159
Energietechnik „Rumpf“-Skript (Quelle: Siemens AG & Vattenfall) Ausgabe SS 2019 Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h.c. Andreas Binder Institut für Elektrische Energiewandlung

Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik

„Rumpf“-Skript

(Quelle: Siemens AG & Vattenfall) Ausgabe SS 2019 Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h.c. Andreas Binder

Institut für Elektrische Energiewandlung

Page 2: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik A.1 Allgemeines

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Vorwort Liebe Studentin! Lieber Student! Das vorliegende Skript umfasst zusätzlich zu den Folien einen Teil des Stoffumfangs der Vorlesung "Energietechnik". Da die Prüfung schriftlich ist, existiert neben den in den Übungen vorgerechneten Beispielen zusätzlich eine vollständige Aufgabensammlung mit ausgearbeiteten Beispielen. Dort finden Sie auch Kontrollfragen zur Selbstkontrolle, ob Sie den Lehrinhalt verstanden haben. Der Stoff der Vorlesung ist so gegliedert, dass an die bereits in den Vorlesungen „Physik“ und "Grundlagen der Elektrotechnik" gebrachten Inhalte angeknüpft werden kann. Für Studierende ohne vertiefte Vorkenntnisse bei Elektrotechnik und Physik wird eine Stoffwiederholung in Kurzfassung während der Vorlesung angeboten. Relevante Literatur zu diesen Vorkenntnissen finden Sie nachstehend aufgelistet, ebenso begleitende einführende Literatur zu den unterschiedlichen Disziplinen der Energietechnik. Sollten Sie Fragen, Wünsche oder Anregungen haben, wenden Sie sich bitte an meine Assistenten oder direkt an mich. Ich wünsche weiterhin guten Erfolg bei Ihrem Studium und gutes Gelingen bei der Prüfung zur Vorlesung "Energietechnik". Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h. c. Andreas Binder Darmstadt, im März 2018

Page 3: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik A.2 Allgemeines

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Inhaltsverzeichnis zur Vorlesung „Energietechnik“

Kapitel E: Einleitung Kapitel G: Grundlagen Kapitel R: Ressourcen und Energieströme Kapitel B: Bedarf und Wachstum Kapitel P: Prozesse Kapitel T: Transformator und Generatoren Kapitel V: Elektrische Energieversorgung Kapitel S: Speicher Übersicht zwischen „Rumpf“-Skript und kompletten Foliensatz Skript: Kapitel E Einleitung Folien: Kapitel E Einleitung E Einleitung E1. Kontakt zum Institut

E2. Prüfungsmodalitäten E3. Literatur, verwendete Quellen, verwendete

Formelzeichen E4. Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Page 4: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik A.3 Allgemeines

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Skript: Kapitel G Grundlagen Folien: Kapitel G Grundlagen G1. Die Begriffe Energie und Leistung G2. Energieformen G2.1 Mechanische Energie und Wärmeenergie G2.1.1 Potentielle Energie (Lageenergie) G2.1.2 Kinetische Energie

(Bewegungsenergie) G2.2 Mechanische Grundgesetze G2.3 Energie in strömenden Flüssigkeiten G2.4 Wärmeenergie G2.4.1 Ideales Gas G3. Repetitorium: Grundlagen der Elektrotechnik G3.1 Ohm'sches Gesetz G3.2 Erzeugung magnetische Felder G3.3 Stromerregte Magnetfelder - Ampere'scher

Durchflutungssatz G3.4 Verstärkung von Magnetfeldern durch Eisen

(magnetisches Werkstoffgesetz) G3.5 Das Induktionsgesetz G3.6 Die elektromagnetische Kraft G3.7 Magnetflüsse und Induktivitäten G3.8 Ummagnetisierungsverluste G3.9 Elektrische Leistung G3.10 Beispiel eines einfachen elektro-

mechanischen Energiewandlers G3.11 Zählpfeilsysteme G3.12 Einfache Dipolantennen G3.12.1 Ultrahochfrequente (UHF) elektro-

magnetische Schwingungen G3.12.2 Der λ/2-Dipol G3.12.3 Das elektromagnetische Wellenfeld

des λ/2-Dipols

G1. Was ist Energie? G2. Energieformen Potentielle Energie Kinetische Energie Linear- und Drehbewegung Energie in Flüssigkeiten Strömungsformen Elektrische Kraft und potenielle Energie Elektrische Energie Elektrostatik/Magnetostatik Magnetische Energie Elektromagnetische Energie Elektromagnetische Wellenausbreitung Elektromagnetische Strahlung Wärmeenergie Zustandsgrößen Ideales Gas Thermische Zustandsgleichung/-diagramme Hauptsätze der Wärmelehre Entropie Chemische Energie Quantenmechanische Teilchenbeschreibung Aufbau der Elektronenhülle eines Atoms Periodensystem der Elemente Chemische Bindung: Ionenbindung/metallische Bindung Kernbausteine/Radioaktivität/Kernspaltung/Kernfusion G3. Elektrotechnische Grundlagen (Repetitorium) G3.1 OHM´sches Gesetz, Ampere´scher

Durchflutungssatz G3.2 Magnetische Werkstoffe G3.3 Faraday´sches Induktionsgesetz, Lorentz-Kraft G3.4 Flüsse und Induktivitäten,

Ummagnetisierungsverluste G3.5 Energie G3.6 Momentanleistung, Effektivwert, Sinusbetrieb:

Wirk-, Blind und Scheinleistung einphasig G3.7 Bezugspfeile G3.8 Leistungsanpassung

Page 5: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik A.4 Allgemeines

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Skript: Kapitel R Ressourcen und Energieströme Folien: Kapitel R Ressourcen und Energieströme R1. Sonneneinstrahlung R1. Energieträger: Reserven und Ressourcen

R2. Sonnenenergie R2.1 Sonne: Astronomische Daten R2.2 Kernfusion R2.3 Strahlungsspektrum R2.4 Sonnenstrahlung auf der Erde R3. Wasserkraft R3.1 Wasserkreislauf R3.2 Wasserkraftwerke R3.3 Historisches Beispiel R3.4 Wasserkraftnutzung R4. Windkraft R5. Meeresenergie R6. Erdöl R7. Erdgas R8. Steinkohle R9. Braunkohle R10. Kernbrennstoffe R11. Erdwärme R12. Biomasse R13. Energieströme

Skript: Kapitel B Bedarf und Wachstum Folien: Kapitel B Bedarf und Wachstum Kein Kapitel B1. Math. Beschreibung von Wachstum

B2. Wachstum: Stationärer Grenzzyklus B3. Bevölkerungswachstum B4. Energiebedarfsentwicklung B5. Ausgewählte Probleme der Bedarfsdeckung

Skript: Kapitel P Prozesse Folien: Kapitel P Prozesse P1. Elektrizitätswirtschaftliche Kenngrößen P1.1 Erntefaktor P1.2 Engpassleistung P1.3 Ausnutzungsdauer P1.4 Grundlast, Mittellast, Spitzenlast P1.5 Brutto- und Netto-Stromverbrauch eines

Landes P2. Grundlagen des thermischen Betriebs P2.1 Reales Gas und Änderung der Aggregats-

zustände, Flüssigkeiten und Feskörper P2.2 Wärmeleitung, Konvektion, Strahlung P2.2.1 Wärmeleitung P2.2.2 Konvektion P2.2.3 Wärmestrahlung P2.3 Erwärmung und Abkühlung eines Körpers P2.4 Umwandlung von Wärme in mechanische

Arbeit (und umgekehrt) P2.5 Thermodynamisches Gleichgewicht P2.6 Grundprinzipien der Wärmekraftmaschinen P3. Energiewandlung in Kraftwerken P3.1 Turbinen für die Wasserkraftnutzung und

zugehörige Synchrongeneratoren P3.2 Turbinen in thermischen Kraftwerken und

zugehörige Synchrongeneratoren

P1. Elektrizitätswirtschaftliche Kenngrößen P1.1 Erntefaktor P1.2 Engpassleistung P1.3 Ausnutzungsdauer P1.4 Grundlast, Mittellast, Spitzenlast P1.5 Brutto- und Netto-Stromverbrauch eines Landes P2. Grundlagen des thermischen Betriebs P2.1 Reale Gase, Verdampfung P2.2 Wärmeleitung & Konvektion P2.3 Kreisprozess P2.4 Energieerhaltungssatz (1. Hauptsatz der

Thermodynamik) P2.5 Entropiesatz (2. Hauptsatz der Thermodynamik) P2.6 Carnot-Wirkungsgrad P2.7 Stirling-Kreisprozess P3. Energiewandlung in Kraftwerken P3.1 Kraftwerks- und Turbinentypen P3.2 Wasserturbinen P3.3 Windturbinen P3.4 Dampfturbinen P3.5 Gasturbinen P3.6 Solarzellen

Page 6: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik A.5 Allgemeines

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Skript: Kapitel T Transformatoren Folien: Kapitel T Transformatoren T1 Synchronmaschinen T1.1 Funktionsweise und Aufbau von

Synchronmaschinen T1.2 Ersatzschaltbild und Zeigerdiagramm der

Synchronmaschine T1.3 Drehmoment, Wirk- und Blindleistung der

Synchronmaschine T2. Drehstromtechnik T2.1 Strangspannung und verkettete Spannung

T2.2 Leistung im Drehstromsystem T2.3 Unsymmetrische Drehstromsysteme T3. Transformatoren T3.1 Funktionsprinzip des Einphasen-

transformators T3.2 Der Einphasentransformator bei Sinus-

spannungen T3.3 Bauformen von Einphasen-Transformatoren T3.4 Drehstromtransformatoren T3.5 Schaltungsvarianten von Drehstrom-

transformatoren T3.6 Leistungsschildangaben bei Drehstrom-

transformatoren

T1. Synchrongeneratoren T1.1 Aufbau und Funktionsweise von

Synchronmaschinen T1.2 Ersatzschaltbild und Zeigerdiagramm der

Synchronmaschine T1.3 Drehmoment, Wirk- und Blindleistung der

Synchronmaschine T2. Drehstromtechnik T2.1 Phasenspannung und verkettete Spannung T2.2 Symmetrisches Drehstromsystem, Wirk-, Blind-,

Scheinleistung T2.3 Stern-, Dreieckschaltung T2.4 Unsymmetrisches Drehstromsystem –

Leistungsmessung T2.5 Spannungs- und Strom-Zeigerdiagramme T3. Transformatoren T3.1 Funktionsprinzip des Einphasentransformators T3.2 Der Einphasentransformator bei Sinusspannungen T3.3 Bauformen von Einphasen-Transformatoren T3.4 Drehstromtransformatoren T3.5 Schaltungsvarianten von Drehstrom-

transformatoren

Skript: Kapitel V Elektrische Energieversorgung Folien: Kapitel V Elektrische Energieversorgung V1. Die Leitungsgleichungen V1.1 Wellenausbreitung auf Leitungen V1.2 Wellenwiderstand, Reflexion und Brechung V1.3 Einschwingvorgänge auf der Leitung V1.4 Erzwungene Schwingungen und Wellen auf

der Leitung - Stehende Wellen V1.5 Resonanz

V1. Grundbegriffe der elektrischen Energieversorgung V2. Struktur der öffentlichen Elektrizitätsversorgung V3. Leitungsgleichungen V4. Freileitungen und Kabel V5. Personenschutz und Netzformen

Skript: Kapitel S Speicher Folien: Kapitel S Speicher Kein Kapitel S1. Motivation

S2. Speichertechnologien – Überblick S3. Thermische Energiespeicher (Therm) S4. Pumpspeicherkraftwerke (Mech) S5. Druckluftspeicher (Mech) S6. Schwungradspeicher (Mech) S7. SuperCaps (Elekt) S8. Supraleitende Spulen SMES (Elekt) S9. Batterien und Akkumulatoren (Chem) S10. Stoffliche Speicher (Stoff)

Page 7: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik A.6 Allgemeines

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Grundlegende und weiterführende Literatur [Sch] Schreiner, J.: Physik 1 und 2, Hölder-Pichler-Tempsky, Wien, 1968 und 1971 [Ger] Gerthsen, Ch.; (Meschede, D.): Gerthsen Physik, 24. Aufl.; Springer, Heidelberg, 2013 [Dir] Dirschmid, H.-J.: Mathematische Grundlagen der Elektrotechnik, 4. Aufl.; Vieweg, Braunschweig –

Wiesbaden, 1990 [Dirs] Dirschmid, H.-J.: Mathematische Grundlagen der Elektrotechnik - Begleitband: Lösungen u. Hinweise,

4. Aufl.; Vieweg, Braunschweig – Wiesbaden, 1996 [Are] Arens, T. u. a.: Mathematik, 3. Aufl.; Spektrum Akad. Verlag, Heidelberg, 2012 [Pre] Prechtl, A.: Vorlesungen über die Grundlagen der Elektrotechnik, Springer-Verlag, Wien, Band 1: 2.

Aufl., 2005, Band 2: 2. Aufl., 2007 [Cla] Clausert, H.; Wiesemann, G.; Stenzel, J.; Hinrichsen, V.: Grundgebiete der Elektrotechnik, Bände 1 und

2, Oldenbourg-Verlag, München, 11. Aufl., 2011 [Alb] Albach, M.: Grundlagen der Elektrotechnik 1 + 2, Pearson Studium, München, 2004 [Qua] Quaschning, V.: Regenerative Energiesysteme, Hanser-Verlag, München, 7. Aufl., 2011 [Rum] Rummich, E.: Nichtkonventionelle Energienutzung, 1. Auflage, Springer, Wien, 1978 [Gro] Grote, K.-H.; Feldhusen, J. (Hsg.): Dubbel Taschenbuch für den Maschinenbau.): 24. Aufl.; Springer-

Vieweg, Heidelberg, 2014 [Boh] Bohn, T. (Hsg.): Elektrische Energietechnik, Handbuchreihe Energie, 4. Bd., Verlag TÜV Rheinland,

1987 [Fis] Fischer, R.: Elektrische Maschinen, 12. Auflage, Hanser-Verlag, München, 2004 [Fey] Feynman, R.; Leighton, R.; Sands, M.: Feynman Vorlesungen über Physik, Bd. 2, Oldenbourg,

München, 2000 [Kom] Komarek, P.: Hochstromanwendung der Supraleitung, Teubner, Stuttgart, 1995 [Ste] Sterner, M.; Stadler I.: Energiespeicher Bedarf Technologien Integration, Springer-Verlag, Berlin,

Heidelberg, 2014 [Dub] Grote, K..-H.; Feldhusen, J.: Taschenbuch für den Maschinenbau, 22. Aufl.; Springer-Verlag, 2007 [Qua] Quaschning, V.: Regenerative Energiesysteme Technologie – Berechnung – Simulation, 9. Aufl.;

Hanser-Verlag, München, 2015 [BGR] Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Energiestudie 2015, Hannover, 2015 [Kal] Kaltschmitt, M., Streicher, W., Wiese A. (Hrsg): Erneuerbare Energien, Systemtechnik,

Wirtschaftlichkeit, Umweltaspekte, 4. Auflage, Springer, Berlin, 2015 [BMWI] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Energiedaten, URL:

http://bmwi.de/DE/Themen/Energie/Energiedaten-und-analysen/energiedaten.html, 2016 [BWE] Bundesverband WindEnergie, URL: http://www.wind-energie.de, 2016 [Sta] Statista, URL: https://de.statista.com, 2016 [Ene] Energiewelten Lexikon, URL: http://www.energiewelten.de, 2016 [AEE] Agentur für Erneuerbare Energien, URL: https://www.unendlich-viel-energie.de, Berlin, 2016 [WEC1] World Energy Council, URL: https://www.worldenergy.org, London, 2016 [Pel] Pelte, D.: Die Zukunft unserer Energieversorgung, Vieweg-Teubner, Wiesbaden, 2010 [WPP] Vereinte Nationen, World Population Prospects: The 2015 Revision, New York, 2015 [BP] BP EnergyQutlook 2016, London, 2016 [And] Andrulheit, H., et al.; Energiestudie 2015; bgr.bund.de, veröffentlicht: 31.12.2015; abgerufen:

09.12.2016; [online] https://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Energie/Produkte/energiestudie2015_ZusammZusammenf.html

[AEE1] Agentur für Erneuerbare Energien Berlin; Wie funktioniert die petrothermale Geothermie?; veröffentlicht: unbekannt; abgerufen: 09.12.2016; [online] https://www.unendlich-viel-energie.de/mediathek/grafiken/wie-funktioniert-die-petrothermale-geothermie

[AEE2] Agentur für Erneuerbare Energien Berlin; Biogas-Anlage; veröffentlicht: 03.07.2009; abgerufen: 09.12.2016; [online] http://blog.100-prozent-erneuerbar.de/wordpress/wp-content/uploads/2009/07/wie-funktionierts.jpg

[AEE3] Agentur für Erneuerbare Energien Berlin; Bedeutung der Bioenergie innerhalb der erneuerbaren Energien in Deutschland 2015; veröffentlicht: 2015; abgerufen: 09.12.2016; [online] https://www.unendlich-viel-energie.de/mediathek/grafiken/bedeutung-der-bioenergie-innerhalb-der-erneuerbaren-energien

[REN] REN21.net; Renewables 2014 Global Status Report; veröffentlicht: 2014; abgerufen: 09.12.2016; [online] http://www.ren21.net/status-of-renewables/global-status-report/

[WEC2] World Energy Council; Unconventional Gas, a global phenomenon; veröffentlicht: 31.10.2016; abgerufen: 09.12.2016; [online] https://www.worldenergy.org/publications/2016/unconventional-gas-a-global-phenomenon/

Page 8: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik A.7 Allgemeines

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

[BEJ] Burn Energy Journal; How much energy are we using?; veröffentlicht: 2010; abgerufen: 09.12.2016; [online] http://burnanenergyjournal.com/how-much-energy-are-we-using/

[AE] Augusta Energy; A global actor oriented towards emerging markets; veröffentlicht: unbekannt; abgerufen: 09.12.2016; [online] http://www.augusta-energy.com/world.html

[SD] Sankey Diagrams; World Energy flows 2012; veröffentlicht: 2012; abgerufen: 09.12.2016; [online] http://www.sankey-diagrams.com/world-energy-flows-2012/

[AGEB] Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V.; Energiefluss Deutschland; veröffentlicht: 30.09.2014; abgerufen: 09.12.2016; [online] http://docplayer.org/docs-images/27/11544500/images/3-0.png

[WELT] Welt.de; Der brutale Wettlauf um die Trinkwasserquellen; veröffentlicht: 22.03.2013; abgerufen:

09.12.2016; [online] https://www.welt.de/wissenschaft/umwelt/article114678603/Der-brutale-Wettlauf-um-die-Trinkwasserquellen.html

[KAS1] Kasang, D.; Die globale Durchschnittstemperatur der letzten 150 Jahre; veröffentlicht: 2015; abgerufen: 09.12.2016; [online] http://bildungsserver.hamburg.de/klimaaenderung-nav/2041618/durchschnittstemperatur-150-jahre/

[WIK] Wikipedia.de; Meeresspiegelanstieg seit 1850; veröffentlicht: 2009; abgerufen: 09.12.2016; [online] https://de.wikipedia.org/wiki/Meeresspiegelanstieg_seit_1850

[KAS2] Kasang, D.; Meeresspiegelanstieg in Europa; veröffentlicht: 28.03.2008; abgerufen: 09.12.2016; [online] http://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Meeresspiegelanstieg_in_Europa

[SAE] Schäffer, F.; Metalldetektor – Ressourcen Infosystem; veröffentlicht: 2009; abgerufen: 09.12.2016; [online] http://www.frank-schaeffer.de/?page_id=16

[WIL] Wilts, H. et al.; Recycling in Deutschland – Status quo, Potenziale, Hemmnisse und Lösungsansätze; veröffentlicht: 30.11.2015; abgerufen: 09.12.2016; [online] https://www.kfw.de/KfW-Konzern/Newsroom/Aktuelles/News/News-Details_255872.html

[Pso] Psola, J.-H.; Betriebs- und Einsatzmöglichkeiten von Energiespeichern im Kontext einer nachhaltigen Energieversorgung; Dissertation, TU Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig; Cuvellier-Verlag; Göttingen; 2016

[Jos] Jossen, A., Weydanz, W.; Moderne Akkumulatoren richtig einsetzen; 1. Auflage; Inge Reichardt Verlag Untermeitingen; 2006

[Ebe] Eberl, U.; Wie wir heute die Zukunft erfinden; Beltz & Gelberg, Weinheim Basel, 2011 [Kle] Kleinrath, H.: Grundlagen elektrischer Maschinen, Akademische Verlagsgesellschaft, Wiesbaden, 1975 Das griechische Alphabet

Α α Alpha Β β Beta Γ γ Gamma Δ δ Delta

Ε ε Epsilon Ζ ζ Zeta Η η Eta Θ ϑ Theta

Ι ι Jota Κ κ Kappa Λ λ Lambda Μ μ My (mue)

Ν ν Ny (nue) Ξ ξ Xi Ο ο Omikron Π π Pi

Ρ ρ Rho Σ σ Sigma Τ τ Tau Υ υ Ypsilon

Φ ϕ Phi Χ χ Chi Ψ ψ Psi Ω ω Omega

Verwendete wichtige Formelzeichen A m2 Fläche B T magnetische Induktion (Flussdichte) (1 T = 1 Tesla = 1Vs/m2) d m Durchmesser E V/m elektrische Feldstärke f Hz elektrische Frequenz (1 Hz = 1 Hertz = 1/s) F N Kraft H A/m magnetische Feldstärke I A elektrische Stromstärke j - imaginäre Einheit 1− J kgm2 Trägheitsmoment J T magnetische Polarisation

Page 9: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik A.8 Allgemeines

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

l m Länge L H Selbstinduktivität (1 H = 1 Henry = 1 Vs/A) m kg Masse m - Strangzahl M H Gegeninduktivität M Nm Drehmoment Mp0 Nm synchrones statisches Kippmoment n 1/s Drehzahl N - Windungszahl je Strang Nc - Spulenwindungszahl p - Polpaarzahl r m Radius P W Leistung (1 W = 1 Watt = 1 V.A) Q VAr Blindleistung (1 VAr = 1 VA reaktiv) Q - Nutenzahl R Ω elektrischer Widerstand (1Ω =1 Ohm = 1V/A) s m Weglänge S VA Scheinleistung t s Zeit T s Schwingungsperiodendauer T K absolute Temperatur U V elektrische Spannung Up V Polradspannung ü - Übersetzungsverhältnis v m/s Geschwindigkeit W J Energie x m Koordinate X, Xd Ω Reaktanz, synchrone Reaktanz y m Koordinate z m Koordinate α rad Zündwinkel γ rad Drehwinkel γ kg/m3 Massendichte δ m Luftspalt ε As/(Vm) Dielektrizitätskonstante ϕ rad Phasenwinkel Φ Wb magnetischer Fluss (1 Wb = 1 Weber = 1 Vs) Ψ Vs magnetische Flussverkettung Λ Vs/A magnetischer Leitwert μ Vs/(Am) magnetische Permeabilität μ0 Vs/(Am) magnetische Permeabilität des Vakuums (4π.10-7 Vs/(Am)) η - Wirkungsgrad ϑ rad Polradwinkel (elektrische Gradezählung) Θ A elektrische Durchflutung κ S/m elektrische Leitfähigkeit (1 S = 1 „Siemens“ = 1 A/V) σ - Streuziffer τp, τQ m Polteilung, Nutteilung ω 1/s elektrische Kreisfrequenz Ωm 1/s mechanische Winkelgeschwindigkeit

Page 10: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik A.9 Allgemeines

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Indizes av Mittelwert b Blindkomponente c Spule Cu Kupfer d direct (längs), dc (Gleichgröße), Verluste (dissipation) e elektrisch Fe Eisen G Gate h Haupt- hys Hysterese i induziert bzw. innere in zugeführt k Kurzschluss- LL verkettet (line-to-line) m Magnetisierungs-, magnetisch bzw. mechanisch bzw. maximal max maximal N Nenn- out abgegeben p Pol bzw. Polrad syn Synchron U,V,W Bezeichnung der Wicklungsstränge im Dreiphasen-System w Wirkkomponente δ Luftspalt σ Streu- 0 Leerlauf 1, 2 primär, sekundär (beim Transformator) Notationen i Kleinbuchstabe: z. B.: elektrische Stromstärke, Augenblickswert I Großbuchstabe: z. B.: elektrische Stromstärke, Effektivwert oder Gleichstrom-Wert I unterstrichen: komplexe Größen I Spitzenwert, Amplitude I ′ auf Ständerwicklungsdaten mit ü umgerechnet Re(.) Realteil von ..., Im(.) Imaginärteil von ... Wichtige Naturkonstante c0 = 299 792 458 m/s Vakuumlichtgeschwindigkeit e = 1.6021.10-19 As elektrische Elementarladung g = 9.80665 m/s2 Normwert der Fallbeschleunigung G = 6.670.10-11 m3/(kg.s2) Gravitationskonstante h = 6.625.10-34 Js Planck´sches Wirkungsquantum k = 1.3805.10-23 J/K Boltzmann´sche Konstante L = 6.023.1026 /kmol Loschmidt´sche Konstante me = 9.1083.10-31 kg Ruhemasse des Elektrons mn = 1.67470.10-27 kg Ruhemasse des Neutrons mp = 1.67239.10-27 kg Ruhemasse des Protons R = 8.3143.103 J/(kmol.K) universelle Gaskonstante ε0 = 8.854.10-12 As/(Vm) elektrische Feldkonstante (Dielektrizitätszahl des leeren Raums)

Page 11: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik A.10 Allgemeines

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

μ0 = 4π.10-7 Vs/(Am) magnetische Feldkonstante (Permeabilität des leeren Raums) σ = 5.670.10-8 J/(m2K4s) Konstante des Stefan-Boltzmann-Strahlungsgesetz

Page 12: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik E.1 Einleitung

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

E. Einleitung Diese Vorlesung Energietechnik soll, ausgehend von den allgemeinen Grundtatsachen zum physikalischen Begriff der Energie, über einige Fakten zu Energiequellen, zu Energieflüssen und zu Energiewandlungsprozessen hin zu einer einführenden Behandlung der elektrischen Energietechnik führen. Die elektrische Energietechnik ist also eine Teildisziplin der Energietechnik, die sich ihrerseits mit der Bereitstellung, Umwandlung, dem Transport und der Nutzung unterschiedlicher Formen der Energie wie Wärmenergie, kinetische und potentielle Energie, chemische, bio-chemische und elektrische Energie befasst. In dieser Einleitung wollen wir ein „Gefühl“ für den Begriff der Energie bekommen und betrachten dazu folgendes Beispiel E-1.

Beispiel E-1: Welchen Nutzen haben wir von 1 kWh Energie? PKW (Benzinmotor, Mittelklasse): 1.2 km Fahrtstrecke LKW: 0.2 km Fahrtstrecke Mensch zu Fuß (Läufer): 10.0 km Wegstrecke PC-Arbeit: 5 h Warm duschen: 5 Minuten 60°C-Wäsche, Waschmaschine A+ 5 kg Wäsche waschen Internet-Surfen: 100 Google-Suchanfragen

Elektrische Energietechnik befasst sich dabei speziell mit der Bereitstellung elektrischer Energie, ihrer Umwandlung, dem Transport und ihrer Nutzung für Fortbewegung, in Arbeitsmaschinen, zur Wärmenutzung, Informationsübertragung, um einige wesentliche Anwendungen zu nennen. Ihre Nutzung in allen Arten elektrischer Geräte für die Sektoren Haushalt, Industrie, Verkehr umfasst u. a. Messtechnik, Medizintechnik, Infotainment, Computertechnik und Datenverarbeitung, Nachrichtenübermittlung, Antriebstechnik, aber auch Anwendungen bei der Bereitstellung der elektrischen Energie selbst in der Kraftwerkstechnik, den Schaltanlagen und Übertragungs- und Verteilnetzen. Elektrische Energietechnik wird als eine der wichtigen Schlüsseltechnologien der Zukunft bezeichnet, denn elektrische Energie

- ist nahezu universell einsetzbar, - hat noch ungehobenes Nutzungspotential, - ist eine der Säulen unseres Wohlstands, - ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken, - nimmt deshalb weltweit an Bedeutung zu.

Wie wichtig die elektrische Energietechnik für den weltweiten Wohlstand ist, merken wir am deutlichsten, wenn sie ungewollt nicht vorhanden ist, wie bei den gefürchteten Stromnetzausfällen („Blackout“) infolge von Fehlern in dem elektrischen Energieversorgungssystem, wie folgendes Beispiel zeigt.

Beispiel E-2: Blackout New York, USA, 14.08.2003: 50 Millionen Menschen im NO der USA für mehrere Stunden ohne elektrische Stromversorgung, wirtschaftlicher Schaden lt. Wall Street Journal geschätzt 6 Milliarden US-Dollar.

Deshalb ist die Verfügbarkeit der elektrischen Energie für unsere moderne industrialisierte Gesellschaft von großer Bedeutung. Als nach den Gesetzen der Statistik ermittelte Maßzahl wird dafür häufig die "Nichtverfügbarkeit elektrischer Energie je Einwohner und Jahr“ ermittelt.

Page 13: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik E.2 Einleitung

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Beispiel E-3: Nichtverfügbarkeit ausgewählter Länder: Deutschland, 2011: 15 Minuten / (Einwohner · Jahr) Großbritannien, 2006: 89 Minuten / (Einwohner · Jahr) Spanien, 2007: 105 Minuten/ (Einwohner · Jahr) USA, 2012: 154 Minuten / (Einwohner · Jahr)

Die angegebenen Werte schwanken von Jahr zu Jahr zumeist nur geringfügig und zeigen, dass das hoch technisierte Land Deutschland weltweit einen der höchsten Werte der Verfügbarkeit elektrischer Energie hat. Wenn über elektrische Energie und Klimawandel gesprochen wird, denken viele an die Erzeugung elektrischer Energie in den Kraftwerken. Tatsächlich umfasst die Thematik der elektrischen Energietechnik eine „Energiekette“ von der Erzeugung über die Verteilung hin zur Nutzung der elektrischen Energie inklusive möglicher Speicherung mit den dabei auftretenden energetischen Verlusten (meist in Form von Wärme) und über ihre Verfügbarkeit und die dafür entstehenden Kosten und verrechneten Preise ihren Einfluss auf unseren Wohlstand. Weiter müssen wir bedenken, dass bei der Energienutzung auch jene Energiemenge zu betrachten ist, die wir bei der Nutzung von Geräten aller Art stillschweigend mit in Anspruch nehmen, und die als „Graue“ Energie eines Geräts (Produkts) bezeichnet wird. Es ist die Energie für die Herstellung, den Transport und das spätere Recycling oder die Entsorgung eines von uns genutzten Geräts. Diese Energie ist nicht notwendig eine elektrische Energieform, aber der Anteil an elektrischer Energie an der „grauen“ Energie nimmt mit der steigenden Nutzung der elektrischen Energie zu. Beispiel E-4: Graue Energie einiger von uns häufig genutzter Geräte: Personal Computer: 4 000 kWh PKW (Mittelklassewagen): 60 000 kWh 1 kg Bohnen (Import N-Afrika): 10 kWh (durch Transportenergie) 1 kg Bohnen (Inland): 1 kWh

Wesentlich für die Nutzung der Energie (auch der elektrischen Energie) ist der Umwandlungswirkungsgrad von einer in eine andere Energieform, oder bei beibehaltener Energieform von einem Energiesystem in ein anderes (z. B. vom Wechselstromsystem zum Gleichstromsystem durch Gleichrichtung). Dazu wird die je Zeiteinheit t genutzte Energie W als Leistung P = W/t betrachtet. Dieser Wirkungsgrad der Energieumwandlung

zuab / PP=η ist das Verhältnis aus abgegebener Leistung Pab der Energieform 2 und

zugeführter Leistung Pzu der Energieform 1.

Beispiel E-5: 11 kW-Elektromotor (Dreiphasen-Asynchronmaschine) mit einem Wirkungsgrad 88 %: Die Nennleistung 11 kW ist bei E-Motoren (außer bei Kleinmotoren z. B. in Haushaltsgeräten) stets die mechanisch abgegebene Leistung. Es erfolgt im E-Motor eine Umwandlung von elektrischer in kinetische Energie als eine Form der „mechanischen“ Energie. Die zugeführte Leistung ist Pin = Pout/η = 11/0.88 = 12.5 kW. Die dabei auftretende Verlustleistung ist Pin – Pout = 12.5 – 11.0 = 1.5 kW und wird in Form von Wärmeenergie an die Umgebungsluft abgegeben.

Die Verlustenergie ist also zumeist Wärmeenergie (auch thermische Energie genannt). Aber auch die Nutzenergie selbst wird häufig bei der Nutzung in Wärmenergie umgewandelt, so dass wir (ungewollt) bei fast jeder Form der Energienutzung Wärmeenergie erzeugen, und damit unseren Planeten erwärmen, wie folgendes Beispiel zeigt.

Page 14: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik E.3 Einleitung

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Beispiel E-6: Der 11 kW-Elektromotor aus Bsp. E-5 wird als Pumpenantrieb für die Bewegung von Wasser (z. B. Abwasserreinigung) verwendet. Die Wirkungsgrade sind für den Motor 88 % und die Kreiselpumpe 80 %. Die Verlustleistung im Motor ist gemäß Bsp. E-5 1.5 kW und die der Pumpe mit gleicher Rechenmethode 2.2 kW. Es werden daher dem elektrischen Netz 12.5 kW elektrische Leistung entnommen und dem Wasser 8.8 kW mechanische Strömungsleistung zugeführt (Bild E-1). Bei gleichmäßig strömendem Wasser z. B. in Rohrleitungen wird diese Leistung benötigt, um gegen die bremsenden Reibungskräfte im strömenden Wasser dieses in Bewegung zu halten. Somit werden auch die 8.8 kW in Wärmeleistung umgewandelt. Bei einer Betriebszeit von einem Jahr „rund um die Uhr“ (1 Jahr = 8760 Stunden) beträgt alleine die Verlustenergie im Elektromotor W = 1.5 x 8760 = 13140 kWh, während die gesamte in Wärme umgesetzte Energie W = 12.5 x 8760 = 109 500 kWh beträgt. Mit dieser Energie könnte man gemäß Bsp. E-1 mit einem PKW 131 400 km zurücklegen, also mehr als 3-mal den Erdball umrunden.

Bild E-1: Leistungskette eines elektrischen Pumpenantriebs zur Bewegung von Wasser Für die Bereitstellung der elektrischen Energie an unseren Steckdosen tritt die bereits erwähnte Energiekette in Aktion, die in Bild E-2 schematisch dargestellt ist.

Bild E-2: Energiekette für die elektrische Energie von den Klemmen des elektrischen Generators zur Steckdose beim Endverbraucher (Quelle: Siemens AG)

Im thermischen Kraftwerk links in Bild E-2 mit - dem Kessel zur Erzeugung von Wasserdampf durch Erhitzung des Wassers mit der

Verbrennungswärme von z. B. Kohle, - dem Schlot zur Abfuhr der Rauchgase der verbrannten Kohle und - dem Kühlturm zur Rückkühlung des Wasserdampfs im Dampfkreislauf

findet der Antrieb eines elektrischen Synchrongenerators (Kapitel T) mit z. B 3000/min durch eine vom heißen, expandierenden und sich dabei abkühlenden Dampf angetriebenen Dampfturbine (Kapitel P) statt. Für eine elektrische Leistung von z. B. PG = 1000 MW muss thermisch über die Verbrennungsenergie eine Leistung von 1000/0.45 = 2222 MW bereitgestellt werden. Die Verlustleistung (2222 – 1000 = 1222 MW) wird über den Kühlturm abgeführt, um den Dampf wieder zu Wasser zu kondensieren und den thermischen Dampfkreislauf wieder von vorne zu beginnen (siehe Kapitel P). Mit einer Leistung von PG =

Page 15: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik E.4 Einleitung

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

1000 MW bei einer elektrischen dreiphasigen Generatorspannung von UG = 27 kV (verkettet), die bei einem zweipoligen Generator bei 3000/min die Frequenz f = 50 Hz hat, und einem vom Generator eingestellten kapazitiven Leistungsfaktor cosϕ = -0.8 (auch als cosϕ = 0.8 übererregt bezeichnet) wird die elektrische Scheinleistung

MVA12508.0/1000cos/GG === ϕPS über die Hochspannungsfreileitung in Bildmitte

(UL = 400 kV verkettet) zu den Verbraucherzentren übertragen. Es muss daher im Blocktransformator, ausgelegt für 1250 MVA (Wirkungsgrad mit 99.5 % nahezu „Eins“, Kapitel T), die Generatorspannung auf 400 kV hochgespannt werden. Dann sinkt der Strom je „Phase“ (d. h. je Leiter des Dreileiter-Drehstromsystems) vom Generatorstrom

kA37.26)273/(1250)3/( GGG =⋅== USI

bei vernachlässigter Transformatorverlustleistung auf den kleineren Wert

kA8.1)4003/(1250)3/( LGL =⋅== USI ,

um die Stromwärmeverluste in der Freileitung (~ 2LI ) klein zu halten. Bei z. B. fünfzehn

Verbraucherzentren mit einem Leistungsbedarf von je 83.3 MVA wird der elektrische Leistungsfluss in den Umspannwerken und Schaltanlagen (Bildmitte) aufgeteilt. Die weitere Übertragung kann dann bei etwa 1-fach kleinerer Spannung UV = 30 kV und etwa gleichem

Leiterstrom erfolgen: kA6.1)303/(3.83)3/()15/( VGV =⋅== USI . Diese Leistung

83.3 MVA wird über zahlreiche Verteiltransformatorstationen (Bild E-2 rechts) auf die für Haushalte oder Industrie- und Gewerbebetriebe typischen Leistungsgrößen aufgeteilt, wobei die Spannung weiter abgesenkt werden kann, z. B. auf UE = 400 V. Bei z. B. SE = 500 kVA Endnutzerleistung je Verteiltransformator erhalten wir

A722)4003/(500000)3/( EEE =⋅== USI . Diese Leistung SE kann nun z. B. genutzt werden, um die o. g. E-Motoren (Wechselstrom- und Drehstrom-Motoren oder bei Gleichrichtung Gleichstrom-Motoren) zu versorgen, die jene mechanische Arbeit verrichten, die in der Antike zum großen Teil durch menschliche oder tierische Muskelkraft geleistet worden ist (vgl. Beispiel E-7). Tatsächlich beträgt der Wirkungsgrad von der Generatorklemme zur Steckdose etwa 85 %, so dass von den 1000 MW nur etwa 850 MW genutzt werden können.

Damit kommen wir zum didaktischen Konzept dieser Vorlesung: Nach diesem Kapitel „E Einleitung“ werden im Kapitel „G Grundlagen“ die grundlegenden physikalischen Begriffe zur Energie in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen kurz rekapituliert. Vorkenntnisse aus Vorlesungen über Physik werden erwartet, werden aber zum Teil auch wiederholt. Danach wird im Kapitel „R Ressourcen und Energieströme“ auf unsere Energiequellen, Energievorräte und die zugehörigen Energieströme auf unserem Planeten Erde im Überblick eingegangen. Im Kapitel „B Bedarf und Wachstum“ werden wir auf das weltweite Bevölkerungswachstum und einige Wachstumsgesetze zu sprechen kommen und danach im Kapitel „P Prozesse“ uns mit Energiewandlungsprozessen von mechanischen und thermischen Systemen in elektrische Systeme befassen. Auch chemische Energiewandlung z. B. Verbrennung) und nukleare Energiewandlung (Kernspaltung und Fusion) werden kurz erläutert. Im Kapitel „T Transformatoren und Generatoren“ werden die erforderlichen elektrotechnischen Grundlagen zum Elektromagnetismus und zur Drehstromtechnik, die aus einführenden Vorlesungen zur Elektrotechnik bekannt sein sollten, wiederholt und dann die Kernkomponenten Transformator und Synchrongenerator behandelt. Anschließend sind wir in der Lage, im Kapitel „V Elektrische Energieversorgung“ in Grundzügen die Prinzipien der modernen elektrischen Energieversorgung zu verstehen. Im Kapitel „S Speicher“ wird kurz auf Möglichkeiten zur Energiespeicherung eingegangen. Abschließend geben wir im Kapitel „W Wie geht es weiter?“ Hinweise, wie Sie an der TU Darmstadt sich in vertiefenden

Page 16: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik E.5 Einleitung

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Vorlesungen zur Energietechnik (nicht nur zur elektrischen Energietechnik) weiterbilden können. So erhalten Sie einen ersten Überblick über die elektrische Energietechnik auf dem Weg von der Komponente zum System.

Abschließend wollen wir uns den Nutzen der elektrischen Energietechnik an einem plakativen Beispiel nochmals veranschaulichen. Beispiel E-7: Im antiken Rom um 100 n. Chr. lebten etwa 20 Mio. römische Bürger und 120 Mio. dienstbare Völker und Sklaven. Das ergibt, wenn wir alle Nichtbürger vereinfachend als Sklaven bezeichnen, 6 Sklaven je römischer/-m Bürger/-in. Wenn nun jeder Sklave/Sklavin im Mittel etwa 1/10 der Arbeitsleistung eines Pferds zu leisten vermag, als 1/10 PS = 75 W, und das 8 Arbeitsstunden je Tag an ca. 360 Tagen pro Jahr, so ergibt das 216 kWh pro Jahr. Jedem römischem Bürger/-in standen damit 6·216 kWh = 1296 kWh pro Jahr zur Verfügung, das sind 4680 MJ pro Jahr. Im Land Deutschland um 2012 n. Chr. wurden an Primärenergie 3763 TWh eingesetzt. Das sind alle genutzten Energieformen, nicht nur die elektrische Energie. Je Einwohner/-in sind das 3763 TWh/81.8 Mio. = 46.0 MWh. Bezogen auf das antike Rom entspricht das der Arbeitsleistung von 213 Sklaven, nämlich 46.0 MWh / 216 kWh = 213. Fazit: In Deutschland hat jeder von uns im Mittel ständig 213 „Energiesklaven“ in der Form der für uns bereits gestellten Energie zur Verfügung. Diesen hohen Energieumsatz pro Kopf sollten wir bedenken, und daraus für unser persönliches Verhalten entsprechende Schlüsse ziehen.

Page 17: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.1 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

G. Grundlagen G1. Die Begriffe „Energie“ und „Leistung“ Energie (griech. Energos „wirksam“) (Formelzeichen W) ist die Fähigkeit eines physikalischen Systems, Arbeit (W, work) zu verrichten. Eine (im physikalischen Sinn) „mechanische“ Arbeit wird dann verrichtet, wenn ein Körper unter dem Einfluss einer auf ihn wirkenden Kraft F mit der Geschwindigkeit v z. B. entlang einer räumlichen Wegkurve C

bewegt wird. Mit dem Kraftvektor F

am Ort P = (x, y, z) und dem differentiell kurzen Wegvektor sd

als Tangentenvektor an diese Kurve C im Punkt P (P ist ein Punkt dieser

Kurve) ist die differentiell kleine geleistete Arbeit auf den Körper

αcos⋅⋅=⋅= dsFsdFdW

, (G1-1)

wobei α der Winkel zwischen den beiden Vektoren F

und sd

ist. Somit ist "" ⋅ das Skalarprodukt der Vektorrechnung. Die am Körper längs der Kurve C verrichtete Arbeit ist dann die Summe von (G1-1) längs C, also wegen des differentiell kleinen Arbeitsbeitrags dW das Integral (G1-2).

⋅⋅=⋅==CCC

dsFsdFdWW αcos

. (G1-2)

Biologische Aspekte der Arbeit und Energie werden damit nicht erfasst. Wenn ein Mensch einen Körper („Last“) m entlang der Erdoberfläche trägt und sich dabei mit der Geschwindigkeit v parallel zur Erdoberfläche bewegt, so wirkt auf Grund der

Erdanziehungskraft auf den Körper die Kraft F

senkrecht zur Erdoberfläche nach unten und schließt mit dem Geschwindigkeitsvektor v

den rechten Winkel 2/πα = ein, so dass die

Arbeit 00)2/cos( =⋅⋅=⋅⋅= CC

dsFdsFW π ist. Trotzdem müssen die Muskeln des

Menschen sich anspannen (verkürzen), um die Kraft F

− aufzubringen, um die Last zu halten. Für das Verkürzen der Muskeln ist Energie erforderlich, die in Form von chemischer Energie (= Bindungsenergie der Moleküle der den Muskeln zugeführten Nährstoffe) den Muskelzellen zu Verfügung gestellt wird. Diese Art biochemischer Energieumsetzung werden wir im Folgenden zunächst nicht betrachten, da wir uns zuerst mit physikalischen und nicht mit biologischen Systemen befassen. Die Zufuhr oder Abgabe von Arbeit in einem physikalischen System kann

- den Bewegungszustand eines Systems (hier Körper) durch Beschleunigen oder Abbremsen verändern. Es ändert sich die kinetische Energie des Körpers.

- die Lage des Systems (Körpers) in einem Kraftfeld ),,,( tzyxF

, z. B. dem Schwerkraftfeld der Erde, ändern. Es ändert sich die potentielle Energie des Körpers.

- die innere Energie des Systems verändert werden. Diese soll kurz ausführlicher erläutert werden:

Da die Temperatur T eines Gases nach L. Boltzmann durch den Bewegungszustand (nämlich den Geschwindigkeiten) der einzelnen Gasmoleküle charakterisiert ist, kann die Zufuhr oder Abgabe von Arbeit diese kinetische Energie der Moleküle, genannt die innere Energie des Systems „Gas“, verändern, z. B. durch die Erwärmung oder Abkühlung des Gases. Weil aber die Moleküle und Atome durch Zufuhr oder Abgabe von Arbeit selbst verändert werden können, nämlich z. B. die Zerlegung (Dissoziierung) von Molekülen in ihre atomaren

Page 18: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.2 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Bestandteile oder durch Anregung der Elektronen in den Atomhüllen (= Anhebung der Hüllenelektronen auf höhere Energieniveaus), ist auch dies eine Änderung der inneren Energie. Die (Momentan-)Leistung P ist die zeitliche Änderungsrate der Energie

dtdWtP /)( = , (G1-3) so dass sich aus (G1-1) für die mechanische Momentan-Leistung ergibt:

)(cos)()(//)( ttvtFvFdtsdFdtdWtP α⋅⋅=⋅=⋅== . (G1-4)

Da z. B. in elektrischen metallischen Leitern die Kraft F auf die im Kristallgitter des Metalls beweglichen N Leitungselektronen (Ladung je Elektron q = e „Elementarladung“

sA106.1 19 ⋅⋅ − ) durch das elektrische Feld E gemäß EqF

⋅= aufgebracht wird, bewegen

sich diese Ladungsträger mit der Driftgeschwindigkeit v. Es gilt vEqNvEqNP ⋅⋅⋅=⋅⋅⋅= .

Mit der elektrischen (Gleichstrom-)Stromstärke tqNI /⋅= , der Geschwindigkeit tlv /= (l:

Leiterlänge) und der elektrischen (Gleich-)Spannung lEsdEUl

⋅=⋅=

erhalten wir als

„elektrische Leistung“

IUtlEqNP ⋅=⋅⋅⋅= / . (G1-5) Selbst geringe Energiemengen können zu hohen Leistungen führen, wenn sich die Energie rasch ändern kann. Beispiel G1-1: Wird ein Energiespeicher mit dem Inhalt W = 1000 J während einer Millisekunde entleert, tritt während dieser kurzen Zeit die hohe Leistung MW1001.0/1000/ === tWP auf („Leistungsspeicher“). Für diesen hohen Leistungsfluss muss der z. B. elektrische Anschluss (Kabelquerschnitt) bei einem elektrischen Energiespeicher bemessen sein. Soll z. B. die auftretende Spannung U = 400 V DC sein, träte bei dieser Gleichspannung für 1 ms der

Gleichstromwert A2500400/10/ 6 === UPI auf. Bei einer zulässigen Stromdichte von z. B. kurzzeitig J = 20 A/mm2 benötigen wir einen Kabelquerschnitt von

2Cu mm12520/2500/ === JIq .

G2. Energieformen Die kinetische Energie (Bewegungsenergie) Wk ist jene Energie, die ein Körper mit der Masse m aufgrund seines Bewegungszustands (Geschwindigkeit v) besitzt. Diese Energie betrifft sowohl die Bewegung idealisiert punktförmiger als auch real ausgedehnter, dabei idealisiert starrer oder real deformierbarer Festkörper, aber auch bewegte, also strömende Fluide, wobei wir inkompressible (nicht zusammenpressbare) Fluide (z. B. Wasser) und kompressible Fluide (Gase) wie z. B. Wasserdampf unterscheiden. Auf Grund der ausgeführten Bewegung (Ortsveränderung des Körpers) nennt man diese kinetische Energie auch Translationsenergie. Ein Sonderfall, bei dem der betrachtete Körper am Ort bleibt, ist

Page 19: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.3 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

die Drehbewegung von Körpern, sodass hier die kinetische Energie Rotationsenergie genannt wird. Die potentielle Energie (Lageenergie) Wp ist jene Energie, die ein Körper auf Grund seiner Lage in einem Kraftfeld (z. B. eine elektrische Ladung im elektrischen Feld) hat. Im Sonderfall einer Masse im Schwerkraftfeld heißt sie mechanische potentielle Energie oder Gravitationsenergie. Ein weiterer Sonderfall ist bei der Mechanik ausgedehnter deformierbarer Festkörper die erhöhte Lageenergie der einzelnen Atome des Festkörpers zueinander beim zusammengedrückten Körper gegenüber dem unverformten Körper als sogenannte Deformationsenergie (Verformungsenrgie). Ist der Vorgang der Deformation reversibel, verschwindet also die Deformation nach Wegnahme der drückenden Kraft, sprechen wir von elastischen Festkörpern und der elastischen Deformationsenergie, andernfalls beim (auch teilweisen) Verbleib der Verformung von der plastischen Deformationsenergie. Man kann auch die Anregungsenergie eines Elektrons in der Hülle eines Atoms oder die Anregung (Veränderung) eines Atomkerns selbst als potentielle Energie auffassen, ebenso die in chemischen Bindungen einzelner Atome zu Molekülen oder Festkörpern (Kristallen) gespeicherte Energie. Wir wollen hier eine etwas genauere Unterscheidung tabellarisch angeben. Mechanische Energie:

- Bewegungsenergie - Lageenergie in Gravitationsfeldern - Deformationsenergie (auf Basis von Bindungskräften in Festkörpern)

Elektromagnetische Energie:

- elektrische Lageenergie im elektrostatischen Feld (z. B. im Plattenkondensator) - magnetische Lageenergie im magnetostatischen Feld (z. B. Magnetsysteme) - transportierte elektromagnetische Energie bei Wellenausbreitung (z. B. Antennen)

Thermische Energie:

- Wärmeenergie ist die innere Energie z. B. eines Körpers (kinetische Energie der schwingenden Atomrümpfe im Kristallverband) oder eines Gases (kinetische Energie der sich frei im Raum bewegenden Gaspartikel)

Chemische Energie:

- Elektrische Bindungsenergie der Atome zu Molekülen (kovalente Bindung) oder zu Kristallen (Ionenbindung in Ionenkristallen, metallische Bindung in metallischen Festkörpern, kovalente Bindung … meist erst bei seht tiefen Temperaturen)

Atomenergie:

- elektrische Bindungsenergie der elektrisch negativ geladenen Elektronen in der Atomhülle an den positiv geladenen Atomkern

- Kernenergie der über die nur auf sehr kurze Distanz wirkende „starke Wechselwirkungskraft“ im Kern aneinander gebundenen Nukleonen (Kernbausteine) als elektrisch positiv geladene Protonen und ungeladene Neutronen.

Energie in physikalischen Systemen wird also stets durch Kräfte vermittelt. Wir unterscheiden dabei vier Grundtypen von Kräften:

Page 20: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.4 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

- Die Gravitationskraft ist die stets anziehende Kraft zwischen massebehafteten Körpern.

- Die „elektromagnetische Kraft“ (Lorentz-Kraft) wirkt als anziehende Kraft zwischen elektrisch ungleichnamig geladenen Teilchen und abstoßend zwischen elektrisch gleichnamig geladenen Teilchen. Weiter wirkt sie bei in einem Magnetfeld bewegten elektrisch geladenen Teilchen als seitlich im rechten Winkel zur Bewegungsrichtung und zur Magnetfeldrichtung auftretenden Kraft.

- Die anziehend wirkende „starke Kraft“ (starke Wechselwirkung) wirkt nur auf kurze Distanz (nämlich in der Größenordnung der Atomkerndurchmesser) zwischen den Protonen und Neutronen gegen die Abstoßungskraft der gleichnamig geladenen Protonen.

- Die „schwache Kraft“ (schwache Wechselwirkung) wirkt ebenfalls nur auf kurze Distanz und tritt bei Kernumwandlungsprozessen, wo ein Neutron in ein Protonen und Elektron umgewandelt wird, auf, wobei das Elektron vom Kern ausgesandt wird (Beta-Zerfall des Atomkerns).

Es ist bisher gelungen, die „elektromagnetische Kraft“, die „starke“ und „schwache“ Kraft in einer gemeinsamen Theorie zusammenzufassen, wobei zunächst „elektromagnetische“ und „schwache“ Kraft zu „elektroschwachen“ Kraft zusammengeführt werden konnten. Die Gravitationskraft entzieht sich bisher solchen Bemühungen einer „grand unified theory“. Diese vier Grundkräfte „halten unsere Welt zusammen“. Wir wollen im Folgenden näher betrachten, wie diese Kräfte mit den entsprechenden Energieformen zusammenhängen. G2.1 Mechanische Energie und Wärmeenergie Zwischen zwei massebehafteten Körpern 1 und 2 mit den Massen m1 und m2 wirkt die anziehende Gravitationskraft F, die vom Körper 1 zum Körper 2 entlang der gedachten, geraden Verbindungslinie der Massenmittelpunkte der beiden Körper gerichtet ist (Bild G2.1-1). Dabei ist der Einheitsvektor re

mit dem Betrag 1=re

vom Massenmittelpunkt des

Körpers 1 zum Massenmittelpunkt des Körpers 2 gerichtet.

r221 e

r

mmGF

⋅⋅⋅= (G2.1-1)

Bild G2.1-1: Zwei Massen m1, m2 ziehen sich mit den Kräften F bzw. F´ auf Grund der Gravitation an, wobei die Wirkungslinie der Kräfte die gerade Verbindungslinie der Massenmittelpunkte der beiden Massen ist.

