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Europäisches Journal für Minderheitenfragen European Journal of Minority Studies Vol 11 No 3-4 2018 HERAUSGEBER Christoph Pan Franz Matscher Manfred Kittel Matthias Theodor Vogt Paul Videsott EJM

EJM - wittmann-bernard.com · Pan/Pfeil/Videsott National Minorities in Europe Handbook of European National Minorities – Volume 1 Handbuch %Y ¥ EKI 7IMXIR KIFYRHIR ISBN 978-3-7046-7908-6)VWGLIMRYRKWHEXYQ

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Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheber-

rechtsgesetzes ist unzulässig und strafb ar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen,

Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen.

Berlin 2018

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Contents Vol 11 No 3-4 2018

Europäisches Journal für Minderheitenfragen

European Journal of Minority Studies

Vol 11 No 3-4 2018

Europäisches Journal für MinderheitenfragenEuropean Journal of Minority Studies

Europäisches Journal für M

inderheitenfragenEurop

ean Journal of Minority Studies

Vol 11 No 3-4 2018

HERAUSGEBERChristoph PanFranz MatscherManfred KittelMatthias Theodor VogtPaul Videsott

ISSN (Print) 1865-1089ISSN (Online) 1865-1097

EJM EditorialZu Ehren von Christoph Pan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .207

Pfeil, Beate Sibylle: Ein Pionier des Minderheitenschutzes im neuen Europa. Christoph Pan zum 80. Geburtstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .209

Vincze, Loránt: Admonition and Morals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .224

Markó, Béla: The Europe of Professor Pan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .229

BeiträgeDorfmann, Herbert: Minderheitenschutz in der EU: auf dem richtigen Weg . . . . .237

Ebert, Kurt: Antieuropäische und russlandfeindliche Tendenzen in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .241

Gamper, Anna: Legalitätsfragen des katalanischen Gesetzes über das Selbstbestimmungsreferendum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .267

Kittel, Manfred: Lebendiges Letzeburgisch – sterbendes Elsässisch? Regionale Identitäten, NS-Besatzungszeit und Sprachpolitik nach 1945 . . . . . . . .281

Matscher, Franz: Minderheitenrechte, Minderheitenschutz; rechtsphilosophische, rechtsdogmatische und positivrechtliche Grundlagen – Gedanken zum Thema . . .310

Neisser, Heinrich: Der Minderheitenschutz im Spannungsfeld des europäischen Einigungsprozesses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .316

Obwexer, Walter: 25 Jahre Streitbeilegungserklärung: Auswirkungen auf die internationale Absicherung der Autonomie Südtirols . . . . . . . . . . . . . . . . . . .330

Sógor, Csaba: The eff orts towards minority protection in Europe in the past decades and their impact on the situation of Hungarians in Romania. . . . . . . . . . .347

Toggenburg, Gabriel N.: The European Union and the protection of minorities: new dynamism via the European Citizen Initiative?. . . . . . . . . . . . . . .362

Tőkés, László: Unsere einzige lebensfähige Alternative: die Autonomie . . . . . . . . .392

Videsott, Paul: Digitale Medien als Chance für die Minderheitensprachen. . . . . . .412

Vogt, Matthias Theodor: Und wenn „die Zigeuner“ selbst …? Minderheitenfragen und die Kraft literarischer Bildfi ndung am Beispiel des Rroma-Romans „Andere Akkorde“ von Simone Schönett (Klagenfurt 2018). . . .427

Wittmann, Bernard: Minderheitenschutz als Investition in den Frieden . . . . . . . . .451

Zaffi , Davide: Purloining Minority Language . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .460

Zeller, Karl: Auf dem Weg zur Gleichberechtigung der Dolomitenladiner in der Region Trentino-Südtirol. Vom Pariser Vertrag bis zum Verfassungsgesetz Nr. 1/2017 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .479

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Berlin 2018

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Impressum

Das Europäische Journal für Minderheitenfragen/European Journal of Minority Studies wird heraus-gegeben von Christoph Pan (Bozen), Franz Matscher (Salzburg), Manfred Kittel (Berlin), Matthias Theodor Vogt (Görlitz) und Paul Videsott (Bozen, geschäftsführender Herausgeber)

Wissenschaftlicher Beirat: Anna Gamper (Universität Innsbruck), Stephan Garsztecki (Technische Universität Chemnitz), Hans Goebl (Universität Salzburg), Esther Happacher (Universität Innsbruck), Peter Jordan (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien), Klaus-Jürgen Nagel (Universitat Pompeu Fabra, Barcelona), Walter Obwexer (Universität Innsbruck), Günther Rautz (EURAC, Bozen), Oliver Reisner (Ilia State University, Tifl is/Tbilisi), Eduard Werner (Universität Leipzig)

Schriftleitung: Südtiroler Volksgruppen-Institut, Lauben 9, I-39100 Bozen,Mail: [email protected], Homepage: www.ejm-digital.deArtikel und Rezensionsexemplare bitte an diese Adresse.

