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75 5 Kernkraftwerke Die Nutzung der Kernenergie ist untrennbar mit dem Element Uran verknüpft. Da die Um- wandlung eines Elements in ein anderes auf chemischem Weg nicht möglich ist, muss das heute vorhandene Uran durch kosmische Prozesse vor Entstehung der Erde entstanden sein. Reines Uran ist ein silberweiß glänzendes, relativ weiches Schwermetall. In der Elementhäu- figkeit steht Uran vor Gold, Silber oder Quecksilber. Natürlich auftretendes Uran besteht zu etwa 99,27 % aus dem Isotop U-238 und zu 0,72 % aus U-235, in Spuren kommen die Isotope U-234 und U-236 vor. Das Isotopenverhältnis der Uran- isotope ändert sich im Laufe der Zeit aufgrund ihrer unterschiedlichen Halbwertszeiten; so hat U-238 eine Halbwertszeit von ca. 4,5 Milliarden Jahren, U-235 hingegen eine von gut 700 Millionen Jahren. In der Kerntechnik ist auch das aus dem Thoriumisotop Th-232 erbrütete U- 233 mit einer Halbwertszeit von knapp 160.000 Jahren von Bedeutung. Das Element Thorium kommt häufiger vor als Uran. Ähnlich wie heute von der Kernfusion versprach sich die Menschheit nach der ersten erfolgrei- chen, kontrolliert ablaufenden, sich selbst erhaltenden Kernspaltung in einer Sporthalle der Universität Chicago (Chicago Pile N o 1) am 02. Dezember 1942 unter Enrico Fermis Leitung eine quasi unversiegbare Energiequelle. In kürzester Zeit wurden zahlreiche Kernkraftwerksty- pen entwickelt. Das weltweit erste Kernkraftwerk, das Strom in ein öffentliches Stromnetz einspeiste, war das Kernkraftwerk Obninsk in der früheren Sowjetunion, das am 26. Juni 1954 seinen Betrieb aufnahm. Das erste marktnahe deutsche Kernkraftwerk zur Stromerzeugung wurde 1961 in Kahl mit 15 MW el in Betrieb genommen. Der älteste in Deutschland noch be- triebene Kernreaktor steht im bayrischen Grafenrheinfeld mit 1275 MW Nettoleistung, der sich seit 1982 im kommerziellen Betrieb befindet. Die fast 450 Reaktorblöcke decken weltweit zurzeit ca. 15 % des Strombedarfs. Fern- und Prozesswärmenutzung spielen bisher kaum eine Rolle. Ca. 120 Reaktorblöcke wurden bisher aus verschiedenen Gründen außer Betrieb ge- nommen. Nach den schweren Störfällen in mehreren Blöcken des japanischen Kernkraftwerks Fukushi- ma am 11. März 2011 hat die deutsche Politik in Einklang mit einer breiten Mehrheit der Be- völkerung den vollständigen Ausstieg aus der Kerntechnik beschlossen. Mit dieser Entschei- dung beschreitet Deutschland im internationalen Rahmen einen Sonderweg. Zwar sind einige Neubaupläne z. B. in der Schweiz und den Niederlanden gestoppt worden, doch werden auch in Europa (u.a. Finnland, Großbritannien und Litauen) Neubauprojekte vorangetrieben. Selbst in Japan ist im Juli 2012 der erste Kernreaktor wieder ans Netz gegangen. Gerade im pazifi- schen Raum setzen zahlreiche Länder auf die Kerntechnik, um ihren wachsenden Energiebe- darf mit zunehmendem Kernenergieanteil zu decken. In den USA hingegen setzt man wiede- rum auf eine andere Strategie, dort ist seit langer Zeit kein neues Kernkraftwerksprojekt in Angriff genommen worden. 1 Vielmehr ist die Laufzeit von mehr als 60 Reaktoren von ur- sprünglich 40 Jahren auf 60 Jahre Betriebszeit verlängert worden. Die Gründe für die unter- 1 Doch nach der jüngsten US-amerikanischen Regierungsentscheidung, zwei Bürgschaften für die Investitionskosten zu übernehmen, nimmt ein Projekt für eine neue Doppelblockanlage im US-Staat Georgia konkrete Formen an. Für Vogtle-3 und -4 (AP1000) wurde im Februar 2012 von der Nuclear Regulatory Commission (NRC) eine Combined Construction and Operating License (COL) erteilt. H.-J. Allelein et.al., Energietechnik DOI 10.1007/978-3-8348-2279-6_5, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

