellen, dass eine App nur in genau festge-legten Ländern genutzt oder nur in bestimmten Sprachen eingeführt wird. Je nach Funktion der App kann es sich empfehlen, sie zuerst den Regulierungen der EU statt

der FDA in den USA, und umgekehrt, zu unterziehen.

• Stellen Sie sicher, dass Ihre App auch wirk-lich das macht, was sie vorgibt zu tun − neh-men Sie das Beispiel eines Dosierungsrech-ners, der die Medikamentenmenge falsch berechnet –, da es viel teurer ist, eine App vom Markt zu nehmen, als sie auf den Markt zu bringen. Stellen Sie sicher, dass medizini-sche Daten hinreichend geschützt und abge-sichert sind. Es ist empfehlenswerter, wenn Experten mit medizinischem Hintergrund etwas über Apps lernen als umgekehrt.

• In der Regel unterscheiden sich große Fir-men hinsichtlich der App-Entwicklung von Neugründungen nur dadurch, dass sie über ein Qualitätsmanagementsystem verfügen.

AusblickWie verbreitet ist es, dass europäische

App-Entwickler sich um FDA-Zulassung be-werben? Erik Vollebregt von der niederländi-schen Kanzlei Axon Lawyers erläutert: „Dies passiert in zunehmendem Maße in meiner Praxis, obwohl die meisten der international erfolgreichen App-Entwickler in den USA be-heimatet sind und die Ersteinführung der App in Europa lancieren, weil wir hier in Europa ei-nen viel freundlicheren Marktzugangsmecha-nismus für Software, die ein Medizinprodukt ist, haben.“ Nach Aussagen von Dr. Antony Rix, Senior Consultant bei TTP, gibt es einen Hoffnungsschimmer für die Harmonisierung: „Es sind Vorstöße im Gange, Regulierungen unter der Schirmherrschaft des „International Medical Device Regulators Forum“ zu harmo-nisieren,“ aber das dürfte noch dauern. ¬

Mit der wachsenden Verfügbarkeit von Gesundheits-Apps

hat gleichzeitig auch deren weltweite

Beliebtheit unter Patienten zugenommen.

APPS SIND BELIEBT!

Quelle: David Sainati, CEO von Medappcare

der Ärzte in den USA würden ihren Patienten Apps empfehlen

der Patienten würden es akzeptieren, wenn ihnen ihr Arzt eine App anstelle eines Medikaments verschreibt

90%

89%

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— ÜBERBLICK —

BUSINESS INTELLIGENCE

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AMTS: Im Sinne der Patienten 28Unbefriedigender Nutzungsgrad: Black Box IT 32

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Ich muss schon wieder damit nerven: Die Selbstverwaltung des deutschen Gesund-heitswesens wurde ja vor einiger Zeit ge-

setzlich verpflichtet, eine Abrechnungsziffer für Telemedizin zu schaffen, und hat dabei ziemlich versagt. Um den Schein zu wahren, wollte man sich zumindest auf eine Ausdeh-nung der Abrechenbarkeit von Fernabfragen kardialer Implantate verständigen. Einmal im Quartal geht‘s jetzt, die KBV wollte dreimal im Quartal erreichen – häufig genug, um nicht nur Funktionsabfragen, sondern auch ein bisschen Disease-Monitoring machen zu können. Im Bewertungsausschuss ist selbst diese Schmalspurziffer für eine „Telemedizin light“ Anfang des Jahres (erneut) durchgefal-len. Auch wenn man die deutsche Selbstver-waltung für erhaltenswert erachtet, können ei-nem angesichts solcher Kleingeistigkeit schon die Haare zu Berge stehen. In den Niederlanden wurde in den letzten Jahren die psychiatrische Versorgung um-gekrempelt. Das ist auch in Deutschland ein Riesenthema: Es gibt zu viele Patienten, die zu lange auf Psychotherapie warten müssen. Es gibt zu wenig Stratifizierung nach Schwe-regrad und zu viel Willkür. Die Niederlande haben auf diese Situation mit einem Mixed-Ca-re-Ansatz geantwortet, der den Hausärzten

eine größere Verantwortung gibt. Gleichzeitig wird die Online-Therapie massiv ausgebaut. Psychiater und Psychotherapeuten kümmern sich vor allem um schwerkranke Patienten. Ein Ergebnis dieses Umbaus ist, dass teleme-dizinische „E-Mental-Health-Services“ in un-serem Nachbarland abgehen wie eine Rakete. Davon profitieren alle: Die Patienten kriegen schneller eine Behandlung. Wer schwer krank ist, fällt nicht unter den Tisch, sondern landet beim Experten. Und dank Mixed-Care-Ansatz ist das Ganze eingebettet in eine kontinuierli-che Betreuung, die wiederum für die Kosten-träger kalkulierbarer ist.Wie genau haben die Niederländer das ge-schafft? Sie haben 30 Prozent des ambulanten Geldtopfs für die Versorgung von psychiatri-schen Patienten hin zu den Hausärzten sowie in Richtung E-Mental-Services verschoben. Kann sich das in Deutschland irgendjemand vorstellen? Auch in Holland geschah das nicht von heute auf morgen, sondern schrittweise, mit viel Kommunikation. Change Management eben. Und genau das wäre vielleicht auch was für die Selbstverwaltung: Gesundheitspo-litisches Change Management in Gruppen-therapie. Könnte man auch online machen. Und abrechnen! Gibt es dafür eigentlich eine EBM-Ziffer? ¬

Gesucht: Change Manager für die Gesundheitspolitik

Von Philipp Grätzel von Grätz

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— BUSINESS INTELLIGENCE —— BUSINESS INTELLIGENCE —

FRIEDRICH-EBERT- KRANKENHAUS GMBH

Standort: Neumünster, Schleswig­Holstein

Gesellschafter: Stadt NeumünsterKrankenhaus der Schwerpunktversorgung / Akademisches Lehrkranken­haus für die medizinischen Fakultäten der Universitäten Kiel und Hamburg.

Kapazität: 645 Betten/ Jährlich 25.000 Patienten voll­ und teilstationär sowie 53.000 ambulante Patienten.

Mitarbeiterzahl: ca. 1.800

Innerbetriebliche Fortbildung. Er leitet das Projekt zur Umsetzung der elektronischen Patientenakte. Das FEK hielt deshalb Ausschau nach einer neuen Medikationssoftware, die in der Lage war, die Medikation auch in der elek-tronischen Fieberkurve des neuen KIS darzu-stellen. „Die Wahl war nicht schwer, es gibt tatsächlich nur sehr wenige Systeme, die das konnten“, erklärt Thielecke.

„Parallel dazu kam in der Krankenhausapo-theke der Wunsch auf“, erinnert sich IT-Leiter Jürgen Spanier, „den Arzt bei der Verordnung mit Warnhinweisen zu unterstützen, bei-spielsweise bei Arzneimittelinteraktionen“. Auch deshalb entschied sich das FEK für die AMTS-Lösung. Allerdings gab es auch hier ei-nen Wermutstropfen: Der Software-Hersteller hatte bis zu diesem Zeitpunkt kein Disposi-tionsmodul zur Anbindung an das Unit-Do-se-System. Das Dispositionsmodul stellt das IT-Bindeglied zwischen der elektronischen Verordnung und der Verpackung dar. Was nun folgte, war ein Entwicklungsvertrag für das Di-spositionsmodul zwischen dem FEK und dem Hersteller aus Berlin. „Wir liefern den Input für die Programmierung und erhalten im Gegen-zug das Dispositionsmodul zu Sonderkonditi-onen“, erklärt Spanier den Deal.

AMTS eingebettet in den WorkflowFast parallel zur Einführung am FEK er-

folgte am Universitätsklinikum Hamburg-Ep-pendorf (UKE) die Anbindung des AMTS-Sys-tems an das dort verwendete KIS (siehe 42, N°2/2014, Seite 20). Aufbauend auf dem Dis-positionsmodul für das FEK entstand nach-folgend ein pharmazeutisches Validierungs-modul, das über die reine Logistik hinausgeht und eine patientenbezogene Medikationsprü-fung beinhaltet, was das Interesse auch der Schwerpunktversorger weckt, die sich das teure Unit-Dose-System nicht leisten können oder wollen. Die Vorteile einer digitalen Medi-kamentengabe haben mittlerweile immer mehr Häuser auf dem Schirm.

Am UKE beschränkt sich die Lösung nicht nur auf die Verordnungsunterstützung und den Arzneimittelcheck innerhalb des KIS. Dort werden auch die Daten aus dem Subsystem aufgerufen und ausgewertet. Der bevorzugte Ansatz sei aber, dass das KIS die Fieberkurve und den Ablauf für das Pflegepersonalma-nagement abbildet. Der Zulieferer stellt den

Arzneimittelkatalog bereit, organisiert den Ab-lauf in der Apotheke und stellt die Verbrauchs-dateien, die sich aus den Abpackprozessen ergeben, für die Buchungen der Materialwirt-schaft zur Verfügung.

Bis ins kleinste DetailBis alles so weit war und reibungslos lief,

mussten die am AMTS-Projekt beteiligten Mit-arbeiter viele Überstunden leisten. Die Apo-theker zum Beispiel mussten alle Produkte, die sie vorhalten – immerhin zirka 1.400 – in das IT-System übertragen. Dabei wurden nicht nur die Handelsnamen, sondern auch zusätzli-che Angaben wie Darreichungsform, korrekte Dosierung oder Informationen für die Materi-alwirtschaft erfasst. „Das war technisch an-spruchsvoll“, erinnert sich der Krankenhaus apotheker Malte Dobin. Die vielen Überstun-den waren aber auch ein Ergebnis der anfäng-lichen Schwierigkeiten des AMTS-Systems in den ersten Wochen nach der Installation. Das neu programmierte Dispositionsmodul steck-te noch in den Kinderschuhen und zwang den Server in die Knie, wenn in der Krankenhaus apotheke Daten erfasst wurden. Dann ging auf der Pilotstation – der Geriatrie – nichts mehr. Umgekehrt konnten die Apotheker nicht mehr arbeiten, wenn auf der Station zu viele Daten erfasst wurden. Die Wende brachte ein späte-res großes Update, das zu einer erheblichen Beschleunigung des AMTS-Systems führte. „Andernfalls hätten wir noch am selben Tag das Projekt auf Eis gelegt, weil es nicht mehr handhabbar war“, erzählt Dobin. Als eine wei-tere Gegenmaßnahme gegen Performance-Pro-bleme setzt das FEK künftig auf ein ebenfalls neu entwickeltes Cluster-System: Ein Server übernimmt die Anfragen aus der Apotheke, ein zweiter die Erfassung auf Station. Bei ei-nem Ausfall steht somit immer noch ein Server zur Verfügung, um die Aufgaben des anderen zu übernehmen.

Bei der Einführung machten die Kranken-hausapotheker dieselbe Erfahrungen wie ihre Kollegen in anderen Häusern: Durch die vielen Meldungen, die der Arzneimittelcheck gene-rierte, erhielten sie erstmals einen Überblick darüber, welche Interaktionen und Kontrain-dikationen im FEK auftreten können und wie häufig diese vorkommen. „Das System liefert uns Informationen, die uns so gebündelt in dieser Form bislang nicht zur Verfügung

Klara Fall

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Es liegt ein langer, steiniger, mitunter frustrierender, letzt-endlich aber erfolgreicher Weg

hinter den Beteiligten, mit dem Ziel, die Patientensicherheit durch die Di-gitalisierung des Medikationsprozes-ses zu erhöhen. Das 645-Betten-Haus verfügt schon seit 1996 über ein so-genanntes Unit-Dose-System, das die Tabletten für jeden Patienten automa-tisch richtet und in Tüten verpackt. Seit dem vergangenen Jahr hat das Krankenhaus zusätzlich noch ein Sys-tem zur Arzneimitteltherapiesicher-heit (AMTS) nahezu flächendeckend im Einsatz.

„Wir bekommen in einem immer stärkeren Ausmaß Patienten, vor-nehmlich ältere, die viele Arzneien einneh-men. Von unseren Ärzten erhalten sie weitere Medikamente, sodass sich das Risiko von Arz-neimittelwechselwirkungen erhöht“, erklärt der Geschäftsführer Alfred von Dollen. „Mit dem neuen AMTS-System können wir dieses Risiko minimieren. Das war meine Hauptmo-tivation, um diese Investition zu genehmi-gen.“ Rund 60.000 Euro hat das Projekt zur Einführung des AMTS-Systems gekostet – eine Summe, die auch das FEK nicht aus der Portokasse bezahlen kann. Dabei kommen auf das Krankenhaus derzeit Kosten in einer ganz anderen Größenordnung zu. Das gesam-te Hauptgebäude wird bis 2020 in mehreren Bauabschnitten abgerissen und auf demselben

Gelände schrittweise neu errichtet. Die Neubauten werden, wie heute üblich, mit WLAN ausgestattet. Dies ermög-licht langfristig die „mobile Pflege“, bei der die Dokumentation der Pfle-geprozesse nicht mehr auf Papier, sondern direkt am Krankenbett in die elektronische Patientenakte erfolgt. Das FEK hat dazu auch Visitenwagen mit Computern angeschafft.

Schritt für Schritt für SchrittDie Einführung des AMTS-Systems

hat eine Vorgeschichte: 2010 rollte das FEK sein neues Krankenhausinfor-mationssystem (KIS) aus und kaufte eine Medikationssoftware, die eine Schnittstelle zum Unit-Dose-System

hatte. Dadurch konnte der Arzt die elektro-nische Verordnung direkt an den Unit-Do-se-Automaten schicken. Allerdings war das KIS trotz der internen Weiterentwicklung der Medikationssoftware nicht in der Lage, die Medikation in der elektronischen „Fie-berkurve“ abzubilden. Die Konsequenz: Der Arzt musste zusätzlich zur elektronischen Verordnung die Medikation auch auf der pa-pierbasierten Fieberkurve vermerken. „Dies stand unserem Ziel entgegen, die papierlose Dokumentation für den Patienten einzufüh-ren und damit allen am Behandlungsprozess Beteiligten alle Informationen zukommen zu lassen, die sie benötigen“, sagt Christof Thie-lecke, Stabsstelle der Pflegedienstleitung für

Im Sinne der PatientenWer glaubt, dass nur die

Maximalversorger unter den deutschen Krankenhäusern

ihren Patienten das größtmögliche Maß an

Arzneimittelsicherheit bieten können, wird vom Friedrich-

Ebert-Krankenhaus (FEK) in Neumünster eines

Besseren belehrt.

Von Michael Lang

Dr. Louise Kurz

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standen“, stellt Christoph Winkeler, Leiter der Krankenhau-sapotheke, fest. „Endlich wissen wir, welche Interaktionen und Kontraindikationen im Haus relevant sind.“ Um nicht mit Warn-hinweisen des AMTS-Systems überflutet zu werden, müssen die Apotheker die relevanten von den unwichtigen Meldungen trennen. Bei diesem Vorhaben werden sie von zwei Pharmako-logen unterstützt, die im Laufe der kommenden zwölf Monate die anonymisierten Daten von mehreren tausend FEK-Patienten epidemiologisch auf Arzneimittelwechselwirkungen und Kon-traindikationen überprüfen. Aus diesen Ergebnissen soll dann abgeleitet werden, welche Meldungen wirklich relevant sind und wie sie in das Programm eingearbeitet werden können, damit sie halb- oder vollautomatisch bei einem Arzneimittelcheck in Aktion treten.

Die Anfangsskepsis der Ärzte konnte zerstreut werdenAber bereits vor diesem Feintuning des AMTS-Systems stellt

Projektleiter Thielecke fest, dass sich die Patientensicherheit am FEK erheblich erhöht hat. „Früher kam es immer wieder zu Feh-lern bei der handschriftlichen Übertragung der elektronischen Verordnung auf Papier, weshalb wir die Aufzeichnungen der Nachtwache kontrollieren lassen mussten“, berichtet er. „Das fällt jetzt weg.“ Außerdem erfolgt jetzt am FEK ein doppelter Arzneimittelcheck – vom Arzt bei der Verordnung und vom Apotheker vor der Übergabe an das Unit-Dose-System. Und es werden noch weitere Sicherheitsstufen innerhalb des Workflows diskutiert, denn ein System ist die eine Seite, eine veränderte Organisationsstruktur eine andere: Um eine Verwechslung bei der Medikamentengabe zu verhindern, können Patientenarm-bänder und Arzneimitteltüten mit Strichcodes versehen werden, die dann nur noch verglichen werden müssen. Die Patienten am FEK tragen bereits heute solche Armbänder mit aufgedruckten Strichcodes, über die sie eindeutig identifiziert werden können. „Strichcode-Scanner verwenden wir zurzeit nur im Operations-saal“, erklärt Thielecke. „Wir denken aber natürlich ebenfalls darüber nach, solche Geräte in Zukunft auch für die Visitenwa-gen auf den Stationen anzuschaffen.“

Das AMTS-System ist im Krankenhaus angekommen und wird von den Mitarbeitern angenommen. Wie in anderen Kran-kenhäusern auch, waren anfangs vor allem die Ärzte am FEK skeptisch, nicht zuletzt weil viele von ihnen die neuen Arbeits-abläufe zunächst als Belastung empfanden. Sogar in der Che-farztkonferenz wurde darüber diskutiert. „Unser Chefapotheker hat viel Überzeugungsarbeit leisten müssen“, erinnert sich Ge-schäftsführer von Dollen. Auch gab es Verunsicherung darü-ber, wer bei einer falschen Arzneimitteltherapie haftet. Wird der Arzt in die Pflicht genommen, die Krankenhaus-Unternehmens-führung oder der Hersteller, wenn etwas falsch parametriert wurde? „Die Verantwortung hat immer der Arzt. Er kann das System hinzuziehen, darf sich aber nicht blind darauf verlas-sen“, so von Dollen. „Wir glauben, dass dieses System enorm dazu beiträgt, das Risiko bei einer Verordnung zu minimieren, auch wenn es keine 100-prozentige Sicherheit gibt.“ ¬

Früher kam es immer wieder

zu Fehlern bei der handschriftlichen Übertragung der elektronischen Verordnung auf

Papier, weshalb wir die Aufzeichnungen

der Nachtwache kontrollieren lassen

mussten.Christof Thielecke, Projektleiter FEK

Thilo S. Toll

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AMTS: DER UNBEHANDELTE SKANDAL

eHealth Summit Germany,12. Juni 2015, CityCube Berlin9-10.30 Uhr

Arzneimitteltherapiesicherheit spielt im deutschen Gesund­heitswesen kaum eine Rolle. Dabei sterben hierzulande jährlich circa 40.000 Patienten in Folge vermeidbarer Medi­kationsfehler, rund 15 Prozent aller Krankenhauseinweisun­gen lassen sich allein darauf zurückführen. Es sollte also ein gesellschaftspolitisches und volkswirtschaftliches Interesse an einer Problemlösung geben. Protagonisten, stationär und ambulant, beweisen, dass es Lösungen gibt. Entscheidend ist der Digitalisierungsgrad des Medikationsprozesses.

Moderation: Manfred Criegee-Rieck, Leiter AG Arzneimittelinformations-systeme bei der GMDS, IT-Leiter Bad Kreuznach

AMTS-PROJEKT

Besonderheit:Dispositionsmodul für das Unit­Dose­System musste neu programmiert werden.

Meilensteine:Oktober bis Dezember 2013: Pilotprojekt in der Geriatrie

Januar bis Februar 2014: Klinikweiter Roll­out

Mai 2014: Update behebt Performance­Problem

Dezember 2014: Mobile Pflege mit Unter stützung auf fünf Stationen

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Als die Mitarbeiterin eines gro-ßen KIS-Herstellers eine Freun-din ins Krankenhaus begleitet

und sich ein wenig umhört, staunt sie nicht schlecht: Sie, deren Job es ist, über die Vorzüge ihrer IT-Lösungen aufzuklären, muss erkennen, dass weder Pfleger noch Ärzte alle Mög-lichkeiten ihres IT-Systems kennen, geschweige denn nutzen. Die Module für die Arztbriefe, die ausgeklügelten Terminierungsoptionen, all die klei-nen nützlichen Features – sie schienen keinen zu interessieren.

Die IT – die große Black Box in ei-nem Krankenhaus? Die große Unbe-kannte? Aber natürlich, sagt Micha-el Thoss, IT-Leiter der DRK-Kliniken Berlin: „Ich schätze, dass in vielen Krankenhäusern zwischen 50 und 70 Prozent der möglichen IT-Funktionalitäten brach liegen.“ Und zwar vor allem aus Un-kenntnis der Möglichkeiten: „In der medizinischen Welt, vor allem unter den Ärzten, gibt es eine hohe Fluktuation. Die Mit-arbeiter bleiben gar nicht lange genug im Haus, um die IT-An-wendungen so tief kennenzulernen und auch anwenden zu können“. Allein an den Berliner DRK-Kliniken mit ihren 3.500 Mitarbeitern gibt es einen jährlichen Personalwechsel im „bis zu dreistelligen Bereich“. Und mit jedem einzelnen ausschei-denden Angestellten wandere weiteres IT-Anwenderwissen ab. Der Rest betreibe Informationsübergabe im Stille-Post-Verfah-ren, „das zwangsläufig zu Wissensverlust oder -verfälschung führt. Und wir merken das dann an den zahlreichen Fehlermel-dungen in unserer Service-Infrastruktur“, so Thoss.

Eine Vollzeitkraft nur für SchulungenDie Berliner haben gehandelt: Seit 2008 beschäftigen die

DRK-Kliniken eine Vollzeitkraft, die ausschließlich IT-Schu-lungen und -Coachings für Mitarbeiter abhält. Jeder neue An-gestellte, gleich, ob Arzt, Pflegender oder Verwaltungskraft, hat verschiedene Trainings zu durchlaufen, wird hier fit gemacht für die einzelnen Anwendungen und Tools, die er beherrschen

muss. Das Programm ist an die Personalabteilung ge-koppelt, die mit den Arbeitsverträgen stets auch gleich das Schulungsangebot herausgibt. „Das ermöglicht schon mal ein solides Grundlagenwissen“, so Thoss. Beseitigt aber nicht ein weiteres, grundsätzlicheres Problem: das der konsequenten Verweigerung. Beispiel Terminierungsprogramme, die die meisten KI-Syste-me vorhalten. „Die kommen in der Realität fast nie in ihrer Tiefe zum Einsatz, weil die Ärzte sich nicht die Hoheit über die Terminvergabe nehmen lassen möch-ten“, erklärt Thoss. Was in der Fertigung oder Logistik Alltag sei – dass einzelne Aufträge per EDV disponiert werden –, sei in deutschen Krankenhäusern bislang undenkbar. Ein Eindruck, den auch Britta Böckmann, die an der Fachhochschule Dortmund Medizinische Informatik lehrt und Kliniken in Sachen IT berät, be-stätigt. „Terminierungsprogramme machen nicht nur Abläufe transparent, sie verlangen auch eine gewisse Disziplin und Termintreue. Von Anwendern in Kliniken

ist es oft nicht gewünscht, sich derart standardisierten Pro-zessen zu unterwerfen.“ Also bleiben die teuer eingekauften Features ungenutzt.