Das Europäische Journal für Minderheitenfragen unterliegt einem Peer Review Verfahren gemäß den Richtlinien ISSAI 5600 und ISSAI 30 der International Organization of Supreme Audit Institutions. (www.intosai.org; insbes. www.intosai.org/en/issai-executive-summaries/view/article/issai-5600-peer-review-guideline.html).

Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Für den Fall der Annahme und Veröffentlichung eines eingereichten Manuskripts geht das zeitlich und räumlich unbeschränkte, ausschließliche Werknutzungsrecht für alle Sprachen für die Dauer des gesetzlichen Urheberrechts vom Autor/von den Autoren an den Verlag über. Die Einreichung des Manuskripts gilt diesbezüglich als Erklärung des Einverständnisses zur Einräumung sämtlicher Rechte durch den Autor/die Autoren.

Erscheinungsweise: 2 x im Jahr. Bezugsmöglichkeiten: Bestellungen nehmen der Verlag und der Buchhandel entgegen. Bezugspreise: Jährliches Abonnement Print- oder Onlineausgabe jeweils 90,– €, für Mitglieder des Südtiroler Volksgruppen-Instituts (gegen Nachweis) 50,– €; jährliches Abonnement Print für Institutionen 120,– €; jährliches Abonnement Kombiversion (Print und Online) 125,– €; jährliches Abonnement Kombiversion (Print und Online) für Institutionen 165,– €; Einzelheft 48,50 €; Preise für Institutionen mit IP-Zugang auf Nachfrage. Alle Preise inkl. MwSt., zzgl. Versandkosten für Print (Inland: jährliches Abonnement 4,– €; Ausland: jährliches Abonnement 9,– €; Inland: pro Einzelheft 2,– €; Ausland: pro Einzelheft 4,50 €). Irrtum und Preisänderung vorbehalten. Zeitschriftenabonnements verlängern sich automa-tisch um ein Jahr, sofern nicht sechs Wochen vor Ablauf des Kalenderjahres eine schriftliche Kündigung im Berliner Wissenschafts-Verlag eingegangen ist.

Verlag: Berliner Wissenschafts-Verlag GmbH, Markgrafenstr. 12–14, D-10969 Berlin, Tel.: (030) 84 17 70-0, Fax: (030) 84 17 70-21, Mail: [email protected], Internet: www.bwv-verlag.de

Anzeigenverwaltung: Franziska Fiebig, Tel.: (030) 84 17 70-26, Mail: [email protected] Wissenschafts-Verlag GmbH, Markgrafenstr. 12–14, D-10969 Berlin

Abonnement/Vertrieb: Paul Anrather, Tel.: (030) 84 17 70-11, Mail: [email protected] Wissenschafts-Verlag GmbH, Markgrafenstr. 12–14, D-10969 Berlin

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Pan/Pfeil/VidesottNational Minorities in EuropeHandbook of European National Minorities – Volume 1

Handbuch

ISBN 978-3-7046-7908-6

€ 95,–

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EJM 3- 4 | 2018

Minderheitenschutz als Investition in den FriedenFestschrift zu Ehren von Univ. Prof. Dr. Christoph Pan

anlässlich der Vollendung seines 80. Lebensjahres am 28. Januar 2018

Inhalt

Editorial

Zu Ehren von Christoph Pan 207Pfeil, Beate Sibylle: Ein Pionier des Minderheitenschutzes im neuen Europa. Christoph Pan zum 80. Geburtstag 209Vincze, Loránt: Admonition and Morals 224Markó, Béla: The Europe of Professor Pan 229

Beiträge

Dorfmann, Herbert: Minderheitenschutz in der EU: auf dem richtigen Weg 237Ebert, Kurt: Antieuropäische und russlandfeindliche Tendenzen in der Europäischen Union 241Gamper, Anna: Legalitätsfragen des katalanischen Gesetzes über das Selbstbestimmungsreferendum 267Kittel, Manfred: Lebendiges Letzeburgisch – sterbendes Elsässisch? Regionale Identitäten, NS-Besatzungszeit und Sprachpolitik nach 1945 281Matscher, Franz: Minderheitenrechte, Minderheitenschutz; rechtsphilosophische, rechtsdogmatische und positivrechtliche Grundlagen – Gedanken zum Thema 310Neisser, Heinrich: Der Minderheitenschutz im Spannungsfeld des europäischen Einigungsprozesses 316Obwexer, Walter: 25 Jahre Streitbeilegungserklärung: Auswirkungen auf die internationale Absicherung der Autonomie Südtirols 330Sógor, Csaba: The efforts towards minority protection in Europe in the past decades and their impact on the situation of Hungarians in Romania 347Toggenburg, Gabriel N.: The European Union and the protection of minorities: new dynamism via the European Citizen Initiative? 362Tőkés, László: Unsere einzige lebensfähige Alternative: die Autonomie 392Videsott, Paul: Digitale Medien als Chance für die Minderheitensprachen 412Vogt, Matthias Theodor: Und wenn „die Zigeuner“ selbst …? Minderheitenfragen und die Kraft literarischer Bildfi ndung am Beispiel des Rroma-Romans „Andere Akkorde“ von Simone Schönett (Klagenfurt 2018) 427Wittmann, Bernard: Minderheitenschutz als Investition in den Frieden 451Zaffi , Davide: Purloining Minority Language 460Zeller, Karl: Auf dem Weg zur Gleichberechtigung der Dolomitenladiner in der Region Trentino-Südtirol. Vom Pariser Vertrag bis zum Verfassungsgesetz Nr. 1/2017 479