Energietechnik || Kernkraftwerke

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5 Kernkraftwerke

Die Nutzung der Kernenergie ist untrennbar mit dem Element Uran verknüpft. Da die Um-wandlung eines Elements in ein anderes auf chemischem Weg nicht möglich ist, muss das heute vorhandene Uran durch kosmische Prozesse vor Entstehung der Erde entstanden sein. Reines Uran ist ein silberweiß glänzendes, relativ weiches Schwermetall. In der Elementhäu-figkeit steht Uran vor Gold, Silber oder Quecksilber. Natürlich auftretendes Uran besteht zu etwa 99,27 % aus dem Isotop U-238 und zu 0,72 % aus U-235, in Spuren kommen die Isotope U-234 und U-236 vor. Das Isotopenverhältnis der Uran-isotope ändert sich im Laufe der Zeit aufgrund ihrer unterschiedlichen Halbwertszeiten; so hat U-238 eine Halbwertszeit von ca. 4,5 Milliarden Jahren, U-235 hingegen eine von gut 700 Millionen Jahren. In der Kerntechnik ist auch das aus dem Thoriumisotop Th-232 erbrütete U-233 mit einer Halbwertszeit von knapp 160.000 Jahren von Bedeutung. Das Element Thorium kommt häufiger vor als Uran. Ähnlich wie heute von der Kernfusion versprach sich die Menschheit nach der ersten erfolgrei-chen, kontrolliert ablaufenden, sich selbst erhaltenden Kernspaltung in einer Sporthalle der Universität Chicago (Chicago Pile No 1) am 02. Dezember 1942 unter Enrico Fermis Leitung eine quasi unversiegbare Energiequelle. In kürzester Zeit wurden zahlreiche Kernkraftwerksty-pen entwickelt. Das weltweit erste Kernkraftwerk, das Strom in ein öffentliches Stromnetz einspeiste, war das Kernkraftwerk Obninsk in der früheren Sowjetunion, das am 26. Juni 1954 seinen Betrieb aufnahm. Das erste marktnahe deutsche Kernkraftwerk zur Stromerzeugung wurde 1961 in Kahl mit 15 MWel in Betrieb genommen. Der älteste in Deutschland noch be-triebene Kernreaktor steht im bayrischen Grafenrheinfeld mit 1275 MW Nettoleistung, der sich seit 1982 im kommerziellen Betrieb befindet. Die fast 450 Reaktorblöcke decken weltweit zurzeit ca. 15 % des Strombedarfs. Fern- und Prozesswärmenutzung spielen bisher kaum eine Rolle. Ca. 120 Reaktorblöcke wurden bisher aus verschiedenen Gründen außer Betrieb ge-nommen. Nach den schweren Störfällen in mehreren Blöcken des japanischen Kernkraftwerks Fukushi-ma am 11. März 2011 hat die deutsche Politik in Einklang mit einer breiten Mehrheit der Be-völkerung den vollständigen Ausstieg aus der Kerntechnik beschlossen. Mit dieser Entschei-dung beschreitet Deutschland im internationalen Rahmen einen Sonderweg. Zwar sind einige Neubaupläne z. B. in der Schweiz und den Niederlanden gestoppt worden, doch werden auch in Europa (u.a. Finnland, Großbritannien und Litauen) Neubauprojekte vorangetrieben. Selbst in Japan ist im Juli 2012 der erste Kernreaktor wieder ans Netz gegangen. Gerade im pazifi-schen Raum setzen zahlreiche Länder auf die Kerntechnik, um ihren wachsenden Energiebe-darf mit zunehmendem Kernenergieanteil zu decken. In den USA hingegen setzt man wiede-rum auf eine andere Strategie, dort ist seit langer Zeit kein neues Kernkraftwerksprojekt in Angriff genommen worden.1 Vielmehr ist die Laufzeit von mehr als 60 Reaktoren von ur-sprünglich 40 Jahren auf 60 Jahre Betriebszeit verlängert worden. Die Gründe für die unter-