Vielleicht ist nicht überall ein solcher Widerwille da – ein großes Desinteresse aber allemal, sagt Michael Thoss. „Arbeits-organisation – und die ist ja die Stärke von Software – ist ein-fach nicht die Domäne von Medizinern und Pflegern.“ Wer die Wahl habe zwischen einer Fortbildung für eine neue IT-Anwen-dung oder für ein neues Ultraschallgerät, entscheide sich stets für Letzteres. „Für ein IT-Seminar gibt’s von der Ärztekammer nun mal keine Fortbildungspunkte.“

Vorgaben schaffen KlarheitFür Britta Böckmann ist die Akzeptanz der IT vor allem ein

Führungsthema. So könnten etwa konkrete, von der Klinik-leitung ausgesprochene Vorgaben helfen. „Schauen Sie in die USA“, sagt die Dortmunder Wissenschaftlerin. „Hier gibt es die Philosophie des ‚meaningful use': Im Rahmen eines Inves-titionsprogramms ist den Kliniken dort konkret vorgeschrie-ben, welche Daten sie für welches Level digital erfassen und kommunizieren müssen – erst dann erhalten sie eine Zertifizie-rung.“ Diese Praxis, also verbindliche und messbare Kriterien

„Kennzahlen für die IT im

Krankenhaus zu erheben, ist der Notwendigkeit

geschuldet, die IT aus dem Bauch in

den Verstand holen zu müssen.“

Bernd Christoph Meisheit

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BLACKBOX

IT

Bis zu 70 Prozent der Anwendungen eines Krankenhausinformationssystems bleiben ungenutzt, schätzen Experten. Was dagegen helfen kann: Schulungen, Kenntnisse über den genauen Nutzungsgrad – und klare Vorgaben an die Nutzer.

Von Romy König

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zu definieren, wie die IT zu nutzen sei und wel-che Ziele man erreichen wolle, täte auch deut-schen Krankenhäusern gut, so Böckmann. „Es würde Transparenz und Objektivität schaffen – für die IT, aber auch für den Nutzer.“ Und dadurch auch den Nutzungsgrad und Wert erhöhen.

Doch zunächst muss die Führung vom Mehrwert der IT überzeugt werden – und das ist gar nicht so einfach. Es herrsche eine Art Produktivitätsparadoxon, sagt Corinna Falge, Geschäftsführerin des Beratungshauses Xulon. Die IT-Investitionen steigen allgemein, die Pro-duktion aber stagniert. Die Erklärungsversu-che seien vielfältig, so Falge: „Unzureichende Messmethoden können den durch die IT ge-nerierten Mehrwert nicht oder nur verzögert nachweisen, ein etwaig generierter Mehrwert versandet im System – oder es gibt Manage-mentfehler im Umgang mit Informationen und Technologie, das heißt, Investitionsentschei-dungen werden nicht mit dem Fokus auf den zu erwartenden Mehrwert getroffen“.

Aber genau hier müsse man ansetzen, um die Akzeptanz der IT zu steigern, sagt Stefan Gebel, Leiter Anforderungsmanagement und Planung beim Städtischen Klinikum München. Vor zwei Jahren wurden die IT und Medizin-technik (MT) der fünf Standorte zur gemein-samen Abteilung „Technologiemanagement“ zusammengelegt. Mit der Konsolidierung kam auch der Anspruch, den Nutzen der IT mit Zahlen zu unterfüttern und die Daten der Chefetage vorzulegen. Seither analysieren

Gebel und seine Kollegen über eine Vollkos-ten-, zum Teil gar eine Prozesskostenrechnung detailliert die zu erwartenden Ergebnisse, be-vor ein neues IT-Produkt eingekauft oder auf einen anderen Bereich ausgerollt wird. So haben sie zuletzt etwa ermittelt, dass durch zwei neue IT-Systeme die Befundung in der Pneumologie derart automatisiert ablaufen kann, dass pro Fall zwei Minuten weniger als bisher benötigt werden. „Bei 7.500 solcher Un-tersuchungen im Jahr rechnet sich das“, sagt Gebel. Es seien diese Zahlen, die die Kliniklei-tung interessieren – und für die Belange der IT sensibilisieren. Die Ergebnisse ihrer Arbeit legen Gebel und sein Team der Klinikleitung vor, stellen sie aber auch im Intranet zur Verfü-gung – Führungskräften ebenso wie anderen Mitarbeitern. „Früher wurde die IT bei uns sehr stiefmütterlich behandelt“, sagt Gebel. „Doch diese Zeiten sind vorbei.“

DRK-Mann Thoss stellt dagegen fest, dass immer dort die IT stärker akzeptiert werde, wo Mitarbeiter aktiv die Hilfe der IT eingefordert hätten. Dafür haben die DRK-Kliniken Berlin seit zehn Jahren eine eigene Fachberatermann-schaft, sechs IT-Anwendungsexperten, die bei bestimmten Problemen gemeinsam mit den Medizinern und Pflegern Lösungen erarbeiten. „Wir basteln da keine wilden Sachen, sondern versuchen, konkrete Wünsche über das Stan-dardsystem abzubilden. Etwa, wenn neue Ambulanzen in die Infrastruktur eingepflegt werden müssen, die Materialbestellung anders abgewickelt werden oder die Kommunikation mit Leistungsstellen neu aufgesetzt werden soll.“ Jene Abteilungen, die sich darauf einlas-sen, stellen „zumindest fest, dass IT nicht das ist, was nie funktioniert, sondern im Gegenteil, dass man etwas bewegen kann“.

Neues Auswertungstool misst NutzungsgradOb durch dieses Miteinander auch der Nut-

zungsgrad der IT, den Thoss in seinem Haus auf 50 Prozent schätzt, gestiegen ist, kann der IT-Leiter nicht genau sagen. „Das lässt sich ja kaum messen.“ Genau das, dieses Unwissen

Die Hühner oder das EiWieso es Informations-technologien in der Gesundheitsver-sorgung so schwer haben, ist natürlich nicht monokausal – es liegt jedenfalls nicht nur an den benutzer-unfreundlichen Systemen, sondern auch an den nicht unbedingt technik-affinen Nutzern. Das allerdings durch Ethik und Zeit am Patienten-bett zu verbrämen, ist zu kurz gesprungen. Spricht man mit Pflegenden aus Häusern mit hoher IT-Durchdringung und konsequenten Anwendungsleitlinien, zeigt sich ein wesentlich patienten-freundlicheres Bild.

„Ich schätze, dass in vielen

Krankenhäusern zwischen 50 und

70 Prozent der möglichen

IT-Funktionalitäten brach liegen.“

Michael Thoss

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INNOVATIONEN

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PDMS: Nächster Halt Medienbruch 38Rainer Röhrig: Informationsverlust reduzieren 42

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über das IT-Anwenderverhalten im Klinikum, hat die Professorin Britta Böckmann jahrelang geärgert: „Es gibt da einerseits diese diffuse Unzufriedenheit mit der IT und andererseits das Gefühl, dass die Technik bei Weitem nicht ausreichend angewandt wird“, sagt sie. „Doch bislang fehlte dafür immer eine ordentliche Faktenbasis.“ Böckmann hat daher mit ihren Studenten ein Auswertungstool entwickelt, mit dem – über ein intelligentes Abfragen – der Nutzungsgrad eines KIS-Systems in Kli-niken gemessen werden kann. „Wir betrach-ten dabei die Nutzung in Zeitreihen, werten sie themen-, aber nicht personenbezogen auf Abteilungsebene aus.“ Das Programm kann die Ergebnisse auf KIS-Modul-, Prozess- oder Dokumenationsebene aggregieren, die Pro-zesse stationärer Fälle rekonstruieren und den Dokumentationsumfang wie die Nutzung von Standardfunktionen oder klinischer Behand-lungspfade darstellen.

Unsaubere Bedienung – mangelnde Schulung

Zum Einsatz kam das Programm im ver-gangenen Jahr in Form eines Pilotprojektes in einem gemeinnützigen Krankenhaus in Nord-rhein-Westfalen. Hier bestätigte sich, dass manche Module des verwendeten KIS-Sys-tems in einzelnen Abteilungen tatsächlich nicht genutzt werden, etwa in der Pflegedo-kumentation oder der Ambulanz. Außerdem wurden hohe Unterschiede offenbar: „Einige Abteilungen hatten ihre Karteikarten bereits vollständig digitalisiert, andere geben nur ihre Abrechnungsdaten ein“. Auch die Sauberkeit der Dokumentation differierte: So habe es Auf-träge ohne Befunde gegeben – und Befunde ohne Aufträge. Laut Böckmann alles Folgen von nicht sauberer Bedienung – oder man-gelnder Schulung. Die IT-Verantwortlichen des Krankenhauses haben die Daten zusammen-getragen und sowohl Chefärzten als auch dem Vorstand präsentiert. Böckmann: „Auf Basis dieser Auswertungen kann das Haus nun eine solide IT-Strategie entwickeln.“

Bleibt die Frage, ob nicht auch die KIS-Her-steller selbst eine Verantwortung dafür tragen, ihr eigenes Produkt im Haus bekannt zu ma-chen und für eine hohe Nutzung zu sorgen. Doch DRK-Mann Thoss, dessen Haus ausge-wählte Prozesse wie etwa den Server- und Sto-ragebetrieb für KIS und PACS, aber auch Da-tenbanken und Back-up an einen Dienstleister ausgelagert hat, hält das für keine gute Idee. Zu sehr würde ein solcher Service in Richtung Organisationsberatung gehen, eine Arbeit, die der IT-Leiter zu seinen eigenen Kernkompeten-zen zählt, weil sie Externe seiner Ansicht nach nicht so detailliert wie nötig leisten könnten. „Nein, nein“, winkt der IT-Experte daher ab. „Darum müssen wir uns im Krankenhaus schon selber kümmern.“ ¬

eHEALTH SUMMIT GERMANY

Der Nutzen der IT für das KH wird auch auf dem eHealth Summit Germany diskutiert:

12. Juni 201511.30­13.00 Uhr

Aus dem Bauch in den Verstand: IT-Kennzahlen im Krankenhaus

Die Investition in IT wird oftmals gescheut, da die Akzeptanz in der Ärzteschaft gering ist. Dass das kurzsichtig, auch hinsichtlich einer erfolgreichen Unternehmensführung, ist, beweisen Häuser, die IT­Kennzahlen als Instrumentarium zur Weiterentwicklung, auch ihrer medizinischen Qualität, und Integration bei Zukäufen entdeckt haben. Welches Modell sinnvoll ist? Welche Kennzahlen werden benötigt und wie müssen diese aussehen, um ein einheitliches Gerüst zu schaffen? Mit diesen Fragen setzen sich Anwender und Experten in der Session auseinander und entwickeln gemeinsam Lösungsansätze.

Moderation: Bernd Christoph Meisheit, Geschäftsführer Sana IT Services GmbH

„Es gibt eine diffuse Unzufriedenheit mit der IT und das Gefühl, dass die Technik nicht ausreichend angewandt wird – was fehlt, ist eine ordentliche Faktenbasis.“Britta Böckmann

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Visite setzt jede Station aber andere Schwerpunkte, die wir bei der Konfiguration beachten mussten“, ergänzt Marko Übereg-ger, der Projektleiter.

Von 22 auf drei Server runtergekürztEine andere Art der Standardisierung des PDMS gab es am

Landeskrankenhaus Steyr und den neun aanderen Häusern der Gespag (Oö. Gesundheits- und Spitals-AG). Weil jede Inten-sivstation die Benutzeroberfläche des PDMS auf ihre Bedürfnis-se zugeschnitten hatte, konnten sich die Mitarbeiter bei einem Stationswechsel nicht sofort im anderen System zurechtfinden.

Neurologische Intensivstation

Operative Intensivstation

Interdisziplinäre Intensivstation

Neonatologische Intensivstation

Kardio­vaskuläre Intensiv­station

Notfall­ und Intensivmedizin Innere Medizin

UrologieKardiologie Hals­, Nasen­, Ohrenheilkunde

Verwaltung

Kinderstation

Hausarztpraxis

Gynäkologie

Onkologie

RadiologieOP

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Die Realität in den meisten deutschen Krankenhäusern sieht gemeinhin so aus: OP- und Intensivstationsdaten werden händisch auf Papierformularen eingetragen,

danach geht es meist digital weiter – wohin also mit dem Pa-pierstapel? Wird mitgeschleppt.

Patientendatenmanagementsysteme (PDMS) sammeln nicht nur vollautomatisch die von medizinischen Geräten auf Inten-sivstationen und in Operationssälen aufgezeichneten Daten, sondern berechnen auch Scores, bilanzieren den Flüssigkeits-haushalt der Patienten oder summieren die Beatmungszeiten – was wichtig für eine genaue Abrechnung ist. Die Systeme ersetzen die Dokumentation auf Papier. In Kombination mit einem Krankenhausinformationssystem (KIS) lassen sich aus den PDMS-Daten elektronische Fieberkurven, Arztbriefe, Verlegungsberichte und Abrech-nungsdaten generieren – lückenlos dokumen-tiert über alle Stationen hinweg. Doch das klingt (natürlich) einfacher, als es in Wahr-heit ist. Denn die Integration ins KIS gestaltet sich oftmals kompliziert, auch steht immer wieder die Frage im Raum, ob das PDMS nicht vielleicht das bessere KIS wäre oder anders, wieso das KIS nur auf den Normalstationen verwendet wird.

Medienbrüche als Fehlerquelle„Wir wollten weg von den A3-Bögen mit je

drei Durchschlägen, die jeden Tag neu aus-gefüllt werden müssen“, erinnert sich Felix

Katt, IT-Leiter des Unfallkrankenhauses Berlin (ukb). Dort erfolgte die Anschaffung eines PDMS für den Intensivbereich im Huckepack mit einem Großauftrag für medizintechnische Geräte. Praktisch: Der Medizingerätehersteller war zugleich der PDMS-Anbieter. Vor dem Rollout haben die Berliner ein Musterzimmer mit zwei Patientenbetten ausgestattet. Dadurch konnten sie nicht nur die optimale Anordnung der neuen Medi-zintechnik ausgiebig testen, sondern parallel dazu mit der Kon-figuration des PDMS beginnen. Der Umbau der Intensivstation erfolgte dann zimmerweise im laufenden Betrieb. „Es war nicht einfach, das zu koordinieren“, stellt Katt fest. Nacheinander wurden drei Intensivstationen, das Brandverletzungszentrum sowie die Stroke Unit der Neurologie – insgesamt 68 Betten – mit der neuen Medizintechnik und PDMS ausgestattet.

Auch am Landeskrankenhaus Innsbruck, einer Universitäts-klinik mit 120 Intensivbetten, war der Medienbruch die treiben-de Kraft zur Einführung eines PDMS mit Anbindung an das KIS. „Das PDMS stellt einen Qualitätssprung für Patienten und Be-

handler dar“, erklärt Georg Lechleitner, Abtei-lungsvorstand Informationstechnologie bei der Tiroler Landeskrankenanstalten GmbH (Tilak). Auslöser für die Erweiterung des vorhandenen PDMS war ein größeres Bauvorhaben, der Neu-bau einer Kinderintensivstation. Die größte Herausforderung für das Projektteam bestand darin, die verschiedenen Intensivstationen zu standardisieren. Konkret ging es darum, eine gemeinsame, standardisierte Sprache zu finden. Denn die verschiedenen Stationen verwendeten bei der Dokumentation auf Papier unterschiedliche Bezeichnungen für die Über-wachungsdaten: Die einen dokumentierten auf Englisch, die anderen auf Deutsch, wieder andere verwendeten Abkürzungen. „Bei der

Patientendatenmanagementsysteme liegen im Trend. Sie überwinden Medienbrüche und verbessern die Anästhesie- und Pflegedokumentation. Dies steigert nicht nur die Behandlungsqualität, es sorgt auch dafür, dass die erbrachten Leistungen genauer abgerechnet werden können.

Von Michael Lang

Im OP gibt es wenige Schnitt-

stellen, dafür aber sehr viele abrech-

nungsrelevante Daten, die zeit-

gleich übertragen und minutiös dokumentiert

werden müssen.

NÄCHSTER HALT MEDIENBRUCH

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Sie mussten erst lernen, wo dort ein bestimmter Menüeintrag zu finden war. Mittlerweile verfügen 80 bis 90 Prozent aller Intensivsta-tionen der zehn Spitäler über eine identische Menüführung – die einzelnen Stationen sind dennoch passgenau konfiguriert. „Die Mit-arbeiter können jetzt die Häuser wechseln und finden sich immer schnell im PDMS zurecht“, erklärt Walpurga Auinger, Pflegedirek-torin und Mitglied der Kranken-hausleitung am Landeskranken-haus Steyr. Die Standardisierung hat aber auch noch einen handfesten wirt-schaftlichen Vorteil. Seither läuft das System auf drei Servern, zuvor wurden bis zu 22 Ser-ver benötigt. Das Pflegepersonal möchte das PDMS nicht mehr hergeben, auch wenn es die mangelnde Übersichtlichkeit auf dem Monitor gegenüber dem A3-Bogen beklagt.

Großer Entwicklungsbedarf, aber auch großes Potenzial

Wie sehr sich das Pflegepersonal an ein PDMS gewöhnen kann, weiß auch Bernhard Pollwein, Anästhesist und fachlicher Leiter des PDMS-Projekts am Klinikum Großhadern der Uni München. Dort wurde vor acht Jahren ein PDMS für den OP eingeführt. „Als wir für ein Update einen geplanten Ausfall hatten und die Mitarbeiter für wenige Stunden wieder ein Pa-piernarkoseprotokoll führen mussten, wussten die Jüngeren schon nicht mehr, wie das geht.“ Seit Mitte 2014 werden auch fünf Intensivsta-tionen mit insgesamt 70 Intensivbetten mit PDMS betrieben. Das Highlight dieses Systems ist das Beatmungsprotokoll. Dabei werden die Einstellungen des Beatmungsgeräts und parallel dazu die gemessenen Parameter der Blutgasanalyse ans PDMS übertragen. Der Arzt erhält so die Information, wie viel Sauerstoff dem Patienten angeboten wird und wie viel da-von tatsächlich bei ihm ankommt. „Das haben wir von Hand entwickelt“, berichtet Pollwein. Mit dem neuen PDMS in Großhadern arbeiten über 300 Ärzte und 800 Pflegekräfte. Ange-sichts dieser vielen und häufig wechselnden Mitarbeiter wurde das PDMS sehr tief in die IT-Systemlandschaft integriert. Dadurch kann die Benutzerverwaltung über das zentrale Identitätsmanagementsystem laufen.

Gregor Pickert, CIO des Klini-kums rechts der Isar der Techni-schen Universität München, kam von Großhadern und konnte sei-ne dort gemachten Erfahrungen in das aktuelle PDMS-Projekt für den OP einbringen. Im OP gibt es wenige Schnittstellen, dafür aber sehr viele abrechnungsrelevante Daten, die zeitgleich übertragen und minutiös dokumentiert wer-den müssen. Begonnen wurde mit der Schnittstelle für die Prämedi-kation sowie der Anbindung des OP-Planungssystems, als Bestand-

teil des KIS.Wegen der hohen Anforderungen an steri-

les Arbeiten wird das PDMS im OP mit einem Touchscreen betrieben. „Das gab es zuvor nicht, wir mussten das gemeinsam mit dem Hersteller entwickeln“, sagt Pickert. In diesem Jahr sollen noch zwei operative Intensivstati-onen mit insgesamt 60 Betten ausgestattet werden. Das Besondere: Die Intensivmedizin wurde WLAN-fähig gemacht. Dadurch muss das PDMS nicht am Patientenbett stehen. Jede Pflegekraft hat einen eigenen Arbeitsplatz mit PC-Wagen, der mit einem PDMS-System samt 24-Zoll-Touchscreen ausgestattet ist. Stolz sind die Münchner auch auf eine andere Innovati-on: Die Parameter für die Spritzenpumpe für intravenöse Injektionen können am großen Bildschirm des PDMS eingestellt werden. „Die Eingabe an der Pumpe erschien uns zu fehle-ranfällig und nun sind wir froh, dass wir die-se vermeintliche Fehlerquelle mit ausmerzen konnten“ erklärt Picket. Starten lässt sich die Spritzenpumpe weiterhin nur am Gerät – nach einer Überprüfung der Parameter.

Fazit: Die vorgestellten Projekte zeigen, wie sich PDMS-Lösungen an die speziellen Bedürfnisse der Anwender anpassen lassen. In den allermeisten Fällen bedarf es jedoch auch dieser gemeinsamen Entwicklungspha-se, die allen Beteiligten viel abverlangt. Doch letztendlich sind sich die Beteiligten unisono sicher, dass sich Kosten und Mühen auszahlen. Durch das funktionierende, angepasste System verbessert sich die Dokumentation und die Behandlungs- und Abrechnungsqualität über alle Stationen hinweg entscheidend – ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil im hart umkämpften Krankenhausmarkt. ¬

DAS PDMS ALS MEDIZINPRODUKT

Nach der 4. Novelle des Medi­zinproduktegesetzes (MPG) sind die meisten PDMS als Me­dizinprodukte einzustufen. Da­durch stellt sich für Hersteller und Betreiber die Frage nach dem Risikomanagement. Im Gegensatz zu medizintechni­schen Geräten haben Informa­tionssysteme deutlich kürzere Releasezyklen und sind durch ihre hohe Individualisierbarkeit und Interoperabilität extrem in ihre soziotechnische Umge­bung adaptiert und integriert. Diese erwünschten Produkt­merkmale erschweren jedoch die geforderte Risikoanalyse und Bewertung, die eigentlich mit jedem System­Update, von dem die Funktionalität des PDMS abhängt, durch­geführt werden müsste. Hier fehlen noch Standards und praktikable Umsetzungen (Best­Practice­Lösungen) zur Zusammenarbeit von Herstellern, Betreibern und Anwendern.

„Wir wollten weg von den A3-Bögen mit je drei Durchschlägen,

die jeden Tag neu ausgefüllt werden

müssen.“Felix Katt, IT­Leiter des

Unfallkrankenhaus Berlin (UKB)

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Felix Cornelius: Brennende Häuser versichern 44Rainer Herzog: Es fehlt der politische Wille 45Dating Big Pharma: Pharma umgarnt die mHealth-Szene 48MySugr: Viel Arbeit und viel Passion 52Kolumne: Der Mensch hinter dem System 54

PDMS CONFERENCE D.A.CH.

PDMS – sicherheitsrelevant oder Kostenverschwendung?

Wozu braucht es ein Patien­tendatenmanagementsystem (PDMS)? Abrechnungstool? Klinische Hilfestellung? Wich­tiger Schritt auf dem Weg zur elektronischen Patientenakte?

Die PDMS D.A.CH. Conference wird praxisnah von Experten bestritten, die die Entwick­lungen und organisatorischen Herausforderungen gerade bewältigt haben oder aktuell dabei sind, ihnen zu trotzen. Und das aus den unterschied­lichsten Gründen.

www.himss.eu/pdms

Interview mit Rainer Röhrig, Professor für Medizinische Informatik an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Lässt sich für ein PDMS eine sinnvolle Kos-ten-Nutzen-Rechnung erstellen?

Bei der Beschaffung eines PDMS spielen die Kosten und Folgekosten wie Lizenzen, War-tung oder Updates eine wesentliche Rolle. Be-rechnungen zum ROI werden dabei nicht ange-stellt, da sich Einsparungen schwer berechnen lassen. Ich vergleiche PDMS mit der Sauerstoff-sättigung in der Anästhesie: Diese war irgend-wann da und ist nicht mehr wegzudenken. Ihr Nutzen wurde in Studien nie nachgewiesen, aber jeder Anästhesist kennt Situationen, in denen ein Sauerstoffsättigungsalarm einen potenziellen Patientenschaden verhindert hat.

Wo liegen die großen Herausforderungen bei einem PDMS-Projekt?

Ein Knackpunkt ist der Medienbruch: Es geht darum, möglichst keinen Informations-verlust zwischen der Intensiv- und der Normal-station zu haben. Daher sind Schnittstellen er-forderlich. Die Grundlage für Interoperabilität ist der Abgleich der Patientendaten zwischen KIS und PDMS. Stammdaten und Labordaten sind Pflicht, alles andere die Kür. Insbeson-dere der Leistungsdatenaustausch kann be-liebig komplex werden. So sind für die Gene-rierung von Entgelt-relevanten OPS-Codes bei bestimmten Arzneimitteln oder der Therapie mit Vakuumverbänden häufig bereichs- und abteilungsübergreifende Informationen erfor-derlich, die über Systemgrenzen hinweg zu-sammengeführt und bewertet werden müssen. Schnittstellen, die eine systemübergreifende Dokumentation mit Plausibilitätskontrolle er-möglichen, sind aufwendig zu erstellen und zu pflegen. Eine Aufgabe, die von den Kliniken nicht ohne Hersteller gelöst werden kann.