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Das Europäische Journal für Minderheitenfragen/European Journal of Minority Studies EJM ist Fragestellungen gewidmet, die sich mit der Wahrung und Ent-wicklung der sprachlich-kulturellen Existenz und Identität der nationalen Minderheiten in Europa befassen. Damit soll ein Beitrag zur Erhaltung der kulturellen Vielfalt Europas geleis tet werden.

Träger des Europäischen Journal für Minderheitenfragen ist das Südtiroler Volksgruppen-Institut (Bozen).

Erscheint mit Unterstützung von:

Bundesministerium für Bildung, Wien

Autonome Region Trentino-Südtirol

Land Südtirol, Amt für Kabinettsangelegenheiten,Entwicklungszusammenarbeit

Stiftung Südtiroler Sparkasse

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Europäisches Journal für Minderheitenfragen

EJM 11 , 3- 4 | 2018, 451–459

Minderheitenschutz als Investition in den Frieden

Bernard Wittmann

Protection of Minorities as an Investment in Peace

Abstract: By comparing two opposing political systems – centralized French Ja-cobinism and decentralized Swiss Federalism – the article highlights the fact that there is no true democracy, nor a healthy and peaceful society, if the rights of a country’s regional minorities are not recognized. Only respect for a country’s regional minorities can guarantee long-term peace within society! The majority’s refusal to recognize those rights – which their ethnic minorities consider essential for their own well-being – leads to a “de facto” situation of discrimination harm-ful to a peaceful coexistence in everyday life. The spirit of tolerance and diversity must prevail over those archaic ideological systems that tend to negate their own regional minorities.

Keywords: Protection of minorities; Special rights for minorities; Establishment of equitable societies; International texts

Bernard Wittmann, Historiker, 5, Impasse de l’Ancre, F-67000 Strasbourg/Strassburg i/Elsass, E-Mail: [email protected]

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452 Bernard Wittmann

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1. Vorbemerkung

Fakt ist: Die meisten Staaten der Welt sind ethnisch heterogen wegen der Ge-schichte oder schlecht gezogenen Grenzen. In jüngerer Zeit wurde diese Hete-rogenität durch die Globalisierung mit der Migration von Bevölkerungen noch verstärkt. Infolgedessen ist das Problem der Minderheiten ein Problem für viele Staaten, besonders in Europa, und Reibungen sind keine Seltenheiten. Kataloni-en ist das jüngste Beispiel. Es kann außerdem festgestellt werden, dass die meis-ten Konfl ikte auf der ganzen Welt auf Minderheiten zurückzuführen sind, die sich gegen die Diskriminierung, von der Mehrheit, oder auch gegen das elende Schicksal, das ihnen auferlegt wird, aufl ehnen.

2. Das Schweizer Beispiel

Je nach erreichtem Grad der Demokratie der Länder wird die Behandlung dieser Frage durch verschiedene institutionelle Mechanismen geregelt. So haben eini-ge Staaten, wie die Schweiz, den Weg der rigorosen Achtung der Identitäten al-ler Sprachgemeinschaften im Land gewählt, indem sie sie durch das allgemeine Recht und die Institutionen schützen. So hat das Land vier Landessprachen, dar-unter das Romantsch, das von weniger als 1 % der Bevölkerung gesprochen wird.

Die schweizerische Politik der Achtung von Minderheiten ist allerdings nur dank dem föderalistischen System möglich, nicht zuletzt, weil die alemannische Mehrheit im Land, die 55 % der Bevölkerung darstellt, sich für die Wahl der Tole-ranz entschieden hat. Sie verpfl ichtet sich, die Vielfalt zu achten, indem sie akzep-tiert, dass die verschiedenen Sprachgemeinschaften in den verschiedenen Kan-tonen gleichbehandelt werden. Das Recht auf Autonomie und auf ein eigenes kulturelles und sprachliches Leben ist somit allen gesichert. Jeder Kanton erlässt frei seine Gesetze, verwaltet seine eigenen Finanzen, erhebt seine eigenen Steu-ern, verfügt über seine Beamten … und genießt alle politischen, administrativen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Freiheiten, je nach seinen Bestrebun-gen, unter Berücksichtigung jedoch der allgemeinen Gesetze des Bundes.

