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ELECTRONIC COMMERCE (R)EVOLUTION FÜR WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT Economic Research Januar 2000 Economic Briefings Nr. 15 Wie gross sind die Internet-Gemeinde und das künftige Geschäftspotenzial? Wie werden Wachstum, Inflation und Beschäftigung tangiert? Wird die Arbeitsteilung durch E-Commerce neu definiert? Wird das Internet zum Steuerparadies der Zukunft?

ELECTRONIC COMMERCE (R)EVOLUTION FÜR WIRTSCHAFT …intensiv mit der Thematik. Die verschiedenen Interessen-gruppen beschäftigen sich jeweils mit unterschiedlichen Aspekten rund um

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ELECTRONIC COMMERCE(R)EVOLUTION FÜR WIRTSCHAFTUND GESELLSCHAFT

Economic ResearchJanuar 2000

Economic BriefingsNr. 15

Wie gross sind die Internet-Gemeinde und das künftige Geschäftspotenzial?

Wie werden Wachstum, Inflation und Beschäftigung tangiert?

Wird die Arbeitsteilung durch E-Commerce neu definiert?

Wird das Internet zum Steuerparadies der Zukunft?

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Herausgeber

CREDIT SUISSE, Economic Research, Postfach 100,CH-8070 Zürich

Autor

Carmelo D. Gemelli, Tel. 01 333 28 08,e-mail: [email protected]

Layout und Grafiken

Carmen Sopi, e-mail: [email protected]

Erscheinungsweise

6 – 8 Ausgaben pro Jahr in unregelmässigen Abständen gemässAktualität der Themen.

Redaktionsschluss

6. Dezember 1999

Abonnements und Bestellungen

Direkt bei Ihrem Kundenberater oder bei jeder CREDIT SUISSEGeschäftsstelle. Interne Bestellungen via HOST mit Mat.-Nr.1511361 (HOST: MW01). Abonnements mit Publicode EBD(HOST: WR10). Einzelexemplare über EBIC Fax 01 333 37 44, Tel.01 333 52 07 oder e-mail: [email protected]

Besuchen Sie uns auf dem Internet

www.de.credit-suisse.ch/economic_research

Kopien unter Quellenangabe gestattet.

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Inhalt

Zusammenfassung und Ausblick 4

1. Einleitung 5

2. Stand der Dinge / Entwicklungspotenzial 6

3. Spuren in der Realwirtschaft 9

4. Geldpolitik auf dem Prüfstand 12

5. E-Business statt Business as usual 13

6. Regulatorischer Handlungsbedarf 16

7. Auf dem Weg in die globale 17Informationsgesellschaft

Verwendete Literatur und Links 18

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“The newest innovations,which we label information technologies,

have begun to alter the mannerin which we do business and create value,

often in ways not readily foreseeableeven five years ago.”

Alan Greenspan

Zusammenfassung und Ausblick

Gestern noch stritt man über die Zukunftsaussichten vonElectronic Commerce (E-Commerce). Heute sind es mehrdie Details dieser Zukunft, worüber diskutiert wird. Feststeht, dass innerhalb der nächsten vier Jahre die AnzahlMenschen, die den Anschluss ans Internet – und damit andie globale Informationsgesellschaft – finden, die Marke von350 Millionen erreichen dürfte. Die Möglichkeit, auch überalternative Terminals – wie beispielsweise Mobiltelefone undTV-Geräte – auf Internet-Dienste zurückgreifen zu können,lässt die Anzahl potenzieller Internet-Nutzer auf über 1 Milli-arde ansteigen.Bis Ende 1999 dürften im E-Commerce annähernd 100 Mil-liarden USD Umsatz erzielt werden. Die OECD schätzt, dassinnerhalb der nächsten fünf Jahre der Anteil vonE-Commerce am gesamten Detailhandelsumsatz der siebenwichtigsten Mitgliedstaaten von 1.5% auf 15% ansteigenwird (Kapitel 2).E-Commerce ist heute noch von augenfälligen regionalenUngleichgewichten geprägt. Die USA vereinen rund 80%der Electronic Commerce-Umsätze und der Internet-Nutzerauf sich. Diese Disparitäten werden sich in den nächstenJahren sukzessive reduzieren. Kritiker befürchten aber den-noch eine Akzentuierung der globalen Wohlstandsungleich-gewichte, da die Verbreitung von E-Commerce in einerWirtschaft für Wachstum, Beschäftigung und tiefere Infla-tion verantwortlich sein kann. Folgende Eckdaten der ameri-kanischen Wirtschaft verdeutlichen dies:• 35% des Wirtschaftswachstums der USA zwischen 1995

und 1998 wurden von der IT-Industrie getragen.• Der Preiszerfall bei IT-Gütern und -Dienstleistungen hat

die Inflation während der letzten Jahre durchschnittlich um0.7% tiefer ausfallen lassen.

• Im Jahre 2006 werden 50% der Beschäftigten in IT-produzierenden oder IT-intensiven Branchen tätig sein.

Befürchtungen, wonach die durch E-Commerce erzielbarenEffizienzgewinne zu einem weitreichenden Abbau von Ar-beitsplätzen führen werden, scheinen unbegründet zu sein.Grössere geografische Reichweite der Unternehmenstätig-keit, tiefere Preise sowie neuartige Produkte und Dienstlei-stungen werden gemäss OECD auf lange Sicht zu einerNettozunahme von Arbeitsplätzen führen. Damit einher ge-hen jedoch spürbare Umstrukturierungen in der Wirtschaft(Kapitel 3).Das Aufkommen von elektronischem Geld kann auch die Geld-politik erschweren. Eine direkte Folge ist die Schmälerung derZentralbankgewinne, jedoch bleibt die Fähigkeit, die Zinssätzezu beeinflussen, auch bei einer stärkeren Verbreitung der elek-tronischen Bargeldsubstitute erhalten (Kapitel 4).Das Ausmass und die Geschwindigkeit der Veränderungen,die durch E-Commerce in den unterschiedlichen Branchen

4 CREDIT SUISSE, Economic Briefings Nr. 15, Januar 2000

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der Wirtschaft stattfinden, hängen grundsätzlich von der Eig-nung der entsprechenden Güter und Dienstleistungen fürE-Commerce ab. Vor allem Branchen, in denen Produktehergestellt werden, die digitalisierbar sind oder sich von Kon-kurrenzprodukten nur in geringem Ausmass unterscheiden,werden in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach weit-reichende Strukturveränderungen erfahren.Dies trifft insbesondere auf die überwiegend informations-verarbeitende Finanzindustrie zu, welche sich in diesem Zu-sammenhang erst am Anfang eines noch fundamentalerenVeränderungsprozesses befindet. Dank Bankengesetzge-bung und Kernkompetenzen, über welche die Finanzinstituteverfügen, werden sich diese zwar langfristig neben bran-chenfremden Konkurrenten behaupten können. Trotzdemhat die Art und Weise, wie Bank- und verwandte Geschäftekünftig abgewickelt werden, mit dem klassischen Bankingimmer weniger gemeinsam (Kapitel 5).In der Schweiz nutzen derzeit beinahe die Hälfte der Unter-nehmen das Internet. Hauptsächlich wird es eingesetzt, umbetriebliche Aktivitäten wie Beschaffung und Verkauf zu un-terstützen. Die Möglichkeiten, welche die Internet-Technologie zur stärkeren Einbindung der Lieferanten undAbnehmer in die unternehmenseigene Wertschöpfungsket-te bietet, werden indes noch wenig genutzt. Das Modell dererweiterten Unternehmung ist trotz der technologischenMöglichkeiten noch nicht Realität.Die volle Bedeutung von E-Commerce für die Geschäftsweltbeurteilen zu wollen, erscheint verfrüht. E-Commerce istmehr als der Einkauf von Büchern oder Software per Inter-net. Die Technologie ermöglicht, ein bis dahin noch nie ge-sehenes Ausmass an Kooperation zwischen Unternehmenund Menschen zu realisieren, was zu neuartigen Formen derArbeitsteilung führen kann. Die grosse Unbekannte bleibtdabei die Art und Weise, wie stark Individuen in einer voll-ständig vernetzten Welt zusammenarbeiten werden. Es be-stehen gute Chancen, dass früher oder später dieZusammenarbeit in einer “intervernetzten” Wirtschaft gipfelnwird.Die rasanten technologischen Entwicklungen bleiben nichtohne Auswirkungen auf regulatorische Aspekte. DieVerbreitung von E-Commerce bedroht insbesondere die Be-steuerung des Konsums (Mehrwertsteuer) und der Unter-nehmensgewinne. Die Fiskalbehörden sehen sich mit derGefahr substantieller Steuerausfälle konfrontiert (Kapitel 6).Ebenso müssen juristische und sicherheitstechnische Fra-gen in die Überlegungen einbezogen werden. Aufgrund derausgeprägten Sensitivität des Electronic Commer-ce-Wachstums auf regulatorische Eingriffe wird in weitenKreisen, trotz der diskriminierenden Effekte für bestehendeHandelsinfrastrukturen, für eine Selbstregulierung desE-Commerce plädiert.

Obwohl sich E-Commerce primär als ein wirtschaftlichesPhänomen manifestiert, ist er Teil eines grösseren Prozes-ses sozialer Veränderungen, welcher durch die Globalisierungund die Entwicklung in Richtung Informationsgesellschaftbeschleunigt wird. Die Art und Weise, wie produziert, konsu-miert und kommuniziert wird, verändert sich fundamental.Bereiche wie Ausbildung, Verwaltung und der demokrati-sche Prozess werden dadurch ebenfalls tangiert (Kapitel 7).Die Vorbereitung der Schweiz auf die globale Informations-gesellschaft und den E-Commerce ist deshalb von zentralerBedeutung.