In (G3-1) ist )s/(kgm1067.6 2311 ⋅⋅= −G die Gravitationskonstante. Auf den Körper 2 wirkt

die Kraft FF

−=´ , die vom Körper 2 zum Körper 1 gerichtet ist. Auf Grund dieser Kraft wird der Körper 2, bezogen auf einen Beobachter, der mit Körper 1 ruht, gemäß dem Newton´schen

Page 21: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.5 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Kraftgesetz „Kraft = Masse x Beschleunigung“ auf Körper 1 hinbewegt. Um ihn von Körper 1 zu entfernen, muss eine äußere Kraft Fa gegen diese Anziehungskraft aufgebracht werden, die diese Anziehung überwindet (Richtungsvektor rr ee

−=′ ). Befindet sich der Körper 2 zum Zeitpunkt tA beim Radius rA (gezählt vom Massenmittelpunkt des Körpers 1 als Ursprung eines dort verankerten Koordinatensystems), so wird er auf Grund dieser äußeren Kraft Fa sich zu einem späteren Zeitpunkt tB > tA vom Körper 1 weg bewegt haben so, dass er sich beim Radius rB > rA befindet. Mit drerdsd r ⋅== ′

und 1−=⋅′ rr ee

erhalten wir die dabei von

der äußeren Kraft gegen die Gravitationskraft verrichtete Arbeit gemäß (G1-2) als

B

A

B

A

B

A

B

A

21221rr2

21r2

21AB )()(

r

r

r

r

r

r

r

r r

mmG

r

drmmGdree

r

mmGsde

r

mmGW

⋅⋅=⋅⋅⋅−=⋅•⋅⋅⋅=•⋅⋅⋅= ′

,

somit

011

BA21AB <

−⋅⋅⋅−=

rrmmGW . (G2.1-2)

Eine am Körper verrichtete Arbeit durch eine äußere Kraft wird negativ gezählt: 0AB <W . Diese Arbeit muss von einem von außen einwirkenden (fremden) System verrichtet werden. G2.1.1 Potentielle Energie (Lageenergie) Da gemäß (G2.1-2) eine Arbeit WAB verrichtet werden musste, um die Masse m2 von rA nach rB > rA zu befördern, ist nun diese Arbeit, gemeinsam mit jener Arbeit, die zu verrichten wäre, um die Masse m2 von m1 beim Radius r = 0 zu rA zu bewegen, in Form einer Lageenergie (potentielle Energie) Wp im System, gebildeten aus den beiden Massen m1 und m2, gespeichert. Wir schreiben allgemein (Bild G2.1.1-1)

a) b)

Bild G2.1.1-1: a) Das Schwerkraftfeld der Masse m1, das auf die Masse m2 anziehend wirkt, ist kugelsymmetrisch. b) Die potentielle Energie Wp(r) der Masse m2 im Schwerkraftfeld der Masse m1 ist eine Hyperbelfunktion des Abstands (Radius) r vom Massenmittelpunkt von m1

r

mmGrW 21

p )(⋅⋅−= , (G2.1.1-1)

so dass gilt:

Page 22: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.6 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

011

)()(BA

21BpApAB <

−⋅⋅⋅−=−=

rrmmGrWrWW . (G2.1.1-2)

Die von außen über Fa an m2 verrichtete Arbeit WAB hat die potentielle Energie Wp des Körpers 2 gegenüber dem Körper 1 um )()( BpApAB rWrWW −= von )( Ap rW auf

)()( ApBp rWrW > erhöht. Sei nun Körper 1 die Erde ( kg1098.5 24E1 ⋅== mm ) und Körper 2

in seinen Abmessungen deutlich kleiner als der mittlere Erdradius rE. Wir nähern die Form der Erde (Geoid) durch die Kugelform mit rE idealisiert an. Körper 2 befinde sich im Abstand h << rE oberhalb der Erdoberfläche. Mit rA = rE und rB = rA + h erhalten wir mit 1/(1 + x) ≈ 1 – x (für x << 1) gemäß

A

A

AAABA

/1

)/1(

111:1/

r

rh

rhrhrrrh

−≈+⋅

=+

=<< ,

2A

2AAAAABA

111111

r

h

r

h

rrhrrrr=+−≈

+−=−

aus (G2.1.1-2) mit

hr

mGmh

r

mmG

rrmmGrWrW ⋅⋅⋅=⋅⋅⋅≈

−⋅⋅⋅=−

2E

E22

A

21

BA21ApBp

11)()( . (G2.1.1-3)

Die Größe 22

2411

2E

E m/s81.92)(12700000/

1098.51067.6 ≈⋅⋅⋅=⋅=−

r

mGg ist die Erdbeschleunigung, und

die potentielle Energie des Körpers 2 im Abstand h von der Erdoberfläche (Bild G2.1.1-2)

hgmhW ⋅⋅= 2p )( . (G2.1.1-4)

Bild G2.1.1-2: Die Schwerkraft der Erde (Masse mE) wirkt näherungsweise mit parallelen Kraftlinien auf den gegenüber der Ausdehnung der Erde viel kleineren Körper mit der Masse m2 im Abstand h von der Erdoberfläche. Beispiel G2.1.1-1: Ein Körper mit der Masse m2 = 1 kg hat im Abstand h = 1 m von der Erdoberfläche die

potentielle Energie J81.9/smkg81.9m1m/s81.9kg1)m1( 222p =⋅=⋅⋅==hW . Er wird

gemäß (G2.1-1)

Page 23: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.7 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Femger

mmGe

r

mmGF r

−=⋅⋅=⋅⋅⋅=⋅⋅⋅−=′ ′′ r2r2

E

2E2E

2E (G2.1.1-5)

mit dem Kraftbetrag N81.9m/skg81.9kg1m/s81.9 222 =⋅=⋅=⋅==′ mgFF von der Erde

angezogen und zieht seinerseits mit der Kraft N81.9− die Erde an. G2.1.2 Kinetische Energie (Bewegungsenergie) Wir betrachten Bewegungen von Körpern mit Geschwindigkeiten v, die klein sind gegenüber der Vakuumlichtgeschwindigkeit c0 = 299 792 458 m/s, betreiben also nichtrelativistische Physik. Dann gilt das Newton´sche Axiom

amF

⋅= , (G2.1.2-1)

dass der Beschleunigungsvektor a

einer Masse m durch die auf sie wirkende Kraft F

bedingt ist. Wir betrachten den im Abstand h über der Erdoberfläche befindlichen Körper aus Bsp. G2.1.1-1, der durch den Einfluss der Erdanziehungskraft remg

⋅⋅ 2 auf die Erdoberfläche zu bewegt wird (Bild G2.1.2-1). Anstelle des Radius r wählen wir wegen der eben angenommenen Erdoberfläche (h << rE !) die Koordinate z, die am Ort des Körpers zur Zeit t = 0 ihren Ursprung hat (z = 0) und zum Erdinneren gerichtet ist. Zum Zeitpunkt t = 0 ruht (v(0) = 0) der Körper somit bei z = 0. Mit dtdva /= folgt aus (G2.1.2-1) und (G2.1.1-5)

gadtdv ==/ . Daher ist

tgvtgtv ⋅=+⋅= )0()( . (G2.1.2-2) Nach der Zeit t > 0 hat die Masse gemäß dtdzv /= den Fallweg

2/)0()0(2/)( 22 tgztvtgtz ⋅=+⋅+⋅= (G2.1.2-3)

zurückgelegt. Die Erdanziehungskraft verrichtet dabei gemäß (G1-2) die Arbeit

⋅⋅⋅=⋅⋅=⋅⋅=⋅⋅=⋅⋅=tzzzz

dtdt

dz

dt

zdmdz

dt

zdmdz

dt

dvmdzamdzgmW

02

2

20

2

2

20

20

20

2 )()()()()( .

Mit

=⋅=⋅

2

2

2

2 v

dt

dv

dt

dv

dt

dz

dt

zd erhalten wir

k2

2

2/

0

22

0

2

2 2/)2/()2/(

2

Wvmvdmdtdt

vdmW

vt

=⋅=⋅=⋅⋅= . (G2.1.2-4)

Die an dem fallenden Körper verrichtete Arbeit W ist in die dem Körper nun eigenen

kinetischen Energie 2/22 vmWk ⋅= übergegangen. Dabei hat die potentielle Energie des

Körpers um eben diesen Wert abgenommen,

Page 24: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.8 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

zgvtWvmzgmzhgmhgmtWtW ⋅⋅==⋅=⋅⋅=−⋅⋅−⋅⋅=−= 2)(2/)()()0( k2

2222pp

wie der Vergleich mit (G2.1.2-2), (G2.1.2-3) gemäß

zgvgvztgtvtgtz ⋅⋅==⋅=⋅= 2)2/()(,2/)( 22 (G2.1.2-5)

zeigt. Die Summe aus potentieller und kinetischer Energie )0()()( pkp ==+ tWtWtW ist

offenbar zeitunabhängig konstant:

)0(2/))0(()0()0()()( p22

22kpkp ==⋅⋅=⋅+⋅⋅==+==+ tWhgmvmhgmtWtWtWtW .

a) b)

Bild G2.1.2-1: a) Der frei Fall des gegenüber der Erde kleinen Körpers mit der Masse m2 im Schwerkraftfeld der Erde (Masse mE), b) Die Zunahme der Geschwindigkeit v des Körpers mit der Masse m2 und die Abnahme seiner Lage über der Erdoberfläche h – z. Da der Körper 2 und die Erde (Körper 1) in unserem Beispiel G2.1.1-1 ein abgeschlossenes System bilden, in dem keine weiteren physikalischen Effekte (Kräfte, Körper, …) wirken, formulieren wir allgemein: In einem abgeschlossenen System ist die Gesamtenergie als Summe der einzelnen Energiekomponenten konstant. In einem abgeschlossenen System kann keine zusätzliche Energie erzeugt werden oder Energie „verloren“ gehen (Energieerhaltungssatz). Auf Grund der von uns willkürlich getroffenen Annahme, dass die Erdoberfläche die Bezugsfläche für Wp ist (dort ist Wp Null!), ist in unserem Beispiel die Gesamtenergie als Konstante

hgmtW ⋅⋅== 2p )0( . Insofern ist die Gesamtenergie eines abgeschlossenen Systems eine

willkürlich gewählte Größe. Allgemein ist die kinetische Energie eines mit der Geschwindigkeit v

( 0cv <<

) bewegten

Körpers mit der Masse m

2/2

k vmW⋅= (G2.1.2-6)

Beispiel G2.1.2-1: Wie groß ist die kinetische Energie Wk des frei fallenden Körpers (aus Bsp. G3.1-1) bei der Höhe h/2 = 0.5 m? Wie groß ist dabei seine Geschwindigkeit v, und wie viel Zeit ist verstrichen?

Page 25: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.9 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

J91.45.081.912/:2/ 22

2k =⋅⋅=⋅⋅=⋅== zgmvmWhz ,

m/s13.31/91.42/2 2k =⋅== mWv oder m/s13.35.081.922 =⋅⋅=⋅⋅= zgv ,

s32.081.9/13.3/ === gvt . Ein Sonderfall ist die Rotationsbewegung, wobei sich der Körper mit der Masse m auf einer Kreisbahn mit dem Radius r um ein Drehzentrum 0 bewegt und dabei n Umdrehungen je Zeiteinheit (1 s) mit dem dabei jeweils überstrichenen Drehwinkel 2π ausführt (Bild G3.2-2a). Dabei benötigt er bei konstanter Rotationsgeschwindigkeit jeweils die Zeit T = 1/n für eine volle Umdrehung. Je Umdrehung legt er den Weg als Bahnumfang r⋅π2 zurück, so dass die Bahngeschwindigkeit

rnrTrv ⋅=⋅⋅=⋅= ωππ 2/2 (G2.1.2-7) auftritt. Wir nennen n⋅= πω 2 die mechanische Winkelgeschwindigkeit. Da der Geschwindigkeitsvektor v

stets der Tangentenvektor an die Bahnkurve (hier: Kreisbahn) ist,

und der Radiusvektor r

von 0 aus radial nach außen orientiert ist, erhalten wir die Richtung von v

korrekt, wenn wir in (G2.1.2-8) das äußere Vektorprodukt (Kreuzprodukt) verwenden

und den Vektor der mechanischen Winkelgeschwindigkeit ω normal auf die Bahnebene im Sinne einer Rechtschraube der Drehbewegung orientieren.

rv ×= ω (G2.1.2-8)

a) b)

Bild G2.1.2-2: a) Die Masse m rotiert mit dem Drehwinkel α um ein räumlich festes Rotationszentrum 0 mit dem konstanten Abstand r vom Rotationszentrum 0. Eine tangential auf die Masse wirkende Kraft F kann durch ein Drehmoment M beschrieben werden. b) Das polare Trägheitsmoment J eines drehzylindrischen Körpers der Masse M (mit räumlich konstanter Massendichte γ und dem Radius R) um die Symmetrieachse ist J = M.R2/2.

Die kinetische Energie ist mit (G2.1.2-6), (G2.1.2-7) 2/2/ 222rmvmWk ⋅⋅=⋅= ω

. Mit der

Abkürzung „polares Trägheitsmoment“ 2rmJ ⋅= einer mit dem Radius r von einem Drehzentrum 0 entfernten (Punkt)-Masse m schreiben wir:

2/2k ω⋅= JW . (G2.1.2-9)

Aus (G2.13.2-1) folgt, dass mit der im Abstand r vom Drehzentrum 0 wirkenden Kraft F

der

Körper auf der Kreisbahn beschleunigt werden kann:

[ ]rdtdmdtvdmamF

×⋅=⋅=⋅= )/()/( ω . (G2.1.2-10)

Page 26: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.10 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Diese im Abstand r (Hebelarm) wirkende Kraft ordnen wir nach dem Hebelgesetz ein

Drehmoment M zu, dessen Vektor FrM

×= wie ω normal auf die Rotationsebene gerichtet

ist. Aus (G3.2-10) folgt mit )()()( BACCABCBA

•⋅−•⋅=×× und .

/ ωω =dtd

2.....0)()()( rmrrmrrrrmrrmFrM

⋅⋅=

−•⋅⋅=

•⋅−•⋅⋅=

××⋅=×= ωωωωω .

Folglich lautet das Newton´sche Axiom (G3.2-1) für die Drehbewegung einer (Punkt)-Masse

m im Abstand r vom Rotationszentrum 0 mit 22rmrmJ ⋅=⋅=

dt

dJM

ω⋅= . (G2.1.2-11)

Bei rotierenden ausgedehnten Körpern muss zur Bestimmung von J über die im unterschiedlichen Abstand r von der Drehachse befindlichen Massenteilchen Δm des betrachteten Körpers summiert werden. Es ergibt sich dann beispielsweise für das polare Trägheitsmoment J eines rotationssymmetrischen Zylinders der Masse M und des Radius R,

dessen Drehachse die Zylinderachse ist, der Wert 2/2RMJ ⋅= (Bild G2.1.2-2b). Beispiel G2.1.2-2: Wie groß ist die kinetische Energie in einem mit der Drehzahl n = 10000/min rotierenden Stahlzylinder mit dem Radius R = 0.1 m und der Länge L = 0.2 m? Die Dichte von Stahl beträgt etwa γ = 7850 kg/m3. Wegen der enormen Fliehkraftbeanspruchung soll die Umfangsgeschwindigkeit des Stahlzylinders 250 m/s nicht übersteigen. Ist diese Bedingung erfüllt?

kg3.4978502.01.0 22 =⋅⋅⋅=⋅⋅= πγπ LRM , 222 mkg247.02/1.03.492/ ⋅=⋅=⋅= RMJ , 1047.2/ss/rad2.1047)60/10000(22 ==⋅=⋅= ππω n ,

kWh0376.0J1354332/2.1047247.0 2k ==⋅=W ,

m/s250m/s7.104)60/10000(1.022 <=⋅⋅=⋅= ππ nrv . Die Festigkeitsbedingung für den Stahlzylinder ist erfüllt. G2.2 Mechanische Grundgesetze a) Kraft und Drehmoment

a) b)

Bild G2.2-1: Zweites NEWTON´sches Axiom für a) linear bewegte und b) rotierende Massen.

Page 27: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.11 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Das zweite NEWTON´sche Axiom (G2.2-1) besagt, dass die Kraft F, die auf eine Masse m wirkt, diese beschleunigt (Bild G2.2-1a), wobei die Beschleunigung die Änderung der Geschwindigkeit v mit der Zeit t ist. Dabei ist die Geschwindigkeit v die Änderung des Ortes x der Masse m mit der Zeit t . 2. NEWTON´sches Axiom: "Kraft = Masse x Beschleunigung" v = dx/dt (G2.2-1) a = dv/dt = d2x/dt2 (G4.1-2)

2

2

dt

xdmF ⋅= (G4.1-3)

Wird die Masse m im Abstand r von einem Drehpunkt starr mit einer „masselosen“ Verbindung befestigt (Bild G2.2-1b), so kann sie sich nur auf einer Kreisbahn bewegen. Die Verbindungslinie vom Drehpunkt zum Massenmittelpunkt (Schwerpunkt) überstreicht bei dieser Bewegung den Winkel γ. Aus dem zurückgelegten Weg x auf einem Kreisbogen folgt die Bahngeschwindigkeit v und die Beschleunigung a.

rx ⋅= γ (G2.2-4)

dtdrxv /γ⋅== , 22 / dtdrxa γ⋅== . (G2.2-5) Aus (G2.2-3) folgt durch Multiplikation mit der Länge des Hebelarms r das 2. NEWTON´sche Axiom für rotierende Massen (G2.2-6): "Drehmoment = Trägheitsmoment x Winkelbeschleunigung". (J: Trägheitsmoment, M: mechanisches Drehmoment, Ωm: mechanische Winkelgeschwindig-keit).

2

22

2

2

dt

drm

dt

xdrmrF

γ⋅⋅=⋅⋅=⋅ dt

dJ

dt

dJM m

2

2 Ωγ ⋅=⋅= (G2.2-6)

2rmJ ⋅= , rFM ⋅= , dtd /m γΩ = (G2.2-7) Bei einer mechanischen Drehfrequenz (Drehzahl) n von einer Umdrehung je Sekunde wird genau der Winkel γ = 2π überstrichen. Daher ist die mechanische Winkelgeschwindigkeit Ωm das 2π -fache der mechanischen Drehzahl n.

n⋅= πΩ 2m (G2.2-8) b) Arbeit und Leistung Die von einem Linearmotor geleistete Arbeit W, wenn er die Masse m mit einer konstanten Kraft F längs des Wegs x bewegt, ist die mechanische Energie, die dieser Linearmotor an die Arbeitsmaschine abgibt: "Arbeit = Kraft x Weg"

xFW ⋅= (G2.2-9) Die je Zeiteinheit t geleistete Arbeit W ist die vom Linearmotor erbrachte mechanische Leistung P:

Page 28: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.12 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

"Leistung = Kraft x Geschwindigkeit"

vFdtdxFdtdWP ⋅=⋅== // vFP ⋅= (G2.2-10) Durch Erweiterung von (G2.2-10) mit der Länge des Hebelarms r und dessen Kehrwert 1/r wird die entsprechende Formel für die rotatorische Bewegung abgeleitet: "Leistung = Drehmoment x Winkelgeschwindigkeit"

m1

/ Ωγ ⋅=⋅=⋅⋅⋅= Mdt

dM

rdtdxrFP mΩ⋅= MP (G2.2-11)

Die in der bewegten Masse m gespeicherte mechanische Energie heißt kinetische Energie. Aus (G2.2-10) folgt durch Integration:

⋅=⋅⋅=⋅⋅⋅=⋅⋅=⋅=2

2vmdvvmdtv

dt

dvmdt

dt

dxFdtPW (G2.2-12)

Für rotierende Massen entsteht (G2.2-13) aus (G2.2-12) durch Umformung. In Schwungmassenspeichern (das sind rasch rotierende Massen mit hohem Trägheitsmoment) wird dieser Effekt zur Speicherung von kinetischer Energie genutzt.

22

1 2m

2

22 Ω⋅=⋅⋅⋅= J

v

rrmW (G2.2-13)

G2.3 Energie in strömenden Flüssigkeiten Mit dem Begriff Fluide werden allgemein Gase (kompressible Fluide: Die Dichte γ ist nicht konstant!) und Flüssigkeiten (i. A. nicht kompressible Fluide: Die Dichte γ ist konstant!) zusammengefasst, wobei die Lage der einzelnen Teilchen, aus denen das Fluid besteht, ihre Lage zueinander ändern können. Somit ist die Gestalt (Körperform) eines Fluids veränderbar und i. A. veränderlich. Bei idealen Fluiden werden die einzelnen Teilchen (i. A. Moleküle) als punktförmig betrachtet, wobei bei Gasen zwischen den einzelnen Teilchen ein gewisser Abstand („leerer Raum“) auftritt, während bei Flüssigkeiten die Teilchen eng benachbart liegen, so dass sie nicht weiter zusammendrückbar sind („inkompressibel“). Die von außen über eine Fläche A wirkende Kraft F auf eine ruhende Flüssigkeit in einem Gefäß wirkt daher allseitig als statischer Druck p = F/A („hydrostatischer“ Druck) innerhalb der Flüssigkeit. I. A. aber kann sich die Flüssigkeit bei Einwirkung einer äußeren Kraft F bewegen; sie strömt. Auf Grund der Annahme idealer Teilchen (es tritt keine Teilchenumwandlung z. B. in Strahlung auf) bleibt die Masse m der Flüssigkeit auch beim „Strömen“ konstant: dm/dt = 0. Gegen die von außen wirkende, die Flüssigkeit beschleunigende Kraft wirken die innere Zähigkeitskraft (siehe unten), die innere Druckkraft und im Schwerefeld die Schwerkraft. Bei zeitlich stationärer Strömung ändert sich das Geschwindigkeitsfeld der Strömung, also die Größe und Richtung der lokalen Strömungsgeschwindigkeit v in der strömenden Flüssigkeit nicht. Die einzelnen Flüssigkeitsteilchen durchlaufen zwar bei ihrer Bewegung Orte mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, (so ist z. B. im Bild G2.3-1 die Teilchengeschwindigkeit am Ort der Querschnittsfläche A1 des Strömungskanals v1 hoch, am Ort mit der größeren Querschnittsfläche A2 mit v2 < v1 niedrig), aber das Strömungsbild der gesamten Flüssigkeit bleibt dabei zeitlich unveränderlich. Dies wollen wir nun weiter betrachten.

Page 29: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.13 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Bild G2.3-1: Die strömende Flüssigkeit mit der Masse m strömt von einem vergrößerten Kanalquerschnitt (Fläche A1) zu einem engen Kanalquerschnitt mit der Fläche A2 [Sch]. Wir nehmen an, dass im Bereich der Fläche A1 auf die Länge l1 die Strömungsgeschwindigkeit v1 herrscht. Während der Zeit t wird daher diese Länge l1 = t.v1von den Teilchen zurückgelegt. Die pro Zeiteinheit durch die Fläche A1 strömende Masse („Massestrom“) ist γγγ ⋅=== VAvtAlm 1111 / mit dem „Volumenstrom“ V . Wegen der Massen- und Dichtekonstanz gilt gemäß Bild G2.3-1 am Strömungsquerschnitt A2 für inkompressible Flüssigkeiten γγ 2211 AlAlm == und wegen tlv /22 = somit

γγγ ⋅=== VAvAvm 2211 als Kontinuitätsgleichung

2211 AvAv = (G2.3-1) Beispiel G2.3-1: Eine Flüssigkeit strömt mit der Geschwindigkeit m/s61 =v durch den Querschnitt

21 dm1=A . Wie hoch ist die Strömungsgeschwindigkeit im erweiterten

Strömungsquerschnitt 22 dm3=A ?

Antwort: m/s23/63/)3/1(/ 112112 ===⋅== vvAAvv . Können die strömenden Flüssigkeitsteilchen reibungsfrei aneinander vorbei gleiten, sprechen wir von ideal reibungsfreier Flüssigkeit, ansonsten von zähen (viskosen) Flüssigkeiten. In der Realität ist jede Flüssigkeit zäh (viskos), so dass die reibungsfreie Flüssigkeit eine Idealisierung ist (manchmal spöttisch als „trockene“ Flüssigkeit bezeichnet). Wegen der Reibung zwischen benachbarten Teilchen tritt dort die gegen diese Relativbewegung gerichtete Zähigkeitskraft Fη auf. Erfolgt die Strömung mit ausreichend niedriger Geschwindigkeitsänderung dv/dt bei veränderlichen Strömungsquerschnitten (z. B. von A1 nach A2 in Bild G2.3-1), so ist die dabei auftretende Beschleunigungs- bzw. Verzögerungskraft auf die Masseteilchen ~ dv/dt klein gegenüber Fη; die Strömung ist reibungsdominiert. Die Bahnen der einzelnen Teilchen sind annähernd parallel; es ergibt sich eine „geschichtete“ (laminare) Strömung. An den Kanalwandungen ist wegen der haftenden Reibungskraft die Strömungsgeschwindigkeit Null. Sie nimmt parabolisch zur Kanalmitte zu (Hagen-Poiseuille-Gesetz), Bild 2.3-2. Ergeben sich auf Grund der veränderlichen Strömungsquerschnitte so hohe Geschwindigkeitsänderungen dv/dt von Ort zu Ort, so dass die dabei auftretende Beschleunigungs- bzw. Verzögerungskraft auf die Masseteilchen ~ dv/dt groß gegenüber Fη ist, so ist die Strömung von dieser Trägheitskraft dominiert. Zwar ist an den Kanalwandungen wegen der haftenden Reibungskraft die Strömungsgeschwindigkeit weiterhin Null, aber die Teilchenbahnen können z.B. durch Seitwärtsbewegungen nun verwickelt und kompliziert werden. Im Kanalquerschnitt A2 (Bild 2.3-1) nahe beieinander liegende Teilchen können im Querschnitt A1 weit voneinander entfernt sein („chaotisches“ Verhalten der Teilchenbahnen), so dass „turbulente“ Strömung auftritt. Nur in der Nähe der Kanalwände, wo die Geschwindigkeit klein ist, dominiert die Zähigkeitskraft, deshalb bildet sich dort eine

Page 30: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.14 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

laminare Grenzschicht aus, aber zur Kanalmitte hin herrscht ein turbulentes Strömungsbild mit einem nicht-parabolischen Geschwindigkeitsprofil.

Bild G2.3-2: In der laminar (= reibungsdominiert) strömenden Flüssigkeit ist die Geschwindigkeitsverteilung über den Kanalquerschnitt parabolisch. In der turbulent strömenden Flüssigkeit ist diese Geschwindigkeitsverteilung über den Kanalquerschnitt nicht mehr parabolisch, sondern gegenüber dem Parabelverlauf abgeplattet, hat aber in Kanalnähe wegen der dort geringen Geschwindigkeit eine laminare Grenzschicht [Ger].

Bild G2.3-3: Betrachtung der Zähigkeits- und Trägheitskraft in einer strömenden Flüssigkeit Eine mit v bewegte Flüssigkeitssäule mit der Seitenfläche ddA ⋅= und der Dicke d hat die Masse γ⋅⋅= dAm (Bild G2.3-3). Entlang ihrer Seitenfläche A wirkt nach Newton die

Zähigkeitskraft )/( dvAF ⋅⋅≈ ηη , wobei η die dynamische Zähigkeit (kg/(m.s2) als

Stoffwert die Größe der Zähigkeit beschreibt und )/( dv proportional zur Änderung des Geschwindigkeitsprofils quer zur Strömung auf Grund dieser Zähigkeit ist. Die Trägheitskraft

dtdvmFT /⋅= schätzen wir damit ab, dass längs des Wegs d in der Zeit t die Geschwindigkeitsänderung dvvdvvvdvtvdtdv //)//(// ⋅≈⋅=== ΔΔΔ stattfindet. Das Kraftverhältnis ist die dimensionslose Reynolds-Zahl

νγηηγ

ηηη

vdvd

dvA

dvdA

dvA

dvm

F

dtdvm

F

FT ⋅=⋅=⋅⋅

⋅⋅⋅=⋅⋅

⋅≈⋅==/)/(

/

)/(

//Re

22

, (G2.3-2)

wobei γην /= als kinematische Zähigkeit ((m/s)2) bezeichnet wird. Wegen der Abschätzung ist die Länge d als charakteristische Länge abhängig von der betrachteten Kanalgeometrie. Wird z. B. für Rohrströmungen die mittlere Strömungsgeschwindigkeit vav im Strömungskanal bezeichnet (gemittelt über das Geschwindigkeitsprofil z. B. in Bild G2.3-2),

d d

Page 31: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.15 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

νavHRe

vd ⋅= , (G2.3-2)

so ist d als „hydraulischer“ Durchmesser des Kanals dH aus dem Kanalquerschnittsumfang Uk und der Kanalquerschnittsfläche Ak gemäß

kkH /4 UAd ⋅= (G2.3-3) zu ermitteln. Beispiel G2.3-2:

a) Kreisförmige Kanalquerschnittsfläche (Kanaldurchmesser dk): 4/2kk π⋅= dA , πkk dU = ,

kH dd =

b) Quadratische Kanalquerschnittsfläche (Seitenkante lk): 2kk lA = , kk 4 lU ⋅= , kH ld =

Beispiel G2.3-3: Ein Drehzylinder (Länge l, Durchmesser d) wird seitlich von einer Flüssigkeit (Dichte γ) umströmt, wobei die Geschwindigkeit der Flüssigkeit weit vom Zylinder entfernt („ungestörte“ Strömung) v∞ ist. Er setzt der Flüssigkeit die projizierte Fläche ldA ⋅= als Strömungswiderstand entgegen. a) Die Flüssigkeit ist reibungsfrei. Es stellt sich vor und hinter dem Zylinder ein identisches Strömungsbild ein. Die Flüssigkeit gleitet am Zylinder vorbei. Auf diesen wird keine Kraft übertragen: FR = 0 (Bild G2.3-4a). b) Die Flüssigkeit hat innere Reibungskräfte. Es stellt sich vor und hinter dem Zylinder ein unterschiedliches Strömungsbild ein (Bild G2.3-4b). Die Flüssigkeit überträgt auf den

Zylinder die Reibungskraft 2/)( 2WR ∞⋅⋅⋅= vldcF , wobei der dimensionslose Beiwert

(Re)Wc von Re abhängt. Die Reynolds-Zahl wird als ν/Re ∞⋅= vd berechnet. Es werden in

Bild G2.3-4c abnehmende kinematische Zähigkeiten ν untersucht: - Bei hoher Zähigkeit Re = 0.01 ist cW = 10. Das Strömungsbild scheint vor und hinter dem Zylinder symmetrisch, ist es aber bei genaurer Analyse (mehr Stromlinien zeichnen!) auf Grund der Reibkraft nicht. - Bei Re = 20 ist cW = 2, und die nun stärker wirksamen Trägheitskräfte beschleunigen die Teilchen hinter dem Zylinder zur Mitte hin, so dass sich je zwei Strömungswirbel (links- und rechtsdrehend) symmetrisch ausbilden. - Bei Re = 100, cW = 1.5, lösen sich diese Wirbel abwechselnd als links- und rechtsdrehende Wirbel ab und bilden eine Wirbelstraße (erstmals berechnet von T. v. Kàrmàn), wobei sich diese Wirbel nach und nach auf Grund der Reibungskräfte auflösen. - Bei Re = 10000, cW = 1, werden die Wirbel auf Grund der immer turbulenter werdenden Strömung durchmischt, und bei Re = 1 000 000, cW = 0.3, bildet sich eine turbulente Totwasser-Zone hinter dem Zylinder aus. Abhängig von der Zahl Re hat man somit eine laminare oder turbulente Strömung vor sich, wobei für laminare Strömungen Re < Rekrit und für turbulente Strömungen Re > Rekrit gilt. Diese kritische Reynolds-Zahl Rekrit für das Umschlagen der Strömung hängt von der jeweiligen Strömungsgeometrie ab. Für die oben erwähnte Rohrströmung (vgl. (G2.3-2)) gilt Rekrit = 2000. Man muss also bei der energetischen Betrachtung von Strömungen stets vor Augen haben, dass auf Grund der Wechselwirkung der Trägheits- und Reibungskräfte lokal sich Wirbel mit begleiteter Wirbelablösung ausbilden können (z. B. an Tragflächenprofilen von Windturbinenrotoren), die neben Energieverlusten in der Strömung (diese erwärmt sich

Page 32: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.16 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

auf Grund der Reibung) zu Geräuschen, verursacht durch die wirbelnde Strömung und zur Schwingungsanregung des umströmten Körper auf Grund der impulsartigen Kräfte bei der Wirbelablösung führen können.

a) b)

c) Bild G2.3-4: a) Stromlinien einer reibungsfrei strömenden Flüssigkeit um einen Drehzylinder [Ger], b) wie a), jedoch reibungsbehaftete Strömung [Sch], c) wie a), wobei jedoch die Zähigkeiten in 5 Schritten abnimmt (= die Reynolds-Zahlen nehmen zu) [Fey] Sieht man von diesen Effekten der lokalen Strömungsausbildung ab, so kann man in inkompressiblen, näherungsweise reibungsfreien stationären Strömungen die „mittlere“ Bahn eines Teilchens im Strömungsfeld verfolgen und entlang dieses Stromfadens die Energiebilanz aufstellen („Stromfadentheorie“). Es müssen dann kinetische Energie, Druckenergie und potentielle Energie an unterschiedlichen Stellen entlang des Stromfadens konstant sein. Für ein Stromfadenstück der Länge l und des Querschnitts A (also der Masse

lAm ⋅⋅= γ ) in der Höhe h oberhalb der (unendlich ausgedehnt angenommenen) Erdoberfläche gilt

konst.2/2pdk =⋅⋅+⋅⋅+⋅=++ hgmlApvmWWW (G2.3-4)

Page 33: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.17 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

konst./2/2 =⋅++ hgpv γ (Bernoulli-Gleichung für einen Stromfaden) (G2.3-5) Daraus folgt für zwei unterschiedliche Orte 1 und 2 entlang des Stromfadens

222211

21 /2//2/ hgpvhgpv ⋅++=⋅++ γγ . (G2.3-6)

Beispiel G2.3-4: Offenes Wassergerinne, das daher nur dem überall gleichen Luftdruck p = p0 ausgesetzt ist (Bild G2.3-5a). Aus einem Becken (Ort 1) mit der Höhe h gegenüber dem Ende der Wasserrinne (Ort 2) fließt mit sehr kleiner Geschwindigkeit v1 ≈ 0 Wasser in die Wasserrinne. Wie groß ist die Wasserfließgeschwindigkeit v2 am Ort 2? Mit 21 hhh += , 021 ppp == und

01 ≈v folgt: 20222020

21 /2/)(/)(/2/ hgpvhhgphhgpv ⋅++=+⋅+≈+⋅++ γγγ ,

222 vhg ≈⋅⋅ , hgv ⋅⋅= 22 .

Diese „Ausfluss-Formel“ entspricht der frei fallenden Flüssigkeit im Schwerefeld mit

/222k2p22k1p1pk1ges vmWWWhgmWWWW ⋅==+=⋅⋅==+= , hgv ⋅⋅= 22 .

Beträgt die Höhendifferenz h = 100 m, dann ist km/h159m/s3.4410081.922 ==⋅⋅=v . Beispiel G2.3-5: Berücksichtigt man in Bsp. G2.3-4 v1 > 0, so liefert die Kontinuitätsgleichung (G2.3-1) eine Strahleinschnürung, die man gut beim frei fallenden Wasser am Wasserleitungshahn

beobachten kann (G2.3-5b). Es folgt mit 2/2/ 22

21 vhgv =⋅+ und 2211 AvAv = :

2112112 /21/)/( vhgAvvAA ⋅⋅+=⋅= . Bei m/s21 =v beträgt die Strahleinschnürung nach

cm20=h bereits 71.02/2.081.921/1/21/1/ 22112 =⋅⋅+=⋅⋅+= vhgAA . Bei sehr

starker Strahleinschnürung 02 →A versagen die Vereinfachungen der Stromfadentheorie. Die (vernachlässigten) Anziehungskräfte der polaren Moleküle (Oberflächenspannung macht sich bemerkbar = Kapillarwirkung!) führen anstatt zu einer weiteren Einschnürung zu einem Abreißen des Strahls, so dass sich einzelne Tropfen bilden.

a) b) Bild G2.3-5: a) Offenes Wassergerinne mit dem Höhenunterschied h („Gefälle“), b) Strahleinschnürung eines frei fallenden Wasserstrahls (Quelle: Wikipedia)

Page 34: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.18 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Die innere Reibung kann näherungsweise auch in der Stromfadentheorie berücksichtigt werden, indem die gegen die Strömungsrichtung wirkende Reibungskraft als Druckverlust

pΔ erfasst wird. Bei laminarer Strömung wird dies durch die Zähigkeitskraft ausgedrückt:

AFp /ηΔ = . In turbulenter Strömung hängt gemäß Bsp. G2.3-3 diese Kraft von Re ab und

kann über Strömungswiderstandsbeiwerte ζ(Re) ähnlich cW im Bsp. G2.3-3 abhängig von der jeweiligen Kanalgeometrie z. B. für Rohrleitungen bei Re > Rekrit = 2000 ermittelt werden.

2/(Re) 2vp ⋅⋅= γζΔ (G2.3-7)

222211

21 /)(2//2/ hgppvhgpv ⋅+++=⋅++ γΔγ (G2.3-8)

G2.4 Wärmeenergie G2.4.1 Ideales Gas Gase eines bestimmten Stoffs (z. B. Wasserstoff) umfassen viele Moleküle (i = 1, …, N) dieses Stoffs (z. B. Wasserstoffmoleküle H2) als kleine, frei bewegliche Teilchen, denn zwischen diesen Teilchen ist leerer Raum. Diese Teilchen mit denselben Molekülmassen m bewegen sich auch im äußerlich ruhenden (also nicht strömenden) Gas mit unterschiedlichen

Geschwindigkeiten vi und haben daher unterschiedliche kinetische Energien 2/2, iik vmW ⋅= .

Bei idealisierter Betrachtung sind die Teilchen punktförmig, denn die Molekülabmessungen d (Größenordnung einige Ångström, 1 Å = 10-10 m) sind klein gegenüber den mittleren Abständen zwischen den Molekülen (abgeschätzt über die mittlere freie Weglänge l eines Moleküls zwischen zwei Stößen, die z. B. bei H2-Gas bei einem äußeren Druck von 1 bar und

einer Gastemperatur von 0 °C etwa 2.7.10-7 m beträgt: 270010/107.2/ 107 =⋅= −−dl ). Wegen ihrer kleinen Molekülmassen sind die Gravitationskräfte zwischen ihnen vernachlässigbar klein. Beispiel G2.4.1-1:

H2-Gas bei 1 bar, 0°C, Molekül-(Ruhe)-Masse kg104.3 27−⋅≈m , Abstand zwischen zwei

Molekülen eine halbe freie Weglänge m1035.12/ 7−⋅== lr , anziehenden Gravitationskraft

N102.4)1035.1/()104.3(1067.6 5027227112

−−−− ⋅=⋅⋅⋅⋅=⋅⋅=r

mmGF

a) Ruhendes ideales Gas Ein ideales Gas besteht folglich aus nichtunterscheidbaren punktförmigen Teilchen mit jeweils gleicher Teilchenmasse m, die keine Kräfte aufeinander ausüben. Stöße zwischen den einzelnen Teilchen erfolgen wegen der vernachlässigten Teilchengröße (Teilchendurchmesser d sehr klein) stets zentral und elastisch; denn die Teilchen werden beim Stoß nicht deformiert (Bild G2.4.1-1). Unter äußerem Druck wird der mittlere Abstand der Teilchen verringert, so dass das Gas komprimiert wird und seine Dichte zunimmt. Nach L. Boltzmann ist die von uns körperlich fühlbare Temperatur nichts anderes als jene Größe, die die kinetische Energie der Teilchen des Gases beschreibt. Dies wollen wir im Folgenden besser verstehen. Wenn alle Gasteilchen ruhen, also ihre kinetische Energie Null ist, ist demnach diese „absolute Temperatur“ Null: T = 0 K (Kelvin). Dieser Zustand entspricht der Temperatur C15.273 °−=ϑ (Grad Celsius).

Page 35: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.19 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

a) b) Bild G2.4.1-1: a) Beispiel für einen nichtzentralen Stoß zweier Kugeln mit dem Durchmesser d infolge des Abstands Δ < d/2 zwischen den beiden Massemittelpunkten, b) Zentraler elastischer Stoß zweier punktförmiger und daher nicht deformierbarer Massen m (d → 0, Δ → 0) Es gibt also einen tiefsten Wert der Temperatur, den „absoluten Nullpunkt“ bei -273.15 °C, den wir aber wegen der damit verbundenen Energie „Null“ nie ganz erreichen können (Nernst´scher Satz oder 3. Hauptsatz der Wärmelehre). Die absolute Temperatur T (in K) und die Temperatur ϑ (in °C) haben den Zusammenhang K15.273+= ϑT .

Mit Berücksichtigung der o.g. Annahmen haben Maxwell und Boltzmann auf statistischem Weg die Häufigkeitsfunktion f(v) der Geschwindigkeitsverteilung (G2.4.1-1) berechnet (Maxwell-Boltzmann-Verteilung), mit der eine bestimmte Menge der Teilchen des Gases im Raum „herumfliegt“ (Bild G2.4.1-2), wobei die Boltzmann´sche Konstante

J/K103805.1 23−⋅=k eingeführt wurde. Dieser Bruchteil der Teilchenzahl (bezogen auf die Gesamtzahl der Teilchen N), die mit Geschwindigkeiten v … v + dv fliegen, ist demnach

dvvf ⋅)( . Die Gesamtzahl aller Teilchen, bezogen auf ihre echte Teilchenzahl N, ist folglich

1)(0

=⋅∞

dvvf .

)2/(22/3

22)( Tkvmev

kT

mvf ⋅⋅⋅−⋅⋅

⋅=

π (G2.4.1-1)

Bild G2.4.1-2: Maxwell-Boltzmann-Verteilung der Molekülgeschwindigkeiten in Luft für vier unterschiedliche Lufttemperaturen 100 K, 300 K, 1000 K, 3000 K [Ger]. Je höher die Gastemperatur T, desto schneller sind „im Mittel“ die Moleküle. Gemäß Bild G2.4.1-2 fliegt der größte Anteil der Moleküle (= Maximum von f(v)) bei 100 K mit ca. 300 m/s und bei Raumtemperatur (300 K ≈ 27 °C) mit ca. 400 m/s. Demnach ist auch die kinetische Energie der Teilchen unterschiedlich.

Mit 2/2k vmW ⋅= und vmdvvmddvdW ⋅=⋅= /)2/(/ 2

k erhalten wir über dvvmdW ⋅⋅=k aus (G2.4.1-1) die Verteilung der kinetischen Energie g(Wk) auf die einzelnen Teilchen (G2.4.1-2).

Page 36: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.20 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

)/(2/3

kk

k

)(

2)( TkWe

Tk

WWg ⋅−⋅

⋅⋅=

π (G2.4.1-2)

Jene mittlere kinetische Energie kW je Teilchen, mit der die Teilchen unterwegs sind, muss

gemäß 2

)(

22/

1 av2

1

2

1

2k

vmv

N

mvm

NW

N

ii

N

ii

⋅=⋅

=⋅= ==

über den Mittelwert von avv )( 2

berechnet werden. Die Anzahl der Teilchen kk )( dWWgdn ⋅= hat die Energie kW , folglich ist die mittlere kinetische Energie durch die Summation über alle Energiebeiträge

kkkk )( dWWgWdnW ⋅⋅=⋅ zu finden.

⋅−∞

⋅⋅⋅

=⋅⋅=0

k)/(

2/3

2/3k

0kkkk

k

)(

2)( dWe

Tk

WdWWgWW TkW

π (G2.4.1-3)

Mit der Substitution )/(kTWw k= erhalten wir

TkkT

dwewkT

W w ⋅⋅=⋅⋅=⋅⋅⋅⋅= ∞

2

3

4

322

0

2/3k

πππ

. (G2.4.1-4)

Es ist also die mittlere kinetische Energie je Teilchen - wie oben behauptet - zur absoluten Temperatur T direkt proportional. Da sich die Gasteilchen mit vx in x-Richtung, mit vy in y-Richtung und mit vz in z-Richtung bewegen, ist der Betrag des Geschwindigkeitsvektors

),,( zyx vvvv = durch 222zyx vvvv ++= gegeben. Demgemäß gilt für den Mittelwert des

Geschwindigkeitsquadrats aller Teilchengeschwindigkeiten:

av2zav

2yav

2xav

2 )()()()( vvvv ++= . (G2.4.1-5)

Tkvvv

mvm

Wk ⋅⋅=++

⋅=⋅=2

3

2

)()()(

2

)( av2zav

2yav

2xav

2

. (G2.4.1-6)

Da im Mittel keine der drei Raumrichtungen bevorzugt ist (Gleichverteilungsprinzip oder „Äquipartitionsprinzip“ der Thermodynamik), gilt mit av

2zav

2yav

2x )()()( vvv == :

m

Tkv

⋅=av2x )( . (G2.4.1-7)

Ein „warmes“ Gas einer bestimmten Temperatur T mit N Gasteilchen hat also einen bestimmten Energieinhalt kWNW ⋅= . Diese „innere Gasenergie“ wird häufig mit U bezeichnet, und ist beim idealen Gas die kinetische Energie seiner Teilchen, da andere Energieformen nicht auftreten. Beim „realen“ Gas kommt die potentielle Energie der Wechselwirkungskräfte zwischen den Teilchen, ggf. auch die chemische Bindungsenergie der Teilchen als Moleküle, der Atombindungsenergie der Atome selbst etc. hinzu, je nach dem, welcher physikalische Vorgang betrachtet wird. Gemäß W = U ist Wärme eine Form von Energie („Wärmeenergie“, 1. Hauptsatz der Wärmelehre). Wärmenergie wird allgemein

Page 37: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.21 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

mit Q bezeichnet. Wenn also ein Gas vorher am absoluten Nullpunkt T = 0 die innere Energie U = 0 hatte, und ihm wird die Wärme Q zugeführt, hat es danach die innere Energie U = Q und eine entsprechende absolute Temperatur T > 0. Die Temperatur T gibt an, wie viel kinetische Energie im Mittel auf ein Gasmolekül entfällt. Wärmeenergie ist somit innere Bewegungsenergie eines Gases oder einer Flüssigkeit, aber auch eines Festkörpers. Beim Festkörper können sich die Atome im Kristallverband zwar nicht frei bewegen, aber sie können um ihre Ruhelage schwingen. Diese Schwingungsenergie tritt als kinetische Energie der Atome als innere Bewegungsenergie auf.

UTkNW =⋅⋅⋅=2

3 . (G2.4.1-8)

Beispiel G2.4.1-1:

H2-Gas bei 1 bar, 0°C = 273.15 K, Molekül-(Ruhe)-Masse kg104.3 27−⋅≈m ,

m/s1824104.3

15.273103805.133)(

27

23

av2 =

⋅⋅⋅⋅=⋅⋅= −

m

Tkv

Die Bewegung der Moleküle in einem ruhenden Gas einer bestimmten Gastemperatur T hat Stöße der Moleküle gegen die Gefäßwand zur Folge, die als Gasdruck p wahrgenommen werden. Ein Molekül der Masse m, das in x-Richtung mit vx senkrecht auf eine Gefäßwand (Wandfläche Ax, Gefäßvolumen V) prallt, wird von dieser mit -vx elastisch reflektiert. Der Bewegungsimpuls xvm ⋅ des Moleküls in x-Richtung hat sich nun umgekehrt auf xvm ⋅− .

Die Impulsänderung des Teilchens während des Stoßes ist somit xxx vmvmvm ⋅⋅=⋅−−⋅ 2)( .

Dieser Impuls wurde auf die Wand übertragen. Wir nehmen nun an, dass im Mittel alle

Teilchen in x-Richtung die mittlere Geschwindigkeitskomponente av2xx )(vv ±=± haben.

Wenn insgesamt N Teilchen vorhanden sind, werden im Mittel stets N/2 Teilchen eine

positive und N/2 Teilchen eine negative Geschwindigkeitskomponente av2x )(v in x-

Richtung aufweisen. Im Zeitintervall tΔ erreichen daher alle jene Moleküle, die sich innerhalb der Entfernung xvt ⋅Δ von der Wand befinden, die Wand. Das sind alle die in

einem Volumen xx vtA ⋅⋅ Δ enthaltenen Moleküle mit positivem xv , somit

VvtAN /)2/( xx ⋅⋅⋅ Δ Teilchen. Sie übertragen demnach auf die Wand während der Zeit tΔ

den Gesamtimpuls VNvmtAVvtANvm //)2/()2( 2xxxxx ⋅⋅⋅⋅=⋅⋅⋅⋅⋅ ΔΔ . Die auf die Wand

wirkende Kraft als Impulsänderung pro Zeit tVNvmtAF ΔΔ /)/( 2xxx ⋅⋅⋅⋅= wird als Druck

an der Wand VNvmAFp // 2xxxx ⋅⋅== wahrgenommen. Dieser Druck wirkt somit auch im

Gas. Da keine der drei Raumrichtungen ausgezeichnet ist, erhalten wir in gleicher Weise

VNvmVNvmVNvmpppp /)(/)(/)( av2zav

2yav

2xzyx ⋅⋅=⋅⋅=⋅⋅==== und mit (G2.4.1-5)

und der Gasdichte VmN /⋅=γ schließlich den Gasdruck

γ⋅=⋅⋅=3

)(/

3

)( av2

av2 v

VmNv

p , (G2.4.1-9)

TkNNTk

Nvm

Vp ⋅⋅=⋅⋅⋅⋅=⋅⋅⋅

=⋅3

2

2

3

3

2

2

)( av2

. (G2.4.1-10)

Page 38: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.22 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Mit der Anzahl von Gasmolekülen je Volumen n = N/V erhalten wir den Gasdruck im idealen Gas

Tknp ⋅⋅= . (G2.4.1-11) Beispiel G2.4.1-2: a) Bei 0 °C (T = 273.15 K) und Luftdruck 1 bar (= 105 Pa) enthält ein Kubikmeter Raumvolumen (V = 1 m3) JEDES idealen Gases gemäß (G2.4.1-10)

2523

5

A 10652.215.273103805.1

110 ⋅=⋅⋅

⋅=⋅⋅= −Tk

VpN Teilchen (Avogadro-Zahl).

b) H2-Gasdichte: 32725A kg/m09.01/104.310652.2/ =⋅⋅⋅=⋅= −VmNγ bei 0°C, 1 bar;

(genauer 3H kg/m0887.0

2=γ ).

Darüber hinaus hat man die Gasmenge, die 2610023.6 ⋅=L Teilchen enthält, als die Stoffmenge 1 kmol (1 Kilo-Mol), definiert, wobei L die Loschmidt´sche Zahl ist. Daher ist das Verhältnis 71.22/ A =NL . In der englischsprachigen Literatur wird genau umgekehrt der

Name Avogadro-Zahl für /mol10023.61000/´ 23⋅== LL und der Name Loschmidt-Zahl für 325 m/10652.2 ⋅ verwendet. Vereinfacht werden oft beide Namen Avogadro-Zahl und

Loschmidt-Zahl für /mol10023.6´ 23⋅=L verwendet – also diesbezüglich Vorsicht beim Lesen von unterschiedlichen Physikbüchern! Beispiel G2.4.1-3: Die Stoffmenge von L Gasteilchen eines BELIEBIGEN idealen Gases erfüllt bei 0 °C (T = 273.15 K) und Luftdruck 1 bar (= 105 Pa) ein Raumvolumen von

35

2326

0m, m71.2210

15.273103805.110023.6 =⋅⋅⋅⋅=⋅⋅=−

p

TkLV , genannt „Molvolumen“ eines

Kilomols, daher 3m,0 dm71.22=V das Molvolumen eines Mols.

Aus (G2.4.1-10) folgt mit der Kilomolzahl LN /m =ν bzw. Molzahl ´/m LN=′ν und

RkL =⋅ bzw. ´RkL =⋅ die Zustandsgleichung für ideale Gase

TRVp ⋅⋅=⋅ mν bzw. TRVp ⋅′⋅′=⋅ mν (G2.4.1-12) mit der universellen Gaskonstante

K)J/(kmol8314103805.110023.6 2326 ⋅=⋅⋅⋅=⋅= −kLR . (G2.4.1-13) bzw. K)J/(mol8314 ⋅=⋅′=′ kLR . Sind mehrere Gase (allgemein K Gassorten) im Raum vorhanden, so beeinflussen diese einander bezüglich Druck im Gleichgewichtszustand bei der gemeinsamen Gastemperatur T nicht, wenn zwischen den Partnern keine chemischen Reaktionen auftreten. Der Gesamtdruck p ist dann die Summe der Teildrücke pi (Dalton´sches Gesetz). Jedes der Gase erzeugt den seiner Teilchendichte ni entsprechenden Teildruck (Partialdruck) Tknp ii ⋅⋅= .

Page 39: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.23 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

==

⋅⋅=⋅⋅=K

ii

K

ii nTkTknp

11

. (G2.4.1-14)

Wird nun ein Gasbereich mit höherer Gastemperatur T2 > T1 mit einem Gasbereich mit niedrigerer Gastemperatur T1 (z. B. über eine Gefäßwand) in Verbindung gebracht, ohne dass sich die beiden Gase mischen, so übertragen die heißeren (schnelleren) Teilchen ihre größere mittlere Bewegungsenergie 22k )2/3( TkW ⋅⋅= durch Zusammenstöße über die Gefäßwand zum Teil auf die im Durchschnitt langsameren Moleküle des kälteren Gasbereichs, die dadurch etwas schneller werden. Nach einer bestimmten Zeit (thermischer Ausgleichsvorgang) sind die schnelleren (heißeren) Moleküle im Mittel etwas langsamer und die kälteren (langsameren) Moleküle etwas schneller geworden und haben nun dieselbe mittlere Temperatur T3. Bei diesem Vorgang der Wärmeleitung geht die Wärmeenergie stets vom wärmeren auf den kälteren (Körper-)Teil über, bis ein Temperaturausgleich hergestellt ist. Es geht somit Wärme VON SELBST nur vom wärmeren zum kälteren Körper über (2. Hauptsatz der Wärmelehre). Wenn im obigen Beispiel z. B. die Teilchenanzahl N1 = N2 = N/2 ist und beim Ausgleichsvorgang keine Wärme nach außen abgeführt wird, ist mit

2211 2

3)2/(

2

3)2/( TkNUTkNU ⋅⋅⋅=>⋅⋅⋅= die sich einstellende Gastemperatur

22

3

22

3

22

3 21321213

TTTTk

NTk

NUUTkNU

+=⋅⋅⋅+⋅⋅⋅=+=⋅⋅⋅= .

Sie ist niedriger als T2, aber höher als T1, weil Wärmeenergie 2/)( 12 UU − vom heißeren zum kälteren Gas geflossen ist. Nach dem Ausgleichsvorgang haben beide Gasmengen die Energiemengen von je 2/)( 12 UU + . Beachten Sie, dass beim Verletzen des zweiten Hauptsatzes durch die Annahme, dass von selbst Energie vom kalten zum warmen Gas fließt (z. B. die Menge ΔU), so dass danach das heiße Gas noch heißer wäre (Energie

UUU Δ+=′ 11 ) und das kalte noch kälter ( UUU Δ−=′ 22 ), immer noch der Energieerhaltungssatz, dass in einem abgeschlossenen System die Summe aller Energien konstant ist, nicht verletzt wäre: 2121 UUUU +=′+′ . Zwischen dem Energieerhaltungssatz und dem 2. Hauptsatz der Wärmelehre besteht also ein grundsätzlicher Unterschied: Die Energieerhaltung wird ausnahmslos und in voller Strenge im gesamten Bereich der Physik als gültig angesehen. Der zweite Hauptsatz ist hingegen ein nur im statistischen Mittel gültiger Satz, der nur für aus sehr vielen Molekülen oder Atomen bestehenden Kollektiven (Gasen, Festkörper, etc.) gilt (N muss eine sehr große Zahl sein, vgl. NA oder L!). Bei ganz geringen Teilchenzahlen ist die mittlere Energiebetrachtung (G2.4.1-6), die zum Begriff der Temperatur T führt, wegen der möglichen großen Abweichungen der einzelnen Teilchenenergien vom Mittel nicht mehr sinnvoll. Bei wenigen Teilchen (N z. B. 30) ist es durchaus möglich, dass bei den Stößen zufällig die langsameren Teilchen noch Energie verlieren und die schnelleren Teilchen auf Kosten der langsameren Teilchen noch schneller werden. Dies wäre natürlich auch bei großem N prinzipiell möglich, aber ausgesprochen unwahrscheinlich (Wahrscheinlichkeit w für einen bestimmten Zustand der Energieverteilung auf die einzelnen Moleküle eines Kollektivs von N Molekülen: 10 ≤≤ w wäre 0≈w ), während bei kleinem N die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Vorgang durchaus groß sein kann. Es ist somit durchaus möglich, dass eine Bleistiftspitze plötzlich ohne Wärmezufuhr und ohne sonstigen ersichtlichen Grund zu glühen beginnt, in dem die durch viele Stöße infolge der ungeordneten Molekularbewegung gleichmäßig verteilte Bewegungsenergie zufällig in extrem hohen Maß den Molekülen der Spitze zugeführt wurde. Die Wahrscheinlichkeit w für so einen geordneten Energieverteilung (wenige Teilchen haben

Page 40: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.24 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

viel Energie, viele Teilchen haben sehr wenig Energie) ist aber bei großem N (nahezu) Null. Diese zahlenmäßig sehr kleine Wert wird durch den Logarithmus vergrößert, so dass anstelle w die Entropie

)ln(wkS ⋅= (G2.4.1-15) zur Beschreibung dieser Wahrscheinlichkeit verwendet wird. Dass in einem gasgefüllten Gefäß die linke Hälfte mit Teilchen hoher Energie (heißes Gas), die rechte Hälfte mit Teilchen niedriger Energie gefüllt ist, ist unwahrscheinlich (S klein), dass das Gefäß mit Teilchen mittlerer Energie gefüllt ist, auf Grund der Stöße sehr wahrscheinlich (S groß). Somit ist der oben beschriebene Ausgleichsvorgang, bei dem Wärme von selbst vom heißeren auf den kälteren Gasteil fließt, ein Vorgang vom Zustand mit geringer Entropie zu einem Zustand mit hoher Entropie. Ein System hört erst dann auf, von selbst seinen Zustand zu ändern, bis es den maximal wahrscheinlichen Zustand, also den Zustand mit der größten Entropie, erreicht hat. Einatomige Gase sind die Edelgase (He, Ne, Ar, …), da die Elektronenhülle ihrer Atome stets so mit Elektronen gefüllt ist, dass je Energiewert der negativ geladenen Elektronen gegenüber dem positiv geladenen Kern zwei Elektronen mit entgegen gesetztem Spin („Eigenrotation“) auftreten („Spinabsättigung“). Diese nur nach den Gesetzen der Quantenmechanik zu verstehende Eigenschaft macht die Atome dieser Edelgase äußerst träge gegenüber einer chemischen Verbindung mit anderen Atomen, weshalb sie „edel“ genannt werden. Einatomige Gase werden durch das Modell des idealen Gases in vielerlei Hinsicht sehr gut beschrieben. Die den Edelgasen bei konstantem Gasvolumen V (z. B. in einem abgeschlossenen Gefäß) zugeführte Wärmenergie ΔQ wird gemäß (G2.4.1-8) gänzlich in kinetischer Translationsenergie gespeichert, da diese im Atomkern nahezu punktförmigen Massen (nahezu) keine Rotationsenergie aufweisen. Die entsprechende Erhöhung der Gastemperatur ΔT berechnen wir mit

TCTRTkNQ ΔνΔνΔΔ ⋅⋅=⋅⋅⋅=⋅⋅⋅= mVmm 2

3

2

3 , (G2.4.1-16)

wobei )2/3(mV ⋅= RC die molare Wärmekapazität des idealen Gases bei konstantem

Volumen ist. Es ist die erforderliche Wärmemenge, um die Gasmenge von 1 kmol (Gasteilchenzahl N = L) um ΔT = 1 K bei konstantem Volumen zu erwärmen. Wird einem Edelgas bei konstantem Gasdruck p (z. B. in einem Zylinder mit verschiebbarem Kolben mit der Kolbenfläche A, so dass das Gas sich bei Erwärmung mit p = konst. ausdehnen kann.) Wärmenergie ΔQ zugeführt, so wirkt auf den Kolben die Kraft

ApF ⋅= in Richtung der Kolbenbewegung. Das Gas dehnt sich gemäß (G2.4.1-12) um

pTRV /m ΔνΔ ⋅⋅= , so das der Kolben den Weg AVl /ΔΔ = zurücklegt. Es wird am Kolben

von ΔQ die mechanische Arbeit VplAplFW ΔΔΔΔ ⋅=⋅⋅=⋅= geleistet. Die Energiebilanz lautet demnach

TRTCVpTCWTCQ ΔνΔνΔΔνΔΔνΔ ⋅⋅+⋅⋅=⋅+⋅⋅=+⋅⋅= mmVmmVmmVm .