Sogar als Minderheit sind jede Sprachgemeinschaft und darüber hinaus jeder Kanton in den verschiedenen Instanzen der Staatsmacht vertreten. Das Ergebnis ist eine friedliche und harmonische Gesellschaft, in der jeder seinen Platz fi ndet, dem anderen Respekt erweist, ohne dass diese maßgeschneiderte Ausgewogen-heit durch die Überzahl dieser oder jener Gemeinschaft gefährdet wird.

Das Schweizer Beispiel zeigt uns, dass ein ethnisch heterogener Staat mit ver-schiedenen Sprachen und Kulturen, sobald die Mehrheit nicht unterdrückend ist, dennoch eine Willensgemeinschaft bilden kann. Die Bewusstseinsgemeinschaft existiert dort ohne die Gemeinschaft der Sprache oder der Kultur.

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3. Der Fall der französischen jakobinischen Republik

Im Gegensatz dazu fi nden wir Frankreich, „eine und unteilbare Nation“, das nur eine Identität anerkennt: die der dominierenden sprachlichen und kulturellen Gruppe, die eine geistige Einheit bildet. Sie zeichnet sich leider durch ihre Intole-ranz und ihren Anspruch aus, einzig und allein die Normalität, den gemeinsamen Standard, zu verkörpern. Diese hegemoniale Mehrheit ist die obligatorische Re-ferenz, die sich allen anderen Völkern des Landes aufzwingt. Sie zieht alle Macht an sich und zwingt ihr Gesetz den Minderheiten auf, indem sie ihnen das Recht auf Selbstbestimmung verweigert – was nicht notwendigerweise Abspaltung im-pliziert, ja auch nur auf einfache Änderungen von administrativen Grenzen in-nerhalb des Landes im Rahmen der territorialen Integrität1 – sondern auch noch das Recht sich selbst zu verwalten, und das Recht ihre eigenen Sprachen und Kulturen zu schützen und zu entwickeln. Und das obwohl ihre Geschichte älter als die Verfassung des Staates ist!

So kann man im Fall des zentralisierten Systems des Französischen National-staates, ohne Übertreibung, von einer „Diktatur der Mehrheit“ sprechen, denn ohne gerechte Aufteilung der Macht hält eine Mehrheit die Minderheit in einem Zustand der Unterwerfung. Aber bedeutet die Grundvoraussetzung einer Demo-kratie nicht, dass alle die an den bedeutenden Entscheidungen teilnehmen und die Geschäfte des Landes führen?

Andererseits bestreitet diese Mehrheit den Minderheiten Rechte, die sie selbst vergöttert, und de facto eine unerträgliche Situation der Diskriminierung schafft.

So wird die französische Sprache als die einzige von der Verfassung anerkannt: „Die Sprache der Republik ist Französisch“, lautet der Artikel 2. Folgedessen sind alle anderen Sprachen des Landes „verfassungswidrig“, deren Unterricht wirft immer noch Probleme auf, das Ergebnis: Sie sterben aus. Aber eine Sprache, die ausstirbt, bedeutet ein Teil des menschlichen Geistes, der verschwindet. Frank-reich, eine traurige Ausnahme in Europa mit der Türkei, wollte nie die Europäi-sche Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarates ratifi zie-ren! Es sei daran erinnert, dass die sprachliche Vereinigung eines der ersten Ziele der Jakobiner der Revolution war, die zu diesem Zweck systematisch die anderen

1 In einem föderalen Rahmen ist das Recht auf Selbstbestimmung im Allgemeinen für die terri-toriale Integrität des Staates ohne Gefahr. Um tiefgreifende Erschütterungen bestimmter un-entbehrlichen zwischenstaatlichen Beziehungen nicht zu gefährden, können außerdem Grenzen eingeräumt werden, wie sie in internationalen Texten vorgesehen sind. Und dann bietet der Föderalismus viele Zwischenlösungen wie den Status von „Staatsregion“/„Bundesland“ oder „Associated State“. Selbstbestimmung löst nicht alle Probleme. Daher kann sie nicht von Min-derheiten in kleinen Enklaven oder verstreuten Minderheiten angewandt werden. In diesen Fäl-len ist die beste Lösung immer die Autonomie.

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Sprachen des Landes, die ihnen gegenüberstanden abwerteten, indem sie ihnen „die Universalität der französischen Sprache“ entgegenhielten! Ihre Besessenheit war es, eine einzige Nation zu schaffen, die eine einzige Sprache hatte, obwohl sie aus verschiedenen Völkern und Nationen bestand.

Auch die Geschichte der einheimischen Völker Frankreichs fehlt in den Schulprogrammen, wo nur Platz für den „nationalen Roman“ übrig bleibt. Ein einziges Volk, eine einheitliche Sprache, eine einzige Geschichte … das ist das er-klärte Ziel der französischen Jakobiner seit der Revolution. Diese Einzigartigkeit führt zweifellos zur Verarmung des Landes, durch den unglaublichen Verlust des Reichtums, der die Vielfalt seiner Identitäten ausmacht.

