8
Endoskopische Chirurgie mad Haftung 29 49. McCausland VM, Fields GA, McCausland AM, Townsend DE (1993) Tuboovarian abs- cesses after operative hysteroscopy.J Reprod Med 198 50. Sculpher MJ, Bryan S, Dwyer N, Hutton J, Stirrat GM (1993) An economic evaluation of transcervical endometrial resection versus abdominal hysterectomy for the treatment of menorrhagia. Br J Obstet Gynaecol 100:244 51. Wulf K-H (1992) Der sctmelle Schnitt - Art mad H~iufigkeitder Hysterektomie. Chef- firztetagungHamburg, KongreBband 52. Art and Hfiufigkeityon Hysterektomien in der BtmdesrepublikDeutschland (1990) Infra- test-Gesundheitsforschung, Miinchen 53. Rutherford AJ, Glass MR, Wells M (1991) Patient selection for hysteroscopic endometri- al resection. Br J Obstet Gynaeco198:228 Endoskopische Chirurgie und Haftung K. Ulsenheimer I. Der Siegeszug der endoskopischen Operationsverfahren scheint unaufhaltsam, auch und gerade in der Gynfikologie. W~ihrend noch vor kurzem behutsam tastend nach neuen Indikationen fftr endochirurgische Eingriffe gesucht wurde, hat man heute fast den Eindruck, dab umgekehrt eher diejenigen Operationen deft- niert werden miissen, die nicht anf endoskopischem Wege m6glich sind. Experten sprechen mit Blick auf die minimal-invasive Chirurgie geradezu euphorisch von einem ,,rnedizinischen Megatrend", von einem epochalen Umbruch, dessen sozio6konomischen Hintergrund einerseits die geringere Belastung der Patienten, weniger Schmerzen, die kiirzere Verweildauer in der Klinik, die rasche post- operative Genesung und die optimale Wundkosmetik, andererseits natiirlich aber auch der finanzielle ,,Druck der leeren Kassen" im Gesundheitswesen bilden. Es fehlt allerdings auch nicht an warnenden Stimmen, die auf die medizinischen Grenzen der endoskopischen Operationstechniken und ihre spezifischen Risiken hinweisen, von hohen Komplikationsraten und Zwischenf~illen berichten und neue Kosten-/Nutzenfiberlegungen unter dem Aspekt einer wundersamen Vermehrung der Zahl der Eingriffe anstelten. Ausjuristischer Sicht ist diese Riickkehr zu Nfichternheit und Nachdenklichkeit nur zu begriigen. Denn das endoskopische Operieren enthfilt eine Vielzahl juristi- scher ,~allstricke", die sowohl zu zivil- als auch strafrechtlicher Haftung, d.h. zux Zahlung von Schadensersatz- und Schmerzensgeld und/oder einer diskriminieren- den, oftmals sogar die berufliche Existenz gef'~ihrdenden Vorstrafe ffihren k6nnen. II. Im folgenden m6chte ich daher unter dem Aspekt der Hafmng die wichtigsten Rechtsfragen des endoskopischen Operierens in 7 Punkten darstellen.

Endoskopische Chirurgie und Haftung

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Endoskopische Chirurgie mad Haftung 29

49. McCausland VM, Fields GA, McCausland AM, Townsend DE (1993) Tuboovarian abs- cesses after operative hysteroscopy. J Reprod Med 198

50. Sculpher MJ, Bryan S, Dwyer N, Hutton J, Stirrat GM (1993) An economic evaluation of transcervical endometrial resection versus abdominal hysterectomy for the treatment of menorrhagia. Br J Obstet Gynaecol 100:244

51. Wulf K-H (1992) Der sctmelle Schnitt - Art mad H~iufigkeit der Hysterektomie. Chef- firztetagung Hamburg, KongreBband

52. Art and Hfiufigkeit yon Hysterektomien in der Btmdesrepublik Deutschland (1990) Infra- test-Gesundheitsforschung, Miinchen

53. Rutherford AJ, Glass MR, Wells M (1991) Patient selection for hysteroscopic endometri- al resection. Br J Obstet Gynaeco198:228

Endoskopische Chirurgie und Haftung K. Ulsenheimer

I.