TCTRCQ ΔνΔνΔ ⋅⋅=⋅+⋅= mpmmVm )( (G2.4.1-17)

Es ist )2/5()2/3(mVmp ⋅=+⋅=+= RRRRCC die molare Wärmekapazität des idealen Gases (Einheit J/(kmol.K)) bei konstantem Druck, also die erforderliche Wärmemenge, um

Page 41: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.25 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

die Gasmenge von 1 kmol (Gasteilchenzahl N = L) um ΔT = 1 K bei p = konst. zu erwärmen. Wird die molare Wärmekapazität in der Einheit J/(mol.K)) angegeben, ist ihr Zahlenwert um den Faktor 1000 kleiner. b) Strömendes ideales Gas Die bisherigen Betrachtungen betrafen das ruhende Gas in einem Gefäß und dessen Wärmeenergie. Bei strömendem Gas, z. B. einem auf eine Turbinenschaufel auftreffenden Wasserdampfstrahl, tritt zusätzlich zur „inneren“ Geschwindigkeit der einzelnen Gasmoleküle die allen Teilchen gemeinsame (mittlere) Geschwindigkeit des strömenden Gases, auch Driftgeschwindigkeit vG bezeichnet, auf. Damit erhalten wir zusätzlich die kinetische Energie der strömenden Gasmasse. Die je Zeiteinheit tΔ durch eine Querschnittsfläche A eines Strömungskanals fließende Masse Δm ist der Massestrom tVtmm ΔΔγΔΔ /)(/ ⋅== .

Bei konstanter Gasdichte γ folgt daraus mit tvAlAV G ΔΔΔ ⋅⋅=⋅= und dem Volumenstrom

tVV ΔΔ /=

GvAVm ⋅⋅=⋅= γγ . (G2.4.1-18)

Beachten Sie, dass bei strömendem Gas i. A. die Kontinuitätsgleichung (G2.3-1) nicht mehr gilt, denn auch die Dichte kann sich nun in jedem Strömungsquerschnitt ändern, weil Gase kompressibel sind. Nur der Massestrom m selbst muss konstant bleiben, wenn keine Masse verloren gehen soll. Deshalb gilt nun die erweiterte Kontinuitätsgleichung

222111 AvAv γγ = . (G2.4.1-19) Sowohl den inkompressiblen als auch den kompressiblen Fluiden ist aber gemeinsam, dass sich eine lokale Druckänderung (also eine Änderung des hydrostatischen Drucks in Flüssigkeiten oder des Gasdrucks in Gasen) nicht beliebig schnell im gesamten Fluid ausbreiten kann. Diese lokale Druckerhöhung oder Erniedrigung durch eine lokale Störung wird durch die Stöße in Längsrichtung (= Ausbreitungsrichtung der Druckstörung) zwischen den einzelnen Teilchen des Fluids „weitergegeben“, und zwar wellenartig in Form eine Longitudinalwelle als Druckwelle. Diese wellenartige Ausbreitung einer Druckänderung nennen wir allgemein Schallwelle, auch wenn wir sie ggf. mit unseren Ohren nicht hören können, weil die Frequenz der Druckschwankung außerhalb unseres Hörbereichs liegt (z. B. oberhalb unserer Hörschwelle von 16 kHz (bei jungen, gesunden Ohren) als Ultraschall). Die Geschwindigkeit dieser Schallwelle als Schall-Geschwindigkeit c0 hängt vom jeweiligen

Medium und dessen Zustand ab, z. B. im idealen Gas γ/~0 pc . Strömt das Fluid

langsamer als c0 (vG < c0), ist diese eine Unterschallströmung, andernfalls mit vG > c0 eine Überschallströmung, ausgedrückt durch die Mach-Zahl 0/Ma cvG= als 1Ma < oder

1Ma > . In einer Überschallströmung werden somit stromaufwärts Druckstörungen, die stromabwärts auftreten, nicht mehr wahrgenommen, da das strömende Fluid die Schallwelle mit sich fort trägt (wegen der positiven Geschwindigkeitsdifferenz 00 >− cvG ).

Beispiel G2.4.1-4: Strömen eines Fluids durch eine „Düse“ (Querschnittsflächenverengung von A1 auf A2 und anschließende Erweiterung auf A3): (i) Inkompressibles Fluid: Die Geschwindigkeit steigt von v1 bei A1 auf )/( 2112 AAvv ⋅= an

und sinkt bei A3 wieder auf )/( 3113 AAvv ⋅= ab. Wenn an der engsten Stelle der Düse

02 cv < gilt, kann das Fluid durch die Düse nicht auf Überschallgeschwindigkeit beschleunigt

werden.

Page 42: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.26 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

(ii) Kompressibles Fluid: Wenn die Geschwindigkeit von v1 bei A1 auf )/( 2112 AAvv ⋅= bei

z. B. .konst=γ zunimmt, kann sie bei A3 durch entsprechendes Absenken der Dichte 13 γγ <

noch weiter beschleunigt werden 0313113 )/()/( cAAvv >⋅⋅= γγ und doch noch Überschall

erreichen. Dies wird in der Laval-Düse angewendet. G3 Repetitorium: Grundlagen der Elektrotechnik G3.1 OHM´sches Gesetz

Die elektromagnetischen Grundgesetze beschreiben die Wirkprinzipien der elektromagnetischen Energiewandlung: - Die Erzeugung magnetischer Felder durch stromdurchflossene Spulen wird durch den

AMPÈRE´schen Durchflutungssatz beschrieben. - Die berührungslose Energieübertragung von ruhenden auf bewegte Teile oder von einer

Spule auf eine zweite, galvanisch getrennte Spule wird durch das FARADAY´sche Induktionsgesetz bestimmt.

- Die Erzeugung mechanischer Kräfte durch die Wirkung magnetischer Felder auf strom-durchflossene Leiter beschreibt das LORENTZ´sche Kraftgesetz.

- Die Feldlinien von B sind stets geschlossen, d. h. Nord- und Südpole treten immer paarweise auf. Es sind bis jetzt keine magnetischen "Monopole" bekannt.

Werkstoffgesetze beschreiben - die Wirkung von Permanentmagneten zur Magnetfelderzeugung, - den Stromfluss in Leiterwerkstoffen (OHM´sches Gesetz), - die Magnetfeldverstärkung durch magnetisierbare Stoffe (z. B. Eisen), - die isolierende Wirkung von Isolierwerkstoffen z. B. zwischen spannungsführendem Leiter

und geerdetem Gehäuse des Wandlers. Leiterwerkstoffe: Kupfer, Aluminium (in Ausnahmefällen Supraleiter) Isolierwerkstoffe: Kunststoffe, Glas, Glimmer, Kunstharze Tabelle G3.1-1: Vergleich von Stoffwerten ausgewählter Werkstoffe (reine Stoffe) bei ϑ = 20 °C. Die Zunahme des OHM´schen Widerstands R mit der Temperatur ϑ (gemessen in °C) ist im Temperaturbereich von ca. –40 °C bis +250 °C linear.

( )[ ]CRR C °−⋅+⋅= ° 20120 ϑα Silber Kupfer Aluminium Eisen

Elektrische Leitfähigkeit κ 62.5.106 S/m 57.0.106 S/m 34.0.106 S/m 10.0.106 S/mDichte γ 10.5 kg/dm3 8.9 kg/dm3 2.7 kg/dm3 7.9 kg/dm3

Widerstandskoeffizient α 0.0036 /K 0.0039 /K 0.0040 /K 0.0045 /K Wärmedehnung (linear) αl 19.3.10-6 /K 16.8.10-6 /K 24.10-6 /K 11.5.10-6 /K

Als eine wesentliches Werkstoffgesetz wird das OHM´sche Gesetz (G3.1-1) erläutert.

A

l

I

UR ⋅==

κ1

(G3.1-1)

Page 43: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.27 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Bild G3.1-1: Mathiessen´sche Regel: Beispiel: Im mit Ni-Atomen verunreinigten Kupferleiter Cu verbleibt auch beim absoluten Nullpunkt T = 0 K ein spezifischer Restwiderstand ρG infolge Kollision der Leitungselektronen mit den Störstellen im Kristallgitter, während der Anteil ρT mit sinkender Temperatur abnimmt. Der OHM´sche Widerstand eines elektrischen Leiterwerkstoffs ist proportional zur Länge l des Leiters, und umgekehrt proportional zum Querschnitt A des Leiters und dessen elektrischer Leitfähigkeit κ. Die inverse Größe κρ /1= heißt spezifischer elektrischer Widerstand und ist im Allgemeinen temperaturabhängig. Da üblicherweise Drahtlängen in Meter und Drahtquerschnitte in Quadratmillimeter angegeben werden, wird für ρ die Einheit Ωmm2/m bevorzugt (SI-Einheit: Ωm). Für die SI-Einheit der elektrischen Leitfähigkeit κ wird S/m verwendet (S = 1/Ω: 1 Siemens = 1/Ohm). Der spezifische elektrische Widerstand setzt sich in Metallen aus zwei Anteil zusammen (Mathiessen´sche Regel, Bild G3.1-1): a) Kollisionen der Leitungselektronen mit den um ihre Ruhelage schwingenden Atomrümpfen der Metallkristallstruktur. Mit sinkender Temperatur sinkt die Schwingungsamplitude der Atomrümpfe und ist beim absoluten Temperatur-Nullpunkt T = 0 Null. Daher sinkt dieser Anteil ρT (Index T: Temperatur-abhängig) mit sinkender Temperatur auf Null. b) Kollisionen der Leitungselektronen mit Störstellen (Fremdatomen) und Gitterfehlern (Kristalldefekten). Diese Defekte sind temperaturunabhängig, so dass auch bei T = 0 ein endlicher spezifischer Widerstand ρG (Index G: Gitter) verbleibt. Die Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstands beschreibt man häufig nicht mit der absoluten Temperatur T (gemessen in Kelvin K), sondern mit der Temperatur ϑ = T - 273.15 in Grad Celsius (°C). Die Temperaturdifferenz 0ϑϑϑΔ −= ist die

„Erwärmung“ des Leiterwerkstoffs (gemessen in K), und ϑ0 ist die Bezugstemperatur (°C). Aus Bild G3.1-1 folgt der Temperaturkoeffizient α(ϑ0) bei ϑ0 (gemessen in 1/K). Die Formel in Tab. G3.1-1 gilt für ϑ0 = 20 °C und K/0039.0)20( 20 ==° αα C . Über die

(gemessene) Leiter-Widerstandszunahme kann dessen Temperatur berechnet werden. Beispiel G3.1-1:

45.1/)20(/)( 20 ==° RRCRR ϑϑ : ( ) CR

RC °=−⋅+=

−⋅+°= 135145.1

0039.0

1201

120

2020

ϑα

ϑ

Page 44: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.28 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

G3.2 Erzeugung magnetischer Felder a) Magnetfelderzeugung durch stromdurchflossene Spulen Vorteile: Nachteile: - beliebig hohe Felder möglich - Stromwärmeverluste in den Spulen - Magnetfeld veränderbar über den Strom (Ausnahme: Supraleitende Spulen) - bei großen Wandlern kostengünstiger - Stromversorgung nötig als Permanentmagnete b) Magnetfelderzeugung durch Permanentmagnete - Al-Ni-Co-Legierung - Ferrite (z.B. Barium-Ferrit) - Selten-Erd-Magnete: Sinterwerkstoffe auf Basis der magnetisierbaren Stoffe Eisen, Nickel, Kobalt mit "seltenen Erden" wie z. B. Samarium (Sm) als Sm2Co17, SmCo5 oder mit Neodymium (Nd) als NdFeB-Magnete (Neodym-Eisen-Bor). Vorteile: Nachteile: - keine "Erregerverluste" - Magnetfeld nicht veränderbar - einfacher Aufbau des Wandlers - Magnetwerkstoff (noch) teuer

- B-Felder auf etwa 1.2 T begrenzt - Gefahr der Entmagnetisierung im großen Gegenfeld anderer stromführender Spulen G3.3 Stromerregte Magnetfelder - AMPÈRE´scher Durchflutungssatz

Bild G3.3-1: Eisenjoch mit Luftspalt und Erregerspule: Im Luftspalt soll eine magnetische Flussdichte B erregt

werden. Gestrichelt: Idealisierte Feldlinie von B (geschlossene Kurve C). Die Größe von B

(Vektorfeld) variiert ortsabhängig nach Betrag, Richtung und Orientierung. AMPÈRE´scher Durchflutungssatz: In einem magnetischen Feld H

ist das Linienintegral über die magnetische Feldstärke H

entlang einer geschlossenen Linie C gleich der gesamten elektrischen Durchflutung Θ (Bild G3.3-1: "Durchflutung" Θ = IN ⋅ ), die durch die von C aufgespannte Fläche AC hindurch tritt.

Θ=⋅C

sdH

Bild T1.3-1: nnC

lHlHlHINsdH ⋅++⋅+⋅≈⋅==⋅ ...2211Θ (G3.3-1)

Page 45: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.29 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Der Durchflutungssatz in seiner allgemein gültigen Form (G3.3-1 links) wird für die spezielle Geometrie von Bild G3.3-1 vereinfacht. Die geschlossene Kurve C wird identisch mit der gestrichelten Feldlinie gewählt, so dass der differentielle Tangentenvektor sd

stets

parallel mit dem Vektor H

ist. Daher wird das Skalarprodukt sdH

⋅ durch ein gewöhnliches Produkt dsH ⋅ ersetzt. Das Feld in den einzelnen Jochabschnitten mit den Längen li, i =1, ..., n (Bild G3.3-1: n = 6 Abschnitte inklusive Luftspalt) ist nahezu homogen, daher wird das Integral durch eine Summe ersetzt. In Bild G3.3-1 sind N = 4 Spulenwindungen gegeben: Θ = IIN 4=⋅ . Der Strom fließt in die Fläche AC hinein. Das zugehörige Magnetfeld umkreist die Durchflutung im Rechtsdrehsinn (positive Feldrichtung, Rechtsschrauben- bzw. Rechte-Hand-Regel). Dies ist eine willkürliche, aber allgemein eingehaltene Zählrichtung. Wegen den geschlossenen B-Feldlinien ist bei Vernachlässigung von aus dem Eisenkreis austretenden Streufeldern der magnetische Fluss Φ in jedem Querschnitt A des Eisens konstant.

ABAdBA

⋅≈⋅=

Φ (G3.3-2)

G3.4 Verstärkung von Magnetfeldern durch Eisen (magnetisches Werkstoffgesetz) Im Luftspalt ist die Flussdichte B der Feldstärke H über μ0 direkt proportional.

HB 0μ= (G3.4-1)

Eisen besteht aus vielen kleinen "Elementarmagneten" (WEISS´sche Bezirke), die sich im Feld H der Spule parallel zu dieser Feldrichtung ausrichten und so ein eigenes resultierendes Magnetfeld J erzeugen. Diese zusätzliche Flussdichte J (magnetische Polarisation) verstärkt das H-Feld der Spule zur resultierenden magnetischen Flussdichte B.

HHJHB ⋅>>⋅=+= 00 μμμ (G3.4-2)

Diese "spontane" Magnetisierbarkeit ("Ferromagnetismus") besitzen Eisen, Nickel, Kobalt und die HEUSLER-Legierungen. Oberhalb der CURIE-Temperatur (Eisen: 744 °C) erlischt diese spontane Magnetisierbarkeit. Da die Isolierwerkstoffe der Erregerspule schon ab ca. 180 ... 240 °C zerstört werden, ist die CURIE-Temperaturgrenze i. a. irrelevant. Wenn alle "Elementarmagnete" parallel zum äußeren H-Feld ausgerichtet sind, ist der Maximalwert von J (Sättigungpolarisation Js) erreicht. Dieser Sättigungseffekt tritt bei Eisen ab ca. 1.7 T auf. Die Permeabilität μ ist daher bei kleinen Werten von B groß ("ungesättigt", μ = ca. 5000μ0,), und nimmt mit steigenden B-Werten ab, um im Grenzfall μ0 zuzustreben (vollständige Sättigung). Bild G3.4-1 zeigt mit Kurve 1 qualitativ die B(H)-Abhängigkeit von Eisen. Nach dem Abschalten des Spulenstroms I verschwindet wegen (G3.3-1) das Feld H, aber es verbleibt eine Restpolarisation JR, da nicht alle "Elementarmagnete" sich beliebig regellos im Eisen ausrichten. Diese Remanenzflussdichte BR = JR ist bei Eisen klein. Erst durch Anlegen eines negativen Felds –BHC ("Koerzitivfeldstärke") wird B als resultierendes Feld Null. Die so entstandene B(H)-Schleife heißt Hysteresekurve (hysteresis (gr.): Nachhinken, da B dem H "nachhinkt"). Die Fläche unter der B-H-Kurve ist ein Maß für die im Eisen umgesetzte Wärme durch innere Reibung der "Elementarmagnete" beim Ummagnetisieren, also beim Durchfahren eines vollen Zyklus von +Hmax auf –Hmax und wieder zurück zu +Hmax, etwa wenn I ein Wechselstrom ist (Hystereseverluste Phys).

Page 46: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.30 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Bei Eisen sind BR und BHC klein, so dass die Schleife schmal ist und die Hystereseverluste klein sind ("weichmagnetischer Werkstoff"). Bei Permanentmagneten ist die Hysteresis-schleife durch geeignete Werkstoffwahl stark vergrößert, so dass z. B. bei NdFeB eine Remanenzflussdichte von ca. 1...1.3 T und eine Koerzitivfeldstärke von ca. 900 kA/m möglich ist ("hartmagnetischer Werkstoff", Bild G3.4-1, Kurve 2). Die Permanentmagnete werden nicht ummagnetisiert, sondern dienen zur Erzeugung von magnetischen Gleichfeldern z. B. in Gleichstrommaschinen oder im Polrad von Synchronmaschinen. Für die Permanentmagnete interessiert nur der Arbeitsbereich mit positiver Flussdichte B unter dem Einfluss entmagnetisierender (negativer) äußerer Felder H, also der zweite Quadrant der B(H)-Schleife (Bild G3.4-2). Die gleichzeitig hohen Werte von BR und BHC erklären, warum Selten-Erd-Magnete trotz ihrer relativ hohen Anschaffungskosten immer weitere Verbreitung finden. Magnetische Werkstoffe:

Bild G3.4-1: Weichmagnetische (Kurve 1), Bild G3.4-2: B(H)-Kennlinien von Permanentmagneten hartmagnetische (Kurve 2) im zweiten Quadranten der B-H-Ebene

1: Al-Ni-Co-Magnet, 2: Ba-Ferrit, Selten-Erden-Magnete: 3: Sm2Co17, 4: NdFeB

Beispiel G3.4-1: Berechnung eines einfachen magnetischen Eisenkreises Ungesättigtes Eisen: μ = 5000μ0, Geometrie wie Bild T1.3-1; die Eisenabschnitte weisen stets denselben Querschnitt A auf. Da μ groß ist, verlaufen die Feldlinien von B (bis auf den Luftspaltbereich) gänzlich im Eisen. Der magnetische Fluss Φ im Eisenkern ist konstant. Daher ist die magnetische Flussdichte B im Eisen (Index Fe) und im Luftspalt (Index δ) gleich groß.

δFe BA

B =Φ= (G3.4-3)

Die magnetische Feldstärke ist gemäß (G3.4-1, G3.4-2):

im Luftspalt: 0

δδ μ

BH = , im Eisen: δ

δδFeFe 5000

HHBB

H <<===μμ

(G3.4-4)

Im Eisen ist die magnetische Feldstärke HFe nahezu Null, da das Feld BFe hauptsächlich durch den Beitrag J der "Elementarmagnete" aufgebracht wird. Der Durchflutungssatz erlaubt auf Grund der hier gewählten einfachen Geometrie die Unterscheidung von nur zwei Abschnitten: Eisen (Länge sFe) und Luft (Länge δ).

Page 47: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.31 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

δFeδFeFe VVINHsH +=⋅=+ δ (G3.4-5)

Die einzelnen Beiträge V zur Gesamtdurchflutung NI heißen in Analogie zum elektrischen Kreis "magnetische Spannungen" (Einheit: A!). In der Regel ist der Luftspalt δ deutlich kleiner als die Länge der Kurve C im Eisen sFe, z.B. δ/sFe = 1/100. Daher ist das Verhältnis der magnetischen Spannungen im Luftspalt und Eisenkreis klein: 0.02.

02.050001

1100/

Fe

0Fe

0

δ

Fe

FeFe

δ

Fe =⋅

⋅=⋅

⋅=

⋅=μδ

μμ

δμ

sBsB

V

V .

Fazit: Die magnetische Spannung im Eisen ist im ungesättigten Fall trotz des längeren Wegabschnitts sFe der Kurve C somit vernachlässigbar. Es muss nur die Luftspaltweite δ von der Erregerspule magnetisiert werden. Soll z. B. Bδ = 1 T bei einem Luftspalt δ = 3 mm sein, so ergibt sich ein Erregerbedarf Θ = 2390 A.

δμ

δIN

B⋅⋅

≈ 0 (G3.4-6)

m003.0

)Am/(Vs104T1

70 Θπδ

Θμδ

⋅⋅=⋅==−

B A2390104

003.017

=⋅

⋅=⋅= −πΘ IN

Fazit: Die Erregerspule kann mit N = 100 Windungen ausgerüstet werden, was einen Strombedarf (Gleichstrom) I = 23.9 A ergibt, oder z. B. mit N = 250 Windungen bei einem Strombedarf von I = 9.56 A (freie Wahl der Windungszahl!). G3.5 Das Induktionsgesetz

Bild G3.5-1: Leiterschleife (Ns = 1 Windung) im Luftspalt eines Magnetkreises (Spulenfläche A = b.l, angeschlossenes Voltmeter), N Windungen der Erregerspule, Erregerstrom I a) Ruhinduktion In dem Luftspalt des Magnetkreises Bild G3.5-1 befindet sich eine Spule mit Ns Windungen. Die Spulenfläche lbA ⋅= ist gleich groß gewählt wie der Jochquerschnitt des Eisens. Der Erreger-strom in der Erregerspule sei zeitlich veränderlich: I = i(t). Auf Grund von Abschnitt G3.4 ändert sich die Luftspaltflussdichte zeitlich in gleicher Weise Bδ(t) ~ i(t). Für μFe → ∞ gilt exakt:

Page 48: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.32 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

δμδ /)()( 0 tiNtB ⋅⋅= (G3.5-1)

Gemäß Abschnitt T1.4 ändert sich der von der Luftspaltspule umfasste Fluss gleichfalls: Φ(t) = Bδ(t)A. Das FARADAY´sche Induktionsgesetz (G3.5-2) besagt, dass in der Luftspaltspule eine (als außen an den Klemmen wirksame) elektrische Spannung ui(t) induziert wird, die je Windung der negativen zeitlichen Änderung des mit jeder Windung verketteten Flusses entspricht. Weil die Luftspaltspule relativ zum Magnetkreis ruht, spricht man von "Ruhinduktion". Auf Grund der Serienschaltung der einzelnen Windungen wird an den Spulenklemmen eine Ns-mal so große Spannung gemessen. Die Größe ΨΦ =sN heißt "Flussverkettung".

dt

td

dt

tdNtu si

)()()(

ΨΦ −=⋅−= (G3.5-2)

b) Bewegungsinduktion Eine zeitliche Änderung des mit der Luftspaltspule verketteten Flusses kann auch dadurch erreicht werden, dass bei zeitlich konstantem Luftspaltfeld Bδ die Spule z. B. seitlich nach links aus dem Luftspalt gezogen wird. Dann ändert sich die Fläche A(t) innerhalb der Spule,

durch die die magnetische Flussdichte (im Bild G3.5-2a entgegen dem Normalenvektor Ad

) hindurch tritt: )()( tdABt ⋅−= δΦ (Bild G3.5-2a).

a) b)

Bild G3.5-2: Bewegte Leiterschleife von Bild G3.5-1, Aufsicht, bewegungsinduzierte Spannung Wird die Luftspaltspule seitlich mit z. B. konstanter Geschwindigkeit v aus dem Luftspalt gezogen, so nimmt die Fläche A(t) gemäß (G3.5-3) ab.

ltvbtA ⋅⋅−= )()( (G3.5-3)

Mit (G3.5-2) folgt, dass trotz zeitlich konstanten Magnetfelds δB eine induzierte Spannung ui

im Voltmeter von Bild G3.5-1 gemessen wird.

lBvNdt

tdABN

dt

tdNtu ⋅⋅⋅−=⋅−⋅−=⋅−= δsδssi )

)((

)()(

Φ von 2 nach 1, Bild G3.5-2 (G3.5-4)

Diese "Bewegungsinduktion" (Luftspaltspule bewegt sich relativ zum Magnetfeld) lautet allgemein formuliert: In einem elektrischen Leiter mit der Länge l, der in einem Magnetfeld

B

mit der Geschwindigkeit v

bewegt wird, tritt eine bewegungsinduzierte elektrische Feld-

stärke BvE

×=b auf. Sie wird in Bild G3.5-2b von 2 nach 1 gezählt und ist im Beispiel

Page 49: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.33 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

negativ. Mit der an den Klemmen von 2 nach 1 messbaren Spannung u gilt mit dem Spulenwiderstand Rc und dem Spulenstrom i (positiv gezählt in Richtung von sd

in Bild

G3.5-2a) iRuu ⋅=+ ci . Bei Leerlauf (i = 0) ist die gemessene Leerlaufspannung u wegen

ii 0 uuuu −==+ . Sie wird in Bild G3.5-2b von 2 nach 1 positiv gezählt. Im Beispiel von

Bild G3.5-2b ist sie wegen der positiv aufgeladenen Klemme 2 positiv, was zu 0i >−= uu passt, da ui im Beispiel von 2 nach 1 negativ ist. Die induzierte Spannung ist maximal, wenn B, v und die Leiterachse zueinander rechte Winkel aufweisen. Ein rechter Winkel zwischen v

und B

führt auf

δbδb BvEsdBvE ⋅=↑↑×= in Richtung sd

. (G3.5-5)

bE

und sd

parallel: lBvlEdsEsdEull

⋅⋅=⋅=⋅=⋅= δb0

b0

bi

von 1 nach 2 (G3.5-6)

In (G3.5-6) wird angenommen, dass sich Eb entlang der Leiterlänge l nicht ändert. Bei Ns Windungen ergibt sich mit B = Bδ in Übereinstimmung mit (G3.5-4) von 2 nach 1:

lBvNu ⋅⋅⋅−= δsi . (G3.5-7)

Fallweise wird die induzierte Spannung ui als in der Spule wirksame „innere“ Spannung (Quellenspannung oder Urspannung i0 uu −= ) aufgefasst, so dass bei Leerlauf die

Klemmenspannung von 2 nach 1 i0 uuu −== ist. Sie wirkt wegen i0 uu −= im Spulen-

inneren GEGEN die induzierte Feldstärke Eb (Bild G3.5-2b). Diese Spannung u0 ist analog zur Batterie definiert, wo die Quellenspannung U0 ebenfalls entgegengesetzt zum elektro-chemisch erzeugten E-Feld positiv gezählt wird. Häufig wird diese „innere“ Spannung (etwas inkorrekt) als induzierte Spannung bezeichnet, also "" i0 uu = . Wir werden dies meist so

verwenden, aber jeweils hinweisen, dass ui dann als „innere“ Quellenspannung gemeint ist. G3.6 Die elektromagnetische Kraft Das LORENTZ´sche Kraftgesetz besagt, dass auf einen stromdurchflossenen Leiter mit der Leiterlänge l, dem (differentiellen) Leiterrichtungsvektor sd

und dem Strom I, der sich in

einem Magnetfeld B

befindet, eine Kraft F

(LORENTZ-Kraft) ausgeübt wird, deren

Richtung im rechten Winkel zu der von sd

und B

aufgespannten Ebene liegt.

)( BsdIFl

×⋅= (G3.6-1)

Die Kraft F (G3.6-1) ist maximal, wenn das B-Feld und die Leiterachse (Richtung von l) zueinander rechte Winkel aufweisen. In (G3.6-2) ist angenommen, dass sich B entlang der Leiterlänge l nicht ändert.

Rechter Winkel zwischen sd

und B

: ⋅⋅=⋅⋅=×⋅=l

l

lBIdsBIBsdIF0

)(

(G3.6-2)

In Bild G3.6-1 ist das LORENTZ´sche Kraftgesetz auf die Luftspaltspule von Bild G3.5-2 angewendet (Strom Is: Spulenstrom), wobei die induzierte Spannung ui als „innere“ Quellen-

spannung gegen die Richtung BvE

×=b eingetragen ist. Bei Ns Windungen liegen Ns Leiter

im Magnetfeld, so dass die Gesamtkraft auf die Spule Ns-mal so groß ist wie in (G3.6-2).

Page 50: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.34 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Bild G3.6-1: Bewegter Leiterabschnitt der Bild G3.6-2: Dreifinger-Regel für das LORENTZ´sche Luftspaltspule von Bild T1.5-1 im Magnetfeld Kraftgesetz („UVW-Regel“) a) Generator (bremsende LORENTZ-Kraft), b) Motor (antreibende LORENTZ-Kraft)

lBINF ⋅⋅⋅= δss (G3.6-3)

Mit der Dreifinger-Regel (Bild G3.6-2) wird die Richtung der Kraft ermittelt. Der Daumen zeigt in Richtung der Ursache (Stromfluss), der Zeigefinger in Richtung des Felds (Vermittlung zwischen Ursache und Wirkung), der Mittelfinger in Richtung der Wirkung (Kraft) – "UVW-Regel". In Bild G3.6-1 ist die Richtung von v und B stets gleich, folglich auch die Richtung der bewegungsinduzierten „inneren“ Spannung ui. Ihre Richtung wird ebenfalls mit der UVW-Regel bestimmt: Ursache v, Vermittlung B, Wirkung Eb, „innere“ Spannung ui entgegen Eb positiv gezählt. In Bild G3.6-1a fließt der Strom gegen die ui-Richtung (Generator). Die Kraft F ist entgegen v gerichtet und bremst den Leiter. In Bild G3.6-1b fließt der Strom in die ui-Richtung (Motor). Die Kraft F ist in v–Richtung gerichtet und treibt den Leiter an. Die Kraftwirkung kann unmittelbar aus dem B-Feldlinienbild verstanden werden (Bild G3.6-3). Das Fremdfeld (Homogenfeld) ist von unten nach oben orientiert (unten N-Pol, oben S-Pol). Der Strom fließt aus der Zeichenebene auf den Betrachter zu und erregt ein kreisförmiges Feldlinienbild, dessen Richtung im Gegen-Uhrzeigersinn orientiert ist (Rechtsschraubenregel). Die Überlagerung beider Felder ergibt das resultierende B-Feld, das links vom Leiter kleiner als rechts vom Leiter ist. Die Feldlinien dürfen in ihrer Wirkung wie "elastische Gummischnüre" aufgefasst werden (MAXWELL´scher Zug), die sich nach Möglichkeit verkürzen wollen und daher auf den Leiter eine nach links gerichtete LORENTZ-Kraft ausüben. Zu demselben Ergebnis kommt man auch mit (TG3.6-2) und der UVW-Regel.

Bild G3.6-3: B-Feldlinienbild und Kraft auf einen stromdurchflossenen Leiter im Fremdfeld.

Page 51: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.35 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

G3.7 Magnetflüsse und Induktivitäten a) Magnetflüsse Reale Magnetfelder in Luft sind – abgesehen von der stets geschlossenen B-Feldlinienform – relativ kompliziert verteilt, wie das Feldbild eines Permanentmagnet-Stabmagneten in einer Zylinderspule zeigt (Bild G3.7-1a). Einzelne Windungen der Spule sind mit einer unter-schiedlichen Anzahl von Feldlinien verkettet, so dass die Flussverkettung Ψ von Windung zu Windung variiert. Bei Verwendung der feldverstärkenden Wirkung des Eisens bildet sich das Magnetfeld nahezu zur Gänze im Eisen aus ("gebündelter Fluss": Hauptfluss Φh). Nur ein kleiner Anteil der Feldlinien schließt sich in der Luft (Streufluss Φσ , Bild G3.7-1b). Jede einzelne Windung der Erregerspule (schraffierter Querschnitt) ist mit dem gesamten Haupt- und Streufluss verkettet. Da nur der Hauptfluss im Luftspalt z. B. zur Spannungsinduktion in der eingezeichneten Luftspaltspule genutzt werden kann, soll der Streufluss möglichst klein sein (kleine Streuziffer σ = Φσ /Φh).

h

σ

ΦΦσ = < 1 (G3.7-1)

a) b) Bild G3.7-1: Magnetflüsse: a) Permanent-Stabmagnet in einer Zylinderspule: Deren einzelne Windungen sind in unterschiedlichem Ausmaß mit dem Feld verkettet. b) Schematische Aufteilung des Gesamtflusses in Hauptfluss Φh und Streufluss Φσ , erregt von der Erregerspule b) Induktivitäten Die N Windungen der Erregerspule (Bild T1.7-1b) sind mit Haupt- und Streufluss verkettet:

- Hauptflussverkettung hh: ΦΨ ⋅= N , Streuflussverkettung σσ: ΦΨ ⋅= N (G3.7-2)

Die Luftspaltspule (Ns Windungen) ist nur mit dem Hauptfluss verkettet:

- Hauptflussverkettung hssh,: ΦΨ ⋅= NN (G3.7-3)

Wird die Erregerspule mit Wechselstrom i(t) (Frequenz f) gespeist, so pulsieren wegen )(~ tiB auch die Flüsse und damit die Flussverkettungen. Gemäß dem Induktionsgesetz wird

die Spannung ui,Ns in der Luftspaltspule induziert (Gegeninduktion, da das induzierende Feld von einer anderen, nämlich der Erregerspule erzeugt wird). Dies führt zum Begriff der Gegeninduktivität M.

dt

tdiM

dt

tdN

dt

tdu N

N)()()( h

ssh,

si, ⋅−=⋅−=−=ΦΨ

(G3.7-4)

Page 52: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.36 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

hs0s0

sδshssh, / Λ

δμδμΦΨ

⋅⋅=⋅⋅⋅=⋅⋅==== NNA

NNi

NiAN

i

ABN

i

N

iM N (G3.7-5)

In der Erregerspule wird die Selbstinduktionsspannung ui,N induziert (Selbstinduktion, da das induzierende Feld von der Spule selbst erregt wurde). Die zugehörige Selbstinduktivität L besteht aus den Komponenten Haupt- und Streu-Selbstinduktivität Lh und Lσ .

dt

tdiL

dt

tdN

dt

tdu N

)()()( σhσhi, ⋅−=⋅−=−= ++ ΦΨ

(G3.7-6)

σhσ2

h2σδσhσh )(

LLNNi

N

i

ANB

i

N

iL +=⋅+⋅=+=

+== + ΛΛΦΦΦΨ

(G3.7-7)

Fazit: Die Selbstinduktivität ist proportional zum Quadrat der Spulenwindungszahl, die Gegeninduktivität proportional zum Produkt der Windungszahlen der verketteten Spulen. G3.8 Ummagnetisierungsverluste

Bild G3.8-1: In das elektrisch leitfähige Eisenjoch wird durch den veränderlichen Fluss Φh eine Spannung induziert, die Wirbelströme (Kreisströme) im Eisen treibt. Bei Wechselstromspeisung der Erregerspule pulsiert der Hauptfluss Φh mit derselben Frequenz f wie der Erregerstrom i. Nicht nur in der Luftspaltspule Bild G3.8-1, sondern auch im Eisenjoch wird eine Spannung induziert, da auch das Eisenjoch mit dem Hauptfluss „verkettet" ist. Im elektrisch leitfähigen Eisen fließen daher Ströme auf in sich geschlossenen Strombahnen (Kreis- oder Wirbelströme), die OHM´sche Verluste im Eisen verursachen (Wirbelstromverluste PFt). Wenn das Eisenjoch aus einzelnen gegeneinander isolierten Blechen geringer Dicke geschichtet wird, so werden diese Strombahnen wirkungsvoll unterbrochen. Es können nur noch sehr kleine Wirbelströme in jedem Blech fließen, die umso geringer sind, je dünner die Blechdicke ist. Die Summe aus Wirbelstromverlusten PFt und Hystereseverlusten Phys heißt Ummagnet-isierungsverluste ("Eisenverluste") PFe. Die Verluste werden z. B. bei B = 1 T Amplitude und f = 50 Hz Frequenz in speziellen Geräten (EPSTEIN-Rahmen) gemessen und je 1 kg Masse als Verlustziffer v10 in W/kg vom Blechhersteller angegeben. Zusätzlich zur Schichtung von Eisenkreisen aus Blechen kann die spezifische elektrische Leitfähigkeit der Bleche durch Beimengung von Silizium herabgesetzt werden, um die Wirbelstromverluste zu verringern ("Dynamo- oder Elektroblech", Bild G3.8-2, Kurve 1). Allerdings sinkt dadurch auch μ etwas. Beim Magnetkreis von Bild G3.3-1, aber auch bei Transformatoren, ist die Richtung

Page 53: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.37 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

der Feldlinien stets parallel zu den Eisenjochlängsrichtungen. Für diese Blechkörper wurde ein spezielles Blech entwickelt, das kaltgewalzt in Walzrichtung die "Elementar-magnete" bevorzugt anordnet. Daher ist in Blechlängsrichtung (= Walzrichtung = Vorzugs-richtung) μ deutlich erhöht, in Querrichtung aber deutlich verringert ("kornorientiertes Blech", Bild G3.8-2, Kurve 2). Für rotierende elektrische Maschinen, wo die Feldrichtung in der Blechebene ständig dreht, ist dieses Blech daher nicht geeignet.

Bild G3.8-2: Gleichstrom-Magnetisierungskurven B(H), Hystereseschleife vernachlässigt (1) warmgewalztes Elektroblech, 0.5 mm dick, v10 = 3 W/kg (2) kaltgewalztes, kornorientiertes Blech, 0.35 mm dick, Vorzugsrichtung, v10 = 0.45 W/kg G3.9 Elektrische Leistung a) Effektivwert eines sinusförmigen Wechselstroms An einem Leitungswiderstand R verursacht eine sinusförmige Wechselspannung (Frequenz f,

Kreisfrequenz fπω 2= ) mit dem Momentanwert tUtu ωsinˆ)( ⋅= den phasengleichen

Wechselstrom tRUtIti ωω sin)/ˆ(sinˆ)( ⋅=⋅= . Die elektrische Momentanleistung

)()()( titutp ⋅= (G3.9-1)

ist dann )(sinˆ

)()()()(

)( 22

22

tR

UtitutRi

R

tutp ω⋅=⋅=== (Bild G3.9-1).

Bild G3.9-1: Momentanwerte von Spannung, Strom und Leistung an einem Ohm´schen Widerstand

Page 54: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.38 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

In Bild G3.9-1 sind u, i und p im Intervall einer Periode fT /1= dargestellt. Der dort ersichtliche Verlauf der Leistung wird durch die Umformung

)()2cos(2

ˆˆ

2

ˆˆ

2

)2cos(1ˆˆ)(sinˆˆ)( ~2 tpPt

IUIUtIUtIUtp +=−=−⋅=⋅= ωωω (G3.9-2)

klarer ausgedrückt: Der Ausdruck 2/ˆˆIUp = stellt eine von der Zeit unabhängige Leistung dar; sie wird durch die gestrichelte Gerade in Bild G3.9-1 dargestellt. Dieser konstanten Leistung ist eine mit der doppelten Frequenz des Wechselstromes 2f periodische Leistung

)2cos(2

ˆˆ)(~ t

IUtp ω−= überlagert. Für die Praxis ist die Momentanleistung p(t) des Wechsel-

stromes meist belanglos. Es interessieren nur die mittlere Leistung p als Wirkleistung und

Arbeit des Stromes ⋅=τ

0

)( dttpW über so lange Zeit τ, dass diese mit vernachlässigbarem

Fehler einer ganzen Zahl von Perioden T gleichgesetzt werden kann.

ττ

⋅≈⋅= pdttpW0

)( (G3.9-3)

Die mittlere Leistung p über eine ganze Zahl von Perioden wird durch P in (G3.9-2)

R

UIU

IUIUpP

2

2

ˆ

2

ˆ

2

ˆˆ=⋅=⋅=== (G3.9-4)

angegeben, da die Leistungskurve in Bild G3.9-1 oberhalb und unterhalb der gestrichelten

Geraden gleich große Flächen einschließt. Die eingeführten Abkürzungen 2/UU = ,

2/II = heißen Effektivwert der Spannung und Effektivwert der Stromstärke. Sie bedeuten die Spannung und Stromstärke jenes Gleichstroms, dessen Leistung P gleich der mittleren Leistung des Wechselstroms ist. Für die Arbeit des Wechselstroms während einer ganzen Zahl N von Perioden T gilt gemäß (G3.9-3) NTIUNTPW ⋅⋅=⋅= . Diese Arbeit kommt in Bild G3.9-1 als Fläche unter der Leistungskurve p(t) zum Ausdruck. Sie wird durch die im Bereich einer ganzen Zahl von Perioden gleich großen Flächen unter der gestrichelten Geraden ersetzt. Der Effektivwert I einer sinusförmig

veränderlichen Größe i(t) ist der Sonderfall einer aus einer mittleren Leistung p ermittelten Ersatzgröße einer allgemein periodischen Größe i(t) (Periode T), deren Leistung an einem Widerstand R gleich groß ist wie die einer Gleichgröße I.

⋅==⋅⋅===TTT

dttiT

IRIdtRtiT

dttpT

pP0

22

0

2

0

)(1

)(1

)(1

(G3.9-5)

Das Ohm´sche Gesetz für Wechselgrößen wird mit den Effektivwerten U, I in der Form

IRU ⋅= geschrieben, obwohl es sich um zeitlich periodisch veränderliche Größen handelt, wenn ein Betrachtungszeitraum gemeint ist, der zumindest eine Periode umfasst und wenn nur die mittlere im Widerstand umgesetzte Leistung P interessiert.

Page 55: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.39 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Fazit: Unter dem Effektivwert einer Wechselspannung (eines Wechselstromes) verstehen wir jene Gleichspannung (jenen Gleichstrom), die an einem Leitungswiderstand während einer ganzen Zahl von Perioden dieselbe Arbeit wie der Wechselstrom verrichtet. b) Leistung und Arbeit des Wechselstroms Wenn im Wechselstromkreis kapazitive und induktive Widerstände auftreten, weisen Strom und Spannung im Allgemeinen eine Phasenverschiebung zueinander auf. Es sei der Strom

durch die Funktion )sin(ˆ)( tIti ω= und die Spannung durch die Funktion )sin(ˆ)( ϕω += tUtu gegeben. Im Zeitintervall dt wird gemäß (G3.9-3) die differentiell kleine Arbeit

dttitudW ⋅⋅= )()( verrichtet. Die Leistung im Zeitpunkt t ist dann )()(/)( titudtdWtp ⋅== . Wir betrachten folgende Sonderfälle:

Fall a) ϕ = 0: An OHM´schen Widerständen R sind Strom und Spannung in Phase, also die Phasenverschiebung zwischen ihnen Null. Der Verlauf von u(t), i(t) und p(t) (Bild G3.9-1) zeigt: u und i stets gleiches Vorzeichen, also ist die Leistung iup ⋅= stets positiv. Die Arbeit während einer Periode ist TIUTW ⋅⋅=)( und wird in Wärme umgesetzt. Diese erhöht die Temperatur im Widerstand und die der umgebenden "Kühl"luft. Fall b) ϕ = -π/2: Bei einem rein kapazitivem Widerstand (idealer Kondensator) eilt der Strom der Spannung um 90° vor (Verlauf von u(t), i(t) und p(t) siehe Bild G3.9-2). Der Phasenwinkel ϕ wird vom Strom zur Spannung gezählt und ist daher bei Voreilen des Stroms NEGATIV.

Fall c) ϕ = π/2: Bei rein induktivem Widerstand (ideale Magnetspule ("Drossel")) eilt der Strom der Spannung um 90° nach. vor. Der Phasenwinkel ϕ ist daher POSITIV.

Bild G3.9-2: Momentanwerte von Spannung, Strom Bild G3.9-3: Momentanwerte von Spannung, und Leistung an einem idealen Kondensator : ϕ = -90° Strom und Leistung an einer realen Spule (reale

Drossel): 0 < ϕ < 90° Gemäß Bild G3.9-2 wird im Fall b) während der Dauer einer Periode ebensoviel positive wie negative Arbeit verrichtet; gleiches gilt für Fall c). Die mittlere Leistung und die Arbeit im Verlauf einer ganzen Zahl von Perioden sind daher Null; der zugehörige Strom, der im zeitlichen Mittel keine Arbeit verrichtet, heißt wattloser Strom oder Blindstrom. Kapazitiver und induktiver Widerstand werden daher Blindwiderstände genannt. Die zugehörige Leistung mit dem Mittelwert Null wird als Pendelleistung zwischen Spannungsquelle und Blindwiderstand mit doppelter Netzfrequenz 2f verlustlos ausgetauscht. Ihre Leistungsamplitude heißt Blindleistung Q.

Page 56: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.40 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

:2/πϕ ±= )2sin()2sin(cosˆsinˆsinˆ)sin(ˆ)( tQtUItItUtItUtp ωωωωωϕω ±=⋅±=⋅⋅±=⋅⋅+=

0)(1

)(0

== T

dttpT

tp (G3.9-6)

In realen Schaltungen treten stets auch OHM´sche Widerstände auf (z. B. leitfähige Verbindungen wie Anschlussdrähte aus Kupferlackdraht zwischen Spannungsquelle und Blindwiderstand), die zu einer in Wärme umgesetzten elektrischen Leistung führen, was zu Fall d) führt. Fall d) 2/0 πϕ << : Eine reale Spule besteht aus einem OHM´schen Widerstand der Spulenwicklung und aus einer induktiven Komponente infolge Selbstinduktion durch das Spulen-Magnetfeld. Daher liegt der Phasenwinkel im Bereich 2/0 πϕ << . Nach Bild G3.9-3 überwiegt im Laufe einer Periode die positive Arbeit, und es wird Wirkleistung P in Wärme umgesetzt. Um diesen Mittelwert der Leistung pendelt die Momentanleistung mit dem Wechselanteil )(~ tp . Dieser Wechselanteil kann in den Leistungsanteil mit der Amplitude Q (bedingt durch den induktiven Anteil der Spule) und den Anteil mit der Amplitude P (bedingt durch den Widerstand R) zerlegt werden.

[ ]ϕωϕωωωϕω sincoscossinsinˆˆsinˆ)sin(ˆ)( ⋅+⋅⋅⋅⋅=⋅⋅+= tttIUtItUtp

( ) ( ) tQtPtIU

tIU

tp ωωωϕωϕ 2sin2cos12sinsin2

ˆˆ2cos1cos

2

ˆˆ)( ⋅+−⋅=⋅⋅+−⋅⋅=

)2cos()2cos(cos)()( ~ ϕωϕωϕ −⋅+=−+=+= tSPtUIUItpPtp Momentanleistung: ( ) tQtPtp ωω 2sin2cos1)( ⋅+−⋅= (G3.9-7)

Wirkleistung: ϕcos⋅⋅= IUP (G3.9-8)

Blindleistung: ϕsin⋅⋅= IUQ (G3.9-9)

Scheinleistung: IUQPS ⋅=+= 22 (G3.9-10)

a) b)

Bild G3.9-4: Reale Spule (Drossel): Zwei gleichwertige Zeigerdiagramme zu Bild G3.9-3: a) Zerlegung der Spannung, b) Zerlegung des Stroms in Wirk- und Blindkomponente. Mit den Zeigerdiagrammen aus Bild G3.9-4 wird Fall d) auf die Fälle a), c) zurückgeführt: Das Zerlegen des Spannungszeigers U in eine zum Stromzeiger I parallele Komponente Uw und eine dazu normale Komponente Ub ergibt ϕsin⋅= UUb , welche eine Spannung mit der

Phasenverschiebung 90° darstellt, die zur Arbeit während einer Periode nichts beiträgt (Blind-

Page 57: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.41 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

komponente). Es folgt aus dem Zeigerdiagramm die Blindleistung QUIIUb =⋅=⋅ ϕsin in

Übereinstimmung mit (G3.9-9). Die Parallelkomponente ist eine Spannung ohne Phasen-verschiebung (Phasenwinkel Null) gegenüber dem Strom: ϕcos⋅= UU w . Ihre mittlere

Leistung während einer Periode ist die mittlere Leistung (Wirkleistung) des Gesamtstromes PUIIU w =⋅=⋅ ϕcos in Übereinstimmung mit (G3.9-8). Man kommt zum selben Ergebnis

mit einer Zerlegung des Stroms in eine parallel und normal zur Spannung wirkende Komponente: ϕcos⋅= IIw , ϕsin⋅= IIb , PUIIU w =⋅=⋅ ϕcos , QUIIU b =⋅=⋅ ϕsin .

c) Wattmeter zur Messung der elektrischen Leistung Digitale elektronische Wattmeter („Multimeter“) bestimmen aus einem zeitlich beliebigen Stromsignal i(t) (Strompfad) und einem zeitlich beliebigen Spannungssignal u(t) (Spannungspfad), die an den Messeingängen anliegen, mit einer vorgegebenen Mittelwert-Zeit τ eine mittlere Leistung als Wirkleistung (G3.9-11). Speziell für sinusförmige Strom- und Spannungssignale konstruierte Wattmeter (z. B. analog arbeitende elektrodynamische Wattmeter, die über Magnetkräfte zwischen ruhenden und drehenden Spulen auf ein

Zeigergerät arbeiten), ermitteln die Wirkleistung ϕcos)( ⋅= UItp .

τ0

)()(1

)( dttitutp (G3.9-11)

Beachten Sie, dass ein Phasenwinkel nur zwischen sinusförmigen Signalen definiert ist. Die Spannung an einer Schaltung, in der die in Wärme umgesetzte elektrische Verlustleistung messtechnisch bestimmt werden soll, wird an die Spannungsklemmen ("Spannungspfad") des Wattmeters angeschlossen, während die Stromzufuhr in die Schaltung über die Stromklemmen ("Strompfad") des Wattmeters realisiert wird (Bild G3.9-5).

Bild G3.9-5: Elektrische Leistungsmessung P an einer Spule L über ein Wattmeter (Multimeter)

G3.10 Beispiel eines einfachen elektromechanischen Energiewandlers Eine Spule mit Ns Windungen wird durch eine mechanische Kraft Fm in einem Magnetfeld Bδ, das zwischen zwei Polen eines magnetischen Eisenkreises von einer Erregerspule (N Windungen, Erregerstrom I) erzeugt wird, mit der Geschwindigkeit v bewegt. In die bewegte Spule wird durch Bewegungsinduktion eine elektrische Spannung ui induziert, die bei konstanter Geschwindigkeit v und räumlich konstantem Feld Bδ (Homogenfeld) eine Gleich-spannung Ui ist (Bild G3.10-1).

LUSp

I1 AP

V

L1

L2

Multimeter

Page 58: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.42 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

a) b)

Bild G3.10-1: Einfacher elektromechanischer Energiewandler: a) Eine Spule (Windungszahl Ns) wird durch eine mechanische Kraft Fm in einem Magnetfeld B, das zwischen zwei Eisen-Polen von einer Erregerspule (Windungszahl N) erzeugt wird, mit der Geschwindigkeit v bewegt. b) In die bewegte Spule wird über BvE

×=

eine elektrische Spannung induziert (hier eingetragen als „innere“ Quellenspannung ui), so dass bei Belastung der Spule mit einem Widerstand R ein Strom I fließen kann. Es wird die mechanische Leistung Fm

.v der Spule in elektrische Leistung R.I 2 umgewandelt; die bewegte Spule wirkt als elektrischer Generator.

lBvNU ⋅⋅⋅= δsi (G3.10-1)

Wird die Spule (Ri: Spuleninnenwiderstand) mit dem Widerstand R belastet, so fließt ein Spulenstrom

)/( iis RRUI += . (G3.10-2)

GEGEN die Richtung der als „innere“ Quellenspannung eingetragenen induzierten Spannung Ui und IN Richtung des äußeren Spannungsfalls U am Widerstand R (Bild G3.10-2a). Es tritt eine bremsende LORENTZ-Kraft

lBINF ⋅⋅⋅= δss (G3.10-3)

an der Spule auf (Bild G3.10-2b). Um die Bewegung der Spule mit konstanter Geschwindigkeit v aufrecht zu erhalten, muss daher ständig eine mechanische Kraft Fm = F entgegen der Richtung von F aufgebracht werden. Von dem die Spule antreibenden mechanischen Antriebssystem wird der Spule die mechanische Leistung

inmm PvFP == (G3.10-4) zugeführt, die in elektrische, „innere“ Leistung Pi umgewandelt wird. Abgegeben wird die elektrische Leistung Pout an den Belastungswiderstand R.

iisδssδssmin )( PUIlvBNIvlBINvFvFP ====⋅=⋅= (G3.10-5)

2i

2i2

sout)( RR

URRIP

+⋅== (G3.10-6)

Das Verhältnis von abgegebener zu zugeführter Leistung ist der Wirkungsgrad η.

1iin

out <+

==RR

R

P

Pη (G3.10-7)

Page 59: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.43 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

a) b)

Bild G3.10-2: a) Elektrisches Ersatzschaltbild der bewegten Spule als Generator, induzierte Spannung Ui als „innere“ Quellenspannung, b) bremsende LORENTZ-Kraft auf die stromdurchflossenen Leiter im Magnetfeld [Kle] Beispiel G3.10-1: Zahlenwerte zum einfachen elektromechanischen Energiewandler: Spule: Ns = 5, Magnetfeld Bδ = 1.2 T, Geschwindigkeit v = 100 m/s = 360 km/h, Länge der Spulenseite l = 0.5 m, Ri = 0.1 Ohm, R = 1 Ohm:

3005.02.11005δsi =⋅⋅⋅=⋅⋅⋅= lBvNU V

73.272)11.0/(300)/( iis =+=+= RRUI A

18.8185.02.173.2725 =⋅⋅⋅=⋅⋅⋅= lBINF ss δ N

8181810018.818inmm =⋅=== PvFP W Kontrolle:

8181830073.272isiin =⋅=== UIPP W

7438273.2721 22sout =⋅== RIP W

909.011.0

1.909.0

81818

74382

in

out =+

==== ηη bzwP

P

G3.11 Zählpfeilsysteme Fasst man den Energiewandler als Black-Box auf, so kann gemäß Bild G3.11-1a) bei positiver an den Klemmen anliegender Spannung U ein IN den Wandler fließender Strom positiv gezählt werden. Dann ist auch die zugeführte elektrische Leistung IUP ⋅= positiv zu zählen. Sie wird dem Wandler zugeführt; er "verbraucht" diese Leistung. Dieses Zählpfeilsystem heißt "Verbraucher-Zählpfeilsystem", weil die vom Wandler aufgenommene elektrische Leistung positiv gezählt wird. In gleicher Weise wird die vom Wandler abgegebene mechanische Leistung positiv gezählt.

a) b)

Bild G3.11-1: Positive Strom-, Spannungs- und Leistungsflussrichtung, a) Verbraucher-Zählpfeilsystem, b) Erzeuger-Zählpfeilsystem Beispiel G3.11-1: Elektromotor, VZS: Ein Elektromotor nimmt elektrische Energie auf und wandelt sie in mechanische Energie um. Er ist ein elektrischer Verbraucher.