Wäre es angesichts des Aufwands nicht ein-facher, das PDMS für die gesamte Dokumen-tation zu verwenden?

Die KIS-Hersteller bieten verstärkt Funkti-onalitäten für den Intensivbereich an, wäh-rend die PDMS-Hersteller sich stärker auf den Einsatz auf der Station fokussieren. Doch die Bereiche unterscheiden sich in den funktiona-len Anforderungen: Auf der Intensivstation be-treut eine Pflegekraft ein bis vier Patienten mit einer hohen Informationsdichte; auf Normal-station betreut eine Pflegekraft viele Patienten, mit wenig Dokumentationsbedarf pro Patient. Der relevante Unterschied liegt in der Ergono-mie und nicht in der generellen Machbarkeit.

Welche Bedeutung hat die Entscheidungsun-terstützung?

Die Entscheidungsunterstützung gewinnt im Bereich der Arzneimitteltherapie an Bedeu-tung, ist aber auf den Intensivstationen eine große Herausforderung: Zum einen gibt es viele Individualherstellungen, zum anderen erfordert der kritische Zustand der Patienten die Gabe einer Vielzahl von Arzneimitteln. Im Arzneimittelcheck gibt dies häufig dreistellige Warnhinweise. Die Hinweise auf potenzielle Komplikationen helfen nicht bei der Entschei-dung, wenn die Medikamente lebenserhaltend sind. Sie lenken den Arzt nur von seinen ei-gentlichen Aufgaben und Entscheidungen ab. Die technische Herausforderung bei den ent-scheidungsunterstützenden Systemen ist, den Aufwand für die Pflege durch Automatisierung oder Zentralisierung zu reduzieren.

Was wäre sonst noch wünschenswert? Die Standardisierung der Intensivdoku-

mentation, wie sie bereits für die Notaufnah-me und den Rettungsdienst erfolgt ist. Auf-bauend auf Standards würden die Systeme zur Entscheidungsunterstützung in mehreren Kliniken einsetzbar und damit bezahlbar. Hier existiert ein hoher Forschungsbedarf, den die PDMS-Hersteller nicht leisten können. Dies muss in Zusammenarbeit mit den Kliniken und Hochschulen und in Absprache mit den Fachgesellschaften geleistet werden und be-darf einer öffentlichen Förderung. ¬

Informationsverlust reduzieren

RAINER RÖHRIG wechselte gerade aus der Klinik in die Lehre, wo er sicherlich viel Gutes bewirken wird – nicht nur für seine Studenten, sondern auch zukünftige Patientengenerationen. Darüber hinaus sitzt er auch noch im Wissenschaftlichen Programmkomitee der PDMS D.A.CH. Conference.

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Interview mit Rainer Herzog, General Manager HIMSS Europe und mHealth Experte HIMSS global

Es gibt mittlerweile ja unzählige Apps, gerade auch im Ge-sundheitsbereich. Wie findet man sich da zurecht? Was ist Hype, was macht wirklich Sinn?

Für mich gibt es vier Kategorien von mHealth-Lösungen: Das ist zum einen alles im Bereich Consumer, die typischen Well-ness- und Fitness-Applikationen. Die gibt es wie Sand am Meer, ob mit Armbändchen oder ohne. Das ist für mich tatsächlich ein Hype. Studien belegen, dass etwa zwei Drittel derjenigen,

die angefangen haben, eine solche App zu nutzen, bereits nach kurzer Zeit wieder abspringen. Die zweite Kategorie nenne ich Selfmonitoring, das Beobachten von Vitalfunktionen. Da meist nur sporadisch aufgezeichnet wird, kann mit den Daten aller-dings kaum etwas dargestellt werden; kaum jemand, der nicht wirklich krank ist, misst etwa jeden Tag seinen Blutdruck. Die dritte und vierte Kategorie sind mHealth-Lösungen für chro-nisch Kranke beziehungsweise für akut Kranke, also zum Beispiel für Diabetiker, Asthmatiker oder Menschen mit einer Herz-Kreislauf- oder Lungenerkrankung. Und hier reden wir über klinisch wertvolle und anspruchsvolle Applikationen,

Es fehlt der politische Wille

mHealth wird eines Tages eine zentrale Rolle in der integrierten Patientenversorgung spielen und als Teil der Regelversorgung ambulante und stationäre Dienstleistungen in idealer Weise ergänzen – soweit die Theorie. Technisch wäre bereits heute schon vieles

machbar, was fehlt ist eine politische Agenda.

Von Susanne Neumayer­Remter

RAINER HERZOG ist General Manager von HIMSS Europe und Head of mHealth HIMSS.

— mHEALTH —

Versicherungsunternehmen bemühen häu­fig das Bild eines brennenden Hauses, um darauf hinzuweisen, dass sich der Kunde bereits für eine Versicherung entscheiden muss, bevor der Schadensfall eingetreten ist. Ein erfolgreicher Vertrieb setzt also beim künftigen Kunden Vorstellungskraft voraus („Das Haus könnte brennen“) sowie

ein grundsätzliches Verständnis für das Konzept des Erwar­tungswertes („Selbst wenn das Haus nie gebrannt hat, war die Entscheidung für die Versicherung richtig“).

Auch im Gesundheitswesen gibt es Situationen, in de­nen es bereits zu spät ist, wenn erst im Moment der akuten Notwendigkeit heraus gehandelt wird – Situationen, die von einem großen Kollektiv in guten Zeiten eine gemeinsame Entscheidung verlangen, und zwar in dem Wissen, dass nur wenige Mitglieder des Kollektivs irgendwann betroffen sein werden, dann jedoch von der rechtzeitigen Entscheidung aller profitieren.

Das lässt sich am Thema Organspende gut nachvollzie­hen: Es wird für die jeweils Bedürftigen regelmäßig nur dann genügend Organe geben, wenn eine möglichst große Zahl von Menschen vor Eintritt des Notfalls ihre prinzipielle Spenden­bereitschaft erklärt hat.

Nicht unmittelbar zu erkennen ist dieses Prinzip im Zu­sammenhang mit dem Management von Patientendaten, also dort, wo es um die Erhebung, Speicherung und Kommunika­tion von sensiblen Gesundheits­ und Versorgungsinforma­tionen geht. Es kann zum Beispiel nur derjenige davon pro­fitieren, dass der Notarzt auf den Unfalldatensatz zugreifen kann, der diesen zuvor mit seinen Daten gefüllt hat. Oder: Wenn ich einen Kardiologen besuche, kann ich nur dann davon ausgehen, dass dieser auf die Laborwerte des eine Woche zurückliegenden Hausarztbesuches zugreifen kann, wenn bereits beim Hausarzt sichergestellt wurde, dass diese Da­ten irgendwann potenziell abrufbar sind. Auch hier muss also eine Entscheidung auf Vorrat getroffen werden, denn als ich beim Hausarzt war, wussten weder er noch ich, dass ich eine Woche später zu einem anderen Arzt gehen würde.

Auch auf die Ärzteschaft trifft die Versicherungsmetapher zu: Wenn ein Spezialist erst dann erkennt, dass es notwendig

ist, auf die Vorgeschichte seines Patienten zuzugreifen, wenn dieser vor ihm sitzt, ist es zu spät. Er muss mit allen Kol­legen bereits lange zuvor die technischen Voraussetzungen schaffen und Prozesse vereinbaren, die ihm diesen Daten­austausch in Zukunft ermöglichen, falls Arzt und Patient das irgendwann beide wollen.

Menschen machen ihre Entscheidungen typischerweise von je aktuellen Empfindungen und Situationen abhängig. Es ist deshalb durchaus denkbar, dass ich ein vehementer An­hänger radikaler Privatheit bin und jede Kommunikation mei­ner Daten ablehne, dass ich aber meine Sicht in dem Moment ändere – so ich dann noch in der Lage bin! –, wo ich schwer erkrankt bin oder nach einem Unfall in den Notarztwagen ge­schoben werde.

Um noch einmal auf das Bild der Organspende zurückzu kommen: Fragen wir 100 Dialysepatienten, ob sie, wenn sie gesund wären, einen Spenderausweis mit sich führen würden, vermute ich eine Zustimmung von 90 Prozent. Gäbe es die Möglichkeit, sich mit diesen 100 Patienten in eine Zeitma­schine zu setzen, 30 Jahre zurückzufliegen und die Frage zu wiederholen, erwarte ich eine Zustimmung von 20 Prozent...

Ich würde mir in der politischen Debatte um die ange­messenen Vorgaben und Kompromisse hinsichtlich des Pa­tientendaten­Managements wünschen, dass die Beteiligten sich vor jeder Entscheidung in eine Zeitmaschine setzten und ihren Stimmzettel erst dann ausfüllten, wenn sie 30 Jahre in der Zukunft angekommen sind. Solange wir diese Möglichkeit nicht haben, schlage ich vor, darüber nachzudenken, wie wir in die Diskussionen und Entscheidungen Menschen aus der Gruppe der akut Betroffenen mit einem Stimmanteil von 50 Prozent einbeziehen können. ¬

BRENNENDE HÄUSER VERSICHERN

FELIX CORNELIUS ist Geschäftsführer der Spreeufer Consult GmbH, die sich auf Projekte spezialisiert hat, in denen ärztliches und betriebswirtschaftliches Denken versöhnt werden sollen. Er ist außerdem Mitgründer und Vorstand des Verbandes digitale Gesundheit (VdigG).

Von Felix Cornelius

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die Auswirkungen limitiert. Ziel ist eine inte-grierte Versorgung. In manchen Ländern sind wir auf dem Weg dorthin, in Deutschland sind wir noch Lichtjahre davon entfernt.

Werden die Chancen von mHealth in der Poli-tik denn überhaupt wahrgenommen?

Diskutiert wird dieses Thema schon seit Langem und es gibt sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene einige Projekte, mit denen Erfahrungen gesammelt werden. Allerdings ist man bisher über ein Pilotprojekt-Stadium nicht hinweggekommen. Es gibt immer wieder die eine oder andere Absichtserklärung, aber in vielen Ländern fehlt der konkrete politische Wille oder eine Strategie, das tatsächlich aus-zurollen. Deutschland ist ein schönes Beispiel, es gibt viele Absichtserklärungen, aber etwas Konkretes ist bisher nicht passiert.

Woran liegt das? Wer sind die größten Bremser?

Wir haben ein Gesundheitssystem, in dem einige sehr darauf bedacht sind, ihre Pfrün-de zu sichern. Zudem sind viele nicht bereit, die Transparenz, die mit mHealth ein Stück weit geschaffen werden kann, in Kauf zu neh-men. Die Politik wiederum hat wenig Inter-esse daran, mit der Silo-Politik aufzuräumen und ein integriertes Patientenmanagement zu forcieren. Diese Chance wurde auch mit dem neuen E-Health-Gesetz erneut vertan. Die Krankenkassen dagegen haben durchaus ein Interesse daran, mHealth voranzutreiben. Das sieht man daran, dass einige Versicherer angefangen haben, Telemedizin oder mHealth zu vergüten. Für die Patienten würden mobile Gesundheitsdienstleistungen ein klares Plus bedeuten, aber sie haben eigentlich keine Lob-by. Ich habe den Eindruck, dass mittlerweile viele nicht mehr warten wollen, bis die Politik sich bewegt, und dass die Digitalisierung am Ende des Tages von den Patienten getrieben wird und den Versicherern, weil die den ge-sundheitsökonomischen Vorteil sehen.

Gesundheitsdaten sind hochsensibel, ent-sprechend intensiv wird beim Thema digitale Lösungen deshalb der Datenschutz diskutiert – zu Recht?

Wir haben auf der technischen Seite ge-nügend Instrumentarien zur Verfügung, um Datenschutz und ein hohes Maß an Sicherheit

zu gewährleisten. Hundertprozentige Daten-sicherheit werden wir dennoch nie haben. Aber auch bei einer rein papierbasierten Ver-sorgung können wir diese nicht abdecken; Akten können verloren gehen oder geklaut werden. Jeder, der auf einer 100-Prozent- Lösung besteht, bremst die Innovation. Das halte ich für wenig zielführend. In Deutsch-land wird Datenschutz leider immer noch als das Killer-Argument verwendet, ganz nach dem Motto: Solange der Datenschutz nicht ge-löst ist, machen wir gar nichts. Ich halte die Datensicherheitsfrage für lösbar – kein Hin-dernisgrund, kein Stolperstein.

Der mHealth Summit Europe in Riga steht vor der Tür. Welche Schwerpunkte werden hier gesetzt? Wie will man mit dieser Veranstal-tung das Thema mHealth voranbringen?

Der mHealth Summit in Riga als europäi-sches Event zielt genau auf die Kernfragen ab: Was müssen wir tun, um mHealth von dieser Pilotitis, wie ich es immer nenne, in Richtung wirkliche Implementierung zu bringen? Wie kann mHealth Teil der Regelversorgung wer-den? Die Europäische Kommission hat vor einiger Zeit mit dem „mHealth Green Paper“ eine Initiative gestartet, die in Riga von allen Stakeholdern des mHealth Ökosystems dis-kutiert werden wird. Die mHealth Communi-ty trifft sich in der lettischen Hauptstadt, um die politischen Weichenstellungen in Europa zu diskutieren. Wo geht die Reise hin? Dabei wird es ganz konkret um die Frage der regu-latorischen Hürden gehen und wie man diese überwinden kann.

Damit mHealth funktioniert, ist es aber auch wichtig, nachhaltige Geschäftsmodelle für diesen Bereich zu finden. In den meisten Gesundheitssystemen will die mobilen Ge-sundheitsdienstleistungen bisher ja niemand vergüten, was es auch den für die Patienten und Kosteneffizienz vielversprechendsten Lö-sungen schwer macht, sich durchzusetzen. Auf dem Summit werden wir uns deswegen mit den Firmen beschäftigen, die mobile Lösun-gen und Applikationen entwickeln. Wir wol-len Marktkriterien definieren und gemeinsam überlegen, wie das nötige Kapital sichergestellt werden kann. Es geht um ganz konkrete Hil-festellungen für Firmen, die sich dem Thema App Development oder Lösungen für die Tele-medizin widmen. ¬

START-UP-SLAM: TRAUT EUCH!

eHealth Summit Germany, CityCube Berlin12. Juni 201516.30-18.00 Uhr

Eine gute Idee – fünf Minuten Zeit, die Jury oder das Publikum zu überzeugen. Wie gewöhnlich ziert sich das Gesundheitswesen, wenn es darum geht, sich Neuerungen gegenüber zu öffnen. Aber aktuell sind viele mobile Lösungen auch noch gar nicht stationstauglich oder haben trotz guter Idee noch nicht die Hürde in die Gesundheitswelt genommen – wir geben den guten Ideen eine Bühne. Wer traut sich?

Moderatorin: Juliane Zielonka, Geschäfts­führerin Die­ArtverwandtenFo

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bei denen es darum geht, den Patienten so zu führen, dass er eine möglichst hohe Lebens-qualität erhält, beziehungsweise ihn davor zu bewahren, in akute Zustände abzudriften. Und das ist etwas, was tatsächlich nutzbringend sein kann. In diesen beiden Kategorien sehe ich ein großes Potenzial.

Immer wieder heißt es, dass mobile Lösun-gen den Gesundheitsmarkt grundlegend ändern werden. Ist das denn so? Wo steht mHealth heute?

Der Durchbruch ist noch nicht geschafft, um es global zu sagen. Allerdings muss man von Land zu Land differenzieren: Es gibt zum Beispiel Länder in Skandinavien, die sich tat-sächlich mit der Frage beschäftigen, wie Tele-medizin oder mHealth flächendeckend ausge-rollt werden kann. In Deutschland ist man von einem solchen Ansatz weit entfernt. Es gibt sehr viele Pilotprojekte, überall auf der Welt. Die große Herausforderung besteht darin, die-se Pilotprojekte tatsächlich in das jeweilige Ge-sundheitswesen zu integrieren. Aber weder in Deutschland noch in der Schweiz oder Öster-reich gibt es eine Roadmap, die mit konkreten Schritten auf eine Implementierung abzielt.

Inwiefern würden die Patienten davon profitieren?

mHealth eröffnet einem chronisch oder akut kranken Patienten die Möglichkeit, im Bedarfsfall permanent bestimmte Vitalwerte übermitteln zu können und ständig mit einem Arzt in Verbindung zu stehen. Das bedeutet ein Stück weit Sicherheit für den Patienten. Ein Beispiel: Herzinfarkt-Patienten haben

nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus oft Angst: Kann mir das wieder passieren? Was bedeutet der Druck in der Brust? Wenn man solchen Patienten in dieser Situation eine Telemedizin-Lösung an die Hand gibt, die re-gelmäßig die Herzfunktion misst, überträgt und im Bedarfsfall Alarm schlägt, dann habe ich aufgrund dieser Kommunikation, die nor-malerweise nicht stattfindet, natürlich einen Riesengewinn für den Patienten. Er fühlt sich viel sicherer.

Warum ist eine solche Art der medizinischen Versorgung nicht bereits längst Alltag, wo lie-gen die Probleme bei der Durchsetzung?

In vielen Ländern fehlen die regulatori-schen Voraussetzungen für mHealth. Darf der Arzt beispielsweise per Telemedizin überhaupt eine Diagnose stellen? Gesetzliche Vorgaben müssten also angepasst werden. Dann muss über die Vergütung nachgedacht werden, Telemedizin- oder mHealth-Dienstleistungen müssen in den Erstattungskatalog mit aufge-nommen werden. Das sind die zwei Grundvo-raussetzungen. Zusätzlich sollten Anreizsys-teme geschaffen werden, die dafür sorgen, dass mobile Lösungen in der Praxis tatsäch-lich angewandt werden. In den USA etwa ge-schieht dies mithilfe des milliardenschweren Förderprogramms „meaningful use“ – ein Bonus-Malus-System für Ärzte und Kranken-häuser zur Einbindung von IT.

Eine weitere offene Frage ist – und das ist wahrscheinlich das dickste Brett, das man bohren muss –, wie mHealth in die Prozesse integriert werden kann. Wird Telemedizin einfach nur auf die bestehenden Strukturen draufgesattelt, dann muss das nicht unbe-dingt funktionieren. Der Einsatz der neuen Technologien ist eigentlich nur dann effizient, wenn er über die jeweiligen Behandlungs-Silos Krankenhaus, niedergelassener Arzt, Notfall-versorgung oder Pflege hinausgeht, sonst sind

„Die große Herausforderung

besteht darin, Pilotprojekte tatsächlich in das jeweilige

Gesundheitswesen zu integrieren. Aber

weder in Deutschland noch in der Schweiz oder Österreich gibt

es eine Roadmap, die mit konkreten Schritten auf eine Implementierung

abzielt.“

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Als Bayer an einem Montagabend im Spätsommer 2014 den Startschuss für sein Grants4Apps Programm gab, tra-

fen in den Räumen des Unternehmens in Ber-lin zwei Welten aufeinander. Pharma-Manager, zumindest die höheren Chargen, sind häufig genuin konservativ. Sie tragen dunkle Anzüge und Krawatten. Sie sind besser im Anordnen als im Zuhören. Und sie sind oft von Marketing-mitarbeiterinnen in hohen Absätzen umgeben. Wer dagegen in Start-ups der Technologiebran-che arbeitet, folgt noch immer eher dem Rollen-modell des in der Garage vor sich hin werkeln-den Nerds. Jeans und Pullover sind Standard, und geredet wird wie auf Bachelor-Parties. Reinhard Franzen, Geschäftsführer von Bayer in Europa und damit einer der Top-Manager dieses deutschen Pharmagiganten, versuchte die Unterschiede zwischen den beiden Welten kleinzureden: „Wir waren vor 151 Jahren auch mal ein Start-up. Gelegentlich muss man sich als Konzern selbst neu erfinden, und deswegen haben wir Sie hier eingeladen“.

Coach Your NerdGrants4Apps ist ein recht unkonventionel-

ler Versuch eines Pharmaunternehmens, einen Fuß in die Tür des sich rasch entwickelnden mHealth-Kosmos‘ zu bekommen. Auf den ers-ten Blick geht es um das, was in der Venture- Capital-Szene „Seed Funding“ genannt wird: Bayer hat vielversprechende Start-up-Unter-nehmen ausgewählt, die innovative, patien-tenzentrierte E-Health-Lösungen vermarkten wollen, und die sich noch in einem sehr frü-hen Stadium der Entwicklung befinden. Jedes Start-up bekommt 50.000 Euro und dreieinhalb Monate Zeit, einen Prototyp zu produzieren.

Das Ungewöhnliche daran ist, dass die Entwicklerteams der Softwareschmieden für diesen Zeitraum nach Berlin kommen und di-rekt im Bayer-Hauptquartier arbeiten, in frisch ausgestatteten Räumlichkeiten, in unmittelba-rer Nachbarschaft zu den Produktionsstätten der Medikamente. Mehr noch: Jedem Start-up wird ein Bayer-Manager als Coach zugeordnet. Die Idee ist, dass dieser Coach schon allein durch die räumliche Nähe zu den Entwick-lern viel besser darauf achten kann, ob das in

Entwicklung befindliche Produkt auf die Be-dürfnisse des Gesundheitswesens und natür-lich auf die Bedürfnisse potenzieller Kunden aus der Pharmabranche abgestimmt ist. Auch die im mHealth-Sektor nicht ganz irrelevanten Aspekte der Skalierbarkeit und Kosten behält der Bayer-Coach im Auge.

Wenig überraschend: Vorhofflimmern im Fokus

Für die erste Förderrunde wurden fünf Start-ups aus ganz Europa ausgewählt. Das Unternehmen Qompium aus Belgien entwi-ckelt eine sich an Patienten richtende, diag-nostische App zur Früherkennung von Vor-hofflimmern. Eine der Herausforderungen bei diesem Projekt dürfte sein, einen Algorithmus zu entwickeln, der nicht zu häufig falschen Alarm gibt oder echte Befunde übersieht. Das deutsche Unternehmen Parica hat einen etwas breiteren Ansatz. Es zielt auf einen möglichst berührungsfreien Apparat zur Kontrolle von unterschiedlichen Vitalparametern in der Apotheke. Dabei geht es um Herzfrequenz und Herzrhythmus, aber auch um Blutdruck, Lun-genfunktion und Körperzusammensetzung. Ebenfalls im Bereich Vitalwertemonitoring ist Cortrium unterwegs. Dieses Unternehmen versucht, mithilfe von Klebeelektroden Herz-rhythmus, Blutdruck, Temperatur und Sauer-stoffsättigung nichtinvasiv zu erfassen.

Dass sich drei von fünf Unternehmen in der ersten Förderrunde, ausschließlich oder auch, um die Überwachung von Herzfrequenz und Herzrhythmus kümmern, dürfte kein Zufall sein. Einer der großen aktuellen Blockbuster von Bayer ist das neue orale Antikoagulans Rivaroxaban, und Vorhofflimmern ist die kommerziell mit Abstand relevanteste Indi-kation dafür. Trotzdem werden auch zwei Unternehmen gefördert, die komplett andere Felder bearbeiten. Das britische Unternehmen Fabulyzer zielt primär auf die Fitness- und Wellness-Community: Mit einer auf Nanotech-nologie basierenden mHealth-Lösung soll es möglich werden, den Aceton-Gehalt in der Aus-atemluft zu überwachen. Und das in Portugal ansässige Start-up PharmAssistant entwickelt eine intelligente Tablettenbox, die mit einem

Drei der fünf för-derungswürdigen

Unternehmen überwachen

Herzfrequenz und -rhythmus,

dazu kommt eine Fitness-App und eine schlaue

Tablettenbox.