Die jakobinische Republik ist eine pyramidale Struktur. Alles wird oben entschieden, wo alle Macht konzentriert ist. Minderheiten als solche genießen keinerlei Anerkennung, sie werden einfach nicht zur Kenntnis genommen: In Frankreich gibt es keine Urvölker, nur eine persönlichkeitslose Masse, die sich aus unabhängigen Bürgern zusammensetzt! Diese Negierung wird in der Verfassung zum Ausdruck gebracht, die sowohl die Einzigartigkeit des französischen Volkes als auch die der Sprache festlegt, und zwar von den Reihen der Nationalversamm-lung bis hinauf zur höchsten staatlicher Ebene. Im Oktober 2014 scheute sich der amtierende Ministerpräsident Manuel Valls vor den versammelten Abgeordneten nicht zu behaupten: „Es gibt kein elsässisches Volk. Es gibt nur ein französisches Volk!“ Und der damalige Präsident der Republik François Hollande wiederholte kurz darauf lächelnd: „Das Elsass gibt es nicht mehr!“

Die Neuorganisation der Regionen wurde von Paris allein beschlossen, ohne die von der Umwälzung ihrer Lebensräume betroffenen Bevölkerungsgruppen zu konsultieren. Diese Neugestaltung ist übrigens auch ein eindeutiger Verstoß gegen internationale Texte wie die Europäische Charta der kommunalen Selbst-verwaltung des Europarats, die jedoch von Frankreich unterzeichnet und ratifi -ziert wurde (deshalb wurde es 2016 vom Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates gerügt).2 Im Januar 2015 wird das Elsass einfach von der Kar-te der Regionen Frankreichs gestrichen, um in der wirklichkeitsfremden Mega-Region des „Grand-Est“, zweimal so groß wie Belgien, verwässert zu werden. Eine Absurdität in jeder Hinsicht. Laut einer Umfrage des CSA-Instituts (Conseil Sondages Analyses) vom April 2017 waren 84 % der Elsässer jedoch immer noch gegen diese „Verwässerungsfusion“, und befürworten weiterhin mit einer großen

2 Am 22.03.2016 hat der Kongress der Gemeinden und Regionen einen Bericht verabschiedet, in dem er bedauerte, „dass Artikel 5 der Charta nicht eingehalten wurde“, sowie die Reaktion des Verfassungsrates und des Staatsrates, die die Nichtkonsultation der Bevölkerung befürworteten. Schließlich forderte er Frankreich auf, „den Konsultationsprozess der direkten Vertreter der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu überprüfen“.

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Mehrheit die Rückkehr der Region Elsass. 60 % wollen die regionale Autonomie. Aber in Paris ist es der jakobinischen Technostruktur, die das Land verwaltet, egal! Sie verfügt übrigens über treue und ergebene Unterstützer bei den Gewähl-ten, um bedenkenlos ihre verwerfl iche Politik durchzusetzen.

Am 23. September 2017, wenige Tage vor seinem Rücktritt, gesteht der Prä-sident der neuen Region „Grand-Est“, der Elsässer Philippe Richert, vor dem Ständigen Ausschuss, der für die Auswechslung der Straßenschilder zuständig ist und die Schilder „Region Alsace“ durch neue mit der Beschriftung „Region Grand-Est“ ersetzen soll: „Es gibt keine Identität Grand-Est, aber sie wird im Laufe der Zeit aus unseren gemeinsamen Errungenschaften entstehen“.3

Dies ist eine typische Argumentation eines Jakobiners, der davon überzeugt ist, dass eine Identität verordnet werden kann, dass sie durch eine politische Ent-scheidung zustande kommt oder wieder rückgängig gemacht werden kann. Aber eine Identität kann nicht in ein paar Jahren oder gar Jahrzehnten entstehen, und noch umso weniger, wenn sie sich auf keinen menschlichen, wirtschaftlichen, kulturellen, historischen oder geographischen Hintergrund stützt, so wie es der Fall für den „Grand-Est“ ist. Eine Identität ist immer das Ergebnis eines sehr langen historischen, sozialen, intellektuellen und politischen Prozesses, eines ku-mulativen Konstrukts, das in der langen Geschichte verankert ist, wie im Falle des Elsass.

Wie wir sehen können, hat die nationale Ideologie Frankreichs, die die Mehr-heit den Völkern und nationalen Minderheiten des Landes zwei Jahrhunderte lang aufgezwungen hat, alle Merkmale einer totalisierenden Ideologie.