Page 60: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.44 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Elektromotor: Nennleistung = mechanische Abgabeleistung: 10 kW, Wirkungsgrad: 0.9 - Zugeführte elektrische Leistung: P1 = 10/0.9 = 11.1 kW > 0 - Abgegebene mechanische Leistung: P2 = 10 kW > 0 - Verluste im Motor: Pd = P1 – P2 = 11.1 – 10 = 1.1 kW > 0 Beispiel G3.11-2: Elektrischer Generator, VZS: Ein Generator nimmt mechanische Energie auf und wandelt sie in elektrische Energie um. Er ist ein elektrischer Erzeuger. Lichtmaschine im Auto: Nennleistung = ele. Abgabeleistung: 750 W, Wirkungsgrad: 0.7 - Abgegebene elektrische Leistung: P1 = -750 W < 0 - Zugeführte mechanische Leistung: P2 = -750/0.7 = -1071 W < 0 - Verluste im Generator: Pd = P1 – P2 = -750 –(-1071) = 321 W > 0 Die Verluste sind "verbrauchte" Leistung und daher im VZS stets positiv. Wird umgekehrt ein AUS dem Wandler fließender Strom positiv gezählt, so ist auch die zugehörige, vom Wandler abgegebene elektrische Leistung P positiv ("Erzeuger-Zählpfeil-system", EZS). In diesem Skriptum wird im Folgenden das Verbraucher-Zählpfeilsystem (VZS) verwendet. Elektrische Verbraucher wie Heizwiderstände, Elektromotoren, Batterien im Ladezustand, etc. nehmen im VZS positive Wirkleistung (P > 0) aus dem Netz auf. Elektrische Erzeuger wie Generatoren, Batterien im Entladezustand, energieliefernde Brenn-stoffzellen etc. nehmen im VZS negative Wirkleistung aus dem Netz auf (P < 0); sie liefern Wirkleistung ins Netz. Beispiel G3.11-3: Energiewandler von Bsp. G3.11-1 im Verbraucher-Zählpfeilsystem: Tabelle 1.1: Generatorische und motorische Energiewandlung im Verbraucherzählpfeilsystem

Generatorischer Betrieb Motorischer Betrieb v > 0, Bδ > 0 Ui > 0

Is < 0, v > 0 Is > 0, v > 0 0sii <= IUP 0sii >= IUP

Pout < 0 Pout > 0 Pm = Pin < 0 Pm = Pin > 0

Is-v-Ebene: 2. Quadrant Is-v-Ebene: 1. Quadrant Der Energiewandler arbeitet als Generator, daher ist bei positiver Geschwindigkeit v und positivem Feld Bδ die Spannung Ui positiv, aber der Strom gemäß Bild 1.5a im VZS negativ: Is = -272.73 A, ebenso 81818e −=P W und 74382m −=P W.

Bei Umkehr der Stromrichtung (Stromzufuhr aus einer externen Spannungsquelle, Vorzeichenumkehr bei Is) wirkt die LORENTZ-Kraft in Richtung der Spulenbewegung und bewegt sie daher (MOTOR-Prinzip). In der Is-v-Ebene kann Generator- und Motorbetrieb durch Einteilung in "Quadranten" dargestellt werden. Bei negativer Geschwindigkeit v < 0 ( = umgekehrte Bewegungsrichtung) können ebenfalls motorischer und generatorischer Betrieb der Spule eingestellt werden (3. und 4. Quadrant).

Page 61: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.45 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Bild G3.11-2: Vier-Quadrantenbetrieb: Verbraucher-Zählpfeilsystem (VZS): v > 0, Is > 0 und v < 0, Is < 0: Motor v > 0, Is < 0 und v < 0, Is > 0: Generator

Beispiel G3.11-4: Gleichspannungsquelle U0 mit Verbraucher Ra (Bild 1.7a):

Kurzschlussstrom, also Ra = 0: i0k / RUI = , Laststrom: ai

0

RR

UI

+= ,

bezogener Laststrom: k/ IIi = ,

Lastspannungscharakteristik: )()1()/1( 0k0i0 iUiUIIURIUU =−⋅=−⋅=⋅−= ,

Abgabeleistung: iiIUIUP ⋅−⋅=⋅= )1(k0out ,

Wirkungsgrad: )1(1/)/()(/ k0out00inout ηηη −⋅⋅=−==⋅⋅== IUPiUUIUIUPP

Den Verlauf von Lastspannung, Wirkungsgrad und Abgabeleistung in Abhängigkeit des auf den Kurzschlussstrom bezogenen Laststroms zeigt Bild G3.11-3b.

a) b)

Bild G3.11-3: a) Gleichspannungsquelle U0 mit Verbraucher Ra, b) Lastspannung, Wirkungsgrad und Abgabeleistung in Abhängigkeit des auf den Kurzschlussstrom bezogenen Laststroms Dieses Beispiel der belasteten Gleichspannungsquelle kennzeichnet die unterschiedlichen Arbeitsbereiche der elektrischen Energietechnik und der Nachrichtentechnik. Wenn die Spannungsquelle U0 mit dem Innenwiderstand Ri als elektrisches Netz betrachtet werden, dann muss der Einsatzbereich der Energietechnik bei möglichst geringem Innenwiderstand Ri << Ra erfolgen, um einen hohen Wirkungsgrad zwischen Generatorklemme und Endnutzer zu erzielen (Bild G3.11-4). Dadurch ist aber die bei Kurzschluss auftretende

Netzkurzschlussleistung i20k0 / RUIU = viel höher als die genutzte Leistung und zerstörerisch

groß. Netzkurzschlüsse müssen somit vermieden oder durch schnelle Leistungsschalter sicher abgeschaltet werden. In der Nachrichtentechnik ist das oberste Ziel die verzerrungsfreie und damit unverfälschte Übertragung einer Nachricht. Da auf dem Weg vom Sender (Spannungsquelle U0) zum Empfänger (Ra) eine Abschwächung des Signalpegels (Widerstand Ri) erfolgt, so dass dieser im Störungsrauschen des Nachrichtenkanals unterzugehen droht, muss bei gegebener Sendeleistung eine möglichst hohe Empfangsleistung Pout angestrebt werden („Leistungsanpassung“ Ri = Ra)! Dass dabei nur ein kleiner Wirkungsgrad von 50 % erreichbar ist, ist wegen der im Vergleich zur Energietechnik deutlich kleineren Sendeleistungen verschmerzbar (Bild G3.11-4, siehe Vorlesung „Nachrichtentechnik“ von Prof. Jakoby)!

Page 62: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.46 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

a) b)

Bild G3.11-4: a) Abgabeleistung in Abhängigkeit des Wirkungsgrads, b) Betrieb bei hohem Wirkungsgrad (Ri << Ra, η ≈ 0.9) und bei maximaler Abgabeleistung (Ri = Ra, η = 0.5, Leistungsanpassung) G3.12 Einfache Dipolantennen G3.12.1 Ultrahochfrequente (UHF) elektromagnetische Schwingungen Durch weitgehende Verkleinerung der Kapazität C und Induktivität L eines Schwingkreises nach Bild G3.12.1-1 erhalten wir einen Schwingkreis extrem hoher Eigenfrequenz.

LCf

1

2

1d ⋅=

π (G3.12.1-1)

Bild G3.12.1-1: Erzeugung eines UHF-Schwingkreises für sehr hohe Eigenfrequenz Wir verkleinern zuerst die Windungszahl der Spule auf wenige Windungen (a-c) und wählen einen Kondensator sehr kleiner Kapazität (d). Wir lassen nun alle Windungen der Spule weg, es verbleibt nur mehr ein Metallbügel (e), der die beiden Kondensatorplatten verbindet. Dieser Bügel stellt eine Windung dar. Diese besitzt nur mehr eine sehr kleine Induktivität. G3.12.2 Der λ/2-Dipol Denken wir uns nach Bild G3.12.2-1 einen geschlossenen UHF-Schwingkreis auseinander gebogen (b-c), so sinkt die Kapazität des Kondensators wegen des steigenden Plattenabstands. Soll die Eigenfrequenz des Schwingkreises, also gemäß (G3.12.1-1) das Produkt LC, erhalten bleiben, so können wir die Kapazitätseinbuße durch eine größere Induktivität wettmachen, indem wir den Draht des Bügels verlängern (d). Setzen wir diesen Vorgang kontinuierlich fort und lassen schließlich die Kapazität der Metallplatten an den Enden verkümmern, so gelangen wir zu einem gestreckten Leiter bestimmter Länge (e), den wir Dipol nennen, der wie der UHF-Schwingkreis zu elektromagnetischen Schwingungen fähig ist (Stabdipol, Stab-antenne). Wird der Stabdipol in der Mitte an eine Wechsel-Spannungsquelle angeschlossen, so fungiert jede Stabhälfte als Wellenleiter für Strom- und Spannungswelle mit offenem Ende. Durch

Page 63: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.47 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Reflexion an den Stabenden entstehen stehende Strom- und Spannungswellen. Maximale Strom- und Spannungs-Amplituden ergeben sich bei Resonanz (f = fd), wenn also jede Stabhälfte die Länge L = λ/4 hat. Die gesamte Dipollänge ist somit l = 2L = λ/2 ("λ/2-Dipol"). Wie bei der Zweidraht-Leitung kann entlang des Dipols Strom und Spannung der stehenden Welle gemessen werden. An den offenen Enden hat die Stromwelle Knoten (Null) und daher die Spannung je einen Bauch (maximal). An der mittigen Einspeisestelle befinden sich der Strombauch und der Spannungsknoten.

Bild G3.12.2-1: Entstehung eines λ/2-Dipols aus einem UHF-Schwingkreis a) Stromverteilung im Dipol: Zu ihrer Untersuchung könnten wir an verschiedenen Stellen des Dipols Glühlämpchen einbauen (z. B. in Dipolmitte). Einfacher aber geht dies, indem wir nach Bild G3.12.2-2 das vom Dipolstrom verursachte Magnetfeld mit einer Induktionsschleife messen.

Bild G3.12.2-2: Messung des Dipolstroms Bild G3.12.2-3: (a) Strom- und (d) Spannungsverteilung Entweder über eingebaute Glühlämpchen der stehenden Welle an einem λ/2-Dipol, (a) H-Feld und oder eine Induktionsschleife Messschaltung mit UHF-Resonanzkreis für i, (c) Mess-

schaltung mit Glimmlampe für u

Page 64: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.48 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Wir speisen den Dipol mit einer UHF-Spannungsquelle mit der Frequenz f. Nach Bild G3.12.2-3a wird das vom Dipolstrom i(z) verursachte Magnetfeld H mit einer Induktionsschleife und damit der Strom selbst gemessen. Ebenso kann ein UHF-Schwingkreis verwendet werden, dessen Eigenfrequenz fd = f ist (Resonanzabstimmung des UHF-Schwingkreises). Wo der Strom im Dipol stärker ist, ist er von einem stärkeren, ihn zylindrisch umkreisenden magnetischen Wechselfeld H umgeben. Wir müssen die Induktionsschleife so in die Nähe des Dipols halten, dass sie von den magnetischen Feldlinien durchsetzt wird. Das ist der Fall, wenn der Dipol in der von der Induktionsschleife aufgespannten Ebene liegt. In der Mitte des Dipols leuchtet die Glühlampe in der Induktionsschleife am stärksten, gegen seine Enden hin wird das Leuchten schwächer und hört am Dipolende völlig auf, dort fließt also kein Strom (Bild G3.12.2-3b). b) Der Potentialverlauf im Dipol: Den Potentialverlauf u(z) im Dipol könnten wir durch Berühren mit einer kleinen, stabförmigen Glimmlampe, deren anderes Ende wir in der Hand halten (Bild G3.12.2-3c), prüfen. Dabei stellen wir als Messperson das Erdpotential dar, und das elektrische Potential der Spannungswelle treibt einen kleinen (ungefährlichen) Glimmstrom über die Messperson gegen Erde, welcher die Lampe zum Glimmen bringt. Bei kräftiger Spannung zündet die Glimmlampe, wenn wir das Dipolende berühren. Sollte dies nicht eintreten, so muss sie durch Berühren mit einem geriebenen Glasstab gezündet werden. An den Dipolenden wird eine hohe Wechselspannung gemessen. Bewegen wir die Glimmlampe gegen die Dipolmitte, so wird ihr Leuchten immer schwächer, bis sie schließlich erlischt. Gegen die Dipolmitte hin nimmt also die Spannungsamplitude ab (Verlauf der Spannungsamplitude nach Bild G3.12.2-3d). Verlängert man gemäß Bild G3.12.2-4 den λ/2-Dipol einseitig am unteren Dipolende um eine weitere λ/2-Länge, so entsteht der λ-Dipol mit drei Stromknoten. Durch Falten des zweiten λ/2-Teils und Verbinden mit dem oberen Dipolende entsteht der elektromagnetisch (nahezu) gleichwertige Faltdipol (Schleifendipol). Da er den doppelten Strom (parallel) in beiden Leitern führt, hat er bei gleicher elektrischer Leistung etwa den vierfachen

Eingangswiderstand Z wie der λ/2-Dipol: 2/2

2/2 4)2( λλ ZZZiZiP SS === . Am

Schleifendipol kann die elektrische Spannungsverteilung mit zwei Spannungsabgriffen zwischen den beiden parallelen Drähten der Schleife gemessen werden.

Bild G3.12.2-4: Gedankliche Entstehung des Schleifendipols

Page 65: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.49 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Hinweis: Reale Dipole sind wegen der endlichen Drahtstärken der Schleifen bzw. Stäbe etwas kürzer als λ/2 ausgeführt. Beispiel G3.12.2-1: Frequenz f = 433.92 MHz Wellenlänge: 1.69/0 == fcλ cm

λ/2-Dipol: Länge l = λ/2 = 69.1/2 = 34.5 cm theoretisch, wegen endlichem Durchmesser mit 7 mm aber nur 32 cm lang. Schleifendipol: Soll er wie ein λ/2-Dipol wirken, so muss seine Länge ebenfalls l = λ/2 = 69.1/2 = 34.5 cm sein, ausgeführt: 32 cm. G3.12.3 Das elektromagnetische Wellenfeld des λ/2-Dipols a) Die elektrische Verschiebungsstromdichte: J. C. Maxwell zeigte, dass sowohl ein elektrischer Strom (Durchflutung) ein Magnetfeld erregt, als auch eine (rasche) Änderung der elektrischen Feldstärke. Der Ampere´sche Durch-flutungssatz ist folglich zu erweitern, wobei C die Berandungskurve der Fläche A darstellt.

•∂∂+=⋅

C A

Adt

EsdH

εΘ (G3.12.3-1)

Dabei ist Θ der Leitungsstrom auf dem Dipolstab. Die Feldänderung kommt durch die Verschiebung der Ladung an den Enden zwischen je 2 Halbperioden zustande. Daher heißt

der Ausdruck tE ∂∂⋅ /

ε "Verschiebungsstromdichte". Beispiel G3.12.3-1: λ/2-Dipol: I = 70 mA, U = 3.8 V, l = 14 cm, d = 7 mm Durchmesser. Wir schätzen grob ab:

Feldstärke 38/2ˆ == lUE V/m, Stromdichte im Dipol: 6.2)4//(2ˆ 2 == πdIJ mA/mm2

Bei welcher Frequenz tragen Verschiebungsstromdichte und Leitungsstromdichte Θ/A gleichermaßen zur resultierenden Stromdichte J bei? Antwort: Wir berechnen die Verschiebungsstromdichte in Luft: ε = ε0 =8.854.10-12 As/(Vm):

2/ˆˆ)sin(ˆ/)cos(ˆ)( 000 JEtEtEtEtE =⋅−=∂∂⋅= ωεωωεεω

61538210854.8

2/106.2ˆ2

2/ˆ12

3

0

=⋅⋅⋅

⋅== − HzE

Jf

ππεMHz

Fazit: Die Verschiebungsstromdichte wird erst bei sehr hohen Frequenzen quantitativ wirksam, nämlich im UHF-Bereich. Hier bestimmt sie maßgeblich die Feldabstrahlung von der Antenne mit. H. Hertz wies dies als erster experimentell mit seinem Hertz´schen Dipol (Dipollänge l << λ/2) nach. b) Feldabstrahlung: Laden sich beim Dipol die Enden durch Ladungsansammlung auf (Spannungsbauch), so müssen sich die E-Feldlinien über den umgebenden Raum zum anderen Dipolende schließen

Page 66: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.50 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

(Bild G3.12.3-1, Zeitpunkt t = 0). Bei einer elektrischen Anregung des Dipols mit f = fd

(Resonanz) kommt es zu maximalen E-Feldstärken. Nach einer halben Periode T/2 = 1/(2f) hat sich das E-Feld umgepolt. Eine Änderung des elektrischen Felds ("Verschiebungsstromdichte") ruft nun ein magnetisches Feld H hervor. Gleichzeitig fließt beim Umschwingen die Ladung von den Dipolenden zur Mitte. Dieser Leitungsstrom verstärkt das H-Feld gemäß (G3.12.3-1).

Bild G3.12.3-1: Feldabstrahlung (schematisch) beim λ/2-Dipol für die vier Zeitpunkte t = 0, T/4, T/2 und 3T/4 Das sich dabei ändernde (vergrößernde) H-Feld induziert nach dem Faraday´schen Induktionsgesetz ein elektrisches Feld (induziertes Feld), das sich mit geschlossenen Feldlinien um das H-Feld ausbildet. Nach T/2 ist der Dipol umgepolt, der Stromfluss wird Null und das E-Feld mit umgekehrter Polarität maximal. Die geschlossenen Feldlinien von E- und H-Feld des Zeitabschnitts 2/0 Tt ≤≤ sind aber nicht erloschen, sondern nach außen gedrängt worden und werden als Welle abgestrahlt.

Page 67: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.51 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Im Zeitabschnitt TtT ≤≤2/ wiederholt sich der Vorgang mit umgekehrter Polarität. Dadurch entsteht eine elektromagnetische Feldwelle (Verkopplung von E- und H-Feld im Raum), deren räumliche Wellenlänge doppelt so groß wie die Länge des λ/2-Dipols ist. Die E-Vektoren schwingen mit der Frequenz f, wobei die Vektoren in Meridianebenen mit dem Dipol als Achse (Polarisationsebenen) liegen. Die H-Vektoren schwingen in Ebenen, die senkrecht zur Dipolachse legen. c) Der λ/2-Dipol als Sende- und Empfangsantenne: Nach Bild G3.12.3-2 stellen wir einen λ/2-Dipol (Stabantenne) mit eingebautem Glühlämpchen als "Empfänger" in größerer Entfernung vom UHF-Schwingkreis (UHF-Spannungsquelle, "Sender" mit der Frequenz f) auf. Wir betreiben den Sender ohne angeschlossenen Dipol. Am Empfangsdipol bleibt das Glühlämpchen dunkel, da keine Wellenabstrahlung erfolgt. Wir versehen den Sender nun mit einem abgestimmten λ/2-Dipol. "Abgestimmt" heißt, dass wir gemäß fc ⋅= λ0 die Länge des Dipols auf

)2/(2/ 0 fcl == λ (c0: Vakuum-Lichtgeschwindigkeit) (G3.12.3-1)

festlegen. Nun leuchtet die Lampe im Empfangsdipol hell auf, da Wellenabstrahlung erfolgt. Eine empfindlichere Anzeige ergibt sich, wenn wir statt des Glühlämpchens im Empfangsdipol einen Gleichrichter (z. B. Germaniumdiode) mit angeschlossenem Ampere-meter (Galvanometer) nach Bild G3.12.3-2d verwenden. Der im Dipol auftretende Wechselstrom fließt dann in der Pfeilrichtung durch den Gleichrichter, in der anderen Richtung durch das Galvanometer, das somit von einem pulsierenden Gleichstrom durchflossen wird.

Bild G3.12.3-2: Sende- und Empfangsdipol: a) UHF-Schwingkreis als Sender koppelt auf Stabdipol (Sendeantenne) ein, b) und c) Empfangsdipol mit eingebauter Glühlampe, d) Empfangsdipol mit Gleichrichter und Amperemeter Fazit: Ein geschlossener UHF-Schwingkreis besitzt keine Fernwirkung. Ein offener Schwing-kreis (Dipol) besitzt Fernwirkung; er strahlt elektrische Energie in den Raum und wird daher auch als Sendedipol oder Sendeantenne bezeichnet. Der UHF-Generator mit angekoppeltem Sendedipol stellt einen Sender elektromagnetischer Energie dar. Ein gemäß (G3.12.3-1) auf die Sendefrequenz f abgestimmter zweiter Dipol kann die abgestrahlte Energie teilweise aus dem Raum aufnehmen und wird daher als Empfangsdipol oder Empfangsantenne bezeichnet.

Page 68: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik G.52 Grundlagen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Entstehen des hochfrequenten Wechselstroms im Empfangsdipol: (i) Der Empfangsstrom ist einerseits ein Induktionsstrom infolge des zeitlich veränderlichen Magnetfelds H. Da ein Induktionsstrom nur entsteht, wenn der Leiter mit magnetischen Feldlinien verkettet ist, müssen die Feldlinien dieses Magnetfeldes normal zur Richtung des Empfangsdipols verlaufen und aus Symmetriegründen daher den Sendedipol in konzentrischen Kreisen umschlingen – ähnlich wie beim Sendedipol. (ii) Weiter kommt der Empfangsstrom aber auch durch das in der Richtung des Empfangs-dipols verlaufende elektrisches Wechselfeld E zustande, das auf die im Dipol enthaltenen Elektronen einwirkt und so die elektrische Schwingung anregt. d) Ausmessen des elektrischen Feldvektor E in der Umgebung des λ/2-Dipols: Der Wechselstrom im Empfangsdipol wird auch durch das im Raum bestehende elektrische Wechselfeld E verursacht. Die Feldstärke E an irgendeinem Punkt des Raumes muss sich also genau so periodisch ändern wie der Strom im Empfänger. Weist der Empfangsdipol in die Schwingungsrichtung der elektrischen Feldstärke E, so erhalten wir maximalen Strom im Empfangsdipol; liegt er zu ihr normal, so wird sich kein Strom im Dipol ergeben, da dann die elektrische Feldstärke keine Komponente in Richtung des Dipols hat (Bild G3.12.3-2 b, c). Wir bringen dazu den Empfangsdipol nach verschiedenen Punkten in einer durch den Sendedipol gelegten horizontalen Ebene, erteilen ihm dort jeweils verschiedene Orientierungen und halten jene Orientierung fest, in der sich maximaler Strom einstellt. Dies ist die Schwingungsrichtung des elektrischen Feldvektors E. Die jeweils erzielte maximale Stromstärke ist ein Maß für die Amplitude des elektrischen Feldvektors E. Die Amplitude der Feldstärke E ist am größten in der durch die Mitte des Sendedipols gelegten, zu diesem normalen Ebene; in der zur Sendeantenne normalen Richtung ist die Energiestrahlung am größten. In Richtung des Sendedipols verschwindet die elektrische Feldstärke, in dieser Richtung wird keine elektrische Energie abgestrahlt ("Abstrahlcharakteristik"). Das elektrische Feld ist somit rotationssymmetrisch bezüglich des Dipols als Achse. Fazit: Eine Dipolantenne strahlt elektromagnetische Energie als linear polarisierte Wellen ab. Die Polarisationsebenen des E-Vektors (Ebenen, in denen der Vektor schwingt) enthalten alle gemeinsam jene Achse, in der der Sendedipol liegt. In Richtung dieser Achse ist die abgestrahlte Energie Null, senkrecht dazu maximal und rotations-symmetrisch um diese Achse verteilt.

Page 69: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik R.1 Ressourcen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

R. Ressourcen R1 Sonneneinstrahlung a) Kernfusion in der Sonne: Die Sonne ist der Stern, von dem wir leben. Die Erde ist im Mittel L = 1.497.108 km (also rund 150 Mio. km) von der Sonne entfernt. Der mittlere Sonnendurchmesser beträgt mit d = 1.39 Mio. km etwa 109 Erddurchmesser. Die Masse der Sonne m mit unvorstellbaren 1.98.1030 kg beträgt 333 000 Erdmassen bei einer mittleren Dichte

33 kg/m1408)6//( =⋅= dm πγ . Die Sonne besteht überwiegend aus elementarem Wasserstoff, der auf Grund des hohen Gravitationsdrucks zusammen gepresst wird, so dass die Wasserstoffatome ionisieren, d. h. die Atomkerne (also Protonen) und Elektronen getrennt sind. Sie bilden auf Grund dieser vollständigen Ionisation ein „Plasma“, d. h. ein Gas von frei beweglichen Protonen und Elektronen. Die abstoßende Coulomb-Kraft zwischen je zwei Protonen wird durch die Gravitationskraft der Sonnenmasse überwunden, so dass die beiden Protonen zu einem Heliumkern verschmelzen können (Kernfusion durch Gravitationseinschluss). Dessen Masse ist um Δm geringer als jene der beiden Wasserstoffkerne. Pro Sekunde werden etwa 657 Mio. Tonnen Wasserstoffkerne in etwa 653 Mio. Tonnen Heliumkerne verschmolzen. Dieser „Massendefekt“ ΔM von etwa 4 Mio.

Tonnen (genauer 4.2 Mio. t) entspricht gemäß 20cMW ⋅= Δ einer Energie W = 37.4.1025 J, die

je Sekunde z. B. als zusätzliche kinetische Energie der Heliumkerne durch Stöße mit den anderen Teilchen das Sonneninnere heizt, und zwar im Sonnenkern (etwa bis 25 % des Sonnenradius) auf etwa 20 Mio. Grad. Der Sonnenoberflächenbereich, die „Photosphäre“, ist dabei „nur“ etwa 6000 K heiß. Die sich dort bei diesen hohen Temperaturen durch Stöße beschleunigt und abgebremst bewegenden elektrisch geladenen Teilchen strahlen elektromagnetische Wellen als Wärmestrahlung mit jener Fusionsenergie W = 37.4.1025 J je Sekunde (als Strahlungsleistung P = W/t = 37.4.1025 J/s) in den Kosmos ab, während sich das schwerere Helium im Kern der Sonne sammelt. Strahlungsdruck nach außen und Gravitationsdruck nach innen halten einander dabei das Gleichgewicht, so dass die gasförmige Sonne eine etwa kugelförmige Gestalt annimmt. In der die Sonne umgebenden „Chromosphäre“, die mit verdünntem Wasserstoffgas erfüllt ist, rekombinieren die Protonen und Elektronen tw. wieder zu Wasserstoffatomen. Die Temperatur, also die mittlere Geschwindigkeit der Atome, nimmt dort u. a. auf Grund von Stosswellen im Gas wieder auf ca. 1 Mio. Grad zu. Protuberanzen („Sonnenfackeln“) als heiße Gaseruptionen, z. T. auch in Bögen entlang der magnetischen Feldlinien, reichen weit in den die Sonne umgebenden Raum hinaus (Bereich der „Sonnenkorona“ (lat. Krone)). Da die Fusionsenergie abgestrahlt wird, bleibt auch die Sonnentemperatur konstant. Die Sonnenmasse verringert sich zwar je Sekunde um gigantische 4.2 Mio. Tonnen, doch müssen 15.1010 Jahre vergehen, bis bei dieser Rate 1 % der Sonnenmasse abgestrahlt ist. b) Die Sonne als Strahlungsquelle: Mit dem mittleren Abstand Erde-Sonne L (wir vernachlässigen also die leicht elliptische Bahnkurve der Erde um die Sonne) ergibt sich die Strahlungsleistung, bezogen auf die

Kugeloberfläche beim Radius L zu 220 m/kW328.1)4/( =⋅= LPI π . Eine auf der

Erdoberfläche normal zur einfallenden Sonnenstrahlung liegende Fläche würde bei fehlender Absorption durch die Erdatmosphäre also je m2 eine Strahlungsleistung von I0 = 1.33 kW/m2 (Solarkonstante) empfangen. Die Lichtteilchen (Photonen) mit der Energie fh ⋅ und Vielfachen erreichen die Erde als elektromagnetische Strahlung. Eine hypothetische Strahlungsquelle als „Vergleichsnormal“ für die Sonne ist der „schwarze Strahler“. Die

Page 70: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik R.2 Ressourcen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

gesamte je Flächeneinheit abgestrahlte Leistung wird durch das Stefan-Boltzmann´sche Strahlungsgesetz bestimmt: 4/ TAP ⋅= σ mit der Stefan-Boltzmann-Konstante

)KW/(m1056697.0 427−⋅=σ , dem gemäß die abgestrahlte Leistung mit der vierten Potenz der Oberflächentemperatur des Strahlers zunimmt. Die Sonne verhält sich näherungsweise wie ein schwarzer Strahler. Mit ihrer Strahlungsleistung P = W/t = 37.4.1025 W und dem Sonnenradius r = 0.696.109 m erhalten wir ihre Oberflächentemperatur rechnerisch zu

K5737,4 42 =⋅⋅=⋅= TTAPrA σπ . Das gemessene extraterrestrische Sonnenspektrum hat sein Maximum bei der Wellenlänge

nm470m =λ , was über das Wien´sche Verschiebungsgesetz auf T = 6166 K führt. Die Differenz zu 5737 K ist darauf zurückzuführen, dass die Strahlung der Sonne nicht nur thermische Strahlung, sondern auch Zyklotronstrahlung kreisender elektrisch geladener Teilchen im Magnetfeld der Sonne und Strahlung durch Plasmaschwingungen in der Photosphäre enthält. Die Strahlungsleistung pro Flächeneinheit an der Sonnenoberfläche folgt gemäß

22474 kW/m61400W/m6141853957371056697.0/ ≈=⋅⋅=⋅= −TAP σ . Mit der projizierten Erdoberfläche Ap als Kreisscheibe, berechnet mit dem Erddurchmesser

dE = 12700 km als 2142Ep m10267.14/ ⋅=⋅= πdA , ergibt sich die eingestrahlte solare

Leistung auf der Erde extraterrestrisch, also ohne Abdämpfung durch die Atmosphäre („air mass zero“ = AM0), mit der Solarkonstanten I0 = 1.33 kW/m2 zu

kW107.1kW10685.110267.110330.1 1414143p0AM0E, ⋅≈⋅=⋅⋅⋅=⋅= AIP . Pro Jahr (1 Jahr

= ta = 365 Tage = 8760 h) entspricht dies einer eingestrahlten Energiemenge von

TWh1015EJ106.53J106.53s36008760kW107.1 852314aAM0E, ⋅=⋅=⋅=⋅⋅⋅=⋅= tPW .

Bei einem jährlichen Welt-Primärenergiebedarf von WE = 530 EJ/a (geschätzt für 2011) erhält

die Erde somit pro Jahr von der Sonne das fache10113530/106.53/ 5E −=⋅=WW des

jährlichen Energiebedarfs eingestrahlt. Natürlich wird der Großteil dieser Energie für die lebensnotwendigen ausreichend hohen Temperaturniveaus im Meer, an Land und in der Luft, aber auch für den Antrieb des Wasserkreislaufs durch Wasserverdampfung, für den Antrieb der Wind- und Meeresströmungen durch Erwärmung der Luft- und Wassermassen, für die Photosynthese und damit für das Pflanzenwachstum benötigt. Trotzdem kann - für die Naturabläufe schadlos - ein (wenn auch global gesehen) kleiner Anteil abgezweigt werden, um für die direkte Nutzung durch den Menschen (Solarthermie, Photovoltaik) verwendet werden. Die Erdoberfläche wird aber von einem deutlich geringeren Anteil der Strahlungsleistung der Sonne erreicht, denn Wolken und Nebel verhindern infolge Absorption ein ungehindertes Einstrahlen. Das Sonnenlicht wird an den Luftmolekülen gestreut (deshalb erscheint der Himmel uns blau gefärbt) und z. T. reflektiert. Daher unterscheiden wir, ohne Abschattungen von Gebäuden etc. zu berücksichtigen, zwischen der direkten Sonneneinstrahlung und der diffusen Einstrahlung eines bestimmten Anteils des gestreuten Lichts, deren Summe globale Sonneneinstrahlung genannt wird. Gemäß Bild R1-1 wird im Licht-Wellenlängenbereich von 400 … 700 nm die direkte Strahlung als für uns Menschen „sichtbares Licht“ von der Erdatmosphäre durchgelassen und als Radiowellen im Wellenlängenbereich 0.6 cm … 30 m („Radiofenster“ der Erdatmosphäre).

Page 71: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik R.3 Ressourcen

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Bild R1-1: Gemessene spektrale Verteilung der Eindringtiefe der extraterrestrischen Strahlung in die Erdatmosphäre, dargestellt als jene Höhe h über dem Erdboden, bis zu der noch 50 % der einfallenden extraterrestrischen Strahlungsleistung vordringen. Man sieht unsere beiden Fenster zum All in Abhängigkeit der Frequenz f (= ν): Rechts das schmale im sichtbaren Frequenzbereich (Frequenzbandbreite etwa 1 Oktave) und links das viel breitere Radiofenster (13 Oktaven) [Ger]. Die senkrecht von der Sonne her kommend auf die Erdoberfläche auftreffende Sonneinstrahlung nennt man die Einstrahlung bei „air mass one“ (AM1). Durch die Neigung der Erdrotationsachse um 23°27´ gegen ihre Bahnebene um die Sonne („Schiefe der Ekliptik“) variiert an jedem Punkt der Erdoberfläche der Einfallwinkel der (wegen der großen Entfernung der Sonne zur Erde) nahezu parallel auftreffenden Sonnenstrahlung. Auf Grund der Erdrotation ist die Sonnenscheindauer pro Tag zeitlich begrenzt und variiert wegen der Schiefe der Ekliptik während eines Sonnenjahres. Beides führt zu den uns vertrauten „Jahreszeiten“. Beispiel R1-1: Standort Wien, Österreich, 48° nördlicher geographischer Breite: Astronomisch mögliche jährliche Sonnenscheindauer: 4470 h/a bzw. 51 % eines Jahres, gemessene jährliche mittlere Sonnenscheindauer (im langjährigen Mittel von 1935 … 1975) infolge der Wolken- und Nebelbildung T = 1889 h/a (das sind 21.5 % eines Jahres). Mit einer gemessenen jährlichen mittleren Sonneneinstrahlung I = 1124 kWh/(m2.a) resultiert daraus eine flächenbezogene Strahlungsleistung im langjährigen Jahresmittel

2kW/m6.01889/1124/ === TII . Fazit: Anstelle der maximal möglichen, nämlich extraterrestrischen Sonnenstrahlungsleistung pro

Fläche 20 m/kW328.1=I (AM0 = am Äquator, ohne Schiefe der Ekliptik, ohne Atmosphäre,

bei angenommener Kreisbahn der Erde um die Sonne im Abstand einer „astronomischen

Einheit“ km10496.1AE1 8⋅= ) ergibt sich für den Standort Wien eine mittlere jährliche

Sonneneinstrahlung von 45 %, nämlich 2kW/m6.0 .

Page 72: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.1 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

P. Prozesse P1 Elektrizitätswirtschaftliche Kenngrößen Erntefaktor ε : Der Erntefaktor ε gibt das Verhältnis von während der Lebensdauer eines Kraftwerks erzeugter elektrischer Energie WN zur aufgewendeten, kumulierten Energie aus dem Betrieb WB,kum an.

B

N

B

N

kumB,

N

P

P

TP

TP

W

W =⋅⋅==ε (P1-1)

Ausnutzungsdauer tnutz : Fiktive Zeitspanne, die die durchschnittliche Inanspruchnahme der Engpassleistung PSpitze eines Kraftwerks in Jahresvolllaststunden angibt. Berechnet wird die Ausnutzungsdauer aus dem Quotient aus der Gesamtenergieerzeugung eines Jahres WN,a und der Engpassleistung PSpitze.

Spitze

aN,nutz P

Wt = (P1-2)

Grundlast, Mittellast, Spitzenlast: Eine typische Tageslastkurve mit der Unterteilung in Grundlast, Mittellast und Spitzenlast zeigt Bild P1-1. Kraftwerke für die Grundlast sind z. B. Kernkraftwerke und Braunkohlekraftwerke. Steinkohlekraftwerke können für die Mittellast eingesetzt werden. Für die Spitzenlasten werden Gasturbinen oder Speicherwasserkraft eingesetzt.

Bild P1-1: Tageszeitabhängiger Stromverbrauch über ein Tag [BWK, VDI] Brutto- und Netto-Stromverbrauch eines Landes: Die in einer Volksgemeinschaft erzeugte oder eingeführte Gesamtmenge an elektrischer Energie, abzüglich der ausgeführten Energiemenge ist der Brutto-Stromverbrauch. Hierbei werden alle „Stromerzeugungsquellen“ berücksichtigt. Die Verteilungsverluste im Netz und der Eigenverbrauch der Kraftwerke sind ebenfalls mit berücksichtigt. Der Netto-Stromverbrauch berechnet sich aus dem Brutto-Stromverbrauch abzüglich der Verteilungsverluste und dem Kraftwerks-Eigenverbrauch.

Page 73: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.2 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

P2 Grundlagen des thermischen Betriebs P2.1 Reales Gas und Änderung der Aggregatzustände, Flüssigkeiten und Festkörper Reale Gase bestehen aus Molekülen, also aus Teilchen mit endlicher Ausdehnung und unterschiedlicher Form (Bild P2.1-1). Die Elektronen in den Atomhüllen bewirken die elektrischen Bindekräfte der Atome zu Molekülen („chemische Bindung“). In vielen Molekülen sind die elektrisch positiven Atomkerne und die elektrisch negativen Hüllenelektronen soweit zueinander verschoben (z. B. H2O-Molekül, Bild P2.1-1), dass der positive und negative Ladungsschwerpunkt nicht zusammenfallen („polares“ Molekül). Es entsteht ein elektrischer Dipol, der auf die benachbarten elektrischen Dipol-Moleküle eine elektrostatische Anziehungs- oder Abstoßungskraft, je nach relativer Lage der Moleküle zueinander, ausübt. Diese elektrischen Dipolkräfte sind also spezielle intermolekulare Kohäsionskräfte (van der Waals´sche Kräfte), die allerdings nur auf kurze Distanz in der Größenordnung der Molekülabmessungen wirken. Endliches Teilchenvolumen und die auftretenden Teilchenkräfte sind die wesentlichen Kennzeichen realer Gase. Während gemäß (G2.5.1-12) ein Zusammenpressen des idealen Gases (Volumen V sinkt) pTRV m /⋅⋅= ν eine Druckerhöhung bewirkt, die eng aneinander

liegenden Teilchen aber nicht aneinander haften (= es gibt keine Teilchenkräfte), ist bei realem Gas durch Kompression ein aneinander Haften der Moleküle durch die o.g. Kräfte möglich, so dass das Gas durch Kompression verflüssigt werden kann. Es ist auch ein direkter Übergang vom Gas zum Festkörper (Sublimation, z. B. Reifbildung) möglich. Verflüssigung und Verdampfung, allgemein also die Übergänge zwischen unterschiedlichen Aggregatzuständen (Phasenübergänge) sind nur mit den Eigenschaften realer Gase erklärbar. Beim idealen Gas wurde jeder Raumbewegungsrichtung und damit jedem Freiheitsgrad der Bewegung eines Massepunkts der Anteil 2/Tk ⋅ der kinetischen Energie zugeordnet. Eine mögliche Rotation der Massepunkte mit ω um ihre Achse lieferte bei einatomigen Gasen wegen des verschwindend kleinen Radius (= Trägheitsmoment J = 0) keinen Beitrag zur

kinetischen Energie ( 02/2, =⋅= ωJW rotk ). Bei realen Gasen kommen auf Grund der

räumlich ausgedehnten Moleküle auch nicht zentrale Stöße vor, die die Moleküle in Rotation versetzen. Bei zweiatomigen Molekülen (z. B. H2, N2, O2, …) bilden beide Atome eine hantelförmige Struktur (Bild P2.1-1) z. B. um die x-Achse. Daher ist zwar Jx wie bei den einatomigen Teilchen (nahezu) Null, aber Jy und Jz sind mit dem Abstand a des

Atomschwerpunkts von der Drehachse gemäß 0)2/(2 22 >⋅=⋅⋅== ammaJJ zy , so dass

eine Rotation um die y- bzw. z-Achse den kinetischen Energiebeitrag

)2/()2/( 22, zzyyrotk JJW ωω ⋅+⋅= liefert. Mit dem Gleichverteilungsprinzip folgt

)2/()2/(, kTkTW rotk += , so dass mit (G2.5.1-6) die resultierende mittlere kinetische

Energie pro Teilchen auf drei translatorische und zwei rotatorische Freiheitsgrade verteilt ist.

TkRmvm

W avzavyavk ⋅⋅=

+⋅⋅+⋅=

2

5

2

))(

2

)(22

22 ωω

(P2.1-1)

Demnach ist die molare Wärmekapazität zweiatomiger Gase bei konstantem Volumen

)2/5(⋅= RCmV . Für drei- und mehratomige Moleküle (H2O, NH3, …) existieren stets auch

die drei Rotationsfreiheitsgrade (um x-, y- und z-Achse), was einer molaren Wärmekapazität )2/6(mV ⋅= RC bei konstantem Volumen entspricht. In Festkörpern ergeben sich zusätzlich

Page 74: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.3 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

noch Schwingungen der Atome im Kristallverband um ihre Ruhelage, so dass sich weitere Freiheitsgrade der Bewegung ergeben. Allgemein gilt bei f Freiheitsgraden )2/(mV fRC ⋅= .

Vernachlässigen wir die intermolekularen Kohäsionskräfte, so ergibt dieselbe Herleitung wie zu (G2.5.1-17) für die Gaserwärmung bei p = konst.

a) b) c) d)

Bild P2.1-1: a) Die Teilchen einatomiger Gase werden als kleine Kugeln betrachtet. Da der Atomkern fast die gesamte Masse m enthält und sehr klein ist, ist die Rotationsenergie der Kerne wegen deren geringen Trägheitsmoment nahezu Null. b) Bei Gasen mit Teilchen als zweiatomige Moleküle (z. B. H2) haben diese Moleküle eine Hantelform. Die Drehung um die x-Achse erfordert (fast) keine Rotationsenergie. c) Bei dreiatomigen Molekül z. B. von H20 (gewinkelte Form) erfordert die Rotation um alle drei Raumachsen Energie. d) Bei der gestreckten dreiatomigen Molekülform (z. B. CO2) erfordert die Drehung um die x-Achse (fast) keine Rotationsenergie [Sch].

RCC += mVmp (P2.1-2) da die Dehnungsarbeit für die Volumenvergrößerung bei konstantem Druck bei der Bestimmung von Cmp zu berücksichtigen ist. Bei Flüssigkeiten und Festkörpern ist die Wärmeausdehnung bei der Stofferwärmung deutlich kleiner als bei Gasen und wird hier vernachlässigt, so dass wir für Flüssigkeiten und Festkörper mmVmp CCC =≈ schreiben.

Hat allgemein ein Stoff die Stoffmenge von νm kmol, so ist seine Wärmekapazität bei der zugeführten Wärmeenergie ΔQ gemäß TQfRC mV ΔΔν /)2/( =⋅⋅= (Einheit: J/K) bei V =

konst. bzw. )1)2/(( +⋅⋅= fRC mp ν bei p = konst. Bezogen auf seine Masse M erhalten wir

mit der Molekülmasse m die spezifische Wärmekapazität (Einheit: J/(kg.K))

)2/(/)2/()/(/)2/(/)/( mfkMfkmMMfRMCMTQc mVV ⋅⋅=⋅⋅=⋅⋅==⋅= νΔΔ (P2.1-3) bzw.

mfkcp /)1)2/(( +⋅= (P2.1-4) und daher

ffcc Vp /)2(/ +==κ . (P2.1-5) Je kleiner die Molekülmasse m ist, desto höher ist die spezifische Wärmekapazität, wie Tab. P2.1-1 (mH2 < mN2 < mO2) zeigt. Deshalb hat Wasserstoffgas eine deutlich höhere spezifische Wärmekapazität als Luft, so dass es bei großen Synchronmaschinen als Kraftwerksgeneratoren (ab ca. 350 … 400 MW Generator-Nennleistung) anstelle von Luft zum Kühlen (Wärmeabfuhr durch Konvektion) eingesetzt wird. Ein Sonderfall ist flüssiges Wasser. Die gewinkelten und damit polaren Wassermoleküle sind so beweglich, dass sie Molekülschwingungen ausführen, so dass man jedes der drei Atome im Molekül als unabhängig auffassen kann und ihnen alle 6 Freiheitsgrade (3 Translations- und 3 Rotationsfreiheitsgrade) zuordnen kann. Daher ergibt sich eine hohe spezifische Wärmekapazität 4185 J/(kg.K) = 1 kcal (1 Kilo-Kalorie). Man benötigt die Energiemenge 1

Page 75: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.4 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Kilo-Kalorie, um 1 kg Wasser (ca. 1 Liter Wasser) um 1 K zu erwärmen. Wegen seiner hohen Wärmekapazität wird Wasser für die Wassermantelkühlung von z. B. Verbrennungskraftmaschinen, E-Motoren für die Elektromobilität oder als direkte Leiterkühlung in großen Synchron-Kraftwerksgeneratoren (ab ca. 700 MW Generator-Nennleistung) eingesetzt. Tabelle P2.1-1: Spezifische Wärmekapazitäten einiger Stoffe Werte bei Gasen für 0°C cp / J/(kg.K) cV / J/(kg.K) Vp cc /=κ

Ar einatomiges Gas 518 314 5/3 = 1.66 H2 zweiatomiges Gas 14210 10078 7/5 = 1.40 N2 zweiatomiges Gas 1037 740 7/5 = 1.40 O2 zweiatomiges Gas 915 656 7/5 = 1.40 Luft (ca. 80% N2, 18% O2) 1003 715 7/5 = 1.40 N2O dreiatomiges Gas 849 660 1.29 ≈ 8/6 CO2 dreiatomiges Gas 819 627 1.30 ≈ 8/6 H2O Flüssigkeit 4185 4185 ≈ 1 Cu Festkörper 388 388 ≈ 1 Fe Festkörper 502 502 ≈ 1 Wir schreiben allgemein für Flüssigkeiten und Festkörper der Masse M

TCTMcQ ΔΔΔ ⋅=⋅⋅= (P2.1-6) und bei differentiell kleiner Wärmezufuhr

dTCdTMcdQ ⋅=⋅⋅= . (P2.1-7) Die gesamte innere Energie eines Körpers, einer Flüssigkeit, eines Gases ist dann

TCTMcU ⋅=⋅⋅= . (P2.1-8) Beispiel P2.1-1: Zwei in zwei Bechern enthaltene unterschiedliche Flüssigkeiten mit den Massen M1, M2, den spezifischen Wärmekapazitäten c1, c2 haben die (absoluten) Temperaturen T1 und T2. Wie groß ist nach vollständiger Durchmischung beider Flüssigkeiten (ohne Wärmeabgabe) die sich einstellende (absolute) Temperatur T des Gemisches? Antwort: Energieerhaltungssatz im angeschlossenen System: UUU =+ 21 .

1111 TMcU ⋅⋅= , 2222 TMcU ⋅⋅= , TMcTMcU ⋅⋅+⋅⋅= 2211 ,

2211

222111

McMc

TMcTMcT

⋅+⋅⋅⋅+⋅⋅= („Mischungsformel“) (P2.1-9)

Beispiel P2.1-2: Ein Liter (V = 1 dm3) von a) Luft, b) Kupfer, c) Eisen soll von 20 °C auf 100 °C erhitzt werden. Wie groß ist die dafür benötigte zugeführte Wärmeenergie QΔ ? Die Dichten von

Luft / Kupfer / Eisen sind ca. γ = 1.226 / 8900 / 7850 kg/m3. Antwort:

K8020100 =−=TΔ , TVcTMcQ ΔγΔΔ ⋅⋅⋅=⋅⋅=

Page 76: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.5 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

a) Luft: 9980100910226.1 3 =⋅⋅⋅= −QΔ J

b) Kupfer: 6.276805.388108900 3 =⋅⋅⋅= −QΔ kJ

c) Eisen: 3.31580502107850 3 =⋅⋅⋅= −QΔ kJ

Die Speicherdichte VQ /Δ ist bei b) und c) wegen der höheren Dichte deutlich größer. Deshalb sind am Abend nach einem heißen Sommertag die Wände der Häuser (z. B. Backstein) noch deutlich wärmer als die sich bereits rascher abkühlende Luft. Aus dem gleichen Grund sind bei einem anscheinend ausgekühlten Apfelkuchen (der Teig ist bereits essbar kühl) die Apfelstücke wegen der höheren spezifischen Wärmekapazität noch so heiß, dass man sich den Mund verbrennt. Beispiel P2.1-3: Wie hoch ist die Wärmeenergie FeQΔ , um 1 kg Eisen von 20 °C zur Weißglut (ca. 1000 °C)

zu erhitzen? Wie hoch (°C) erwärmt sich 1 Liter 20-grädiges Wasser mit derselben Energie? Antwort: kJ96.491)201000(5021Fe =−⋅⋅=ΔQ ,

K6.117)41851/(1096.491)/( 3H2OFeH2O =⋅⋅=⋅Δ=Δ cMQϑ ,

C6.13720 H2OH2O °=+°= ϑΔϑ C .

Das Wasser wird bei Luftdruck vollständig verdampft (Bild P2.1-2). Gegenüber Wasser benötigt Eisen deutlich weniger Energie, um hohe Temperaturen (z. B. für das Schmelzen, Schmieden, Härten, …) zu erreichen. Diese relativ geringe spezifische Wärme aller Metalle (cMetall ~ 450 J/(kg.K)) verbilligt ihre (großindustrielle) Verarbeitung wesentlich. In Flüssigkeiten ist zwar der Abstand zwischen den Molekülen klein, aber auch sie bewegen sich bei der Flüssigkeitstemperatur T mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten der thermischen Wimmelbewegung, wobei die schnellsten Moleküle an der Flüssigkeitsoberfläche diese gegen die anziehenden Kohäsionskräfte verlassen können (Verdampfen in einem geschlossenen Gefäß V = konst.). Nach dem Austritt befindet sich das Molekül z. B. in der Höhe h über dem Flüssigkeitsspiegel, so dass ein Teil seiner kinetischen Energie in potentielle Energie verwandelt wurde. Der Raum über der Flüssigkeit füllt sich mit diesen Molekülen, die auf Grund der Stöße wieder einige Moleküle in die Flüssigkeit zurückstoßen. Im Gleichgewicht (Stationärzustand) verlassen gleich viele Moleküle die Flüssigkeit wie zurückkehren; wir nennen den Dampf „gesättigt“. Es bleiben in einem geschlossenen Gefäß (V = konst.) Dampfdichte γ und Dampfdruck p („Sättigungsdampfdruck“) unverändert. Wird bei T = konst. das Volumen des gesättigten Dampfs verringert (Komprimieren), so kehren Dampfmoleküle in die Flüssigkeit zurück, ohne dass weitere Flüssigkeitsmoleküle die Flüssigkeit verlassen. Der Dampf wird (im Gegensatz zu einem idealen Gas) durch Kompression (teilweise) verflüssigt. Bei höherer Flüssigkeitstemperatur T ist gemäß der Maxwell-Boltzmann-Verteilung (Bild G2.5.1-2) der Anteil schneller Moleküle größer; es verlassen mehr Moleküle die Flüssigkeit, sodass der Sättigungsdampfdruck und seine Dichte (i. A. nichtlinear) mit T zunehmen. Beim Erhitzen der Flüssigkeit in einem offenen Gefäß ist auf Grund des Luftdrucks pL der Druck konstant; wegen p = pL = konst. ist der Dampfdruck durch den Luftdruck vorgegeben. Jene schnellen Moleküle mit ausreichender Bewegungsenergie, die gegen diesen Druck und die Kohäsionskräfte die Flüssigkeit verlassen können, führen zur „Verdunstung“ der Flüssigkeit. Ist die Temperatur so hoch, dass sich auch Dampfblasen im Inneren der Flüssigkeit gegen den dort wirkenden hydrostatischen Flüssigkeitsdruck pH und den darüber lastenden Luftdruck pL bilden können, siedet die Flüssigkeit („Sieden“). Der Dampfdruck ist dann LH ppp += . Eine Flüssigkeit kann bei konstantem Druck durch Temperaturerhöhung ODER bei konstanter Temperatur durch Druckverminderung zum Sieden gebracht werden.

Page 77: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.6 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Als „Siedepunkt“ wird die Siedetemperatur (Verdampfungstemperatur) TV bei „Normaldruck“ 1.01333 bar (= 760 Torr) definiert. Während des Verdampfens bei konstantem Druck steigt trotz Wärmezufuhr die Temperatur der Flüssigkeit nicht an, sondern bleibt konstant T = TV. Die zugeführte Energie wird vollständig für die Austrittsarbeit der Moleküle verbraucht, die in erhöhter innerer Energie der Flüssigkeit (= vergrößerte Abstände der Flüssigkeitsmoleküle zueinander gegen die Kohäsionskräfte) und zum Ausdehnen des Dampfs (bei konstantem Dampfdruck = vergrößerte Abstände der Dampfmoleküle zueinander gegen die Kohäsionskräfte) als erhöhter Volumenenergie des Dampfs gespeichert ist. Die zum Verdampfen von 1 kg einer Flüssigkeit nötige Wärmeenergie in J/kg heißt Verdampfungswärme. - Bei ganz langsamem Erwärmen der Flüssigkeit kann das Sieden trotz T > TV ausbleiben (Siedeverzug), weil die Dampfblasen im Flüssigkeitsinneren sich nicht aufbauen können (Zerstörung durch die Molekülbewegung). Durch geringe Störungen des Zustands tritt das Verdampfen dann plötzlich und sehr heftig ein. - Der Verdampfungsvorgang ist umkehrbar (reversibel): Ein gesättigter Dampf lässt sich durch Kompression bei T = konst. und p = konst. vollständig verflüssigen (Kondensation). Die dabei frei werdende Kondensationswärme ist gleich der Verdampfungswärme. Beispiel P2.1-4: Zwei Liter Wasser sollen bei normalem Luftdruck und Raumtemperatur 20°C mit einem Tauchsieder der Leistung P = 500 W zum Sieden gebracht werden? Wie lange dauert der Vorgang? Antwort: TMctPQ ΔΔΔ ⋅⋅=⋅= , s2.1339500/)20100(24185/ =−⋅⋅=⋅⋅= PTMct ΔΔ Der Vorgang dauert 22.3 Minuten! Wenn man den gesättigten Dampf oberhalb der Flüssigkeit von dieser trennt, und ihn entweder a) bei konstantem Volumen (und konstanter Molekülzahl) weiter erhitzt oder b) bei konstanter Temperatur expandiert (ausdehnt) durch Volumenvergrößerung), so erhält man überhitzten (= ungesättigten) Dampf. Somit ist jeder Gaszustand im Zustandsdiagramm, der unter der Dampfdruckkurve liegt, ungesättigter Dampf. Nur für Werte auf der Dampfdruckkurve erhalten wir gesättigten Dampf. Das Zustandsdiagramm eines Stoffs gibt über die Druck-Temperatur-Verhältnisse beim Phasenübergang Auskunft (Bild P2.1-2 für Wasser). Neben dem Verdampfen/Kondensieren interessiert auch das Schmelzen/Erstarren, wo beim Schmelzen durch Wärmezufuhr die Schwingungsenergie der Atome im Kristallverband um ihre Ruhelage so groß wird, dass der Kristallverband sich in den flüssigen Zustand auflöst. Die zum Schmelzen von 1 kg eines festen Stoffs nötige Wärmeenergie in J/kg heißt Schmelzwärme. Beim Erstarren einer Flüssigkeit wird diese Wärme als Erstarrungswärme frei. Während des Schmelzens bei konstantem Druck steigt trotz Wärmezufuhr die Temperatur des festen Körpers nicht an, sondern bleibt konstant beim Wert der Schmelztemperatur T = TS. Die zugeführte Energie wird vollständig zum Aufbrechen der Bindungskräfte des Kristallverbands verbraucht, die in erhöhter innerer Energie des Festkörpers und der Flüssigkeit gespeichert ist (Bild P2.1-3). Beim sehr langsamen erschütterungsfreien Abkühlen kann das Erstarren der Flüssigkeit ausbleiben (unterkühlte Flüssigkeit). Durch Erschütterung (Klopfen) erstarrt die unterkühlte Flüssigkeit dann plötzlich.

Page 78: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.7 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Bild P2.1-2: Zustandsdiagramm des Wassers [Sch]: a) Die Dampfdruckkurve (Siedepunktskurve) gibt zu jedem Druckwert p die zugehörige Siedetemperatur ϑ (in °C) an; hier sind Flüssigkeit und gesättigter Dampf im Gleichgewicht. Oberhalb der Kurve a) besteht nur Flüssigkeit, da der Dampf wegen des erhöhten Drucks kondensiert. Unterhalb von a) ist der Druck kleiner als der Sättigungsdampfdruck, so dass die gesamte Flüssigkeit verdampft. b) Die Schmelzpunktkurve (Erstarrungskurve: Eis und Wasser) zeigt, dass bei Festkörpern die Schmelzpunkttemperatur über weite Druckbereiche vom Druck unabhängig ist. Bei sehr hohem Druck sinkt jedoch die Schmelzpunkttemperatur („Regelation des Eises“). Bei tieferen Temperaturen (links von Kurve b)) kann nur der feste Zustand, bei höheren Temperaturen (rechts von b)) nur der flüssige Zustand existieren. c) Sublimationskurve: Direkter Übergang von Dampf zum festen Zustand

Bild P2.1-3: Temperaturverlauf eines (am Beginn) festen Körpers bei gleichmäßiger Wärmezufuhr [Sch] Beim Übergang von Dampf direkt zum Festkörper (Sublimation) ist der Dampfdruck zwar sehr klein, aber verschwindet nicht. Reif ist sublimierter Wasserdampf. Umgekehrt heißt das, dass auch feste Körper Dämpfe entwickeln (z. B. das allmähliche Verschwinden von Mottenkugeln im Kleiderschrank). Beim Tripelpunkt (Wasser: 4.6 Torr = 613.3 Pa und 0.01 °C) treffen Siedepunkts-, Schmelzpunkts- und Sublimationskurve einander. Hier existieren die drei Aggregatszustände „fest“, „flüssig“ und „gasförmig“ gleichzeitig nebeneinander im dynamischen Gleichgewicht. Der Tripelpunkt des Wassers ist NICHT dessen Gefrierpunkt, der bei 760 Torr = 1.0133 bar (also bei Normal-Luftdruck) und 0 °C auftritt. Auf Grund der polaren Wassermoleküle binden sich diese im Festkörper zunächst über die Wasserstoffbrückebindung, so dass die Wasserkristalle eine „luftige“ Struktur haben. Wasser dehnt sich somit beim Erstarren aus (Anomalie des Wassers). Deshalb erniedrigt sich auch bei erhöhtem Druck seine Schmelztemperatur (Regelation des Eises, Bild P2.1-2). Andere Stoffe ziehen sich beim Erstarren zusammen; ihr Schmelzpunkt wird durch höheren Druck erhöht. Dabei ist allgemein für alle Stoffe ein sehr hoher Druck nötig, um die Schmelztemperatur nennenswert zu verändern.