Der Siegeszug der endoskopischen Operationsverfahren scheint unaufhaltsam, auch und gerade in der Gynfikologie. W~ihrend noch vor kurzem behutsam tastend nach neuen Indikationen fftr endochirurgische Eingriffe gesucht wurde, hat man heute fast den Eindruck, dab umgekehrt eher diejenigen Operationen deft- niert werden miissen, die nicht anf endoskopischem Wege m6glich sind. Experten sprechen mit Blick auf die minimal-invasive Chirurgie geradezu euphorisch von einem ,,rnedizinischen Megatrend", von einem epochalen Umbruch, dessen sozio6konomischen Hintergrund einerseits die geringere Belastung der Patienten, weniger Schmerzen, die kiirzere Verweildauer in der Klinik, die rasche post- operative Genesung und die optimale Wundkosmetik, andererseits natiirlich aber auch der finanzielle ,,Druck der leeren Kassen" im Gesundheitswesen bilden.

Es fehlt allerdings auch nicht an warnenden Stimmen, die auf die medizinischen Grenzen der endoskopischen Operationstechniken und ihre spezifischen Risiken hinweisen, von hohen Komplikationsraten und Zwischenf~illen berichten und neue Kosten-/Nutzenfiberlegungen unter dem Aspekt einer wundersamen Vermehrung der Zahl der Eingriffe anstelten.

Ausjuristischer Sicht ist diese Riickkehr zu Nfichternheit und Nachdenklichkeit nur zu begriigen. Denn das endoskopische Operieren enthfilt eine Vielzahl juristi- scher ,~allstricke", die sowohl zu zivil- als auch strafrechtlicher Haftung, d.h. zux Zahlung von Schadensersatz- und Schmerzensgeld und/oder einer diskriminieren- den, oftmals sogar die berufliche Existenz gef'~ihrdenden Vorstrafe ffihren k6nnen.

I I .

Im folgenden m6chte ich daher unter dem Aspekt der Hafmng die wichtigsten Rechtsfragen des endoskopischen Operierens in 7 Punkten darstellen.

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30 Minimal-invasive Chirm-gie und Qualit~it

1. Der Patient hat stets Anspruch auf eine grztliche Behandlung, ,,die dem Standard eines erfahrenen Facharztes entspricht" [1]. Dabei versteht man unter ,,Standard" das in der/irztlichen Praxis und Erfahrung bewfihrte, nach naturwis- senschaftticher Erkennmis gesicherte, yon einem durchschnittlich bef~ihigten Arzt verlangte MaB an Kenntnis und K6nnen.

Der Standard ist jedoch keine rein statische, nach riickwfirts gewandte Gr6Be, sondern entNilt auch eine dynamische, in die Zukunft gerichtete Komponente, die vonder Entwicklung mad dem jeweiligen Fortschritt des Fachgebiets abh~ngt, also neue Techniken und Methoden wie z.B. die endoskopischen Diagnose- mad Therapieverfahren in sich aufnimmt, neue Forschungsergebnisse einarbeitet, neue erfolgversprechende Wege erprobt mad dadurch den ,,Standard"/indert [2]. Die ~ztlichen Behandlungsmethoden unterliegen daher im Hinblick auf ihre breite ,,Akzeptanz mad Anwendung" - und damit auch hinsichtlich ihrer medizinisch-rechtlichen Anerkennung als ,,Standard" - ,,einem stS.ndigen Wandet" [3].

2. Der sog. ,,Facharztstandard" gilt unabh/ingig yon der Methode und unabhfin- gig davon, ob eine Operation ambulant, stationfir, im Krankenhaus oder in einer Praxisklinik erfolgt.