1. Einleitung

Unsere Gesellschaft hat das industrielle Zeitalter verlassenund befindet sich in einer frühen Phase des Informationszeit-alters. Die Veränderungen, welche diese neue Ära für Wirt-schaft und Gesellschaft mit sich bringt, werden ähnlich hoheWellen schlagen, wie es die industrielle Revolution Anfangdieses ausgehenden Jahrhunderts getan hat. Die Informa-tionstechnologie wächst und entwickelt sich mit atemberau-bender Geschwindigkeit. Die Art und Weise, wie produziert,konsumiert und kommuniziert wird, verändert sich funda-mental. Angesichts der Tragweite dieser neuen Revolutionbefassen sich Unternehmen, Regierungen, die breite Öf-fentlichkeit und Institutionen wie die OECD oder die WTOintensiv mit der Thematik. Die verschiedenen Interessen-gruppen beschäftigen sich jeweils mit unterschiedlichenAspekten rund um die technologische Revolution. Das Zieldieses Economic Briefing besteht darin, darzulegen, wel-ches die Implikationen von Electronic Commerce(E-Commerce) insbesondere für die Wirtschaft, aber auchfür die Gesellschaft und den Staat sind.

CREDIT SUISSE, Economic Briefings Nr. 15, Januar 2000 5

E-Commerce – ein schillernder BegriffIm Zusammenhang mit dem Informationszeitalter ist inunserem Sprachgebrauch ein schillernder Begriff auf-getaucht: E-Commerce oder zu Deutsch elektronischerGeschäftsverkehr. Darunter versteht man – im engerenSinne – den Kauf und die Bezahlung von Gütern undDienstleistungen über eine offen zugängliche Telekom-munikationsinfrastuktur, insbesondere über das Inter-net. Im weiteren Sinne umfasst E-Commercezusätzliche wirtschaftliche Aktivitäten, welche mit Hilfeder Telekommunikationsinfrastruktur abgewickelt wer-den. Dazu gehören beispielsweise auch das Verglei-chen von Produkten und Preisen oder schlicht dieDarstellung von Gütern und Dienstleistungen auf demInternet. Im Hinblick auf die Zielgruppen unterscheidetman zwischen Business-to-Business- (B2B) und Busi-ness-to-Consumer- (B2C) E-Commerce.

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2. Stand der Dinge / Entwicklungspotenzial

Noch vor zwei Jahren wurde das Internet vor allem als inno-vativer Kanal zur Verbreitung von zweifelhaftem oder gar kri-minellem Bild- und Datenmaterial wahrgenommen. Durchdas Aufkommen von erfolgreichen internetbasierten Ge-schäftsmodellen und die rasante Verbreitung von Inter-net-Banking hat sich mittlerweile die Meinung diesbezüglichgrundlegend gewandelt. Das Internet wird heute unisono alsder Marktplatz der Zukunft anerkannt. Zahlreiche Marktfor-schungsinstitute veröffentlichen regelmässig Statistiken,welche das Wachstum und das Potenzial von E-Commercedokumentieren und vorausschätzen.

Internet-Nutzer

Eine der zentralsten Fragen, die rund ums Internet immerwieder gestellt werden, betrifft die Anzahl aktiver Inter-net-Nutzer weltweit. Von den rund 6 Milliarden Bewohnernunseres Globus zählten per Dezember 1998 rund 95 Millio-nen Menschen1 zur Kategorie "aktive Internet-Nutzer”2.Ende 1999 werden weltweit rund 130 Millionen Menschenden Anschluss an das Internet gefunden haben, näherungs-weise soviel wie die gesamte japanische Bevölkerung. Ansich führt das zu einer ernüchternden globalen Rate der In-ternet-Verbreitung von lediglich 2.2%. Figur 1 zeigt, wie sichdie weltweite Internet-Population in der nahen Zukunft ent-wickeln wird.

Gemessen an der gesamten Weltbevölkerung erreichen dieInternet-Nutzer bis ins Jahr 2003 einen Anteil von 5.6%.Das ist immer noch verhältnismässig bescheiden; jedochübertrifft die geschätzte Internet-Population dannzumal be-reits die gesamte Bevölkerung der 15 EU-Mitgliedstaaten.Zudem ist sie aufgrund der demografischen Merkmale (Al-

ter, Durchschnittseinkommen, usw.) als Zielgruppe fürE-Commerce äusserst attraktiv.Eine stärkere Verbreitung innerhalb der nächsten vier Jahrewird nicht zuletzt dadurch behindert, dass ein Sechstel derWeltbevölkerung Analphabeten sind, 25% in tiefster Armutleben und mehr als die Hälfte noch nie ein Telefongesprächgeführt hat. Nichtsdestotrotz gehen gewagtere Schätzun-gen davon aus, dass im Jahre 2005 bis zu 1 MilliardeMenschen das Internet nutzen werden. Dieses Wachstums-szenario steht und fällt mit der Behebung der soeben ge-nannten Probleme sowie mit der Schaffung und Förderungentsprechender globaler Rahmenbedingungen, die in einemspäteren Kapitel diskutiert werden sollen.Neben dem Wachstum der klassischen Internet-Nutzer,welche via Computer und Modem den Anschluss ans Inter-net finden, ist im Zusammenhang mit E-Commerce auch dieboomende Handy-Population in Betracht zu ziehen. Durchdie Verbreitung des Wireless Application Protocol (WAP)werden die Handys innerhalb der nächsten Monate zu klei-nen Internet-Terminals. Somit wird die Inanspruchnahmevon Dienstleistungen und die Abwicklung von Geschäftenauch über das Handy möglich sein. Schätzungen gehen da-von aus, dass Ende 1999 weltweit rund 500 Millionen Men-schen ein Handy benützen werden. Durch dieseEntwicklung und die weitere Verbreitung des Internets überalternative Empfangsgeräte wie beispielsweise den Fernse-her wird E-Commerce in den nächsten Jahren einen äus-serst fruchtbaren Boden finden.

Geografie des Internets

In der geografischen Verteilung der Internet-Nutzer spiegelnsich die globalen Ungleichgewichte wider, wie dies Figur 2 il-lustriert. In den USA befanden sich per Ende 1998 mehr alsdie Hälfte aller User weltweit. Die fünf Länder mit der gröss-ten Anzahl an Usern vereinen rund drei Viertel aller weltwei-ten Benutzer auf sich. Kritiker befürchten durch dieseEntwicklung eine weitere Akzentuierung der globalen Wohl-stands- und Bildungsungleichgewichte. In der Schweiz istdie Verbreitung und Nutzung des Internets ebenfalls verhält-nismässig weit fortgeschritten. Die jüngsten Schätzungengehen davon aus, dass es hierzulande 1.3 Millionen aktiveInternet-Nutzer gibt3. Bei einer Wohnbevölkerung von 7.1Millionen gehören somit 18% der Einwohner zur Kategorieder aktiven Internet-Nutzer. Demzufolge rangiert dieSchweizer Internet-Population zahlenmässig knapp hinterNorwegen.

6 CREDIT SUISSE, Economic Briefings Nr. 15, Januar 2000

Figur 1: Weltweite Internet-Nutzer

Quelle: eMarketer 1999

1 Quelle: eGlobalReport, Volume 1, Juni 19992 Unter aktiven Internet-Nutzern werden solche verstanden,

die mindestens einmal pro Woche eine Stunde und mehr online sind.3 www.wemf.ch

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Nutzungsmotive

Die Vision des E-Commerce – der globale elektronischeMarktplatz – steht und fällt mit der Bereitschaft, Güter undDienstleistungen über das Internet zu kaufen. Der Anteil derInternet-Nutzer, welche Einkäufe übers Internet tätigen, istweltweit noch nicht höher als 10%. Aktivitäten wie Informa-tionssammlung und Preisvergleiche sind bis heute auf derListe der Internet-Aktivitäten höher angesiedelt. Vorbehaltebestehen insbesondere hinsichtlich der rechtlichen Grundla-gen solcher Transaktionen und – eher psychologischer Na-tur – bezüglich der Sicherheit der übermittelten Daten(beispielsweise Kreditkarteninformationen). Hinzu kommenvielfach lange Lieferfristen und hohe Lieferkosten für physi-sche Güter. Man geht jedoch davon aus, dass sich der Anteilder User, die über das neue Medium einkaufen, dank neuerSicherheitstechnologien und -standards sowie mehr Erfah-rung und Vertrauen innerhalb der nächsten drei Jahre auf40% erhöhen wird. Auch in der Schweiz haben viele Inter-net-Nutzer noch Bedenken, Online-Käufe zu tätigen. Figur3 zeigt, wofür die 1.3 Millionen Schweizer Internet-Nutzerdas neue Medium heute verwenden.