Page 79: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.8 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Die Dampfdruckkurve (z. B. für Wasser Bild P2.1-2a) endet bei dem Wertepaar kritische Temperatur Tk und Dampfdruck pk (Wasser pk = 224 bar, ϑk = 374 °C). Oberhalb der kritischen Temperatur lässt sich der Dampf auch durch beliebig hohen Druck nicht verflüssigen. Hier verhält sich der Dampf also wie ein ideales Gas. Auf Grund der hohen Temperatur T > Tk sind die Moleküle überwiegend so schnell, dass die Kohäsionskräfte nicht mehr ausreichen, die Moleküle zu einer Flüssigkeit zu verbinden. Oberhalb der kritischen Temperatur werden somit reale Gase in guter Näherung durch die Zustandsgleichung des idealen Gases beschrieben (Bild P2.1-4a). Ein Gas nähert sich dem Zustand des idealen Gases umso mehr, je höher seine Temperatur über der kritischen Temperatur liegt und je geringer der Gasdruck ist. Tabelle P2.1-2: Kritische Temperatur und Verdampfungstemperatur einiger Gase

Gas He Ne Ar H2 N2 O2 CO2 1-atomig 1-atomig 1-atomig 2-atomig 2-atomig 2-atomig 3-atomig mHe < < mNe < < mAr mH2 < < mN2 < < mO2

ϑk/°C -268 -229 -122 -240 -147 -118 31 ϑV/°C *) -269 -246 -186 -253 -183 -196 -78 **) *) bei p = 760 Torr = 1.0133 bar, **) Sublimiert Die monoatomaren Edelgase He, Ne, Ar (Tab. P2.1-2) lassen sich bei „Zimmertemperatur“ 20 °C durch Kompression nicht verflüssigen, wobei kritische Temperatur und Siedetemperatur umso niedriger sind, je geringer die Atommasse ist. Gleiches gilt für die biatomaren Gase H2, N2, O2, die sich ebenfalls bei „Zimmertemperatur“ 20°C nicht durch Kompression verflüssigen lassen. Auch ihre kritische Temperatur und Siedetemperatur liegen umso niedriger, je geringer ihre Molekülmassen im Vergleich zueinander sind. Da Luft zu ca. 80 % aus N2 und 18 % aus O2 besteht, lässt sich Luft durch Druck bei 20 °BC nicht verflüssigen (Flüssige Luft wird über das Linde-Verfahren verflüssigt, das den Joule-Thomson-Effekt nutzt). Kohlendioxid CO2 als dreiatomiges und damit im Vergleich zu den anderen genannten Gasen je Molekül schwereren Gas ist bei 20 °C durch Druck verflüssigbar (Th. Andrews, 1813-1885). Bild P2.1-4 stellt den Zusammenhang zwischen Druck und Volumen bei einer bestimmten Temperatur als Kurven konstanter Temperatur (Isothermen) dar. In Bild P2.1-4 ist die Zustandsgleichung des idealen Gases für 1 kmol Stoffmenge angegeben, und es gilt das Boyle-Mariotte´sche Gesetz für ideale Gase, so dass die Isothermen Hyperbelscharen sind.

konst.~ =⋅ TVp (P2.1-10) In Bild P2.1-4b zeigt die gemessenen Isothermen für ein 1 kmol Kohlendioxid. Oberhalb von 50 °C sind die p(V)-Kurven noch in guter Näherung Hyperbeln, sodass sich CO2 hier wie ein ideales Gas verhält. Bei 40 °C weicht die Isotherme schon merkbar von der Hyperbelform ab (Verhalten eines realen Gases). Bis zur kritischen Isotherme bei 31 °C lässt sich das gas nicht durch Druckerhöhung verflüssigen. Der Druck steigt bei ca. 0.05 m3/kmol steil an. Das Gas widersetzt sich einer weiteren Volumenverringerung ähnlich wie eine Flüssigkeit auf Grund des Eigenvolumens der Gasmoleküle. Unter 31 °C treten bei einer bestimmten Kompression z. B. auf 0.45 m3 bei 0 °C die ersten Anzeichen von Verflüssigung auf. Nun bleibt bei weiterer Kompression der Gasdruck konstant auf dem Wert des Sättigungsdampfdrucks, während weiterer Dampf kondensiert, bis bei ca. 0.05 m3 der Dampf gänzlich verflüssigt ist. Eine weitere Kompression des Volumens ist kaum möglich, da die eng aneinander liegenden Flüssigkeitsmoleküle dies verhindern. Der Druck in der Flüssigkeit steigt steil an.

Page 80: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.9 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

a)

b)

Bild P2.1-4: Druck-Volumendiagramm p(V) mit Isothermen (p-V-Werte für konstante Temperatur T): a) Rechnerische Werte für ideales Gas für die Gasmenge 1 mol gemäß (G3.4.1-12) [Ger]. Zusätzlich eingezeichnet ist der Kreisprozess des Stirling-Zyklus (Bild G2.5.7-1). b) Gemessene Kurven p(V) für das reale Gas Kohlendioxid für die Gasmenge 1 kmol (nach Th. Andrews) mit Verdampfung, Verflüssigung und gasförmigem Zustand [Sch]. Bei Temperaturen über 100 °C können die p(V)-Kurven näherungsweise von a) (ideales Gas) verwendet werden. P2.2 Wärmeleitung, Konvektion, Strahlung P2.2.1 Wärmeleitung Die Leitung von Wärme erfolgt – wie beim 2. Hauptsatz der Thermodynamik erläutert – über Stöße der Moleküle in Gasen, aber auch über die Kopplung der Schwingungen benachbarter Atome in einem Kristallgitter. Ähnlich wie in einem Feder-Masse-System, wo viele

Page 81: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.10 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

regelmäßig gitterförmig im Raum angeordnete Massepunkte z. B. in allen drei Raumrichtungen mit anderen Massepunkten über masselose Federn verbunden sind, können die Atome im Kristall Schwingungen um ihre Ruhelage ausführen und über die chemischen Bindungskräfte diese Schwingungen und die damit verbundene Energie tw. auf benachbarte Atome übertragen. Dabei gehen der Wärmefluss und damit der Energietransport (mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit) vom heißeren Ort (höherer Schwingungsenergie) zum kälteren Ort (niedrigerer Schwingungsenergie). Dies wird durch das Fourier´sche Wärmeleitungsgesetz (P2.2.1-1) beschrieben. Im einfachen Fall erfolgt der Wärmefluss entlang einer Linie vom heißeren Punkt 2 zum kälteren Punkt 1. In Bild P2.2.1-1a ist der Wärmefluss durch einen geraden Stab der Länge l und dem Querschnitt A dargestellt. Die Eigenschaft des Stoffs, aus dem der Stab besteht, wird durch den Stoffwert der Wärmeleitfähigkeit λth beschrieben. Die je Zeit transportierte Wärmeenergie ΔQ ist die Wärmeleistung tQP ΔΔ /th = bzw.

dtQP /th = .

llA

P//)( th12th

th ϑΔλϑϑλ ⋅=−⋅= mit 12 ϑϑϑΔ −= . (P2.2.1-1)

Der Wärmestrom ist die Wärmeleistung thP mit der Wärmestromdichte APq /thth = . Der

thermische Widerstand des Stabs zwischen den beiden Querschnittsebenen bei 2 und 1 ist

thth P

RϑΔ=

A

lR

thth λ

= . (P2.2.1-2)

a) b)

Bild P2.2.1-1: Transport der Wärmeenergie durch a) Wärmeleitung, b) durch Konvektion Tabelle P2.2.1-1: Wärmeleitfähigkeit einiger technischer Stoffe

Stoff Wärmeleitfähigkeit λth W/(m.K) Luft bei 20° / 50° / 100°C, 1 bar 0.024 / 0.028 / 0.031

Kupfer (20°C) (ele. Leiter) 380 Eisen (20°C) (ele. Leiter) 80

Polyamid-Flächenisolierstoff (ele. Isolator) 0.2 Epoxidharz (ele. Isolator) 0.3

Tabelle P2.2.1-1 zeigt, dass gute elektrische Leiter auch gute thermische Leiter sind (Metalle!), da neben der Weitergabe der Schwingungsenergie der ortsfesten Atomrümpfe die im zwischenatomaren Bereich des Kristallgitters frei beweglichen Leitungselektronen auch ihre kinetische Translationsenergie durch Stöße weitergeben. Elektrische Isolatoren sind demgemäß auch schlechte Wärmeleiter. Beispiel P2.2.1-1: Elektrische Isolierung eines geraden (l = 380 mm) Kupferleiters mit rechteckigem Querschnitt: hQ x bQ = 69 x 12.5 mm, Isolierstoffdicke d = 2.7 mm. Wie groß ist der Wärmewiderstand durch den Isolierstoff?

Page 82: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.11 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Antwort: Leiteroberfläche 57190380)5.12692()2( =⋅+⋅=⋅+⋅= lbhA QQ  mm2

Wärmewiderstand 236.005719.02.0

0027.0

thth =

⋅==

A

dR

λ K/W

P2.2.2 Konvektion Die Wärmeleistung Pth wird von der heißen Oberfläche eines Körpers (Fläche A, Bild P2.2.2-1b) durch ein an dieser Oberfläche vorbeiströmendes kälteres Fluid (Flüssigkeit oder gas) abgeführt. Da das kühlende Fluid um die Temperaturdifferenz Δϑ kühler ist, erwärmt sich das Fluid durch Wärmeleitung. Das es weiterströmt, nimmt es die Wärmeenergie mit, während weiteres kühles Fluid nachströmt (Kühlstrom). Dieser Wärmeübergang an ein kühleres, strömendes Medium heißt konvektiver Wärmeübergang. Die Wärmeübergangszahl α fasst summarisch alle beteiligten Effekte des Wärmeübergangs zusammen: Die Stoffeigenschaften des Fluids (z. B. Luft, Wasserstoffgas, Wasser, ….), also dessen Wärmeleitfähigkeit, seine spezifische Wärmekapazität, Dichte und Zähigkeit, aber auch die Strömungsgeschwindigkeit, der Druck und die Art der Strömung (laminar oder turbulent) über die Reynolds-Zahl.

ϑα Δ⋅=A

Pth A

Rα1

th = (P2.2.2-1)

In Tabelle P2.2.2-1 sind Werte von α für die Kühlung mit Luft beispielhaft angegeben, wobei ruhende Luft durch Erwärmung und damit Abnahme der Dichte leichter als die kalte Umgebungsluft wird und so durch den Auftrieb aufsteigt (Thermosyphon-Wirkung). Kalte Luft strömt unten nach, und es kommt eine Luftzirkulation (natürliche Konvektion) mit geringer Geschwindigkeit zustande. Bei erzwungener Konvektion über eine z. B. durch einen rotierenden Lüfter angetriebene Luftströmung sind deutlich höhere Geschwindigkeiten möglich. Wasserstoffgas und Wasser haben im Vergleich zu Luft wegen der höheren spezifischen Wärmekapazitäten deutlich höhere Wärmeübergangszahlen bei sonst gleichen Strömungsgeschwindigkeiten v. Tabelle P2.2.2-1: Typische Wärmeübergangszahlen bei Luftkühlung (Zahlenwertgleichung!)

Luft-Konvektion α in W/(m2K), v in m/s Natürliche Konvektion (v = 0 ... 0.5 m/s) 8

Erzwungene Konvektion an blanker heißer metallischer Oberfläche

3/215 v⋅=α

Erzwungene Konvektion an elektrisch isolierter heißer Oberfläche

4/38 v⋅=α

Beispiel P2.2.2-1: Zwei parallele gerade (l = 614.8 mm) elektrisch isolierte Kupferleiter mit jeweils rechteckigem Querschnitt hQ x bQ = 34.5 x 12.5 mm, die elektrisch parallel geschaltet sind. Wie groß ist der Wärmewiderstand beider Leiter zur kühleren Luft, wenn diese mit v = 12 m/s = 43 km/h vorbei strömt (erzwungene Konvektion)? Antwort: Leiteroberfläche 577918.614)5.125.34(2)(2 =⋅+⋅=⋅+⋅= lbhA QQ  mm2, bewegte

Luft über elektrisch isolierter Oberfläche: 6.511288 4/34/3 =⋅=⋅= vα  W/m2K,

335.0057791.06.51

11 =⋅

==A

Rth α K/W

Page 83: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.12 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

P2.2.3 Wärmestrahlung Wärmestrahlung benötigt keinen Stoff, um die Wärmeenergie zu transportieren, sondern erfolgt als elektromagnetische Wellenausbreitung auch im Vakuum. Die uns interessierenden absoluten Temperaturen T der Wärmestrahler führen auf Frequenz und Wellenlänge der transversal zur Wellenausbreitungsrichtung schwingenden elektrischen und magnetischen Vektorfelder E (elektrische Feldstärke, Einheit: V/m) und H (magnetische Feldstärke, Einheit: A/m) im Infrarotbereich (auch Ultrarotbereich genannt). Die sich in Strahlungsrichtung ausbreitende elektromagnetische Welle führt elektromagnetische Energie als

Strahlungsenergie mit sich, ausgedrückt durch den Poynting-Vektor HES

×=pg (Einheit:

W/m2), der die Strahlungsleistung je Flächeneinheit der Wellenfront angibt. Da E

und H

jeweils senkrecht zur Ausbreitungsrichtung stehen, weist HES

×=pg in die

Ausbreitungsrichtung und gibt damit den Energietransport je Zeiteinheit und Fläche an. Somit ist die Strahlungslehre zunächst keine Disziplin der klassischen Thermodynamik, die auf den Gesetzen der Mechanik statistisch verteilter großer Teilchenmengen beruht, sondern basiert auf der Elektrodynamik. Während aber die klassische Elektrodynamik lehrt, dass elektromagnetische Wellen (also „Licht“) von z. B. mit der Frequenz f schwingenden elektrischen Ladungen mit jeder beliebigen Energiemenge abgestrahlt werden können, schränkt die darüber hinausgehende Quantenelektrodynamik dies ein: Lichtwellen der Frequenz f können nur mit bestimmten Energieportionen („Quanten“) abgestrahlt werden, die ganzzahlige Vielfache von fh ⋅ sind. Dabei ist h = 6.625.10-34 Js das Planck´sche Wirkungsquantum. Damit hat Licht statt eines Wellen- nun einen Teilchencharakter. Die Lichtteilchen (Photonen) mit der Energie fh ⋅ und dessen Vielfachen stellen als Teilchenstrom die elektromagnetische Strahlung dar, also auch die Wärmestrahlung. Eine hypothetische Strahlungsquelle ist der „schwarze Strahler“. Ein innen verspiegelter Hohlraum enthält eingeprägte elektromagnetische Wellen der Frequenz f als „Hohlraumstrahlung“, die sich auf Grund der Reflexion an den Spiegelwänden als stehende Wellen von E und H ausbilden. Die eingeschlossene Strahlungsenergie entspricht einer bestimmten Temperatur T des schwarzen Strahlers. Wird eine Öffnung in eine der Wände dieses Hohlraums vorgesehen, so tritt dort die Strahlung aus, allerdings nur mit gequantelten Energiemengen fhn ⋅⋅ , ,...3,2,1=n . Die Strahlungsleistung je Wellenfrontfläche im Frequenzintervall [ ]dfff +, , genannt )( fI f , wurde zuerst von M. Planck berechnet

(Planck´sches Strahlungsgesetz), der damit die Quantenmechanik begründete:

1

12)(

20

3

⋅⋅⋅=⋅⋅Tk

fhf

ec

fhfI

π . (P2.2.3-1)

Daraus ergibt sich die Strahlungsleistung je Fläche im betrachteten Frequenzband zu

dffIfdI f ⋅= )()( . Da der schwarze Strahler mit jeder beliebigen Frequenz f bzw. Wellenlänge

λ strahlen kann, gibt (P2.2.3-1) die Abhängigkeit der Strahlungsleistung von der Frequenz f als „spektrale“ Verteilung )( fI f an. Vernachlässigt man die „körnige“ Struktur des Lichts,

indem man die Energieportion als sehr klein annimmt Tkfh ⋅<<⋅ , folgt wegen

Tk

fhe Tk

fh

⋅⋅+≈⋅

1 aus (P2.2.3-1) das Rayleigh-Jeans-Strahlungsgesetz

Page 84: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.13 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Tkc

ffI f ⋅⋅⋅≈

20

22)(

π , (P2.2.3-2)

das jedoch nur für entsprechend niedrige Frequenzen f gilt, und das direkt von der klassischen Elektrodynamik vorhergesagt wird. Da die Phasengeschwindigkeit jeder Welle, also auch der Lichtwellen, fv ⋅= λph ist, kann mit 0ph cv = zu jeder Frequenz f die zugehörige

Wellenlänge λ der Lichtwelle angegeben werden. Mit λλλ dIdffIfdI f ⋅=⋅= )()()( und

λ/phvf = , also λλ dvdf ⋅−= )/( 2ph folgt aus (P2.2.3-1) die Strahlungsleistung je Fläche im

Wellenlängenintervall [ ]λλλ d+, als λλλ λ dIdI ⋅= )()( mit

1

12)(

05

20

⋅⋅⋅=⋅⋅

⋅Tk

ch

e

chI

λλ λ

πλ . (P2.2.3-3)

In Bild P2.2.3-1 ist die mit (P2.2.3-3) so berechnete spektrale Verteilung )(λλI der emittierten Strahlungsleistung je Flächeneinheit (hier: 1 cm2) und Wellenlängenband λd des schwarzen Strahlers für vier Temperaturen T = 3000 K, 4000 K, 5000 K, 6000 K in Abhängigkeit der Wellenlänge λ dargestellt.

Bild P2.2.3-1: Spektrale Verteilung der emittierten Strahlungsleistung je Flächeneinheit (hier: 1 cm2) des schwarzen Strahlers für vier Temperaturen 3000 K, 4000 K, 5000 K, 6000 K gemäß (P2.2.3-3) in Abhängigkeit der Wellenlänge [Sch]. Der für das menschliche Auge sichtbare Spektralbereich ist schraffiert. Der Ort der Strahlungsmaxima ist durch eine gestrichelte Linie verbunden. So strahlt der schwarze Strahler („schwarzer Körper“) z. B. im Wellenlängenbereich zwischen λ = 499 nm und 500 nm ( nm1=→ λΔλd ) je cm2 (A = 1 cm2) die Energie von 10 J je Sekunde

ab: J10cm1nm1)nm5.499()( 2 =⋅⋅==⋅⋅= λλΔλ λλ IAIW . Das Strahlungsmaximum bei einer

Page 85: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.14 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

festen (Oberflächen-)Temperatur T des schwarzen Strahlers tritt gemäß 0/)( =λλλ ddI bei der Wellenlänge

K108978.29621.49621.4

60m

0m

−⋅=⋅

⋅=⋅⋅⋅

⋅=k

chT

Tk

ch λλ (P2.2.3-4)

auf. Dieses Wien´sche Verschiebungsgesetz K108978.2 6m

−⋅=⋅Tλ besagt, dass sich mit

steigender absoluter Temperatur T die Strahlungsmaxima zu kleineren Wellenlängen mλ verschieben (Bild P2.2.3-1). Die gesamte je Flächeneinheit A abgestrahlte Leistung Pth entspricht der Fläche unter der Kurve )(λλI und führt auf das Stefan-Boltzmann´sche Strahlungsgesetz.

427

20

3

454

0 Km

W1056697.0

15

2)(/ −

∞⋅=

⋅⋅=⋅=⋅=

ch

kTdIAPth

πσσλλλ (P2.2.3-5)

Die abgestrahlte Leistung Pth nimmt mit der vierten Potenz der absoluten Oberflächentemperatur T des schwarzen Strahlers zu. Die je Fläche A vom heißen (T2) zum kalten Ort (T1 < T2) abgestrahlte Wärmeleistung ist dann die Differenz der Strahlungsleistungen beider Orte (mit gleicher Strahlungsfläche A).

)(/ 41

42th TTAP −⋅= σ (P2.2.3-6)

Reale Strahler haben kleinere Strahlungskoeffizienten σσε <⋅=sc , 10 ≤≤ ε . Die

Berücksichtigung der ausgetauschten Strahlungsleistung zwischen zwei Oberflächen mit unterschiedlichem Flächeninhalt 21 AA ≠ und unterschiedlichen Strahlungskoeffizienten

σε ⋅= 11sc , σε ⋅= 22sc erfolgt mit dem Kirchhoff´schen Strahlungsgesetz. Im

"vollständigen thermodynamischem Gleichgewicht" ist dabei die absorbierte Strahlungsleistung gleich der emittierten Strahlungsleistung. So ist z. B. der Emissionskoeffizient ε2 der strahlenden heißen Fläche A2 und jener der kalten Fläche A1 entsprechend ε1.

−−

−⋅⋅=

22

1

1

41

42

1th1

11

)(

εε

σ

A

A

TTAP (P2.2.3-7)

Beispiel P2.2.3-1: Eine bei sehr tiefen Temperaturen supraleitend ausgeführte Spule (= elektrischer Widerstand des Spuleleitermaterials NbTi ist Null) speichert elektrische Energie in dem von ihr erregten Magnetfeld, wobei der elektrische Gleichstrom in der Spule verlustfrei fließt. Diese Spule wird in einem Gefäß mit flüssigem Helium auf der Temperatur 4.2 K gehalten. Dieses Gefäß befindet sich in einem zweiten Gefäß mit evakuiertem Zwischenraum (keine Wärmeleitung oder Konvektion). Aus der warmen Umgebung soll möglichst wenig Wärme auf die Außenwand des äußeren Gefäßes übertragen werden (Außenverspiegelung). Von der Innenwand des Außengefäßes (Heißseite) soll nämlich möglichst wenig Wärme in das innere Gefäß (Außenwand des inneren Gefäßes, Kaltseite) eindringen, da sonst die erwärmte Spule ihre supraleitende Eigenschaft verliert. Der Absorptionskoeffizient ε1 der Kaltseite soll über eine ebenfalls spiegelnd ausgeführte Oberfläche möglichst klein sein (Thermoskannen-

Page 86: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.15 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Prinzip). Der von der Kaltseite reflektierte Strahlungsanteil soll an der Innenseite des Außengefäßes möglichst vollständig absorbiert werden (hoher Absorptionskoeffizient ε2). Kaltseite: gut polierte Metalloberfläche: ε1 = 0.05, T1 = 4.2 K, Heißseite: oxydiertes (mattes) Blech: ε2 = 0.5; A2 ~ A1. Wie groß ist auf der Kaltseite eintreffende Wärmestromdichte, wenn T2 = 293 K (Raumtemperatur) ist?

Antwort: 2447

1

th W/m9.19

5.0

111

05.0

1)2.4293(1056697.0 =

−⋅−

−⋅⋅==−

A

Pq . Dieser Wert ist viel zu hoch

und würde die Spule rasch aus dem supraleitenden Zustand „quenchen“. Deshalb stellt man das äußere Gefäß in ein weiteres Außengefäß mit ebenfalls evakuiertem Zwischenraum, und kühlt das so erhaltene Zwischengefäß mit flüssigem Stickstoff auf 80 K. Dann verringert sich die eingestrahlte Wärmestromdichte auf das Innengefäß auf 0.55 %!

2447

1

th W/m11.0

5.0

111

05.0

1)2.480(1056697.0 =

−⋅−

−⋅⋅==−

A

Pq

Für vereinfachte Abschätzungen realer Strahler verwendet man (P2.2.3-6) mit verkleinerten Strahlungskoeffizienten σ<sc . Typische Werte für schwarz oder grau gestrichene

Metalloberflächen (“schwarz” und “grau” nicht nur im sichtbaren Wellenlängenbereich, sondern auch im Infrarotbereich) sind cs = (4 ... 5).10-8 W/(m2K4). Beispiel P2.2.3-2: Von einem 100 °C heißen elektronischen Bauteil soll die Verlustwärme durch ein angebrachtes schwarzes Blech sowohl a) über natürliche Konvektion (α = 7 W/(m2K)) als auch b) über Wärmestrahlung (cs = 5.10-8 W/(m2K4)) an die Umgebungsluft (20 °C) abgeführt werden. Wie groß sind die Wärmestromdichten von a) und b)? Antwort: Temperaturdifferenz Δϑ = 80 K, T2 = 20 + 273.15 = 293.15 K T1 = T2+Δϑ = 293.15 + 80 = 373.15 K

a) 244842

41 W/m1.600)15.29315.373(105)( =−⋅⋅=−⋅== −TTc

A

Pq s

th

b) 2W/m560807 =⋅=⋅== ϑΔαA

Pq th

Beide Kühlmethoden tragen etwa in gleicher Weise zur Wärmeabfuhr bei. Bei erzwungener Konvektion ist diese wesentlich wirksamer als die Strahlungskühlung. P2.3 Erwärmung und Abkühlung eines Körpers Ein zunächst kalter Körper ϑ = ϑL mit der Masse m und der spezifischen Wärmekapazität c wird ab dem Zeitpunkt t = 0 durch die konstante Wärmeleistung P aufgeheizt. Über seine Oberfläche A gibt er gleichzeitig Wärme infolge Konvektion (Wärmeübergangszahl α) und die umgebende Luft (Temperatur ϑL) ab. Wie groß ist die Erwärmung (= Temperaturdifferenz

LϑϑϑΔ −= ) des Körpers zu jedem Zeitpunkt t ≥ 0?

Antwort: Zugeführte Wärmemenge je Zeit dt: dtPdQzu ⋅= , gespeicherte Wärmemenge je

Zeit dt führt auf die erhöhte Erwärmung )( ϑΔd : ))(( tdcmdQsp ϑΔ⋅⋅= , abgeführte

Wärmemenge: dttAdQab ⋅⋅⋅= )(ϑΔα .

Energieerhaltungssatz für den Körper als abgeschlossenes System: abspzu dQdQdQ += ,

Page 87: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.16 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

dttAtdcmdtP ⋅⋅⋅+⋅⋅=⋅ )())(( ϑΔαϑΔ bzw. PtAdt

tdcm =⋅⋅+⋅⋅ )(

)( ϑΔαϑΔ. Dies ist eine

inhomogene lineare Differentialgleichung (DGL) erster Ordnung mit der Anfangsbedingung 0)0( =ϑΔ .

Da die DGL linear ist, zerlegen wir ph ϑΔϑΔϑΔ += und berechnen ph ϑΔϑΔ , getrennt,

wobei hϑΔ der Lösungsanteil für P = 0 und pϑΔ jener für P ≠ 0 ist. Wir lösen zunächst die

homogene DGL 0)()( =⋅⋅+⋅⋅ tA

dt

tdcm ϑΔαϑΔ

bzw. 0)()( =⋅

⋅⋅+ t

cm

A

dt

td ϑΔαϑΔ, deren

Lösungsfunktion die e-Funktion ist, da deren Ableitung identisch ebenfalls die e-Funktion ist: ϑϑΔ Tt

h eKt /)( −⋅= , mit den Unbekannten ϑTK , . Einsetzen von ϑϑΔ Tth eKt /)( −⋅= und

ϑϑϑΔ Tt

h eTKdtd /)/()/( −⋅−= in die DGL liefert nach Kürzen von ϑTteK /−⋅ die

„thermische Zeitkonstante“ des Erwärmungsvorgangs:

A

cmT

⋅⋅=

αϑ . (P2.3-1)

Da P konstant ist, wählen wir auch konst.´p ==Δ Kϑ Mit 0/)( p =Δ dtd ϑ setzen wir in die

partikuläre DGL cm

Pt

cm

A

dt

td

⋅=⋅

⋅⋅+ )(

)( ϑΔαϑΔ ein und erhalten

A

PK

⋅=′=Δ

αϑp . Die

Lösung )/(/ APeK Ttph ⋅+⋅=+= − αϑΔϑΔϑΔ ϑ muss 0)0( =ϑΔ erfüllen, so dass

)/( APK ⋅−= α ist. Die gesuchte Erwärmungskurve für den Körper lautet (Bild P2.3-1a)

)1()( / ϑ

αϑΔ Tte

A

Pt −−⋅

⋅= . (P2.3-2)

a) b) Bild P2.3-1: a) Anstieg der Temperatur eines Körpers beim Erwärmen mit konstanter Wärmeleistung, b) Abnahme der Temperatur eines zuvor heißen Körpers beim Auskühlen (T = Tϑ: thermische Zeitkonstante) Nach etwa fünf Zeitkonstanten ist die stationäre Erwärmung (streng genommen für ∞→t ) erreicht (P2.3-3). Sie ist umso höher, je höher die Heizleistung P ist und umso niedriger, je besser gekühlt wird (höheres α) und/oder größere Kühlfläche A. Daher bieten sich Kühlrippen zur Oberflächenvergrößerung als wirksame Maßnahme zur Begrenzung der stationären Übertemperatur an.

A

Pt

⋅=∞→

αϑΔ )( (P2.3-3)

Page 88: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.17 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Die Wärmekapazität spielt für die stationäre Erwärmung keine Rolle, wohl aber für den Aufheizvorgang. Je größer Masse m und spezifische Wärmekapazität c sind, desto größer ist Tϑ und desto länger dauert der Aufheizvorgang. Je besser gekühlt wird (großes A⋅α ), desto kürzer dauert er. Kurze Zeit t << Tϑ nach Beginn des Aufheizens spielt A⋅α noch keine Rolle, da ϑΔ noch klein ist. Das Aufheizen erfolgt hier (nahezu) adiabatisch, d.h. (nahezu) ohne Wärmeaustausch mit der Umgebung. Gemäß (P2.3-4) ist nach Annähern der e-Funktion durch ihre Tangente bei t = 0 die Temperaturzunahme linear. Ihre Neigung wird nur durch die Werte m, c bestimmt.

tcm

P

T

t

A

P

T

t

A

Pe

A

Pt Tt ⋅

⋅=⋅

⋅=+−⋅

⋅≈−⋅

⋅= −

ϑϑ αααϑΔ ϑ )11()1()( / (P2.3-4)

In gleicher Weise bestimmen wir die Abkühlkurve des heißen, aber unbeheizten Körpers (P = 0). Zu Beginn ist die Körpertemperatur ϑ = ϑ0 > ϑL. Wir haben nun nur die homogene DGL mit der Anfangsbedingung 00)0( ϑΔϑϑϑΔ =−= L . Mit der e-Funktion als

Lösungsfunktion der homogenen DGL erhalten wir die Abkühlkurve (Bild P2.3-1b)

ϑϑΔϑΔ Ttet /0)( −⋅= . (P2.3-5)

Nach etwa fünf Zeitkonstanten ist der stationäre Zustand (streng genommen für ∞→t ) erreicht (P2.3-6).

Ltt ϑϑϑΔ =∞→=∞→ )(0)( (P2.3-6) Die Zeitkonstante und damit die Dynamik des Abkühlens ist wegen gleicher Stoff- und Geometriewerte dieselbe wie beim Aufheizen. Beispiel P2.3-1: 11 kW-Elektromotor, Masse m = 76 kg, spezifische Wärmekapazität der überwiegend aus Eisen bestehenden Bauteeile c = cFe = 502 J/(kg.K), kühlwirksame Motoroberfläche (vergrößert durch Kühlrippen) A = 0.9 m2, Kühlluftgeschwindigkeit infolge des rotierenden Motorlüfters v = 9 m/s = 32 km/h. a) Wie groß ist die thermische Zeitkonstante? b) Wie groß ist die Erwärmung der Motoroberfläche, wenn der Motor 85 % Wirkungsgrad aufweist? Antwort:

a) Lackierte Oberfläche des Motormetallgehäuses: 9.6491515 3/23/2 =⋅== vα W/m2K,

min9.10s6539.09.64

50276Fe ==⋅

⋅=⋅

⋅=A

cmT

αϑ

b) Die abgegebene mechanische Motorleistung an der drehenden Welle ist 11 kW. Die aus dem öffentlichen Netz elektrisch aufgenommene Leistung ist um den Wirkungsgrad größer

kW941.1285.0/kW11 = . Die den Motor aufheizende Verlustleistung ist demnach

kW941.111941.12 =−=P und K2.339.09.64

1941)( =

⋅=

⋅=∞→

A

Pt

αϑΔ . Bei einer

Umgebungstemperatur von 25°C ist die Motorgehäuseoberfläche 58.2 °C warm.

Page 89: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.18 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

P2.4 Umwandlung von Wärme in mechanische Arbeit (und umgekehrt) Durch welche Vorgänge lassen sich Wärmeenergie und mechanische Arbeit ineinander umwandeln? a) Reibung führt stets zu einer Umwandlung von mechanische Arbeit in Wärme, aber dieser Vorgang ist nicht umkehrbar und folglich nicht für die Gewinnung mechanischer Arbeit nutzbar. Im Gegenteil, sie tritt i. A. störend auf und verringert den Wirkungsgrad von Energiewandlungsprozessen. Allerdings könnten wir uns ohne Reibung auch nicht fortbewegen (was wir bei Glatteis merken!). b) Zustandsänderungen von (idealen) Gasen: Im Folgenden sei das betrachtete Gas so heiß, dass es in guter Näherung als ideal angesehen werden darf. Das Gas, eingeschlossen in einem Zylinder durch einen Kolben (Bild P2.4-1), hat das aktuelle Zylindervolumen V und drückt mit dem Gasdruck p gegen die Kolbenfläche A mit einer Kraft ApF ⋅= . Wird der Kolben bei der Dehnung des Gases um ein kleines Stück xΔ verschoben (Volumenvergrößerung um

xAV ΔΔ ⋅= ), so ist die Druckabnahme vernachlässigbar klein, und wir berechnen mit p = konst. die vom expandierenden Gas geleistete Arbeit

VpxApxFW ΔΔΔΔ ⋅=⋅⋅=⋅= . (P2.4-1) Bei infinitesimal kleiner Weglänge dx ist diese Arbeit dVpdxApdxFdW ⋅=⋅⋅=⋅= und daher längs des Wegs von x1 nach x2

⋅=⋅⋅==2

1

2

1

)()(2

1

V

V

x

x

dVVpdxAxpdWW (P2.4-2)

identisch mit der Fläche unter der p(V)-Kurve im p-V-Diagramm. Diese Energiewandlung von Wärmeenergie in mechanische Energie erfolgt also bei bewegtem Kolben. Bei ruhendem Kolben prallen die Gasmoleküle nach elastischem Stoß an der Kolbenfläche im Mittel mit unveränderter Bewegungsenergie zurück, denn:

mittlere Molekülgeschwindigkeit vor dem Stoß vx, mittlere Energie 2/)( 2vorx, xvmW ⋅= ,

mittlere Molekülgeschwindigkeit nach dem Stoß -vx, mittlere Energie 2/)( 2nachx, xvmW −⋅= ,

Energieänderung 0nachx,vorx, =−WW → die Wärmeenergie im Gas bleibt konstant. Es wird

keine Arbeit verrichtet. Bei in x-Richtung bewegtem Kolben (Kolbengeschwindigkeit vK << vx) gilt:

mittlere Molekülgeschwindigkeit vor dem Stoß vx, mittlere Energie 2/)( 2xvorx, vmW ⋅= ,

relative Molekülgeschwindigkeit zum Kolben vor dem Stoß vx - vK, relative Molekülgeschwindigkeit zum Kolben nach dem Stoß -(vx - vK), mittlere Molekülgeschwindigkeit nach dem Stoß -(vx - vK) + vK = -vx + 2vK, mittlere Energie

vorx,2

Kxnachx, 2/)2( WvvmW <+−⋅= , Energieänderung 0nachx,vorx, >−WW → die

Wärmeenergie im Gas sinkt; das Gas hat Arbeit verrichtet. Wegen

vorvorx,nachnachx, ~~ TWTW > sinkt dabei die Gastemperatur des expandierenden Gases. Um

seine Temperatur konstant zu halten, muss dem Gas aus einem Wärmebehälter Wärme zugeführt werden (Bild P2.4-1). Drückt man umgekehrt das Gas mit dem Kolben zusammen, so stoßen die Gasmoleküle auf den sich entgegen bewegenden Kolben mit erhöhter Relativgeschwindigkeit. Ihre mittlere Bewegungsenergie wächst, die Gastemperatur steigt.

Page 90: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.19 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Bild P2.4-1: Druck-Volumen-Diagramm des Gases im (darunter abgebildeten) Zylinder mit beweglichem Kolben. Mit einem Wärmebehälter kann die Gastemperatur konstant gehalten werden [Sch].

Mittlere Molekülgeschwindigkeit vor dem Stoß vx, mittlere Energie 2/)( 2xvorx, vmW ⋅= ,

relative Molekülgeschwindigkeit zum Kolben vor dem Stoß vx + vK, relative Molekülgeschwindigkeit zum Kolben nach dem Stoß -(vx + vK), mittlere Molekülgeschwindigkeit nach dem Stoß -(vx + vK) - vK = -vx - 2vK, mittlere Energie

vorx,2

Kxnachx, 2/)2( WvvmW >−−⋅= , Energieänderung 0nachx,vorx, <−WW → die

Wärmeenergie im Gas steigt; an dem komprimierten Gas wurde von außen her Arbeit verrichtet. Die Gasexpansion über eine bewegte Kolbenwand (Prinzip aller Kolbenmaschinen wie Dampfmaschine, Stirling-Maschinen, Verbrennungskraftmaschinen wie Otto-, Diesel- und Gasmotor) kann gedanklich auf z. B. eine bewegte, drehbar gelagerte Turbinenschaufelfläche übertragen werden. Dort wird durch strömendes expandierendes Gas die Schaufel bewegt (weggedrückt). Durch die schräg gestellte Schaufelfläche tritt auch eine seitliche Kraft auf, so dass die Schaufel rotiert (Prinzip der thermischen Turbomaschinen Dampf- und Gasturbine). Dabei dehnt sich das Gas aus und kühlt ab. Umgekehrt beschreibt die Gaskompression über Kolben das Prinzip der Kolbenkompressoren, und über von außen bewegte Schaufeln das Prinzip der Turbokompressoren (Verdichter). Wir fassen zusammen: Durch Expansion eines Gases kann dessen Wärme teilweise in mechanische Arbeit verwandelt werden. Durch Gaskompression wird mechanische (Kompressions-)Arbeit in erhöhte Wärmeenergie im Gas umgewandelt. Die idealisierten Sonderfälle der isothermen Gas-Expansion/Gas-Kompression (Gastemperatur T = konst.) und der adiabatischen Gas-Expansion/Gas-Kompression (Gaswärmenergie Q = konst.) werden häufig verwendet, um thermisch-mechanische Energiewandlungsprozesse zu beschreiben. Beide sind reversibel (umkehrbar) zwischen Expansion und Kompression. b1) Isotherme Zustandsänderung des Gases: Es bleibt die Gastemperatur bei der Volumen- und Druckänderung konstant T = konst. Damit im expandierenden Gas keine Abkühlung erfolgt, wird in Bild P2.4-1 dem Gas eine der verrichteten, mechanischen Arbeit äquivalente Wärmeenergie aus einem (unerschöpflichen) Wärmebehälter durch Wärmeleitung laufend zugeführt. Wärmeleitung erfolgt aber auf Grund der statistischen Molekül-Stoßprozesse nicht beliebig schnell, so dass wir streng genommen den Kolben (unendlich) langsam bewegen müssten, damit zu jedem Zeitpunkt die Arbeit durch zufließende Wärme gedeckt wird. Bei

Page 91: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.20 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Kompression müsste umgekehrt der Wärmebehälter die Kompressionswärme (sogleich) aufnehmen. Eine streng isotherme Zustandsänderung ist somit nur unendlich langsam möglich und kann nur in Gedanken durchgeführt werden. Halten wir in Gedanken also T = konst., so folgt aus dem Boyle-Mariotte´schen Gesetz (P2.1-9) konst.~ =⋅ TVp mit

konst.2211 =⋅=⋅=⋅ TRVpVp mν die Beziehung VVpVp /)( 11 ⋅= , wobei 11, Vp und

22 , Vp Gasdruck und Gasvolumen bei Kolbenstellung 1 und 2 sind. Eingesetzt in (P2.4-2) erhalten wir

)/ln()/ln()ln()/1( 12121111112

1

2

1

VVTRVVVpVVpdVVVpW mVV

V

V

⋅⋅=⋅=⋅=⋅⋅= ν (P2.4-3)

Die vom Gas verrichtete Arbeit W ist die Fläche unter der Kurve VVpVp /)( 11 ⋅= . b2) Adiabatische Zustandsänderung des Gases: Während der Expansion/Kompression kann das Gas weder Wärme abgeben noch aufnehmen. Dies soll dadurch möglich sein, dass die Zylinderwand (Bild P2.4-2) mit einer ideal thermisch isolierenden Substanz (λth = 0, α = 0) umgeben ist. Da reale thermische Isolatoren (z. B. Glaswolle, Styropor) nicht vollständig den Wärmefluss isolieren können, und selbst dann noch die Wärmestrahlung zum Wärmetransport verbleibt, ist eine adiabatische Zustandsänderung streng genommen nicht möglich, sondern ist ein Gedankenexperiment.

Bild P2.4-2: Druck-Volumen-Diagramm des Gases bei isothermer und adiabatischer Gas-Zustandsänderung im (darunter abgebildeten) Zylinder mit beweglichem Kolben. Mit einem thermischen Isolator um den Zylindermantel soll für adiabatische Zustandsänderung der Wärmeaustausch mit der Umgebung vermieden werden [Sch]. Bei der Kompression (V sinkt, p steigt), ausgehend von p2, V2, wird die am Kolben verrichtete mechanische Arbeit W wie bei b1) in Wärme Q = W verwandelt, aber diese Wärme verbleibt nun im Gas, so dass dessen Temperatur steigt. Dann steigt gemäß (G2.5.1-12) auch der Gasdruck p weiter an, ist also höher als bei isothermer Gaskompression. Deshalb liegt in Bild P2.4-2 die „adiabatische“ p(V)-Kurve (Adiabate) über der isothermen p(V)-Kurve. Umgekehrt bei der Expansion (p sinkt, V steigt), nimmt die innere Energie U des Gases wegen der von ihm am Kolben verrichteten Arbeit W ab und verliert die Wärme Q = W, so dass T sinkt und damit auch p gemäß (G2.5.1-12). Der Druck p sinkt stärker ab als bei isothermer Expansion. Bei der adiabatischen Gaszustandsänderung wird somit mechanische Arbeit dW völlig in erhöhte innere Gasenergie dU verwandelt (Kompression) und umgekehrt (Expansion).

Page 92: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.21 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Die energetische Betrachtung dieser Vorgänge erfordert eine vereinbarte Zählweise von Energiezu- und –abflüssen. Führt man einem Gas von außen Wärmemenge dQ zu (positiv gezählt), so kann diese die innere Energie des Gases erhöhen dU (positiv gezählt) und Arbeit dW am Kolben leisten infolge Expansion leisten. Daher folgende Zählweise: Expansion: Vom Gas geleistete, positiv gezählte Arbeit dVpdW ⋅= (P2.4-1), Kompression: Von außen dem Gas zugeführte, negativ gezählte Arbeit dVpdW ⋅−= .

dVpdUdWdUdQ ⋅+=+= (P2.4-4) Bei der adiabatischen Zustandsänderung ist 0=dQ ; die Arbeit wird durch Abnahme innerer

Energie TMcU V ⋅⋅= geleistet.

dTMcdUdVpdW V ⋅⋅−=−=⋅= (P2.4-5)

Mit einem Gas 2/fRMc mV ⋅⋅=⋅ ν , VTRp m /⋅⋅= ν folgt

2// fdTRVdVTR mm ⋅⋅⋅−=⋅⋅⋅ νν → 2/// fTdTVdV ⋅−= . (P2.4-6)

Beidseitiges Integrieren für die Kolbenbewegung vom Punkt 1 (p1, V1, T1) zu einem anderen Punkt (p, V, T) liefert

⋅−=T

T

V

VT

dTf

V

dV

112

=

⋅−=

2

111lnln

2ln

f

T

T

T

Tf

V

V →

2

11

f

T

T

V

V−

= . (P2.4-7)

Mit f

V

V

T

T2

11

= , VTRp m /⋅⋅= ν und (P2.1-5) 1/)2(/ >+== ffcc Vpκ folgt für das

Druckverhältnis nach Poisson

κ

=

=⋅

=⋅=

+−

V

V

V

V

V

V

V

V

V

V

T

T

p

p ff 1

21

11

2

1

1

11 (P2.4-8)

eine wegen 1>κ steilere p(V)-Kurve (Adiabate) als die Isotherme V

V

p

p 1

1= (Bild P2.4-2).

Die Erhöhung der Entropie dS eines auf der Temperatur T befindlichen heißen Gases )ln(wkS ⋅= (G2.5.1-15) bei Wärmezufuhr dQ kann (ohne Herleitung!) durch

T

dQdS = (P2.4-9)

ausgedrückt werden. Daher ist bei adiabatischer Zustandsänderung 0=dQ und 0=dS , folglich die Entropie konst.=S Der Grad der „Unordnung“ im Gas ändert sich nicht. Deshalb nennt man die Adiabate (P2.4-8) auch Isentrope.

Page 93: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.22 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

P2.5 Thermodynamisches Gleichgewicht, Massenwirkungsgesetz Der gemäß (P2.4-4) untersuchte Zylinder, der z. B. Arbeit W verrichtet, Wärme Q aufnimmt (oder abgibt) und dessen Gas eine bestimmte innere Energie U hat, kann als System betrachtet werden, das – sich selbst überlassen – sich so verhält, dass seine Entropie S maximal ist. Wenn dieser Zustand S = Smax erreicht ist, also jede weitere Entropieänderung Null ist (dS = 0), ist das System im thermodynamischen Gleichgewicht. Generell ist also ein System im thermodynamischen Gleichgewicht (ändert sich in seinen Zuständen nicht mehr), wenn seine Entropie den unter den gegebenen Randbedingungen maximal möglichen Wert angenommen hat. Diese sehr allgemeine Bedingung wird nun für typische Randbedingungen spezialisiert. Es gilt gemäß (P2.4-9) und (P2.4-4), da am Kolben die Arbeit W nur Druckarbeit (P2.4-1) ist,

0=⋅+==T

dVpdU

T

dQdS → 0=⋅−⋅+ dSTdVpdU . (P2.5-1)

Unter isothermen (T = konst., dT = 0) und isochoren (V = konst., Kolbenzylinder bewegt sich nicht, dV = 0) Randbedingungen folgt dSTdU ⋅= . Beidseitige Integration liefert

FSTSTdSTdSTUdU +⋅=+⋅=⋅=⋅== konst. . (P2.5-2)

Die Integrationskonstante „konst.“ nennt man F. Sie hat die Dimension einer Energie und nennt sie „freie Energie“ F. Damit folgt als Bedingung für das thermische Gleichgewicht bei

konst.=T , konst.=V aus (P2.5-2)

00)( =→=⋅−=⋅−= dFdSTdUSTUddF , (P2.5-3) dass die freie Energie (auch: Helmholtz-Potential) minimal ist. Das mechanische Analogon für einen Gleichgewichtszustand ist z. B. die Kugel in einer konkaven Schale. Im Gleichgewicht ruht die Kugel am tiefsten Punkt der Schale und kehrt dorthin unter dem Einfluss der Schwerkraft bei jeder Auslenkung aus der Ruheposition selbsttätig zurück („stabiles“ Gleichgewicht). Am Schalengrund ist die potentielle Energie der Kugel im Schwerefeld Wp = 0, also lautet die Gleichgewichtsbedingung 0=pdW , entsprechend dF = 0

gemäß (P2.5-3) im thermodynamischen Fall bei konst.=T , konst.=V . Sollen jedoch konst.=T (dT = 0), konst.=p (dp = 0) als Randbedingung für das thermodynamische Gleichgewicht gelten, folgt mit dpVdVpVpd ⋅+⋅=⋅ )( aus (P2.5-1) und dTSdSTSTd ⋅+⋅=⋅ )( , also dVpVpd ⋅=⋅ )( und dSTSTd ⋅=⋅ )( ,

)()()(0 STVpUdSTdVpddUdSTdVpdU ⋅−⋅+=⋅−⋅+==⋅−⋅+ . (P2.5-4) Mit der Abkürzung G als sogenannter „freier Enthalpie“ G (auch: Gibbs-Potential)

STVpUG ⋅−⋅+= (P2.5-5) lautet daher die Gleichgewichtsbedingung bei konst.=T , konst.=p

0=dG , (P2.5-6)

Page 94: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.23 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

dass dann die freie Enthalpie minimal ist. In gleicher Weise führen adiabatische isobare Randbedingungen konst.=Q (dQ = 0), konst.=p (dp = 0) mit dVpVpd ⋅=⋅ )( gemäß (P2.5-1) auf

0)()( =⋅+=⋅+=⋅+= VpUdVpddUdVpdUdQ . (P2.5-7) Mit der Abkürzung der Enthalpie H

VpUH ⋅+= (P2.5-8) lautet die Gleichgewichtsbedingung bei konst.=Q , konst.=p

0=dH , (P2.5-9) dass die Enthalpie minimal ist. Anwendungen solcher Gleichgewichtsüberlegungen sind z. B. chemische Reaktionen, bei der zuvor in chemischen Bindungen gespeicherte Energie frei wird (exotherme chemische Reaktion) oder Energie zur Herstellung chemischer Bindungen benötigt wird (endotherme chemische Reaktion). Chemische Reaktionen sind eine wichtige Energiequelle der Menschheit, denn biologisch gesehen leben wir überwiegend von chemisch gebundener Energie in unserer Nahrung und technisch von chemisch gebundener Energie in fossilen Substanzen wie Erdöl, Erdgas und Kohle. Ob eine chemische Reaktion spontan (also von selbst) abläuft, hängt wie bei jedem anderen Prozess bei konstanter Umgebungstemperatur T und konstantem Umgebungsdruck p gemäß (P2.5-6) davon ab, ob dabei die freie Enthalpie G abnimmt, also Gend der chemischen Endprodukte kleiner als Gausg der chemischen Ausgangsprodukte ist: 0ausgend <−=Δ GGG . Dabei nimmt natürlich die

Entropie S voraussetzungsgemäß zu. Die chemische Reaktion hört auf, wenn keine weitere G-Senkung mehr möglich ist: 0=GΔ . Mit dieser thermodynamischen Gleichgewichtsbedingung kann das Massenwirkungsgesetz von Guldberg und Waage hergeleitet werden. Wir bringen eine Substanz A mit der Menge von NA kmol und eine Substanz B mit der Menge von NB kmol zusammen, wobei diese beiden sich von selbst zu einer neuen Substanz AB mit der Menge NAB kmol chemisch verbinden (z. B. 2 kmol H2 (NA = 2) und 1 kmol O2 (NB = 1) zu 2 kmol H2O (NAB = 2)). Wenn dabei G abnimmt, erwarten wir, dass der Vorgang so lange anhält, bis eine der beiden Substanzen A oder B vollständig verbraucht ist. Um aber chemisch miteinander reagieren zu können, müssen die Partner A und B vollständig molekular durchmischt sein. Daher ist es erforderlich, wenn nicht alles durchreagiert, sondern Ausgangsstoffe A und B übrig bleiben, um stets Durchmischung zu ermöglichen. In diesem Fall ist G bei selbständig ablaufender chemischer Reaktion minimal, wenn bei der Temperatur T das Produkt der Mengen der Ausgangssubstanzen BA NN ′⋅′ über

einen „Gleichgewichts“-Faktor TKeKK /1

2⋅= gleich der Menge der Endsubstanz ABN ′ ist. Dies ist das Massenwirkungsgesetz. Für die vorausgesetzt chemisch umkehrbare Reaktion mit der Reaktionsgleichung ABBA →+ bzw. ABBA ←+ stellen sich im thermodynamischen Gleichgewicht folgende Mengenverhältnisse ein:

KNeKNNN TK /AB/

1ABBA2 ′=⋅⋅′=′⋅′ − . (P2.5-10)

Der Faktor 1K ist nur dann ungleich Eins, wenn sich bei der Reaktion die Gesamtmolzahl

pNNNN ~ABBA =++ und damit der Gesamtdruck der Reaktionspartner ändern. Bei .konst=p hat dann neben T nur K2 (das ist die Differenz der freien Enthalpien der Stoffe

Page 95: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.24 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

links in der Reaktionsgleichung (hier: A und B) und der Stoffe rechts in der Reaktionsgleichung (hier: AB)) einen Einfluss auf K. Ist die Differenz positiv und groß, so ist K groß. Ist K groß, so ist BAAB NNN ′⋅′>>′ ; es findet eine fast völlige Durchreaktion der

beiden Partnersubstanzen A und B statt. Ist K klein, so ist BAAB NNN ′⋅′<<′ ; es findet fast keine Reaktion der beiden Partnersubstanzen A und B statt. P2.6 Grundprinzipien der Wärmekraftmaschinen Jede Wärmekraftmaschine verwandelt Wärmeenergie durch Expansion eines Arbeitsgases in mechanische Arbeit. a) Heißgasmaschinen: Ein in einem Zylinder eingeschlossenes und komprimiertes „Arbeitsgas“ (z. B. Luft) wird zyklisch von außen (z. B. durch Sonnenlicht, über eine Linse fokussiert) erwärmt, durch Expansion über einen vom Gas bewegten Kolben abgekühlt, leistet dabei Arbeit und wird danach wieder komprimiert. Das Arbeitsgas verbleibt stets im Zylinder und wird chemisch nicht verändert. b) Verbrennungskraftmaschinen: Ein Luft-Kraftstoff-Gemisch (z. B. Benzin- oder Dieselkraftstoff) wird in einen Zylinder über ein Einlassventil eingesaugt, komprimiert, gezündet, verbrannt und über die Verbrennungswärme aufgeheizt. Das heiße Rauchgas expandiert über einen bewegten Kolben mit Arbeitsverrichtung, kühlt dabei ab und wird beim erneuten „Komprimieren“ über das Auslassventil „ausgepufft“. Danach erfolgt die Ansaugung der nächsten Arbeitsgasmenge. Das Arbeitsgas im Zylinder wird chemisch verändert (Verbrennung) und ständig ausgetauscht. c) Thermische Turbomaschinen: In einem offenen Kreislauf wird ein heißes Arbeitsgas (z. B. überhitzter Wasserdampf, Rauchgas) mit hohem Druck über sich bewegende Schaufeln expandiert, wobei i. A. mehrere, größer werdende Schaufelreihen hintereinander angeordnet sind. An den bewegten Schaufeln wird Arbeit durch das Gas verrichtet. Der Druck im sich abkühlenden Gas sinkt. Das abgekühlte Gas verlässt die Turbomaschine, wird also ständig ausgetauscht. Die zyklische Arbeitsweise der Wärmekraftmaschinen a) und b) wird am Beispiel der Stirling-Maschine (vom Typ a)) erläutert (Bild P2.6-1, Bild P2.6-2). Die Maschine (Bild P2.6-1) arbeitet mit vier Takten. Ihr Zylinder ist mit einem ideal angenommenen Gas gefüllt, das sich zu Beginn des ersten Arbeitstakts im oberen Zylinderhalbraum befindet, wobei durch die Kolbenstellung das kleine Volumen V1 eingestellt ist. Das komprimierte Gas hat somit einen hohen Druck p1 und die hohe Temperatur T1 (Punkt 1 in Bild P2.6-2). 1. Arbeitstakt (isotherme Expansion T1 = konst.): Wir expandieren das Gas isotherm bis zum Volumen V2 (Kurvenstück 12), wobei das Gas am bewegten oberen Kolben Arbeit W1 verrichtet, welche im Arbeitsdiagramm Bild P2.6-2 der Fläche unterhalb des p(V)-Linienzugs 12 entspricht. Damit die Temperatur dabei nicht absinkt, sondern konstant T1 bleibt, fließt Wärmeenergie Q1 = W1 aus dem oberen Wärmebehälter (der konstant auf der Temperatur T1 gehalten wird) in das Gas. 2. Arbeitstakt (isochore Abkühlung V2 = konst.): Oberer und unterer Kolben werden nun gemeinsam nach unten bewegt (Bild P2.6-1), so dass das Gas mit konstantem Volumen V2 (isochor) vom oberen Halbraum in den unteren Halbraum strömt. Dabei muss es durch den kalten Regenerator strömen und kühlt sich dabei auf die Temperatur 12 TT < ab. Es gibt dabei

an den Regenerator infolge von Wärmeleitung die Wärmemenge )( 21Vm12 TTMcQ −⋅⋅⋅=ν

ab. Dies kann man sich als schrittweisen kontinuierlichen Vorgang in Wärmeportionen

Page 96: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.25 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

TMcQ Δ⋅⋅⋅=Δ Vmν vorstellen. Dieser Vorgang wird durch den Kurvenzug 23 im

Arbeitsdiagramm angegeben. 3. Arbeitstakt (isotherme Kompression T2 = konst.): Der untere Kolben wird nun nach oben bewegt und komprimiert das Gas isotherm (T2 = konst.) auf das kleinere Volumen V1 (Kurvenstück 34 im Arbeitsdiagramm Bild P2.6-2). Die dafür benötigte Arbeit am unteren Kolben W2 entspricht der Fläche unter dem Kurvenstück 34. Diese Kompression heizt aber das Gas nicht auf, weil die Wärmeenergie Q2 = W2 in den unteren Wärmebehälter (der konstant auf der Temperatur T2 gehalten wird) fließt. 4. Arbeitstakt (isochore Erwärmung V2 = konst.): Oberer und unterer Kolben werden nun gemeinsam nach oben bewegt (Bild P2.6-1), so dass das Gas mit konstantem Volumen V1 (isochor) vom unteren Halbraum in den oberen Halbraum strömt. Dabei strömt es durch den heißen Regenerator und erwärmt sich wieder auf die Temperatur 21 TT > , indem es die im

Regenerator gespeicherte Wärmemenge )( 21Vm12 TTMcQ −⋅⋅⋅=ν aufnimmt. Diese

kontinuierlichen Vorgang der Wärmeleitung kann man sich wieder schrittweise einer Zufuhr in Wärmeportionen TMcQ Δ⋅⋅⋅=Δ Vmν vorstellen. Dieser Vorgang wird durch den

Kurvenzug 41 im Arbeitsdiagramm angegeben, womit ein vollständiger Zyklus durchlaufen ist.