Für sie stellt die Vielfalt eine Bedrohung für die Einheit des Staates dar, wel-cher folglich ihre Beseitigung voranzutreiben hat: „Frankreich, Land der besieg-ten Vielfalt“, war die Losung der Dritten Republik und der folgenden … bis heute! Am französischen Beispiel können wir sehen, dass angesichts einer into-leranten Mehrheit, die hochheilige Mehrheitsregel, die sich die Demokratien auf die Fahne geschrieben haben, zu einem gewaltigen Instrument der Herrschaft und der Unterdrückung werden kann!

Das System ist gut abgeriegelt: Frankreich ist eines der letzten Länder in Eu-ropa, die sich weigern, das Verhältniswahlrecht bei den Parlamentswahlen einzu-führen. Die Volksabstimmung, sei es auf nationaler oder regionaler Ebene, ist von absoluter Seltenheit! Den Regionen ist der direkte Kontakt mit den europä-ischen Behörden untersagt. Hinzu kommt die Weigerung, die Regeln der Subsi-diarität einzuführen, daran man sieht, dass die demokratische Lage dieses Landes besorgniserregend ist: „das demokratische Ideal“, auf das es sich dauernd beruft,

3 N.N. 2017.

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dient in Wirklichkeit als scheinheiliger Deckmantel, um eine höchst ungerechte Situation zu vertuschen.

Und der Wandel ist nicht in Sicht, weil der französische Nationalstaat auf-grund seiner veralteten nationalen Ideologie, die ihn permanent in Konfl ikt mit den Realitäten bringt, für die notwendigen Reformen unwiederbringlich ver-schlossen scheint.

4. Minderheitenschutz: ein Faktor des Friedens

Für die Parlamentarische Versammlung des Europarats ist die Minderheit eine Gruppe von Personen, die auf dem Staatsgebiet wohnen, sie haben spezifi sche ethnische, kulturelle, religiöse oder sprachliche Merkmale; sie sind ausreichend repräsentativ, obwohl sie weniger zahlreich sind als der Rest der Bevölkerung dieses Staates.

Das französische Beispiel deutet klar darauf hin, auf negative Weise aller-dings, dass der Schutz und Respekt für Minderheiten notwendigerweise mit der Gewährung spezifi scher administrativer, gesetzlicher, sprachlicher und kultureller Rechte einhergeht. Sie müssen Minderheiten zumindest befriedigende vertragli-che Lösungen bieten, um ihre Entwicklung und das Weiterbestehen ihrer Identi-tät, Kultur und Traditionen zu gewährleisten:

Nur wenn Minderheiten in der Lage sind, ihre eigene Sprache verwenden zu können, von den Dienstleistungen, die sie selbst organisiert haben, nutzen zu ziehen und am politischen und wirtschaftlichen Leben der Staaten teilzunehmen, erst dann können sie den Weg in Richtung Status, den Mehrheiten für selbstverständlich halten, einschlagen,

heißt es in einem Dokument der Vereinten Nationen über besondere Rechte von Minderheiten.4

Um zu bestehen, brauchen Minderheitsvölker den Schutz des Gesetzes und die Gewährung politischer Macht. Daher ist Autonomie ein unerlässliches Ele-ment für ihren Schutz: „Wenn die (Minderheits-) Gruppe nicht über die politische und administrative Kontrolle ihrer verschiedenen Sektoren verfügt, werden diese, zu ihrem Nachteil, im ausschließlichen Interesse der dominierenden ethnischen Gruppe geführt“, schreibt Guy Héraud.5

Es ist zu beachten, dass umgekehrt eine dominante Mehrheit in einem Land keinen Schutz und Sonderrechte benötigt.

Der Schutz der Minderheit erfordert auch die Anerkennung von Identität und ihre Gleichbehandlung, wobei Gleichheit die notwendige Grundlage für Frieden und soziale Harmonie ist. Es ist Teil eines Prozesses der Achtung von Vielfalt und

4 E/CN.4/52, Abschnitt VIIa (OHCHR o.J.).5 Héraud 1963, 102.

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Nichtdiskriminierung. Als Folge davon wird es Ressentiments gegenüber dem Staat verhindern und zur Entstehung einer friedlichen Gesellschaft beitragen, die frei von ethnischen Spannungen ist und daher der Geselligkeit förderlich ist: „Ein Bewusstsein der Zugehörigkeit, ein Stolz über seine Abstammung, kulturelle Verwurzelung sind Faktoren des Selbstvertrauens, die eine gute Stütze für eine erfolgreiche Integration in das soziale Gefüge bieten“, hebt Yves Plasseraud hervor6 und verweist auf französische Philosophen wie Sylvie Mesure oder Alain Renaud.

Dieser Schutz ist auch unabdingbar für die Schaffung einer gerechten und demokratischen Gesellschaft, ohne die es keine politische Stabilität geben kann:

„… die Förderung und den Schutz der Rechte von Angehörigen nationaler oder ethnischer, re-ligiöser und sprachlicher Minderheiten tragen zur politischen und sozialen Stabilität der Staaten bei, in denen sie leben“, heißt es in der Präambel der „Erklärung der Rechte von Personen, die nationalen oder ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten angehören“.7

Daher ist der Grad des Schutzes von Minderheiten in einem Land der ideale Schieber, um den Grad der Demokratie genau zu messen: Die Rechte, die Min-derheiten gewährt werden, sind die wahren Kennzeichen des Zustandes der Mei-nungsfreiheit in einem Land.