E-Commerce-Umsätze

Wie gross ist nun aber dieser E-Commerce-Markt wirklich,und wie gross kann er unter günstigen Rahmenbedingungen

in den nächsten Jahren noch werden? Unternehmen gehendavon aus, dass das Internet ein interessanter Absatzkanalist, sobald 10% der Konsumenten in einem Land oder Marktaktive Internet-Nutzer sind. Ab dieser kritischen Masse wirdE-Commerce gemeinhin als eine attraktive, umsatzsteigern-de Ergänzung zu den traditionellen Vertriebskanälen ange-sehen.Die Beziehung zwischen Anzahl Usern und realisierbaremUmsatz ist interessanterweise nicht linear. Die Verdoppe-lung der Online-Gemeinde von 1997 bis 1998 führte zumehr als einer Verdreifachung der E-Commerce-Umsätze indiesem Zeitraum auf weltweit 38 Milliarden USD. Figur 4zeigt die Schätzungen für die E-Commerce-Umsätze (Busi-ness-to-Business und Business-to-Consumer) bis ins Jahr2003. Die Wachstumsraten von zuletzt mehr als 200% p.a.werden sich während der folgenden Jahre sukzessive verrin-gern. Das hat verschiedene Gründe. Einerseits ist die rasche

CREDIT SUISSE, Economic Briefings Nr. 15, Januar 2000 7

Figur 3: Nutzungsmotive der Internet-Nutzer

in der Schweiz

Quelle: Wemf AG

Figur 4: Electronic Commerce-Umsätze

Quelle: eMarketer 1999

Rang Land MillionenNutzer1998

Anteilweltweitin %

In % derBevölke-rung

1 USA 76.50 52.0 28.7

2 Japan 9.75 6.6 7.7

3 VereinigtesKönigreich

8.10 5.5 13.7

4 Deutschland 7.14 4.9 8.7

5 Kanada 6.49 4.4 21.4

Top 5 107.98 73.4

6 Australien 4.36 3.0 23.5

7 Frankreich 2.79 1.9 4.7

8 Schweden 2.58 1.8 29.2

9 Italien 2.14 1.5 3.7

10 Spanien 1.98 1.3 5.0

11 Niederlande 1.96 1.3 12.6

12 Taiwan 1.65 1.1 7.7

13 China 1.58 1.1 0.1

14 Finnland 1.57 1.1 30.5

15 Norwegen 1.34 0.9 30.4

Top 15Länder

129.93 88.4

Restder Welt

17.10 11.6

Figur 2: Verteilung der Internet-Nutzer nach Ländern

Quelle: Computer Industry Almanac, OECD, eigene Berechnungen

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Expansion in der ersten Phase des Entstehens einer Indu-strie in der Regel nicht nachhaltig. Andererseits wird in dennächsten Jahren der Aufbau der geeigneten Infrastruktur fürE-Commerce gegenüber den Verkäufen Priorität geniessen.Sowohl private als auch öffentliche Organisationen werdensich in der nahen Zukunft darauf konzentrieren, ein robustesFundament für E-Commerce zu entwickeln. Dies ist eine un-abdingbare Voraussetzung, um das langfristige und nach-haltige Wachstum im E-Commerce zu garantieren. InAnalogie zur realen Welt, in der Strassen, Brücken, Bahn-verbindungen und Flughäfen die Infrastruktur für den physi-schen Handel bilden, sind weltumspannende digitaleNetzwerke die notwendige Prämisse für nachhaltigesWachstum im E-Commerce.Gemäss Forrester Research könnten im Jahre 2003 dieE-Commerce-Umsätze bis zu 17.5% des Welthandels aus-machen. Diese hohen Schätzungen gehen von einer Reihegünstiger Rahmenbedingungen aus, welche das Wachstumvon E-Commerce stimulieren werden. Diese Annahmen be-treffen vornehmlich:• die Aggressivität der Unternehmen in der Implementie-

rung ihrer E-Commerce-Strategien;• den Erlass von Gesetzen, welche internetbasierte Ver-

käufe regulieren;• den Aufbau von Geschäftsstandards, welche das Kaufen

und Verkaufen über das Internet einfach, sicher und inter-national akzeptier- und umsetzbar machen;

• die Zusammenarbeit von Regierungen und Privatwirt-schaft im Aufbau eines weltumspannenden digitalenNetzwerks.

Sollten die Veränderungen in diesen Bereichen weniger zü-gig vorangehen, schätzen Experten den Anteil derE-Commerce-Umsätze auf immerhin 7.5% des Welthan-

dels. Die OECD geht davon aus, dass im Zeitraum dernächsten fünf Jahre der Anteil von E-Commerce am gesam-ten Detailhandelsumsatz der sieben wichtigsten Mitglied-staaten auf 15% ansteigen wird.Wie in der Figur 4 verdeutlicht wurde, dominieren die Busi-ness-to-Business-Umsätze die Statistiken. Von den 38 Mil-liarden USD, welche 1998 über das Internet umgesetztwurden, entfallen 72% auf Umsätze zwischen Unterneh-men. Sie werden auch in der nahen Zukunft stärker wach-sen als im B2C-Bereich. Im B2B-E-Commerce gehen dieerwähnten Schätzungen davon aus, dass sich der Umsatz2003 auf 1'082 Milliarden USD belaufen wird. Dies sinddann 87% des gesamten E-Commerce-Umsatzes. Auf denB2C-E-Commerce enfallen somit 162 Milliarden USD oder13%. Die Wachstumsraten im B2C-E-Commerce wieder-um sind stark davon abhängig, wie sich das Kaufverhaltender Internet-Nutzer in der Zukunft entwickeln wird.Die Mehrheit der E-Commerce-Dollars – nämlich rund dreiViertel – wird heute in den USA umgesetzt. Die Schätzungengehen davon aus, dass die amerikanische Dominanz künftigzurückgehen wird. Jedoch werden auch 2003 noch mehr als50% der E-Commerce-Dollars in den Vereinigten Staatenverdient werden. Figur 5 illustriert die Vormachtstellung derUSA und von Kanada im globalen E-Commerce.Zudem zeigt Figur 6 eindrücklich, dass sich E-Commerce inden USA mit einem Umsatz von 267 USD pro Kopf der Be-völkerung bereits in einem weitaus fortgeschritteneren Sta-dium befindet als sein europäisches Pendant, wo pro Kopflediglich 40 USD umgesetzt werden.

Das Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Bernhat eine Umfrage bei über 1’000 Schweizer Unternehmendurchgeführt und aufgrund der Ergebnisse den hiesigenB2C-E-Commerce-Markt 1998 auf rund 1 Milliarde CHFgeschätzt. Obwohl sich das Vorgehen bei der Befragung derUniversität Bern nicht mit der Methode in Figur 6 deckt,kann man die Aussage machen, dass die E-Commerce-Aktivität in der Schweiz weit über dem europäischen Durch-schnitt liegt.

8 CREDIT SUISSE, Economic Briefings Nr. 15, Januar 2000

Figur 5: Verteilung der Electronic

Commerce-Umsätze nach Weltregionen

Quelle: eMarketer 1999

USA GB D EU-15

Bevölkerung (Millionen) 271 59 82 350

BIP (Milliarden USD) 8’231 1’357 2’136 8’346

BIP/Kopf (USD) 30’373 23’000 26’049 23’846

E-Commerce (Milliarden USD) 71.4 3.7 4.4 14.0

E-Commerce/Kopf (USD) 263 63 54 40

Figur 6: Electronic Commerce-Aktivität

USA und Europa

Quelle: eMarketer 1999, OECD, eigene Berechnungen

Page 9: ELECTRONIC COMMERCE (R)EVOLUTION FÜR WIRTSCHAFT …intensiv mit der Thematik. Die verschiedenen Interessen-gruppen beschäftigen sich jeweils mit unterschiedlichen Aspekten rund um

Das vorliegende Zahlenmaterial verdeutlicht, dass wir ge-genwärtig nicht nur die rasante Verbreitung eines neuenKommunikationsmediums erleben, sondern dass vor unse-ren Augen ein neuer, jedoch virtueller Kontinent entsteht,welcher zum globalen Marktplatz für die globale Informa-tionsgesellschaft werden dürfte.

3. Spuren in der Realwirtschaft

Wie aus den obigen Statistiken und Schätzungen ersichtlichist, wächst E-Commerce und damit die gesamte informa-tionstechnologische Industrie (IT-Industrie) mit atemberau-bender Geschwindigkeit. Die Geschäftswelt wird dabeifundamental verändert. Die IT-Industrie ist in den vergange-nen zehn Jahren bereits zu einem wichtigen Faktor der Welt-wirtschaft geworden und trägt wesentlich zu Wachstum,Arbeitsplätzen, tiefer Inflation und Produktivitätssteigerun-gen bei. Die Spuren in der Realwirtschaft sind also unüber-sehbar.

Wachstum

Insbesondere in der amerikanischen Wirtschaft hat sich derproduzierende Bereich der IT-Industrie (Hardware- undSoftwareproduzenten, Telekommunikationsausrüstung und-dienstleistungen) zu einer Schlüsselbranche für die wirt-schaftliche Stärke des Landes entwickelt. Folgende Eckda-ten verdeutlichen dies:• Während die amerikanische Gesamtwirtschaft zwischen

1993 und 1998 nominal um durchschnittlich 5% p.a. ge-wachsen ist, verzeichnete die IT-Industrie in derselbenZeitperiode ein Wachstum von jährlich 10.7%.

• Diese mehr als doppelt so hohe Wachstumsrate schlägtsich in einem wachsenden Anteil der IT-Industrie an derGesamtwirtschaft nieder. Belief sich die entsprechendeQuote 1993 auf 6%, wird sie 1999 auf über 8% steigen.

• Die hohe Wachstumsrate und der zunehmende Anteil ander Gesamtwirtschaft führten dazu, dass die IT-Industriezwischen 1995 und 1998 für mehr als ein Drittel des Wirt-schaftswachstums der USA verantwortlich war.

Aber auch in Europa hat sich die IT-Industrie zu einer zentra-len Triebfeder der Wirtschaft entwickelt, wenn man sich vorAugen führt, dass diese bereits mehr umsetzt als die Auto-,Flugzeug- und Stahlindustrie zusammen. Das skizzierteWachstumsszenario im Bereich E-Commerce und insbeson-dere der weltweite Aufbau von digitalen Netzen im Auftragvon Regierungen und der Privatwirtschaft während dernächsten Jahre werden der IT-Industrie weiterhin über-durchschnittliche Wachstumsraten bescheren. Das zukünf-tige Wachstum wird nicht zuletzt vom aufkommendenelektronischen Geschäftsverkehr weiter getragen werden.

Inflation

Neben den positiven Effekten für das Wachstum der Wirt-schaft hat die IT-Industrie erwiesenermassen auch einengünstigen Einfluss auf die Inflation. 1996 und 1997 fielendie Preise für IT-Güter und -Dienstleistungen jährlich um7%. Das Resultat dieses Preiszerfalls war eine Teuerung fürdie gesamte US-Wirtschaft von 1.9%, verglichen mit der In-flation von 2.6% in allen anderen Bereichen (d.h. ohne IT)der Wirtschaft. Figur 7 illustriert diesen Sachverhalt.

Die Entwicklungen in der IT-Industrie waren also währendder letzten Jahre dafür verantwortlich, dass die Inflation inden USA durchschnittlich um 0.7 Prozentpunkte tiefer lag.Somit leistete die IT-Industrie einen wichtigen Beitrag an dieerstaunliche Fähigkeit der US-Wirtschaft, frei von Inflationund übermässiger Arbeitslosigkeit zu wachsen. Der Preis-zerfall in dieser Branche wird auch in Zukunft anhalten undmithelfen, die Teuerung in Schach zu halten. Bezüglich derinflationshemmenden Wirkung der IT-Industrie in Europaund in der Schweiz ist analoges Datenmaterial nicht verfüg-bar, jedoch lassen sich dazu folgende Überlegungen anstel-len:Der Anteil der IT-Investitionen an den gesamten Ausrü-stungsinvestitionen ist in vielen Ländern Europas annäherndso hoch wie in den USA, wo er ca. 30% beträgt. Er wirdkünftig nicht zuletzt durch die Implementierung derE-Commerce-Strategien in Europa tendenziell zunehmen.Ebenso sind die Folgen der Liberalisierung im hiesigen Tele-kommunikationssektor in Form wachsender Konkurrenz unddamit einhergehendem Preiszerfall mehr und mehr spürbar.Ferner werden die Preise für IT-Güter auch hierzulande ten-denziell weiter fallen. Diese Entwicklungen führen dazu,dass die IT-Industrie ebenfalls auf dem Alten Kontinent bis

CREDIT SUISSE, Economic Briefings Nr. 15, Januar 2000 9

Figur 7: Die Preise aus der IT-Industrie halten die

Inflation in Schach (USA)

Quelle: The Emerging Digital Economy II, 1999

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zu einem gewissen Grad eine inflationshemmende Wirkungentfalten kann.

Produktivität

Einer der Hauptgründe, weshalb E-Commerce so rasantwächst, ist das Kosteneinsparungs- und Effizienzsteige-rungspotenzial. E-Commerce bietet die Chance, durch diemassive Senkung der Kosten von Handelstransaktionen(günstigere Informationsbeschaffung, effizientere Vereinba-rung und Abwicklung) die Aufgabenteilung in der gesamtenWirtschaft neu zu definieren. Entlang der ganzen Wert-schöpfungskette einer Unternehmung und im Idealfall einerganzen Wirtschaft lassen sich Kosten sparen und Effizienz-gewinne erzielen. Die Wertschöpfung wird tendenziell zuGunsten von Marktlösungen und zu Lasten von Organisatio-nen – im Sinne von Unternehmungen – verändert.Alan Greenspan – derzeitiger Präsident der amerikanischenNotenbank – attestiert den technologischen Entwicklungeneine wesentliche Rolle in der Produktivitätssteigerung deramerikanischen Wirtschaft: "Die Innovationen, welche wirals Informationstechnologien bezeichnen, haben begonnen,die Art und Weise, wie wir Geschäfte betreiben und Wertschaffen, in einer Art zu verändern, welche vor fünf Jahrennoch nicht voraussehbar war."Inwiefern lassen sich aus den bis heute verfügbaren DatenEffizienz- und Produktivitätssteigerungen durch den Einsatzder Informationstechnologien nachweisen? Haben der ver-mehrte Einsatz von Software für die Steuerung von Produk-tionsprozessen in der Industrie und die Verwendung vonBüroautomationssoftware in der Dienstleistungsbranche dieProduktivitätskennzahlen wirklich verändert?

Die Produktivität der gesamten amerikanischen Wirtschafthat seit 1996 durchschnittlich um 2.2% jährlich zugenom-men – dies nachdem die Wachstumsrate während der letz-ten beiden Jahrzehnte im Mittel lediglich bei 1% p.a. lag.Diese Beschleunigung wird von einigen Ökonomen auf denzunehmenden Einsatz von Informationstechnologien zurück-geführt. Während in der "normalen" Industriewelt jede zu-sätzliche Input-Einheit an Kapital oder Arbeit den Outputhöchstens proportional erhöht, soll durch den Einsatz von In-formationstechnologien diese Gesetzmässigkeit ihre Gül-tigkeit verlieren. Die genauere Betrachtung der Produktivi-tätsstatistiken stellt dies jedoch in Frage.Zu diesem Zweck wurden alle Branchen der US-Wirtschaft,wie in Figur 8 verdeutlicht, in drei Kategorien eingeteilt:IT-produzierende Branchen, IT-intensive Wirtschaftszweigeund nicht-IT-intensive Branchen. Der Agrarsektor wurde fürdiese Betrachtung bewusst ausgeklammert. Die ausseror-dentliche Beschleunigung in den Produktivitätskennzahlender amerikanischen Gesamtwirtschaft ist – statistisch gese-hen – auf die enormen Produktivitätsfortschritte in denIT-produzierenden Branchen zurückzuführen. In diesem Be-reich stieg die Produktivität zwischen 1990 und 1997jährlich um 10.4%. In den nicht-IT-intensiven Wirtschafts-zweigen wuchs die Produktivität in derselben Zeitperiode um1.1% jährlich. In den IT-intensiven Branchen, bei denendurch die breite Nutzung der Informationstechnologie die be-merkenswertesten Produktivitätsfortschritte hätten erzieltwerden müssen, sind die Daten ernüchternd. Während derZeitperiode von 1990 bis 1997 ging in diesen Branchen dieProduktivität jährlich um 0.1% zurück. Statistisch gesehenscheinen somit der vermehrte Einsatz der Informations-

technologie und die Entwicklungen be-züglich E-Commerce bis heute zukeiner Steigerung der Produktivitätgeführt zu haben. Robert Solow – No-belpreisträger der Wirtschaftswissen-schaften – bemerkte in diesemZusammenhang: "Wir können dasZeitalter des Computers heutzutageüberall sehen, ausser in den Produkti-vitätsstatistiken."Dieser ernüchternde Befund bezüglichder IT-intensiven Branchen ist jedochzu relativieren. Produktivitätsfortschrit-te sind vor allem in dienstleistungser-bringenden Industrien nur sehr schwermessbar. Insbesondere die enormenqualitativen Verbesserungen bei derErbringung von Finanzdienstleistun-gen, welche durch die Informations-technologie erzielt wurden, lassen sichmit den konventionellen statistischen

10 CREDIT SUISSE, Economic Briefings Nr. 15, Januar 2000

Figur 8: Zweige der US-Wirtschaft und deren Produktivitätsfortschritte

von 1990 bis 1997

Quelle: Bureau of Economic Analysis 1999

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Methoden nur begrenzt quantifizieren. Das relativiert die Tat-sache, dass die Produktivitätskennzahlen in diesen Bran-chen während der betrachteten Zeitperiode so enttäuschendausgefallen sind.Die Strukturbereinigungen der letzten Jahre und die Liberali-sierungen in weiten Teilen der Wirtschaft haben den Wett-bewerbsdruck für die Unternehmen merklich erhöht. Somitwurden die Ineffizienzen, die aus dem protektionistischenUmfeld resultierten, sukzessive reduziert. E-Commerce wirdin vielen Branchen den Wettbewerb weiter verschärfen unddie Unternehmen dazu zwingen, noch effizienter zu werden,um auf ihrem Markt bestehen zu können.

Beschäftigung

Die Auswirkungen der technologischen Revolution sind auchauf dem Arbeitsmarkt nicht zu übersehen. In den USA wur-den in der IT-Branche überdurchschnittlich viele Arbeitsplät-ze geschaffen. Während zwischen 1989 und 1997 dieBeschäftigung in der amerikanischen Privatindustrie jährlichum 1.7% zugenommen hat, betrug das entsprechendeWachstum in der IT-Branche 2.4%. Insbesondere boomtedie Beschäftigung in der Softwareindustrie, welche in derentsprechenden Zeitperiode jährlich um 8.3% gewachsenist. Diese überdurchschnittliche Expansion wird sich in denUSA während der nächsten Jahre fortsetzen und laut Schät-zungen des Bureau of Labor Statistics im Jahr 2006 dazuführen, dass rund 50% – nämlich 57 Millionen an der Zahl –aller Beschäftigten in IT-produzierenden oder IT-intensivenBranchen tätig sein werden.In der Schweiz beginnt sich die Struktur des Arbeitsmarktesin eine ähnliche Richtung zu entwickeln. Während sich in denAchtzigerjahren die Beschäftigung noch in fast allen Wirt-schaftszweigen synchron mit der Konjunktur bewegte – dasheisst, die Beschäftigung nahm in allen Branchen zu –,

präsentiert sich das Bild in den Neunzigerjahren deutlich dif-ferenzierter. Figur 9 zeigt, dass neben dem Gesundheits-und Sozialwesen insbesondere die Sammelbranche "Immo-bilien/Vermietung/Informatik/Forschung & Entwicklung" imZeitraum von 1991 bis 1998 überdurchschnittlich viele Ar-beitsplätze geschaffen hat. Dies sind auch die Branchen,welche am meisten offene Stellen anbieten, was den akutenMangel an IT-Fachkräften widerspiegelt.Vielerorts wird befürchtet, dass die durch E-Commerce er-zielbaren Effizienzgewinne zu einem weitreichenden Abbau

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Figur 9: Entwicklung der Beschäftigung in der

Schweiz nach Branchen 1991 bis 1998

Quelle: BFS, eigene Berechnungen

Die Bewertung von Internet-AktienDie Kurse von Amazon.com, Yahoo! sowie AOL, die un-ter den Internet-Aktien als "Blue Chips" gelten, habennach Meinung von Analysten und Anlegern "astronomi-sche Bewertungsniveaus” erreicht. Das aktuelleKurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) von über 450 für Yahoo!beispielsweise – das durchschnittliche KGV derSMI-Aktien für 1999 ist 23 – wirft die berechtigte Fragenach den Gründen für ein derartiges Kursniveau auf. Diefolgenden beiden Argumente dürften zumindest einenTeil der Überbewertung erklären.• Zukunftsaussichten: Die weltweiten E-Commerce-

Umsätze werden sich während der nächsten Jahrealle 12 Monate annähernd verdoppeln. Die Umsätzeder erfolgreichen Internet-Firmen werden in dieserZeit mindestens im Gleichschritt wachsen. Man gehtferner davon aus, dass sich längerfristig lediglich we-nige, dafür aber umso grössere Internet-Firmen be-haupten werden. Dies führt dazu, dass für dieaussichtsreichsten Kandidaten Höchstpreise bezahltwerden.

• Enge des Marktes: Die Internet-Aktien sind in den ver-gangenen Monaten für eine wachsende Investorenge-meinde zu einem unverzichtbaren Anlageinstrumentgeworden. Dieser wachsenden Nachfrage steht – trotzder Flut von neu emittierten Internet-Aktien – ein ver-gleichsweise kleines Angebot an Internet-"Blue Chips"gegenüber, was deren Preise naturgemäss in dieHöhe treibt.

Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der Anwend-barkeit des KGV als Bewertungsmassstab für Inter-net-Aktien. Internet-Firmen befinden sich in einerfrühen Phasen ihrer Unternehmensentwicklung, in wel-cher klassischerweise hohe Investitionen getätigt wer-den müssen und nur wenig Cashflow generiert wird.Deshalb kann das KGV nur bedingt als Bewertungsme-thode herbeigezogen werden. Nichtsdestotrotz schei-nen die aktuellen Bewertungsniveaus vor allem aufeines hinzuweisen: Wall Street ist der Überzeugung,dass ein neues Wirtschaftswunder am Entstehen ist!

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von Arbeitsplätzen führen werden. Untersuchungen derOECD ergeben jedoch keine Anhaltspunkte für solcheÄngste. Es scheint wahrscheinlicher, dass in der kurzen Fristper Saldo Arbeitsplätze geschaffen werden, weil Unterneh-men sowohl über die klassischen als auch über die aufkom-menden neuen Absatzkanäle Geschäfte betreiben werden.In der mittleren Frist wird es in einigen Branchen zum Verlustvon Arbeitsplätzen kommen. Langfristig geht die OECD vonder Annahme aus, dass durch die grössere geografischeReichweite und die tieferen Preise mehr Absatz erzielt wird.Dieser Mehrabsatz, kombiniert mit dem Aufkommen vonneuen Produkten und Dienstleistungen, wird gemäss OECDzu einer Nettozunahme von Arbeitsplätzen führen.Die Bedeutung der Informationstechnologie und derIT-Industrie für die Realwirtschaft wird in Zukunft durch dieEntwicklungen in Richtung E-Commerce weiter zunehmen.Über die skizzierten Wirkungen hinaus stärkt der freie Zu-gang zur Geschäftswelt über das Internet die Marktkräfte;traditionelle Monopole geraten zunehmend ins Wanken.

4. Geldpolitik auf dem Prüfstand

Die Art und Weise, wie E-Commerce auf die Realwirtschafteinwirkt, interessiert auch die Zentralbanken. Sie müssenbei der Verfolgung ihrer Geldpolitik in Betracht ziehen, dassdie technologische Revolution das Potenzialwachstum unddie Produktivität einer Wirtschaft tangieren sowie die Infla-tion dämpfen kann. Noch viel unmittelbarer stellt sich dieFrage, ob die Steuerung der Geldmengenaggregate beein-trächtigt wird und wie gut die Beeinflussung der Zinssätzemöglich bleibt.Elektronisches Geld (E-Money) hat in letzter Zeit nicht zuletztdurch das Aufkommen von E-Commerce grosse Zuwachs-raten verzeichnet. Es erscheint naheliegend, dass sich dieseTendenz parallel mit dem erwarteten Wachstum der Electro-nic Commerce-Umsätze fortsetzen wird. Der ökonomischeNutzen von elektronischen Bargeldsubstituten zur Abwick-lung von Geschäften im Internet besteht darin, dass sich dieTransaktionskosten von Zahlungsvorgängen reduzieren las-sen.Um die mögliche (negative) Beeinflussung der Geldpolitikabschätzen zu können, ist zunächst zwischen verschiedenenFormen von Zahlungen im Internet zu unterscheiden. Relativwenig problematisch ist der Einsatz von Kreditkarten. Hierbleibt das Geld auf einem – von den Zentralbanken statis-tisch erfassten – Konto, bis zum Zeitpunkt des Geschäfts(bzw. bei der Begleichung der Rechnung der Kreditkartenor-ganisation) eine Umbuchung zwischen Käufer und Verkäu-fer erfolgt. Anders sieht es bei der Verwendung vonelektronischem Geld, wie zum Beispiel E-Cash, aus. Wäh-rend der ganzen Zeit zwischen der Schaffung von E-Cashdurch Belastung auf dem Konto eines Konsumenten bis zur

Einlösung durch Gutschrift auf dem Konto einer Firma bleibtes dem (heutigen) statistischen Erfassungskonzept entzo-gen. Dasselbe gilt übrigens auch für die am Bancomatenaufladbare Wertkarte "Cash".Für die Zentralbanken am gefährlichsten wäre das Aufkom-men von E-Money in einem eigenständigen Kreditschöp-fungskreislauf ausserhalb ihres Einflussbereiches. DieTatsache, dass es sich hier nicht um staatlich garantiertesGeld handelt, setzt einem solchen Prozess aber sehr engeGrenzen. Für die Schaffung grösserer Mengen von derarti-gem E-Money fehlt also das notwendige Vertrauen. Die No-teninstitute sind denn auch diesbezüglich (noch) nichtbeunruhigt. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat zu-dem mit dem WIR-Geld schon seit längerem vergleichbareErfahrungen.Trotzdem – auch die weniger problematischen Formen vonE-Money erfordern von den Zentralbanken eine verstärkteAufmerksamkeit. Selbst wenn sie derzeit noch nicht gesetz-liches Zahlungsmittel sind, gilt es mögliche Veränderungender Umlaufgeschwindigkeit und die absehbare Verschie-bung in der Geldnachfrage sorgfältig abzuschätzen. Geradeim Falle der Schweiz, wo der Notenumlauf gegen 90% dermonetären Basis ausmacht, kann eine wachsende Substitu-tion von Bargeld ins Gewicht fallen. Die SNB tut daher auchaus diesem Grunde gut daran, ihr Augenmerk verstärkt aufdie weiter gefassten – und daher weniger anfälligen – Ag-gregate M1, M2 und M3 zu richten. Früher oder später könntesich eine neue Definition dieser Geldmengenaggregate auf-drängen, um auch E-Money adäquat zu erfassen.Um das notwendige Vertrauen zu stärken und die statisti-schen Grundlagen zu verbessern, strebt die EU für die Aus-gabe von E-Money eine Bewilligungspflicht an. Dieangelsächsischen Länder sehen diesbezüglich keinenHandlungsbedarf. Das gilt auch für die Schweiz, wo die Eid-genössische Bankenkommission eine Unterstellung unterdas Bankengesetz verneint – zumindest sofern es sich umreine Zahlungsverkehrsmittel handelt.Aus Sicht der Zentralbanken stellt sich für die Umsetzung ei-ner effizienten Geldpolitik insbesondere die Frage, inwieweitdie Fähigkeit, die Zinssätze zu beeinflussen, auch bei einerstärkeren Verbreitung der elektronischen Bargeldsubstituteerhalten bleibt. Dies scheint ohne grössere Probleme mög-lich zu sein. Geht der Notenumlauf zurück, so verkürzt sichdie Bilanz der Zentralbanken. Sie verfügen aber weiterhinüber ausreichend Aktiven, um die kurzfristigen Zinsen steu-ern zu können. Sollte im Extremfall der Notenumlauf ganzverschwinden, könnten sich die Zentralbanken durch dieAusgabe eigener Schuldverschreibungen den nötigenHandlungsspielraum verschaffen.Mit der Verkürzung der Bilanz stehen den Zentralbanken we-niger Aktiven zur Verfügung, die gewinnbringend angelegtwerden können. Der Übergang zu einer bargeldlosen Wirt-

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schaft hätte also letztlich auch eine Schmälerung der Zen-tralbankgewinne zur Folge. Die SNB, bei welcher derNotenumlauf mit 30 Milliarden CHF rund ein Drittel der Bi-lanz ausmacht, müsste eine solche (extreme) Entwicklungbesonders schmerzen.

5. E-Business statt Business as usual

Das Ausmass und die Geschwindigkeit der Veränderungen,die durch E-Commerce in den unterschiedlichen Branchender Wirtschaft stattfinden, hängen grundsätzlich von der Eig-nung der branchentypischen Produkte für E-Commerce ab.Wirtschaftszweige, in denen Produkte hergestellt werden,welche digitalisierbar sind oder sich von Konkurrenzproduk-ten nur in geringem Ausmass unterscheiden, werden in dennächsten Jahren aller Voraussicht nach weitreichendeStrukturveränderungen erfahren.

Revolution in der Finanzindustrie

Dies trifft insbesondere auf die Finanzindustrie zu.E-Commerce hat die Art und Weise, wie Finanzdienstlei-stungen erbracht und an den Kunden geliefert werden, inTeilbereichen bereits dramatisch verändert. KlassischesBeispiel ist der Aktienhandel übers Internet, welcher auchhierzulande die Kosten für den Kauf bzw. Verkauf von Wert-papieren markant reduziert hat. Der Siegeszug des Inter-net-Banking ist durch Vorteile sowohl auf Seiten derFinanzinstitute als auch der Kunden begründet. Während dieKunden am Internet-Banking vornehmlich die Geschwindig-keit, die 24-Stunden-Verfügbarkeit und die niedrigen Trans-aktionskosten zu schätzen wissen, erzielen Finanzinstitutemarkante Einsparungen beim Vertrieb ihrer Produkte. Figur10 zeigt die Kosten einer Transaktion je nach Distributions-kanal.

Die Kosteneinsparungen von bis zu 90% und die offensicht-lichen Vorteile für die Kunden sind jedoch nur zwei der Grün-de, warum sich das Internet-Banking derzeit auf einemSiegeszug befindet. Ebenso wichtig ist die Tatsache, dassdie Qualität der Dienstleistungen mit Hilfe des Internets we-sentlich gesteigert werden kann, indem die Finanzdienstlei-stungen auf den Kunden massgeschneidert werden (masscustomization). Beispielhaft hierfür ist die Möglichkeit derKunden, die Internet-Seite auf ihre persönlichen Bedürfnis-se abzustimmen.Darüber hinaus stellt E-Commerce wegen der sinkendenTransaktionskosten die Rolle der Banken als Intermediäre jelänger, je mehr in Frage. Das Umfeld, in dem Finanzdienst-leistungsunternehmen künftig tätig sind, ist von neuen Rah-menbedingungen geprägt. Zum einen ermöglicht dieInternet-Technologie auch Nicht-Finanzinstituten, mit ver-hältnismässig geringem Investitionsaufwand und unter Um-gehung von aufsichtsrechtlichen Bestimmungen inTeilmärkte der Finanzindustrie einzudringen; das heisst, dieEintrittsbarrieren fallen. Zum anderen gibt die Inter-net-Technologie dem Konsumenten die Möglichkeit,Dienstleistungen mit dem Aufwand eines Mausklicks zu ver-gleichen; das heisst, die Kundenloyalität schwindet. Die Fi-nanzinstitute laufen somit Gefahr, dass profitable Teile ihrerWertschöpfungskette von innovativen Anbietern "herausge-pickt" und den Konsumenten günstiger zur Verfügung ge-stellt werden. Diese Gefahr der Desintermediation wirddurch Bill Gates´ Aussage veranschaulicht, wonach dievolkswirtschaftliche Leistung der Banken in einer modernenWirtschaft notwendig sei, nicht jedoch die Banken.Dennoch gibt es eine Reihe von Gründen, weshalb Finanzin-stitute trotz verstärktem Wettbewerb aus dem Cyberspaceauch in Zukunft existieren werden. Einerseits verhindert dieBankengesetzgebung und -aufsicht, dass branchenfremdeKonkurrenten unter weniger strengen Bedingungen dasklassische Bankgeschäft betreiben. Andererseits verfügen

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Figur 10: Kosten des Vertriebs abhängig

vom Distributionskanal in USD

Quelle: Price Waterhouse Coopers

Electronic Communication Networks (ECNs)Für die Umwälzungen in der Finanzindustrie bezeich-nend sind die Entwicklungen, mit denen sich die Börsenweltweit konfrontiert sehen. Das Aufkommen von priva-ten Electronic Communication Networks (ECNs) – wiebeispielsweise Instinet oder Archipelago – ermöglichtimmer mehr Banken und institutionellen Investoren,grosse Wertpapierpakete mit geringeren Transaktions-kosten untereinander zu handeln und so die klassischenBörsen zu umgehen. Bereits heute werden 30% desVolumens der an der amerikanischen WertpapierbörseNASDAQ kotierten Papiere über ECNs gehandelt.Auch in Europa wird der Wettbewerbsdruck auf die na-tionalen Börsen von Seiten der ECNs immer grösser.

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die Finanzinstitute über Kernkompetenzen wie Finanz- undRisiko-Know-how sowie Vermittlung von Sicherheit und Ver-trauen, dank denen sie sich auch langfristig neben bran-chenfremden Konkurrenten zu behaupten vermögen.Die Finanzdienstleistungsindustrie befindet sich jedoch imZusammenhang mit E-Commerce und den zukünftigentechnologischen Möglichkeiten – beispielsweise WAP – erstam Anfang eines fundamentalen Veränderungsprozesses.Die Fähigkeit der Finanzinstitute, sich vermehrt auf die Be-dürfnisse der Kunden zu fokussieren, und die Bereitschaft,Allianzen mit "unüblichen" Partnern einzugehen, um neuarti-ge Finanzdienstleistungen anbieten zu können, gehören zuden wichtigsten Kernkompetenzen der Zukunft. Banken,welche diese Kernkompetenzen aufbauen und bereit sind,nicht nur ihre eigenen Produkte, sondern das Beste auf demMarkt anzubieten, werden weiterhin die Schnittstelle zwi-schen Kunden und Finanzwelt sein.

Evolution der Wertschöpfungsketten

E-Commerce hat auch in Branchen, welche keine digitali-sierbaren Güter produzieren, das Potenzial, Strukturverän-derungen auszulösen. Die Geschwindigkeit, mit der diesgeschehen wird, ist jedoch geringer. Allerdings bewirktE-Commerce auch in diesen Wirtschaftszweigen schonheute Veränderungen, welche einer näheren Betrachtungbedürfen. Unternehmen können das Internet nutzen, um diebestehenden Wertschöpfungsketten zu unterstützen – bei-spielsweise in betrieblichen Aktivitäten wie Beschaffung,Leistungserstellung, Distribution und Verkauf. Auf Zwi-schenhändler wird je länger, je mehr verzichtet werden. Un-ternehmen können das Internet dazu benützen um dieKonditionen ihrer Lieferanten schnell und günstig miteinan-der zu vergleichen, oder sie können ihre eigenen Produkteauf dem Internet anbieten, ohne dass diese jedoch direkt be-stell-, zahl- und lieferbar sein müssen.

Hinweise, inwiefern die Schweizer Unternehmenslandschaftauf die bevorstehenden Umwälzungen vorbereitet ist, beant-wortet eine von der "Task Force KMU" des Bundes in Auf-trag gegebene Umfrage. Einsatz und Nutzung wurden bei2’016 kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) eruiert. Fi-gur 11 verdeutlicht die Resultate der Befragung. Zum heuti-gen Zeitpunkt nutzen 56% der befragten Firmen dasInternet noch nicht, 14% planen einen Einsatz, und der ver-bleibende Anteil der Unternehmen nutzt das Internet bereits.Figur 12 erlaubt eine Analyse der bereits existierenden Inter-net-Nutzer. Man stellt fest, dass das neue Medium vor-nehmlich in der Beschaffung, Distribution und im Verkaufeingesetzt wird. Die Nutzung des Internets in der Leistungs-erstellung oder gar für die übergreifende Koordination bzw.Unterstützung des ganzen Wertschöpfungsprozesses ist da-gegen noch verhältnismässig wenig fortgeschritten.

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Finanzdienstleistungen im WandelIn Zukunft werden Finanzdienstleistungen vermehrtthemen- und anlassbezogen vermittelt werden. Am Bei-spiel der Hypotheken soll dieser Gedanke verdeutlichtwerden: Neben der Finanzierung des Eigenheims wer-den auf der selben Internet-Seite "eigenheimrelevante"Informationen (Adressen der Grundbuchämter, Steuer-füsse, Leerstandsquoten, Standortqualität) und Dienst-leistungen (Zügelservice, Verkehrswertschätzungen,Zinsprognosen) sowie Produkte angeboten. Das Bei-spiel macht deutlich, dass viele dieser Dienstleistungenund Informationen nicht von Finanzinstituten erbrachtwerden können, so dass mit den entsprechenden Part-nern Allianzen geschlossen werden müssen.

Figur 11: Internet-Einsatz der KMU in der Schweiz

Quelle: Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Bern

Figur 12: Nutzung des Internets in

betrieblichen Funktionen

Quelle: Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Bern

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Des weiteren liefert die Untersuchung der Universität BernErkenntnisse, welche darauf hinweisen, warum die Firmen inder Schweiz noch nicht so weit fortgeschritten sind wie bei-spielsweise die Unternehmen in den USA. Die meistgenann-ten Argumente für die Vernachlässigung des Internets zuGeschäftszwecken sind Bedenken bezüglich der Aufbau-und Betriebskosten sowie die fehlende Akzeptanz in gewis-sen Branchen. Des weiteren sind viele Unternehmen derMeinung, dass sie ihre Abläufe zu stark ändern müssten unddass sie die dazu notwendige Technik nicht kennen.Eine weitere Umfrage zum Thema E-Commerce in derSchweiz zeigt jedoch, dass sich die Haltung der SchweizerUnternehmen diesbezüglich zu verändern beginnt. Bei-spielsweise werden sich die Investitionen für E-Commerce-Lösungen von 188 Millionen CHF im vergangenen Jahr aufüber 620 Millionen CHF im Jahr 2002 mehr als verdreifa-chen. Entsprechend den getätigten Investitionen wird auchder Anteil der Electronic Commerce-Umsätze an Bedeutunggewinnen. Während heute gerade einmal 0.5% der Umsät-ze im E-Commerce-Bereich realisiert werden, gehen die be-fragten Unternehmen davon aus, dass bereits im Jahr 2001bis zu 10% des Umsatzes über das Internet realisiert wer-den. Die globale Reichweite des Mediums Internet und dievergleichsweise tiefen Kosten, die für eine solche Lösunganfallen, erlauben es den KMU, vermehrt in die weltweitenMärkte einzutreten, ohne ein teures Filialnetz unterhalten zumüssen. E-Commerce stellt für KMU die einzigartige Gele-genheit dar, ihren Marktzugang und ihre Informationsquellenauf den ganzen Globus auszuweiten und den multinationalenGesellschaften diesbezüglich in nichts mehr nachzustehen.Neben der rein unterstützenden Funktion, welche das Inter-net bis heute im betrieblichen Alltag spielt, kann dem neuen

Medium in Zukunft noch eine viel wich-tigere Rolle zukommen. Das Internetwird vielen Unternehmungen erlauben,ihre Wertschöpfung zumindest virtuellauszuweiten, indem es sowohl in derBeschaffung als auch im Vertrieb er-möglicht, die Lieferanten bzw. die Ab-nehmer stärker in die Wertschöpfungmiteinzubeziehen. Figur 13 verdeutlichtden Weg zum derart erweiterten Unter-nehmen.Eine solche Ausweitung der Grenzender Unternehmen hat eine Reihe vonVorteilen. Durch die engere Einbin-dung der Lieferanten ist eine Beschaf-fungsstrategie im Sinne einesJust-in-Time-Konzepts besser reali-sierbar, und die Lagerhaltungskostenkönnen dadurch minimiert werden. Mitder Öffnung gegenüber den Abneh-

mern wird diesen eine interaktive Schnittstelle zum Unter-nehmen geboten, welche einen optimalen Marketing- undBetreuungseffekt garantiert. Des weiteren ermöglicht einederartige offene Schnittstelle, die Aufträge besser und ein-facher zu verwalten und diese auch zuverlässiger vorauszu-schätzen, was wiederum zu einer effizienterenBeschaffungsstrategie führt.Ist E-Commerce die grösste Veränderung seit der industriel-len Revolution, oder ist es lediglich ein weiteres nützlichesWerkzeug – wie das Telefon –, um die Kommunikation zubeschleunigen? Die Antwort liegt vermutlich irgendwo zwi-schen den beiden Extremen. Das Internet dringt tiefer in dieGeschäftsprozesse ein, als dies das Telefon getan hat. Eswäre allerdings verfrüht, die volle Bedeutung des Internetsfür die Geschäftswelt zu beurteilen. Die grosse Unbekanntedabei ist die Art und Weise, wie Unternehmen und Men-schen in einer vollständig vernetzten Welt zusammenarbei-ten werden. Die Technologie ermöglicht ein bis dahin nochnie gesehenes Ausmass an Kooperation zwischen Unter-nehmen und Menschen; niemand kann jedoch voraussagen,wann und ob die Zusammenarbeit in einer "intervernetzten"Wirtschaft gipfeln wird. In diesem Sinne geht es beimE-Commerce um wesentlich mehr als nur um die Anwen-dung neuer Technologien; es geht um Strategie, um Allian-zen und Kooperationen sowie die daraus resultierendenneuartigen und vernetzten Wertschöpfungsketten.

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Figur 13: Auf dem Weg zur “intervernetzten” Wirtschaft

Quelle: In Anlehnung an New Paradigm Learning Corporation

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6. Regulatorischer Handlungsbedarf

Die rasanten und schwer voraussehbaren technologischenEntwicklungen sowie das explosive Wachstum vonE-Commerce werfen nicht nur im wirtschaftlichen, sondernauch im regulatorischen Bereich eine Vielzahl von Fragenauf. Die WTO hat sich mit dem globalen regulatorischenHandlungsbedarf intensiv auseinandergesetzt und stiess aufKernbereiche, bei welchen im Interesse des zukünftigenWachstums von E-Commerce Klarheit geschaffen werdenmuss.

Recht

Einer der Schlüssel für das zukünftige Wachstum von Elec-tronic Commerce liegt in den rechtlichen Rahmenbedingun-gen des Handels über das Internet. Unsicherheitenbestehen bis heute insbesondere in der Bestimmung des beiE-Commerce-Transaktionen zur Anwendung kommendennationalen Rechts. Die daraus resultierenden Unsicherhei-ten bezüglich der geltenden Rechtssprechung – beispiels-weise bezüglich Urheberrechten oder Gerichtsbarkeit – sindfür die zukünftige Entwicklung von E-Commerce besondersstarke Hemmfaktoren. Gegenwärtig findet diesbezüglich inEuropa eine heftige Diskussion statt. Die Europäische Kom-mission drängt im Interesse der Konsumenten darauf, dassbeim Electronic Commerce die Rechtssprechung des Lan-des des Käufers zur Anwendung kommt. Wirtschaftsvertre-ter wehren sich jedoch gegen eine solche Regulierung, dennsie würde den KMU unvertretbare Kosten in rechtlichen An-gelegenheiten aufbürden. Das Beispiel verdeutlicht, wie Re-gulierungen, welche auf den ersten Blick sinnvoll erscheinenund sich an die bisherigen Handelsregeln anlehnen, denSinn und Zweck von E-Commerce untergraben können.

Steuern

Im steuerlichen Bereich stehen primär die Auswirkungen desgrenzenlos stattfindenden E-Commerce auf die bestehen-den nationalen Steuersysteme und ganz besonders die in-ternationalen Besteuerungsgrundsätze im Vordergrund.Electronic Commerce wird sowohl die Besteuerung desKonsums mittels Mehrwertsteuer als auch die Besteuerungvon Unternehmensgewinnen erschweren.Bei der Besteuerung des Konsums liegt das Problem in dergrenzüberschreitenden Übermittlung von Dienstleistungenund digitalen Produkten wie Software oder Musik. Die Über-tragung einer zu besteuernden Dienstleistung kann nämlichnur schwer von der Übertragung von bislang steuerfreien In-formationen unterschieden werden. Diese Perspektive istnicht nur für die Fiskalbehörden beunruhigend, welche sub-stanzielle Steuerausfälle zu erwarten haben. Auch Anbietervon Leistungen, deren Absatzmarkt sich primär auf das In-land beschränkt, sind von diesen Entwicklungen betroffen.

Die im Ausland ansässigen Konkurrenten erlangen durchden Wegfall der Distanz zum Kunden und die Nichterhebungder Mehrwertsteuer einen erheblichen Wettbewerbsvorteil.Die Besteuerung von Unternehmensgewinnen dürfte sichfür die Steuerhoheiten in Zukunft schwieriger gestalten.Durch das Internet können Firmen ihre Produkte undDienstleistungen weltweit anbieten, ohne in den Absatzlän-dern einen Steuersitz errichten zu müssen. Dies hindert denFiskus daran, die Unternehmensgewinne adäquat zu erfas-sen, denn die Basis für die Besteuerung bildet heute derStandort einer Gesellschaft. Um dieses Problem zu behe-ben, müssen die Steuerhoheiten zu einer neuen Definition"Standort" finden, welche ihnen die Besteuerung der Unter-nehmensgewinne auch in der Welt des Internet-Handels er-laubt.Insbesondere bezüglich der Steuern ist im Hinblick auf dasWachstums- und Wohlstandspotenzial von E-Commerce einUmfeld zu schaffen, welches die Entfaltung des elektroni-schen Geschäftsverkehrs nicht hemmt. Gleichzeitig mussjedoch sichergestellt werden, dass konventionelle Vertriebs-wege durch die Nichtbesteuerung von Electronic Commer-ce-Transaktionen nicht diskriminiert werden und dass dielegitimen öffentlich-politischen Ziele der Steuerhoheiten ge-schützt werden.

Sicherheit und Privatsphäre

Aspekte der Sicherheit und Wahrung der Privatsphäre sindein weiteres Gebiet, in welchem klarere Rahmenbedingun-gen notwendig sind. Nur wenn sowohl Käufer als auch Ver-käufer darauf vertrauen können, dass sich Bestellungen undTransaktionen mit einem Minimum an Risiko über das Inter-net tätigen lassen, werden sie das neue Medium ebenfalls zuGeschäftszwecken benützen. Um dieses Risiko zu minimie-ren, sind die untenstehenden Aspekte zentral.• Identität: Ist die Vertragspartei wirklich diejenige Per-

son/Unternehmung, die sie zu sein vorgibt?• Authentizität: Sind die Informationen während der Über-

mittlung nicht verändert worden?• Nichtabstreitbarkeit: Herkunft und Empfang von Meldun-

gen dürfen nicht bestreitbar sein.• Vertraulichkeit: Wirksame Verschlüsselung der übermit-

telten Informationen.Der technische Fortschritt hat für diese Problematik eine Lö-sung gefunden: digitale Signaturen. Deren Einsatz bildet dasSicherheitsfundament für Electronic Commerce. In derSchweiz werden digitale Signaturen von Swisskey herausge-geben. Dasselbe passiert derzeit in den meisten anderenLändern. Durch das Fehlen eines internationalen Standardsbleibt aber die internationale Anerkennung einer digitalen Sig-natur wesentlich erschwert und das Sicherheitsproblem trotzallem ungelöst. Eine mögliche Lösung für dieses Problemwäre ein sogenannter “Global Root”, welcher als zentrale,

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übergeordnete Stelle, die regionalen Signatur-Autoritätenkoordiniert und das Sicherheitsproblem im E-Commerceendgültig aus der Welt schaffen würde. Die andere Möglich-keit besteht darin, dass die Zertifizierungsstellen die digitalenSignaturen weltweit gegenseitig anerkennen. Ferner stelltsich die Frage, inwiefern digitale Signaturen rechtlich denHandsignaturen gleichgestellt werden sollen.Obige Aufzählung der Bereiche, in denen regulatorischeKlarheit geschaffen werden muss, ist nicht abschliessend.Mit dem Wachstum von E-Commerce und durch zukünftigeInnovationen werden die Regierungen und supranationalenOrganisationen immer wieder mit regulatorischen Fragenkonfrontiert. Die aktuellen Probleme und die zur Diskussionstehenden Lösungen in diesem Bereich zeigen, wie sensibelE-Commerce auf regulatorische Eingriffe reagiert. Selbstre-gulierung wird in vielen Bereichen von E-Commerce als dielangfristig vernünftigste Lösung angesehen, weil behördli-che Eingriffe das Potenzial der Technologien zuwenig be-rücksichtigen und somit das Wachstum von E-Commerce imKeime ersticken können.

7. Auf dem Weg in die globaleInformationsgesellschaft

Obwohl primär ein wirtschaftliches Phänomen, ist ElectronicCommerce Teil eines grösseren Prozesses sozialer Verän-derungen, welcher durch die Globalisierung und die Ent-wicklung in Richtung Informationsgesellschaft geprägt wird.E-Commerce ist eine treibende Kraft in diesem Verände-rungsprozess und trägt wesentlich dazu bei, die Konturenunserer Gesellschaft neu zu definieren. Insbesondere wer-den in Bereichen wie Ausbildung, Gesundheitswesen,Verwaltung und demokratischer Prozess spürbare Verände-rungen stattfinden. In der Schweiz wurde diesbezüglich vomBundesrat die “Koordinationsgruppe Informationsgesell-schaft” (KIG) ins Leben gerufen. Sie hat zum Zweck, unserLand auf die kommenden gesellschaftlichen Herausforde-rungen vorzubereiten und zu verhindern, dass sich aus derungleichen Nutzung der neuen Technologien eine Zweiklas-sengesellschaft bildet.Was bei den Unternehmen E-Commerce ist, nennt sich inder öffentlichen Verwaltung E-Government. Zum heutigenZeitpunkt nutzen die Verwaltungsbehörden das Internethauptsächlich, um den Bürgern Informationen zugänglich zumachen. In Zukunft soll ganz anderes möglich sein. Manstelle sich vor: ohne auf Öffnungszeiten Rücksicht nehmenoder Schlange stehen zu müssen, kann man per Interneteine Identitätskarte oder einen Pass bestellen, Formalitätenim Bauwesen erledigen, einen Antrag auf Arbeitslosenent-schädigung stellen oder die Steuererklärung ausfüllen. Nachdem Vorbild der Wirtschaft könnte in letzter Konsequenz derStaat auch Steuern, Gebühren und Abgaben per Internet

einkassieren. Das Sparpotenzial in diesen Bereichen istenorm. Man schätzt, dass heute 90% aller Kontakte zwi-schen den Bürgern und dem Staat an einem Schalter statt-finden. Diese Quote liesse sich gemäss Experten währendder nächsten Jahre durch die Implementierung vonE-Government auf unter 25% reduzieren.In jüngster Zeit hat eine hitzige Diskussion über die Auswir-kungen von E-Government auf den demokratischen Prozessbegonnen. Einerseits bietet E-Government den Stimmbür-gern die Möglichkeit per Mausklick ihre Stimme abzugeben.Dauer und Kosten einer Abstimmung oder eines Referen-dums liessen sich in einer solchen Augenblicks-Demokratieerheblich reduzieren und die Beteiligungsquote spürbar stei-gern. Die Wünsche des Souveräns könnten somit öfter, di-rekter und schneller in den politischen Prozess einfliessenund dadurch die Politiker eines grossen Teils ihrer Macht be-rauben. Andererseits stellt sich die Frage, inwiefern eine sol-che Entmündigung der Politiker zum allgemeinen Wohl einesStaates beitragen kann. Die Gefahr der Manipulation und einwenig konsistenter politischer Gesamtkurs wären die Neben-effekte eines derartigen Systems. Weniger die Möglichkeit ei-ner Augenblicks-Demokratie als viel mehr die Entwicklungunserer Gesellschaft in Richtung einer mündigen Informa-tionsgesellschaft wird dazu führen, dass der Souverän mehrMacht im politischen Prozess erhält.Damit die potenziellen positiven Effekte einer vernetztenWelt sich in Zukunft auch wirklich realisieren lassen, ist esvon zentraler Wichtigkeit, dass so viele Menschen wie mög-lich den Anschluss an die vernetzte Gesellschaft finden. Esmuss verhindert werden, dass durch die ungleiche Nutzungder modernen Technologien eine Zweiklassengesellschaftentsteht. Dies würde einerseits die bereits bestehendeWohlstands- und Bildungsschere weiter öffnen und ande-rerseits die volle Wirkung von E-Commerce untergraben. Esist Aufgabe des Staates, den Weg in die globale Informa-tionsgesellschaft zu ebnen und möglichen negativen exter-nen Effekten mit präventiven Massnahmen frühzeitigentgegenzutreten.Die KIG hat die Herausforderungen erkannt und Arbeits-gruppen zu Themen wie Bildung, Standortattraktivität,E-Commerce, E-Government, Kultur und Recht ins Lebengerufen. Insbesondere sind im Hinblick auf die zukünftigeKonkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Schweiz vonden verantwortlichen Stellen in den Bereichen Bildungswe-sen sowie Arbeitsmarkt die Weichen richtig zu stellen.

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Verwendete Literatur:

eMarketer, eGlobalReport, Volume 1, Juni 1999.

U.S. Department of Commerce, The Emerging DigitalEconomy II, Juni 1999.

Prof. Dr. Hans Geiger, Electronic Commerce –Herausforderung für Wirtschaft und Banken, 1999.

European Central Bank, The Effects of Technologyon the EU Banking Systems, Juli 1999.

Vartanian / Ledig / Bruneau, 21st Century Money,Banking & Commerce, 1998.

World Trade Organization (WTO), Electronic Commerceand the Role of the WTO, 1998.

Organisation for Economic Co-operation and Development(OECD), The Economic and Social Impact of ElectronicCommerce, Februar 1999.

Organisation for Economic Co-operation and Development(OECD), Towards a Global Information Society, 1997.

Weiterführende Literatur/Links:

Statistiken und Prognosen: www.estats.com.

Aktuelle Artikel zum Thema E-Commerce:www.thestandard.com und www.ecommercetimes.com.

Aktivitäten des Bundes: Information Society ProjectSwitzerland, www.isps.ch.

Die Volkswirtschaft, Electronic Commerce undInformationsgesellschaft Schweiz, Juni 1999.

Don Tapscott, The Digital Economy: Promise and Perilin the Age of Networked Intelligence, 1997.

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In der Reihe ‘Economic Briefings’ sind bisher folgende Ausgaben erschienen:

Nr. Titel Mat.-Nr. Mat.-Nr. Mat.-Nr. Mat.-Nr.Deutsch Französisch Italienisch Englisch

1 Europäische Währungsunion: vergriffen vergriffen - -Ein Jahr vor der Entscheidung (4/97)

2 Europäische Währungsunion: 1521021 1521022 - 1521024Ihre Fragen, unsere Antworten (7/97 und 5/98)

3 Inflation: Totgesagte leben länger (10/97) 1510331 - - -

4 Die EWU: Spreads and more . . . (10/97) vergriffen - - vergriffen

5 Schweizerische Sozialpolitik: Quo Vadis (10/97) 1510351 1510352 - -

6 Elchtest für den Euro: 1510761 1510762 - vergriffenDer Weg zur Einheitswährung (3/98)

7 Kreditmarkt Schweiz: 1510771 1510772 1510773 -Ökonomische Zusammenhänge (7/98)

8 Unternehmen und Euro: 1510781 1510782 vergriffen -Habe ich an alles gedacht? (5/98)

9 Der Euro kommt: 1510831 1510832 - 1510834Mechanik und Dynamik im Euroland (7/98)

10 Kantonale Finanzen: Die Herausforderungen 1510871 1510872 - -der Zukunft verlangen Teamarbeit (9/98)

11 Das Jahr-2000-Problem: 1510971 1510972 - 1510974Keine Rezession in Sicht (6/99)

12 Allfinanz: 1510991 1510992 1510993 -Nicht neu, aber mit Zukunft (10/99)

13 Neuer Glanz für Gold . . . (10/99) 1540701 1540702 - -

14 Aktien als langfristige Kapitalanlage (11/99) 1540711 1540712 - 1540714

15 Electronic Commerce: 1511361 1511362 - 1511364(R)evolution für Wirtschaft und Gesellschaft (1/00)

Page 20: ELECTRONIC COMMERCE (R)EVOLUTION FÜR WIRTSCHAFT …intensiv mit der Thematik. Die verschiedenen Interessen-gruppen beschäftigen sich jeweils mit unterschiedlichen Aspekten rund um

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