4 1 2 3 unten V1 oben V1 oben V2 > V1 unten V2 unten V1

Q1 oben zu Q2 unten ab (Q2 < Q1)

Bild P2.6-1: Prinzipanordnung einer Stirling-Maschine mit einem Arbeitsgas, das zwischen zwei voneinander unabhängig bewegten Kolben in einem Zylinder eingeschlossen ist. Der Zylinderraum wird durch einen für das Gas durchlässigen Regenerator R (z. B. Kupferdrahtgeflecht) in zwei Räume getrennt. Der Regenerator nimmt Wärme vom heißen Gas (T1) auf, wenn es ihn durchströmt und speichert es bzw. er gibt an das kalte Gas (T2 < T1) diese Wärme wieder ab. Der obere bzw. untere Zylinderhalbraum ist von je einem Wärmebehälter (z. B. Wassermantel) mit unterschiedlichem Temperaturniveau (T1 bzw. T2) umgeben, der die Wärme an das Arbeitsgas abgibt (oben) oder aufnimmt (unten) [Kom]. Es wurde aus dem Wärmebehälter mit der hohen Temperatur T1 die Wärmemenge Q1 beim 1. Takt (12) entnommen und in Arbeit W1 = Q1 verwandelt. An den Wärmebehälter mit der tiefen Temperatur T2 wurde die kleinere Wärmemenge Q2 < Q1 beim 3. Takt (34) abgegeben. Es wurde dazu eine Arbeit W2 = Q2 benötigt. Die aus dem Prozess je Zyklus im Endeffekt gewonnene Arbeit ist 2121 QQWWW −=−= . Diese Arbeit entspricht im Arbeitsdiagramm Bild P2.6-2 der im Uhrzeigersinn von dem Kurvenzug 1-2-3-4-1 umrandeten durchlaufenen Fläche. Es wird also von der bei der hohen Temperatur 1T der Maschine zugeführten

Wärmemenge 1Q nur der Teil 21 QQ − in Arbeit verwandelt. Der Teil 2Q muss über eine

Kühleinrichtung abgeführt werden, um das Temperaturniveau 2T konstant zu halten und geht

dem Prozess energetisch verloren. Der energetische Wirkungsgrad η je Zyklus als Verhältnis aus gewonnener Arbeitsenergie und dafür eingesetzter Wärmeenergie ist kleiner als Eins.

Page 97: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.26 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Bild P2.6-2: p(V)-Arbeitsdiagramm des reversiblen Stirling-Prozesses und dessen Energieflussbild. Die Temperaturänderungen T1 - ΔT, T1 - 2ΔT, … finden im Regenerator R (Bild G3.4.7-1) bei den Prozessschritten 4→1 und 2→3 statt [Sch].

1

2

1

21

1

1Q

Q

Q

QQ

Q

W −=−==η (P2.6-1)

Gemäß der Zustandsgleichung für ideale Gase TRVp m ⋅=⋅ ν verhalten sich die Drücke der

oberen Kurve 12 (T1) und der unteren Kurve 34 (T2) bei einem bestimmten Volumen V wie

2

1

2

1

2m

1m

2

1

T

T

p

p

TR

TR

Vp

Vp =→⋅⋅=

⋅⋅

νν

(Gay-Lussac-Gesetz) . (P2.6-2)

Die beiden Flächen ⋅dVp unter den Kurvenabschnitten 12 und 34 verhalten sich daher wie

21 /TT . Da diese beiden Flächen aber auch den Wärmemengen 21, QQ entsprechen, erhalten wir

1

21T

T−=η (Carnot-Wirkungsgrad). (P2.6-3)

Da der beschriebene Zyklus genau genommen wegen der Wärmeflüsse nur unendlich langsam ausgeführt werden darf, um isotherme Zustandsänderungen zu erhalten, und wir auch alle ungewollten Wärmeabflüsse an die Umgebung sowie jegliche Reibung vernachlässigt haben, ist dies ein idealisierter Kreisprozess, den zuerst S. Carnot untersucht hat. Er kann auch umgekehrt (reversibel) durchlaufen werden (1-4-3-2-1, Wärmepumpe bzw. Kältemaschine) und transportiert dann infolge der verrichteten Arbeit W Wärme vom kälteren Behälter T2 zum wärmeren T1, ohne den 2. Hauptsatz der Thermodynamik zu verletzen (der selbsttätige Prozesse beschreibt), da Arbeit aufgewendet werden muss. Es wird dabei die Wärmemenge Q2 dem kälteren Behälter T2 entnommen und die größere Wärmemenge Q1 = Q2 + W dem wärmeren Behälter T1 zugeführt. Bei der idealen, reversibel arbeiteten Wärmekraftmaschine werden in beiden Richtungen dieselben Arbeits- und Wärmemengen umgesetzt. Bei der realen Stirling-Maschine wird die Bewegung der beiden Kolben relativ zueinander über einen speziellen Kurbeltrieb mit eigens dafür ausgeführtem Gestänge verwirklicht. Diese reale Stirling-Maschine kann zwar ebenfalls als Motor bzw. Wärmepumpe arbeiten, aber bei der Umkehr des Energieflusses wird wegen der unvermeidlichen Verluste nicht der gesamte Energieaustausch ideal umgekehrt. Wegen der Verluste und der endlichen Zeiten für die Wärmeübertragung zum und vom Arbeitsgas ist der Carnot-Wirkungsgrad der theoretisch höchste Wert und umso größer, je höher das Verhältnis T1/T2 ist. Der Wirkungsgrad der realen Wärmekraftmaschine ist stets kleiner. Da die niedrige Temperatur T2 in der Regel nicht unter der Umgebungstemperatur liegen kann, muss für einen hohen Wirkungsgrad T1 groß sein.

Page 98: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.27 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Der Stirling-Motor ist eine interessante Anwendung für Gegenden mit schwacher Infrastruktur (keine Treibstoffversorgung, keine elektrische Versorgung), da z. B. direkt gebündelte Sonnenwärme in Arbeit und damit zum Antreiben (z. B. von Grundwasserpumpen in ländlichen Räumen) verwendet werden kann. Mit dem Arbeitsgas Luft und der Verbindung der Heißseite des Motors mit einer sonnengespeisten Wärmequelle (z. B. über einen Parabolspiegel konzentrierte Sonnenstrahlung) ist somit ein autarker und robuster Pumpenantrieb möglich. In südlichen heißen Gegenden mit einer Umgebungstemperatur ϑ2 = 35 °C (T2 = 273 + 35 = 308 K) ergibt sich z. B. bei ϑ1 = 200 °C (T1 = 273 + 200 = 473 K) ein Carnot-Wirkungsgrad %88.34473/3081/1 12 =−=−= TTη . Der reale Wirkungsgrad kleinerer Einheiten im kW-Bereich ist deutlich niedriger (ca. 25 %). P3 Energiewandlung in Kraftwerken Im Folgenden werden folgende Turbinentypen, die in Kraftwerken zum Einsatz kommen, mit den für sie geeigneten Synchrongeneratoren kurz beschrieben, und zwar: - Wasserkraftturbinen, - Dampf- und Gasturbinen. P3.1 Turbinen für die Wasserkraftnutzung und zugehörige Synchrongeneratoren Laufkraftwerke an großen Flüssen mit einer hohen Wasser-Durchflussmenge und einem niedrigen Druckgefälle ( = niedrige Stauhöhe von wenigen Metern) bedürfen einer speziellen Wasserturbine, der KAPLAN-Turbine, einer Propellerturbine mit verstellbaren Laufschaufeln (typisch 4 Stück) und einem Leitapparat, um auch bei unterschiedlicher Durchflussmenge (Winter: zumeist wenig Wasser, nach der Schneeschmelze: viel Wasser) optimalen Wirkungs-grad zu gewährleisten (Bild P3.1-1). Die Drehzahl ist daher niedrig und der direkt gekuppelte Synchrongenerator muss folglich eine hohe Polzahl haben, um trotz der niedrigen Drehzahl (z.B. 50/min) 50 Hz Wechselspannung zu induzieren. Diese als "Schirmgeneratoren" in Vertikalbauweise oder als Rohrturbinengeneratoren in Horziontalbauweise ausgeführten Schenkelpolmaschinen weisen Leistungen von typisch 20 MVA bis 40 MVA je Maschine auf.

Bild P3.1-1: Vertikal gelagerte KAPLAN-Turbine mit vier Laufschaufeln („Propellerflügeln“): Da die Turbine bei unterschiedlicher Wasser-Durchflussmenge stets mit konstanter Drehzahl drehen soll, werden über die Regelstange die Laufschaufeln verdreht und über den Regelring die Schaufeln des Leitapparats (Wasserzustrom) verstellt, damit stets optimale Anströmwinkel und damit optimaler Wirkungsgrad gegeben sind [Quelle: Quantz].

Page 99: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.28 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Beispiel P3.1-1: Bemessungsleistung eines elektrischen Generators für die Wirkleistung der Wasser-Turbine: P = 24 MW, geforderter cosϕ = 0.8 (induktiv) Bemessungsscheinleistung: S = P/ cosϕ = 30 MVA Beispiel P3.1-2: Polzahl eines langsam laufenden Schirmgenerators für den Antrieb durch eine Kaplan-Turbine: n = 50/min, fNetz = 50 Hz:

120)60/50/(502/22 =⋅== nfp Netz Pole: 60 Nord – und 60 Südpole !

Bild P3.1-2: Vertikal gelagerte FRANCIS-Turbine: Die Laufschaufeln sind gegossen und nicht verstellbar. Der Anströmwinkel wird durch die verstellbaren Leitschaufeln, über die die Wasseranströmung erfolgt, bei unterschiedlichem Wasserstrom stets optimal eingestellt [Quelle: Quantz]. Bei Mitteldruckkraftwerken mit Stauhöhen bis ca. 30 m ist die FRANCIS-Turbine mit ihren dreidimensional gekrümmten, nicht verstellbaren Laufschaufeln in großer Zahl im Einsatz (Bild P3.1-2). Es überwiegt die Vertikalbauweise mit direkt gekuppeltem Synchron-Schenkelpolgenerator. Bei Großkraftwerken wie ITAIPU am Parana-Fluss (Grenzfluss Brasilien/Paraguay) werden Einheitsleistungen bis ca. 800 MVA je Generator erreicht. Bei den (Pump)Speicher-Kraftwerken kehren sich die Verhältnisse um: Geringe Durchflussmenge und hoher Wasserdruck, erzeugt durch enorme Gefällehöhen von bis zu 1500 m zwischen Wasseroberfläche des Stausees und dem Wassereinlauf im Krafthaus, das sich auf der Talsohle befindet, erfordern den Einsatz der PELTON-Turbine (Bild P3.1-3). Diese wird aus mehreren am Umfang angeordneten "Nadeldüsen" tangential mit einem gebündelten Wasserstrahl beaufschlagt. Eine Umkehr der Strömungsrichtung ist somit nicht sinnvoll möglich. Die Turbine rotiert auf Grund der hohen Strahlgeschwindigkeit rasch (z. B. 500/min, 750/min, 1000/min), so dass niederpolige, relativ hochdrehende Synchronschenkelpolmaschinen zum Einsatz kommen, die wegen ihrer teilweise hohen Leistung und Drehzahl (mehrere 100 MVA) als "Grenzleistungsmaschinen" anzusprechen sind. Ihre mechanische und elektrisch-thermische Bauteilbeanspruchung liegt an der Grenze des technisch Machbaren. Manchmal ist sogar direkte Leiterkühlung (deionisiertes Wasser im hohl gebohrten Kupferleiter) erforderlich. Oft ist die elektrische Maschine als Motor-Generator ausgeführt. In Zeiten geringen Energiebedarfs treibt sie als Motor eine Pumpe an, um Wasser in den Speicher des Stausees hoch zu pumpen, um so die überschüssige elektrische Energie der im Grundlastbetrieb fahrenden kalorischen Kraftwerke zu speichern. Zu diesem Zweck ist entweder eine mehrstufige radial wirkende Pumpe an das zweite Maschinen-Wellenende gekuppelt, oder die Turbine ist so konzipiert, dass sie auch als Pumpe wirken kann. Das funktioniert nur bei FRANCIS-Turbinen, nicht aber bei PELTON-Rädern.

Page 100: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.29 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Bild P3.1-3: Horizontal gelagerte PELTON-Turbine: Die becherförmigen Schaufeln werden aus Wasserdüsen, über die die Strahlstärke eingestellt werden kann (im Bild: Handrad für Nadelventil!, eine Düse dargestellt) mit hohem Wasserdruck, aber geringer Wasserdurchflussmenge beaufschlagt [Quelle: Quantz]. Beispiel P3.1-3: Polzahl eines schnell laufenden E-Generators für den Antrieb durch eine Pelton-Turbine: n = 1000/min, fNetz = 50 Hz:

6)60/1000/(502/22 Netz =⋅== nfp Pole: 3 Nord – und 3 Südpole !

a) b)

c) d)

Bild P3.1-4: a) Kleine Kaplan-Turbine beim Einbau, b) Peltonrad: Fertigung – Flüssigmetall aufspritzen zur Oberflächenvergütung, c) Francis-Läufer, Detail: Leitschaufeln, d) 3-stufige Radialpumpe (Andritz Hydro)

Page 101: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.30 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Beispiel P3.1-4: Hydraulische Bemessung von Wasserkraftwerken (H: Stauhöhe, 1000OH2

=γ kg/m3):

Potentielle Energie des gestauten Wassers: HgVHgmW ⋅⋅=⋅⋅= OHpot 2γ

Leistung: HgVHgtVtWP ⋅⋅⋅=⋅⋅⋅== OHOHpotin 22

)/(/ γγ (V : Durchflussmenge)

Wirkungsgradkette: Hydraulischer Wirkungsgrad: 0.95 Turbinenwirkungsgrad: 0.9 Generatorwirkungsgrad: 0.98 Eigenbedarf: 0.97 Kraftwerkswirkungsgrad: 81.097.098.09.095.0KW =⋅⋅⋅=η

Elektrische Leistung: HVPPP ⋅⋅⋅⋅=⋅== 100081.981.0inKWeout η

"Faustformel": HVP ⋅⋅= 8000e , [ ] [ ] [ ] mHsmVWP === ,/, 3e

Tabelle P3.1-1: Kenngrößen von Wasserkraftwerken und Generatoren

Laufkraftwerk Mitteldruckkraftwerk Speicherkraftwerk Speicherkraftwerk Wallsee/Österreich 3 Schluchten/China *) Kaprun/Österreich Bieudron/Schweiz

H = 9.1 m H = 183 m H = 780 m H = 1883 m **) V = 2880 m3/s V = 12295 m3/s V = 32 m3/s V = 86 m3/s Pe = 210 MW Pe = 18000 MW Pe = 200 MW Pe = 1295 MW

Kaplan-Turbinen Francis-Turbinen Pelton-Turbinen Pelton-Turbinen 6 Generatoren zu je

35 MW 26 Generatoren zu je

692 MW 4 Generatoren zu je

2x55 MW, 2x45 MW3 Generatoren zu je

432 MW *) 3 Schluchten Xi-Ling, Wu, Qutang am Yangtsekiang-Fluss (2 km Staudammbreite, 600 km Rückstau) **) Staumauer in Grad Dixence mit 285 m Höhe höher als der Eiffel-Turm. Beispiel P3.1-5: Turbinen- und Generatordaten im Kraftwerk Bieudron/Wallis, Schweiz: Schenkelpolgenerator: 432 MW, 465 MVA (cosϕ = 0.93), weltleistungsstärkste Pelton-Turbinen mit 4.65 m Raddurchmesser, Generatormasse 800 t, 2p = 14, 50 Hz, 428.6 /min, 21 kV, 12.78 kA. Beispiele großer Hydro-Generatoreinheiten: 140 MVA, 375 min-1 (Schweiz), 352 MVA, 500 min-1 (Sellrain-Silz, Österreich) 360 MVA, 333 min-1 (Norwegen) 590 MVA, 93.8 min-1 (Russland) 720 MVA, 75 min-1 (USA) 824 MVA, 90.9 min-1 (Brasilien, Itaipu). Die Baugröße ist von Leistung und Drehzahl bestimmt. Mit abnehmender Drehzahl steigen die möglichen Bauleistungen, wie die obigen Beispiele belegen. Der Rotor wird als Polrad mit ausgeprägten Polen ("Schenkelpolläufer") und um die Polschenkel angeordneten Erregerspulen (Polspulen) gebaut. Er ist mechanisch auf die relativ hohe Durchbrenndrehzahl (Durchgangsdrehzahl) der Turbinenanlagen (Pelton: 1.6 bis Kaplan: 3.5-fache Nenndrehzahl) auszulegen. Die Wassermassen können nämlich bei Lastabwurf nicht so rasch abgebremst werden, so dass Turbine und Generator auf die Leerlaufdrehzahl der Turbine beschleunigen. Die Welle wird waagrecht oder senkrecht angeordnet. Größere Generatoren werden mehrteilig konstruiert und transportiert, fallweise erfolgt die Fertigung weitgehend erst auf der Baustelle.

Page 102: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.31 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Beispiel P3.1-6: Bestimmung der Durchbrenndrehzahl für die Pelton-Kraftwerksturbine im Kraftwerk Bieudron/Wallis, Schweiz: Wasserstrahlgeschwindigkeit: v1 = 600 km/h = 166.6 m/s. Radumfangsgeschwindigkeit: theoretisch: vu = v1/2 = 83.3 m/s Praktisch: vu = 103.5 m/s = dπn. Bei einem Raddurchmesser von d = 4.65 m ergibt das eine Drehzahl von n = 428.6 /min. Durchbrenndrehzahl: 1.86-fach: nmax = 800 /min P3.2 Turbinen in thermischen Kraftwerken und zugehörige Synchrongeneratoren Dampf- und Gasturbinen werden in thermischen Kraftwerken zu Erzeugung mechanischer Energie aus Wärmeenergie eingesetzt. Sie drehen sehr rasch. Mit 3000/min oder 3600/min erfordern sie 2-polige E-Generatoren, um 50 Hz bzw. 60 Hz Nennfrequenz zu erzeugen. Erst bei Leistungen über 1 GW drehen Dampfturbinen ausreichend langsam (1500 … 1800 /min) für den Einsatz vierpoliger Generatoren. Die Leistungen betragen bei Gasturbinen (Bild P3.2-1) maximal ca. 350 MW, und reichen bei Dampfturbinen bis ca. 1000 MW in „volltouriger“ (3000 /min bzw. 3600 /min) und bis ca. 2000 MW in "halbtouriger" (1500 /min bzw. 1800 /min) Ausführung. Da diese Generatoren von thermischen Turbomaschinen angetrieben werden, heißen sie Turbogeneratoren und haben die größten Leistungen überhaupt unter den elektrischen Maschinen. Sie sind wegen der relativ hohen Drehzahl mechanisch hoch beansprucht und haben daher massive, freiformgeschmiedete und mit dem Fräser bearbeitete Läufer aus vergütetem Edelstahl. Die wegen der enormen Fliehkräfte hohen mechanischen Spannungen lassen nur begrenzte Läuferdurchmesser von maximal 1.2 m bis 1.3 m zu.

Bild P3.2-1: Gasturbine: Rechts Lufteintritt und Kompressor (Luftverdichter, Verdichtungsgrad ca. 1:30), danach Brennstoffzufuhr (z.B. Heizöl schwer) und Verbrennung in zwei Ringbrennkammern. Das heiße Verbrennungsgas (bis zu 1300 °C) expandiert im anschließenden Turbinenteil. Daher nimmt das Gasvolumen zu; die Schaufeln werden von Stufe zu Stufe länger. Links vorne tritt das heiße Gas mit einer Abhitzetemperatur von ca. 600 °C aus und kann noch in einem nachgeschalteten Dampfprozess Wasser verdampfen, das eine Dampfturbine antreibt (GuD-Kraftwerk: Gas und Dampf). Wirkungsgrad der Gasturbine 38 %, 58 % für den GuD-Block, mit Fernwärmeauskopplung bis zu 90 % thermischer Anlagenwirkungsgrad (Quelle: ABB / Alstom).

Page 103: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.32 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Beispiel P3.2-1: Läuferumfangsgeschwindigkeit eines schnell drehenden zweipoligen Turbogenerators für den Antrieb durch eine Dampfturbine: Rotordurchmesser dr = 1.2 m, Drehzahl n = 3600 /min:

226)60/3600(2.1r =⋅⋅== ππndv m/s ( = 814 km/h !); = 70 % der Schallgeschwindigkeit. Im Gegensatz zum Turbogenerator, bei dem die gesamte Leistung in einer Maschine umgesetzt wird, muss der Leistungsumsatz in der Dampfturbine in drei Maschinen, dem Hochdruck-, Mitteldruck- und Niederdruckteil erfolgen. Da gegenüber dem Hochdruckteil der Dampf im Niederdruckteil bereits stark expandiert ist, benötigt er ein großes Volumen und damit große Strömungsquerschnitte. Daher sind die Schaufeln der Turbine im Niederdruckteil lang (z. B. 1 m) und weisen einen großen Außendurchmesser D auf (z.B. 4 m). Wegen der hohen Fliehkräfte müssen sie mechanisch hochwertig ausgeführt sein, z. B. aus geschmiedetem martensitisch-ferritischem Stahl mit 12 % Chromgehalt. Beispiel P3.2-2: Braunkohlekraftwerk Lippendorf: 930 MW pro Generator Hochdruckteil: Frischdampfdruck 250 bar bei 550 °C; Niederdruckteil: Dampf expandiert von 0.5 bar auf Kondensatordruck 0.038 bar, also nahe "Vakuum". Gesamtwirkungsgrad des Kraftwerks: bei Volllast: 42.4 % (davon E-Generator: 99 %)

Bild P3.2-2: Erzeugung von Kohlendioxid je kWh elektrischer Energie – geordnet nach Kraftwerkstypen (Siemens AG) Beispiel P3.2-3: Mechanische Beanspruchung der Niederdruck-Dampfturbine bei max. Drehzahl

Nmax 2.1 nn = , nN = 3000 /min:

(i) Umfangsgeschwindigkeit der Schaufelspitzen: 753502.142.1 Nmax =⋅⋅=⋅= ππ nDv m/s = 2710 km/h (!)

Es tritt in der Dampfströmung Überschall auf. (ii) Fliehkraft pro Schaufel: Schaufellänge 1 m, Schaufelmasse m = 10 kg, Schwerpunkts-

abstand r von der Drehachse 1.2 m

1700)2.12( 2NSchaufel =⋅⋅⋅= nrmF π kN ≅ 170 Tonnen

Das entspricht der schweren Masse zweier Hochleistungs-Elektroloks (z.B. ÖBB-Lok Taurus 1016: 6.4 MW, 84 Tonnen).

Fossile Energie

Regenerative Energie

Kernenergie 0,96

0,78

0,35

0,2

0,020 0,004 0,025

Uran Wasser Wind Solar Erdöl Stein-kohle

Braun-kohle

Erdgas (Photovoltaik)

Emission in kg

Betrieb Brennstoffversorgung Bau

0

0,2

0,5

0,7

1

kg CO2 pro kWh

0,76

Page 104: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.33 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Damit die gesamte Dampfturbinen-Leistung elektrisch in einem Generator umsetzbar ist, ist in den vergangenen Jahrzehnten stetig die Leistung pro Generator („Einheitsleistung“) erhöht worden. Eine Leistungserhöhung durch Erhöhung des Durchmessers ist ab 1.2 m nicht mehr möglich. Eine Verlängerung der Maschine über 7 m Blechpaketlänge ist wegen des dann sehr schlanken und damit biegeweichen Läufers (lFe/dr = 7/1.2 = 5.8 !) auch nicht möglich. Es verbleibt nur eine erhöhte Ausnützung der Maschine („mehr Leistung aus dem gleichen Volumen“), also eine Erhöhung des Leiterstroms und/oder des Magnetfelds. Die Eisensättigung verbietet eine Erhöhung der magnetischen Luftspaltflussdichte über 1.2 T. Die Leistung kann nur über den Strom und die Stromdichte gesteigert werden, was zu erhöhten Stromwärmeverlusten führt. Daher muss die Kühlung intensiviert werden. So ist bis ca. 300 MVA noch Luftkühlung möglich, darüber jedoch direkte Leiterkühlung mit Wasserstoffgas oder deionisiertem (= nicht elektrisch leitfähigem) Wasser in den hohlgebohrten Kupferleitern erforderlich.

a) b)

c)

Bild P3.2-3: a) Braunkohle-Kraftwerk „Schwarze Pumpe“, 2 x 800 MW, b) GuD (Gas und Dampf)-Kraftwerk Tapada do Outeiro, Portugal, Einwellenanordnung, 3 x 333 MW = 1000 MW, c) Gasturbinen-Kraftwerk Cass county, Nebraska, USA, 2 x 200 MW; Quelle: Siemens AG

Bild P3.2-4: Numerische Strömungsberechnung (Lösung der Navier-Stokes-Gleichungen) für optimierte Schaufelprofile einer Gasturbine, Quelle: Siemens AG

Page 105: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik P.34 Prozesse

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Bild P3.2-5: Industrie-Kraftwerk GuD mit Nutzung der Restwärme als Prozessdampf (z. B. Papiererzeugung), Zweiwellen-Anordnung, elektrischer Wirkungsgrad: 33 + 11 = 44 %, thermischer Wirkungsgrad: 44 + 21 = 65 %, Quelle: Alstom Power

a) b)

Bild P3.2-6: a) Montages des Dampfturbinen-Hochdruckgehäuses (Dampf 276 bar, 600 °C), b) Montage der doppelflutigen Niederdruck-Dampfturbinenrotoren (Dampf: 39 mbar, Rotormasse 260 Tonnen), Quelle: Siemens AG

Page 106: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.1 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

T. Transformatoren und Generatoren T1 Synchronmaschinen T1.1 Funktionsweise und Aufbau von Synchronmaschinen Der Läufer hat ein konstantes Magnetfeld mit z. B. zwei Polen, das über Permanentmagnete („Permanenterregung“) oder Gleichstrom-Spulen („elektrische Erregung“) erzeugt wird (Bild T1.1-1). Bei der elektrischen Erregung erregt der Feldstrom If (Gleichstrom) dieses Läufer-Gleichfeld, das relativ zum Läufer ruht. Der Ständer hat wie die Asynchronmaschine eine i. A. dreisträngige “Drehfeldwicklung”, die in Ständernuten liegt (Bild T1.1-2) und vom Drehstromnetz gespeist wird. Der dort fließende (dreiphasige) Ständerstrom Is (Effektivwert, Wechselstrom) erregt das zum Läuferfeld in der Polzahl passende z. B. zweipolige Drehfeld. Es muss für eine Drehmomentbildung wie bei der Asynchronmaschine Läuferpolzahl und Ständerpolzahl gleich groß sein. Während sich bei der Asynchronmaschine mit Kurzschlusskäfig im Läufer automatisch die Polzahl des induzierenden Ständerfelds einstellt, muss bei der Synchronmaschine konstruktiv für die gleiche Polzahl gesorgt werden. Die tangentialen LORENTZ-Kräfte des Läufermagnetfelds auf stromdurchflossenen Leiter der Ständerwicklung bewirken das elektromagnetische Drehmoment Me, das im Motorbetrieb den Läufer SYNCHRON (“gleich schnell”) mit dem Ständerdrehfeld mitzieht. Dabei läuft die Läuferfeldachse um einen konstanten Winkel („Polradwinkel“) der Drehfeldachse des rotierenden Summenfelds aus Läufer- und Ständerfeld nach. Der Läufer kann nun sein Drehmoment auf eine Lastmaschine (z. B. Pumpe) übertragen. Im Generatorbetrieb muss die Läuferfeldachse vor der Drehfeldachse um den entsprechenden lastabhängigen Polradwinkel vorlaufen. Dazu muss der Läufer mechanisch durch eine Turbine angetrieben werden. Das nachlaufende Drehfeld übt auf den Läufer daher ein bremsendes elektromagnetisches Drehmoment aus. In den genuteten Polschuhen der Läuferpole ist häufig ein Kurzschluss-Käfig (Dämpferkäfig) angeordnet (Bild T1.1-2), der im Synchronlauf stromlos ist (Schlupf s = 0). Dieser Dämpferkäfig soll Drehzahlschwankungen des Läufers, die nach jeder Laständerung transient auftreten, dämpfen. Wenn dieser Käfig große Stabquerschnitte hat, kann er auch als Anlaufkäfig dazu benutzt werden, dass die Synchronmaschine asynchron von Null auf Synchrondrehzahl hoch laufen kann, ähnlich wie eine Asynchronmaschine (Bild T1.3-4). Einsatzgebiete von Synchronmaschinen: Synchronmaschinen werden sehr häufig als Kraftwerks-Generatoren direkt am Netz mit konstanter Statorfrequenz betrieben. Sie sind DER Standard-Stromerzeuger bis hin zu größten Einheitsleistungen von ca. 2000 MVA (z. B. im Kernkraftwerk Olkiluoto/Finnland), da sie sowohl kapazitiv als auch induktiv betrieben werden können. Als kapazitiv wirksame Betriebsmittel können sie die im Netz überwiegend induktive Blindleistung (z. B. durch Asynchronmotoren, Transformatoren, …) kompensieren. Beachten Sie, dass Asynchronmaschinen am Netz nur als induktiv wirkende Betriebsmittel einsetzbar sind („Magnetisierungsstrom“ bewirkt, dass der Ständerstrom der Ständerspannung nacheilt). Wegen ihres Synchronlaufs sind Synchronmotoren bei Netzbetrieb absolute Festdrehzahlantriebe und können z. B. als Kleinmotoren als Uhrenantriebe verwendet werden. Häufig werden sie als Motoren aus Umrichtern mit Drehspannungssystemen veränderlicher Amplitude und Frequenz versorgt und sind dann drehzahlveränderbar. Als drehzahlgeregelte Motoren kleinerer Leistung im kW-Bereich mit Permanentmagnet-Läuferfelderregung werden sie in Werkzeugmaschinen, Verpackungsmaschinen, als Roboterantriebe etc. eingesetzt. Als umrichtergespeiste Großantriebe werden sie fallweise bei elektrischen Bahnen als Traktionsantriebe verwendet (z. B. TGV, „1. Generation“), aber auch als Sonderantriebe bis

Page 107: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.2 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

100 MW (z. B. als Antrieb für große Windkanalgebläse) oder als Schiffsantriebe (z. B. für Kreuzfahrtschiffe, Bild T1.1-4a).

a) b)

Bild T1.1-1: Bauarten von Synchronmaschinen (hier dargestellt für die einfachste Konfiguration: 2p = 2, ms = 3, qs = 1, mr =1, qr = 1): a) Vollpolmaschine (Läufer-Drehwinkel γ, Läuferfeldachse d (Längsachse), Läuferpollückenachse q (Querachse), b) Schenkelpolmaschine Aufbau von Synchronmaschinen: Der Ständer (Stator) der Synchronmaschine trägt in Nuten eine verteilte Drehstrom-wicklung wie bei der Asynchronmaschine. Der Läufer (Rotor, Polrad) trägt entweder Permanentmagnete (i. A. bei kleinen Maschinen) oder eine gleichstromgespeiste Erregerwicklung (Läuferwicklung. Polradwicklung) (i. A. bei größeren Maschinen). Die Speisung dieser Wicklung erfolgt mit einer Gleichspannung (Erregerspannung Uf) z. B. aus Gleichrichtern und prägt über zwei Schleifringe mit Kohlebürsten als Gleitkontakten den Feldstrom If in die Läuferwicklung ein. Man unterscheidet bei der elektrisch erregten Läuferwicklung zwei Läuferbauarten, den Vollpolläufer und den Schenkelpolläufer (Bild T1.1-1). Dementsprechend unterscheiden wir Vollpol- und Schenkelpol-Synchronmaschinen.

Bild T1.1-2: Axialschnitt der oberen Hälfte einer 12-poligen Schenkelpol-Synchronmaschine mit den bezeichneten Maschinenteilen. Die Feldlinien des Hauptflusses sind gestrichelt dargestellt [Kle]. a) Vollpolmaschine: Der Vollpolläufer besteht aus einem zylindrischen Blechkörper oder massivem Eisenzylinder mit eingestanzten Nuten, in denen die Gleichstrom-Erregerwicklungs-Spulen liegen (Bild

Page 108: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.3 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

T1.1-1a: einfachster Fall: eine Erregerspule in zwei Nuten: Läufernutzahl Qr = 2p.qr = 2). Im Allgemeinen ist besteht die Erregerwicklung aus mehreren konzentrisch angeordneten Spulen pro Pol, die in mehreren Nuten als Spulengruppe verteilt ist (Bild T1.1-3a). Es ergibt sich dadurch ein konstanter Luftspalt. Wegen der guten Fixierung der Wicklung in den Läufernuten über Nutverschlusskeile wird die Vollpol-Bauart überwiegend für niedrigpolige Synchronmaschinen (meist 2p = 2 und 4) bevorzugt verwendet, da bei diesen die Drehzahl n = nsyn = f/p am höchsten ist (z. B. f = 50 Hz: n = 3000 /min bzw. 1500 /min), so dass die Fliehkräfte auf die Läuferwicklung am höchsten sind. Bei Kraftwerksgeneratoren mit hohen Leistungen sind die Läuferdurchmesser so groß, dass die Fliehkräfte die Läuferzähne abreißen würden. Daher wird in diesen Fällen der Läufer aus massivem Stahl geschmiedet; die Nuten werden ausgefräst. Diese Turbogeneratoren sind Vollpol-Synchronmaschinen, die von thermischen Turbomaschinen (Gas- oder Dampfturbinen) angetrieben werden. Beispiel T1.1-1: Zweipoliger Turbogenerator: n = 3000 /min = 50 /s, Polzahl 2p = 2(fs/n) = 2(50/50) = 2. Mechanisch maximal zulässiger Läuferdurchmesser für 3000 /min bei Verwendung hochfesten Stahls ca. dra = 1.1 m. Die Umfangsgeschwindigkeit des Läufers ist dann mit n = nsyn: 173501.1rasyn =⋅⋅== ππndv m/s

= 622 km/h. b) Schenkelpolmaschine: Der Läufer („Polrad“) von Schenkelpol-Synchronmaschinen besitzt ausgeprägte Pole (Bild T1.1-1b), die von der Polradwicklung mit Gleichstrom erregt werden. Diese Bauart wird überwiegend für hochpolige Synchronmaschinen (2p ≥ 4) verwendet (Bild T1.1-2 u. T1.1-3b), da dann die Drehzahlen und Fliehkräfte niedriger sind und die mechanisch aufwändige Einzelpolbefestigung und Wicklungsfixierung einfacher und kostengünstiger zu realisieren sind. Die Luftspaltweite ist nicht konstant, sondern weitet sich wie bei Gleichstrommaschinen in der Pollücke stark auf.

a) b)

Bild T1.1-3: a) 8-poliger Vollpolläufer mit qr = 3 Spulen pro Pol für ca. 10 MW, b) 14-poliger Schenkelpolläufer für ca. 50 MW (Andritz Hydro, Österreich) Beispiel T1.1-2: Flusskraftwerks-Generator als Schenkelpolmaschine: Im Flusskraftwerk sind nur geringe Stauhöhen möglich. Daher ist der Wasserdruck in der Turbine niedrig, die Wasserturbinen drehen langsam, der Volumenstrom durch die Turbine ist wegen der Breite des Flusses i. A. aber hoch. Zum Einsatz kommen langsam drehende KAPLAN- und FRANCIS-Wasserturbinen mit Drehzahlen zwischen typisch 80 /min bis 400 /min. Um bei dieser niedrigen Drehzahl Spannungen mit 50 Hz in der Ständerwicklung

Page 109: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.4 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

der Kraftwerksgeneratoren zu induzieren, müssen diese hochpolig sein, z. B.: fs = 50 Hz, n = 300 /min = 5/s, Polzahl 2p = 2(fs/n) =2(50/5) = 20. Beispiel T1.1-3: Synchron-Generator im Speicherkraftwerk: In Speicherkraftwerken herrscht auf Grund der großen Stauhöhe des Wassers ein hoher Gefälledruck in der Turbine, so dass diese rasch dreht. Dafür ist der Volumenstrom in der Turbine eher klein. Zum Einsatz kommen schnell drehende PELTON-Wasserturbinen mit Drehzahlen zwischen typisch 500 /min bis 1000 /min. Dazu passende Schenkelpol-Generatoren sind eher niederpolig (Bild T1.1-4b), z. B. für fs = 60 Hz (USA, Japan, …), n = 900/min = 15/s, Polzahl 2p = 2.fs/n =2.60/15 = 8.

a) b)

Bild T1.1-4: a) Schenkelpol-Synchronmaschinen als umrichtergespeiste Propeller-Direktantriebe für das Kreuzfahrtschiff „MS Elation“, 2x14 MW, 0 … 150 /min (ABB Finnland), b) Einbau des 10-poligen 60 MVA-Schenkelpolläufers im Speicherkraftwerk Kaprun, Österreich (Andritz Hydro)

a) b)

Bild T1.1-5: Umrichtergespeiste Schenkelpol-Synchronlinearmaschine als Antrieb der Magnetschwebebahn TRANSRAPID: a) Prinzipdarstellung des Linearantriebsmotors als gedankliche Abwicklung der Drehfeldwicklung einer rotierenden Maschine als Primärteil, das fest in die Fahrbahn integriert ist. Das Sekundärteil (Gleichstrompole) ist ausgeschwenkt dargestellt. b) Sekundärteil: Die Gleichstrompole des Linearmotors sind gleichzeitig die Tragmagnete für das magnetische Schweben. Zusätzlich werden seitliche Führungsmagnete für die Spurhaltung benötigt (Thyssen Krupp, Deutschland)

Page 110: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.5 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

Beispiel T1.1-4: Umrichtergespeister Synchron-Linearmotor mit Langstator als Wanderfeldwicklung in der Fahrbahn für Magnetschwebebahn Transrapid (Bild T1.1-5): Die drei Wicklungsstränge U, V, W der Wanderfeldwicklung sind als Aluminium-Kabel mit einer Windung pro Polpaar und Strang in die Fahrbahn zu beiden Seiten des Fahrzeugs in Blechpaketen (Eisenbreite 185 mm) mit offenen Nuten verlegt. Dieser Linear-SYNCHRON-Motor hat eine Polteilung von 258 mm. Etwa 180 Pole passen unter ein Fahrzeug von 46 m Länge. Eine Baueinheit umfasst vier Pole mit einer Gesamtlänge von 4 x 258 = 1032 mm. Zur halbautomatisierten Verlegung der Wicklung entlang der Strecke sind 24 Einheiten zu einer Sektion mit 24 768 m zusammengefasst. Mehrere Sektionen ergeben einen Speiseabschnitt für den Umrichter, welche bei der Schwebebahn in Shanghai, China Längen zwischen 0.9 ... 5.0 km aufweisen. Die Tragmagnete (Bild T1.1-5b) ziehen von unten bei einem Luftspalt von ca. 10 ...13 mm (geregelt über If) das Fahrzeug an den Stator des SYNCHRON-Linearmotors, der in der Trasse liegt. Dadurch erhält das Fahrzeug OBERHALB der Trasse eine Bodenfreiheit von 150 mm. T1.2 Ersatzschaltbild und Zeigerdiagramm der Synchronmaschine a) Polradspannung Wird in Bild T1.1-2 eine geschlossene B-Feldlinie als Kurve C für die Anwendung des Durchflutungssatzes verwendet, die die Erregerdurchflutung 2Nf,PolIf zweier benachbarter Pole umschlingt, so ergibt dies bei Vernachlässigung der geringen magnetischen Feldstärke im Eisen HFe ≈ 0 und Berücksichtigung des minimalen Luftspalts in Polmitte δmin die maximale Luftspaltfeldstärke und Luftspaltflussdichte in Polmitte Hδ,p und Bδ,p.

⋅=≈⋅C

INHsdH fPolf,minpδ, 22 δ minfPolf,0pδ, /δμ INB = (T1.2-1)

Der Läuferfluss pro Pol Φp wird analog zur Gleichstrommaschine aus der Flussdichteverteilung pro Pol im Luftspalt Bδ,p(x) gemäß (T1.2-2) berechnet. Da die Schenkelpole sehr ähnlich geformt sind wie die Gleichstrommaschinen-Erregerpole, ist auch die Luftspaltdichteverteilung Bδ,p(x) sehr ähnlich, so dass eine ideelle Polbedeckung αe definiert werden kann. Mit der Polteilung τp, der axiale Maschinenlänge l und der maximale Läuferfeld-Flussdichte Bδ,p in Polmitte erhalten wir

pδ,pe0

pδ,p

p

)( BldxxBl ⋅⋅⋅== ταΦτ

. (T1.2-2)

Das Läuferfeld wird gemäß Bδ,p(If) vom Läufer-Gleichstrom If erregt und ist mit den Spulen der Ständerwicklung verkettet: Ψp = NsΦp. Das mit der Drehzahl nsyn rotierende Polrad bewirkt eine annähernd sinusförmige zeitliche Änderung dieser Flussverkettung

)2sin()()( spspsp tfNtNt ⋅⋅⋅== πΦΦΨ mit der Frequenz )2/(ssyns πω=⋅= pnf . Es wird

daher in der Ständerwicklung je Strang die Spannung („Polradspannung“) Up mit dieser Frequenz als „innere“ Quellenspannung der Statorwicklung je Strang induziert. Bei Änderung des Feldstroms If ändert sich auch diese Polradspannung Up.

2/pssp Φω NjU ⋅= (T1.2-3)

Page 111: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.6 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

Beispiel T1.2-1: Spannungsinduktion je Strang bei der Ständerwicklung von Bild T1.1-1: qs = 1: Windungszahl je Strang Ns = Spulenwindungszahl Nc, da nur eine Spule je Strang vorhanden ist. Verkettung des Läuferflusses mit Spule U: )2sin()( spsUp, tfΦNtΨ ⋅⋅⋅⋅= π . Die

Verkettungen mit Strang V und W sind wegen der räumlich versetzten Anordnung um 2τp/3 und 4τp/3 um 120° bzw. 240° phasenverschoben:

)3/22sin()( spsVp, ππ −⋅⋅⋅⋅= tfΦNtΨ , )3/42sin()( spsWp, ππ −⋅⋅⋅⋅= tfΦNtΨ .

Die induzierte Spannung je Strang bei offener Ständerwicklung und rotierendem Läufer (Leerlauf) ist die Polradspannung; z. B. im Strang U:

)cos(2)cos(/)()( spspssUp,Ui, tUtΦNdttdΨtu ⋅⋅⋅−=⋅⋅⋅⋅−=−= ωωω .

Fazit: Das rotierende magnetisierte Polrad induziert in der Ständerwicklung das Drehspannungssystem der Polradspannung mit den jeweils um 120° phasenversetzten

Polrad-Strangspannungen mit dem Effektivwert 2/pssp Φω NU ⋅= .

b) Ständerspannungsgleichung Die Ständerwicklung wird entweder in Stern oder Dreieck geschaltet, wobei bei Generatoren die Sternschaltung bevorzugt wird, denn es kann dann kein Nullstromsystem fließen. Die Ständerwicklung wird an das Drehstromsystem des Netzes mit der Netzspannung Us je Strang (bei fs = fNetz) angeschlossen. Die Differenz Up – Us treibt in der Ständerwicklung den Ständerstrom je Strang Is. Dieses Ständer-Drehstromsystem erregt (wie in der Asynchronmaschine) seinerseits ein Drehfeld Bδ,s, das wegen fs = p.nsyn gleich schnell wie Bδ,p rotiert. Beide Drehfelder überlagern sich zum resultierenden Drehfeld Bδ mit der Amplitude Bδ,1 (Index 1: FOURIER-Grundwelle der Feldverteilung). Das Drehfeld Bδ,s induziert den Läufer nicht, da dieser synchron mit dem Drehfeld dreht und daher keine Flussänderung erfährt. Es induziert aber in die Ständerwicklung durch Selbstinduktion über die Hauptinduktivität Lh wie bei der Asynchronmaschine die Spannung jωsLhIs. Die unvermeidlichen Streuflüsse z. B. in den Ständernuten tragen über die Streuinduktivität Lsσ ebenfalls zur Selbstinduktionsspannung bei. Damit ergibt sich mit Berücksichtigung des OHM´schen Spannungsfalls die Spannungsgleichung je Ständerstrang (T1.2-4).

pshssσsss )( UILjLjRU +⋅++= ωω (T1.2-4)

Die Polradspannung Up kann als über If steuerbare Quellenspannung aufgefasst werden. Die resultierende Reaktanz je Strang (T1.2-5) heißt „synchrone Reaktanz“ Xd und kann gemeinsam mit Rs als „Innenwiderstand“ des als Spannungsquelle wirkenden Synchrongenerators angesehen werden. Das Ersatzschaltbild je Strang ist in Bild T1.2-1 mit positiven Richtungspfeilen für das Verbraucher-Zählpfeilsystem dargestellt.

sσshssσhd LLXXX ωω +=+= (T1.2-5)

Das zugehörige Zeigerdiagramm in Bild T1.2-2 hat zu einem gegebenem Zeigerpaar Is und Us (mit dem dazwischen liegenden Phasenwinkel ϕ) im rechten Winkel zu Is den Spannungsfall an der Streureaktanz jXsσIs und parallel zu Is den OHM´schen Spannungsfall. Die Summe aus Up und jXhIs stellt die induzierende Wirkung des resultierenden Luftspalt-

Page 112: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.7 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

Drehfelds Bδ in der Ständerwicklung dar (Gegeninduktion von Bδ,p und Selbstinduktion von Bδ,s) und ist folglich – analog zur Asynchronmaschine – die Hauptfeldspannung Uh .

2/hssh Φ⋅= NjU ω , 1δ,peh Bl ⋅⋅⋅=Φ τα πα /2e = (T1.2-6)

Aus dem Zeigerdiagramm ist ersichtlich, dass über die Größe und Lage von Up (über verändertes If) bei konstanter Spannung Us die Lage von jXhIs und damit von Is verändert werden kann. Im Bild T1.2-2 ist Is zur Spannung Us voreilend; die Maschine verhält sich demnach kapazitiv, obwohl nirgends Kapazitäten vorhanden sein („übererregter Betrieb“). Dabei ist Up deutlich größer als Us, was einen hohen Erregerstrom If bedingt. Fazit: Die Synchronmaschine wirkt im übererregten Zustand als kapazitiver Verbraucher, obwohl sie nur aus OHM´sch-induktiven Komponenten besteht.

Bild T1.2-1: Ersatzschaltbild der Synchron- Bild T1.2-2: Zeigerdiagramm je Strang der Synchron- Vollpolmaschine je Strang Vollpolmaschine im Verbraucher-Zählpfeilsystem: Übererregt (kapazitiv), Generatorbetrieb c) Generator- und Motorbetrieb – Bedeutung des Polradwinkels Der Winkel zwischen Up und Us heißt Polradwinkel ϑ und wird im mathematisch positiven Sinn von Us nach Up positiv gezählt. Er ist in Bild T1.2-2 positiv; das ist Generatorbetrieb. Der Winkel ϕ ist negativ, aber dem Betrag nach größer als 90°. Dies ergibt gemäß (T1.2.1-1) eine negative elektrische Wirkleistung Pe, somit im Verbraucher-Zählpfeil-System eine erzeugte Leistung, was den Generatorbetrieb bestätigt.

0cos3 sse <⋅⋅⋅= ϕIUP , wenn °> 90ϕ (T1.2.1-1)

Generatorbetrieb: Der im Generatorbetrieb positive Winkel ϑ entsteht, indem das Polrad mit dem Polradfluss Φp durch Antreiben räumlich dem resultierenden Drehfeld mit dem Hauptfluss Φh vorauseilt. Es induziert die Ständerwicklung mit einer voreilenden Phasenlage. Das negative elektro-magnetische Drehmoment Me versucht, das Polrad abzubremsen und damit ϑ zu verkleinern. Bei vernachlässigtem Widerstand Rs ≈ 0 tritt bei ϑ = 0 kein Drehmoment auf: Me = 0.

Page 113: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.8 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

Motorbetrieb: Im Motorbetrieb eilt Up der Spannung Us um den Winkel ϑ nach (Bild T1.3-3). Der Polradwinkel ist negativ. Das Drehfeld, erregt durch die aus dem Netz gespeisten Ständerströme, zieht das Polrad mit sich und treibt so den Läufer an. Das elektromagnetische Drehmoment Me ist positiv und kann eine gekuppelte Arbeitsmaschine antreiben. T1.3 Drehmoment, Wirk- und Blindleistung der Synchronmaschine Aus dem Zeigerdiagramm Bild T1.2-2 wird bei Vernachlässigung von Rs das Diagramm in Bild T1.3-1, aus dem die Leistung der Synchronmaschine berechnet wird, ohne magnetische Kräfte betrachten zu müssen. Gemäß Bild T1.3-1 ergibt sich über die geometrische Beziehung (T1.3-1) die elektrische Wirkleistung P in Abhängigkeit von ϑ (T1.3-2).

ϕπϕϑ cos)2

sin(sin sdsdp IXIXU −=−= (T1.3-1)

ϑϑ

ϕ sin3sin

3cos3d

ps

d

pssse X

UU

X

UUIUP −=

−⋅== (T1.3-2)

Da die Maschine verlustlos betrachtet wurde (Rs = 0), müssen elektrische und mechanische Leistung gleich groß sein: me PP = .

ϑϕ sin3cos3d

psesynmsse X

UUMPIUP −=Ω=== → ϑsin3

dsyn

pse X

UUM

Ω−= (T1.3-3)

Bild T1.3-1: Zeigerdiagramm der Synchron- Bild T1.3-2: Elektromagnetisches Drehmoment der Synchron-Vollpolmaschine bei vernachläs- maschine gemäß (T1.3-3) bei Betrieb am „starren“ Netz sigtem Ständerwiderstand (Rs = 0) für gene- (Us = konst.) und konstanter Erregung (Up = konst.) in ratorischen Betrieb Abhängigkeit der Belastung (= des Polradwinkels ϑ) Die Merkformel (T1.3-3) für das elektromagnetische Drehmoment der Vollpolmaschine, darge-stellt in Bild T1.3-2, zeigt, dass bei einem Polradwinkel von ±90° das Drehmoment maximal wird und dann wieder abnimmt. Stabil arbeitet die Maschine nur innerhalb des Winkelbereichs -90° < ϑ < 90°. Wird das „synchrone Kippmoment“ Mp0 (T1.3-4) überschritten, „kippt“ der Läufer aus dem Synchronlauf und rotiert asynchron. Das Kippmoment kann durch Erhöhung der Polradspannung (= Erhöhung des Feldstroms) erhöht werden.

Page 114: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.9 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

dsyn

ps0p 3

X

UUM

Ω= (T1.3-4)

Bild T1.3-3: Betriebszustände der Vollpolsynchronmaschine im VZS [Kle] - Generator bzw. Motor: Wirkleistung negativ bzw. positiv - Maschine übererregt: Maschine ist kapazitiver Verbraucher und kann damit andere induktive Verbraucher

mit Blindleistung „versorgen“. - Maschine untererregt: Maschine ist induktiver Verbraucher und kann damit andere kapazitive Verbraucher

mit Blindleistung „versorgen“. Über- und untererregter Betrieb: Die Blindleistung Q (T1.3-5) ist in Bild T1.2-2 negativ, die Maschine mithin ein kapazitiver Verbraucher. So werden viele Generatoren übererregt betrieben, weil viele Netzverbraucher induktiv sind (z.B. Drosseln, Asynchronmotoren, ...) und daher für den ausgeglichenen Blindleistungshaushalt des Netzes kapazitive Verbraucher zur Kompensation der induktiven Blindleistung benötigt werden. Der übererregte Betrieb ist durch eine große Polradspannung und damit einen hohen Erregerstrombedarf If gekennzeichnet. Bei Verringerung von Up wird der Leistungsfaktor positiv, der Strom Is eilt Us nach (Bild T1.3-3), und die Maschine wird ein induktiver Verbraucher (untererregter Betrieb, niedriger Erregerstrom If). In Bild T1.3-3 und Tabelle T1.3-1 sind die vier wesentlichen

Page 115: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.10 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

Betriebszustände „Generator/Motor“, „über-/untererregt“ im Verbraucher-Zählpfeil-System dargestellt.

ϕsin3 ssIUQ = (T1.3-5)

Fazit: Die Synchronmaschine hat den großen Vorteil, dass über die Erregung If die Blindleistung Q induktiv oder kapazitiv eingestellt werden kann, was sie zum idealen Kraftwerksgenerator macht, der den jeweiligen Netzerfordernissen gemäß betrieben werden kann. Tabelle T1.3-1: Die vier wesentlichen Betriebszustände der Synchronmaschine

Blindleistung: INDUKTIV KAPAZITIV KAPAZITIV INDUKTIV

Erregerstrom If klein Erregerstrom If groß Erregerstrom If groß Erregerstrom If klein Polradspannung Up

klein Polradspannung Up

groß Polradspannung Up

groß Polradspannung Up

klein Untererregung Übererregung Übererregung Untererregung Is eilt Us nach Is eilt Us vor Is eilt Us vor Is eilt Us nach

Phasenwinkel ϕ > 0 Phasenwinkel ϕ < 0 Phasenwinkel ϕ < 0 Phasenwinkel ϕ > 0 Wirkleistung:

GENERATOR GENERATOR MOTOR MOTOR Polradwinkel ϑ > 0 Polradwinkel ϑ > 0 Polradwinkel ϑ < 0 Polradwinkel ϑ < 0

Up eilt Us vor Up eilt Us vor Up eilt Us nach Up eilt Us nach Phasenwinkel ϕ >π/2 Phasenwinkel ϕ >π/2 Phasenwinkel ϕ ≤π/2 Phasenwinkel ϕ ≤π/2

a) b)

Bild T1.3-4: Schenkelpol-Synchronmaschinen-Rotoren: a) 10-poliger Motorläufer, durchgehende Dämpferringe (Siemens AG), b) 14-poliger Generatorläufer, Dämpferstäbe in den Polschuhen erkennbar (Lloyd Dynamowerk) T2. Drehstromtechnik Die Synchronmaschine als elektrischer Energiewandler (Bild T2-1) besteht z. B. aus einem mit Permanentmagneten bestückten Läufer, der ein zweipoliges Magnetfeld erzeugt. Dieses rotiert, wenn der Läufer von einer mit ihm gekuppelten Turbine angetrieben wird. Drei Ständerspulen (Ständer-Wicklungsstränge) sind über Eisenkerne gewickelt und am Umfang jeweils räumlich um 120° versetzt angeordnet. Die Endklemmen der drei Stränge X, Y, Z (Bild T2-2a) sind im Sternpunkt N zusammen geschaltet. Die drei Anfangsklemmen U, V, W

Page 116: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.11 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

sind mit je einer Phase einer Fernleitung verbunden. Die Turbine rotiert mit der Drehzahl n, so dass die drei Ständerstränge eine Änderung der Flussverkettung Ψ(t) mit der Frequenz f = n bzw. der elektrischen Kreisfrequenz fπω 2= erfahren. Synchronmaschinen sind so gebaut, dass die zeitliche Änderung der Flussverkettung hochgradig sinusförmig ist. Wegen des räumlichen Versatzes der Stränge zueinander sind die Flussverkettungen (T2-1) um ein Drittel der Schwingungsperiode phasenverschoben ("elektrischer Winkel" 2π/3 = 120°el).

Bild T2-1: Zweipoliger Synchrongenerator (schematisch), in Stern geschaltete Wicklungsstränge U, V, W; Freileitung; dreiphasig-OHM´scher, symmetrischer Verbraucher R. Mit dem Induktionsgesetz wird die induzierte Spannung je Strang berechnet (T2-2), die im Leerlauf (Stromfluss Null, z. B. bei aufgetrennter Fernleitung) an den Klemmen U-N, V-N, W-N als Strangspannung messbar ist. In Bild T2-2b sind die zeitlichen Verläufe der drei Strangspannungen uU , uV, uW dargestellt.

Bild T2-2: Drehstromsystem: a) die drei Wicklungen des Drehstromgenerators, b) zeitlicher Verlauf der drei Strangspannungen (T2-2), c) zugehörige komplexe Ersatzdarstellung (T2-3).