Andererseits stellt das Missachten der Gleichbehandlung und der besonde-ren Rechte, die allen ethnischen Komponenten des Landes garantiert sind, eine Leugnung der Demokratie und eine nicht hinnehmbare Diskriminierung dar, die in vielen internationalen Texten verurteilt wird: „Wenn eine Bevölkerung im Namen republikanischer Gleichheit ihrer historischen Sprache, ihrer Kultur, ihrer Geschichte beraubt wird, handelt es sich nicht auch in diesem Falle um Diskriminierung?“, empört sich Henri Scherb, Präsident des Vereins „Heimetsproch un Tradition“.8

Außerdem können wir auch feststellen, dass ein Staat, der nicht unterdrü-ckend ist und alle ethnischen Gruppen unter Berücksichtigung ihrer kulturellen, sozialen und sprachlichen Werte respektiert, fast sicher deren Zustimmung ge-winnt: eine Minderheit, die in ihrem Unterschied respektiert wird revoltiert nicht und strebt meist nur danach, sich dem gemeinsamen Projekt anzuschließen. So rebellierte die Bretagne erst dann gegen Frankreich, als es gegen die Bestimmun-gen des feierlichen Vertrags verstieß, der die Bedingungen ihrer Vereinigung mit Frankreich festlegte (nachdem sie mit den Waffen besiegt worden war) und der Bretagne ihre „innere Autonomie“ so wie ihre politischen, fi nanziellen und ver-fassungskonformen Freiheiten gewährte. Und während der Zwischenkriegszeit

6 Plasseraud 2017.7 Präambel der Erklärung über die Rechte von Personen, die nationalen oder ethnischen, religi-

ösen und sprachlichen Minderheiten angehören – verabschiedet von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 18.12.1992 (Resolution 47/135).

8 Scherb 2008.

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lehnten sich die Elsässer erst gegen Frankreich auf als Paris beschloss, das Elsass einer schnellen und radikalen Assimilationspolitik zu unterwerfen.9

Auf der anderen Seite haben die Negation ihrer Existenz, die Diskriminie-rung, die Unmöglichkeit, ein eigenes kulturelles Leben zu führen, und die Behin-derung der Gruppensolidarität treiben fast immer ein Volk zur Revolte oder zur Sezession: „Das Wichtigste ist, nicht mit all denen zusammenzuleben, die uns nahe stehen, sondern nicht mit einem Volk zusammenzuleben, das uns dominiert und uns zerstört“, pfl eg-te Guy Héraud zu sagen, indem er die entgegengesetzte Meinung von Ernest Renan vertrat. In diesem Sinne ist das Recht auf Selbstbestimmung manchmal ein wirksames Mittel, um die legitimen Rechte von Menschen oder Nationen ohne Staat, die in verschiedenen Teilen der Welt unterdrückt werden, zu schüt-zen: „Die Nation kann keine Zwangsjacke sein“, hat der Erzjakobiner Jean-Luc Mélanchon, Anführer der Insoumis, einer Bewegung der harten Linken, erkannt, als er sich über Katalonien äußerte.

Der Schutz von Minderheiten und die Bewahrung ihrer besonderen Identität sind Gegenstand von Empfehlungen internationaler Gremien. Sie entsprechen den Normen und Prinzipien, die sowohl von der UNESCO, vom Europarat (Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten/Versammlungs-empfehlung Nr. 1201/1993)10, als auch vom Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte formuliert wurden. In den Artikeln 1 und 27 des „Internationalen Pakts der Vereinten Nationen über die bürgerlichen und politi-schen Rechte religiöser, ethnischer und sprachlicher Minderheiten“ heißt es:– Art. 1: „Das Recht der Völker auf Selbstbestimmung und freie Verfügung

über ihre Reichtümer und ihre natürlichen Ressourcen.“– Art. 27: Die kulturellen Rechte von Minderheiten: „In Staaten, in denen es

ethnische, religiöse oder sprachliche Minderheiten gibt, darf den Personen, die diesen Minderheiten angehören, nicht das Recht entzogen werden, ge-meinsam mit anderen Mitgliedern ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu führen, sich zu ihrer eigenen Religion zu bekennen und sie zu praktizieren oder ihre eigene Sprache zu benutzen.“

Frankreich hat einen Vorbehalt „im Namen des republikanischen Universalis-mus“ erlassen. Es möchte daran erinnern, dass es sich um eine „einzige und un-teilbare“ Republik handelt, und bekräftigt, dass Minderheiten die gleichen Rechte genießen wie alle ihre Mitbürger. Deshalb ist es rechtlich nicht an diesen Artikel gebunden. 2008 empfahl der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen der französischen Regierung, diesen Vorbehalt aufzuheben … Ohne Erfolg!