Strittig ist jedoch, ob der Begriff ,,Facharzt" entsprechend einem Urteil des Bundesgerichtshofs [4] im formellen Sinne: ats gepriifier Inhaber eines entsprechenden Zeugnisses oder materiell im Sinne von ,,Facharztqualit6t" zu verstehen, also auf den Wissens- und Erfahrungsstand eines ,,Arztes Ftir Gynfikologie", bezogen jeweils auf die konkrete /irztliche Magnahme abzu- stellen ist.

Entgegen dem BGH, aber in (2rbereinstimmung mit dem OLG Oldenburg [5] bin ich der Ansicht, dab qualitativ der fach~rztliche Standard maBgebend sein mul3, der auch ohne die st~ndige persSnliche Anwesenheit eines Arztes mit Facharzt- zeugnis gew/ihrleistet sein kann, wenn der Operateur ffir den konkreten Eingriff das notwendige theoretische Wissen besitzt und in der Lage ist, die erforderlichen operationstectmischen Kennmisse in die Praxis umzusetzen.

In einer soeben publizierten Entscheidung des OLG Diisseldorf [6] wird dage- gen differenziert: dieformelle Facharztanerkennung ist •r den Arzt zu fordern, der die Operation eines Berufsanf~ngers beaufsichtigt mad begleitet, w~hrend der noch in der Ausbildung befindliche Arzt je nach seinem konkreten Aus- bildungsstand und der Schwierigkeit der anstehenden Operation zur selbst/indigen Durchffihrung des Eingriffs berechtigt ist.

3. Gibt es mehrere medizinisch anerkannte Heilverfahren, hat die Rechtspre- chung seit alters den Grundsatz der iirztlichen Methodenfreiheit anerkannt: die Wahl der Behandlungsmethode ist prim/Jr Sache des Arztes, ist seine ,,hSchstper- s6nliche Entscheidung" innerhalb eines rechtlich nicht nachprtifbaren Beuxtei- lungsspielraums [7].

a) ,,Diese Freiheit gilt aber nur hinsichtlich grunds/itzlich gleich wirksamer Methoden, bei denen insgesamt von einem/ihnlichen Risikoniveau auszugehen ist. Sie ist jedoch abzulehnen bei deutlichem RisikogeKille" [8]. Hier geh6rt es zur Behandlungspflicht des Arztes, dem Patienten die risikoiirmere Behandlung zu vermitteln, da mater mehreren medizinisch anerkannten Vorgehensweisen stets diejenige gewfihlt werden mug, die das geringste Risiko •r den Patienten mit sich

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Endoskopische Chirurgie und Haf'mng 31

bringt. Dies bedeutet allerdings nicht, dab der Arzt verpflichtet ist, ,,stets den sichersten therapeutischen Weg" einzuschlagen. Das Eingehen eines h6heren Risikos mug jedoch ,,in den besonderen SachzwSangen des konkreten Falles oder in einer giinstigeren Heilungsprognose seine sachliche Rechtfertigung finden" [9].

b) Unter dieser Priimisse ist der Arzt berechtigt, ,,neue Methoden in die Behand- lung einzuffihren, und nicht verpflichtet, strikt an den allgemein anerkannten Methoden festzuhalten" [ 10]. Im Interesse der Kranken und der Weiterentwicklung der medizinischen Wissenschaft darf er neue Teclmiken erproben und yon der bis- lang fiblichen Vorgehensweise abweichen, selbst wenn damit gewisse Risiken, Nebenwirkungen und Folgen verbunden sind, ,,die sich aus der besonderen Art und der Unerprobtheit" des neuen Verfahrens ergeben [ 11 ].