)sin(ˆ)( ttU ⋅⋅−= ωΨΨ

)3/2sin(ˆ)( πωΨΨ −⋅⋅−= ttV (T2-1)

)3/4sin(ˆ)( πωΨΨ −⋅⋅−= ttW

Page 117: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.12 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

)cos(ˆ)()(, t

dt

tdtu U

Ui ⋅⋅=−= ωΨωΨ )cos(ˆ)()( , tUtutu UiU ⋅⋅== ω

)3/2cos(ˆ)(, πωΨω −⋅⋅= ttu Vi )3/2cos(ˆ)( πω −⋅⋅= tUtuV (T2-2)

)3/4cos(ˆ)(, πωΨω −⋅⋅= ttu Wi )3/4cos(ˆ)( πω −⋅⋅= tUtuW Bei zeitlich sinusförmiger Änderung von Strömen, Spannungen, Flüssen etc. ("Wechsel-stromrechnung") kann die komplexe Rechnung mit Vorteil verwendet werden. Die Länge des komplexen Zeigers U gibt den Effektivwert der Spannung U an. Die Lage des Zeigers zur Realteil-Achse in der komplexen Zahlenebene stellt den Phasenwinkel ϕ dar. Den "echten"

Zeitverlauf der Wechselspannung u(t) erhält man aus U, indem man mit tje ω⋅2 multipliziert und davon den Realteil bildet.

ϕjeUU ⋅= (T2-3)

{ } { } )cos(22Re2Re)( ϕωωϕω +⋅⋅=⋅⋅⋅=⋅⋅= tUeeUeUtu tjjtj (T2-4)

In Bild T2-2c sind die komplexen Zeiger UU, UV, UW, passend zum Zeitverlauf Bild T2-2b graphisch dargestellt ("Zeigerdreibein"). Diese drei Spannungen treiben bei symmetrischer (= in allen drei Strängen gleichartiger) Belastung drei Wechselströme, die ebenfalls um jeweils 120° el. zueinander phasenverschoben sind, das sogenannte Drehstromsystem. T2.1 Strangspannung und verkettete Spannung Die zwischen Anfangs- und Endklemme eines Stranges messbare Spannung heißt Strang-spannung (z.B. im Strang U zwischen Klemmen U und X die Spannung uU). Auf der Fernleitung in Bild T2-1 ist nur die zwischen den Klemmen U, V, W anliegende Spannung messbar, da der Sternpunkt nicht mit geführt ist. Diese Spannungen heißen verkettete Spannungen. So ist z. B. zwischen U und V die verkettete Spannung uUV messbar.

VUUVverk uuuu −== bzw. VUUVverk UUUU −== (T2.1-1)

a) b)

Bild T2.1-1: Verkettete Spannungen: a) Zeitlicher Verlauf, b) komplexes Zeigerdiagramm Im Zeigerbild Bild T2.1-1b kann diese Differenzbildung graphisch durch Anwendung der komplexen Rechnung vorgenommen werden. Die Amplitude der verketteten Spannung uUV ist um den Faktor 32/32)30cos(2 =⋅=°⋅ größer ist als die Amplituden der Strangspannungen. Es eilt uUV der Spannung uU um 30°el. vor (Bild T2.1-1a). Analoges gilt

Page 118: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.13 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

für uVW und uV bzw. uWU und uW. Bei der in den „Grundlagen der Elektrotechnik“ verwendeten üblichen Darstellung der Spannungs-Zählpfeile in einem Schaltbild gemäß Bild T2.1-2a weisen die verketteten Spannungen von U nach V, von V nach W und von W nach U. Die Strangspannungen zeigen von U nach X, von V nach Y und von W nach Z (Bild T2-2a). Im Beispiel der Sternschaltung (X = Y = Z = N) zeigen die Strangspannungen im Zeigerdiagramm zum Neutralpunkt N hin (Bild T2.1-2b). Die eingekreisten Potentiale der Klemmen U, V, W, N stimmen im Zeigerdiagramm mit den ihnen zugeordneten Klemmen im Schaltbild überein. Es ist allerdings in der Energietechnik unüblich, die Strangspannungszeiger im Zeigerdiagramm zur Mitte weisen zu lassen. Durch Parallelverschieben der Zeiger erhält man das Zeigerdiagramm Bild T2.1-2c aus Bild T2.1-2b, das ebenfalls richtig ist, wenn man die Potentiale der Klemmen nicht mehr mit einträgt. Die Kirchhoff´sche Maschenregel ergibt z. B. weiterhin richtig für Masche I: UVVU UUU =− . Nun zeigen die Strangsspannungszeiger

nach außen. Damit Strangspannungszeiger UU nach oben zeigt, wird das Zeigerdiagramm Bild T2.1-2c um 180° gedreht (Bild T2.1-2d), wobei die relative Phasenlage der Zeiger zueinander erhalten bleibt, und damit auch die Knoten- und Maschenbeziehungen wie z. B.

UVVU UUU =− . Dieses Drehen um 180° entspricht einem Umdrehen aller Spannungszeiger

im Bild 5.22a, wobei nun auch wieder die Klemmenpotentiale ins Zeigerdiagramm korrekt eingetragen werden können. Allerdings ist das Zählen der Strangspannung von N nach U bzw. V bzw. W unüblich. Deshalb wird häufig die Darstellung Bild T2.1-2a gemeinsam mit Bild T2.1-2d verwendet. Fazit: Die gemäß den üblichen Zählpfeilregeln eingetragenen Spannungszeiger (z. B. von U nach N oder von U nach V usw.) passen zur in der Energietechnik üblichen Darstellung des Zeigerdiagramms mit nach außen weisenden Strangspannungen, wenn auf das Eintragen der Klemmenpotentiale U, V, W, N im Zeigerdiagramm verzichtet wird. Es kommt nur auf die relative Phasenlage der Spannungszeiger zueinander an.

a) b)

c) d)

Bild T2.1-2: a) Spannungs-Zählpfeile bei einer dreisträngigen Sternschaltung, b) zugehöriges Spannungs-Zeigerdiagramm, zu b) äquivalentes Zeigerdiagramm durch Parallelverschieben und Neuanordnen der Zeiger, d) gegenüber c) um 180° gedrehtes Zeigerdiagramm

Page 119: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.14 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

T2.2 Leistung im Drehstromsystem Bei Einphasensystemen pulsiert die elektrische Momentanleistung p(t) mit doppelter Frequenz 2f. Jeder Strang des Drehstromsystems ist ein Einphasensystem. Allerdings kommt die Phasenverschiebung von jeweils 120° = 2π/3 zwischen den elektrischen Größen der drei Stränge hinzu.

[ ] )2sin()2cos(1)( ~~ tQtPtpU ωω ⋅++⋅=

[ ] )3/222sin()3/222cos(1)( ~~ πωπω ⋅−⋅+⋅−+⋅= tQtPtpV (T2.2-1)

[ ] )3/422sin()3/422cos(1)( ~~ πωπω ⋅−⋅+⋅−+⋅= tQtPtpW

Die Summe )()()()( tptptptp WVU ++= ergibt die gesamte von der Synchronmaschine

erzeugte Wirkleistung. Da die Summe 0)3/82cos()3/42cos()2cos( =−+−+ πωπωω ttt und auch die Summe 0)3/82sin()3/42sin()2sin( =−+−+ πωπωω ttt jeweils Null ist, folgt eine zeitlich konstante Summenleistung für das resultierende Drehstromsystem.

~3cos3)( PPIUtp ==⋅⋅⋅= ϕ (T2.2-2) Es sind U und I die Effektivwerte von Strangspannung und Strangstrom. Die Scheinleistung S (T2.2-3) gibt die Strom- und Spannungsbelastung des Energiewandlers an. Sie kann auch

mit der verketteten Spannung UU ⋅= 3verk (T2.2-4) ausgedrückt werden.

IUSS ⋅⋅== 33 ~ (T2.2-3)

IUIUS ⋅⋅=⋅⋅= verk33 ("Faktor 3 ") (T2.2-4)

Daraus folgen der Leistungsfaktor cosϕ und die Blindleistung Q im Drehstromsystem.

λϕ == SP /cos (T2.2-5)

ϕsin322 ⋅⋅⋅=−= IUPSQ (T2.2-6)

a) b) c) d)

Bild T2.2-1: Vier unterschiedliche Zustände im Einphasen-Wechselstromsystem bzw. im Drehstromsystem je Strang a) bis d) entsprechend den Eigenschaften in Tabelle T2.2-1.

Page 120: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.15 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

Der Phasenwinkel ϕ wird VOM Strom ZUR Spannung positiv im mathematisch positiven Drehsinn gezählt (Rechts- bzw. Gegen-Uhrzeiger-Drehsinn, Bild T2.2-1). Tabelle T2.2-1: Die vier grundsätzlichen Varianten in Wechselstrom- und Drehstromsystemen hinsichtlich der Vorzeichen von elektrischer Wirk- und Blindleistung im Verbraucher-Zählpfeilsystem

Bild T2.2-1a) Bild T2.2-1b) Bild T2.2-1c) Bild T2.2-1d) I eilt U vor I eilt U vor I eilt U nach I eilt U nach

System kapazitiv System kapazitiv System induktiv System induktiv Q < 0 Q < 0 Q > 0 Q > 0

Erzeuger Verbraucher Verbraucher Erzeuger P < 0 P > 0 P > 0 P < 0

T2.3 Unsymmetrische Drehstromsysteme a) Unsymmetrie und Nullsystem: Ein unsymmetrisches sinusförmiges Dreiphasensystem zeichnet sich aus durch

- zwar dieselbe Frequenz und Sinus-FORM der Signale je Strang, - aber unterschiedliche Amplituden in den drei Strängen - und/oder von 120° abweichenden Phasenwinkeln zwischen den Strängen.

Ein unsymmetrisches System entsteht meist dadurch, dass zwar vom Netz (Generator) symmetrische verkettete Spannungen eingeprägt werden (gleiche Amplituden der Spannungen zwischen den drei Strängen, 120° Phasenverschiebung zueinander), dass aber die Lastimpedanzen in den drei Strängen unterschiedlich groß sind. Es sind also i. A. die drei Verbraucher (Lastimpedanzen) nicht gleich („unsymmetrisch“), während die verketteten Spannungen aus dem speisenden Netz in der Regel einen symmetrischen Spannungsstern bilden. Sind nur die drei Außenleiter U, V, W mit den symmetrischen verketteten Spannungen uUV(t), uVW(t), uWU(t) vorhanden, so kann nur die zwischen ihnen abzugreifende Spannung

)()()( VUUV tututu −= , )()()( WVVW tututu −= , )()()( UWWU tututu −=

genutzt werden. Diese drei "verketteten" Spannungen (Außenleiter-Spannungen) haben in Haushaltsnetzen den Effektivwert Uverk = 400 V bei 50 Hz Frequenz. Ist der Sternpunktsleiter (Neutralleiter) N ebenfalls vorhanden, so können zwischen U und N die Strangspannung uU, zwischen V und N die Strangspannung uV und zwischen W und N die Strangspannung uW, abgegriffen werden, wie das in Haushaltsnetzen der Fall ist. Von der speisenden Transformatorstation, die die Spannung von z. B. 20 kV auf 400 V herunter transformiert, wird der Neutralleiter auf der Transformator-Sekundärseite in die Haushalte mit verlegt. Der Effektivwert der Strangspannungen beträgt bei einem symmetrischen Strang-

Spannungsstern, also gleichartigen Verbrauchern in drei Strängen, 3/verkstrang UUU ==

( 2303/400 = V). Die genormte Bezeichnungsweise für U, V, W ist L1, L2, L3. Die ältere (und auch heute noch oft verwendete) Schreibweise für dreiphasige Generatorsysteme ist U, V, W und für dreiphasige Verbraucher R, S, T. Wegen der kürzeren Schreibweise wird in diesem Skript die Schreibweise U, V, W (Generatoren) und R, S, T (Verbraucher, Last) verwendet. Bei ungleichen („unsymmetrischen“) Verbrauchern weichen die Amplituden bzw.

Effektivwerte der Strangspannungen vom symmetrischen Wert 3/verkU ab; dann ist die

Summe der drei Strangspannungen i. A. nicht Null.

Page 121: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.16 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

a) b)

Bild T2.3-1: a) Unsymmetrisches Drehstromsystem (Stromsumme ist nicht Null), b) im Stromsystem a) „verborgenes“ Nullstromsystem Bei Sternschaltung ohne angeschlossenen Sternpunktsleiter (Neutralleiter N) ist allerdings die Stromsumme der drei Strangströme Null (KIRCHHOFF´sche Knotenregel am Sternpunkt). Bei angeschlossenem Sternpunkt oder bei Dreiecksschaltung ist die Stromsumme i. A. nicht Null (T2.3-1), Bild T2.3-1a. Das Stromsystem WVU III ,, lässt sich dann zerlegen in ein

Unter-System *** ,, WVU III , dessen Stromsumme Null ist ( 0*** =++ WVU III ), und ein

Nullstromsystem (Bild T2.3-1b). Dieses fließt in allen drei Strängen als gleichphasiger Nullstrom

3/)( WVU0 IIII ++= , (T2.3-1)

und es gilt: 0*UU III += , 0*VV III += , 0*WW III += . Bei angeschlossenem Sternpunkt

fließt im Neutralleiter daher der dreifache Nullstrom WVU03 IIII ++= . Bei

Dreiecksschaltung fließt der Nullstrom als Kreisstrom im Dreieck, tritt aber in den Netzzuleitungen als Anteil des Netzstroms wegen der Differenzbildung der Strangströme (z. B. *V*U0*V0*UVUUNetz, )( IIIIIIIII −=+−+=−= ).

Der Leistungsmittelwert im unsymmetrischen System ergibt sich aus der Summe der drei i. A. unterschiedlichen Leistungsmittelwerte pro Strang.

WWWVVVUUUWVU coscoscos ϕϕϕ IUIUIUPPPp ++=++= (T2.3-2)

Allerdings heben sich die drei Leistungswechselanteile der drei Stränge i. A. nicht auf. Es verbleibt eine pulsierende Wechselleistung, so dass die Gesamtleistung wie bei einem Einphasensystem mit doppelter Frequenz um den Mittelwert der Gesamtleistung im Drehstromsystem pulsiert. Leistungsmessungen im unsymmetrischen Drehstromsystem werden nun kurz erläutert. b) Drei-Wattmetermethode: Die Drei-Wattmeter-Methode zur Leistungsmessung wird vor allem bei Vierleitersystemen verwendet, also wo R, S, T und N vorhanden sind. Wenn der Sternpunktleiter nicht zugänglich ist, bildet man sich den symmetrischen Sternpunkt (des Generators bzw. des speisenden Transformators!) künstlich, indem man in die drei Spannungspfade je ein Wattmeter einschaltet und sie zu einem Sternpunkt zusammen schaltet (Bild T2.3-2). Die Summe aus Wattmeterwiderstand und eventuellem Vorwiderstand muss natürlich in allen drei Pfaden jeweils die gleiche sein. Da die drei Phasenleistungen pR, pS, pT getrennt gemessen werden, gibt die Summe der drei angezeigten Leistungswerte auch bei unsymmetrischer Last (bei Vierleitersystem also auch bei stromführendem Neutralleiter) die richtige Gesamtleistung.

Page 122: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.17 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

)()()()()()()()()()( TTSSRRTSR titutitutitutptptptp ⋅+⋅+⋅=++= (T2.3-3)

TSR PPPP ++= (T2.3-4)

Bild T2.3-2: Drei-Wattmeterschaltung im Vierleiter-System R, S, T, N bzw. R, S, T und künstlichem Sternpunkt c) Zwei-Wattmetermethode (ARON-Schaltung): Bei einem Dreiphasensystem ohne Sternpunktleiter kann man mit zwei Wattmetern auskommen. Die Zwei-Wattmetermethode gibt auch bei unsymmetrischer Last die richtige Gesamtleistung des Systems an (Bild T2.3-3). An zwei Außenleitern werden die Strompfade eingeschaltet, die Spannungspfade werden von diesen beiden Außenleitern in gleicher Weise zum dritten Außenleiter geschaltet, also nicht zyklisch vertauscht! Die von den beiden Wattmetern angezeigten Leistungswerte geben addiert die richtige Gesamtleistung des verketteten Dreiphasensystems an. Die Anzeigewerte sind dabei mit ihren richtigen Vorzeichen in die Summe einzusetzen; das heißt, zeigt ein Wattmeter negativ an, so ist der Leistungswert negativ zu zählen: STRT PPP += . Dass die Schaltung korrekte

Leistungswerte ermittelt, ersieht man wie folgt.

Bild T2.3-3: Zwei-Wattmeterschaltung im Dreileiter-System R, S, T (auch bei unsymmetrischer Last verwendbar) Die Momentanwerte der Leistungen in den beiden Wattmetern sind

)()()()()()()( STSRTRSTRT tutitutitptptp +=+= . (T2.3-5)

Wegen TRTRRT uuuu −=−= , TSST uuu −= folgt aus (T2.3-5):

TSRSSRRTSSTRR )()()( uiiuiuiuuiuuip −−++=−+−= . Da kein Neutralleiter vorhanden

sein darf, muss zwangsläufig iR + iS + iT = 0 bzw. –iR - iS = iT sein, so dass weiterhin (T2.3-6) und damit wieder (T2.3-3) als korrekte Gesamtleistung folgt.

TTSSRRTSRSSRRSTRT )( uiuiuiuiiuiuippp ++=−−++=+= (T2.3-6)

Die Wattmeter bilden nun die arithmetischen Mittelwerte von (T2.3-6).

Page 123: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.18 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

TSRTTTTSSSSRRRR

STSSTSRTRRTRSTRT

),cos(),cos(),cos(

),cos(),cos(

PPPUIUIUIUIUIUI

UIUIUIUIPPP

++=++==+=+=

(T2.3-7)

Fazit: Die Summe der beiden in den Wattmetern zur Messung gelangenden Momentan-leistungswerte ist gleich der Summe der drei Phasen-Momentanleistungen. Allein für sich hat jede einzelne Teilleistung keine besondere physikalische Bedeutung.

d) Zeigerdiagramm unsymmetrischer und symmetrischer Schaltungen Mit Verwendung der beiden von den Wattmetern angegebenen Messwerte (Zwei-Wattmetermethode), den Messwerten der 3 Strangströme (Phasenströme) und den drei gemessenen Strangspannungen (Phasenspannungen) kann man das Zeigerdiagramm einer unsymmetrischen Sternschaltung (drei unsymmetrische Verbraucherimpedanzen, siehe Bild T2.3-4) in einfacher Weise zeichnen: 1) Man zeichnet zuerst das (gleichseitige) Dreieck der symmetrisch eingeprägten verketteten

Spannungen. 2) Von den Eckpunkten aus schlägt man mit dem Zirkel die drei ungleichen Phasen-

spannungen ab und erhält so den unsymmetrischen Sternpunkt der Belastungsseite. 3a) Die drei Außenleiterströme (= Phasenströme) werden ihrem Betrag nach mit Ampere-

Metern gemessen. Ihre Phasenlage ergibt sich in folgender Weise aus den Watt-meteranzeigen: Wattmeter 1 misst P1 = PRT = IRURT ⋅cos (IR,URT), so dass man den Phasen-verschiebungswinkel zwischen IR und URT gemäß

RTR

RTRTR ),cos(

UI

PUI = (T2.3-8)

berechnen kann. 3b) Einfacher ist es, aus der Anzeige des Wattmeters PRT durch Division

),cos( RTRRRT

RTRw UII

U

PI == (T2.3-9)

die Größe IRw , also die mit URT in Phase liegende Komponente von IR, auszurechnen. 4) Ermittlung von IR: Man errichtet im Zeigerdiagramm die Normale vom Zeiger URT durch den Sternpunkt und

trägt vom Schnittpunkt mit dem Zeiger URT bei positivem Wattmeterausschlag die Größe IRw in Richtung von URT, bei negativem Wattmeterausschlag in Gegenrichtung von URT auf. Im Endpunkt dieser Strecke errichtet man wieder die Normale zu URT und schlägt vom Sternpunkt aus die Größe IR ab. Man muss dabei denjenigen Schnittpunkt des Kreises mit der zuletzt gezeichneten Normalen suchen, der eine Lage des Stromzeigers IR in einem spitzen Winkel zur Phasenspannung ergibt, da es sich ja um die Phase eines Verbrauchers handelt ( 0),cos( RR >UI !).

5) In analoger Weise geht man beim Strom IS vor: Der Wattmeterausschlag des 2. Wattmeters liefert die Größe P2 = PST. Daraus erhält man die Größe

ST

STSTSSSw ),cos(

U

PUIII == , (T2.3-10)

die bei positivem Wattmeterausschlag in Richtung UST einzutragen ist. Mit Hilfe des mit dem Ampere-Meter gemessenen Betrages IS erhält man so die richtige Größe und Richtung des Zeigers von SI .

6) Die Bedingung 0TSR =++ III liefert schließlich den dritten Stromzeiger IT. Er sollte aus

dem Zeigerdiagramm in der richtigen, mit dem Amperemeter in der Phase T gemessenen Betrags-Größe folgen!

Page 124: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.19 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

a) b)

Bild T2.3-4: a) Unsymmetrische Sternschaltung (UR ≠ US ≠ UT), gespeist mit drei von außen eingeprägten symmetrischen verketteten Spannungen URS, UST, UTR, b) Konstruktion des Strom- und Spannungs-zeigerdiagramms bei unsymmetrischer Sternschaltung (UR ≠ US ≠ UT, IR ≠ IS ≠ IT) aus Messwerten. Strangströme und Strangspannungen sind unterschiedlich groß! Oft sind die dreiphasigen Verbraucher symmetrisch, d. h. in jedem Strang befindet sich die gleiche Impedanz. Dann ergeben sich folgende Verhältnisse bei der Zwei-Wattmeterschaltung. Es sind die drei gleichartigen Verbraucher z. B. in Stern geschaltet. Natürlich wäre auch Dreieckschaltung möglich. Die zwei Wattmeter sind mit den Strompfaden in Phase R und S geschaltet. Wegen des symmetrischen Verbrauchers sind die Strombeträge in allen drei Strängen gleich: IR = IS = IT = I. Das symmetrisch speisende Netz ergibt für alle drei verketteten Spannungen gleich große Beträge: verkTRSTRS UUUU === .

Die beiden Teilleistungen sind:

),cos(),cos( RTRverkRTRRTRRT1 UIUIUIUIPP ⋅⋅=== (T2.3-11)

),cos(),cos( STSverkSTSSTSST2 UIUIUIUIPP ⋅⋅=== (T2.3-12)

Wenn der jeweilige Phasenwinkel ),( RTR UI∠ bzw. ),( STS UI∠ gleich null, also der Cosinus

dieses Winkels gleich 1 ist, tritt der maximal mögliche Ausschlag auf:

maxverk1 PUIP =⋅= , maxverk2 PUIP =⋅= ,

so dass man auch ),cos( RTRmax1 UIPP ⋅= , ),cos( STSmax2 UIPP ⋅= schreiben kann.

Beispiel T2.3-1: Induktive symmetrische Last (Bild T2.3-5a) mit ϕ = ),( RR UI∠ = 60°, Bild T2.3-5b:

Gemäß Bild T2.3-5c ist der erste Phasenwinkel ),( RTR UI∠ = 30°, während der zweite

Winkel ),( STS UI∠ = 90° ist. Es gilt dann:

maxmax1 )2/3()30cos( PPP ⋅=°⋅= , 0)90cos(max2 =°⋅= PP .

Page 125: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.20 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

a) b)

c)

Bild T2.3-5: a) Je Strang: Ohm´sch-induktive Last mit ϕ = 60°, b) Zeigerdiagramm je Strang, c) Zeigerdiagramm bei dreiphasiger Sternschaltung (Anwendung der Zweiwattmeter-Methode) Es ist also Anzeige P1 positiv, die andere Anzeige P2 ist null. Die gesamte Drehstromleistung

ist dann IUPPP ⋅⋅=+= verk21 )2/3( in Übereinstimmung mit

2

13)60cos(3cos3 verkverkstrang ⋅⋅⋅=°⋅⋅⋅=⋅⋅⋅= IUIUIUP ϕ .

Beispiel T2.3-2: Rein induktive symmetrische Last (Bild 5.29a) mit ϕ = ),( RR UI∠ = 90° (Bild T2.3-6b):

a) b)

c)

Bild T2.3-6: a) Je Strang: Rein induktive Last mit ϕ = 90°, b) Zeigerdiagramm je Strang, c) Zeigerdiagramm bei dreiphasiger Sternschaltung (Anwendung der Zweiwattmeter-Methode)

Page 126: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.21 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

Gemäß Bild T2.3-6c ist der erste Phasenwinkel ),( RTR UI∠ = 60°, während der zweite

Winkel ),( STS UI∠ = 120° ist:

maxmax1 )2/1()60cos( PPP ⋅=°⋅= , maxmax2 )2/1()120cos( PPP ⋅−=°⋅= .

Beide Anzeigen P1 und P2 sind dem Betrag nach gleich groß, jedoch haben sie entgegen gesetzte Vorzeichen, so dass die Summe P gleich null ist. Es wird ja keine Wirkleistung verbraucht. Die gesamte Drehstromleistung ist dann

0)2/1()2/1( verkverk21 =⋅⋅−⋅⋅=+= IUIUPPP

in Übereinstimmung mit

003)90cos(3cos3 verkverkstrang =⋅⋅⋅=°⋅⋅⋅=⋅⋅⋅= IUIUIUP ϕ .

T3. Transformatoren Das Funktionsprinzip von Transformatoren ist: - Bei fester Frequenz werden die Spannungs- und Stromamplitude eines Primärsystems 1 (und

ggf. die Phasenlage) über ein Übersetzungsverhältnis in einem Sekundärsystem 2 verändert. - Die Wirkleistung bleibt (bis auf die Transformatorverluste) in beiden Systemen gleich. - Die Leistungsübertragung vom Primärsystem auf das Sekundärsystem erfolgt beim

Spartransformator (Bild T3.1-1a) ohne galvanische Trennung der Stromkreise des Primär- und Sekundärsystems, beim potentialtrennenden Transformator (Bild T3.1-1b) berührungslos (galvanisch trennend).

a) b)

Bild T3.1-1: Einphasentransformator: a) als Spartransformator, b) als galvanisch trennender Transformator Hier wird der galvanisch trennende Transformator behandelt, und zwar in der Form des Einphasen- und des Drehstrom-Transformators. a) Einphasen-Transformatoren werden in einphasigen Wechselstromsystemen eingesetzt, z.B. in elektrischen Lokomotiven zum „Abspannen“ der Fahrdrahtspannung. Bei der deutschen Bahn wird die Oberleitungsspannung (15 kV/16.7 Hz) auf die jeweilig erforderliche Sekundärspannung (z. B. 1000 V/16.7 Hz) für das elektrische Antriebssystem abgesenkt. In Computernetzteilen wird die Einphasenspannung aus der Netzsteckdose (in Deutschland: 230 V / 50 Hz) auf die für die Elektronik deutlich niedrigere Gleichspannung (z. B. 5 … 12 V) über einen Transformator mit nachgeschaltetem Gleichrichter verringert. b) Dreiphasen-Transformatoren (Drehstromtransformatoren) werden in Drehstrom-systemen verwendet: So wird in Kraftwerken die Generatorspannung (z. B. 20 kV, 50 Hz) über den Blocktransformator auf die deutlich höhere Spannung der Freileitung (z. B. 400 kV, 50 Hz) „hochgespannt“, da der Strom umgekehrt proportional sinkt (20/400 = 0.05) und damit nur geringe Querschnitte der Freileitungsseile nötig sind. In den Umspannwerken wird diese

Page 127: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.22 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

hohe Spannung auf die „Mittel“spannung *) (z. B. 20 kV) für die verzweigte Leistungsversorgung in Ballungsgebieten „abgespannt“. In den Ortsnetz-Stationen wird über Verteiltransformatoren die Spannung von 20 kV auf 400 V für den Haushalts- und Gewerbebereich verringert. *) Genormt sind nur Niederspannung (bis 1 kV) und Hochspannung (über 1 kV).

Bild T3.1-2: Einsatz von Drehstromtransformatoren: als Blocktransformator im Kraftwerk (links), im Umspannwerk (Mitte) und als Verteiltransformator (rechts) für sekundäre Niederspannung (Quelle: Siemens AG) a) Haupt- und Streufluss

a) b) Bild T3.1-1: Einphasentransformator - Prinzipdarstellung: a) Bezeichnung von Spannung und Strom an Primär- und Sekundärspule, b) Haupt- und Streufluss [14] In Bild T3.1-1a ist ein geschlossener Eisenkreis (Permeabilität μFe, Querschnitt A) mit zwei elektrisch getrennten Spulen 1 und 2, der Primär- und Sekundärspule mit den Windungs-zahlen N1, N2 dargestellt. Spule 1 ist stromdurchflossen mit dem zeitlich beliebig veränder-lichen Strom i1, während Spule 2 stromlos ist (offene Sekundärklemmen, i2 = 0). Mit dem Durchflutungssatz wird die magnetische Feldstärke HFe im Eisen berechnet. Als geschlossene Kurve C wird der Weg einer Feldlinie des Hauptflusses Φh im Eisen mit der Länge sFe verwendet (Bild T3.1-1b). Der zeitlich veränderliche HauptflussΦh ist auch mit Spule 2 verkettet und induziert dort eine Spannung.

)()( 11FeFe tiNstH ⋅=⋅ (T3.1-1)

)()(

)()()( 11hFe

11FeFeFeFeh tiNA

s

tiNAtHAtBt ⋅=⋅=⋅=⋅= ΛμμΦ (T3.1-2)

Die magnetische Kopplung von Spule 2 und 1 wird durch die Gegeninduktivität M21 ausgedrückt (Λ: „magnetischer Leitwert“).

h21Fe

Fe211h21h221 // ΛμΦΨ ⋅=⋅=⋅== NNs

ANNiNiM ,

FeFeh s

AμΛ = (T3.1-3)

Page 128: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.23 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

Die Selbstinduktivität des Hauptflusses L1h für Spule 1 beschreibt die Wirkung der Selbst-induktionsspannung in Spule 1 (2.4). Der Feldlinien des Streuflusses Φ1σ von Spule 1 (Bild T3.1-1b) sind nur mit Spule 1, nicht aber mit Spule 2 verkettet. Die Selbstinduktionswirkung des Streuflusses in Spule 1 beschreibt die Selbstinduktivität L1σ (T3.1-5).

h211h11h11h // ΛΦΨ ⋅=⋅== NiNiL (T3.1-4)

σ1211σ111σ1σ1 // ΛΦΨ ⋅=⋅== NiNiL (T3.1-5)

- resultierende Selbstinduktivität von Spule 1 und 2 (jeweils Haupt- und Streufluss):

)( h1σ211h11 ΛΛσ +⋅=+= NLLL , )( hσ2

222hσ22 ΛΛ +⋅=+= NLLL (T3.1-6)

- Gegeninduktivität zwischen Spule 1 und 2:

h212112 Λ== NNMM (T3.1-7) Beispiel T3.1-1: Induktivitäten eines Einphasentransformators: Flussquerschnittsfläche A = 6400 mm2, Feldlinienlänge sFe = 1320 mm, N1 / N2 = 100 / 10

hσ2σ10Fe 001.0,8000 ΛΛΛμμ === :

0487.032.1/1064001048000/ 67FeFeh =⋅⋅⋅⋅== −−πμΛ sA mVs/A,

0487.0σ2σ1 == ΛΛ μVs/A, 7.48100487.010100 3h21 =⋅⋅⋅=Λ= −NNM mH

9.487100487.0001.1100)( 32hσ1

211 =⋅⋅⋅=+⋅= −ΛΛNL mH, 879.42 =L mH

b) Spannungsinduktion Der von Spule 1 erregte Hauptfluss induziert in Spule 2 eine Spannung (Gegeninduktion, M), während in Spule 1 sowohl Haupt- als auch Streufluss eine Spannung induzieren (Selbst-induktion, L1h, L1σ). Wird an Spule 2 eine Last angeschlossen (z. B. ein OHM´scher Wider-stand), so fließt in Spule 2 ein Strom i2. Fazit: Es ist ohne elektrisch leitende Verbindung elektrische Leistung von Spule 1 nach Spule 2 übertragen worden. Wenn in beiden Spulen Strom fließt, wird der Hauptfluss von beiden Strömen i1 und i2 gemeinsam erregt und induziert in beiden Spulen eine Spannung, die je Spule aus einer Selbst- und Gegeninduktionsspannung besteht. Diese Spannung als „innere“ Quellenspannung und der OHM´sche Spannungsfall stellen die gesamte, an den Klemmen messbare Spulenspannung u1 bzw. u2 dar.

dt

diM

dt

diLiRu 2

121

1111 ++= dt

diM

dt

diLiRu 1

212

2222 ++= (T3.1-8)

c) Übersetzungsverhältnis ü Die Spannungen und Ströme in Primär- und Sekundärspule können deutlich unterschiedlich sein. Dies wird durch die Wahl des Übersetzungsverhältnisses festgelegt.

Page 129: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.24 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

2

1

N

Nü = (T3.1-9)

Aus (T3.1-6) und (T3.1-7) folgt mit (T3.1-9), dass bei Einführung von ü in die Gleichungen (T3.1-8) nur noch eine Hauptinduktivität Lh sowohl die Selbst- als auch die Gegeninduktivitätswirkung des Hauptflusses beschreibt.

22 uüu ⋅=′ , üii /22 =′ , 22

2 RüR ⋅=′ , 22

2 LüL ⋅=′ , 12MüM ⋅=′ (T3.1-10)

hh1h21h21

2

1 LLNNNN

NM ===⋅=′ ΛΛ , hh1h

21h

22

2

2

1h2 LLNN

N

NL ===⋅

=′ ΛΛ (T3.1-11)

Damit vereinfachen sich die Spannungsgleichungen (T3.1-8):

dt

üidüM

dt

diLiRu

)/( 212

11111 ⋅⋅++= ,

dt

diüM

dt

üidüL

ü

iüRüu 1

2122

222

22)/(

⋅+⋅+⋅=⋅

dt

idL

dt

diLiRu 2

h1

1111′

++= , dt

diL

dt

idLiRu 1

h2

2222 +′′+′′=′ (T3.1-12)

d) Ersatzschaltbild Mit der Auftrennung h1σ1 LLL += , hσ2h22σ2 LLLLL +′=′+′=′ folgt aus (T3.1-12):

dt

iidL

dt

diLiRu

)( 21h

1σ1111

′+++= , dt

iidL

dt

idLiRu

)( 21h

2σ2222

′++′′+′′=′ . (T3.1-13)

Es kann damit ein (fiktiver) „gemeinsamer“ Magnetisierungsstrom im definiert werden, der den Hauptfluss erregt.

21m iii ′+= (T3.1-14)

)()()( 2211h12

1h2121hh1h1 iNiNN

ü

iiNiiLN +=+=′+== ΛΛΦΨ

mh2211hh )( ΘΛΛΦ ⋅=+= iNiN (T3.1-15)

Dies entspricht dem Ergebnis des Durchflutungssatzes (T3.1-2), wenn Spule 1 und 2 gemeinsam den Hauptfluss erregen. Die Spannungsgleichungen (T3.1-13) werden in dem „T-Ersatzschaltbild“ des Einphasentransformators abgebildet.

Bild T3.1-2: T-Ersatzschaltbild des Einphasentransformators (ohne Ummagnetisierungsverluste) [Kle]

Page 130: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.25 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

e) Leerlaufender und belasteter Transformator: Beim leerlaufenden Transformator (Index 0) liegt die Primärwicklung (Windungszahl N1) an der Spannung u10(t), aber die Sekundärwicklung (Windungszahl N2) hat offene Klemmen; es ist also sekundär kein Verbraucher angeschlossen (Bild T3.1-3a); der Sekundärstrom ist Null i20 = 0. Da die Primärwicklung an zeitlich veränderlicher Spannung liegt, erregt der durch sie getriebene Primärstrom i10(t) über die Primärwicklung einen zeitlich veränderlichen Fluss, der eine Selbstinduktionsspannung in der Primärwicklung und eine Gegeninduktionsspannung u20(t) in der Sekundärwicklung induziert.

a) b)

Bild T3.1-3: [Sch] a) Leerlaufender Transformator: Sekundär ist keine Last angeschlossen. b) Beim belasteten Transformator (hier: Wechselspannung U1) ist sekundär als Last ein OHM´scher Widerstand Ra angeschlossen

dt

diLLiRu 10

h110110 )( ⋅++⋅= σ , dt

diL

üü

uu 10

h20

201 ⋅⋅=

′= (T3.1-16)

Das Übersetzungsverhältnis der Spannungen bei Leerlauf ist u10/u20 und gemäß (T3.1-16) wegen 0,0 11 >> σLR nicht gleich dem Wert ü. Werden Primärwicklungswiderstand und

primärer Streufluss, da sie relativ klein sind, vernachlässigt ( 0,0 11 ≈≈ σLR ), so folgt:

üuu ≈2010 / . Die experimentelle Überprüfung von ü über 2010 / uu liefert etwas andere

Werte für u20 als üu /10 , was auf den Spannungsfall am R1 und L1σ zurückzuführen ist. Bei

Belastung (Bild T3.1-3b) fließen primär und sekundär durch die dort induzierte Spannung Ströme i1(t), i2(t), die mit dem Ampere´schen Durchflutungssatz für eine geschlossene Kurve C (hier eine Hauptflussfeldlinie gemäß Bild T3.1-1b) die Hauptfeldstärke HFe im Eisenkern ergeben.

üiNNiiHiNiNsHsdHC

⋅−=⋅−≈≈→+===⋅ 12112Fe2211FeFe )/(:0Θ (T3.1-17)

Im Eisenkern bei BFe ≈ 1.75 T ist gemäß Bild G3.8-2, Kurve (2) HFe ≈ 4 A/cm und daher 3500)/( Fe0FerFe, ≈= HB μμ relativ hoch, so dass näherungsweise HFe ≈ 0 gilt. Die

Durchflutungen von Primär- und Sekundärwicklung sind (T3.1-17) etwa entgegengesetzt gleich groß: 1122 iNiN −≈ („Durchflutungsausgleich“). Daher übersetzen die Ströme unter

Last etwa mit üii /1/ 21 ≈ bzw. 12 ii −≈′ . Bei unendlich großer Hauptinduktivität

∞→∞→ hFe , Lμ gilt exakt: 12 ii −=′ .

Beim „idealen" Transformator übersetzen Spannung und Strom exakt mit ü: üuu =21 / , üii /1/ 21 = , denn

a) alle Verluste sind vernachlässigt (R1 = 0, R2 = 0, …) b) alle Streuflüsse sind vernachlässigt = der gesamte magnetische Fluss ist im Eisenkern. c) das Eisen hat unendlich große Permeabilität. Daher sind die Wirkleistungen primär und sekundär identisch:

22222111 )/()( piuüiüuiup =⋅=⋅⋅== .

Page 131: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.26 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

Häufig wird der reale Transformator durch den idealen Transformator beschrieben: Der ideale Transformator übersetzt den Strom umgekehrt wie die Spannung. Im selben Maße, wie er etwa die Spannung herab transformiert, setzt er den Strom hinauf, und umgekehrt. Tatsächlich sind die Bedingungen a) und b) wegen des OHM´schen Spannungsfalls von ca. 2 … 4 % der Nennspannung und des induktiven Streuspannungsfalls von ca. 5 … 10 % nicht wirklich erfüllt, während Bedingung c) wegen 00Fe 3500 μμμ >>≈ sehr gut erfüllt ist.

Fazit: Beim realen Transformator übersetzen Spannung und Strom nicht exakt mit ü, aber wegen der hohen Eisenpermeabilität die Ströme nahezu exakt mit 1/ü. Bei der Spannungsübersetzung müssen OHM´sche und streuinduktive Spannungsfälle berücksichtigt werden (KAPP´sches Dreieck, siehe T3.2). T3.2 Der Einphasentransformator bei Sinusspannungen a) Ersatzschaltbild: Ist die an den Spulenklemmen anliegende Spannung zeitlich sinusförmig mit der Frequenz f veränderlich, so kann die komplexe Wechselstromrechnung verwendet werden.

{ }tjj eeUtUtu ωϕϕω ⋅⋅=+⋅⋅= U1U11 2Re)cos(2)( , f⋅= πω 2 (T3.2-1)

Es wird anstelle von u1(t) nur noch der komplexe Zeiger U11

ϕjeUU = in den Spannungs-

gleichungen (T3.1-13) verwendet. Dies gilt sinngemäß für alle hier genannten zeitlich ver-änderlichen Größen. Wegen (T3.2-2) werden alle zeitlichen Ableitungen durch Multiplikation mit jω ersetzt, wobei der Ausdruck ωL als Reaktanz X bezeichnet wird.

{ }tjjtjj eLIejeIedt

dL

dt

diL ωϕωϕ ω ⋅⋅=

⋅⋅⋅= II 2Re2Re (T3.2-2)

Die Spannungsgleichungen (T3.1-13) lauten in komplexer Schreibweise:

)( 21h1σ1111 IIjXIjXIRU ′+++= )( 21h2σ2222 IIjXIXjIRU ′++′′+′′=′ (T3.2-3)

Ströme und Spannungen werden als Effektivwerte, Flüsse und Flussverkettungen wegen der durch sie bewirkten Sättigung als Scheitelwerte angegeben. Die Hauptfeldspannung

2/)( h1mh21hh Φ==′+= NjIjXIIjXU ω (T3.2-4)

ist die induzierte „Nutzspannung“ infolge der zeitlichen Änderung des Hauptflusses. Dieser induziert auch im Eisen eine Spannung, die Wirbelströme treibt und Wirbelstromverluste verursacht. Mit dem Ersatzwiderstand RFe für diese im Eisen fließenden Wirbelströme ergeben sich die Wirbelstromverluste zu

Fe2hFe / RUP = . (T3.2-5)

Das zugehörige Ersatzschaltbild Bild T3.2-1 folgt aus Bild T3.1-2. Strom und Spannung werden im VZS primär und sekundär als zugeführte Größen positiv gezählt. Wenn also von der Primär- auf die Sekundärseite Leistung übertragen wird, die sekundär z. B. an einen Belastungs-widerstand abgegeben wird, so ist die Primärleistung positiv (= aufgenommene elektrische Leistung), die Sekundärleistung negativ (= abgegebene elektrische Leistung).

Page 132: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.27 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

Bild T3.2-1: T-Ersatzschaltbild des Einphasentransformators Bild T3.2-2: Zeigerdiagramm für Spannungen für zeitlich sinusförmig veränderliche Spannungen, Ströme und Ströme beim Einphasentransformator, und Flüsse (mit Ummagnetisierungsverluste im RFe) [14] RFe→∞, überwiegend induktive Last sekundär [Kle] b) Zeigerdiagramm: Der Zeiger des Hauptflusses Φh in der komplexen Ebene in Bild T3.2-2 ist gemäß (T3.2-4) in Phase mit dem Magnetisierungsstrom Im. Die vom Hauptfluss induzierte Hauptfeldspannung Uh ist um 90° zum Hauptfluss voreilend (Multiplikation mit j). Der Magnetisierungsstrom wird aus der Summe von Primär- und Sekundärstrom gebildet. Wegen der hohen Eisenpermeabilität μFe ist die Hauptinduktivität Lh sehr groß (siehe Bsp. T3.2-1), so dass Im sehr klein ist. Daher ist I1 deutlich größer als Im, was auf Grund der Zeigersummenbildung von Primär- und Sekundärstrom einen zum Primärstrom nahezu gegenphasigen Sekundärstrom ergibt: 21 II ′−≈ . Im Bild T3.2-2 ist angenommen, dass die Belastung

sekundär induktiv ist (z. B. Drosselspule als Last), so dass auch primär der Strom I1 der Spannung U1 nacheilt. Die OHM´schen Spannungsfälle sind in Phase zu den jeweiligen Strömen, die Spannungsfälle zufolge der Streuinduktivitäten eilen um 90° den jeweiligen Strömen vor (Multiplikation mit j). Fazit: Die Klemmenspannungen primär und sekundär unterscheiden sich von der Hauptfeld-spannung um die OHM´schen und streuinduktiven Spannungsfälle. Beim idealen Transformator sind U1, Uh und U´2 identisch. Primär- und Sekundärstrom unterscheiden sich um den Magnetisierungsstrom, der i. A. sehr klein ist (ca. 1 … 2 % des Nennstroms). Beispiel T3.2-1: Einphasentransformator: Im Leerlauf ist I1 = Im, da I´2 = 0 ist. U1N = 350 V, I1N = 80 A, f = 50 Hz, 1621 =′= RR mΩ, M = 49 mH, 5.01 =σL mH,

005.0σ2 =L mH, N1 / N2 = 100 / 10:

ü = 100/10 = 10, 4904910h =⋅== üML mH, 5.0005.0102σ2σ2 =⋅==′ üLL mH

157.0105.0502 3σ1σ1 =⋅⋅== −πωLX Ω, 15449.0502hh =⋅== πωLX Ω, 157.0σ2 =′X Ω

Leerlaufstrom: 27.2)((/ 2h1σ

21N110 =++= XXRUI A = 2.8 % des Nennstroms

Page 133: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.28 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

c) Vereinfachtes Ersatzschaltbild - Kurzschlussspannung

Bild T3.2-3: Vereinfachtes T-Ersatzschaltbild des Bild T3.2-4: Zeigerdiagramm des Einphasentransformators für zeitlich sinusförmig sekundär kurzgeschlossenen veränderliche Spannungen, Ströme und Flüsse [Kle] Transformators (u2 = 0: zu Bild T3.2-3) [Kle] Der Transformator als elektrisches Betriebsmittel ist für einen bestimmten Nennstrom IN bemessen, den er dauernd führen kann, ohne thermisch überlastet zu werden, und für eine bestimmte Nennspannung UN. Der Magnetisierungsstrom Im im Transformator beträgt wegen der großen Hauptinduktivität nur 1 % ... 2 % vom Nennstrom (Bsp. T3.2-1), so dass er für Untersuchungen des belasteten Transformators vernachlässigt werden kann (bei Leerlauf allerdings nicht, den dann ist der Magnetisierungsstrom als Leerlaufstrom direkt messbar!). So entsteht das vereinfachte Ersatzschaltbild Bild T3.2-3, das nur aus den Streureaktanzen und den OHM´schen Widerständen besteht. Aus (T3.2-4) folgt:

0m =I üIII /221 =′−= 2211 ININ −= (T3.2-6)

Es herrscht (nahezu) vollkommener Durchflutungsausgleich; der Primär- und der Sekundär-strom sind gegenphasig und übersetzen sich umgekehrt proportional zu ü, so dass sich die Primär- und Sekundär-Spulendurchflutung gegenseitig aufheben. Das entspricht einem ideal magnetisierbaren Eisenkreis (μFe → ∞, Xh → ∞). Primär- und Sekundärspannung unterscheiden sich gemäß Bild 2.5 um den Spannungsfall an den OHM´schen Widerständen und an den Streuinduktivitäten. Dieser Spannungsfall heißt "Kurzschlussspannung" Uk, wenn der Primärstrom I1 den Nennwert I1N hat.

N12

σ2σ12

21k )()( IXXRRU ⋅′++′+= (T3.2-7)

Die Kurzschlussspannung ist direkt messbar, wenn der Transformator sekundär kurzge-schlossen ist (U2 = 0). Jene primäre Klemmenspannung, die dann in der Primärwicklung Nennstrom treibt, ist die Kurzschlussspannung (Bild T3.2-4). Das aus den OHM´schen und streuinduktiven Spannungsfällen gebildete rechtwinklige Dreieck (Bild T3.2-4) heißt KAPP´sches Dreieck (Gisbert KAPP). Werden diese Spannungsfälle auf die Nennspannung UN bezogen, so erhält man sie in Prozent der Nennspannung bzw. als „Per-Unit“-Wert (p.u.). Ein Per-Unit-Wert einer Spannung von 1 bedeutet somit Nennspannung.

Page 134: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.29 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

N1

N1k

N1

N121R

)(

U

IR

U

IRRu

⋅=⋅′+= , N1

N1k

1N

N1σ2σ1S

)(

U

IX

U

IXXu

⋅=⋅′+= (T3.2-8)

N1

k2S

2Rk U

Uuuu =+= (T3.2-9)

Beispiel T3.2-2: „Bezogene Kurzschlussspannung“ uk : a) kleinere Leistungstransformatoren: Nennscheinleistung SN = UNIN = ca. 1 ... 1000 kVA: uk = ca. 3 % ... 8 % bzw. 0.03 ... 0.08 p.u. b) große Leistungstransformatoren: SN = 1 ... 1000 MVA: uk = ca. 8 % ... 15 % bzw. 0.08 ... 0.15 p.u. und mehr. d) Vereinfachtes Zeigerdiagramm (Im = 0):

12211kk2 )( IZUUIjXRU ⋅′=′=⋅++′ 21 II ′−= (T3.2-10)

Zum vereinfachten Ersatzschaltbild Bild 2.8 gehört wegen (2.27) das Zeigerdiagramm Bild T3.2-5, das für die drei Belastungsfälle a2 RZ ′=′ , La2 XjLjZ ′=′=′ ω ,

Ca2 )/(1 XjCjZ ′−=′=′ ω gezeichnet ist. Bei sekundär OHM´scher Belastung ist –I2´ bzw. I1 in

Phase mit U2´, bei induktiver Belastung eilt –I2´ der Spannung U2´ um 90° nach. Daher ist 2U ′ in beiden Fällen kleiner als U1, wobei bei rein induktiver Belastung der "Spannungseinbruch" von 2U ′ am größten ist. Bei kapazitiver Belastung jedoch ist 2U ′ höher als U1 (FERRANTI-Effekt): Die Spannung U2 nimmt bei Belastung des Transformators gegenüber Leerlauf ZU (bei Leerlauf ist wegen Im = 0: I1 = 0, U2´ = U1). Das ist i. A. unerwünscht, da die Betriebsmittel sekundär mit zu hoher Spannung belastet werden. Bild T3.2-5 zeigt anschaulich: Auf Grund des KAPP´schen Dreiecks ist die Spannungsübersetzung U1/U2 NICHT exakt gleich dem Übersetzungsverhältnis ü = N1/N2, sondern je nach Belastungsart etwas kleiner oder größer.

Bild T3.2-5: Vereinfachtes Zeigerdiagramm für Spannungen und Ströme beim Einphasentransformator mit sekundär a) OHM´scher, b) induktiver, c) kapazitiver Belastung [Kle] Beispiel T3.2-3: Einphasentransformator bei rein kapazitiver Belastung I2 = I2N: U1N = 350 V, I2N = 800 A, f = 60 Hz, 021 ≈′= RR mΩ, 5.0σ21σ =′= LL mH, N1/N2 = 100/10:

Page 135: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.30 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

ü = 100/10 = 10, 188.0105.0602 3σ2σ1 =⋅⋅=′= −πXX Ω, 376.0σ2σ1k =′+= XXX Ω

8010/800/221 ===′−= üIII N A , 38080376.0350112 =⋅+=⋅+=′ IXUU k V

3810/380/22 ==′= üUU V

Die Sekundärspannung nimmt von 35 V bei Leerlauf auf 38 V bei Belastung zu (+ 8 %). e) Zeitlicher Stromverlauf bei Leerlauf und Belastung: Der Zeitverlauf des Leerlaufstroms (ohne Hystereseeinfluss der BFe(HFe)-Kennlinie gemäß Bild G3.8-2) ist wegen der nichtlinearen BFe(HFe)-Kennlinie trotz sinusförmig speisender Primärspannung nicht sinusförmig (Bild T3.2-6), sondern weist hohe Spitzenwerte bei niedrigem Effektivwert auf. Die eingeprägte sinusförmige Netzspannung u1 erzwingt wegen des Induktionsgesetzes bei vernachlässigtem Widerstand R1 einen zeitlich cosinus-förmigen Flussverlauf h1σ1 ΦΦΦ += und damit auch einen entsprechenden Zeitverlauf der Flussdichte

AB /hFe Φ= im Eisen: ωωωΦ )sin(ˆ

)cos(ˆ01

1Fe1

1111

t

NA

UBtU

dt

dNuR ⋅

⋅==⋅=≅ .

Damit ergibt sich aber wegen der nichtlinearen (gekrümmten) BFe(HFe)-Kennlinie ein nichtsinusförmiger Verlauf HFe(t) gemäß Bild T3.2-6. Wegen des Ampere´schen Durchflutungs-satzes FeFeFeFeFe101 ))(()()( stBHstHtiN ⋅=⋅= ist damit auch der

Leerlaufstrom i10(t) zeitlich nicht sinusförmig.

Bild T3.2-6: Herleitung des nichtsinusförmigen Verlaufs des Leerlaufstroms bei sinusförmigem Flussverlauf

Der Zeitverlauf des primären und sekundären Stroms bei Belastung des Transformators ist weitgehend sinusförmig, denn nun herrscht Durchflutungsausgleich durch den Sekundärstrom. Nicht mehr die nichtlineare Eisenkennlinie der Hauptinduktivität, sondern die linearen Streuinduktivitäten und die sinusförmige Gegenspannung U2 begrenzen den daher sinusförmigen Strom. Der kleine nichtlineare Magnetisierungsstrom als Anteil des Gesamtstroms ist kaum merkbar.

Page 136: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.31 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

f) Der sekundär kurzgeschlossene Transformator (U2 = 0): Wenn Transformator im Betrieb bei U1 = U1N sekundär kurz geschlossen, dann fließt wegen der primären Nennspannung ein zu hoher Strom I2k als Kurzschlussstrom sekundär und als Kurzschlussstrom I1k = I2k/ü primär, wobei kN1k1 /uII = sehr groß ist. Diese Betriebsart ist

daher ein Störfall und nicht dauernd zulässig. Nur Selbstinduktion der kleinen Streuflüsse und der Spannungsfall an den kleinen Wicklungswiderständen begrenzen den Strom, daher ist dieser primär und sekundär zu groß. Beispiel T3.2-4: Dauerkurzschlussstrom des Transformators : Speist man den sekundär kurzgeschlossenen Transformator primär mit Nennspannung, so fließt ein sehr hoher primärer „Kurzschlussstrom“, z. B. bei uk = 4 %:

2504.0

11

kk

N1

N12k

2k

N1

N1

k1 ====⋅+

=uU

U

IXR

U

I

I

Der Dauerkurzschlussstrom I1k =I1N/uk ist der 25-fache Nennstrom! T3.3 Bauformen von Einphasen-Transformatoren Die Eisenkerne der Transformatoren bestehen aus den vertikalen Schenkeln und den horizontalen Jochen. Sie sind aus elektrisch isolierten Stahlblechen (Eisenkohlenstoff Fe-C, ca. 0.35 mm dick) geschichtet („lamellierte“ Kerne), um Wirbelströme zu unterbrechen. Es werden kornorientierte Bleche verwendet. Die Kristallkörner sind durch den Walzprozess der Herstellung parallel gerichtet. Ihre Vorzugsrichtung (hohes μFe in Vorzugsrichtung der Körner) ist parallel zur Flussrichtung (siehe Feldlinie in Bild T3.1-1, T3.3-1) orientiert. Quer zur Vorzugsrichtung ist die Permeabilität sehr klein, aber in diese Richtung tritt kein Fluss auf (magnetisch anisotropes Blech Bild G3.8-2, Kurve (2)). Die Primär- und Sekundärspule (Spule I und II) sind zwecks maximaler magnetischer Kopplung koaxial angeordnet. Die Unterspannungswicklung befindet sich innen nahe am geerdeten Kern (Nullpotential) wegen der geringeren Leiter-Erde-Spannungsdifferenz.

a) b)

Bild T3.3-1: Bauformen von Einphasentransformatoren: a) Kerntyp, b) Manteltyp [Kle] - Kerntransformatoren (Bild T3.3-1a) haben Primär- und Sekundärspule geteilt auf zwei Schenkeln angeordnet. - Beim Manteltransformator sind Primär- und Sekundärspule ungeteilt auf einem Mittelkern angeordnet, die von den Rückschlussjochen wie von einem Mantel umschlossen sind (Bild T3.3-1b). Dadurch teilt sich der Hauptfluss nach links und rechts und benötigt bei gleicher Flussdichte eine geringere Jochhöhe hJ´< hJ (Verringerung der Bauhöhe des Transformators).

Page 137: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.32 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

T3.4 Drehstromtransformatoren a) Bauformen von Drehstrom-Transformatoren: Werden drei Einphasentransformatoren mit einem Drehspannungssystem gespeist, so ist der Hauptfluss in den drei Transformatoren jeweils um 120° phasenverschoben (Bild T3.4-1b). Durch die mit *) gekennzeichnete Kontrollfläche in Bild T3.4-1b treten alle drei Hauptflüsse ΦU, ΦV, ΦW hindurch und ergänzen sich stets zu Null (ΦU + ΦV + ΦW = 0). Damit kann dieser Bereich des Eisens eingespart werden; es entsteht der „Tempeltyp“-Drehstromtransformator (M. v. DOLIVO-DOBROWOLSKI, 1890, Berlin, Bild T3.4-1a), der aber schwierig zu bauen ist. Die Magnetkreise von U, V, W sind voneinander magnetisch unabhängig, so dass die für den Einphasen-Transformator hergeleiteten Formeln, Ersatzschaltbilder und Zeigerdiagramme auch für den Drehstromtransformator je Strang U, V, W gültig sind, solange das Drehspannungssystem „symmetrisch“ ist, d.h. in allen drei Strängen die gleichen Amplituden bei einer Phasenverschiebung von jeweils 120° vorhanden sind. Die technisch realisierte Bauform entsteht aus dem Tempeltyp durch Klappen aller drei Schenkel U, V, W in eine Ebene (Drei-Schenkel-Transformator, Bild T3.4-2a). Auf jedem der Schenkel U, V, W sind koaxial innen die Unter- und außen die Oberspannungsspule der Stränge U, V, W angeordnet. Bei Hinzufügen zweier Außenjoche (Mantelbauform) kann wieder die Jochhöhe verringert werden (Fünf-Schenkel-Transformator, Bild T3.4-2b). Der mittlere Schenkel ist nun kürzer, aber diese kleine magnetische Unsymmetrie zwischen dem Mittel- und den Außenschenkeln ist i. A. vernachlässigbar klein.