BIG PHARMA+mHEALTH

Dating Big PharmaDer Pharmakonzern Bayer hat ein Accelerator-Programm

aufgelegt, bei dem mHealth-Start-ups aus ganz Europa ihre Lösungen in unmittelbarer Nähe der medizinischen Labors

entwickeln. Auch andere Pharmaunternehmen umgarnen derzeit die mHealth-Szene. Ob diese Annäherungsversuche mehr sind als

nur Marketing, muss sich zeigen.

Von Philipp Grätzel von Grätz

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Smartphone kommuniziert, mit dem Ziel, die Compliance chronisch kranker Patienten unter medikamentöser Dauertherapie zu verbessern.

Das Marketing ist am RuderBayer ist nicht das einzige pharmazeuti-

sche Unternehmen, das sich bei mHealth-Pro-jekten engagiert. Sanofi gilt in der Branche derzeit als erfolgreichster App-Anbieter. Die Analysten von Research2Guidance gaben dem Unternehmen in ihrem kürzlich publizierten Diabetes App Market Report einen Marktan-teil bei Diabetes-Apps von 10 Prozent. Nur der unabhängige US-amerikanische App-Provi-der Azumio hatte mehr. Aber selbst Sanofis Apps sind alles andere als Blockbuster. Ob-wohl knapp jeder zehnte Erwachsene in den westlichen Industrienationen einen Diabetes hat, bleiben die Nutzerzahlen von Sanofis Di-abetes-Apps weit hinter jenen zurück, die von wirklich erfolgreichen Lifestyle-Apps wie Fit-bit oder Runtastic erreicht werden. Auch bei den Bewertungen der Apps in den App Stores schneiden Pharma-Apps in der Regel nicht be-sonders gut ab.

Was läuft also falsch? Analysten wie Dun-can Arbour von InVentiv Health sind der Auf-fassung, dass sich Big Pharma bisher zu stark auf rein bildschirmbasierte Anwendungen konzentriert, statt stärker in die Welt der sen-sorbasierten mHealth-Lösungen für die Diag-nose, das Monitoring oder die Adhärenzkont-rolle einzutauchen. Sensorbasierte, sehr viel stärker medizinisch ausgerichtete mHealth-Lö-sungen könnten das traditionelle Geschäftsmo-dell von Big Pharma, den Verkauf von Medi-kamenten, besser ergänzen als beispielsweise ein vielleicht trendiges, für einen Dauereinsatz durch Patienten aber wenig geeignetes Video- spiel mit edukativer Komponente.

Der Fokus auf „Schein“ statt „Sein“ mag damit zusammenhängen, wie pharmazeuti-sche Unternehmen mHealth-Projekte intern einordnen. Eine kürzlich von Arthur D. Little durchgeführte Befragung von Pharma-Mana-gern hat klar gezeigt, dass Digital-Health-Pro-jekte von pharmazeutischen Unternehmen bisher weitgehend marketinggetrieben sind. In acht von zehn Projekten ist das Marketing am Ruder. Man könnte argumentieren, dass sich das ändern muss, wenn mHealth-Projekte von Pharmaunternehmen wirklich nachhaltig werden sollen.

Viel zu viel „vielleicht“Was aber sind potenzielle Einsatzfelder für

pharmagetriebene mHealth-Projekte jenseits des Marketings? Analysten nennen meist drei Bereiche, über die nachzudenken sich lohnen könnte. Da sind zum einen mHealth-Anwendungen, die dazu beitragen, Patienten für klinische Studien zu rekrutieren oder die innerhalb von klinischen Studien die Datenerfassung erleichtern. Interessant sind auch die immer wichtiger werdenden Post-Marketing-Studien, die die Wirksamkeit und Verträglichkeit einer neuen Therapie unter den Bedingungen der realen Versorgung erfassen. Und schließlich könnten mHealth-Lösungen auch zu einer Verbesserung der Compliance führen, insbesondere bei Therapien, bei denen eine hohe Compliance erfolgskritisch ist.

Das Problem ist, dass es bei all diesen Ein-satzszenarien noch viel zu viele Unbekannte gibt. Wenn mHealth-Anwendungen im Rah-men klinischer Studien eine Zukunft haben sollen, dann müssen sie beweisen, dass sie entweder Kosten senken oder die Teilnehmer-rekrutierung beschleunigen. Diese Beweise stehen noch aus. Ähnliches gilt in der Versor-gungsforschung: Es stimmt schon, dass die Behörden immer häufiger von Pharmaunter-nehmen verlangen, dass sie im Nachgang zu einer Zulassung auch reale Versorgungsdaten liefern. Das heißt aber nicht, dass es damit getan ist, Sensordaten in die Briefkästen der Behörden oder der Krankenversicherungen zu kippen. Lassen sich mHealth-Lösungen kosteneffektiv in die Versorgungsforschung integrieren? Werden die Behörden derartige Daten akzeptieren? Die Antworten kennt bis-her niemand.

Anders ausgedrückt: Wenn Big Pharma im entstehenden mHealth-Markt eine rele-vante Rollen spielen soll, werden sowohl die pharmazeutischen Unternehmen als auch die mHealth-Provider liefern müssen. Kooperationsprojekte bei der App-Entwick-lung wie das Grants4Apps-Programm von Bayer können Start-ups dabei helfen, die richtigen Fragen zu stellen. Letztlich ist es aber das medizinische (und gesundheitsöko-nomische) Outcome, das zählt. ¬

Abdruck mit freundlicher Genehmigung unseres Schwestermagazins HIMSS Insights

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mHealth-Anwendungen im

Rahmen klinischer Studien müssen

beweisen, dass sie entweder Kosten senken oder reale Versorgungsdaten

liefern können.

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sind sehr hilfreich, ein deutlicher Fortschritt“, sagt er. Vor zwei Jahren hat sich der Vorsitzen-de der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG) ganz aktiv auf die Suche nach einem digitalen Helfer gemacht und ist dabei auf die mySugr-App gestoßen, die er seinen Patienten seither ans Herz legt: „Ich weiß schneller, was mit ihrem Blutzucker los ist, und ich kann schneller einen fundierten Rat geben“, sind seine klaren Argumente. Etwa die Hälfte seiner Typ-1-Diabetiker nimmt zur Dokumentation der Blutzuckerwerte jetzt statt Stift und Zettel das Smartphone zur Hand. Meist lässt sich der Mediziner bereits vor dem Termin von seinen Patienten das PDF der jeweiligen Wochenberichte senden, „dann haben wir das aktuelle Blutzuckerjournal gemeinsam wunderschön strukturiert am Bildschirm“. Auch reine Telefonvisiten sind so möglich.

Gerade in den größeren Di-abetes-Zentren sind Manage-ment-Apps mittlerweile weit verbreitet und auch bei ande-ren Ärzten Thema, schildert der ÖDG-Vorsitzende seinen Eindruck. „Das ist eine ab-solut deutliche Erleichterung für uns.“ Wascher jedenfalls möchte auf die elektronische Tagebuch-Variante nicht mehr verzichten, und viele seiner Patienten auch nicht: „Die meis-ten Patienten sind sehr zufrieden damit und sehen das als große Erleichterung.“

App mit Zulassung als MedizinproduktMittlerweile nutzen 200.000 Menschen das

Logbook, Tendenz steigend. Das liegt nicht zu-letzt daran, dass die App als Medizinprodukt mit europäischer CE-Kennzeichnung zugelas-sen und auch bei der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) gemeldet ist. Ent-sprechend hoch sind die Sicherheits- und Zu-verlässigkeitsanforderungen, deren Einhaltung ständig überprüft und bei jedem Update mit bedacht werden muss. „Das ist, was man auf sich nimmt, wenn man etwas ernsthaft machen möchte“, sagt Debong. „Dadurch, dass wir aber als Medizinprodukt eingetragen sind, kann ein Arzt uns ohne Bedenken weiterempfehlen.“

Um mit einer medizinischen Applikation soweit zu kommen, braucht es einen langen Atem. „Es ist wirklich viel Arbeit, die Qualität hochzuhalten, wir müssen uns weiterentwi-ckeln, die ganze Zeit, das ist das, was viele un-terschätzen.“ Seit der Unternehmensgründung im Jahr 2011 gab es für das iPhone Betriebssys-tem iOS über 50 Updates, für die Android-Va-riante etwa 30. „Leider sind wir da Pionier“, meint Debong. Der mHealth-Markt fordert heraus, Standardlösungen sind noch kaum in Sicht. Ein Problem etwa ist die Segmentierung

der mobilen Betriebssyste-me: iOS, Android, Windows, für jedes System muss neu gedacht, neu programmiert werden – ein riesiger Auf-wand. Hinzu kommt, dass die Bedürfnisse sich immerzu än-dern. „Eine App, die vor zwei Jahren heiß war, spannend, ist heutzutage völlig uninte-ressant, wie können wir mit einer App als Medizinprodukt da mitwachsen? Das ist echt schwierig.“ Und auch in pun-cto Geschäftsmodell ist der Weisheit letzter Schluss noch nicht gefunden. „Wir sind noch Start-up, Geschäftsmo-delle ändern sich immer, da muss man sich anpassen kön-nen“, meint der aus Schweden

stammende Unternehmensgründer. MySugr wird unter anderem von der österreichischen Investitionsbank AWS (Austria Wirtschafts Service) und den Investoren Hansmen Group und XLHealth unterstützt.

Von Anfang an hat die Firma auf Koopera-tionen mit Pharma- und Industrieunterneh-men gebaut und sich so nach und nach an das etablierte Gesundheitswesen angedockt. Der französische Pharmakonzern Sanofi beispiels-weise bietet Blutzuckermessgeräte an, die mit dem mySugr Logbook synchronisiert werden können. Zusammengearbeitet wird unter an-derem auch mit dem Insulinpumpen-Hersteller Medtronic oder der Medizintechnik-Firma Nin-ta Med. „Der Markt wacht auf“, meint Start-up- Gründer Debong. „Wie wir shoppen, wie wir kommunizieren, alles mobil – und da möchten auch die Unternehmen rein.“ ¬

ZukünftigesDie Sozialversicherungs­anstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) übernimmt als erste österreichische Krankenkasse die Kosten für Schulung samt Logbook. Auch deutsche Versicherer haben bereits Interesse angemeldet.

„Der große Vorteil an den Apps ist,

dass sie eine Form der Telemedizin ermöglichen, die für Patient und Arzt zeitökono-

misch ist.“ Thomas C. Wascher Diabetes­Ambulanz

Hanusch­Krankenhaus Wien und Vorsitzender der Österreichischen Diabetes

Gesellschaft (ÖDG)

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Die GründerViele der mySugr­Gründer sind selbst Diabetiker. Was den Alltag so beschwerlich macht und was wiederum helfen kann, ihn zu bewältigen, wissen die Start­uper also aus eigener Erfahrung. Fredrik Debong erhielt die Diagnose im Alter von vier Jahren. Das Unternehmen mySugr wurde im Jahr 2011 in Wien gegründet.

Das ProblemAllein in Österreich sterben jährlich etwa 10.000 Menschen an den Folgen von Diabetes, pro Jahr sind 2.500 Amputationen nötig, es gibt 300 neue Dialysepatienten und 200 neu erblindete Patienten. Die Diabetes­Therapie ist aufwendig und erfordert ein hohes Maß an Selbstkontrolle und Disziplin – ein Leben lang. Zahlen: Österreichische Diabetes Gesellschaft

Die IdeeDie in die Logbook App eingetragenen Daten werden mithilfe von Berichten, Analysen und Suchen für den Alltag nützlich gemacht. Kleine Monster, die erinnern und motivieren, sorgen spielerisch für eine bessere Adherence. Für Kin­der gibt es eine Junior­Version, die schnell mit den Eltern verbindet. Neu ist die Diabetes­ Schulung mySugr Academy.

mHEALTH IM CHECKMYSUGR

Alle fahren Automatik, wir müssen manuell schalten“, be-schreibt Fredrik Debong, einer der Mitbegründer des Wie-ner Unternehmens mySugr, den Alltag von Menschen mit

Diabetes. Blutzucker messen, Insulin spritzen, wohlüberlegtes Es-sen – mehrmals am Tag läuft dieser Dreiklang ab. „Es ist eine sehr intensive Therapie, die jeden Tag durchzuführen ist, für den Rest des Lebens“, sagt Debong, der selbst im Alter von vier Jahren die Diagnose erhielt – Diabetes Typ 1. „Das ist extrem mühsam manch-mal, vor allem, wenn die Therapie auf diesem negativen Gefühl basiert: Umkippen, Blindheit, Füße verlieren, Dialyse, Sterben.“

Diabetes-Begleiter mit Spaßfaktor und AnalysetoolGenau an diesem Punkt versucht mySugr als medizinische Ap-

plikation anzusetzen. „Grundidee der Therapie soll Begeisterung sein: Ich kann diese Pizza essen und trotzdem den perfekten Blut-zuckerwert haben, ich schaffe das.“ Dabei hilft ein digitales Tage-buch im App-Format, in das sämtliche Diabetes-relevanten Daten eingetragen werden können – Blutzuckerwerte, Insulin-Injektio-nen, Kohlenhydrat-Zufuhr und Sport. Mithilfe eines kleinen Mons-ters, das Feedback gibt, soll die Motivation der Nutzer spielerisch gesteigert werden, für jeden Eintrag gibt es Punkte, die Teilnahme an Challenges will den Ehrgeiz wecken. „Auf diese Weise erreichen wir ein Umdenken. Hinter der Therapie steht jetzt nicht mehr der negative, sondern ein positiver Faktor“, erklärt Debong.

Der besondere Clou ist die mit Ärzten und Psychologen entwi-ckelte, strukturierte Aufbereitung der eingegebenen Daten. Tages- und Wochenreports, Analysen erleichtern die Situation beim Arzt, die Erinnerungs- und die Suchfunktion geben konkrete Hilfestel-lungen im Alltag der Betroffenen. „Es geht darum, schnell die rich-tige Entscheidung treffen zu können.“

Mehr Zeit für die PatientenThomas C. Wascher ist Internist und Diabetologe am Ha-

nusch-Krankenhaus in Wien. „Management-Apps für Diabetiker

Viel Arbeit und viel Passion

Um sich mit einer Health-App am Ende auf dem Markt durchsetzen zu können, ist viel mehr nötig als einfach

nur eine gute Idee. mySugr punktet mit Kreativität, Durchhaltevermögen und einer engen Anbindung an

etablierte Player des Gesundheitssektors.

Von Susanne Neumayer­Remter

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MEINUNG

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Klinikum Nürnberg: IT in Zeiten von Mergern und Kostendruck 56Arzneimittelwirkung: Aus dem Krankenhaus zurück auf den Teller 60Wolfgang Dorda: Kulturwandel im Krankenhaus 62

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eine Selbstverständlichkeit bei Servern und IT­Systemen, aber leider die Ausnahme bei menschlichen Ressourcen), stellt dies für die Gesundheitsbranche ein zusätzliches Poten­zial dar: Haben Sie auch die Statistiken und Verbreitungskarten der epidemiologischen Ereignisse bewundert? Insbesondere, wenn Sie bedenken, dass ja nur in den seltensten Fällen echte diagnostische Nachweise für eine Virusinfektion geführt werden – neben dem Zeitfaktor ist dies auch eine Frage des Versichertenstatus und der Kosten …

Mussten früher also komplizierte Hoch­rechnungen aus wenigen verfügbaren Daten und aufwendigen persönlichen Recherchen erstellt werden (mit einer Genauigkeit, die mit Wettervorhersagen von Schamanen mithalten konnte), wird heutzutage die so­genannte indirekte Statistik zum Königs­weg. Einfach die Häufigkeit von Anfragen zum Thema Grippe, wirksame Medikamente, Empfehlungen eines Arztes oder Suche nach Symptomen in Google nach Region ausge­wertet, und schon ist eine recht zutreffende Karte der entsprechenden Virusverbreitung fertig. Kombiniert mit Facebook, der Analy­se von Reise­ und anderen Verhaltensweisen sowie einem kurzen zeitlichen Verlauf: Voilà, eine passable Vorhersage für den weiteren Verlauf der Infektionswelle. Big Data ist be­reits angekommen im Gesundheitswesen. Schade nur, dass es das Gesundheitswesen noch nicht gemerkt hat … ¬

Heute scheint es, als ob die IT schon immer Teil unseres Daseins war. Oder können Sie sich noch eine Welt ohne Internet oder Han­dys vorstellen? Nun, das ist noch keine 25 Jahre her – und doch braucht es für einige selbstverständliche Dinge heute zwingend die IT. Ein Beispiel: Seinen Salär erhält nur der, der Girokonto und elektronische Über­weisung vorweist. Steuererklärungen werden elektronisch eingereicht – und als niederge­lassener Arzt erhalten Sie Ihr Geld von der KV nur, wenn Sie Ihre Daten und Abrechnungen elektronisch übermitteln.

Da mutet es ein wenig archaisch an, wenn im neuen E­Health­Gesetz dem Patienten das Recht auf seine Informationen in Papier­form zugestanden wird ... Vielleicht kommt dies daher, dass Entscheidungsträger immer auch ein bisschen sentimental sein dürfen oder aber in ihrer Welt die Verwendung von Lexika, Duden und Almanachen durchaus legitim ist, während diese Dinge von mei­nen Kindern erst einmal gegoogelt werden müssten! Und doch halten Vernetzung und IT nahezu unbemerkt in Bereichen der Medi­zin Einzug, von denen wir es nicht direkt ver­muten. Sicherlich haben auch Sie die Aus­wirkungen der aktuellen Grippewelle bemerkt – hoffentlich nicht am eigenen Leib (die Wahrscheinlichkeit ist hoch). Während das Husten und Schniefen auch in den IT­Abtei­lungen zu einer starken Belastung der Leis­tungsfähigkeit führt (Redundanz ist heute Ill

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DER MENSCH HINTER DEM SYSTEM …

ALADIN ANTIC, CIOKfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantationen e.V., schreibt an dieser Stelle über real existierende Brückentechnologien zwischen Mensch und IT.

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LANGJÄHRIGE WEGGEFÄHRTEN am Klinikum Nürnberg. (v. l.) Helmut Schlegel, Leiter Informationsverar­beitung, Alfred Estelmann, Vorstand, und Chefradiologe Reinhard Loose.

KLINIKUM NÜRNBERG

Mit 6.100 Mitarbeitern und rund 2.370 Betten an zwei Standorten im Norden und Süden Nürnbergs versorgt das Klinikum 100.000 stationäre und knapp 90.000 ambulante Patienten im Jahr. Eben­falls zum Verbund gehört die Krankenhäuser Nürnberger Land GmbH mit den Häusern Altdorf, Hersbruck und Lauf.

Die Runde ist ungewöhnlich: Alfred Estelmann, Vorstand des Klinikums Nürnberg, Reinhard Loose, Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radio-

logie, und Helmut Schlegel, Abteilungsleiter der Informations-verarbeitung. In ihrem normalen Klinikalltag gibt es in dieser Konstellation eigentlich kein zufälliges Aufeinandertreffen. Doch die drei eint ihr großes Interesse an IT-Lösungen für das Krankenhaus, und zwar aus dem jeweils eigenen Blickwinkel. Vorteil Estelmann, der nicht nur einst verantwortlich dafür war, die IT im Klinikum Nürnberg auf den Weg zu bringen, sondern heute als Vorstand die Entscheidungsgewalt hat – auch wenn diese scheinbar sanft daherkommt. Loose ist als Physiker und Radiologe eine Art Überzeugungstäter in Sachen IT, aber doch vor allem Mediziner, der sich ei-gentlich nur um seine Patienten kümmern möch-te – digital so viel wie nötig, direkt so viel wie möglich. Der Dritte im Bunde ist, wie in jedem an-deren Krankenhaus auch, der Spielverderber, der IT-Leiter: Schlegel, der Anspruch und Forderung auf den Boden der Realität holt. Er macht dies je-doch in seiner direkten Art, in leicht fränkischem Singsang, sodass auch in Absagen etwas Versöhn-liches mitschwingt.

Interview mit Alfred Estelmann, Vorstand, Reinhard Loose, Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, und Helmut Schlegel, Abteilungsleiter der Informationsverarbeitung, alle Klinikum Nürnberg

Haben Sie drei ein gemeinsames Verständnis davon, was IT kann und können muss?

Estelmann: Ein gemeinsames Verständnis würde sicherlich zu weit gehen; das wäre auch gar nicht gut. Es ist hilfreich, unterschiedliche Sichtweisen auf ein Thema zu haben. Was wir,

glaube ich, gut miteinander können, ist, uns auf gemeinsame Ziele festzulegen und Realisierungschancen für bestimmte Sa-chen einzuschätzen.

Schlegel: Ich glaube, dass wir gar nicht so weit auseinander liegen. Das Problem, das wir alle sehen, ist, dass mit IT zwar vieles machbar ist, ökonomisch aber nicht sinnvoll sein muss.

IT in Zeiten von Mergern und KostendruckWährend die Anwender Innovationen und Smartphones für die Patientenbehandlung von der Krankenhaus-IT verlangen, kämpft diese mit der Aufrechterhaltung des Ist-Zustandes.

Von Claudia Dirks

„Kaum jemand ist sich bewusst, dass

der Ist-Zustand inklusive ‚minor

changes‘ und Anpassungen circa 75 Prozent des IT-

Personals bindet!“ Helmut Schlegel

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— MEINUNG —— MEINUNG —

zeiträume realistisch erlauben können. Wir haben es angesprochen, die Instabilitäten bei den Anbietern. Wenn ich heute auf die ver-gangenen 24 Jahre zurückschaue: Ein Großteil der Funktionalitäten, die wir uns damals ge-wünscht und beschrieben haben, sind einfach Illusion geblieben.

Schlegel: Unser Geschäft ist aktuell tatsäch-lich eher reaktiv. Früher haben wir versucht, möglichst viel im KIS zu realisieren. Heute ar-beiten wir daran, weniger Abhängigkeiten zu schaffen. Wir versuchen Archivierungsstruk-turen zu entwickeln, in denen wir die Daten außerhalb des KIS verfügbar haben, um viel-leicht tatsächlich irgendwann einmal das KIS einfacher migrieren zu können.

Etwas euphemistisch würde ich sagen, dass das sehr pragmatisch klingt, ich könnte aber auch desillusioniert meinen?

Schlegel: Nein, nennen wir es pragmatisch. Wissen Sie, wir sind kein Uniklinikum mit Doktoranden und vielen Projektarbeitern, die dann auch gehäuft Projekte ausprobieren, die im Mülleimer der Geschichte landen.

Wir probieren schon auch vieles aus; die Sache ist nur die: Dass wir was ausprobieren, heißt nicht immer, dass das wirklich tragfähig ist, wenn es klinikweit zum Einsatz kommen soll. Und das ist nun einmal der Maßstab, an dem wir uns messen lassen müssen.

Wie wird dann aber entschieden, welche Projekte priorisiert behandelt werden?

Estelmann: Wir haben extra einen soge-nannten DV-Ausschuss. Profesor Loose hat dort den Vorsitz, nicht etwa Herr Schlegel. Hier erläutert der Kunde den Bedarf, wenn Sie so wollen.

Wer sitzt da noch drin?Loose: Also Herr Schlegel ist schon auch

festes Mitglied (lacht). Außerdem die Medizin-technik, der Datenschutz und weitere Kliniker. Die Integration der Medizintechnik wird für uns das nächste spannende Feld.

Wie geht es vom DV-Ausschuss weiter? Schlegel: Wir sitzen im Regelfall sechs bis

acht Mal im Jahr zusammen. Die Anträge lau-fen bei mir vorher zusammen; einiges bringe ich im Ausschuss vor, weil ich für diese Projek-te im Sinne des ganzen Klinikums gerne einen Konsens möchte. Der Vorstand kann dann in-nerhalb von drei Wochen sein Veto einreichen, was in den vergangenen 20 Jahren genau ein Mal vorkam. Ansonsten treffen wir unsere Ent-scheidungen einstimmig.