Umgekehrt gilt: Es muff nicht ,deweils das neueste Therapiekonzept verfolgt werden", um den ,,Stand der Medizin" zu gewfihrleisten, und ebensowenig kann die jeweils neueste apparative Ausstatmng fiberall und gleichzeitig geboten werden [12]. Deun der Anspruch auf Therapiefreiheit steht nur dem Arzt, nicht aber dem Patienten zu, der lediglich eine Behandlung fordern kann, die dem medizinischen Standard entspricht, nicht jedoch die Wahl einer Methode, die klinisch und experi- mentell noch nicht abgesichert ist. Der Arzt begeht daher keinen Behandlungsfeh- ler, wenn er eine neue Operationstechnik nicht anwendet, sondern beim etablierten Verfahren bleibt.

c) ,,Der Zeitpunkt, yon dem ab eine bestimmte BehandlungsmaBnahme veraltet und iiberholt ist" und deshalb nicht mehr dem einzuhaltenden Qualitfitsstandard genfigt, also zu einem Behandlungsfehler wird, ,,ist erst dann gekommen, wenn neue Methoden risikofirmer sind und/oder bessere Heilungschancen versprechen, in der medizinischen Wissenschaft im wesentlichen unumstritten sind und deshalb nur ihre Anwendung yon einem sorgf~iltigen und auf Weiterbildung bedachten Arzt verantwortet werden kann" [ 13].

Ob bzw. wann dies der Fall ist, konkret also etwa das endoskopische Vorgehen im Einzelfall das Stadium des ,,Standards" erreicht, die Laparoskopie z.B. die Laparotomie als Methode der Wahl verdr/ingt oder noch in der Erprobungsphase ist, stellt eine rein medizininterne Frage dar, die vonder ~irztlichen Wissenschaft - und nicht von Juristen - entschieden werden mug. Im Falle eines Rechtsstreites mug sie zwar der Richter beantworten, praktisch h/ingt sie aber vom Votum des hin- zugezogenen Gutachters ab.

4. Die endoskopische Durchfiihrung eines Eingriffs darf kein gr6fieres konkre- tes Risiko fiir den Patienten mit sich bringen als die herk6mmliche Methode. Ent- scheidend ist insoweit der konkrete Risikovergleich.

Die Frage der Indikation der endoskopischen OperationsdurchfiJhrung ist somit eine Einzelfallentseheidung, die eine griindliche priioperative Diagnostik voraussetzt und yon der sorgf~iltigen Abw~igung einer Vielzahl medizinisch- fachlicher Aspekte, insbesondere von Alternativen, Art und Schwere des Eingriffs sowie dem Gesundheitszustand des Patienten abh/ingig ist. Keines- falls diirfen ein etwaiger Kostendruck, der auf dem Krankenhaus, oder der Privat- praxis lastet, das Marketing der Medizintechnik oder der bloge Wunsch der Patienten zu einer medizinisch nicht haltbaren, zu grogztigigen Indikationsstellung verleiten.

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32 Minimal-invasive Chimrgie und Qualit/it

5. Endoskopsiche Eigriffe stellen an den Gyn/ikologen erhebliche Anforderun- gen, da ihm das neue Instrumentarium bzw. die neue Technik oft teils unbekannt, teils ungewohnt ist und er sich deshalb mit ihrer Handhabung und ihren Funktio- nen erst vertraut machen mug. Empirische Untersuchungen belegen: die Kompli- kationsrate nimmt mit dem Mangel an Erfahrung zu. Selbst geiibte Operateure werden bei endoskopischen Eingriffen wieder zu Anfgngern, sie betreten subjektiv Neuland [14]. Medizinischer Fortschritt ist deshatb hgufig mit einem Sicherheits- risiko verbunden, das der Arzt soweit wie m6glich minimieren mug.

a) Dies bedeutet: er hat sich vorhandene Erfahrungen zunutze zu machen, d.h. an Kursen und Workshops, technischem Training in entsprechenden Zentren oder an sonstigen Ubungsm6glichkeiten teilzunehmen und die neue Methodik grfind- lich zu erlemen, bevor er in eigener Verantwommg endoskopische Diagnose und Therapie betreibt. Erst eine ad/iquate Fallzahl klinischer Hospitationen und klini- scher Assistenz gew~ihrleistet ,,eine operative Routine und ausreichende Sicherheit bei der Anwendung der neuen Techniken" [ 15]. Das blol3e Studium der einschl~igi- gen Fachliteramr und theoretischen Beschreibung des Eingriffs genfigt dazu zwei- fellos nicht, sondern ist nut ein - sicherlich wichtiger-Teil der gebotenen und sehr ernst zu nehmenden Fortbildungspflicht.

