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~664 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 8. JAHRGANG. Nr. 36 3- S[,;P'I'EMBER ~9--.9 Zbl. Bakter. Orig. 56, 344. -- ~ PFALZ, Arch. Gyn~tk. z34, H. i. -- ~ P~ALZ, Med. Klin, x928, Nr 7. -- ~ PwhLz, Dtsch. reed. Wschr. ~928, Nr 27. -- * PFALZ, Mschr. Geburtsh. x926, 72. Med. Kli. 1926, H. 7. -- ~ PFALZ, Dtsch. Med. Wschr. I928, H. 3 o. -- s PFALZ, Med. Klin. I929 , Nr 16. -- s PFALZ, Arch. Gyn~k. I38, H. I. -- ~0 HEIDENHAIN nnd FRIED, Arch. klin. Chit. I33, 624. -- n SCHOT~- 5~t~LLER und :BARFURTI~, :Beitr. I~21in. Inf.krkh. 3, 39~. -- ~ Ru~E and PI~ILIPP, Arch. f. Gyn~tk. 121, H. 3. ELEKTROKARDIOGRAPHISCHE BEOBACHTUNGEN LIBER DEN ABLAUF EINER AKUTEN MYOKARDITIS NACH GRIPPE. Won Dr. WILHELM DRESSLER und Dr. ARISTID KISS. Aus dem Spi{ale tier ,,Herzstatioll" in Wien (Leiter: Prof. Dr. H. El. MEYER and Prof. Dr. E. ZAK). Es ist eine Eigentfimlichkeit der akuten entzfiudlichen Erkrankungen des Herzens, dab ihre Symptome -- wenn man yon der Perikardifis absieht -- racist unbestimmt und vieldeutig sind, so dal3 die Diagnose dieser praktisch so be- deutsamen Krankheitszust~nde in der Regel zweifelhaft ist, ja dab viele, wenn nicht die meisten dieser Entzfindungs- Brust nnd Atembeklemnmng, konnte aber den ganzen Tag auBer Bett verbringen und herumgehen. Tags darauf hatte er wieder ein leichtes Oppressionsgeffihl auf der Brust, ging jedoch seiner Be- sch~tftignng nach. W~hrend der ganzen Zeit war ihm keine St6rung seines Herzrhythmns aufgefallen. Am Abend des 25. III. ffihlte er sich wieder unbehaglich, nahm deshalb heiBen Tee und Aspirin; am n~tchsten Tag arbeitete er in seiner Wohnung, als ihn pl6tzlich ein Schw~chegeffihl flberkam, so dab er sich niedersetzen muBte; im nXchsten Augenblick verlor er das :BewuBtsein and soll I his 2 Minuten ohnm~chtig gewesen seth. Der einige Zeit nachher herbeigerufene Arzt stellte beim Pat. eine Pulsfrequenz yon 25 Sehl~gen in der Minute fest und ordnete an, dab er vim schwarzen Kaffee zu sich nehme. Danach ffihlte sich der Pat. ziemlich wohl, klagte nur fiber leichte Mattigkeit. ~ Um ~/24 Uhr nachmittags des gleichen Tages trat abermats eine starke BeMemmung auf, es er- folgte mehrmals Erbrechen nnd eine neuerliche Ohnmacht setzte ein, die ebenso kurz wie das erste Mat wXhrte. Wieder wurde naeh dem Anfall eine Pulsfrequenz yon ~5--28 Iestgestellt. Der Arzt verabreichte dem Pat. eine Coffeininjektion, doch ffihlte sich der I(ranl~e jetz~ so matt, dab er nicht mehr aufstehen konnte, and es erfolgte gleich darauf die ~berffihrnng in das Spital der ,,Herz- station". Die objektive Untersnchung ergab hier folgenden Befund: Der :Pat. ist fibermittelgroB, schlank. Das Gesicht ist ziemlich blaB, es besteht weder Cyanose noch sind 0deme sichtbar. Das Sensorium ist fret, die Temperatnr normal. Der Herzspitzensto[3 ist im V. Intercostalraum ein wenig aul3erhalb der Medioclavicular- Abb. x. II. Ableitung. prozesse sich im akuten Stadium der Erkennung v611ig ent- ziehen and erst viel spgter, wenn sich etwa Herzinsuffizienz- erscheinungen hinzugesellen, in Erscheinung treten. Es gilt dies insbesonders auch von den leichteren Formen der akuten Myokarditis, w~hrend die schwereren Entzfindungen des Myokards, wie sic auch bet der Diphtherie gelegentlieh beobachtet werden, ein ziemlieh pr~gnantes Krankheitsbild ergeben. Allerdings besitzt die Herzmuskulatur einen be- sonders Ieinen Indicator ffir pathologische Vorg~tnge im spezifischen M~skelsystem, welches verm6ge der hochwertigen Funktionen, die ibm bet der Arbeitsleistung des Herzens zugeteilt sind, auf jede St6rung seiner T~tigkeit dutch patho- logische Prozesse in sehr charakteristischer Weise reagiert. Sowei~c diese Reaktionen sich in Rhythmusst6rungen ~uBern, sind sie klinisch in der Regel ohne Zuhiltenahme graphischer Methoden leicht erkennbar. Aber darfiber hinaus vermag uns die elektrokardiographische Methode noch vim feinere St6rungen im spezifischen Muskelsystem zu enthfillen, welche der klinischen ]3eobachtung v611ig unzug~nglich sind, und uns insbesondere auch fiber die Ausdehnung des pathologischen Prozesses, allerdings nut insoweit die spezi]ische Muskulatur ergriffen ist, Aufkl~rung zu verschaffen. Dies zeigte uns auch die ]3eobachtung eines Falles, fiber den im folgenden bier berichtet werden soll und dessen Krankengeschichte deshalb bemerkenswert ist, weil es sich nm einen jungen, vorher v611ig gesunden Menschen handelt, bei dem die ersten Herz- st6rungen im AnschluB an eine Grippe auftraten. Der 21jXhr. Student der MediAn L. H. wurde am 26. III. 1929 in das Spital der ,,Herzstation" eingeliefert. -- Er hatte frfiher 6fter Anginen durchgemacht nnd im AnschluB an eine solche im Jahre 1923 durch 8 Tage an stechenden Schmerzen im rechten Hand- gelenk gelitten, die jedoch ohne Schwellung und mit nnr geringem Fieber einhergingen. Danach wurde dem Pat. yore Arzt angeraten, sich zu schonen nnd nur in m~Bigem AusmaB Sport zu treiben. Er fflhlte sich sp~ter v611ig wohl, hatte niemals Herzbeschwerden, auch keine Rhythmusst6rungen, die ihm als Mediziner ja besonders aufgefallen w~ren. Anfangs NI~trz 1929 erkrankte er an Grippe (zur Zeit einer Grippeepidemie) mit Fieber, EIusten und Mattigkeit. Nach 8 Tagen .war er wieder hergestellt, konnte seine gewohnte :Beschhfti- gang wieder aufnehmen and ffiNte sich vollkommen wohl. Etwa 2 Wochen darauf, am 22. III. 1929, bekam Pat.am Abend Fr6steln und ein Geffihl yon Unwohlsein, das er als Gripperfickfall deutete. Am n~tchsten Tag empfand er zum erstenmal einen Drnck: ant der Abb. 2. Nadelableitung. linie ffihlbar, etwas hebend, nicht verbreitert, nicht resistent. Das untere Sternalende zeigt keine verst~rkte D~tmpfung und wird pulsatorisch nicht behoben. Die Herzd~mpfung reicht naeh rechts his znm rechten Sternalrand, ist auch nach links oben nicht ver- breitert. ~Tber allen Ostien reine Tone, keine Akzentuation des II. Tones an der :Basis. Der fibrige Organbefund ist v611ig negativ. Die Arteria radialis ist gut geffillt, Pals rhythmisch, Frequenz 48. Im Ham sind keine pathologischen Bestandteile nachweisbar. Die elektrolcardiographische Untersuchung, welche un- mittelbar nach der Ankunft des Patienten (am 26. III. 1929) vorgenommen wurde, zeigt einen kompletten Block (Abb. I) mit beschleunigtem Vorhofrhythmus (Frequenz IO5), wXhrend die Kammerfrequenz nur 36 betr~tgt. Die Kammerkomplexe sind yon normaler Form, die Nachschwankung positiv. In der Folgezeit wiederholten sich die Ohnmachtsanf~lle nicht mehr; der Patient, dem eine strenge Bettruhe aufgetragen worden war, hatte einen Tag nach der Spitalsaufnahme bereits eine normale Schlagfolge mit einer Frequenz zwischen 6o--7o, wobei das P-R-Intervall o,28 Sekunden betrug. Iri den folgen- den Tagen wurde es noch kfirzer und am 2. April wurde eine ~berleitungszeit yon o,19 Sekunden gemessen. Die Puls- frequenz hielt sich dauernd in normalen Grenzen, der Patient war v611ig beschwerdefrei, doch wurden zwischen dem 28. und 31. M~rz leichte Temperatursteigerungen beobachtet, die aber die H6he yon 37,3 ~ nicht fiberstiegen. Pulsausf~tlle wurden nicht wahrgenommen. Am 4. April klagte der Patient fiber HerzunregelmSl3ig- keiten, die ihm deutlich zum BewuBtsein kamen, ohne ibm st~rkere Beschwerden zu verursachen. Diese Rhythmus- st6rungen hielten 3 Tage lang an und konnten in zahlreichen elektrokardiographischen Aufnahmen analysiert werden, wobei sehr wechselnde Bilder zur Beobachtung gelangten. Anfangs sah man bet ziemlich rege!m~tBigem Sinusrhythmus mit normaler Kammerschlagfolge h~nfig l~ngere Pausen in der Vorhoft~ttigkeit auftreten, mitunter mehrmals hinterein- ander auf die normalen KammerSchl~tge folgend. Solch eine Pause in der Herzt~Ltigkeit istin Abb. 2 zu sehen. Es besteht hier ein regelm~tBiger Sinusrhythmus mit einer Periodenl~tnge yon II3, ether Frequenz yon 53-entspr echend: Auf den 2. Vorhof-Kammerschlag fo!gt nun ein Intervall yon 166 und danach setzt wieder die Herzt~ttigkeit im frfiheren Rhy~chmus ein. Man k6nnte da an eirien sinoaurikulXren Block denken.

Elektrokardiographische Beobachtungen Über den Ablauf Einer Akuten Myokarditis Nach Grippe

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Zbl. Bakter. Orig. 56, 344. - - ~ PFALZ, Arch. Gyn~tk. z34, H. i. -- ~ P~ALZ, Med. Klin, x928, Nr 7. -- ~ PwhLz, Dtsch. reed. Wschr. ~928, Nr 27. -- * PFALZ, Mschr. Geburtsh. x926, 72. Med. Kli. 1926, H. 7. -- ~ PFALZ, Dtsch. Med. Wschr. I928, H. 3 o. -- s PFALZ, Med. Klin. I929 , Nr 16. -- s PFALZ, Arch. Gyn~k. I38, H . I. -- ~0 HEIDENHAIN nnd FRIED, Arch. klin. Chit. I33, 624. -- n SCHOT~- 5~t~LLER und :BARFURTI~, :Beitr. I~21in. Inf.krkh. 3, 39~. -- ~ Ru~E and PI~ILIPP, Arch. f. Gyn~tk. 121, H. 3.

ELEKTROKARDIOGRAPHISCHE BEOBACHTUNGEN LIBER DEN A B L A U F EINER A K U T E N

MYOKARDITIS NACH GRIPPE.

Won

Dr . WILHELM DRESSLER u n d Dr. ARISTID KISS. Aus dem Spi{ale tier ,,Herzstatioll" in Wien (Leiter: Prof. Dr. H. El. MEYER and

Prof. Dr. E. ZAK).

Es i s t eine E igen t f iml i chke i t der a k u t e n en tz f iud l ichen E r k r a n k u n g e n des Herzens , d a b ih re S y m p t o m e -- w e n n m a n yon de r Pe r ika rd i f i s a b s i e h t - - rac is t u n b e s t i m m t u n d v ie ldeu t ig s ind, so dal3 die Diagnose dieser p r a k t i s c h so be- d e u t s a m e n K r a n k h e i t s z u s t ~ n d e in de r Regel zweife lhaf t ist, ja dab viele, w e n n n i c h t die me i s t en dieser E n t z f i n d u n g s -

Brust nnd Atembeklemnmng, konnte aber den ganzen Tag auBer Bet t verbringen und herumgehen. Tags darauf ha t te er wieder ein leichtes Oppressionsgeffihl auf der Brust, ging jedoch seiner Be- sch~tftignng nach. W~hrend der ganzen Zeit war ihm keine St6rung seines Herzrhy thmns aufgefallen. Am Abend des 25. III . ffihlte er sich wieder unbehaglich, nahm deshalb heiBen Tee und Aspirin; am n~tchsten Tag arbeitete er in seiner Wohnung, als ihn pl6tzlich ein Schw~chegeffihl flberkam, s o dab er sich niedersetzen muBte; im nXchsten Augenblick verlor er das :BewuBtsein and soll I his 2 Minuten ohnm~chtig gewesen seth. Der einige Zeit nachher herbeigerufene Arzt stellte beim Pat . eine Pulsfrequenz yon 25 Sehl~gen in der Minute fest und ordnete an, dab er vim schwarzen Kaffee zu sich nehme. Danach ffihlte sich der Pat. ziemlich wohl, klagte nur fiber leichte Mattigkeit. ~ Um ~/24 Uhr nachmit tags des gleichen Tages t r a t abermats eine starke BeMemmung auf, es er- folgte mehrmals Erbrechen nnd eine neuerliche Ohnmacht setzte ein, die ebenso kurz wie das erste Mat wXhrte. Wieder wurde naeh dem Anfall eine Pulsfrequenz yon ~5--28 Iestgestellt. Der Arzt verabreichte dem P a t . eine Coffeininjektion, doch ffihlte sich der I(ranl~e jetz~ so mat t , dab er n icht mehr aufstehen konnte, and es erfolgte gleich darauf die ~berff ihrnng in das Spital der ,,Herz- s ta t ion".

Die objektive Untersnchung ergab hier folgenden Befund: Der :Pat. ist fibermittelgroB, schlank. Das Gesicht ist ziemlich blaB, es bes teht weder Cyanose noch sind 0deme sichtbar. Das Sensorium ist fret, die Tempera tnr normal. Der Herzspitzensto[3 ist im V. Intercosta l raum ein wenig aul3erhalb der Medioclavicular-

Abb. x. II. Ableitung.

prozesse sich im a k u t e n S t a d i u m der E r k e n n u n g v611ig ent - z iehen a n d e rs t viel spgter , w e n n sich e twa Herz insuf f iz ienz- e r s che inungen hinzugesel len , in E r s c h e i n u n g t r e t en . Es gi l t dies insbesonders a u c h von den l e i ch te ren F o r m e n de r a k u t e n Myokard i t i s , w ~ h r e n d die schwere ren E n t z f i n d u n g e n des Myokards , wie sic a u c h bet de r D i p h t h e r i e ge legent l ieh b e o b a c h t e t werden , ein z iemlieh p r ~ g n a n t e s K r a n k h e i t s b i l d ergeben. Al lerd ings bes i t z t die H e r z m u s k u l a t u r e inen be- sonders Ie inen I n d i c a t o r ffir pa tho log i sche Vorg~tnge im spezifischen M~skelsystem, welches v e r m 6 g e der h o c h w e r t i g e n F u n k t i o n e n , die i b m bet d e r Arbe i t s l e i s tung des Herzens zuge te i l t sind, au f jede S t 6 r u n g se iner T~ t igke i t d u t c h p a t h o - logische Prozesse in sehr c h a r a k t e r i s t i s c h e r Weise reagier t . Sowei~c diese R e a k t i o n e n sich in R h y t h m u s s t 6 r u n g e n ~uBern, s ind sie k l in i sch in der Regel ohne Z u h i l t e n a h m e g raph i sche r M e t h o d e n l e i c h t e r k e n n b a r . A b e r dar f ibe r h i n a u s v e r m a g uns die e l e k t r o k a r d i o g r a p h i s c h e M e t h o d e noch vim fe inere S t 6 r u n g e n i m spezif ischen M u s k e l s y s t e m zu enthf i l len, welche der k l in i schen ]3eobach tung v611ig unzug~ng l i ch sind, u n d uns i n sbesonde re auch f iber die A u s d e h n u n g des pa tho log i s chen Prozesses, a l le rd ings n u t insowei t die spezi]ische M u s k u l a t u r ergr i f fen ist, A u f k l ~ r u n g zu verschaf fen . Dies zeigte uns a u c h die ]3eobach tung eines Falles , f iber d e n i m fo lgenden b ie r b e r i c h t e t werden soll u n d dessen K r a n k e n g e s c h i c h t e d e s h a l b b e m e r k e n s w e r t ist, weil es sich n m e inen jungen , v o r h e r v611ig gesunden M e n s c h e n h a n d e l t , be i d e m die e r s t en Herz- s t 6 r u n g e n i m AnschluB a n eine Gr ippe a u f t r a t e n .

Der 21jXhr. S tudent der MediAn L. H. wurde am 26. III . 1929 in das Spital der , ,Herzstat ion" eingeliefert. -- Er ha t te frfiher 6fter Anginen durchgemacht nnd im AnschluB an eine solche im Jahre 1923 durch 8 Tage an stechenden Schmerzen im rechten Hand- gelenk gelitten, die jedoch ohne Schwellung und mit n n r geringem Fieber einhergingen. Danach wurde dem Pat . yore Arzt angeraten, sich zu schonen nnd nur in m~Bigem AusmaB Sport zu treiben. Er fflhlte sich sp~ter v611ig wohl, ha t t e niemals Herzbeschwerden, auch keine Rhythmusst6rungen, die ihm als Mediziner ja besonders aufgefallen w~ren. Anfangs NI~trz 1929 erkrankte er an Grippe (zur Zeit einer Grippeepidemie) mit Fieber, EIusten und Mattigkeit . Nach 8 Tagen .war er wieder hergestellt, konnte seine gewohnte :Beschhfti- gang wieder aufnehmen and ffiNte sich vollkommen wohl. Etwa 2 Wochen darauf, am 22. I I I . 1929, bekam P a t . a m Abend Fr6steln und ein Geffihl yon Unwohlsein, das er als Gripperfickfall deutete. Am n~tchsten Tag empfand er zum ers tenmal einen Drnck: ant der

Abb. 2. Nadelableitung.

linie ffihlbar, etwas hebend, nicht verbreitert , nicht resistent. Das untere Sternalende zeigt keine verst~rkte D~tmpfung und wird pulsatorisch nicht behoben. Die Herzd~mpfung reicht naeh rechts his znm rechten Sternalrand, ist auch nach links oben nicht ver- breitert . ~Tber allen Ostien reine Tone, keine Akzentuat ion des II. Tones an der :Basis. Der fibrige Organbefund ist v611ig negativ. Die Arteria radialis ist gut geffillt, Pals rhythmisch, Frequenz 48. Im H a m sind keine pathologischen Bestandteile nachweisbar.

Die elektrolcardiographische U n t e r s u c h u n g , welche un- m i t t e l b a r n a c h de r A n k u n f t des P a t i e n t e n (am 26. I I I . 1929) v o r g e n o m m e n wurde , zeigt e inen k o m p l e t t e n Block (Abb. I) m i t b e s c h l e u n i g t e m V o r h o f r h y t h m u s (F requenz IO5), wXhrend die K a m m e r f r e q u e n z n u r 36 betr~tgt. Die K a m m e r k o m p l e x e s ind yon n o r m a l e r Fo rm, die N a c h s c h w a n k u n g posi t iv . In der Folgeze i t w iede rho l t en sich die O h n m a c h t s a n f ~ l l e n i c h t m e h r ; d e r P a t i e n t , d e m eine s t r enge B e t t r u h e a u f g e t r a g e n w o r d e n war, h a t t e e inen T ag n a c h de r S p i t a l s a u f n a h m e bere i t s e ine n o r m a l e Schlagfolge m i t e iner F r e q u e n z zwischen 6o- -7o , wobei das P - R - I n t e r v a l l o,28 S e k u n d e n b e t ru g . Iri den folgen- den Tagen w u r d e es n o c h kfirzer u n d a m 2. Apr i l w u r d e eine ~ b e r l e i t u n g s z e i t yon o,19 S e k u n d e n gemessen. D i e Puls- f r equenz h ie l t s ich d a u e r n d in n o r m a l e n Grenzen, der P a t i e n t war v611ig beschwerdef re i , doch w u r d e n zwischen d e m 28. u n d 31. M~rz le ichte T e m p e r a t u r s t e i g e r u n g e n b e o b a c h t e t , die abe r die H 6 h e y o n 37,3 ~ n i c h t f ibers t iegen. Pulsausf~tlle w u r d e n n i c h t w a h r g e n o m m e n .

A m 4. Apr i l k l ag t e de r P a t i e n t f iber HerzunregelmSl3ig- ke i ten , die i h m deu t l i ch z u m BewuBtse in k a m e n , ohne i b m s t~ rke re B e s c h w e r d e n zu v e r u r s a c h e n . Diese R h y t h m u s - s t 6 r u n g e n h i e l t en 3 Tage l ang a n u n d k o n n t e n in zah l re ichen e l e k t r o k a r d i o g r a p h i s c h e n A u f n a h m e n a n a l y s i e r t werden , wobei sehr wechse lnde Bi lder zur B e o b a c h t u n g ge langten . Anfangs sah m a n be t z ieml ich rege!m~tBigem S i n u s r h y t h m u s m i t n o r m a l e r K a m m e r s c h l a g f o l g e h~nf ig l~ngere P a u s e n in de r Vorhof t~t t igkei t au f t r e t en , m i t u n t e r m e h r m a l s h in t e r e in - a n d e r auf die n o r m a l e n KammerSchl~tge folgend. Solch eine P a u s e in de r Herzt~Ltigkeit i s t i n Abb . 2 zu sehen. Es b e s t e h t h ie r ein regelm~tBiger S i n u s r h y t h m u s m i t e iner Periodenl~tnge y o n I I3 , e ther F r e q u e n z y o n 5 3 - e n t s p r echend: Auf den 2. V o r h o f - K a m m e r s c h l a g fo!gt n u n ein I n t e r v a l l yon 166 u n d d a n a c h se t z t wieder die Herzt~t t igkei t im f r f iheren Rhy~chmus ein. M a n k 6 n n t e da an eirien s inoaur iku lXren Block denken .

3, SEPTEMBER-I929 I ( L I N I S C I - I E W O C H E N S C H R I F T . 8. J A H R G A N G . Nr. 36

Doch ist die T-Zacke des 2. Kammerschlages, der dem langen Interval l vorausgeht, deutlich deformiert, woraus ~zu er- kennen ist, d a b in ihr ein vorzeitig auftretender Vorhof- komplex enthalten ist. Es handelt sich bier mithin um eine auriknl~ire Extrasystole, welche infolge ihres frrihen Auf-

Abb. 3. Nadelableitung.

Abb. 4. Nadelableitung.

tretens und vielleicht auch wegen der latenten a-v-Reiz- leitungsst6rung nicht zur Kammer weitergeleitet ist. Solche Vorhof-Extrasystolen l inden sich sehr oft in den Kurven, welche wir in den folgenden 3 Tagen yon dem Patienten gewannen. Doch waren nicht alle diese vorzei.tigen Vorhof. erregungen in ihrer Fortleitung zur t(ammer gehemmt. Nicht selten und in den sp/iteren 14urven immer h~iufiger finden sich Vorhof-Extrasystolen, die mit einer ziemlich kurzen ~berleitungs- zeit (o,19) zur Kammer fortgeleitet wurden. Doch zeigen ihre Kammer- komplexe nur ausnahmsweise einmal die normale Form; in der Regel gleichen sie den ventrikul~iren Extrasystolen vom linksseitigen Typus (Abb. 3), yon denen sie sich nu t dadurch uuterschei- den, dab ihnen eine Vorhofzacke vor- ausgeht und dab sie nicht kompensiert erscheinen. Es handelt sich hier also um Vorhof-Extrasystolen, deren Reizausbreitung in der IKammer offenbar den rechten Schenkel des Reizleitungssystems blockiert finder, so dab sich ihr Erregungsablauf ~ihnlich dem der Kammer-Extra- systolen der linken Seite gestaltet. Diesen Typus der Kammer- komplexe linden wir bet weitem am h~iufigsten bet denjenigen aurikul~iren Extraschl~gen, welche zur Kammer wetter-

Abb. 5. Nadelableitung.

geleitet wurden. An manchen dieser Extrasystolen gewahrten wir allerdings den entgegengesetzten Typus der Kammer- komplexe, wie er frir rechtsseitige ventrikul~ire Extrasyst01en charakteristisch ist, und mfissen da wohl eine Blockierung im linken Schenkel des Reizleitungssystems zur Erkl~irung heran- ziehen. Abb. 4 zeigt 2 Vorhof-Extrasystolen, je auf einen normalen Kammerschlag folgend, yon denen die erste den

Abb. 6. Nadelableitung.

Typus des rechtsseitigen, die andere den Typus des links- seitigen Schenkelblocks zeigt. Am letzten Tage, an dem sich noch Herzunregelm~Bigkeiten beim Patienten beobachten lieBen, fanden sich schlieBlich vereinzelte aurikul~ire Extra- systolen, deren Kammerkomplexe weniger stark ver~indert waren, nach Art eines Astblocks (Abb. 5), und hier und da ~vurde auch schon ein vorzeitiger Vorhofschlag mit normaler Reizausbreitung in der Kammer sichtbar. Zeitweise wurden aber auch r i c h t i g e I<ammer-Extrasystolen yon basalem Typus beobachtet (Abb. 6), die yon einer vollkommen kom-

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pensierenden Pause gefolgt waren. N e b e n diesen St6rungen der Reizbildung in VorhoI und Ventrikel, neben dell Sympto- men eines abnormeu Reizablaufes iri der Kammer zeigten uns die Elektrokardiogramme auch noeh interessante Ver- /inderungen in der Form der Vorhofkomp]exe, welche unseres Erachtens auf einen gest6rten Erregungsablauf innerhalb des Vorhofes hindeuten. In Abb. 2 ist vor den ersten 2 I{am- merkomplexen je eine kleine spitze P-Zacke sichtbar. ])ann kommt eine l~ingere Pause, und die darauffolgenden Vorhof- kolnplexe sind nun h6her, breiter, an der Spitze leicht ge- spalten. Diese letztere P-Zackenform war die dominierende bet unserem Patienten und wurde insbesondere unmittelbar nach den l~Lngeren Pausen stets beobachtet. Ging abet der Sinusrhythmus einmal 1/ingere Zeit nngest6rt wetter, so konnte man allm~hlich das Auftreten der kleineren, in ihrer Form etwas variierenden, aber deutlich yon den Ilormalen Vorhofkomplexen abweichenden P-Zacken wahrnehmen (siehe auch Abb. 3 und 4). Eine Ausz~hlung yon 1/ingeren I{urven- stricken ergab dabei, dab die Vorhofintervalle nur in geringen Grenzen schwankten, auch lieB sich keine Ver~nderung in der Dauer des P-R-Intervalles entsprechend den abnorm gestal- teten Vorhofkomplexen feststellen. Daraus schliel3en wir,

Das SinusintervalI betr~igt Io7, die beiden Extrasystolen sind nicht kompensiert.

dab die Anderungen in der Form der P-Zacke durch St6rungen in der Erregungsausbreitung innerhalb des Vorhofes zustande kamen, da ein ver&ndeI;ter Reizursprung, der zu &hnlichen Folgezust/inden frihren kann, sich in der Regel doch durch eine Unregelm&Bigkeit der Reizintervalle und h~ufig auch durch Schwankungen des P-R-Intervalles verr/it. Ahnliche Veriinderungen der Vorhofkomplexe haben ~.OTHBERGER und SCHERF im Tierexperiment (beim Hund) nach Anlegung yon Ligaturen am oberen und unteren F.nde des Sinusknotens beobachtet und auf St6rung der Reizausbreitung innerhalb des Vorhofes zurrickgefrihrt.

Am 7. April schwanden die Extrasystolen v611ig aus dem Pulsbilde, und auch die abweichenden Vorhofkomplexe wurden nur mehr ganz vereinzelt beobachtet. Die Clberleitungszeit war nunmehr bis auf o,16 Sekunden gefallen, die I{ammer- komplexe zeigten durehweg normale Gestaltung; der Pat ient frihlte sich seither v611ig wohl, hatte weder Temperatursteige- rungen noch subjektive ]3eschwerden. Auch in der n&chsten Woche waren Arhythmien nicht mehr zu beobachten, und Pat ient wurde auf seinen Wunsch hin aus pers6nlichen Grrinden in ein anderes Spital transferiert mit der Mahnung, auch wetter- bin strenge Ruhe einzuhalten. Eine am 5.V. 1929 vorgenommene Kontrolluntersuchung ergab sowohl klinisch als auch elektro- kardiographisch normale Verh&ltnisse.

Die eindeutigen Ver&nderungen, welche wit in den zahl- reichen elektrokardiographischen Kurven bei unserem Patten- ten festgestellt haben, wiesen auf eine Erkrankung des spezifischen Muskelsystems bin. Diese &uBerte sich tells in St6rungen der Reizbildung, tells in St6rungen der Erregungs- ausbreitung sowohl im a-v-Brindel, als auch in den Schenkeln und in den peripheren Asten des Reizleitungssystems, schlieB- lich auch in einem abnormen Erregungsablauf innerhalb der Vorh6fe. Alle diese rasch vorfibergehenden abnormen Er- scheinungen, deren Feststellung uns zum gr6Beren Teil nur durch die elektrokardiographische Untersuchung gelang, lieBen es berechtigt erscheinen, einen ausgedehnten patholo- gischen ProzeB im spezifischen Muskelsystem des Herzens anzunehmen. Da der Pat ient frfiher niemals an Rhythmus- st6rungen gelitten hatte, diese Ersctleinungen vielmehr in der Rekonvaleszenz nach einer Grippe zum erstenmal beob- achtet wurden; da diese Symptome durch Unwohlsein,

Klinische Wochenschrift. 8..Tahrm Io7

1666 K L I N I S C H E \ V O C H E N S C H R I F T . 8. J A H R G A N G . Nr. 36 3, SEPTEMBER 1929

Mattigkeit und Oppressionsgeffihl auf der ]3rust eingeleitet wurden, zeitweise abet auch mit leichten Temperatursteige- rungen einhergingen; da wir ferner wissen, dab im Anschlul3 an Grippe auch dauernd Reizleitungsst6rungen zur Ent- wicklung gelangen, glauben wir nicht fehlzugehen, wenn wir alle bei unserem Patienten beobachteten pathologischen Vorgiinge auf eine akute Myokarditis beziehen, die durch das im Herzen verankerte Grippegift nach einer Latenzzeit hervorgerufen wurde. Solche Entztindungen des Herzmuskels nach Grippe sind bereits yon mehreren Seiten beobachtet und anatomisch nachgewiesen worden. SCI~MORL* hat fiber 5 F~ille yon schwerer Grippe-Myokarditis berichtet, bei denen teils die Entzfindungen im Intersti t ium, tells, und zwar in der fiberwiegenden Mehrzahl der F/ille, die degenerativen Vorg~nge in der Herzmuskulatur im Vordergrund standen, wobei ausdrfieklich auf das Ergriffensein der spezifisehen Muskulatur hingewiesen wird. Auch andere Autoren (Sct~MINCK~, SISSOEW*) haben ~ihnliche anatomisch unter- suchte F~ille yon Myokarditis nach Influenza beobachtet. Diese Myokarditis t r i t t in der Regel als Sp~iterscheinung auf, mehrere Wochen nach fiberstandener Grippe, die ganz gut- artig, ohne Komplikation mit Pneumonie verlaulen kann und mitunter durch keinerlei Zeichen auf den ernsten Charak- ter der Erkrankung hindeutet. Doch betont SCHMORL, dab er so ausgedehnte Myokarderkrankungen bei keiner an- deren Infektionskrankheit gesehen hat, aueh nicht bei Di- phtherie. HAMBURG~I~ beriehtet fiber klinisch beobachtete Myokardsch~digungen nach Grippe, insbesondere im Be- reich des Vorhofs und der Reizleitungsfasern. im ganzen ist die Grippemyokarditis jedenfalls eine seltene Erschei- hung, das heben alle Autoren hervor, welche die Herz- erscheinungen wXhrend und im AnschluB an die Grippe- infektion studiert haben. Andererseits diirften wohl die leichteren Grade der Erkrankungen unserer Aufmerksamkeit entgehen, wofern nicht das spezifische Muskelsystem erkrankt, was klinisch durch das Auftreteti .yon Rhythmusst6rtitigen erkentibar ist. Diese letzteren Symptome sind daher fiir tins yon besonders hohem Weft, well sie vielfach das einzige Zeichen einer bestehenden Herzmuskelerkrankung darstellen, und eine Mahnung sind, dem Patienten lange Zeit hindurch strengste k6rperliche Schonting aufzuerlegen rind ihn auch in einem sp~iteren Zeitpunkt vor st~irkeren k6rperlichen Anstrengungen zu bewahren, die vielleicht den Grund zu einer dauernden Sch~idigung des Herzens legen k6nnteti. Die elektrokardiographische Untersuchutig kann uns in diesem ]3estreben yon groBem Nutzen sein, well sie durch den Naehweis yon St6rtingen der Erregtingsausbreitung im Myokard das Vorhandensein des pathologischeti Prozesses auch dann verr~it, wenn klinisch nachweisbare I~hythmus- st6rungeti fehlen, rind uns andererseits auch einen Hinweis auf die Atisdehnung des entziindlichen Prozesses innerhalb des spezifischen Muskelsystems zu geben vermag.

Zusammen]assung: ]3ei einem 2ij~hr. Studenten, der zur Zeit einer Grippeepidemie eitie Influenza durchgemacht hatte, t raten 2 Wochen darauf zuerst kompletter ]310ck mit Ohnmachtsanf~llen, sparer nach Wiederherstellung der nor- malen Sehlagfolge St6rutigen der Reizbildung rind insbesondere der 1Reizausbreitung sowohl im Vorhof als auch in besonders ausgedehntem MaBe innerhalb der Kammer auf, die auf eine diffuse Erkrankting des spezifischen Muskelsystems hin- wiesen. Gleichzeitig bestanden Oppressionsgeftihl auf der Brust, Mattigkeit, vorfibergehend geringe Temperatur- steigertingen. Alle diese Symptome werden als Grippe- Myokarditis gedeutet. ]3esonders wertvoll fiir die Erkennung dieses und iihnlicher Krankheitsbilder erweist sich die elektro- kardiographische Unterstichung, die auch beim Fehlefi anderer auf die Myokardaffektion beziiglichen Symptome, itisbesondere auch yon Arhythmien, durch den Nachweis yon St6rungen der ~rregungsausbreitung in Vorhof oder Kammer Auf- kl~rung fiber das Bestehen eines pathologischen ~Prozesses im Myokard zti geben vermag. Die frfihzeitige Erkennung dieses Krankheitszustandes ist abet mit Rficksicht auf die

* Zitiert nach MONCKEBERG.

notwendigen prophylaktischen Mal3nahmen von groBer Wich- tigkeit.

L i t e r a t u r : HA~L'RG~R, Amer. J. med. Sci. I6o, 497 (I92o/22). E. I~IRelL Erg. Path. 22 I, 65 (1927). -- M6NCI(XB~RG in Hencke- Lubarsch, Handbuch der speziellen pathologischen Anatomie und Histologie 2, 431 (1924). -- IROTHBER~ und SCI~ERF, Z. exper. Med. 53, 792 (1926).

ZUR KRITIK DER SOGENANNTEN MINERAL- SALZTHERAPIE.

Won

Dr. FRITZ MAINZER. Aus der Medizin. Abteilung des St~dt. Krankenhauses Altona E.

(Direktor: Prof. Dr. L. LICHTWITZ).

Wenn im folgenden einige kritische Gesichtspunkte ffir die Beurteilung der sog. Mineralsalztherapie zusammen- gestellt werden, so geschieht dies nieht in dem Glauben, damit im eigentlichen Sinne Neues zu sagen. Absieht ist vielmehr, durch die Zusammenstellung einem Mil3brauch entgegenzuwirken, der trotz mehrfacher Mahnungen (v. Ko- RA~u sich nun auch in firztliehen KrMsen breit macht.

Das zunehmende ldinische Interesse ffir den Mineral- stoffwechsel hat sich die Industrie, vor ahem abet die pharma- zeutische Kleinindustrie, zunutze gemacht. Ihren ]3estre- bungen kam entgegen, dab die Ausgangsstoffe auBerordentlich wohlfeil (Koehsalz, Magnesia usta, Phosphate, Kalksalze usw.) und in beliebigem VerhS.ltnis zu einem neuen Pr~tparat misch- bar sind. Es setzte so eine intensive Laienpropaganda ein, die alle m6gtichen Kombinationen als ,,N~.hrsalze" oder ,,Lebenssalze" in den Handel brachte. ~ in solcher MiB- brauch mehr oder weniger absichtlich mil3verstandener mediziniseher Lehrmeinungen dutch finanziell interessierte Laien wird wohl niemals mit Erfolg zu bek~impfen sein und bedarf auch kaum einer kritischen Wtirdigung. Anders schon, wenn die Mit3deutung physiologischer Lehren zur Empfehhng einer Mineralsalztherapie dutch den Arzt ffihrt, einer Therapie, die wohl kaum auf diesen Namen Anspruch machen kann.

Die klinischen Syndrome, bei denen eine Mineralsalz- therapie innerhalb enger Grenzen in der Tat indiziert ist, sind verh~iltnismS~Big wenig h~iufig; wit rechnen dazu die Rachitis, die Tetan~e, eine Reihe yon Nieren- und Herz- krankheiten (Ammonchloriddiurese), Pyelitiden und Cystiti- den, ohne dab der Kreis dieser Erkrankungen damit als endgfiltig geschlossen angesehen werden sollte. Grunds~itzlich sind die Grenzen einer sotchen Therapie durch zwei Tatsachen gegeben. Einmal sind die Zusammenh~inge zwischen Zuluhr und Bilanz viel verwickelter, als man im Anfang der Kennt- nisse des Mineralstoffweehsels annahm. Die Retention eines Mineralbestandteiles naeh Verabreichung kann vo'n der Zufuhr weiterer Mineralbestandteile abhiingig sein, also von dem gegenseitigen MengenverNiltnis der zugefiihrten Mineralien. Das besagt, dab das Maximum der Zufuhr keineswegs das Optimum zur Erzielung eines Ansatzes dar- stellt. Die ]3eziehungen zwischen Kalk- und Phosphatstoff- wechsel geben daffir ein gutes ]3eispiel. Weiterhin uuterliegt auch der anorganische Stoffwechsel Regulationen und eine gest6rte Depotfunktion kann nur schwer durch Anderung der Zufuhr Mlein beeinfluBt werden (v. KORANu wie das am Beispiel der Rachitis deuttich wird.

Dutch diese Erfahrungen wird die Bedeutung einer Mine- ralsalztherapie schon innerhalb ihres eigentlicben Indikations- gebietes wesentlich eingeschr~inkt.

Die Ziele der Industrie tiegen in der entgegengesetzten Riehtung. Die begreifliche Tendenz, das Absatzgebiet aus- zudehnen, ~iuflert sieh in der pharmazeutischen Industr ie in dem ]3estreben, das Indikationsgebiet eines Mittels m6g- lichst zu erweitern. Und da der umschriebene Umkreis der einer MinerMsalztherapie zug/~ngliehen Erkrankungen nicht ausreieht, werden zun~ichst m6giichst h~ufige ]3esehwerden in das Indikationsgebiet einbezogen: Kopfschmerz, Sod- brennen, Verstopfung, Miidigkeit, Gewichtsabnahme usw.