Estelmann: Wobei ich mir primär die Pro-zesse anschaue, und ob die Informationen für bestimmte Schritte zur Verfügung stehen. Vor allem auch im Hinblick auf den MDK – so ist das bei Kaufleuten: IT ist unser Instrument. ¬

HELMUT SCHLEGEL ist Diplom­Informatiker, der seine Bundes­wehr­Laufbahn als Ausbildungsoffizier der Luftwaffe nur schwer verhehlen kann. Kaum zu glauben, dass er es im zähen Umfeld der Krankenhaus­IT schon seit Längerem aushält und sich seinen he­rausragenden Humor bewahrt hat. Er gehört laut Computerwoche zu den besten CIOs im deutschsprachigen Raum in der Kategorie Großunternehmen und darüber hinaus zum Vorstand des Bundes­verbandes der KH­IT­LeiterInnen e. V.

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REINHARD LOOSE ist als Radiologe und Nuklearme­diziner ebenfalls ein großer Freund der Mehrglei­sigkeit. Promoviert in Physik und Medizin, besticht er ansonsten mit einer extrem hohen Affinität zum Thema IT, mit der er mitunter „seinen“ IT­Leiter ein wenig vor sich hertreibt. Er ist Vorsitzender des klinikeigenen DV­Ausschusses.

„Ich brauche eine IT, die die Prozesse

unterstützt, nur dann bekomme

ich valide Daten für mein Berichtswesen.

Und am besten geht es

automatisch, damit niemand doppelt dokumentieren

muss.“ Alfred Estelmann

Wir haben einen Konsens darüber, dass das Geld nur dort eingesetzt werden kann, wo es eine nachhaltige Lösung mit klinikweitem Nut-zen generiert.

Loose: Die Ressourcen im Hintergrund be-stimmen natürlich die Verteilung. Für Herrn Estelmann ist IT gut, wenn sie die Erlössituati-on des Krankenhauses positiv beeinflusst. Aus meiner Sicht muss IT die Patientenbehandlung verbessern. Was wir eigentlich suchen, ist et-was Prozessverbesserndes oder künstliche Intelligenz – eine Art Ablaufoptimierung, die auch Fehlschritte verhindert.

Und wieso, Herr Schlegel, bekommt Herr Loo-se das nicht von der IT?

Schlegel: (lacht) Das Spannungsfeld, in dem ich mich leider tagtäglich bewege, ist eine kleine Anbieterlandschaft, viele gesetzli-che regulative Änderungen, die uns prozessual überhaupt nicht weiterbringen, und ein Tages-geschäft, für das ich bestimmt 70 bis 75 Pro-zent an Personal und Budget aufbringen muss, nur um den Ist-Zustand aufrechtzuerhalten. Die Kollegen in der Klinik sehen nichts von all dem. Das ist nicht nur für die Anwender, sondern auch für mich und meine Mannschaft frustrierend.

Estelmann: Ja, und schauen Sie sich die ver-gangenen Monate an. Der Markt wird kleiner. Der Cerner/Siemens-Merger könnte für uns ein GAU werden – natürlich nicht nur für uns. Ein KIS abzulösen, ist etwas sehr Aufwendiges, nicht nur von der finanziellen Seite.

Aber zurück zu Ihrer Frage. Die letzte Mei-le, wenn man so will, auf Station, da sehe ich momentan nichts Tragfähiges, auch nicht für die Intensivstation. Und bevor wir dann wieder Ressourcen irgendwo reinstecken, von denen wir nicht sehr sicher sind, dass uns das Ergeb-nis entscheidend weiterbringt, arbeiten wir lieber andere Projekte ab.

Welche großen und kleinen Projekte hatten und haben Sie in den kommenden Monaten vor der Brust?

Schlegel: Wir haben 2014 die Umstellung SAP von EHP4 auf EHP7, dann die Migration Windows XP auf Windows 7 und die Einfüh-rung eines Kardiologischen Informationssys-tems. 2015 steht die Ablösung der bestehenden Kostenträgerrechnung an, der Austausch der alten Patho-Lösung und weiterhin die sozu-

sagen laufende Migration Windows XP auf Windows 7. Darüber hinaus haben wir circa 160 kleinere Projekte, die aber natürlich auch des Hasen Tod sein können.

Loose: Beispielsweise die letzten Lücken in der flächenweiten Bilddokumentation zu schließen.

Schlegel: Es ist immer die Frage: Bringt uns nur die Revolution weiter oder auch evolutio-näre Weiterentwicklung?

Estelmann: Ja, und die Frage lautet leider auch: Wie bekommen wir die rechtlichen Vorgaben mit den bestehenden Systemen abgebildet? Wir betreiben ein wirklich tolles Medizinisches Versorgungszentrum und ha-ben gleichzeitig gigantische Schnittstellenpro-bleme, weil nicht direkt zwischen KV-Bereich und Klinik kommuniziert werden darf. Solche Themen ärgern uns – und kosten richtig Geld.

Loose: Das ist auch der Haken an dem ers-ten Entwurf des E-Health-Gesetzes: Wenn der Patient seine Werte ausgedruckt auf einem Blatt Papier mitbringt, ist das gut. Wenn es von Arzt zu Arzt übertragen wird, ist es nicht gut.

Das ist ja jetzt gerade alles sehr aktuell, wie sieht denn Ihre strategische Zusammenarbeit aus – besprechen Sie sich mit der IT vor dem Hintergrund der Unternehmensstrategie?

Estelmann: Da muss man sich erst einmal die Frage stellen, ob wir uns lange Planungs-

ALFRED ESTELMANN ist der lebende Beweis dafür, dass Männer sehr wohl multitaskingfähig sein können: Parallel zum Gymnasi­um absolvierte er eine Bäckerlehre im elterlichen Betrieb. Später studierte er nicht nur Betriebswirtschaftslehre, sondern auch Humanmedizin. Als Arzt in der Kinderklinik am Klinikum Nürnberg beschäftigte er sich auch mit dem Aufbau einer patientenorientier­ten integrierten Datenverarbeitung. Nach einem Abstecher in die Stadtverwaltung kam er zurück ans Klinikum Nürnberg, wo er seit 2007 nur noch den Hut des Vorstands trägt.

AUSZUG AUS DER GESCHÄFTSORDNUNG

„Der EDV­Ausschuss bearbei­tet in Vertretung für den Vor­stand/die Leitungskonferenz und den Geschäftsführer der KNL EDV­Fragestellungen. Sei­ne wesentliche Aufgabe ist die Entwicklung, Anpassung und Fortschreibung der DV­Stra­tegie des Klinikums auch als Konzern und das Controlling von DV­Projekten. Hierzu zählen auch grundlegende Aspekte der Gestaltung und Nutzung der Datennetze und der Integration von Geräten und Anlagen. Auch Vorschläge über die Zusammensetzung von Projektteams obliegt sei­ner Ägide. Darüber hinaus ist er beauftragt mit der Erstellung des Budgetvorschlags für die jährliche mittelfristige DV­In­vestitionsplanung.“

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Die deutsche Massentierhaltung und das deutsche Gesundheitswesen landen re-gelmäßig aufgrund ihres Medikamen-tenmissbrauchs in den Schlagzeilen. Vor allem der freizügige Umgang mit Anti-biotika wirkt sich verheerend auf Gesundheitszustand und Ab-wehrkräfte einer Gesell-schaft aus, die es eigent-lich besser wissen sollte. Jeden Tag landet ein bun-tes Gemisch verschiedens-ter Arzneien tonnenweise in der Kanalisation, dann in den heimischen Gewässern und zurück auf den Tisch. Yammi Yammi!!!

Auf ihrem Weg durch unsere Körper und das Ökosystem hinterlassen die Arzenei-mittelwirkstoffe ihre Spuren. Die Folgen für Boden, Grundwasser Ökosystem und damit für uns Menschen sind noch nicht abzusehen.

Gegen fast jedes Leiden hilft die passende Pille

Elektronische Verordnun-gen und Krankheitsgeschich-te würden helfen, so manche Pille einzusparen

Täglich landen tonnenweise Arzneienin der Kanalisation

Eine hohe Wirkstoffkonzentration landet unverbraucht über den Urin im Kanal ... und wirkt dort weiter.

Arzneimittel und ihre

(Aus-)WirkungenMensch & Umwelt

Unser Ökosystemaus dem GleichgewichtEs ist möglich, dass die Bildung von weiblichen Geschlechtsorganen bei männlichen Fischen auf synthetische Hormone im Wasser zurückzuführen ist.Andere Wirkstoffe schädi-gen innere Organe bei Fischen und beeinflussen das Wachstum von Algen und Pflanzen.

und geraten so in Flüsse, Seen, Meere und am Ende in unser Trinkwasser.

Die meisten Wirkstoffekönnen nicht rausgefiltert werden

Der tonnenweise Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung macht das Überleben auf der Krankenstation auf Dauer schwieriger.

Wer länger lebt,macht resistent

Mehr Medikamente& neue Wirkstoffe

Gegen das gleiche Leiden hilft beim nächsten Mal wolmöglich nur ein neues Mittel, da sich durch unse-ren Umgang nach und nach Resistenzen bilden ...

Medizin auf dem TellerDie Nahrungsaufnahme Arzneimittel-getränkter Lebensmittel wird langfris-tig Einfluss auf unser aller Gesundheitsbarome-ter haben.

Die deutsche Massentierhaltung und das deutsche Gesundheitswesen landen re-gelmäßig aufgrund ihres Medikamen-tenmissbrauchs in den Schlagzeilen. Vor allem der freizügige Umgang mit Anti-biotika wirkt sich verheerend auf Gesundheitszustand und Ab-wehrkräfte einer Gesell-schaft aus, die es eigent-lich besser wissen sollte. Jeden Tag landet ein bun-tes Gemisch verschiedens-ter Arzneien tonnenweise in der Kanalisation, dann in den heimischen Gewässern und zurück auf den Tisch. Yammi Yammi!!!

Auf ihrem Weg durch unsere Körper und das Ökosystem hinterlassen die Arzenei-mittelwirkstoffe ihre Spuren. Die Folgen für Boden, Grundwasser Ökosystem und damit für uns Menschen sind noch nicht abzusehen.

Gegen fast jedes Leiden hilft die passende Pille

Elektronische Verordnun-gen und Krankheitsgeschich-te würden helfen, so manche Pille einzusparen

Täglich landen tonnenweise Arzneienin der Kanalisation

Eine hohe Wirkstoffkonzentration landet unverbraucht über den Urin im Kanal ... und wirkt dort weiter.

Arzneimittel und ihre

(Aus-)WirkungenMensch & Umwelt

Unser Ökosystemaus dem GleichgewichtEs ist möglich, dass die Bildung von weiblichen Geschlechtsorganen bei männlichen Fischen auf synthetische Hormone im Wasser zurückzuführen ist.Andere Wirkstoffe schädi-gen innere Organe bei Fischen und beeinflussen das Wachstum von Algen und Pflanzen.

und geraten so in Flüsse, Seen, Meere und am Ende in unser Trinkwasser.

Die meisten Wirkstoffekönnen nicht rausgefiltert werden

Der tonnenweise Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung macht das Überleben auf der Krankenstation auf Dauer schwieriger.

Wer länger lebt,macht resistent

Mehr Medikamente& neue Wirkstoffe

Gegen das gleiche Leiden hilft beim nächsten Mal wolmöglich nur ein neues Mittel, da sich durch unse-ren Umgang nach und nach Resistenzen bilden ...

Medizin auf dem TellerDie Nahrungsaufnahme Arzneimittel-getränkter Lebensmittel wird langfris-tig Einfluss auf unser aller Gesundheitsbarome-ter haben.

Illustration: Nina Eggemann

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11 - 13 May 2015 Riga, Latvia

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Interview mit Wolfgang Dorda

Die Medizinische Informatik hat in den vergange-nen Jahrzehnten ein sehr wechselhaftes Ansehen erlebt – wohin geht die nächste Reise?

Ich bin überzeugt, dass die beiden Fächer an Bedeutung gewinnen. Der kommende Entwick-lungssprung wird für die Welt der Medizin ähn-lich dramatisch wie der erste: Raus aus dem Zet-telkasten, hinein in den Bildschirm. Medizin ohne IT ist heute schon nicht mehr vorstellbar. Was sich

heute sehr viele allerdings auch nicht vorzustellen vermögen, ist das Potenzial, dass die Medizin- informatik für die kommende Patientenversorgung bereithält. Natürlich nicht von heute auf morgen. Voraussetzung ist aller-dings eine intensive Zusammen-arbeit zwischen Medizinern und Informatikern mit gegenseitiger Anerkennung und eine solide finanzielle Ausstattung, letztere jedoch tatsächlich nachgeordnet.

Was ist denn das Revolutionäre, was da auf uns wartet?

Lassen Sie mich zum Beispiel die beiden Stichwörter „Secondary Use“ und „Per-sonalisierte Medizin“ nehmen; mit ihnen könnte dank der Medizininformatik langfristig eine völlig neue Version der Gesundheitsversorgung und Ge-sundheitsvorsorge realisiert werden. Weg von der teuren Reaktion auf Diagnosen, hin zu qualitativ

Kulturwandel im Krankenhaus

Mediziner und Informatiker werden zukünftig in der Gesundheitsversorgung mehr Felder gemeinsam zu bespielen haben, als sie heute wahrhaben wollen.

Eine große Chance für die Entwicklung beider Disziplinen im Sinne des Patienten, davon ist der Mediziner und Medizininformatiker Wolfgang Dorda, ehemaliger

Leiter des Zentrums für Medizinische Statistik, Informatik und Intelligente Systeme, überzeugt. Ein Aufruf.

Von Claudia Dirks

„Alle sprechen von unbeherrschbaren Datenmassen. Me-dizininformatiker sind in der Lage,

die wertvollen me-dizinischen Daten

beherrschbar zu machen.“

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Ascom: Ascom Myco bringt die mobile Revolution in die Pflege

Hewlett-Packard: 30 Prozent mehr Performance dank schnellem Speichersystem

ICW: Erfolgreiches Versorgungs­management durch einrich­tungsübergreifende Vernetzung und Prozesskoordination

medavis: Im Herzen ein RIS

Nuance: Alles könnte so einfach sein, ist es aber nicht!

VISUS: Mehr Effizienz auf allen Ebenen mit dem medizinischen Archiv

In dieser Ausgabe

conhIT: Gesundheits­IT­Branche 2015: Innovationen und Trends

Agfa: Klinische Dokumentation: Der Kreis schließt sich

Cerner: Eine große Chance für den Markt

CompuGroup: Telematik braucht „mehr­Werte“ für Ärzte und Patienten

ID: Semantische Freitextanalyse: Prozesse optimieren mit Terminologieservern

medatixx: Mobile Lösungen für Praxen, MVZ und Klinikambulanzen

MEIERHOFER: Krankenhaus­IT: Mittelstand als Stabilitätsfaktor

Deutsche Telekom AG: Digitales Mindset

Nachrichten, Ansichten und Einblicke direkt aus der innovativen Healthcare Branche.

Ein Sonderteil der 42 Nº4

April 2015

Der Nachrichtendienst der Industrie healthtechwire.de

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hochwertiger und evidenzbasierter, kosteneffi-zienter Prävention, die den mündigen Patien-ten zum Handeln anleitet.

Sie bemängeln die fehlende finanzielle Aus-stattung ihres Faches. Was bedarf es, um das angesprochene Potenzial auszuschöpfen?

Es geht bei Weitem um mehr als die fi-nanzielle Ausstattung oder die technischen Eckpfeiler, es geht um einen Kulturwandel. Schwieriger noch, es geht um einen Wandel, der bei Anwendern und Medizininformatikern gleichermaßen angestoßen werden muss. Nur zusammen werden Ärzte und Informatiker den Herausforderungen der zukünftigen Gesund-heitsversorgung begegnen können – im Sinne der Patienten. Aber auch im Sinne einer Versor-gung, die wir uns leisten können und wollen.

Welche Herausforderungen sind das explizit, die es hier zu lösen gilt?

Wir sprechen noch immer von zwei getrenn-ten Welten im Krankenhaus, wenn wir IT und Ärzteschaft meinen. Und das, obwohl der Arzt inzwischen rund 30/40 Prozent seiner Dienst-zeit am Computer, also mit Informationstech-nologien, zubringt und, wenn er ehrlich ist, darauf auch nicht mehr verzichten möchte. Allein das zeigt, dass beide Seiten nicht ohne einander können. Was jetzt noch an zu vielen Stellen fehlt, ist das Aufeinanderzugehen.

Welche Aufgabe kann und muss in diesem Szenario die Medizininformatik übernehmen?

Wir haben den überaus wichtigen Part der Bereitstellung relevanter Daten – und müssen uns nicht verstecken. Alle sprechen von Big Data oder unbeherrschbaren Datenmassen – die Medizininformatiker können die wertvol-len klinischen Daten beherrschbar machen, extrahieren, kanalisieren und für die Nut-zer, die Mediziner, so zur Verfügung stellen, wie es für sein Fach oder seinen Patienten am sinnvollsten ist. Voraussetzung dafür ist aber die bereits angesprochene konstruktive Zusammenarbeit der Nutzer mit den Medizin-informatikern.

Wenn das alles kein Problem ist, wieso schwankt dann die personalisierte Medizin in der Wahrnehmung zwischen Hype und Heilsversprechen?

Ich habe nicht gemeint, dass wir das heu-te alles schon realisieren können – aber die Vision ist da und an der Informationstechnolo-gie sollte die Realisierung dieser Versprechen jedenfalls nicht scheitern. Im Gegenteil: Das Fach wird enorm an Bedeutung gewinnen.Natürlich gibt es einen großen Entwicklungs-druck, der leider, reden wir nicht um den heißen Brei herum, noch nicht ausreichend fi-nanziert wird. Auch daran muss und wird sich was ändern, wenn Schwerpunktthemen wie „Secondary Use“ und „Personalisierte Medi-zin“, wie von Ihnen angesprochen, erfolgreich angegangen werden sollen.

Aber mit dem demografischen Wandel der Bevölkerung und dem steigenden Kosten-druck in der Gesundheitsversorgung wird die Finanzierung dieses Bereiches sicherlich eine der Lösungsstrategien sein, um langfristig Kosten zu sparen. ¬

eHEALTH SUMMIT AUSTRIA

18.-19. Juni 2015 in Wien plus PDMS D.A.CH. Conference am 18. Juni

Unter der Schirmherrschaft der Bundesministerin für Gesundheit, Sabine Oberhauser, wird der diesjährige eHealth Summit Austria mit dem Schwerpunkt „Gesundheit neu denken: Personalized Health“ die Zukunft der Gesundheitsversorgung ins Visier nehmen. Welche Weichen müssen heute gestellt werden, um morgen nicht in einer Sackgasse zu landen?

Das Programm des Summit gliedert sich in den wissenschaftlichen Programmteil der eHealth2015 (www.ehealth2015.at), die unter der Tagungsleitung von Univ.­Prof. Dr. Elske Ammenwerth (UMIT) und Univ.­Doz. Dr. Günter Schreier (AIT) mit Unterstützung von OCG und ÖGBMT organisiert wird, und in den von der HIMSS Europe getragenen, anwenderorientierten Teil.www.ehealthsummit.at

Parallel zum Summit findet auch die PDMS D.A.CH. Conference statt. Unter dem Motto „PDMS – sicherheitsrelevant oder Kostenverschwendung?“ bestreiten Experten das praxisnahe Programm, die Entwicklung und organisatorische Herausforderung gerade bewältigt haben oder aktuell dabei sind, ihnen zu trotzen.www.himss.eu/pdms

„Aktuelle Heraus-forderungen der Medizini-schen Infor-matik für die personalisierte Gesundheits-versorgung“

lautet der Titel der Keynote, mit der der Spiritus Rector der österreichischen Medizininformatik, Univ.-Prof. Dipl.-Ing. DDr. Wolfgang Dorda, ehemaliger Leiter des Zentrums für Medizini-sche Statistik, Infor-matik und Intelligente Systeme, den zweiten Kongresstag (19. Juni) des eHealth Summits Austria eröffnet. Fo

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Dass die im Herbst beginnenden Tests für die deutsche Telematikinfrastruktur bei der conhIT 2015 ihre Schatten vorauswerfen, kann nicht überraschen. Mit der Compu-Group Deutschland und der Deutschen Telekom sind die Hauptprojektträger der beiden Testregionen Gold-partner der conhIT.

CompuGroup Medical: Breite Erfahrungen mit der VernetzungUwe Eibich, Vorstandsvorsitzender der CompuGroup Medical Deutschland AG, ist zuversichtlich, dass sein Unternehmen und die von ihm koordinierte Testregion gut aufgestellt sind: „Wir haben viele neue Produkte entwickelt und angepasst und betreiben das Netzwerk und den Zugangsdienst. Die Infrastruktur kann im zwei-ten Halbjahr in Betrieb gehen. Auf der conhIT 2015 werden wir das Zusammen spiel von Kartenterminal, Konnektor und Arztinformations-system demonstrieren.“Mit der Vernetzung von Leistungserbringern hat die CompuGroup be-reits gute Erfahrungen: „Unser Zuweiserportal JESAJA.NET vernetzt schon heute über 5.500 Arztpraxen mit Krankenhäusern in rund 100 Projekten. Das persönliche Arzneimittelkonto für ältere Mitbürger in Nordrhein-Westfalen unterstützt Ärzte und ihre Patienten beim Thema Multimedikation und funktioniert gut. Und im Arztnetz ‚Gesundes Kin-zigtal‘ haben wir gemeinsam mit den Ärzten digitale Versorgungspfade implementiert, die rege genutzt werden.“

Deutsche Telekom: Mobility als Topthema im stationären SektorAuch Dr. Axel Wehmeier, Geschäftsführer Telekom Healthcare Solutions, ist der Auffassung, dass sich bei den Leistungserbringern mittlerweile ein digitales Mindset entwickelt hat, das der weiteren Durchdringung mit Gesundheits-IT-Lösungen förderlich ist: „Es wer-den immer mehr Themen digital angegangen, etwa das Hygienema-nagement. Das ist für jedes Krankenhaus ein wichtiges Thema. Die Deutsche Telekom hat die marktführende Software für die Erfassung von Hygieneprozessen und Hygienemaßnahmen, und wir spüren eine weiter steigende Nachfrage.“Ein Topthema im stationären Sektor bleibt für Wehmeier die Mobilität: „Wie das aussehen kann, hat die Deutsche Telekom im Knappschafts-krankenhaus Bottrop gezeigt, wo wir auf Basis von iMedOne Mobile

einrichtungsweit die mobile Visite eingeführt haben. Da-von profitieren Ärzte, Pfleger, Verwaltung und natürlich auch die Patienten, weil die Ärzte mehr Zeit für die Visite haben und Krankheitsbilder auf dem Tablet besser er-klären können.“

medatixx: Maßgeschneiderte mobile Lösungen und PatienteneinbindungMobilität ist auch in der ambulanten Versorgung ein wichtiges Thema. „Wer solche Lösungen nutzen will, sollte sich über den individuellen Anwendungsfall im Klaren sein, um nachher nicht eine mobile Lösung zu erwerben, die dann nicht genutzt wird oder nicht passt“, sagt Michael Latz, Bereichsleitung Klinik/MVZ bei dem Praxis-IT-Spezialisten medatixx. Geht es nur

um den Zugriff auf die Karteikarte, reicht ein lesender iPad-Zugriff aus. Will der Arzt dagegen uneingeschränkt online arbeiten, ist der Laptop mit gesicherter UMTS-Verbindung unter Umständen die bes-sere Wahl.Einen klaren Trend sieht Latz bei der Einbindung der Patienten: „Wir stellen auf der conhIT 2015 unsere neue Patienten-App x.patient vor. Sie erlaubt es Patienten, mit ihrer Praxis und mit der Praxissoftware ihres Arztes zu kommunizieren. Je nach Praxis kann ein Patient bei-spielsweise sichere E-Mail-Nachrichten an seinen Arzt versenden, Fol-gerezepte bestellen oder sogar eigene Messwerte eingeben, die dann automatisch mit der Karteikarte synchronisiert werden.“

ID – Information und Dokumentation im Gesundheitswesen: Den Daten auf den FersenJe mehr Daten in medizinischen Einrichtungen digital vorliegen, umso größer wird die Notwendigkeit, sie auch effizient auswerten zu können. Ein Beispiel ist das neue MDK-Verfahren. Das Unternehmen ID will die Kliniken dabei unterstützen: „Krankenhäuser müssen künftig die rele-vanten Akten innerhalb extrem kleiner Zeitfenster vorlegen. Die Lösung kann nur darin liegen, die Akte vernünftig zu strukturieren und sie mit Hilfe von Freitextanalyse inhaltlich so zu erschließen, dass nicht jedes Dokument einzeln gelesen werden muss“, betont ID-Geschäftsführer Mark Neumann.Doch nicht nur bei MDK-Anfragen kann die Freitextanalytik helfen: „Wir können damit auch codierungsrelevante Informationen wie mit einem Textmarker hervorheben. Das erleichtert die Arbeit enorm. Und es

würde sich rechnen: Viele Krankenhäuser verschenken Liquidität, weil sie Rechnungen nicht zeitnah stellen.“

Agfa Healthcare: Auf dem Weg zur geschlossenen digitalen InformationsketteDem conhIT-Goldpartner Agfa Healthcare geht es vor allem um einen flüssigen Informationsfluss. Für sein Klinikinformationssystem ORBIS stellt das Unternehmen neue Funktionen und Module vor: „Wir werden unser neues Anästhesiemodul ORBIS AIMS launchen. In Kombination mit ORBIS und dem ORBIS ICU-Manager können wir dann im Versorgungsprozess eine geschlossene digitale Informationskette anbieten, die bis in nachgeordnete Bereiche reicht“, erläutert Michael Strüter, Geschäftsführer und Vertriebsleiter DACH bei Agfa HealthCare.Stärker in den Vordergrund rücken möchte Agfa die klinische Entscheidungsunterstützung. Dafür wurde das Modul ORBIS Experter entwickelt. „Es erlaubt leitenden Ärzten, gemeinsam mit der IT-Abteilung Regeln im KIS zu erstellen, zu validieren und produktiv zu schalten. So kann beispielweise direkt während der Behandlungsdokumentation in der Benutzeroberfläche dargestellt werden, welche weitergehende Dokumentation aufgrund der gerade getätigten Eingabe nötig ist“, so Strüter.