Empfehlungen wissenschaftlicher Gesellschaften, yon Berufsverbgnden oder Expertengremien sind unbedingt zu beachten.

Diese verlangen ausreichende Ffihigkeiten und Fertigkeiten in der Notfallme- dizin, eingehende Kenntnisse s/imtlicher techniseher Voraussetzungen und m6g- licher Fehlerquellen, sowie die Beherrsehung pefi- und postoperativer Kompli- kationen [16]. Sie fordern augerdem die Sicherstellung einer angemessenen Assistenz dutch Sehwestern und Pfleger [17] und die notwendigen r/iumlichen, hygienischen, apparativen sowie organisatorischen Bedingungen ffir die endosko- pische Durchffihrung des Eingriffs [18].

Ferner mug die Bereitsehaft zum ,,Rtickzug" stets vorhanden sein, daher die klassische Methode beherrscht werden und die ersten Eins~itze d/irfen nut unter Assistenz und Anleitung eines in dieser Technik Erfahrenen erfolgen, so dab ,,Expertenqualitiit'" gewghrleistet ist.

b) Verst6Bt der Arzt hiergegen und erprobt er olme ausreichendes praktisches Training und theoretisches Fachwissen oder ohne geschultes Assistenzpersonal die neuen Methoden und Techniken, so triffi ihn im Falle eines verrneidbaren Zwi- schenfalls mit t6dlichen Folgen oder Gesundheitsseh~iden der Vorwurf des Uber- nahmeverschuldens mit m6gliehen zivil- und strafreehtlichen Konsequenzen. Denn objektiv pflichtwidrig und subjektiv sehuldhaft handelt auch derjenige Arzt, der freiwitlig eine T/itigkeit ausffihrt, de re r mangels eigener persSnticher Ffihig- keiten oder Sachkunde erkennbar nicht gewachsen ist [ 19].

Endoskopisches Operieren ist kein Bet/itigungsfeld •r Anffinger, die sich an der neuen Technik ,,mal versuehen" wollen. Der Arzt mug vielmehr seine Grenzen sehen, mug wissen, was er nicht weiI3 oder nicht kann! In der 0bersch/itzung der eigenen M6glichkeiten und Qualifikation, dem Mangel an Selbstkritik und eige- nem Beurteilungsverm6gen liegt eindeutig ein ~irztliches Fehlverhalten, vor dem man nur eindringlich warnen kann [20]. Denn absolute Prioritiit hat die Sicherheit und Gesundheit des Patienten - wie der Bundesgerichtshofmit Recht und wieder- holt betont hat [21].

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6. Je neuartiger und weniger erprobt ein Verfahren ist, ,,desto umsichtiger und behutsamer" mul3 der Arzt aber nicht nur zu Werke gehen, sondern ,,desto ein- dringlicher und umfassender hat er den Patienten auch aufzuklfiren" [22]. Von besonderer Bedeutung ist daher bei der Durchffihrung endoskopischer Operatio- nen die iirztliche Aufkliirungspflicht.

a) Der Arzt, der die (relativ) neuartige Laparoskopie-/bzw. Endoskopietechnik bei einer Operation anwenden will, mug zum einen deren Vorzfige und Gefahren schildern. Das heil3t, der Patient ist also nicht nut fiber die raschere Mobilit/it, die k/irzere Verweildauer im Krankenhaus, die friihere Arbeitsffihigkeit oder die gerin- geren Schmerzen und kleineren kosmetischen Beeintriichtigungen bei endoskopi- sober Operationsweise zu unterrichten, sondern auch fiber deren spezifische Kom- plikationsrisiken, z.B. gr6Bere Blutungen, Darmperforationen mit der Folge einer Peritonitis oder Pankreatitis, Gef~il31/isionen oder Verletzungen des Harntrakts, des Ureters, der Nerven u. ~i.

Der Arzt mug zum anderen auf den Erprobungscharakter der Magnahme hinweisen, wenn sich die neue Technik noch in der Experimentierphase befindet, z.B. die laparoskopische Hysterektomie, oder deutlich machen, dab seine Metho- de in der medizinischen Wissenschaft noch nicht allgemein anerkannt ist. Er mug ferner klarstellen, dab der Eintritt eines unbekannten Risikos nicht ausschliel3bar und derzeit noch vielfach keine abschlieBende Beurteilung der endoskopischen Operationstechnik m6glich ist.

Auch fiber die stets einzukalkulierende Notwendigkeit eines Umstiegs zur offe- hen Operation ist der Patient zu unterrichten.

b) Darfiber hinaus mug der Arzt, wenn er die neue endoskopische Technik bevorzugt oder ein neues, erst wenig erprobtes Therapieverfahren anwenden will, auf die hergebrachte, vieltausendfach praktizierte Standardmethode mit ihren Vor- und Nachteilen hinweisen. Derm je mehr der Arzt von anerkannten Methoden abweicht oder j e umstrittener sein Vorgehen aus medizinischer Sicht ist, umso aus- ffihrlicher mug - wie schon gesagt - d e r Patient unterrichtet werden, insbesondere fiber m6gliche Behandlungsalternativen mit unterschiedlichen Risiken, Belastun- gen und Erfolgschancen [23].

Nicht autkl/irungsbedfirftig ist dagegen der Umstand, dab dieselbe Behandlung anderswo mit besseren apparativen und personellen Mitteln, z.B. yon einem er- fahreneren Endoskopiker durchgeffihrt wird [24]. Denn solange der Patient eine Therapie erhglt, die dem zu fordernden medizinischen Standard entspricht; ist er fiber die unterschiedliche Ausstatttmg der einzelnen Krankenhfiuser, die jeweilige Erfahrung, das unterschiedliche Wissen und K6nnen der Arzte und fiber die neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Erkennmisse nicht zu infor- mieren.

Uber die Zahl der bisher von ihm durchgeftihrten endoskopischen Eingriffe braucht der Arzt daher ebensowenig ungefragt Auskunfl zu geben wie fiber seinen Ausbildungs- und Wissensstand.

c) Im umgekehrten Fall, d.h. bei Anwendung der traditionellen Verfahrens- weise, mug der Arzt dem Patienten nicht yon sich aus - aber natfirlich auf dessen Frage - fiber die neuen Therapiekonzepte und Diagnosetechniken unter- richten, wenn und soweit diese 1/ingst noch nicht fiberall bzw. erst in wenigen Spezialkliniken erprobt und durchgeffihrt werden, anders formuliert,

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erst zu einem sp~iteren Zeitpunkt als echte Methode der Wahl in Betracht kommen.

Allerdings: Sobald die endoskopische Methode aus der Erprobungsphase her- ausgetreten und eine wirkliche Alternative geworden ist, muff der Arzt den Patien- ten hierfiber informieren, d.h. auf die M6glichkeit der endoskopischen Durch- fahrung des Eingriffs hinweisen. Denn die Aufkl~irungspflicht umfaBt nach stfindi- ger Rechtsprechung die Unterrichtung fiber alternativ zur Verfagtmg stehende Behandlungsm6glichkeiten, wenn diese ftir den Patienten bedeutsame, jeweils unterschiedliche Belastungen, Risiken und Erfolgschancen mit sich bringen [25]. Dazu geh6rt auch, wenn der Operateur die neue Technik nicht selbst beherrscht, dab er auf andere Kliniken verweist, in der Arzte mit entsprechender Erfahrung und Quatifikation zur Durchffihrung endoskopischer Operationen zur Verfagung stehen [26]. In diesen F~itlen mug der Patient selbst - nach sachverstgndiger und verst~indnisvoller Beratung des Arztes - prfifen trod bestimmen k6nnen, was er an Belastungen und Gefahren auf sich nehmen will, und deshalb entsprechend unter- richtet werden.

d) Auch der Zei tpunkt der Aufkl/irtmg spielt eine gewichtige Rolle [27]. Denn der Patient inul3 stets Gelegenheit haben, ,,zwischen der Aufkl/irung und dem Eingriff das Ffir und Wider der Operation", ihre Risiken, die Vor- und Nachteile itu'er station/iren bzw. ambulanten Durchffihrung zu bedenken und sich im AnschluB daran innerlich frei dafar oder dagegen zu entscheiden. Nach Ansicht des BGH reicht zwar bei einfachen oder nicht mit schwerwiegenden Folgen verbundenen stat iondren Eingriffen die Risikoaufklgrung am Vortag - nicht: Vorabend - der Operation noch aus; grundsgtzlich mug sie aber zeitlich friiher, nSmlich bei der Absprache des Operat ionstermins erfolgen, so dab die vielfach zu beobachtende Ubung, den Patienten erst bei seinem Erscheinen in der Klinik oder Praxis am Tage der Operation aufzuklfiren, rechtlich gugerst problema- tisch ist.

Dies gilt auch far die bei ambulan t ausgeffihrten Operationen zu beobachtende Praxis, den Patienten auf m6gliche Komplikationen erst unmittelbar vor dem Ein- griff, sozusagen auf dem Weg zum Operationssaal aufzuklfiren. Derm wenngleich nach Meintmg des BGH bei ambulanten Eingriffen ,,in normalen Ffillen" die Auf- kl~irung in der Regel am Tag der Operation stattfinden kann, sei doch darauf zu achten, dab der Patient die erforderliche Bedenkzeit habe, um in Ruhe ,,hinrei- chend das Ffir und Wider" des Eingriffs abw~igen zu k6nnen. Der Patient dfirfte nicht den Eindruck gewinnen, ,,sich nicht mehr aus einem bereits in Gang gekom- menen Geschehensablauf 16sen zu k6nnen".

Ein Aufkl~irungsgespr~ich kurz vor dem Eingriff genfigt daher nur, wenn der Patient

- ausreichend vorinformiert, - nicht schon sediert ist, - nicht unter psychischem Druck steht - und ausdrficklich die nachfolgende Operation wfinscht.

7. Ein letzter Gesichtspunkt: Vor dem Hintergrund der hohen Anforderungen, die die Judikatur an Inhalt und Umfang der/irztlichen Dokumenta t ion stellt, mul3 hier- auf gerade bei der Anwendung neuer Diagnose- und Therapiemethoden mit beson-

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derem Nachdruck geachtet werden. Deshalb sollten - nicht zuletzt im wissen- schaftlichen Interesse [28] - die Verfahrenstechnik, das jeweilige medizinische Ergebnis und eventuell eingetretene Komplikationen besonders sorgfgltig, exakt und umfassend dokumentiert werden. Denn eine ordnungsgemgl3e Dokumemation ist nicht nur Rechts- und Berufspflicht des Arztes und nicht nur oder prim~ir ein Mittel zur Absicherung von juristischen Nachteilen, sondern dient auch der ,,Kom- munikation und Qualitgtssicherung in der Medizin" [29] und damit in erster Linie therapeutischen Belangen.

I I l .

,,Den Arzt, der das in Praxis und Literamr eingeffihrte Verfahren verl/iBt, treffen gesteigerte Sorgfaltspflichten". Denn,,die Sorge um die Gesundheit und das Leben des Patienten, der die bestm6gliche firztliche Betreuung erwartet", wiegt nach der Rechtsprechung ,,stets schwerer" als jeder andere Gesichtspunkt. Auch wenn die neuen endoskopischen Untersuchungs- und Therapieverfahren viele grol3artige M6glichkeiten er6ffnen und manche Vorteile gegenfiber den konventionellen Methoden bieten, ,,gibt es weder bier noch sonst einen technologischen Imperativ". Notwendig ist vielmehr ,,kritische Besonnenheit", um die ,,Gefahr einer technolo- gischen Mentalit/it" zu ziigeln und sich nicht eines Tages in einer ,,selbstfabrizier- ten oder aufgedrgngten Fortschrittsfalle" wiederzufinden.

Literatur

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der gewerblichen Berufsgenossenschaften, 24

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36 Minimal-invasive Chirurgie und Qualitfit

23. OLG Celle, VersR 1992, 794; OLG K61n, VersR 1992, 32 24. BGH NJW 1988, 766; OLG Saarbriicken, VersR 1992, 32 25. BGHAHRS Nr. 5000/19; OLG Frankfurt a.M., AHRS Nr. 5000/6; OLG K61n, VersR 1992,

754 26. BGH MedR 1992, 214 ff 27. vgl. BGHNJW 1992, 2351 28. Weil3auer, a. a. O., Seite 162, Manegold, Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft for Chir-

urgie, 1991, Seite 11 29. Mehrhoff, NJW 1990, 1525

Endoskopische Chirurgie und Qualit/it - Weiterbildung und Weiterbilder

R Scheidel

Einfiihrung

Ich weil3 nicht, ob Sie gerne Sushi essen. Ich me dies leidenschaftlich gern und bei einem Besuch in Tokio hatte ich ein lgngeres Gespr/ich mit einem Sushi-Koch. Besonders erstaunt war ich, zu erfahren, dab die Ausbildung zum Sushi-Koch min- destens 5 Jahre dauert. Aufmeine Frage, wieso man 5 Jahre braucht, um zu lernen, einen Fisch in Streifen zu schneiden und auf ein Sttickchen Reis zu legen, fand ich bei meinem Gesprfichsparmer v611iges Unverst~indnis.

Er sagte mir:

1. die Qualit/it eines Sushi-Koches h~nge ganz fiberwiegend vom Ausmal3 der Hingabe ab, mit der er sich seiner T~itigkeit widme. Einen solchen Geist ent- stehen zu lassen, brauche Zeit trod

2. schlechter Fisch sei sehr selten in Japan trod man brauche deshalb eine lange Zeit, um sicher die Flqihformen verdorbenen Fisches erkennen zu k6nnen.

Dieses Gespr~ch ist mir sehr in Erinnerung geblieben. In diesem Gesprfich wird ein grunds/itzlicher Aspekt der Ausbildung deutlich, n~imlich die sozialethische Ver- antwortung jeder Dienstleistung am Menschen und sei sie scheinbar noch so belanglos. Ausbildung hat das Ziel, m6glichen Schaden, der durch eigene Tgtigkeit am Menschen entstehen k6nnte, abzuwehren.

Sch/iden durch endoskopische Operationen

Bei einer Zusammenstelhmg der Gutachterkammer bei der Arztekammer Nord- rhein wurden von 1976 bis 1992 insgesamt 6369 Bescheide erteilt. 332 (4,5 %) ent- fielen dabei auf endoskopische Eingriffe (Tabelle 1). Die Rate der Behandlungs- fehler betrug 27,7%, das heil3t in 92 F/illen wurde ein Behandlungsfehler aner- kannt. Nach der Arthroskopie war die Laparoskopie h~ufigste Ursache fiir Ein- gaben bei der Gutachterkommission. f,.)berdurchschnittlich hgufig wurden bier Behandlungsfehler anerkannt.