Bild T3.4-1: Entstehung des a) Drehstromtransformators (Tempeltyp) aus b) drei Einphasentransformatoren [Kle]

Bild T3.4-2: Bauformen von Drehstrom-Transformatoren: a) Dreischenkel-Typ (Kerntyp), b) Fünfschenkel-Typ (Manteltyp), unten, im Vergleich zum Dreischenkeltyp, oben [Kle]

Page 138: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.33 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

Einphasen- und Drehstromtransformatoren werden bei kleineren Leistungen im Hunderte-kVA-Bereich bis ca. 30 kV in brandgefährdeter Umgebung luftgekühlt und gießharz- oder luftisoliert (Bild T3.4-3a) ausgeführt, ansonsten – vor allem für größere Leistungen - ölgekühlt und ölisoliert (Bild T3.4-3b). Da Öl eine 3-bis 6-fach höhere Durchschlagfeldstärke ED als Luft besitzt sowie eine höhere Wärmeleitfähigkeit und Wärmekapazität, können Öl-Transformatoren kompakter gebaut werden, benötigen aber einen Ölkessel und eine Ölwanne unter dem Transformator für das Auffangen des Öls im Störfall. Öltransformatoren in Kesseln mit Ölfüllung verwenden also den Ölumlauf auch zur Kühlung, wobei unterschieden wird: (a) natürlicher Konvektion (Oil natural) ON (b) Zwangsumlauf (Pumpen) (Oil forced) OF Das heiße Öl wird in Radiatoren durch Luft zurückgekühlt. Für diese äußere Luftbewegung unterscheidet man: (c) natürliche Konvektion (air natural) AN (d) forcierte Luftströmung durch Ventilatoren (air forced) AF Daher sind die Kombinationen ONAN, ONAF, OFAN, OFAF möglich und üblich! Bei Luftspulen- u. Gießharztransformatoren herrscht nur Luftkühlung vor, zumeist mit natürlicher Konvektion: ON, also relativ schwacher Kühlwirkung. Deshalb werden diese Transformatoren nur für kleine Leistungen (und damit auch kleine Verlustleistungen) gebaut.

Bild T3.4-3: Ausführungsformen von Drehstrom-Transformatoren: a) Gießharz-Transformator: Typische Nenn-daten: 20 kV/400 V, 400 kVA (Siemens AG), b) Öl-Transformator: Typisch Nenndaten: 380 kV/20 kV, 1300 MVA (Bohn, T.: El. Energietechnik, TÜV Rheinland) Für die Leistungsgrenzen von Drehstrom-Transformatoren gilt: Die Baugröße wird von der Nennleistung, aber auch der Nennspannung (Hochspannung benötigt große Spannungsabstände wegen der Überschlagsgefahr!) bestimmt. Der Transport vom Hersteller zum Aufstellungsort i. A. mit der Bahn erzwingt die Einhaltung des Bahnprofils (z. B. Tunnel!), daher werden große Transformatoren als Fünfschenkel-Transformator gebaut, weil diese zwar länger, aber niedriger als leistungsgleiche Dreischenkeltypen sind. Bei 400 kV Oberspannung ist die weltgrößte Einheitsleistung (Nennleistung je Transformator) ca. 1500 MVA bei 50 Hz, die transportiert werden kann. Bei 60 Hz ist wegen des um 5/6

Page 139: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.34 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

kleineren Flusses für gleiche Spannung der Transformator wegen des entsprechend geringeren Kernquerschnitts um ca. 5/6 kleiner. Bei größeren Leistungen werden „Drehstrombänke“ verwendet: Bei z. B. 1800 MVA bilden drei Einphasentransformatoren je 600 MVA eine „Drehstrom-Bank“, indem sie zum Drehstromsystem verschaltet werden. Für die Reservehaltung benötigt man nur einen Einphasentransformator 600 MVA anstatt eines kompletten Drehstromtransformators 1.8 GVA, da (fast) nie zwei oder drei Einphasentransformatoren gleichzeitig ausfallen. Alternativ schaltet man auch zwei Drehstromtransformatoren 900 MVA parallel, und muss einen Drehstromtransformator 900 MVA in Reserve halten. b) Wirkungsgrad von Transformatoren: Die Ummagnetisierungsverluste PFe im Eisen infolge des Hauptflusses bestehen aus Wirbelstrom- und Hystereseverluste und treten schon bei Leerlauf und Nennspannung (U1 = U1N) auf (I1 = Im, I2 = 0). Die Stromwärmeverluste sind wegen des kleinen Primärstroms im Leerlauf (I1 = Im = ca. 0.01I1N) vernachlässigbar:

030001.0)100/(3.3 2N11

2N11

210110Cu ≈⋅=⋅== IRIRcaIRP .

Bei Belastung kommen Stromwärmeverluste als Lastverluste hinzu, die quadratisch vom Strom abhängen. Der Wirkungsgrad η ist das Verhältnis von abgegebener zu zugeführter Leistung und ist bei Großtransformatoren größer als 99.5%.

Leerverluste: Fe0 PP = , Lastverluste: ( ) 21,Cu222

2112Cu1Cu 3 +=+=+ PIRIRPP (T3.4-1)

in

21,Cu0in

in

din

in

out

P

PPP

P

PP

P

P +−−=−==η (T3.4-2)

T3.5 Schaltungsvarianten von Drehstromtransformatoren a) Schaltgruppen, Stundenziffer: Bei Drehstrom-Transformatoren hat man mehrere Möglichkeiten, die Wicklungsenden der Oberspannungsspulen U-X, V-Y, W-Z bzw. der Unterspannungsspulen u-x, v-y, w-z unter-einander zu verbinden. Beispiel T3.5-1: In Bild T3.5-1 ist oberspannungsseitig eine Sternschaltung „Y“ (X, Y, Z miteinander verbunden) und unterspannungsseitig eine Dreieckschaltung „d“ (Verbindung u-y, v-z, w-x) ausgeführt: Schaltgruppe Yd. Die in der Primärspule des Strangs U (Klemmen U-X) induzierte Spannung ist in Phase mit der auf demselben Schenkel befindlichen Spule unterspannungsseitig (Klemmen w-u). Auf Grund der Dreieckschaltung ist diese Sekundär-Spannung eine verkettete Spannung. Die zugehörige fiktive Strangspannung (Phasenspannung) ist um 30° voreilend oder 330° nacheilend. Diese Phasenverschiebung wird als nacheilend in 11 Schritten von 30° mit der „Stundenziffer“ 11 (vergleiche mit dem Zifferblatt einer Uhr!, Bild T3.5-3a) angegeben: Yd11. Die Übersetzung der Spannung von der Primär- auf die Sekundärseite ist (Bild T3.5-1).

2

1

2

1

verk2

verk1 33

N

N

U

U

U

U ⋅== (T3.5-1)

Page 140: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.35 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

Bild T3.5-1: Drehstromtransformator: Schaltung: Bild T3.5-2: Bei einphasiger Belastung der Yyn6-Schaltung Stern (Oberspannung), Dreieck (Unterspannung) sekundär werden die Wicklungen der Schenkel U, W nur = Schaltgruppe Yd, „Stundenziffer“ 11 [Kle] primär stromdurchflossen, was zu hoher Eisensättigung

führt. [Fis] Die Spannungsübersetzung U1verk/U2verk von Drehstromtransformatoren ist daher selbst bei Vernachlässigung des KAPP´schen Dreiecks nicht mehr nur durch das Verhältnis der Windungszahlen alleine, sondern auch durch die Schaltgruppe bestimmt (T3.5-1). Nur bei der Yy-Schaltung (Stern primär und sekundär) ist die Spannungsübersetzung wie beim Einphasentransformator durch das Verhältnis der Strangwindungszahlen (und das KAPP´sche Dreieck) bestimmt. b) Unsymmetrische Belastung des Drehstromtransformators: In Bild T3.5-2 ist die Schaltung Yyn6 dargestellt. Durch Vertauschen der Spulenanschlüsse sekundär ist die sekundäre Strangsspannung gegenphasig zur primären Strangspannung, was einer Phasenverschiebung von 6 x 30° = 180° (Stundenziffer 6) entspricht. Unterspannungs-seitig ist der Sternpunkt „N2“ als Klemmenanschluss heraus geführt. Wird diese Schaltungs-variante für eine unsymmetrische, nämlich einphasige Belastung (Impedanz Z) sekundär verwendet (z. B. Haushaltsanschluss: sekundär verkettet 400 V, Strangspannung 230 V), so fließt der Strom I2 sekundär nur im Strang „v“ und über den Sternpunktsanschluss. Primär fließt der Strom IV über Strang V zu und zu gleichen Teilen IU = IW über die Stränge W und U ab. Damit existiert aber KEIN Durchflutungsausgleich (T3.2-6) für Schenkel U und W. Da IU und IW – abhängig von der Belastung Z – deutlich größer sein können als der typische Magnetisierungsstrom Im ≈ 0.01IN, wird der magnetische Fluss in diesen Schenkeln sehr hoch. Damit sättigt aber das Eisen gemäß der B(H)-Kennlinie sehr stark, wodurch FeFeFe / HB=μ

sehr klein wird. Folglich ist auch Xh sehr klein.

a) b)

Bild T3.5-3: a) Stundenziffer: Beispiel: Phasenverschiebung zwischen U1 und U2: 330°: Wenn U1 bei „0 Uhr“

steht, dann steht U2 bei „11 Uhr“. b) Abschätzung der Spannung sekundär bei einphasiger Belastung Yy: (Annahme: R1 = R´2 = 0) Bei sehr kleiner Hauptfeldreaktanz Xh ist die zugehörige Hauptfeldspannung Uh auch klein und kommt in die Größenordnung des Spannungsfalls an der Streureaktanz.

Page 141: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.36 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

Abschätzung mit Bild T3.5-3b ( 021 =′≈ RR ): σ1h

h

1

h

LL

L

U

U

+= .

Im symmetrischen Fall und damit schwach gesättigtem Eisenkern ist Lh >> L1σ und damit

1h UU ≈ , wie im Abschnitt T3.2 besprochen. Bei einphasiger Belastung Yy sättigt das Eisen

so hoch, dass im Extremfall z. B. gilt: Lh ≈ 2L1σ, und damit 1h 66.0 UU ⋅≈ . Es ergibt sich

gegenüber 1h UU ≈ ein Spannungseinbruch von 33 %. Statt der erwarteten 230 V liefert der

Transformator nur ca. V15323066.02 =⋅≈U . Das ist technisch unbrauchbar. Fazit: Yy-Schaltungen sind für einphasige Belastungen nicht geeignet. Abhilfe gegen den Spannungseinbruch bei einphasiger Belastung: Bild T3.5-4a zeigt eine mögliche Abhilfe für dieses Problem, indem man die Sekundärspulen in zwei Teilspulen trennt und jede Teilspule mit der Teilspule des benachbarten Schenkels verbindet. Die Spannungszeiger der beiden Teilspulen je Strang ergeben einen „zickzack“-förmigen Zeigerstern („Zickzack-Schaltung“). Die Phasenverschiebung der Primär- und Sekundärstrangspannung ist 150° (= 5 x 30°) (Schaltgruppe Yzn5). Bei einphasiger Belastung sekundär zwischen N2 und w fließt sekundär der Strom in einer Teilspule auf Schenkel U und Schenkel W, ebenso primär, so dass für beide Schenkel ein Durchflutungsausgleich möglich ist. Damit bleibt das Ersatzschaltbild Bild T3.2-3 gültig; es erfolgt kein Spannungszusammen-bruch sekundär. Die Spulen auf Schenkel V sind stets stromlos. Eine andere Schaltung, die den sekundären Spannungseinbruch vermeidet, ist Dyn5 (Bild T3.5-4b).

a) b)

Bild T3.5-4: a) Bei einphasiger Belastung der Yzn5-Schaltung erfolgt auf den Schenkeln U, W Durchflutungs-ausgleich, so dass kein Spannungszusammenbruch sekundär auftritt [Kle]. b) Bei einphasiger Belastung der Dyn5-Schaltung erfolgt auf dem Schenkel V Durchflutungsausgleich, so dass kein Spannungszusammenbruch sekundär auftritt [Fis]. T3.6 Leistungsschildangaben bei Drehstromtransformatoren Für die Nenn-Scheinleistung gilt unabhängig von der Schaltgruppe (T3.6-1), wobei die auf dem Leistungsschild angegebenen Nennspannungen stets die verketteten Spannungen und die Nennströme stets die Außenleiterströme darstellen.

Page 142: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.37 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

N2N2N1N1N 33 IUIUS ⋅⋅=⋅⋅= (T3.6-1)

Beispiel T3.6-1: Nennscheinleistung SN = 315 kVA, Nennspannungen U1N, U2N (verkettet) 20 kV / 525 V:

Nennströme: primär: 1.9)203/(315)3/( N1NN1 =⋅== USI A

sekundär: 4.346)525.03/(315)3/( N2NN2 =⋅== USI A

Fazit: Da im Ersatzschaltbild stets Strangwerte verwendet werden, auf dem Leistungsschild aber verkettete Spannungen und Außenleiterströme angegeben sind, muss man diese Werte für das Ersatzschaltbild auf Strangwerte umrechnen. Die hier im Skript verwendeten Klemmenbezeichungen U-X, V-Y, W-Z (Sternpunkt N) und u-x, v-y, w-z (Sternpunkt n = N2) sind gemäß Norm DIN42402 folgendermaßen festgelegt: 1U1-1U2, 1V1-1V2, 1W1-1W2 (Sternpunkt 1N) und 2U1-2U2, 2V1-2V2, 2W1-2W2 (Sternpunkt 2N), um eine Verwechslung von Groß- und Kleinbuchstaben zu vermeiden.

Bild T3.6-1: Blocktransformator im Braunkohle-Kraftwerk "Schwarze Pumpe“, Deutschland: 27 kV / 380 kV, 800 MVA, Kühlung OFAF. Die vom Kraftwerksblock (Dampfkessel, Turbine und Synchron-Turbo-Generator) erzeugte elektrische Leistung 800 MVA mit der Spannung 27 kV wird über den Transformator auf 400 kV hochgespannt. Durch den umgekehrt proportional herunter”transformierten” kleinen Strom entstehen nur geringe Stromwärmeverluste auf der Freileitung (Siemens AG).

Page 143: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik T.38 Transformatoren&Generatoren

TU Darmstadt Institut für elektrische Energiewandlung

a) b)

Bild T3.6-2: Hochspannungsprüfung von Transformatoren im Hochspannungs-Prüffeld: a) Einphasen-Transformator (Kühlung Oil forced, air forced OFAF) einer Drehstrombank, b) Großtransformator mit drei dreiphasigen Wicklungssystemen (links vorne: Marx-Stoßspannungserzeugung für Blitzstoß-Prüfung) (Siemens AG (vormals: ELIN), Weiz, Österreich)

Page 144: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik V.1 Elektrische Energieversorgung

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

V. Elektrische Energieversorgung Dieses Kapitel beschränkt sich auf die Beschreibung elektromagnetischer Wellen auf elektrischen Leitern. In der Energietechnik werden zur Energieübertragung insbesondere Freileitungen oder Erdkabel verwendet. Je nach geometrischer Leiteranordnung kann die Beschreibung der Wellenphänomene kompliziert werden. Deshalb werden im Folgenden zwei einfache Anordnungen betrachtet: das Koaxialkabel und die Parallelleitung. Die Erkenntnisse aus diesen Anordnungen können grundsätzlich im Rahmen dieser einführenden Vorlesung auf reale Anordnungen übertragen werden. V1. Die Leitungsgleichungen V1.1 Wellenausbreitung auf Leitungen a) Koaxialkabel als Wellenleiter: Potentialführend ist der Innenleiter, während der als Hohlzylinder ausgeführte Außenleiter auf Nullpotential liegt. Dazwischen liegt aus (weißem) Kunststoff der dielektrische Isolator. Wie breitet sich ein Spannungssignal längs dieses Kabels aus? Wenn am Koaxialkabeleingang eine Spannungsänderung auftritt, tritt sie dann gleichzeitig auch am Kabelende auf oder verzögert? Gemäß der speziellen Relativitätstheorie kann sich Energie maximal nur mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, also muss sich die Spannungsänderung am Leitungsanfang ebenfalls mit der im Koaxialkabel gültigen Lichtgeschwindigkeit bewegen, und steht damit am Leitungsende erst verzögert an. Fazit: Elektrische/elektromagnetische Signale breiten sich als (elektromagnetische) Wellen mit (endlicher) Lichtgeschwindigkeit aus. Längs eines Kabels werden diese Signale als leitungsgebundene Wellen geführt. Das Kabel fungiert als "Wellenleiter". b) Mathematisches Modell des Wellenleiters: Wir versuchen, zuerst näherungsweise herauszufinden, wie sich die Leitung bei verhältnismäßig kleinen Frequenzen benimmt. Fließt auf dem Innenleiter ein Messstrom I in das Oszilloskop, so fließt er auf dem Außenleiter als Rückstrom mit umgekehrter Stromrichtung -I zurück. Außerhalb des Kabels tritt daher kein Magnetfeld H auf, weil gemäß dem Ampere´schen Durchflutungssatz (V1.1-1) längs einer geschlossenen Kurve C um das Kabel die Summendurchflutung Θ Null ist (Vorteil des BNC-Kabels!).

0)( =−+==• IIsdHC

Θ (V1.1-1)

Zwischen Hin- und Rückleiter (mittlerer Radius R als Radius der geschlossenen kreisförmigen Kurve C im Isolator) tritt das Magnetfeld

R

IHIRHsdH

C πΘπ

22 ===⋅=•

(V1.1-2)

auf, dem ein magnetischer Fluss Φ entspricht. Zwischen Hin- und Rückleiter tritt somit eine Induktivität L = Ψ/I = NΦ/I (N = 1) auf, die pro Längeneinheit des Kabels als "Induktivitätsbelag" L´= L/l bezeichnet wird. Ebenso bildet sich auf Grund der

Page 145: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik V.2 Elektrische Energieversorgung

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Spannungsdifferenz zwischen dem Innen- und Außenleiter ein radial gerichtetes E-Feld im Isolator aus und bewirkt, dass Innen- und Außenleiter als Elektroden eines Zylinderkondensators mit der Kapazität C aufgefasst werden können. Diese Kapazität pro Längeneinheit C´= C/l wird "Kapazitätsbelag" genannt. Daher können wir das Verhalten einer beliebigen Übertragungsleitung bei niedrigen Frequenzen beschreiben, indem wir ihre Induktivität pro Längeneinheit L´ und ihre Kapazität pro Längeneinheit C´ angeben. Den Leitungswiderstand und die dielektrischen Verluste im Isolator werden im folgenden vernachlässigt (verlustlose Leitung). Weiter sollen Induktivitäts- und Kapazitätsbelag längs der Leitung zunächst konstant sein (homogene Leitung). Wir können die Leitung als eine Kette von L-C-Schaltungen mathematisch analysieren, indem wir kleine Induktivitäts-Elemente dL = L´·dz in Reihe und kleine Kapazitäten dC = C´·dz parallel schalten. Dabei ist dz ein Längenelement der Leitung (gemessen in m) und z die Längskoordinate längs der Leitungsachse.

Bild V1.1-1: Eine „Elementarzelle“ einer (verlustlosen) elektrischen Leitung enthält Induktivitäts- und Kapazitätsabschnitte Betrachten wir, was an zwei benachbarten Punkten der Übertragungsleitung im Abstand z und z + dz von ihrem Anfang passiert. Nennen wir den Spannungsunterschied zwischen den beiden Leitern u(z) und den Strom im Hin-Leiter i(z), (Bild V1.1-1). Ändern sich der Strom und die Spannung in der Leitung mit der Zeit t, so hängen folglich Strom und Spannung sowohl vom Ort z als auch von der Zeit t ab: u = u(z,t), i = i(z,t). Die Kirchhoff´sche Knoten- und Maschengleichung, angewendet auf die "Elementarzelle" der Leitung längs der Länge dz, führt auf

[ ] ⋅−+−=t

dttzitdzzidzCdt

tzdidzLtzu

0

),(),(´

1),(´),( (V1.1-3)

und

dt

tzdidzLtzutdzzu

),(´),(),( −=−+ . (V1.1-4)

Wird (V1.1-3) nach der Zeit differenziert, so erhalten wir

dz

tzitdzzi

Cdt

tziddzL

dt

tzdu ),(),(

´

1),(´

),(2

2 −+⋅−= . (V1.1-5)

Für den Grenzübergang dz → 0 verschwindet der erste Term der rechten Seite, während der zweite die Ableitung di/dz darstellt.

Page 146: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik V.3 Elektrische Energieversorgung

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

dz

tzdi

Cdt

tzdu ),(

´

1),( ⋅−= (V1.1-6)

Aus (V1.1-4) folgt nach Division durch dz

dt

tzdiL

dz

tzutdzzu ),(´

),(),( ⋅−=−+ (V1.1-7)

und daraus wieder für den Grenzübergang dz → 0

dt

tzdiL

dz

tzdu ),(´

),( ⋅−= . (V1.1-8)

Die Gleichungen (V1.1-6) und (V1.1-8) sind die Grundgleichungen einer verlustlosen Übertragungsleitung. Um anzudeuten, dass u und i von ZWEI Variablen (z, t) abhängen, aber nur jeweils nach EINER variablen differenziert werden, werden diese „partiellen Ab-leitungen“ statt mit dtd /⋅ mit t∂⋅∂ / geschrieben. Die Grundgleichungen (V1.1-6a) und (V1.1-8a) sind partielle Differentialgleichungen.

z

tzi

Ct

tzu

∂∂⋅−=

∂∂ ),(

´

1),( (V1.1-6a)

t

tziL

z

tzu

∂∂⋅−=

∂∂ ),(

´),(

(V1.1-8a)

Differenziert man in (V1.1-6) nach der Zeit t, in (V1.1-8) nach dem Ort z, so kann man i(z,t) eliminieren und erhält nur noch eine Differentialgleichung für u(z,t):

tz

tzi

Ct

tzu

∂⋅∂∂⋅−=

∂∂ ),(

´

1),( 2

2

2

, zt

tziL

z

tzu

∂⋅∂∂⋅−=

∂∂ ),(

´),( 2

2

2

2

2

2

2 ),(´´

),(

t

tzuCL

z

tzu

∂∂⋅=

∂∂

(V1.1-9)

Hätte man umgekehrt in (V1.1-6) nach z, in (V1.1-8) nach t differenziert, so kann man u(z, t) eliminieren und erhält DIESELBE Differentialgleichung für i(z, t):

2

22 ),(

´

1),(

z

tzi

Czt

tzu

∂∂⋅−=

∂⋅∂∂

, 2

22 ),(´

),(

t

tziL

tz

tzu

∂∂⋅−=

∂⋅∂∂

2

2

2

2 ),(´´

),(

t

tziCL

z

tzi

∂∂⋅=

∂∂

(V1.1-10)

Die lineare, partielle Differentialgleichung (V1.1-9), (V1.1-10) heißt eindimensionale Wellengleichung, da räumlich nur eine Dimension (die Wegkoordinate z längs der Leitung) vorkommt. Die Lösung dieser „partiellen“ (= Ableitung partiell nach z und t) Differentialgleichung ist eine Welle (= eine Funktion, die sich räumlich UND zeitlich ändert). Fazit: Für die gleichförmige (homogene) Übertragungsleitung breitet sich die Spannung u (und der Strom i) entlang der Leitung als Welle aus. Die allgemeine Lösungsfunktion der Spannung bzw. des Stroms entlang der Leitung hat die Form (A, B, v: Konstante) einer Überlagerung von zwei Wanderwellen f und g

)()(),( tvzgBtvzfAtzu ⋅+⋅+⋅−⋅= . (V1.1-11)

Page 147: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik V.4 Elektrische Energieversorgung

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Mit )(,)(,)(,)( 22

2

2

22

2

2

2

2

tvzgvt

gtvzg

z

gtvzfv

t

ftvzf

z

f ⋅+′′=∂∂⋅+′′=

∂∂⋅−′′=

∂∂⋅−′′=

∂∂

folgt, eingesetzt in (V1.1-9):

)(2 gBfAvCLgBfA ′′⋅+′′⋅⋅′′=′′⋅+′′⋅ . (V1.1-12)

Diese Gleichung ist nur erfüllt, wenn die Geschwindigkeit v der Wanderwellen

CLv

′′= 1

(V1.1-13)

ist. c) Veranschaulichung der Lösung der Wellengleichung: Wenn f(α) eine beliebige Funktion ist, wobei tvz ⋅−=α ist, so bleibt der Funktionswert (Ordinatenwert) f(α) UNVERÄNDERT, wenn

.konsttvz =⋅−=α (V1.1-14) ist. Nehmen wir z. B. als Funktion f(z - vt) die Cosinus-Funktion cos(z - vt) und stellen sie für die beiden Zeitpunkte t = 0 und t = t1 als Funktion des Ortes z dar (Bild V1.1-2).

Bild V1.1-2: Eine Cosinus-Welle wandert mit der Geschwindigkeit v von der Lage A0 in die Lage A1 (Anmerkung: β = 2π/λ, λ: Wellenlänge) Irgendein Punkt auf der Kurve t = 0 (Ausgangslage A0) bewegt sich unter Beibehaltung seines Ordinatenwerts innerhalb der Zeit t1 um das Wegelement Δz nach rechts (Lage A1). Das Gleichbleiben des Ordinatenwerts bedeutet, dass auch das Argument α der Cosinus-Funktion sich nicht ändert: α = konst = K. Differenziert man nun (V1.1-14) nach der Zeit t, so erkennt man, das v die Geschwindigkeit darstellt, mit der sich die Funktion f in z-Richtung von der Lage A0 in die Lage A1 bewegt.

vvdt

dz

dt

dKv

dt

dz

dt

dtv

dt

dz

dt

dz ====⋅−=⋅−= 01

α (V1.1-15)

Somit bewegen sich alle Punkte auf der Cosinuskurve unter Beibehaltung ihrer Phase mit konstanter Geschwindigkeit v (V1.1-16) von links nach rechts. Der gesamte Kurvenzug bewegt sich – OHNE seine Form zu verändern - mit dieser Geschwindigkeit. Man nennt v die Ausbreitungs- oder Phasengeschwindigkeit der Welle.

Page 148: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik V.5 Elektrische Energieversorgung

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

CLv

′′= 1

(V1.1-16)

Setzt man in f(z - vt) statt z - vt das Argument z + vt, so erhält man analog zu (V1.1-15)

´´

1

CLvv

dt

dzz −=−== , (V1.1-17)

also eine Welle, die von rechts nach links wandert (gegenläufige Welle). Beide Wellenarten sind gemäß (V1.1-13) Lösung der Wellengleichung. Während man eine Welle mit beliebiger Form (Funktion) f(z - vt) eine "Wanderwelle" nennt, entspricht eine Welle mit einer perio-dischen Funktion f(z - vt), wie z. B. der Cosinus-Funktion in Bild V1.1-2 mehr unseren Vor-stellungen einer Welle. Den räumlichen Abstand z.B. zwischen den Maxima der Cosinus-Funktion nennt man dann die Wellenlänge λ. An einem festen Ort z0 ändert sich die Funktion zeitlich periodisch mit cos(z0 - vt). Die Welle wandert um eine Wellenlänge weiter in der Zeit

vT

λ= . (V1.1-18)

Während dieser Zeit hat am Ort z0 die Funktion cos(z0 - vt) eine volle Schwingung durchgeführt. Daher ist die zeitliche Schwingfrequenz f der Welle an festen Orten z0

λλ

⋅=== fvv

Tf

1 . (V1.1-19)

Da Licht eine Form elektromagnetischer Wellen ist, stellt die Geschwindigkeit CL

v′′

= 1 die

Lichtgeschwindigkeit der Welle auf der Leitung dar. In Bild V1.1-2 ist die Wanderwelle in der häufig anzutreffenden Schreibweise )2/2cos()/2/2cos())(cos( tfztvzvtz ⋅−=⋅−=− πλπλπλπβ dargestellt. Einer Wellenlänge λ entspricht dadurch der Wert 2π. Beispiel V1.1-1: Zweidraht-Leitung aus parallelen zylindrischen Leitern (Leiteraußenradius R), Mittenabstand der parallelen Leiterachsen 2a. Die Leiter seien dünn: R << 2a. Beide Leiter bilden einen Zylinderkondensator mit dem Kapazitätsbelag C´ und eine Leiterschleife mit dem Induktivitätsbelag L´ (siehe: Vorlesung "Grundlagen der Elektrotechnik"):

Ra

C2

ln´ 0επ

,

⋅≅

R

aL

2ln´ 0

πμ

. (V1.1-20)

Daraus ergibt sich für die Wellen-Geschwindigkeit die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit ( 12

0 108542.8 −⋅=ε As/(Vm), 70 104 −⋅= πμ Vs/(Am)):

08

00

m/s1099793.21

´´

1c

CLv =⋅===

με . (V1.1-21)

Page 149: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik V.6 Elektrische Energieversorgung

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Für Kupfer-Zweidraht-Leitungen und Koaxial-Kabeln mit PVC-Isolation ist wegen 4≈rε

die Geschwindigkeit kleiner: 2/0cv ≈ .

V1.2 Wellenwiderstand, Reflexion und Brechung Bei Einkopplung eines hochfrequenten elektromagnetischen Feldes in einer Leitung pflanzt sich eine Spannungswelle (V1.1-20) in Drahtrichtung z fort, deren Frequenz f und Wellenlänge λ mit denen des eingekoppelten elektromagnetischen Feldes übereinstimmt. Der Spannung u(z) zwischen den Drähten entspricht eine Ladungsverteilung Q(z) längs der Drähte, deren Verschiebung einen sich wellenförmig ausbreitenden Strom i(z) durch die

Drähte liefert. Setzt man die Spannungswelle ( )vtzUtzu −⋅= cosˆ),( in (V1.1-8) ein, so erhält man für die Stromwelle

)cos(ˆ)cos(´

ˆ)sin(

ˆ),(

),(´)sin(ˆ),(

´),(

vtzIvtzvL

Udtvtz

L

Utzi

dt

tzdiLvtzU

dt

tzdiL

dz

tzdu

−⋅=−⋅⋅

=−′

=

⋅−=−⋅−⋅−=

(V1.2-1a)

Zwischen der Amplitude von Strom- und Spannungswelle (und damit allgemein zwischen u und i) steht als Proportionalitätsfaktor der so genannte Wellenwiderstand UNABHÄNGIG vom Ort z auf der Leitung:

´´

ˆ

ˆ0 C

LvL

I

UZ

′=⋅== (V1.2-2)

Für eine zurücklaufende Spannungswelle erhalten wir für die zugehörige Stromwelle

)cos(ˆ)cos(´

ˆ),( vtzIvtz

vL

Utzi +⋅=+⋅

⋅−= ; (V1.2-1b).

es ändert sich somit das Vorzeichen des Stroms. Wird für die vorlaufende Wellen

VV iZu 0= geschrieben, so gilt für die zurücklaufenden Wellen sinngemäß RR iZu 0−= .

Beispiel V1.2-1: Es wird eine Zwei-Drahtleitung mit parallelen zylindrischen Leitern (Leiteraußenradius R = 3.5 mm, Mittenabstand der parallelen Leiterachsen 2a = 26 mm) verwendet. Die Leiter sind hohl mit dünner Wandstärke d << R. Die Leiter sind dünn: R << 2a: 3.5 mm << 26 mm! Aus (V1.1-20) ergibt sich rechnerisch der Wellenwiderstand 240 Ohm. Die Angabe im Datenblatt lautet 200 Ohm.

240

2ln

0

00 =

⋅=πε

μ Ra

Z Ohm.

Page 150: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik V.7 Elektrische Energieversorgung

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Bild V1.2-1: Brechung und Reflexion einer Wanderwelle an der Stelle z = l Tritt an der Stelle z = l eine Änderung des Wellenwiderstands (von Z0,1 auf Z0,2) durch eine Änderung des Induktivitäts- und/oder Kapazitätsbelags, also eine Inhomogenität auf, so erfolgt dort eine Reflexion und Brechung der Welle. Der reflektierte Wellenanteil ur läuft von der Stelle z = l mit derselben Geschwindigkeit v1 in den Bereich 1 (z < l) zurück, stellt also eine Welle mit negativer Wellengeschwindigkeit dar, deren Größe an der Stelle z = l durch den Reflexionsfaktor r bestimmt ist. Der gebrochene Wellenanteil ub läuft nach der Inhomogenitäts-Stelle z = l weiter in die Richtung der ursprünglichen Wellenausbreitung (Bereich 2: z > l), aber mit geänderter Geschwindigkeit v2, da ja Induktivitäts- und/oder Kapazitätsbelags sich geändert haben. Die Größe der gebrochenen Welle an der Stelle z = l wird durch den Brechungsfaktor b bestimmt. Beispiel V1.2-2: Das Ende der Leitung ("offenes Leitungsende") z = l ist eine Inhomogenität, da der Wellen-widerstand von Z0,1 auf ∞=2,0Z "springt". Vorlaufende und reflektierte Spannungswelle u

und ur haben gleiches Vorzeichen und sind bei z = l gleich groß: 1),(),( =→=⋅== rtlzurtlzur . Der Reflexionsfaktor ist Eins.

Vorlaufende und reflektierte Stromwelle i und ir haben gemäß (V1.2-1 a, b) entgegen-gesetztes Vorzeichen. Die Stromsumme bei z = l ergibt sich in physikalisch richtiger Weise zu Null:

0/)1(),(),(/),(),(,/),(),( 1,01,01,0 =−=+→−== ZrtlitliZtzutziZtzutzi rrr .

Fazit: Zwischen Strom- und Spannungswellen i(z,t) und u(z,t) auf einer Leitung ist der Wellen-widerstand Z0 der Proportionalitätsfaktor: iZu ⋅= 0 . An einer Inhomogenität der Leitung (= Änderung des Wellenwiderstands von Z0,1 auf Z0,2), die die Leitung in die Bereiche 1 und 2 teilt, werden vorlaufende Spannungs- und Stromwellen u und i reflektiert und gebrochen. Es gilt:

iZu ⋅= 1,0 , rr iZu ⋅−= 1,0 , bb iZu ⋅= 2,0 . (V1.2-3)

Im Bereich 1 (z < l) setzt sich die Welle aus der ursprünglichen, vorlaufenden Welle und der reflektierten (zurücklaufenden) Welle zusammen, im Bereich 2 (z > l) ist nur die gebrochene Welle vorhanden. Bereich 1: Bereich 2:

)()(),( 111 tvzutvzutzu r ++−= )(),( 22 tvzutzu b −= (V1.2-4)

[ ] 1,0111 /)()(),( Ztvzutvzutzi r +−−= 2,022 /)(),( Ztvzutzi b −= (V1.2-5)

Page 151: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik V.8 Elektrische Energieversorgung

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

An der Stelle z = l müssen Strom und Spannung stetig sein: u1(l,t) = u2(l,t), i1(l,t) = i2(l,t), da die Energie in Kapazitäts- und Induktivitätsbelag (W´C = C´u2/2, W´L = L´i2/2) sich nicht "sprungartig" ändern kann. z = l:

)()()( 211 tvlutvlutvlu br −=++− (V1.2-6)

[ ] 2,021,011 /)(/)()( ZtvluZtvlutvlu br −=+−− (V1.2-7)

Wird ur(l + v1t) aus (V1.2-6) in (V1.2-7) eingesetzt, erhalten wir ub in Abhängigkeit von u.

)()(2

)( 111,02,0

2,02 tvlubtvlu

ZZ

Ztvlub −⋅=−⋅

+=− (V1.2-8)

Den Faktor b nennt man Brechungsfaktor.

1,02,0

2,02

ZZ

Zb

+= . (V1.2-9)

Wird ub(l – v2t) aus (V1.2-6) in (V1.2-7) eingesetzt, erhalten wir ur in Abhängigkeit von u.

)()()( 111,02,0

1,02,01 tvlurtvlu

ZZ

ZZtvlur −⋅=−⋅

+−

=+ (V1.2-10)

Den Faktor r nennt man Reflexionsfaktor. Durch Vergleich mit (V1.2-9) stellt man fest, dass r = b – 1 ist.

11,02,0

1,02,0 −=+−

= bZZ

ZZr . (V1.2-11)

Der Reflexionsfaktor variiert abhängig vom Verhältnis Z0,2/Z0,1 zwischen 11 ≤≤− r . Beispiel V1.2-3: Wenn die beiden Drahtenden einer Zwei-Draht-Leitung an der Stelle z = l kurzgeschlossen sind, sinkt der Wellenwiderstand Z0,2 auf Null, daher ist r = -1 und b = 0. Es tritt keine gebrochene Welle auf. V1.3 Einschwingvorgänge auf der Leitung Die (verlustlose) Leitung ist gemäß Abschnitt V1.1.1 als Kettenleiter von L- und C-Abschnitten darstellbar und daher eine Serienschaltung verlustloser L-C-Schwingkreise. Wie beim Schwingkreis tritt auch bei der Leitung folglich ein Einschwingverhalten nach dem Einschalten auf (Bild V1.3-1). (1): Wird z. B. Gleichspannung der Größe U aus einer idealen Spannungsquelle (Innen-widerstand Ri ist Null!) an die Klemmen einer an den Enden offenen Zweidrahtleitung geschaltet, so läuft die Spannungswelle mit der Amplitude U von den Klemmen (z = 0) zum Leitungsende (z = l) in der Zeit tp = l/v. Dort tritt Spannungs-Reflexion mit r = 1 auf. Gemäß

Page 152: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik V.9 Elektrische Energieversorgung

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

(V1.2-6), (V1.2-10) verdoppelt sich die resultierende Spannung am Leitungsende auf den Wert 2U:

UUUUrUuruuulzu rres 2)( =+=⋅+=⋅+=+==

(2): Die reflektierte Welle läuft in der Zeit tp zum Leitungsanfang zurück. Am Leitungsende bleibt der resultierende Spannungswert 2U dadurch aufrecht. Wegen der am Leitungsanfang angeschlossenen Spannungsquelle mit Ri = 0 ist die Leitung für die Welle dort kurz geschlossen; es tritt Reflexion mit r = -1 auf. Die Wellenfront kehrt sich von U auf –U um; die Spannung am Eingang sinkt auf U - U = 0:

0)0( =−=⋅+=⋅+=+== UUUrUuruuuzu rres

(3): Die Welle läuft nun mit der Amplitude –U zum Leitungsende in der Zeit tp und wird dort wieder mit r = 1 reflektiert und läuft mit –U zurück. Am Leitungsausgang entsteht durch diese Reflexion aus –U der Wert –2U, da sich einfallende und reflektierte Welle überlagern. Diese Spannung ergibt mit der vorher noch vorhandenen Spannung 2U den resultierenden Wert Null: -2U + 2U = 0.

02222)0( =+−=⋅+=⋅+=+== UUUrUuruuuzu rres

(4): Die mit –U in der Zeit tp zurücklaufende Welle wird am Eingang wegen r = -1 auf U reflektiert, so dass am Leitungsanfang die Spannung unverändert U ist. Die Spannungswelle läuft wie im Zeitabschnitt (1) mit der Amplitude U zum Leitungsende. Damit ist in der Zeit

CLlClLCLlv

ltT p ⋅⋅=⋅⋅⋅⋅=⋅⋅=⋅== 4´´4´´444 (V1.3-1)

ein vollständiger Zyklus durchlaufen. Am Ausgang und Eingang der Leitung tritt eine "Rechteck"-Schwingung mit der Frequenz (Eigenfrequenz der Leitung)

LCfd

4

1= (V1.3-2)

auf. Die Amplitude dieser Schwingung ist U, wobei am offenen Leitungsende eine Spannungsüberhöhung durch Reflexion als Verdopplung 2U auftritt. Fazit: Im Vergleich zum verlustlosen L-C-Serienschwingkreis ist die Eigenschwingung der Leitung (L-C-Kettenleiter) nicht mehr sinusförmig, sondern rechteckförmig. Die Eigenfrequenz ist nicht mehr )2/(1 LCfd π= , sondern )4/(1 LCfd = . Bei der realen Leitung klingt die Eigenschwingung aus zwei Gründen ab: (1) Der Betrag des Reflexionsfaktors ist kleiner als 1, so dass durch fortgesetzte Reflexion die Amplitude der reflektierten Wellen abnimmt. (2) Die Leitung ist nicht verlustfrei, so dass während des Ausbreitungsvorgangs auf der Leitung deren Amplitude sinkt.

Page 153: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik V.10 Elektrische Energieversorgung

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Bild V1.3-1: Einschwingvorgang auf einer verlustlosen, homogenen Leitung mit offenem Leitungsende Oben: Leitung, darunter: Wellenausbreitung, unten: Spannungszeitverlauf am Anfang und Ende der Leitung V1.4 Erzwungene Schwingungen und Wellen auf der Leitung – Stehende Wellen a) Physikalisches Phänomen und dessen Erklärung: Wird am Leitungsanfang eine Wechselspannung mit fester Amplitude U und Frequenz f eingeprägt, so bildet sich nach dem Abklingen des Einschwingvorgangs auf der Leitung der "eingeschwungene" Zustand aus. Das sind stehende Strom- und Spannungswellen, die mit der Frequenz f pulsieren und deren Wellenlänge gemäß (V1.1-19) bestimmt ist. Diese stehenden Wellen ändern die räumliche Lage der Wellenknoten und Wellenbäuche NICHT. Wellenknoten: Die Größe (Elongation) von Strom bzw. Spannung ist Null: i = 0 bzw. u = 0. Wellenbauch: Die Größe (Elongation) von Strom bzw. Spannung ist maximal. Am Ort der Spannungsknoten sind Strombäuche, am Ort der Stromknoten treten Spannungs-bäuche auf (räumliche Phasenverschiebung zwischen i(z) und u(z) um eine Viertel-Wellenlänge). Strom- und Spannungsschwingung sind auch um eine Viertel-Schwingungs-periode phasenverschoben: Wenn die Spannungswelle sich mit maximalen Ausschlägen ausbildet, ist die Stromwelle in diesem Moment Null.

Page 154: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik V.11 Elektrische Energieversorgung

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Die stehenden Wellen entstehen durch die Überlagerung der einlaufenden (+z) und an den Leitungsenden reflektierten (-z) Strom- und Spannungswellen. Beispiel V1.4-1: Eine am Ende offene Leitung wird aus einer idealen Stromquelle am Eingang gespeist (Innenwiderstand der Stromquelle unendlich groß). So erhält man die "beidseitig offene" Leitung. Die Entstehung der stehenden Wellen aus der einlaufenden und reflektierten Welle ist in Bild V1.4-1 für unterschiedliche Zeitpunkte graphisch dargestellt. Die Speise-Frequenz f der Quelle ist so hoch gewählt, dass die Wellenlänge der stehenden Wellen genau die halbe Leitungslänge l/2 beträgt. Diese resultierende stehende Welle (fette Linie) verändert die Lage ihrer Schwingungsbäuche (B) und Knoten (K) nicht; sie pulsiert mit der Frequenz f = 1/T, wandert aber nicht.

Bild V1.4-1: Entstehung einer stehenden Welle durch Überlagerung einer hin- und rücklaufenden Welle bei beidseitig offenen Leitungsenden Fazit: Werden zwei in entgegen gesetzter Richtung laufende, sonst aber gleichartige Wellen überlagert, so entsteht eine stehende Welle. Der Abstand zweier Knoten ist gleich der halben Wellenlänge der fortschreitenden Welle. Sind die Drahtenden jedoch durch einen Ohm´schen Widerstand verbunden, der dem Wellenwiderstand der Leitung entspricht (Z = R = Z0), so tritt keine Inhomogenität auf, und es findet keine Reflexion statt. Es ist r = 0. Da keine zurücklaufende Welle entsteht, bildet sich keine stehende Welle aus.

Page 155: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik V.12 Elektrische Energieversorgung

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Fazit: Bei Abschluss der Leitung mit dem Wellenwiderstand treten keine Reflexionen und keine stehenden Wellen auf. Beispiel V1.4-2: Eine Zwei-Draht-Leitung ist l = 88 cm lang. Mit welcher Frequenz muss gespeist werden, damit sich an der am Ende offenen Leitung eine stehende Welle mit der Wellenlänge

l⋅= 5/4λ ausbildet? Antwort: Die Wellengeschwindigkeit ist gemäß (V1.1-21) v = c0 (Vakuum-Lichtgeschwindigkeit).

88.4251088.42588.0

5

4109979.2

5

4/ 6

80

0 =⋅=⋅

⋅=== Hzl

ccf λ MHz.

Beispiel V1.4-3: Wie lang muss die Zwei-Draht-Leitung sein, damit sich bei Speisung mit Netzfrequenz 50 Hz eine stehende Spannungswelle mit der Wellenlänge l=λ ausbilden kann? Antwort:

38

0 10599650

109979.2/ ⋅=⋅=== fcll λ m ≅ 6000 km (!)

Fazit: Die Wellennatur der Ausbreitung elektromagnetischer Signale ist erst bei hohen Frequenzen bzw. sehr großen Distanzen (= sehr großen Leitungslängen) bemerkbar. Es wird mit einem Hochfrequenz-Sender 433.93 MHz gearbeitet, der Wellen mit Wellenlängen im Dezimeter-Bereich erzeugt (bei Lichtgeschwindigkeit c0: λ = 69 cm). b) Mathematisches Modell: Bei zeitlich sinusförmiger Anregung (Kreisfrequenz ω = 2πf) kann die Leitungsgleichung (V1.1-9)

2

2

2

22

t

u

z

uv

∂∂=

∂∂

(V1.4-1)

mit komplexer Rechnung gelöst werden:

{ })(ˆRe)cos(ˆ)/2cos(ˆ)cos(ˆ),( tzjeUtzUtzUvtzUtzu ωβωβωλπ +−=−⋅=−⋅=−=

{ } { }tjtzj ezUeU ωωβ )(ReˆRe )( =+− (V1.4-2) Einsetzen von U(z)·exp(jωt) in (V1.4-1) ergibt

0)()(

)()()( 2

2

222

2

22 =+= zU

dz

zUdvzUj

dz

zUdv ωω . (V1.4-3)

Page 156: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik V.13 Elektrische Energieversorgung

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Das ist eine lineare Differentialgleichung zweiter Ordnung mit konstanten (komplexen) Koeffizienten für U(z), die mit dem Exponentialansatz mit (komplexen) Konstanten gelöst wird:

zkzk eCeCzU 2121)( += . (V1.4-4)

Wird allgemein zke in (V1.4-3) eingesetzt, erhalten wir

0222 =⋅+⋅⋅ zkzk eekv ω bzw.

λπ

λπω 22

2,1

2

2

22 jk

vk ±=

−=−= (V1.4-5)

und – eingesetzt in (V1.4-4) - mit (V1.4-2) die Lösung

{ })/2(2

)/2(1Re),( tzjtzj eCeCtzu ωλπωλπ +−+ += . (V1.4-6)

Die Lösung besteht aus einer Überlagerung einer vor- und einer zurücklaufenden Welle mit der Wellenlänge fv /=λ .

Vorlaufende Welle: { } )/2cos(~Re )/2(2 tzeC tzj ωλπωλπ −+−

Zurücklaufende Welle: { } )/2cos(~Re )/2(1 tzeC tzj ωλπωλπ ++

Mit (V1.1-8) wird die zugehörige Lösung für den Strom { }tjezItzi ω)(Re),( = berechnet:

)(´)(),(

´),(

zILjdz

zUd

dt

tzdiL

dz

tzdu ⋅⋅−=⋅−= ω . (V1.4-9)

( ))/2(2

)/2(1´

/2)( tzjtzj eCeC

LzI ωλπωλπ

ωλπ +−+ −⋅= . (V1.4-10)

Der Ausdruck 0

1

´

´

´

´´

´

1

´

1

´

/2

ZL

C

L

CL

vLfLL=====

λωλπ

zeigt wieder, dass zwischen Strom-

und Spannungsamplitude der Wellenwiderstand als Proportionalitätsfaktor auftritt. Beispiel V1.4-4: Am Ende offene Zweidraht-Leitung bei z = l: i(l) = 0: I(l)=0

Am Leitungsanfang wird die Wechselspannung tUtzu ωcosˆ),0( == eingespeist: UU ˆ)0( = Aus diesen Randbedingungen werden die Konstanten C1, C2 bestimmt:

I(l)=0: 0)/2(2

/21 =− − λπλπ ljlj eCeC (V1.4-11)

UU ˆ)0( = : UCC ˆ21 =+ (V1.4-12)

Aus diesem linearen Gleichungssystem können z. B. mit der Cramer´schen Regel die beiden

Unbekannten C1, C2 berechnet werden. Es folgt mit der Umformung aee jaja cos2=+ −

Page 157: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik V.14 Elektrische Energieversorgung

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

)/2cos(2ˆ

/2

1 λπ

λπ

l

eUC

lj

⋅⋅⋅=

⋅⋅−,

)/2cos(2ˆ

/2

2 λπ

λπ

l

eUC

lj

⋅⋅⋅=

⋅⋅ . (V1.4-13)

Einsetzen von C1, C2 in (V1.4-4) und (V1.4-10) ergibt mit der Umformung

ajee jaja sin2=− − die Lösungen

−⋅

⋅=

λπ

λπ

l

lzUzU

2cos

)(2

cosˆ)( ,

−⋅

⋅=

λπ

λπ

l

lzU

Z

jzI

2cos

)(2

sinˆ)(

0 . (V1.4-14)

Mit (V1.4-2) erhalten wir über die Realteilbildung die Lösungen im Zeitbereich

tl

lzUtzu ω

λπ

λπ

cos2

cos

)(2

cosˆ),( ⋅

−⋅

⋅= , (V1.4-15)

tl

lz

Z

Utzi ω

λπ

λπ

sin2

cos

)(2

sinˆ),(

0⋅

−⋅

⋅−= . (V1.4-16)

Die Lösungen (V1.4-15), (V1.4-16) zeigen: - Es treten KEINE Wanderwellen F(2π/λ-ωt) auf, sondern STEHENDE Wellen, - Strom und Spannung pulsieren zeitlich mit der Frequenz f = ω/(2π), - Strom und Spannung sind räumlich um eine Viertel-Wellenlänge verschoben, - Strom und Spannung schwingen zeitlich um 90° phasenversetzt (= eine Viertel-Schwingungsperiode T/4, T = 1/f). Eigenschaften bei Niederfrequenz: Bei sehr niedrigen Frequenzen wird wegen fcv ⋅== λ0 die Wellenlänge sehr groß. Das

Verhältnis ( ) λ/lz − wird für lz ≤≤0 bei großen Wellenlängen sehr klein: ( ) 0/ →− λlz .

Dann wird aus (5.3.4-15) tUtUtzu ωω cosˆcos0cos

0cosˆ),( ⋅=⋅⋅= : Es ist keine Änderung von U

längs der Leitung feststellbar. Das Wellenphänomen verschwindet. Aus (V1.4-16) wird

0sin0cos

0sinˆ),(

0=⋅⋅−= t

Z

Utzi ω : Es kann wegen der am Ende offenen Leitung kein Strom

fließen. In Bild V1.4-2 ist die Lösung graphisch für den Fall dargestellt, dass die speisende Frequenz so bemessen ist, dass die Wellenlänge λ der stehenden Welle 4/5 der Leitungslänge l beträgt. Es sind die vier Zeitpunkte t = 0, T/4, T/2 und 3T/4 dargestellt.

Page 158: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik V.15 Elektrische Energieversorgung

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Bild V1.4-2: Stehende Strom-/Spannungswelle und zugehöriges elektrisches und magnetisches Feld E und H auf einer am Ende offenen Zweidraht-Leitung mit der Länge l =5/4.λ für die vier Zeitpunkte t = 0, T/4, T/2 und 3T/4 Bei maximaler Spannungsamplitude (Zeitpunkte t = 0, T/2) ist das E-Feld zwischen den beiden Leitern voll ausgebildet und dort maximal, wo die Spannungswelle Bäuche hat (Sitz der positiven und negativen Ladungen), und dort Null, wo die stehende Spannungswelle Knoten hat. Der Strom ist in den beiden Leitern zu diesen Zeitpunkten Null. Zu den Zeiten t = T/4 und 3T/4 ist die Spannung und damit des E-Feld Null. Von den Punkten maximalen Potentials (positiver Spannungsbauch) fließen die Ladungen als elektrischer Strom zu den Punkten minimalen Potentials (negativer Spannungsbauch) und erregen ein magnetisches H-Feld, das sich um die Leiter schließt. V1.5 Resonanz Wie beim Reihen- oder Parallelschwingkreis tritt auch bei der Leitung Resonanz auf, wenn die Speisefrequenz f mit der Eigenfrequenz fd der Leitung übereinstimmt.

l

v

lCLff d 4´´4

1 =⋅⋅

== (V1.5-1)

Page 159: Energietechnik Deckblatt 2019 - ew.tu-darmstadt.de · Motivation: Warum Energietechnik lernen? E5. Energieeinheiten E6. Schlüsseltechnologie „Elektrische Energietechnik“

Energietechnik V.16 Elektrische Energieversorgung

TU Darmstadt Institut für Elektrische Energiewandlung

Wird dies in (V1.4-15), (V1.4-16) eingesetzt, so wird deren Nenner Null, d.h. die Amplituden von Strom und Spannung werden theoretisch unendlich groß.

0)2/cos())4/(2cos())//(2cos()/2cos( ==== πππλπ llfvll (V1.5-2) Auf Grund der Verluste ist die Resonanzüberhöhung der Amplituden endlich groß. Aus (V1.5-1,2) folgt, dass bei Resonanz die Bedingung

4/2

2 λπλπ == l

l (V1.5-3)

erfüllt ist. Natürlich wird 0)/2cos( =λπl auch bei ,4/5,4/3,4/ λλλ=l , so dass auch bei kürzeren Wellenlängen und entsprechend höheren Frequenzen Resonanz gegeben ist. In der Energietechnik ist die Leitungslänge bei 50 … 60 Hz meist kleiner als 16/λ=l , so dass keine Resonanz auftritt. Ein Exkurs: Die Lecher-Leitung Eine Zwei-Draht-Leitung aus parallelen Hin- und Rückleitern nennt man Lecher-Leitung. Als Isolator fungiert die Luft zwischen den beiden Leitern. Aus berechnetem Induktivitäts- und Kapazitätsbelag ergibt sich als Ausbreitungsgeschwindigkeit etwa die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum. Mit Hilfe eines Spannungsmessers (hochohmiger Eingang) kann man sehr einfach zwischen Hin- und Rückleiter die Spannung u in Abhängigkeit des Orts z und damit die Lage der Spannungsbäuche und –knoten messen, indem man an die Ausgangsklemmen des Spannungsmessers entweder eine Anzeige oder eine Glühlampe anbringt. Setzt man eine Induktionsschleife in die Nähe der Leitung (ohne die Leitung zu berühren), so induziert das vom Strom i erregte H-Feld in die Schleife eine Spannung. Bei niederohmigem Abschluss der Schleife (Glühlampe) ist der in der Schleife fließende Strom direkt proportional dem Strom i, so dass die Lage der Bäuche und Knoten der stehenden Stromwelle z. B. über die Helligkeit der Glühlampe gemessen werden kann. Die Helligkeit ist zur Verlustleistung in der Glühlampe p = i2R bzw. p = u2/R direkt proportional. Die Maxima der Helligkeit treten somit beim Strom- bzw. Spannungsbauch auf. Bei offenen Leitungsenden werden mit der Glühlampe bzw. einem Spannungsmesser die Lage der Spannungsbäuche (Glühlampe leuchtet maximal) und -knoten (Glühlampe bleibt dunkel) ermittelt. Anschließend wird dies mit der Induktionsschleife und angeschlossener Glühlampe wiederholt, um die Lage der Bäuche und Knoten des Stroms zu messen. Bäuche und Knoten von Strom und Spannung sind um eine Viertel-Wellenlänge zueinander verschoben. Am offenen Ende ist z. B. die Spannung maximal, der Strom aber Null. Biegt man eine Zweidrahtleitung zu einer flachen dipolartigen Schleife (Schleifendipol), so hat diese bei gleichem Drahtdurchmesser und Drahtabstand als Eingangswiderstand denselben Wellenwiderstand wie die Lecher-Leitung. Mit diesem Schleifendipol kann die Lecher-Leitung reflexionsfrei abgeschlossen werden. Im Versuch werden zum Nachweis der refelexionsfreien Ausbreitung auf der Lecher-Leitung mit Schleifendipol nacheinander ein Tastkopf mit Glühlampe und eine Induktionsschleife mit Glühlampe in festem Abstand über die Lecher-Leitung geführt. Beide Glühlampen leuchten gleichmäßig, d.h. es gibt keine ausgeprägten Spannungs- oder Strommaxima auf der Lecher-Leitung.