Cerner: Der Trend geht hin zu klinischen FunktionenMit KIS-Innovationen punkten will auch Cerner, das in dieser Form Pre-miere auf der conhIT feiert. „Wir sehen international eine Dynamik weg von reinen Patientenadministrationssystemen hin zu klinischen Funk-tionen, Entscheidungs- und Pfadunterstützung sowie Interoperabilität und Vernetzung. In Deutschland gibt es hier noch enormes Potenzial. Durch den Zusammenschluss bringen wir Kompetenzen bei Abrech-

nung und Patientenadministration mit klinischer Erfahrung zusammen. Das ist eine große Chance für den Markt“, so Holger Cordes, COO Cerner Europa.Für die Kunden stehe dabei Kontinuität im Vordergrund, unterstreicht Arne Westphal, General Manager Cerner Deutschland: „Wir werden alle Plattformen im deutschen Markt nicht nur erhalten, sondern ausbau-en. Daran wird nicht gerüttelt. An der Schnittstelle direkt am Kunden vermeiden wir Wechsel und sorgen dafür, dass die Ansprechpartner möglichst gleich bleiben. Und auch das gesamte Führungsteam steht für die Kunden weiterhin als Ansprechpartner zur Verfügung.“

Meierhofer: Kundenzufriedenheit als oberstes strategisches ZielFür Matthias Meierhofer, den Vorstandsvorsitzenden und Gründer der MEIERHOFER AG, ist die Kundenzufriedenheit im Gesundheits-IT-Sektor das Topthema überhaupt: „Als eigentümergeführtes Unternehmen können wir die Kundenzufriedenheit zum obersten strategischen Ziel machen. Das kommt für uns vor Ertrag und Wachstum, und es zieht sich durch die ganze Unternehmensstrategie.“ Dazu gehören nicht nur konstante Ansprechpartner, sondern auch ein enger Kontakt zwischen Entwicklern und Anwendern sowie eine ständige Evaluation der Produkte.Auch in Sachen Innovationspipeline sieht Meierhofer mittelständische Anbieter im Vorteil: “Wir investieren seit Langem jedes Jahr mehrere Millionen Euro in die kontinuierliche Weiterentwicklung bestehender Produkte. Dabei kümmern wir uns auch um Themen, bei denen nicht sofort Gewinne abfallen. Die E-Medikation und der Pflegeprozess sind dafür zwei Beispiele. Wir sind überzeugt davon, dass das wichtige strategische Säulen sind, und deswegen entwickeln und investieren wir weiter in diese Themen, auch wenn es sich nicht unmittelbar finanziell auszahlt.“

Für die elektronische Vernetzung des Gesundheitswesens ist das Jahr 2015 ein Meilensteinjahr. Von der Gesetzesinitiative für ein E-Health-Gesetz orchestriert starten die Tests für eine Telematikinfrastruktur. Gleichzeitig drängen neue digitale Services in den Markt und verändern die Primärsysteme in Klinik und Praxis. Welche Themen und welche Produkte werden in den Vordergrund gerückt? Die sieben Goldpartner der conhIT 2015 nehmen Stellung.

GESUNDHEITS-IT-BRANCHE 2015: INNOVATIONEN UND TRENDS

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Worin bestehen die Chancen die-ser Fusion für den deutschsprachi-gen Markt?Cordes: Mit der Fusion schließen sich zwei erfolgreiche Unternehmen mit kom-plementären Stärken zusammen. Wir sehen international eine Dynamik weg von reinen Patientenadministrations-systemen hin zu klinischen Funktio-nen, Entscheidungs- und Pfadunter-stützung sowie zu Interoperabilität und sektorenübergreifender Vernetzung. In Deutschland gibt es hier noch enormes Potenzial. Durch den Zusammenschluss bringen wir Kompetenzen bei der Ab-rechnung und der Patientenadministration mit klinischer Erfahrung zu-sammen. Das ist eine große Chance für den gesamten Markt.

Cerner ist jetzt mit mehreren Plattformen im hiesigen Markt vertreten. Wie ist die Produktstrategie?Cordes: Die Diskussionen, die es an dieser Stelle gibt, sind völlig unbe-gründet. Wir haben klargestellt, dass wir alle Plattformen im deutschen Markt nicht nur erhalten, sondern ausbauen werden. Daran wird nicht gerüttelt. Die Strategie wird sein, die klinische Kompetenz, die Cerner aus den internationalen Märkten mitbringt, auf die verschiedenen Platt-formen anzuwenden.

Werden sich bei Vertrieb und Support bzw. Ansprechpartnern Änderungen für die Kunden ergeben?Westphal: Die wichtigste Schnittstelle für ein Gesundheits-IT-Unterneh-men ist die direkt am Kunden. Dort vermeiden wir Wechsel und sorgen dafür, dass die Ansprechpartner möglichst gleich bleiben. Auch das gesamte Führungsteam steht für die Kunden weiterhin als Ansprech-partner zur Verfügung.

Wie werden die Cerner-Kunden konkret von den internationa-len Lösungen profitieren?Cordes: Sie profitieren vor allem davon, dass wir mehr klinische Inno-vation in den deutschen Markt bringen werden. Nur ein Beispiel: Ein Cerner-Kunde in Spanien, das Krankenhaus Marina Salud in Denia, wurde kürzlich als erstes Haus in Europa mit dem prestigeträchtigen

Davies Award der Organisation HIMSS ausgezeichnet. Der Award wird für eine Verbesserung der klinischen Prozesse und Ergebnisqualität durch den Einsatz von IT verliehen. Wir sind überzeugt davon, dass solche Erfolge auch in Deutschland möglich sind. Davon pro-fitieren die Kunden massiv.

Cerner und Siemens werden in ei-ner Entwicklungspartnerschaft ko-operieren. Wie sieht die aus?Westphal: Die Zukunft der Health-care-IT ist die intelligente Integration und Nutzung digitaler Daten für eine

optimierte Entscheidungsunterstützung und Prozesssteuerung. Eine reibungslose Integration von Medizintechnik und Krankenhaus-IT ist dabei ein entscheidender Faktor, die komplementären Stärken von Cerner und Siemens Healthcare bieten hier eine geradezu ideale Chance. In diesem Kontext werden wir gemeinsam mit unseren Kunden Potenziale identifizieren.

Wie wird sich Cerner bei der conhIT 2015 präsentieren?Westphal: Die conhIT ist für Cerner ein wichtiger Ort, um sich in der neuen Form darzustellen. Eines der Highlights wird unser Smartroom sein, in dem wir die Integration von Medizintechnik auf der Intensivsta-tion demonstrieren – auch um zu illustrieren, wo beim Thema Interkon-nektivität die Reise hingehen kann. Ansonsten zeigen wir eine ganze Reihe von Verbesserungen in unterschiedlichen Produktlinien, etwa bei der digitalen Kurve oder im Pflegeprozessmanagement. Kontinuität ist auch hier erneut das Stichwort: Wer zu uns kommt, wird nicht nur viele bekannte Gesichter sehen. Natürlich treffen wir uns auch wieder am altbekannten Currywurst-Stand.

Die Übernahme der Healthcare-IT-Sparte von Siemens durch den Cerner-Konzern war eines der großen Branchenthemen in den letzten Monaten. Holger Cordes, COO Cerner Europa, und Arne Westphal, General Manager Cerner Deutschland, sehen in der Fusion große Chancen für die Kunden und den deutschen Healthcare-IT-Markt.

EINE GROSSE CHANCE FÜR DEN MARKT

conhIT Gold Partner>

ARNE WESTPHAL, CERNER

HOLGER CORDES, CERNER

Cerner DeutschlandRebecca [email protected]+49 (0)9131 916 71-29 39

Wo sehen Sie im digitalen Informa-tionskreislauf im Krankenhaus noch Lücken?Große Lücken gibt es bei Patientendatenma-nagementsystemen (PDMS), Mobiltät und kli-nischer Entscheidungsunterstützung. Ein Bei-spiel: Krankenhäuser verdienen ihr Geld meist mit operativen Eingriffen. Doch wie sieht es mit den angrenzenden Bereichen ICU und Anästhe-sie aus? Wir werden auf der conhIT 2015 unser neues Anästhesiemodul ORBIS AIMS launchen. In Kombination mit ORBIS und dem ORBIS ICU-Manager können wir dann im Versorgungs-prozess eine geschlossene digitale Informa-tionskette anbieten, die bis in nachgeordnete Bereiche reicht und es erlaubt, auch postope-rative Prozesse abzubilden, beispielsweise über ein AddOn zur Akutschmerztherapie.

Wo sind die Vorteile eines solchen geschlossenen Kreislaufs für die Krankenhäuser?Die Informationen begleiten den Patienten durch das gesamte Be-handlungsgeschehen – von der Notaufnahme in die Anästhesie, den OP, die Intensivstation, auf die normale Station, in die Funktionsstellen bis zur Entlassung und tragen so zu einer besseren Patientenversor-gung bei. Auch in der Abrechnung kann aufgrund des holistischen und schnittstellenfreien Ansatzes nichts verloren gehen, die Erlöse bleiben gesichert. Dank ORBIS KIS, ORBIS ICU-Manager und AIMS spielen gewissermaßen der Patient und seine Informationen auf den Ackerfur-chen der Versorgungsbereiche Hase und Igel: Immer wenn der Patient irgendwo ankommt, sind seine Daten schon da.

Wie sieht es mit der Auswertung dieser Daten aus?Die lässt sich dann auch ganz anders angehen, etwa mit einer klini-schen Entscheidungsunterstützung. Unser neuer ORBIS Experter er-laubt es leitenden Ärzten, gemeinsam mit der IT-Abteilung Regeln im KIS zu erstellen, zu validieren und produktiv zu schalten mit dem Ziel, die Versorgungsqualität zu steigern bzw. den Mitarbeitern bei der Erstellung einer vollständigen Falldokumentation behilflich zu sein. So kann direkt während der Behandlungsdokumentation in der Benutzeroberfläche dargestellt werden, welche weitergehende Dokumentation aufgrund

der gerade getätigten Eingabe nötig ist. Oder es kann automatisiert bei bestimmten pathologi-schen Laborwerten ein entsprechender Hinweis erfolgen, ob auf Intensivstation oder Normalstati-on, ob auf dem Desktop oder einem Mobilgerät.

Stichwort Mobilität: Schält sich da inzwi-schen ein Konsens über die beste Heran-gehensweise heraus?Konsens weiß ich nicht, aber ich kann sagen, dass wir etwas Lehrgeld bezahlt haben. Wir hatten zu stark auf die iOS-Plattform fokussiert. Viele wollen aber mit Android oder Microsoft ar-beiten. Ich denke, das gilt nicht nur für unsere Kunden. Unsere Antwort darauf ist ein kom-pletter Relaunch der ORBIS Mobile Edition. Die neue Version basiert auf HTML5 und ist damit plattformunabhängig.

Welche Funktionen werden heute von den Ärzten bei mobi-len Plattformen erwartet?Mehr als wir anfangs dachten. Deswegen werden wir die Funktionalitä-ten deutlich ausweiten. Wir bieten nicht nur lesenden Zugriff auf Doku-mentation, Leistungen, Röntgenbilder und Abschnitte der Fieberkurve, sondern auch schreibenden Zugriff, zum Beispiel bei Vitalparametern, Auftragswesen, Konsilfunktionen und auch bei der Fotodokumentation. Insgesamt bleiben wir bei unserem holistischen Ansatz, der anstrebt, alle Informationen zur Behandlung in einem System abzubilden, statt viele Systeme zusammenzuschalten und damit vermeidbare Schwie-rigkeiten zu produzieren.

Klinische Informationssysteme gibt es schon länger. Doch einen geschlossenen digitalen Kreislauf haben viele Krankenhäuser noch nicht realisiert. Wie der Zirkelschluss mit Hilfe von Softwareinnovationen in den Bereichen PDMS, Entscheidungsunterstützung und Mobilität zu erreichen ist, weiß Michael Strüter, Geschäftsführer und Vertriebsleiter DACH bei Agfa HealthCare.

KLINISCHE DOKUMENTATION: DER KREIS SCHLIESST SICH

MICHAEL STRÜTER, AGFA HEALTHCARE

Agfa HealthCare GmbHMartina Gö[email protected]+49 (0)228 26 68 47 10

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Die Freitextverarbeitung im medizini-schen Kontext auf Basis von Terminolo-gien ist nicht ganz neu. Warum werden solche Techniken noch nicht flächende-ckend eingesetzt?In der Tat beschäftigen wir uns damit schon über 20 Jahre. Wir haben die Basistechnologien ursprünglich für die semantische Beschreibung klinischer Inhalte entwickelt und darauf aufbau-end ein umfassendes semantisches Netz mit ei-ner Vielzahl von Terminologieserverdiensten ge-schaffen, um den Content aus der Wissensbasis für verschiedene Anwendungsfälle zur Verfü-gung zu stellen. Nachdem die Digitalisierung der Medizin voranschreitet, ist auch die Freitextana-lyse aktueller denn je. Wie lässt sich eine digita-le Dokumentation so erschließen, dass man die Inhalte, die man sucht, auch findet? Das ist die Kernfrage, und sie ist medizinisch und auch erlöstechnisch relevant.

Inwiefern?Ein gutes Beispiel ist das MDK-Verfahren, das vielen Krankenhäusern derzeit auf den Nägeln brennt. Geplant ist, die Krankenhäuser dazu zu verpflichten, bei MDK-Anfragen die relevanten Akten innerhalb extrem kleiner Zeitfenster in einem Zustand vorzulegen, der es ermöglicht, den Fall abzuschließen. Die Lösung kann aus unserer Sicht nur darin liegen, die Akte erstens vernünftig zu strukturieren und zweitens mit Hilfe von

Freitextanalyse inhaltlich so zu erschließen, dass nicht jedes gescannte Dokument einzeln durch-gelesen werden muss.

Das lohnt sich nur für die MDK-Anfragen?Nein, grundsätzlich auch schon vorher, direkt beim Codieren: Mit Hilfe der Freitextanalyse wer-den in einer Akte codierungsrelevante Informati-onen wie mit einem Textmarker hervorgehoben. Das erleichtert die Arbeit enorm. Und es würde sich rechnen: Viele Krankenhäuser verschenken Liquidität, weil sie Rechnungen nicht zeitnah stellen. Darüber hinaus ist eine automatisierte Dokumentenanalyse möglich, etwa für Versor-gungsforschung oder klinische Studien.

Welche Voraussetzungen müssen Kun-den bzw. IT-Unternehmen erfüllen, um

praxistaugliche Lösungen für die Freitextanalyse nutzen bzw. anbieten zu können?Auf Kundenseite ist ein KIS mit leistungsfähigen Schnittstellen zu ID DIACOS® nötig, für den lückenlosen und redundanzfreien Abgleich mit bereits erfassten Diagnosen und Prozeduren. Dazu kommt ein entsprechender Digitalisierungsprozess in Ergänzung zur elektronischen Patientenakte. Hierbei haben wir uns mit DMI auf einen Partner festgelegt, der schon die Digitalisierung mit einer semantischen Indexierung verbindet, die anschließend genau die angesprochenen Freitextanalysen erlaubt. Letztendlich beherrscht ID die gesamte Verarbeitungspipeline – als organisch gewachsenes Know-how mit nativem deutschem Ansatz und nicht nur als Adaption des US-Marktes oder als isoliertes Forschungsprojekt. Wir sehen darin einen relevanten Vorteil für unsere Kunden.

Terminologien und Terminologieserver sind in aller Munde. Aber sind sie für ein Krankenhaus wirklich schon ein Thema? Mark Neumann, Mitglied der Geschäftsführung bei der ID – Information und Dokumentation im Gesundheitswesen GmbH, sieht in den wachsenden Anforderungen an Codierung und Dokumentationsqualität einen wichtigen Grund, sich genauer mit der Freitextanalyse und damit dem Thema Terminologieserver zu befassen.

SEMANTISCHE FREITEXTANALYSE: PROZESSE OPTIMIEREN MIT TERMINOLOGIESERVERN

MARK NEUMANN, ID

ID GmbH & Co. KGaASven [email protected] +49 (0)30 246 26 0

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Digitale Patientenakte

DiagnosenProzedurenMedikamente

MDK-Prüf-anzeige

Einlesen der klinischen DokumenteArztbrief, OP-Bericht, Anamnese, ...

Suche in der Klassifikation

Identifikation codierrelevanter Abschnitte

Generierung von Code-Vorschlägen für die Abrechnung

Abgleich mit der vorhandenen Dokumentation

Markieren der Belegstellen in der digitalen Akte für die Bearbeitung von Prüfanzeigen

Steigerung von Effizienz und Effektivität

Archiv/Archivdienst-leister

Was können Praxis-IT-Hersteller leisten, um bei der intersektoralen Kommunikati-on voranzukommen?Die IT-Industrie hat die Lösungen längst im Köcher. In Dänemark werden nahezu 100 Prozent der Krankenhauseinweisungen und Rezepte digital übermittelt. In Schweden ist das ähnlich, und in Österreich werden künftig Leistungserbringer flächendecken vernetzt. Auch in Deutschland gibt es vom e-Arztbrief bis hin zur digitalen Therapieunterstützung viele erprobte Anwendungen. Die Frage ist, wie wir das, was existiert, in die Fläche und zu den Anwendern bringen.

Woran hapert es?Wir brauchen die Unterstützung der Politik bei der Realisierung der Telematik-Infrastruk-tur. Themen sind hier die Finanzierung des Online-Rollouts und eine Versachlichung der Datenschutzdiskussionen. Zudem gibt es Rege-lungsbedarf bei der Vergütung. Ärzte und Kliniken müssen Spaß daran haben, zu investieren. Wenn für einen Arztbrief auf Papier mehr Geld bezahlt wird als für das elektronische Pendant, muss sich niemand wundern, wenn die Umsetzung zu wünschen übrig lässt.

Die CompuGroup Medical ist beim Aufbau der Telematik-In-frastruktur einer von 9 Projektträgern und in der Testregion Nordwest zuständig für die Ansprache der Leistungserbrin-ger. Sind Sie startklar?Wir haben die wichtigsten Hürden genommen. Ärzte, Zahnärzte, Klini-ken und Psychotherapeuten stehen bereit. Wir haben viele neue Pro-dukte entwickelt und angepasst und betreiben das Netzwerk und den Zugangsdienst. Die Infrastruktur kann im zweiten Halbjahr in Betrieb gehen. Kürzlich haben wir gezeigt, dass das Versichertenstammda-tenupdate auf der eGK mit einer Krankenkasse unter Live-Bedingun-gen bestens funktioniert. Auf der conhIT 2015 werden wir das Zusam-menspiel von Kartenterminal, Konnektor und Arztinformationssystem demonstrieren.

Ärztliche Akzeptanz lässt sich allein mit dem Online-Rollout nicht gewinnen…

Richtig. Deswegen sind die Mehrwertanwen-dungen der zentrale Erfolgsfaktor für die eGK. Die sind bei Ärzten auch nicht umstritten, das sehen wir jeden Tag. Unser Zuweiserportal JESAJA.NET vernetzt schon heute über 5.500 Arztpraxen mit Krankenhäusern in rund 100 Projekten. Das persönliche Arzneimittelkonto für ältere Mitbürger in Nordrhein-Westfalen un-terstützt Ärzte und ihre Patienten beim Thema Multimedikation und funktioniert gut. Und im Arztnetz „Gesundes Kinzigtal“ haben wir ge-meinsam mit den Ärzten digitale Versorgungs-pfade implementiert, die rege genutzt werden.

Was ist mit der Einbindung der Patienten?Patientenfokussierung wird immer wichtiger. Auch das ist Alltagserfahrung. Unsere CGM LIFE eSERVICES erfreuen sich zunehmender

Beliebtheit. Der Renner ist für viele Patienten die bequeme Anforde-rung von Folgerezepten. Dafür haben sich mittlerweile über 300.000 Patienten über rund 3.500 Arztpraxen mit einer persönlichen CGM LIFE Gesundheitsakte registriert. Und es werden jede Woche mehr. Nochmal: Die digitale Vernetzung wird gewollt. Was wir jetzt brauchen, sind die richtigen Rahmenbedingungen, damit alle flächendeckend von solchen Anwendungen profitieren.

Im Jahr 2015 werden die Weichen für das digitale Gesundheitswesen in Deutschland gestellt. Auf welche Anwendungen Ärzte und Patienten warten, ist für Uwe Eibich, Vorstandsvorsitzender der CompuGroup Medical Deutschland AG, kein Geheimnis.

TELEMATIK BRAUCHT „MEHR-WERTE“ FÜR ÄRZTE UND PATIENTEN

UWE EIBICH, COMPUGROUP MEDICAL DEUTSCHLAND AG

CompuGroup MedicalDeutschland AGJürgen [email protected] www.cgm.com/de+49 (0)261 80 00 15 21

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Was spricht für ein eigentümergeführtes Unternehmen als Partner für die Kranken-haus-IT?Auf Unternehmensebene ist der Vorteil ganz klar die höhere Stabilität. Wer als Klinikum ein neues KIS einführt, legt sich damit auf Jahre fest. Konzerne, die den Shareholder Value im Auge haben müssen, denken oft nicht in so langen Zeiträumen. Ein Unternehmen wie die MEIERHOFER AG, für die Gesundheits-IT das Kerngeschäft ist, kann nicht einfach den Markt wechseln, wenn der Return on Investment nicht stimmt. Wir bleiben am Ball, und das bedeutet Stabilität und Berechenbarkeit.