9 Siehe Erklärung v. Edouard Herriot vom 17.06.1924.10 In Kraft getreten 1998 und von Frankreich nicht unterzeichnet.

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459Minderheitenschutz als Investition in den Frieden

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Am 24. Januar 2015 wurde dieser Text von 168 Staaten ratifi ziert. In Europa werden die Rechte aus den Artikeln 1 und 27 des Paktes von Frankreich, Grie-chenland und der Türkei nicht anerkannt.

Bibliographie

Scherb, Henri (2008): Wenn eine Bevölkerung im Namen republikanischer Gleichheit ihrer histori-schen Sprache, ihrer Kultur, ihrer Geschichte beraubt wird, handelt es sich nicht auch in diesem Falle um Diskriminierung?. In: Dernières Nouvelles d’Alsace, 27.5.2008.

OHCHR (o.J.) : Fiche d‘information No 18 (Rev.1) - Droits des minorités, https://www.ohchr.org/Documents/Publications/FactSheet18Rev.1fr.pdf (abgerufen am 17.7.2018).

Héraud, Guy (1963): L’Europe des ethnies (Das ethnische Europa). Paris: Presses d’Europe.N.N. (2017): Compte rendu de la délibération de la Commission permanente de la Région Grand-

Est. In: Dernières Nouvelles d’Alsace, 23.11.2017.Plasseraud, Yves (2017): Contre le populisme, le nationalisme revisité. In : Elsass Journal - mai

2017, http://www.elsassjournal.com/contre-le-populisme-le-nationalisme-revisite (abgerufen am 17.7.2018).

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Contents Vol 11 No 3-4 2018

Europäisches Journal für Minderheitenfragen

European Journal of Minority Studies

Vol 11 No 3-4 2018

Europäisches Journal für MinderheitenfragenEuropean Journal of Minority Studies

Europäisches Journal für M

inderheitenfragenEurop

ean Journal of Minority Studies

Vol 11 No 3-4 2018

HERAUSGEBERChristoph PanFranz MatscherManfred KittelMatthias Theodor VogtPaul Videsott

ISSN (Print) 1865-1089ISSN (Online) 1865-1097

EJM EditorialZu Ehren von Christoph Pan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .207

Pfeil, Beate Sibylle: Ein Pionier des Minderheitenschutzes im neuen Europa. Christoph Pan zum 80. Geburtstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .209

Vincze, Loránt: Admonition and Morals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .224

Markó, Béla: The Europe of Professor Pan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .229

BeiträgeDorfmann, Herbert: Minderheitenschutz in der EU: auf dem richtigen Weg . . . . .237

Ebert, Kurt: Antieuropäische und russlandfeindliche Tendenzen in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .241

Gamper, Anna: Legalitätsfragen des katalanischen Gesetzes über das Selbstbestimmungsreferendum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .267

Kittel, Manfred: Lebendiges Letzeburgisch – sterbendes Elsässisch? Regionale Identitäten, NS-Besatzungszeit und Sprachpolitik nach 1945 . . . . . . . .281

Matscher, Franz: Minderheitenrechte, Minderheitenschutz; rechtsphilosophische, rechtsdogmatische und positivrechtliche Grundlagen – Gedanken zum Thema . . .310

Neisser, Heinrich: Der Minderheitenschutz im Spannungsfeld des europäischen Einigungsprozesses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .316

Obwexer, Walter: 25 Jahre Streitbeilegungserklärung: Auswirkungen auf die internationale Absicherung der Autonomie Südtirols . . . . . . . . . . . . . . . . . . .330

Sógor, Csaba: The eff orts towards minority protection in Europe in the past decades and their impact on the situation of Hungarians in Romania. . . . . . . . . . .347

Toggenburg, Gabriel N.: The European Union and the protection of minorities: new dynamism via the European Citizen Initiative?. . . . . . . . . . . . . . .362

Tőkés, László: Unsere einzige lebensfähige Alternative: die Autonomie . . . . . . . . .392

Videsott, Paul: Digitale Medien als Chance für die Minderheitensprachen. . . . . . .412

Vogt, Matthias Theodor: Und wenn „die Zigeuner“ selbst …? Minderheitenfragen und die Kraft literarischer Bildfi ndung am Beispiel des Rroma-Romans „Andere Akkorde“ von Simone Schönett (Klagenfurt 2018). . . .427

Wittmann, Bernard: Minderheitenschutz als Investition in den Frieden . . . . . . . . .451

Zaffi , Davide: Purloining Minority Language . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .460

Zeller, Karl: Auf dem Weg zur Gleichberechtigung der Dolomitenladiner in der Region Trentino-Südtirol. Vom Pariser Vertrag bis zum Verfassungsgesetz Nr. 1/2017 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .479