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Grundkurs Soziologie: Émile Durkheim, WS 2007/2008
Gliederung
1.) Lebenslauf
2.) Durkheims Denkweise
3.) Soziale Arbeitsteilung
4.) Soziologische Methoden
5.) Selbstmordstudie
Grundkurs Soziologie: Émile Durkheim, WS 2007/2008
Lebenslauf
• 15.April 1858 Geburt in Epinale (Frankreich)
• 1879 – 1885 Studium an der Ècole Normale Superieure
• 1887 Professor an der Universität in Bordeaux
• Ab 1902 Professor an der Universität Sorbonne in Paris
• 1906 Durkheim erhält den ersten Lehrstuhl für Soziologie in Frankreich
• 15.November 1917 Tod Émile Durkheims in Paris
Grundkurs Soziologie: Émile Durkheim, WS 2007/2008
Denkweise Durkheims
• Interesse an der institutionellen Etablierung der Soziologie
• Soziologie als Wissenschaft zur Lösung gesellschaftlicher Probleme
• Konzentration auch auf die Entwicklung von Methoden und Techniken der soziologischen Forschung in seiner Studie: „Die Regeln der soziologischen Methode“ (1895).
• Orientierung an einem naturwissenschaftlichen Modell der Soziologie
• Zentraler Begriff der Studie: „Der soziale Tatbestand“
Grundkurs Soziologie: Émile Durkheim, WS 2007/2008
Soziale Tatbestände
• sind eigenständige Gegenstände
• sind Dinge wie das Gesetz, das Währungssystem, die Sprache…, sowie ein kollektives Bewusstsein
• sind Dinge, die außerhalb unserer Person existieren und sich uns aufgedrängt haben
• erstrecken sich weit über Raum und Zeit und sind allgemein
• sind somit eine Realität, sui generis
• müssen laut Durkheim als Ding mit einem objektiven Charakter untersucht werden
Grundkurs Soziologie: Émile Durkheim, WS 2007/2008
Soziale Arbeitsteilung
• 1893 erscheint Durkheims Studie über die Teilung der sozialen Arbeit
• darin beschäftigt er sich damit, dass wachsende Arbeitsteilung das Kennzeichen der Entwicklung einer primitiven zu einer modernen Gesellschaft ist
Grundkurs Soziologie: Émile Durkheim, WS 2007/2008
Gesellschaftstypen
Segmentär differenzierte Gesellschaft
• starkes Kollektivbewusstsein
• geringe Individualisierung
• wenig ausgeprägte Arbeitsteilung
• mechanische Solidarität
• repressives Recht
Funktional differenzierte Gesellschaft
• schwaches Kollektivbewusstsein
• ausgeprägte Individualisierung
• stark ausgeprägte Arbeitsteilung
• organische Solidarität
• restitutives Recht
Grundkurs Soziologie: Émile Durkheim, WS 2007/2008
Übergang zur funktional differenzierten Gesellschaft
• Bevölkerungswachstum als Ursache für Arbeitsteilung
• Mehr Menschen leben zusammen � Ausübung von größerem Einfluss
• Konkurrenz der Menschen um ihren Lebensunterhalt nimmt zu
• Menschen können nicht mehr alle von denselben Dingen leben
Grundkurs Soziologie: Émile Durkheim, WS 2007/2008
Übergang zur funktional differenzierten Gesellschaft
• Menschen differenzieren sich voneinander, um sich auf Dinge zu spezialisieren von denen sie leben können � wachsende Arbeitsteilung
• Umwandlung der Gesellschaft ( von der segmentär differenzierten zur funktional differenzierten Gesellschaft)
• wichtig: auch in modernen, funktionalen Gesellschaften gibt es Bereiche, die nach dem Prinzip segmentärer Differenzierung aufgebaut sind, z.B.: die Familie
Grundkurs Soziologie: Émile Durkheim, WS 2007/2008
Vertragliche Solidarität
• Zweite Argumentation im Werk
• Was garantiert die Einhaltung von Verträgen?
• Idee: „Nicht alles ist vertraglich beim Vertrag.“
• Reglementierung des Vertrags die sozialen Ursprungs ist
• Verträge haben nach Durkheim einen normativen Rahmen
Grundkurs Soziologie: Émile Durkheim, WS 2007/2008
Regeln der soziologischen Methode
• Darstellung von methodischen Regeln zum Forschungsprozess
• Ausschaltung von Vorurteilen
• Soziologie als Erfahrungswissenschaft
• „Dreischritt“:
• Funktionsanalyse, Kausalerklärung, Pathologieanalyse
Grundkurs Soziologie: Émile Durkheim, WS 2007/2008
Grundgedanken der Studie
• Untersuchung des Selbstmordes als pathologische Verhaltensweise
• Verwendung statistischer Materialien anhand eines Mehrebenenmodells
• Durkheim hält sich dabei strikt an die von sich selbst erstellten Regeln des soziologischen Forschens
• Es werden verschiedene Ursachen für Selbstmord erkannt �
4 verschiedene Selbstmordtypen:
• Der egoistische, der altruistische, der anomische und der fatalistische Selbstmord
Grundkurs Soziologie: Émile Durkheim, WS 2007/2008
Typen des Selbstmordes
• Egoistischer Selbstmord:
• Individuelle Interessen überlagern das kollektive Gedankengut bzw. autoritäre Werte oder Normen verlieren an Bedeutung
• geringere Anbindung an eine Gesellschaft bzw. geringere Integration
� Suche nach Sinnhaftigkeit des eigenen Daseins
• Bsp.: religiöse Individualität der Protestanten
Grundkurs Soziologie: Émile Durkheim, WS 2007/2008
Der egoistische Selbstmord
• Verteilung der Selbstmorde in Europa
• Muss weiter differenziert werden auf Grund der unterschiedlichen Lebensverhältnisse der verschiedenen Länder
96Gemischt
58Katholische Staaten
190Protestantische Staaten
Selbstmordhäufigkeit auf 1Mill. Einwohner
Grundkurs Soziologie: Émile Durkheim, WS 2007/2008
75Durchschnitt135Durchschnitt192Durchschnitt
19Niederbayern204Oberfranken
114Oberbayern118Schwaben207Mittelfranken
64Oberpfalz157Unterfranken167Rheinpfalz
Mehr als 90%50-90%
Katholiken
Selbstmorde/
Mill. Einw.
Unter 50% Katholiken
Grundkurs Soziologie: Émile Durkheim, WS 2007/2008
Der egoistische Selbstmord
• Erklärungsversuche:
• Geringere Selbstmordquote von Katholiken (und Juden) auf Grund ihres Minderheitenstatus? � nicht ausschlaggebend
• Unterschiedliche Auffassung der Religionen bezüglich des Selbstmordes? � nicht gewährleistet
Grundkurs Soziologie: Émile Durkheim, WS 2007/2008
Der egoistische Selbstmord
Protestantismus
• Mehr Raum für Forschung
• Schöpfer seines eigenen Glaubens
• Erschütterung überlieferter Dogmen
� geringerer Zusammenhalt
� höheres Interesse an Bildung
Katholizismus
• Blinde Unterwerfung von der Vernunft
• nicht offen für Veränderung
• Starkes gemeinsames Credo
� Größerer Zusammenhalt
Grundkurs Soziologie: Émile Durkheim, WS 2007/2008
Der egoistische Selbstmord
• Judentum
• Im Durchschnitt die geringste Wahrscheinlichkeit für Selbstmord obwohl sie meist in Verhältnissen leben, welche den Selbstmord fördern
• Aber: sehr hoher Bildungsstandard
• Aber anderer Grund für Wissensdrang als z.B. die Protestanten
• Minderheitenstatus
Grundkurs Soziologie: Émile Durkheim, WS 2007/2008
Der egoistische Selbstmord
• Auch am Beispiel politischer Krisen kann Durkheims Feststellung, dass die Häufigkeit von Selbstmorden mit einem Gefühl der Integrität in eine Gesellschaft zusammenhängt, veranschaulicht werden.
• Während politischer Krisen sinkt die Selbstmordrate
Grundkurs Soziologie: Émile Durkheim, WS 2007/2008
Typen des Selbstmordes
• Altruistischer Selbstmord:
• Gegenstück zum egoistischen Selbstmord
• Übermäßige Integration in eine Gesellschaft
• Übernahme aller Ideale ( also auch Suizidrituale)
Grundkurs Soziologie: Émile Durkheim, WS 2007/2008
Typen des Selbstmordes
• Anomischer Selbstmord:
• Mensch braucht autoritäre Macht, welche seine Bedürfnisse z.B. anhand von Moralvorstellungen einschränkt
• Schnell voranschreitender gesellschaftlicher Wandel, welchem die bereits bestehenden Normen und Regeln nicht folgen ( v.a. in ökonomischen Krisen)
• Der Mensch weiß nicht mehr, welche Normen/Regeln noch gültig sind �führt zu Regel- bzw. Normlosigkeit
� fehlende normative Gesamtintegration der Gesellschaft, keine wegweisende Grenzsetzung für das Individuum
• Gegenstück dazu: der fatalistische Selbstmord
Grundkurs Soziologie: Émile Durkheim, WS 2007/2008
Fazit
• 1. Mangelnde gesellschaftliche Integration führt, genauso wie übermäßige Integration zu hohen Selbstmordraten
• 2. Regellosigkeit in einer Gesellschaft führt genauso zu einer höheren Selbstmordanfälligkeit wie zu viele Regeln.
� Stärkung der gesellschaftlichen Integration durch z.B. Verbände Angehöriger ähnlicher Berufsgruppen
� Stärkung des Solidaritätsgefühl
Grundkurs Soziologie: Émile Durkheim, WS 2007/2008
Quellen
• Heinz Abels, Einführung in die Soziologie, Band1: Der Blick auf die Gesellschaft, 3. Auflage Januar 2007, VS Verlag für Sozialwissenschaften, GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
• Richard Münch, Soziologische Theorie, Band 1: Grundlegung durch die Klassiker, 2002 Campus Verlag GmbH, Frankfurt/Main
• Durkheim, E. (1976): Der egoistische Selbstmord. In: Conrad/Streeck ( Hrsg.): Elementare Soziologie. Reinbek
• Junge, M. (2002): Emile Durkheim. In: Brock/Junge/Krähnke (Hrsg.): Soziologische Theorien von Auguste Comte bis Talcott Parsons. München
• Ajdacic-Gross, Vladeta (1999): Suizid, sozialer Wandel und die Gegenwart der Zukunft, Lang, Bern