Verfügen internationale Konzerne nicht über mehr Mittel für innovative Entwick-lungen?Das ist dann die zweite Ebene, die Produktebene. Natürlich können Konzerne eher als Mittelständler riesige Investitionsprogramme stem-men. Die Frage ist, wie viel davon beim Kunden in Deutschland, Ös-terreich oder der Schweiz ankommt. Von einem teuren Entwicklungs-programm, für das an anderen Stellen gespart wird und das dann bei einem Eigentümerwechsel wieder in Frage gestellt wird, hat der Kunde wenig. Das ist bei Mittelständlern anders. Wir investieren seit Langem jedes Jahr mehrere Millionen Euro in die kontinuierliche Weiterentwick-lung bestehender Produkte. Dabei kümmern wir uns auch um Themen, bei denen nicht sofort Gewinne abfallen. Die E-Medikation und der Pflegeprozess sind dafür zwei Beispiele. Wir sind überzeugt davon, dass das wichtige strategische Säulen sind, und deswegen entwickeln und investieren wir weiter in diese Themen, auch wenn es sich nicht unmittelbar finanziell auszahlt. Als Mittelständler geht das.

Die Anforderungen an Krankenhaus-IT-Lösungen werden komplexer. Wie können eigentümergeführte Unternehmen bei Themen wie Security oder Cloud-Diensten am Puls der Zeit bleiben?Die Argumentation, dass komplexe IT-Anforderungen nur von Konzernen bewältigt werden könnten, kommt alle paar Jahre wieder hoch. Bisher hat sich das nicht bewahrheitet. Ich persönlich glaube nicht, dass die Gesundheits-IT so kompliziert ist, dass sie

nur über Konzerne abgewickelt werden kann, zumindest nicht so lange diejenigen, die die Technologie nutzen, quasi selbst Mittelständler sind. Das mag bei Klinikketten oder großen Universitätskliniken anders sein. Im Übrigen gibt es ja auch die Möglichkeit, Kooperationen mit spezialisierten Anbietern einzugehen. So haben wir mit der RZV GmbH schon seit Jahren einen Kooperationspartner, der sich auf IT-Dienstleistungen im SAP-Umfeld spezialisiert hat. Das ist eine Kooperation auf Augenhöhe. Wir hängen nicht am Rockzipfel eines Konzerns. Entsprechend kundenfreundlich sind die Lösungen, die dabei herauskommen.

Ist die Zufriedenheit bei den Kunden ei-gentümergeführter Unternehmen höher?Ich würde es anders herum ausdrücken: Als ei-

gentümergeführtes Unternehmen können wir die Kundenzufriedenheit zum obersten strategischen Ziel machen. Das kommt für uns vor Ertrag und Wachstum, und es zieht sich durch die ganze Unternehmensstra-tegie. Wir sorgen für einheitliche und konstante Ansprechpartner. Wir bringen unsere Entwickler in engen Kontakt mit den Anwendern, um deren Bedürfnisse optimal zu erkennen. Wir evaluieren ständig unsere Produkte. Das alles erhöht mittelfristig die Kundenzufriedenheit und sorgt für bessere, nutzerfreundliche Lösungen.

Im Jahr 2014 gab es im Markt für Krankenhaus-IT einige Erschütterungen, die vor allem Kunden größerer Konzerne zu spüren bekamen. Matthias Meierhofer, Vorstandsvorsitzender und Gründer der MEIERHOFER AG, sieht viele Vorteile für Kliniken, die bei ihrer IT-Infrastruktur auf eigentümergeführte, mittelständische Unternehmen vertrauen.

KRANKENHAUS-IT: MITTELSTAND ALS STABILITÄTSFAKTOR

MEIERHOFER AGInga [email protected]+49 (0)89 44 23 16-0

MATTHIAS MEIERHOFER, MEIERHOFER AG

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Wie groß ist das Interesse an mobilen Lösungen in Praxen, MVZ und Klinikam-bulanzen?Der Wunsch nach mobilen Lösungen ist ohne Zweifel vorhanden. Wer solche Lösungen nutzen will, sollte sich allerdings zuerst über den individuellen Anwendungsfall im Klaren sein, um nachher nicht eine mobile Lösung zu erwerben, die dann nicht genutzt wird oder nicht passt. Eine typische Anwendung im niedergelassenen Bereich ist der Hausarzt beim Hausbesuch: Will er nur auf die Karteikarte zugreifen? Will er auch Rezepte drucken? Will er gar völlig uneingeschränkt online mit seinem AIS arbeiten? Das sind wichtige Fragen. Im ersten Fall reicht vielleicht ein lesender iPad-Zugriff, im letzteren Fall ist der Laptop mit gesicherter UMTS-Verbindung unter Umständen die bessere Wahl – sofern die Verfügbarkeit des Mobilfunknetzes gewährleistet ist.

Wie sieht es in Klinikambulanzen aus?Dort wäre ein typischer Anwendungsfall der Arzt, der in unterschied-lichen Räumen beziehungsweise in unterschiedlichen Ambulanzen arbeitet. Hier reicht oft eine iPad- oder sogar iPhone-Lösung, da es vor allem um den lesenden Zugriff und weniger um die mobile Doku-mentation geht.

Wie nähert sich ein Praxis-IT-Hersteller diesen unterschiedli-chen Mobilitätsbedürfnissen?Wir bieten für unsere Praxislösungen x.isynet und x.concept, für die MVZ- und Klinikambulanzlösung x.vianova und für unsere neue Soft-ware „medatixx“ jeweils ein Spektrum mobiler Lösungen an, um die Bedürfnisse individuell abdecken zu können. Wer mit einem etwas re-duzierten Funktionsumfang in mobilen Szenarien leben kann, für den sind unsere Apps optimal. Wer dagegen unterwegs den kompletten Funktionsumfang der Praxis-IT zur Verfügung haben möchte, auch beispielsweise Arztbrieferstellung und Abrechnungsfunktionen, der ist mit einem Laptop besser bedient. Die Einwahl erfolgt entweder über das Heimnetz oder im mobilen Szenario über UMTS. Das kann mittler-weile sehr komfortabel umgesetzt werden, zum Beispiel, indem sich

unsere Lösung automatisch von zu Hause aus mit der Praxisinfrastruktur verbindet, sobald sie gestartet wird.

Ist der mobile Zugriff auf Praxis-IT- Systeme sicher?Ja. Abgesehen von der Transportverschlüsse-lung via HTTPS arbeiten wir zusätzlich mit einer sogenannten Paket-Verschlüsselung (AES 256). Darüber hinaus verbleiben bei unseren mobilen Lösungen keine Daten auf dem mobilen Client. Es gibt immer noch Anbieter, die das anders machen. Aber aus unserer Sicht ist das nicht mehr zeitgemäß.

Und wann wird der Patient mobil ein-gebunden?Jetzt. Wir stellen auf der conhIT 2015 unsere

neue Patienten-App x.patient vor. Sie erlaubt es Patienten, mit ihrer Praxis und mit der Praxissoftware ihres Arztes zu kommunizieren. Der Patient lädt sich die App herunter und wird vom Arzt einmalig frei-geschaltet. Danach kann er je nach Praxis beispielsweise sichere E-Mail-Nachrichten an seinen Arzt versenden, Folgerezepte bestellen oder sogar eigene Messwerte eingeben, die dann automatisch mit der Karteikarte synchronisiert werden. Für unsere innovative Hybrid-Soft-ware medatixx werden in einem nächsten Schritt bei neu eingehenden Laborwerten Push-Mitteilungen auf dem mobilen Gerät angezeigt. Es bleibt spannend.

Nicht nur im stationären Umfeld, auch bei ambulanten medizinischen Einrichtungen sind mobile Lösungen auf dem Vormarsch. Michael Latz, Bereichsleitung Klinik/MVZ bei dem Praxis-IT-Spezialisten medatixx, empfiehlt, bei mobilen Szenarien den individuellen Anwendungsfall im Auge zu behalten, damit Akzeptanz erreicht wird. Auch eine Einbindung des Patienten ist möglich.

MOBILE LÖSUNGEN FÜR PRAXEN, MVZ UND KLINIKAMBULANZEN

MICHAEL LATZ, MEDATIXX

medatixx GmbH & Co. KGMonika [email protected] +49 (0)261 95 23 723

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Der Entwurf des E-Health-Gesetzes liegt vor. Kann die eGK jetzt zügig kommen?Die elektronische Gesundheitskarte ist ja be-reits da. Es geht jetzt darum, sie sinnvoll zu nutzen. Dass das E-Health-Gesetz einen Fahr-plan formuliert, mit dem der Online-Rollout auf Mitte 2016 gesetzt wird, begrüßen wir. Das gibt Planungssicherheit. Trotzdem ist der Gesetz-entwurf nicht hinreichend. Bei der finanziellen Förderung von Parallelnetzen ist einiges unklar. Auch beim Medikationsplan hätte man ent-schlossener sei können. Ein Plan aus Papier fördert nicht digitale Infrastrukturen. Schließlich halten wir den Gesetzentwurf im Hinblick auf die Interoperabilität für unzureichend. So wie er jetzt formuliert ist, entwickelt jeder Bereich eigene Schnittstellen. Das kann nicht sinnvoll sein.

Wo sehen Sie spannende IT-Trends im stationären Bereich, die es im Auge zu behalten gilt?Mobilität ist weiterhin ein Topthema für den stationären Sektor. Wie das aussehen kann, hat die Deutsche Telekom im Knappschafts-krankenhaus Bottrop gezeigt, wo wir auf Basis von iMedOne Mobile einrichtungsweit die mobile Visite eingeführt haben. Dabei werden KIS-Daten aufs iPad übertragen, und Aufträge werden mobil ausge-löst. Davon profitieren Ärzte, Pfleger, Verwaltung und natürlich auch die Patienten, weil die Ärzte mehr Zeit für die Visite haben und Krank-heitsbilder auf dem Tablet besser erklären können. Die Cloud ist ein anderes Zukunftsthema, das in Deutschland bisher nur in Ansätzen entwickelt ist. Sie wird vor allem bei der Archivierung wichtiger wer-den. Hier haben wir das Problem, das die Datenschutzbestimmungen von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sind. Das muss sich dringend ändern. Der dritte Bereich, wo wir trotz begrenzter IT-Bud-gets der Krankenhäuser von einer wachsenden Nachfrage ausgehen, ist der Bereich Analytics.

Hat sich in den Krankenhäusern mittlerweile eine Art „digita-les Mindset“ entwickelt?Das kann man schon sagen, ja. Es werden immer mehr Themen digital angegangen. Ein Beispiel ist das Hygienemanagement. Das ist für je-des Krankenhaus ein wichtiges Thema. Die Deutsche Telekom hat die

marktführende Software für die Erfassung von Hygieneprozessen und Hygienemaßnahmen, und wir spüren eine weiter steigende Nach-frage. In Sachsen haben wir kürzlich landesweit Labore an das System angeschlossen, die ihre Daten elektronisch ans Robert Koch Institut übermitteln. Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie Klinikthemen zunehmend digital abgebildet und gemanagt werden.

Inwieweit ist die Einbindung von Patien-ten in Kliniknetze denkbar oder bereits umsetzbar?Das wird kommen, aber wir sind da noch im Frühstadium. Natürlich gibt es Kliniken, die ver-suchen, Patienten digital anzubinden. Aber das ist noch eher ein Marketingthema. Die Schnitt-stelle Patient ist in KI-Systemen einfach noch

nicht vorgesehen. Das merkt man schon daran, wie umständlich es ist, wenn ein Patient die ihm gesetzlich zustehende digitale Abschrift der Akte tatsächlich einfordert.

Was sind neben der eGK wichtige E-Health-Themen im ambu-lanten Bereich?Sektorübergreifende Vernetzung und Mobilität sind auch hier wichtige Themen. Bei der Vernetzung haben die regionalen Netze eine Schritt-macherfunktion. Telehealth Ost-Sachsen ist ein gutes Beispiel, wie so etwas als offene Plattform, nicht als neue Insellösung, gestaltet wer-den kann. Wir zeigen dort mit Partnern, wie mit Tablets die Delegation medizinischer Leistungen effektiver gestaltet werden kann. Was noch fehlt, ist die Brücke zwischen den Apps und dem regulierten Bereich, sprich der Patientenakte. Auch deswegen muss die elektronische Patientenakte wieder auf die Tagesordnung.

Die Feldtests für die Telematikinfrastruktur stehen an. Das E-Health-Gesetz räumt Bremsklötze beiseite. Krankenhäuser müssen Mobilität und intersektorale Kommunikation adressieren und Entwicklungen wie Cloud Services und Big Data Analytics im Auge behalten. Dr. Axel Wehmeier, Geschäftsführer Telekom Healthcare Solutions, skizziert Chancen und Trends.

DIGITALES MINDSET

DR. AXEL WEHMEIER, TELEKOM HEALTHCARE SOLUTIONS

Deutsche Telekom AGDirk [email protected]+49 (0)228 18 19 45 38

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Ascom Wireless Solutions, ein weltweit vertretener Anbieter von missionskritischen Kommunikationssystemen, hat mit der Markteinführung des neuen Ascom Myco eine Revolution in den Arbeitsabläufen von Pflegekräften eingeläutet. Es ist das erste Gerät, bei dem die Pflegekräfte und Pa-tienten im Mittelpunkt stehen. Es verfügt über einzigartige Funktionen, die den Ar-beitsalltag der Pflegekräfte vereinfachen, die Effizienz steigern und mehr Zeit für die Pflege am Patientenbett schaffen. Ascom Myco ist das Ergebnis umfangreicher Re-cherchen über die Arbeitsweise der Pfle-gekräfte, von der Interaktion mit Patienten und anderen Kollegen bis hin zu Informati-onsflüssen und missionskritischer Kommunikation. Die gewonnenen Er-kenntnisse flossen in das Design des Ascom Myco Smartphone und der Benutzeroberfläche ein.

Die Recherche-Ergebnisse zeigten, dass ein großes Problem in der Arbeitsumgebung einer Pflegekraft der Stress ist. Linnea Fogelmark, Portfolio Experience Designer bei Ascom, erläuterte die Vorteile des benutzerzentrierten Designs: „Wir möchten, dass Pflegekräfte weniger Zeit für die Technologie aufwenden müssen, damit sie mehr Zeit für den Patienten haben. Vor diesem Hintergrund entwickelten wir eine komplett neue Anzeigemethode für Informationen, die wir die patien-tenzentrierte Benutzeroberfläche nennen. Mit Ascom Myco sieht die Pflegekraft auf dem Startbildschirm sofort, welche Patienten ihr zuge-wiesen sind und welche ihre besondere Aufmerksamkeit erfordern.“

Ascom fand zudem heraus, dass auch die Alarmmüdigkeit zu den größten Problemen in der Arbeitsumgebung einer Pflegekraft zählt. Ascom Myco stellt sicher, dass der richtige Alarm direkt an die verant-wortliche Pflegekraft gesendet wird. Ein einzigartiges Top-Display zeigt an, um welchen Alarmtyp es sich handelt, woher der Alarm stammt und wie wichtig dieser ist. Ellen Österdahl, Lead Experience Designer für Ascom Myco: „Wir waren ziemlich schockiert, als wir die Flut an Alarmen, denen Pflegekräfte ausgesetzt sind, und das Ausmaß der Alarmmüdigkeit sahen. Nicht jede Pflegekraft muss sich auf jeden Alarm konzentrieren, der in ihrer Umgebung ausgelöst wird. Auf dem

Top-Display des Ascom Myco wird die Pflegekraft auf diskrete Weise informiert. So kann sie mit einem Blick auf das Gerät sofort erkennen, was geschehen ist und wie sie reagieren muss.“

Ascom Myco trägt auch zur Entlastung der Stationsleitung bei. In Verbindung mit der Ascom Unite Middleware erweitert das Smartphone die Reichweite vorhandener Systeme für den Krankenhausbetrieb, in-dem zeitkritische Informationen, direkt an das Mobilgerät der Pflegekraft weitergelei-tet werden. Die Middleware verfügt über ein Modul für die Patientenzuweisung, mit dem die Stationsleitung den Pflegekräften ganz

einfach Patienten zuweisen und eine automatische Eskalationskette aus zwei oder drei Pflegekräften festlegen kann, die auf die Alarme reagieren müssen.

Das Ascom Myco Smartphone verfügt über ein robustes Design, das den physischen und hygienischen Anforderungen der Kranken-hausumgebung standhält. Dank seiner Benutzerfreundlichkeit und der zahlreichen Funktionen für die Entscheidungshilfe und das Patientenmanagement erweist sich Ascom Myco als unentbehrlicher Begleiter der Pflegekraft. Mwila Kapema, Product Marketer bei Ascom: „Das Smartphone verfügt über eine viel längere Betriebsdauer als ein typisches verbraucherorientiertes Gerät, da es 24 Stunden pro Tag ein-satzbereit ist und von Schicht zu Schicht weitergereicht werden kann. Die Lebensdauer des Ascom Myco ist auch um Jahre länger als die eines verbraucherorientierten Geräts, was dem Krankenhaus eine gute Investitionsrendite verschafft.“

Ascom Myco wurde auf die Bedürfnisse von Pflegekräften zugeschnitten, angefangen bei Größe und Gewicht über Belastbarkeit bis hin zur Darstellung der Informationen und dem Management klinischer Arbeitsabläufe.

ASCOM MYCO BRINGT DIE MOBILE REVOLUTION IN DIE PFLEGE

Ascom Wireless Solutions Oliver Laube [email protected]+49 (0)69 5800 574 00

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Patientendaten aus dem KIS werden automatisch der richtigen Akte hinzugefügt. Auch Office-Dokumente werden mit dem ECM verwaltet und auf dem 3PAR-Speichersystem hinterlegt. Die Software konver-tiert alle Dokumente automatisch in ein langlebiges Standardformat und bindet über integrierte Workflows auch Geschäftsprozesse wie automatischen Rechnungseingang oder Freigaben mit ein. Bei der Kapazitätsplanung musste diese Lösung, die für den Arbeitsablauf im Krankenhaus sehr wichtig ist, besonders berücksichtigt werden. Durch die zwei installierten Speicherysteme und die zwei Controller, die in jeder HP 3PAR-7200-Einheit stecken, ist Ausfallsicherheit ga-rantiert: Fällt eines der Speichersysteme aus, kann man dank eines Quorum-Servers, der den Status beider Systeme ständig überwacht und Anfragen im Zweifel auf die intakte Maschine umleitet, trotzdem auf der anderen Seite ohne Unterbrechung weiterarbeiten. „Auf diese Weise ist es möglich, auch bei Ausfällen eine Operation im Opera-tionssaal vollständig per Video zu dokumentieren“, erklärt IT-Leiter Schwietering. Freilich musste von dieser technischen Möglichkeit bisher kein Gebrauch gemacht werden, denn Ausfälle kamen nicht vor. „Anfängliche Probleme mit dem Quorum-Server, die auf unsere Unerfahrenheit beim Umgang mit der Lösung zurückzuführen waren, wurden vom Support innerhalb kürzester Zeit geklärt“, lobt Schwietering. Weil es im Krankenhaus auf stets verfügbare Technik ankommt, hat das Klinikum einen Supportvertrag mit durchgängig vier Stunden Reaktionszeit (24*7) abgeschlossen. „Die Reaktionen bei Anfragen wa-ren aber sogar noch schneller“, berichtet Schwietering. Auch ansonsten haben sich die Erwartungen in das neue Speicher-produkt bisher voll erfüllt. „Die HP 3PAR-Lösung nutzt die vorhandene Speicherkapazität um bis zu 50 Prozent effizienter“, sagt Schwietering. Der Supportaufwand ist gering, wobei dies schon beim Vorläufersystem der Fall war. Anwendungen wie das KIS laufen laut Schwietering um 30 bis 40 Prozent schneller. Und Kapazitätsupdates erfordern nur noch ein paar Handgriffe statt aufwändiger Prozeduren. „Es genügt jetzt, einfach neue Festplatten hineinzuschieben, das geht viel schneller als bisher“, freut sich der IT-Manager, der davon ausgeht, sich mindestens in den nächsten fünf Jahren keine Sorgen mehr um seine Speicher-infrastruktur machen zu müssen.

HerausforderungAblösung eines am Ende der Lebensdauer befindlichen Speichersys-tems durch eine neue, flexible und zukunftsfähige Lösung mit univer-seller Verwendbarkeit und geringem Administrationsaufwand.

LösungImplementierung von zwei HP 3PAR 7200 Storage Systemen mit redundanter Dual-Controller-Ausführung. Diese haben jeweils 10 TByte Kapazität, die durch synchrone Replikation verbunden und als Hot-Standby-Konfiguration ausgeführt sind.

Vorteile:• Bis zu 50 Prozent effizientere Ausnutzung der Speicherkapazität• Beschleunigung der Applikationen um 30 bis 40 Prozent• Geringer Administrationsaufwand• Schnelle Vergrößerung der Speicherkapazität durcheinfaches

Hinzufügen von Festplatten• Support in Landessprache von fachkundigen Mitarbeitern• Erwiesene Zuverlässigkeit von Hersteller und Hardware

Das Stiftungskrankenhaus Maria Hilf in StadtlohnDas Stiftungskrankenhaus Maria Hilf in der 20.000-Einwohner- Gemeinde Stadtlohn in der Nähe der niederländischen Grenze gibt es seit 140 Jahren. Zusammen mit weiteren Stiftungseinrichtungen – einem Seniorenheim, einem Hospiz, einem medizinischen Ver-sorgungszentrum, einer Einrichtung des betreuten Wohnens und einem Physiozentrum – versorgt es die Einwohner von Stadt und Umland mit medizinischen und pflegerischen Leistungen. Das Krankenhaus hat neben einer zentralen Notaufnahme und der Ambulanz Abteilun-gen für Allgemeine Innere Medizin, eine Stroke Unit (zur Schlaganfall-behandlung), Kardiologie, Gastroenterologie, Onkologie, Allgemeine, Visceral- und Unfallchirurgie sowie Orthopädie, dazu kommen ein Wirbelsäulenzentrum, Anästhesie und Intensivmedizin, Gynäkologie und Geburtszentrum sowie ein Zentrum für Palliativmedizin und Schmerzbehandlung.

Hewlett-Packard GmbHHerrenberger Strasse 14071034 Böblingen

Fragen zu 3PAR:+40 (0)911 9339 2161www.hp.com/de/storage

Das Krankenhaus Stadtlohn ist eine Einrichtung der Stiftung Maria Hilf Stadtlohn mit vielfältigen Leistungen (siehe Kasten) und rund 750 Mitarbeitern. Zur Stiftung gehören weitere Einrichtungen, zum Beispiel ein Seniorenheim, ein Hospiz, ein medizinisches Versorgungszentrum, eine Einrichtung des betreuten Wohnens und ein Physiozentrum. 2014 erreichte die seit 2007 vom Klinikum Maria Hilf verwendete Speicherlösung, eine HP EVA 4000 mit 15 TByte Kapazität, das Ende ihrer Lebensdauer. Eine neue Lösung musste also her, die die betagte Anlage ersetzen würde. Zur Überbrückung mietete IT-Leiter Bernd Schwietering ein Mini-NAS-System an.Dann begann die Suche nach dem neuen System. Neben HP 3PAR wurde ein weiterer Anbieter evaluiert. Als erstes berechnete Schwie-tering, wie groß die Kapazität einer Nachfolgelösung sein müsste. Nachdem das bisherige Datenvolumen von 15 TByte bereinigt worden war, ergab sich ein erforderliches Datenvolumen von 10 TByte für die geplante Standzeit von fünf Jahren, sofern die neue Lösung die Kapa-zitäten des neuen Systems optimal ausnutzte.

Fachkundiger Support vom Experten steht obenanAm Ende machte die HP mit der 3PAR 7200 das Rennen. Dafür gab es mehrere Gründe. So war das Klinikum mit den Service- und Support-leistungen von HP sowie mit der Qualität des Vorproduktes EVA 4000 sehr zufrieden gewesen. „Uns ist wichtig, dass man immer geschultes und deutschsprachiges Personal am Apparat hat, wenn Fragen zu klären sind oder eine Störung auftritt“, sagt Schwietering. Beim evaluierten Mitbewerber war dies nicht garantiert – dieser verlagert die Service-erbringung rund um die Uhr nach dem „Follow the Sun“-Prinzip in ferne Weltgegenden, wo das Personal am Telefon nur gebrochen Deutsch spricht. „Wir wollten deshalb eigentlich gern bei HP bleiben“, betont Michael Saffé, der als Geschäftsführer des Klinikums das letzte Wort über die Anschaffung hatte.Neben dem Service trugen die technischen Vorteile der 3PAR- Lösung dazu bei, dass es letztlich so kam: So bietet HP 3PAR mit Thin Conversion Software einen Mechanismus an, der freie Speicher-

kapazitäten sofort wieder verfügbar macht und kleinere Volumes flexibler Größe ermöglicht. So wird insgesamt die Speicherkapazität besser ausge-nutzt. Außerdem ist das System er-heblich performanter. Ein weiterer Pluspunkt lag in der Preisflexibilität des Partners Netgo, eines Borkener Systemhauses, wo-durch die Lösung im Vergleich mit dem evaluierten Konkurrenzprodukt bei den Gesamtkosten über die volle Nutzungs zeit punkten konnte. Schließ-lich ergaben sich Vorteile bei der

Abwicklung. So lieferte HP-Partner Netgo das HP 3PAR-Speicher-system komplett vorkonfiguriert. Die Datenmigration war bereits im Gesamtpreis enthalten und erfolgte bei laufendem Betrieb. Zwei Schulungstage reichten, um das Fachpersonal in den Umgang mit dem System einzuweisen. Der gesamte Aufbau bis zur Inbetriebnahme dauerte nur zwei Tage. Nach drei Tagen Testbetrieb, ebenfalls eine Aufgabe von Netgo, war klar, dass alles wie gewünscht laufen würde.

Hochverfügbarkeit und optimale KapazitätsauslastungInzwischen arbeitet die Lösung mit 10 TByte Speicherkapazität seit knapp einem Jahr. Im Detail stecken derzeit in der Lösung 36 x 900 GB, 10k SAS Disk pro Speichersystem. Auf der HP 3PAR 7200 laufen gut 40 Server mit allen operativen Anwendungen – angefangen vom KIS (Krankenhaus-Informationssystem) über das Apotheken-Online-bestellsystem, die Radiologie-, Labor- und Endoskopiedaten, Daten des ebenfalls zur Stiftung gehörenden Seniorenheims und des Medi-zinischen Versorgungszentrums, auch Daten von Verwaltung, Küche oder Risikomanagement sowie die Daten der IT lagern auf den zwei in zwei unterschiedlichen Brandabschnitten installierten, redundanten HP 3PAR-7200-Maschinen mit jeweils 10 TByte Speicherkapazität, die durch synchrone Replikation zu einer Hot-Standby-Konfiguration mit-einander verbunden sind.Im selben zeitlichen Umfeld führte das Krankenhaus auch die ECM (Enterprise Content Management)-Software des Berliner Software-hauses OPTIMAL SYSTEMS ein. Sie löst das bisher bestehende Papierarchiv ab und übernimmt alle Patienten- und Behandlungsdaten entweder aus dem KIS oder aus der Patientenverwaltung SAP IS-H.

Im Stiftungskrankenhaus Maria Hilf in Stadtlohn musste ein neues Speichersystem her. Es sollte zukunfts- und ausbaufähig, schnell und bezahlbar sein, um auch dem neuen ECM-System von OPTIMAL SYSTEMS ausreichend Platz zu bieten. Die Wahl fiel auf HP 3PAR.

30 PROZENT MEHR PERFORMANCE DANK SCHNELLEM SPEICHERSYSTEM

HP 3PAR StoreServ 7000 Storage

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„Wir vertrauen jetzt über 12 Jahre unserem medavis RIS, einem Werkzeug, das uns in den vielen Jahren, die wir es nun nutzen, nie im Stich gelassen hat“, beschreibt Dr. Labisch, Radiolo-ge und Verantwortlicher für Bildarchivierung- und Kommunikationssysteme in der Radiologie Herne, das Verhältnis seiner Mitarbeiter zum zentralen IT-System. Ihm war es 2002 wichtig, ein Produkt auszuwählen, das die technischen und medizinischen Anforderungen erfüllt und dessen Hersteller mit den Kunden interagiert und partnerschaftlich zusammenarbeitet. Des-halb fiel die Wahl auf das inhabergeführte, mit-telständische Unternehmen medavis. Dass die-se Entscheidung richtig war, hat sich mehrfach bestätigt. Die Anwender werden bei Neuerun-gen am System stets mit eingebunden, „denn ihre Akzeptanz ist Voraussetzung dafür, dass das System unsere Arbeit verbessert“, sagt Dr. Labisch aus eigener Erfahrung. Deshalb findet grundsätzlich eine gemeinsame Prozessana-lyse statt, bevor ein neues Feature eingesetzt wird.

Da die Radiologie Herne als externer Dienstleister drei Krankenhäuser der Region betreut, muss dieser Prozess auch über die eigenen Orga-nisationsgrenzen hinaus gedacht werden. Der verlässliche Datenaus-tausch zwischen dem RIS, den Krankenhaus Informationssystemen (KIS) verschiedener Anbieter, einem leistungsstarken Bildarchiv (PACS) und anderen Modalitäten sowie die Integration der Spracherkennung sichern medizinische Versorgung auf höchstem Niveau. Darüber hin-aus wird in Herne jedes Dokument über eine integrierte Scanfunktion mit Barcode-System konsequent digitalisiert, so dass sämtliche Daten im zentralen „Diagnostic Patient Center“ des RIS verfügbar sind. Die Mitarbeiter rufen gemäß ihrer Benutzerrolle alle Dokumente und Akten auf, egal an welchem der vier Standorte sie sich befinden. So ist es beispielsweise üblich, dass Zweitmeinungen von einem spezialisierten Kollegen, der an einem anderen Standort arbeitet, in Echtzeit gegeben werden. Eine 100 MBit-Leitung gewährleistet die Datenübertragung. „Würden wir heute noch das Papier von a nach b tragen, wären wir weniger effizient und hätten ein geringeres Leistungsniveau“, fasst Dr. Labisch zusammen.

„Das medavis RIS ist sehr intuitiv. Auch eine Aushilfskraft oder ein Kollege, der aus der Klinik zu uns wechselt, kann die wesentlichen Funkti-onen nach 30 Minuten bedienen und damit ar-beiten“, lobt Dr. Labisch. Als Folge des aktiven digitalen Arbeitens, verkürzen sich Warte- und Behandlungszeiten für den Patienten. Mehrere Arbeitsschritte können parallel angestoßen wer-den, wenn zum Beispiel die Abrechnung einer Leistung oder eine weitere Untersuchung zeit-gleich erstellt bzw. geplant werden.

Neben den Vorteilen in der medizinischen Ver-sorgung bietet das RIS auch für die Geschäfts-leitung wertvolle Funktionen. Mithilfe von Aus-wertungen einzelner Prozessschritte werden Analysen zur Wirtschaftlichkeit durchgeführt. Die Optimierung des Workflows führt dazu, dass

jeder einzelne Arbeitsschritt schneller von statten geht. Durch die Ein-führung des medavis RIS konnte beispielsweise die durchschnittliche Befundungszeit von 48 auf 26 Stunden gesenkt werden. Weitere Kenn-zahlen dienen der Qualitätsprüfung, die regelmäßig im Rahmen der ISO-Zertifizierung durchgeführt wird.

„Die Software muss dem Anwender dienen. Das zu erreichen funkti-oniert mit medavis sehr gut“, freut sich Dr. Labisch über das freund-schaftliche, fast familiäre Verhältnis zwischen der Radiologie Herne und den Mitarbeitern des Anbieters. Aufgrund der guten Zusammen-arbeit wurden Ideen und Wünsche in die Produktentwicklung auf-genommen. So ist eine stimmige IT-Lösung mit dem Herzstück RIS entstanden, die rund läuft, eine hohe Akzeptanz aufweist und immer verfügbar ist.

230.000 Untersuchungen an 4 Standorten mit 150 Mitarbeitern und einer integrierten IT-Infrastruktur: In der Radiologie Herne sichert das Radiologie Informationssystem (RIS) der Firma medavis standortübergreifendes Arbeiten der Mitarbeiter, kurze Warte- und Behandlungszeiten für den Patienten und zeitnahe Abrechnung der erbrachten Leistung. Alle Unterlagen stehen ohne Zeit- und Informationsverlust jederzeit zur Verfügung.

IM HERZEN EIN RIS

DR. MED. CHRISTOPH LABISCH, RADIOLOGIE HERNE

medavis GmbHHeidi Kuß[email protected]+49 (0)721 92910-360

Eine moderne, patientenorientierte Gesund-heitsversorgung erfordert die enge Zusam-menarbeit zwischen Niedergelassenen, Krankenhäusern, Pflege- und Sozialdiensten, Reha-Kliniken und vielen weiteren Einrichtun-gen. Reibungslose Abläufe und die bedarfsge-rechte Nutzung regional vorhandener Angebote sind die Voraussetzung dafür, dass Patienten die bestmögliche Behandlung erhalten und sich dabei optimal betreut fühlen. Exemplari-sche Anwendungsfälle sind das Entlass- und Überleitungsmanagement, die Nachsorge bei Tumorerkrankungen oder die Umsetzung sek-torenübergreifender IV-Verträge. Um dieses Ziel zu erreichen, ist das optimale Zusammenwirken einer flexiblen, IT-gestützten Prozesssteuerung und einer zuverlässigen und aktuellen Daten- und Wissensbasis notwendig. Die bisher im Gesundheitswesen eingesetzten IT-Systeme bilden dies leider nur unvollständig ab, da sie meist ausschließlich für den Einsatz innerhalb einer Organisation ausgelegt sind.

Der ICW Care Manager wurde entwickelt, um diese Lücke zu schließen. Er ist ein leistungsstarkes Werkzeug zur Modellierung und Steuerung einrichtungs- und sektorenübergreifender Arbeitsprozesse. Dynami-sche Abläufe lassen sich gemäß den individuellen Anforderungen eines Versorgungsmodells abbilden. Eine leistungsfähige Workflow-Engine ermöglicht die Modellierung von Leitlinien, klinischen Behandlungspfa-den und einrichtungsübergreifenden Standards.

Die Datenerhebung und Verlaufsdokumentation erfolgt dabei unter an-derem mit Hilfe von intelligenten Formularen, die mit dem ICW Form-Designer individuell gestaltet werden können. Eine integrierte medi-zinische Akte sorgt zudem dafür, dass alle an der Versorgung eines Patienten Beteiligten einen einheitlichen Zugriff auf alle relevanten Daten haben. Der reibungslose Datenaustausch mit vorhandenen Systemen und die Vermeidung einer redundanten Datenerfassung werden durch ein breites Angebot an Schnittstellen, z.B. zu Krankenhaus- oder Arz-tinformationssystemen, sichergestellt. Durch die Möglichkeit, alle Infor-mationen in strukturierter Form zu erfassen und abzulegen, ist der ICW Care Manager auch ein ideales Tool zur Gewinnung von Daten für die

Versorgungsforschung. Interaktive Dashboards und frei konfigurierbare Reports zur Datenauf-bereitung und Visualisierung runden das Leis-tungsportfolio ab.

Besonderes Augenmerk legt der ICW Care Manager zudem auf die teamorientierte Zusam-menarbeit über Einrichtungsgrenzen hinweg. Dank des webbasierten Designs steht die An-wendung auch nicht-ärztlichen Berufsgruppen zur Verfügung, die normalerweise keinen Zugriff auf medizinische Informationssysteme haben. Die Überleitung von Patienten zwischen den einzelnen Einrichtungen wird deutlich effizien-ter, da der ICW Care Manager für transparente Arbeitsabläufe sorgt. Prozesse werden besser planbar, da alle Beteiligten jederzeit über den aktuellen Fortschritt informiert sind und die zu einem bestimmten Zeitpunkt benötigten Infor-

mationen rechtzeitig zur Verfügung stehen. Dr. Martin Hoffmann, Chief Medical Officer der ICW, erläutert hierzu: „Die gemeinsame Nutzung des Systems durch Mediziner, Pflegefachkräfte, Sozialdienst sowie Angehörige zahlreicher anderer Gesundheitsfachberufe eröffnet völlig neue Möglichkeiten der effizienten Kooperation. Die dadurch erreich-bare Steigerung der Versorgungsqualität kann nicht nur gemessen werden, sondern ist auch für die Patienten spürbar.“

ICW Care Manager ist eine innovative IT-Lösung zur Steuerung von Versorgungsprozessen über Einrichtungsgrenzen hinweg. Er dient interdisziplinären Behandlungsteams als gemeinsames Werkzeug zur Koordination der Patientenversorgung und hilft ihnen dabei, auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Patienten einzugehen und die vorhandenen Ressourcen effizient zu nutzen.

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HIMSS Europe hat im Auftrag von Nuance Healthcare in den vergangenen Monaten Ärzte und Pflegende zu ihrem Doku-mentationsverhalten befragt. Ziel war es herauszufinden, wie weit Wahrnehmung und Realität über den Aufwand ausei-nander liegen und in welchem Umfang bewährte Hilfsmittel zur Dokumentation genutzt werden. Die Ergebnisse stimmen nachdenklich. Warum dokumentieren Ärzte vier, Pflegende durchschnittlich drei Stunden pro Tag? Und finden am Ende doch nicht die notwendige Information? Die Studienergebnis-se stehen hier im Detail zur Verfügung: www.dokumentationsfalle.eu

Fachkräftemangel, weil Ärzte lieber dokumentieren? Die Auswertung der Studie zeigt, dass Ärzte und Pflege-kräfte ihren Dokumentationsaufwand unterschätzen. Vielen von ihnen geben an, dass sie Daten doppelt, mal auf Papier, mal elektronisch erfassen. „Solange die Patientenakte in Papierform immer noch existent ist, muss man viele Prozesse duplizieren. Das heißt, zuerst schreibt man etwas auf und später gibt man es im PC ein.“ Ausgehend von einem „normalen“ Arbeitstag mit neun Stunden inklusive Pause, nutzen Ärzte durchschnittlich 44 Prozent ihrer Zeit für die Dokumentation, bei Pflegenden sind es 37 Prozent. Vor dem Hin-tergrund des Fachkräftemangels ist es unverständlich, warum Mög-lichkeiten ungenutzt bleiben, ihnen diese Aufgaben abzunehmen oder zu vereinfachen.

Schwindendes Interesse am Beruf, weil dieser auslaugt?Weil Arbeitsverdichtung und Personalmangel stetig zunehmen, steht das Fachpersonal in vielen Fällen kurz vor dem Kollaps. Die Befragten geben an, dass Überstunden, auch wegen des Dokumentationsaufwands, unvermeidbar sind. Die Folgen sind logisch und machen den Beruf für junge Menschen wenig attraktiv. Während die Befragten ihre Berufswahl mit Ethos begründen, könnten sich Neueinsteiger überlegen, ob sie sich mit ihrer Berufswahl für Überstunden und Stress entscheiden.

Viel dokumentiert hilft viel? Trotz des immensen Dokumentationsaufwands, den die Befragten betreiben, gaben 25 Prozent an, dass ihnen durch fehlende Informa-tionen zusätzliche Arbeit entsteht. Warum ist das so, wo doch so viel aufgeschrieben wird? Scheinbar tragen Medienbrüche dazu bei, dass

Informationen nicht verfügbar sind. Dass diese Probleme gelöst werden könnten, wissen die Befragten, die zu ihrer Erfah-rung mit digitaler Dokumentation antwor-ten: „Mit einem Klick kann der Arzt sofort einen Überblick zur Patientenhistorie be-kommen (Vorgeschichte, Medikation und Diagnosen).“Warum also wird die IT nicht konsequent genutzt? Viele der Befragten sehen die Vorteile einer durchgängigen Digitalisie-rung. „Der größte Vorteil in meinen Augen ist Zeitersparnis, höhere Genauigkeit, gute Übersichtlichkeit und Lesbarkeit.“

Warum lenkt keiner gegen?Vor diesem Hintergrund stellen sich die Initiatoren die Frage: Laborieren die Entscheider in Krankenhäusern an der falschen Stelle? Folgt man den Studienteilnehmern, so kann eine konsequente Digitalisierung viel bewirken. Deshalb ist das Fazit gleichzeitig ein Appell an die Entschei-der, den Blick auf den operativen Alltag zu richten und mit einfachen, verfügbaren Lösungen, die Arbeit des medizinischen und pflegerischen Personals zu verbessern. Sicher sind auch strategische Entscheidun-gen, beispielsweise zur Personalgewinnung wichtig, doch macht es nicht mehr Sinn, zunächst die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass die vorhandenen Mitarbeiter besser und lieber arbeiten?

www.dokumentationsfalle.eu

Für alle Besucher der diesjährigen conhIT (14.-16. April, Berlin) steht das Team am Nuance Stand Halle 2.2, A-106 für Fragen und eine personalisierte Kostenanalyse zur Verfügung. Terminvereinbarungen unter: [email protected]

Eine neue Studie zum Thema „Aufwand für die Dokumentation im Krankenhaus“ zeigt, wie viel Zeit durch schlechte Organisation und fehlende Technologie für die Dokumentation ver(sch)wendet wird.

ALLES KÖNNTE SO EINFACH SEIN, IST ES ABER NICHT!

Nuance Communications Healthcare Germany [email protected]/healthcare+49 (0)4121 800 48 10

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Welche Aufgaben muss ein medi-zinisches Archivierungssystem er-füllen und welche Anforderungen hat die Merian Iselin Klinik an ein solches?CK: Die Merian Iselin Klinik ist ein Beleg-krankenhaus. Da die Ärzte ungefähr zur Hälfte ihre Zeit in unseren Operationssä-len, zur anderen Hälfte in ihrer eigenen Praxis verbringen, möchten wir ihnen ein System zur Verfügung stellen, bei dem sie alle Patienteninformationen elektro-nisch gebündelt aufrufen können – egal, von welchem Ort aus. Wir wollten ihnen einen Workflow anbieten, der sie bei ihrer Arbeit maximal entlastet und den administrativen Aufwand so gering wie möglich hält. Das setzt voraus, dass das Archivierungs-system eine gesetzeskonforme Datenspeicherung sicherstellen kann.GB: Das Grundanliegen ist es, eine konsolidierte Sicht auf eine ePA zu ermöglichen. Es muss komplett herstellerneutral und interoperabel sein, sodass es mit den existierenden IT-Systemen einer Einrichtung arbeiten kann. Es sollte zudem ein zugelassenes Medizinprodukt sein.

Was hat Sie zur Anschaffung eines medizinischen Archivie-rungssystems bewogen?CK: Wir haben uns aus mehreren Gründen dafür entschieden, ins-besondere aus solchen der Revisions- beziehungsweise Migrations-sicherheit. Da wir Daten aus verschiedenen Systemen, die physika-lisch nicht an einem Ort sind, aufbewahren müssen, möchten wir diese Daten in einem Archiv zusammenführen. Gleichzeitig bestand der Wunsch, sich für die Zukunft zu wappnen. Die Schweizer eHealth Strategie sieht vor, dass sich Kliniken mit öffentlichem Leistungsauf-trag einer privatrechtlichen Gemeinschaft zum Zweck des Datenaus-tausches anschließen. Wir wollten mit dem Medical Archive jetzt schon alle Voraussetzungen dafür schaffen, um unsere Daten zum Stichtag in das große, nationale System einspeisen zu können.

Warum hat sich die Merian Iselin Klinik für JiveX Medical Ar-chive entschieden? CK: Die zentrale Datenbündelung des JiveX Medical Archive in einer Oberfläche ist ein enormes Plus für den Anwender und es ist viel ein-facher, weil wir damit nur eine technische Infrastruktur warten müssen

−zumal wir JiveX auch als radiologisches PACS einsetzen. Wir benutzen die Lö-sung nicht nur als klinikinternes System, sondern im Rahmen der Bildverteilung auch extern mittels eines Webviewers und eines Portalzugangs. Hier war aus-schlaggebend, dass JiveX die IT-Aus-stattung unserer Belegärzte reibungs-los unterstützt. Wichtig ist für uns auch, dass das System alle medizinischen Daten archiviert, also auch EKGs, Auf-nahmen aus dem OP oder Wundbilder.

Was sind die Besonderheiten des JiveX Medical Archives aus Herstellersicht? GB: Als eine ganzheitliche Plattform für ausschließlich medizinische Objekte fokussiert JiveX auf das Wesentliche unter Verwendung von fünf anerkannten Standards: DICOM, HL7, HL7 CDA, PDF/A,IHE XDS. JiveX ermöglicht es, neben radiologischen Bildern auch nicht-radiolo-gische und nicht-DICOM Bild- und Signaldaten wie EKGs in das DI-COM-Format zu überführen. Es ist zudem herstellerneutral, interope-rabel und ein Medizinprodukt der Klasse IIb.

Wie setzen Sie das JiveX Medical Archive an der Merian Iselin Klinik ein? CK: Wir haben einen mehrphasigen Einsatz geplant, der Ende 2016 abgeschlossen ist. Momentan werden die DICOM-kompatiblen Sys-teme (C-Bögen, Ultraschallgeräte und Arthroskopietürme) an JiveX angeschlossen und die wichtigsten Belegarztpraxen inkl. Doku-mentenaustausch integriert. Anschließend erfolgt der Ausbau dieser Belegarztpraxen. In der dritten Projektphase werden auch Biosignal-daten archiviert.

Eine Konsolidierung der medizinischen Daten verbessert den Workflow und die Behandlungsmöglichkeiten sowie den einrichtungsübergreifenden Datenaustausch. Das wirkt sich extrem positiv auf die Zusammenarbeit mit Belegärzten aus, erläutern Christoph Kreutner, Leiter Technik Radiologie an der Merian Iselin Klinik in Basel und Guido Bötticher, Geschäftsführer VISUS, im Gespräch mit HealthTech Wire.

MEHR EFFIZIENZ AUF ALLEN EBENEN MIT DEM MEDIZINISCHEN ARCHIV

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CHRISTOPH KREUTNERGUIDO BÖTTICHER

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Das Forum für ICT im GesundheitswesenLe forum pour les TIC dans le système de santé

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Gesundheit neu denken:Personalized Health

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eHealth Summit Austria18. - 19. Juni 2015Schloss Schönbrunn Apothekertrakt und Orangerie, Wien

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®Österreichische Gesellschaftfür Biomedizinische Technik

Austrian Society forBiomedical Engineering

Erö� nungskeynote 18. Juni 2015 Prof. Dr. Otmar WiestlerVorstandsvorsitzender und Wissenschaft-licher Stiftungsvorstand des Deutschen Krebsforschungszentrums; Designierter Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft

Keynotespeaker 19. Juni 2015 Univ.-Prof. Dipl.-Ing. DDr. Wolfgang DordaUniversitätsprofessor für Angewandte Medizinische Informatik; Leiter des Zentrums für Medizinische Statistik, Informatik und Intelligente Systeme der Medizinischen Universität Wien (CeMSIIS)

18. Juni 2015

plus PDMS CONFERENCE D.A.CH

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