1 Doch nach der jüngsten US-amerikanischen Regierungsentscheidung, zwei Bürgschaften für die Investitionskosten zu übernehmen, nimmt ein Projekt für eine neue Doppelblockanlage im US-Staat Georgia konkrete Formen an. Für Vogtle-3 und -4 (AP1000) wurde im Februar 2012 von der Nuclear Regulatory Commission (NRC) eine Combined Construction and Operating License (COL) erteilt.

H.-J. Allelein et.al., Energietechnik DOI 10.1007/978-3-8348-2279-6_5, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

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76 5 Kernkraftwerke

schiedlichen Entscheidungen hängen zum einen von der Möglichkeit ab, eine Investition von etwa 5 Milliarden US-Dollar zu tätigen, zum anderen von nationalen gesellschaftlichen Gege-benheiten. Mit diesem Kapitel wird nicht angestrebt, alle in einem Kernkraftwerk ablaufenden Prozesse und alle Konzepte detailliert darzustellen, vielmehr sollen die kerntechnischen Grundlagen in einem ersten Abriss zum Verständnis dieser – gerade wegen im Raum stehender ernst zu neh-mender Herausforderungen – ingenieurtechnisch höchst anspruchsvollen Technologie und der für die Energiewirtschaft wichtigen Informationen vorgestellt werden.

5.1 Kerntechnische Grundlagen Ohne auf kernphysikalische Details einzugehen, sind im Folgenden die Grundlagen für das Verständnis der zentralen Phänomene und Prozesse in Kernreaktoren dargestellt. Umfassende-re Darstellungen finden sich in [5.1] und [5.2].

5.1.1 Kernreaktionen Das exakte Verständnis der bei Kernreaktionen ablaufenden Prozesse liefert die Quantentheo-rie, doch zur Erläuterung der Kernspaltung genügt das Bohrsche Atommodell, das am Beginn der Quantenphysik steht. Danach besteht ein Atom aus positiv geladenen Protonen p+ und negativ geladenen Elektronen e-. 1932 konnte Chadwick nachweisen, dass ein Atomkern neben Protonen auch aus ladungsneutralen Neutronen besteht (einzige Ausnahme: das häufigste Was-serstoffisotop 1H). Protonen und Neutronen werden deshalb zusammenfassend Nukleonen genannt. Ein Atomkern aus Protonen und Neutronen ist von einer Elektronenhülle mit negati-ver Ladung umgeben. Ein nach außen neutral wirkendes Atom enthält die gleiche Anzahl an Protonen und Elektronen. Während bei chemischen Reaktionen nur die Elektronenhülle beteiligt ist, verändern Kernreak-tionen den Atomkern. Eine Kernreaktion ist ein physikalischer Prozess, bei dem ein Atomkern durch den Zusammenstoß mit einem anderen Atomkern oder Teilchen in einen andersartigen Atomkern und/oder freie Nukleonen umgewandelt wird. Modifikationen des Kerns wirken sich zwangsläufig auf die Elektronenhülle aus, doch sind diese Auswirkungen hier energetisch vernachlässigbar. Kernreaktionen werden analog zu chemischen Gleichungen formuliert, wo-bei zusätzlich die Summe von Protonen und Neutronen, die einen bestimmten Atomkern bil-den, als Massenzahl A wichtig ist, um ein Isotop zu charakterisieren:

23592 U bzw. U-235 A

Z Element bzw. Element-A; Z Ordnungszahl (Anzahl Protonen)

Die Differenz A-Z gibt also die Anzahl der Neutronen eines Kerns an. Als Beispiel für eine natürlich ablaufende Kernreaktion wird hier die Umwandlung von Stick-stoff in Kohlenstoff in den oberen Schichten der Erdatmosphäre betrachtet. Wenn kosmische Strahlung auf Atome der Erdatmosphäre trifft, werden durch den sog. Spallationsprozess freie Neutronen gebildet. Trifft ein solches Neutron auf den Kern des Stickstoff-Isotops 14N, so kann die Kernreaktion

147 N + n 14

6C + p Gl. 5.1

stattfinden, bei der der Stickstoffkern ein Neutron n einfängt und dafür ein Proton p abspaltet. Das Kohlenstoffisotop 14

6 C ist im Gegensatz zu den beiden anderen in der Natur vorkommen-

Page 3: Energietechnik || Kernkraftwerke

5.1 Kerntechnische Grundlagen 77

den Isotopen (126C und 13

6C) instabil und zerfällt mit einer Halbwertszeit von ca. 5730 Jahren. 146C ist die Basis der sog. Radiokohlenstoffdatierung, die in der archäologischen Altersbe-

stimmung wichtig ist. Die Halbwertszeit gibt an, in welchem Zeitintervall die Hälfte der zum Zeitpunkt t0 (t = 0) vorhandenen Anzahl bzw. Masse eines Atoms durch die verschiedenen Zerfallsprozesse in andere Atome umgewandelt wird. Eine einfache Differentialgleichung beschreibt die Zer-fallskinetik mit der Zerfallskonstanten und der noch vorhandenen Anzahl N (bzw. Masse) instabiler Atomkerne entsprechend

dN = - Ndt Gl. 5.2a

mit der Lösung N(t) = No . exp (- ·t) Gl. 5.2b

Gemäß ihrer Definition ergibt sich die Halbwertszeit aus ½ No = No . exp (- ·T½) zu T½ = (ln 2)/ 0,6931/ Gl. 5.3

Bezüglich der Zerfallsprozesse unterscheidet man drei Arten: Alphazerfall: Ein Atomkern stößt einen Heliumkern mit etwa 5 % bis 10 % der Lichtge-

schwindigkeit aus. Dadurch verliert der aussendende Kern zwei Protonen und zwei Neutro-nen; die Massenzahl (Nukleonenzahl) verringert sich also um 4, die Ordnungszahl (Proto-nenzahl) um 2.

Betazerfall (genauer Beta-Minus-Zerfall): Ein Atomkern stößt ein Elektron mit beinahe Lichtgeschwindigkeit aus. Da Atomkerne aus Protonen und Neutronen bestehen, lässt sich dieser Vorgang nur durch eine Umwandlung von Nukleonen erklären. Ein Neutron des ur-sprünglichen Atomkerns verwandelt sich in ein Proton, ein Elektron und ein Anti-Elektron-Neutrino2. Die Massenzahl (Nukleonzahl) bleibt unverändert, während sich die Ordnungs-zahl (Protonenzahl) um 1 erhöht.

Gammazerfall: Ein Atomkern geht von einem höheren Energieniveau in ein tieferes über, wobei sich die Zusammensetzung aus Protonen und Neutronen nicht ändert.

Bei schweren Atomkernen kommt es häufig vor, dass der beim radioaktiven Zerfall entstehen-de Tochterkern erneut zerfällt, der dabei entstehende Kern wieder und so weiter, bis nach etli-chen Zerfallsprozessen schließlich ein stabiler Atomkern als Endprodukt entsteht. Man spricht in diesem Fall von einer Zerfallsreihe. Da sich bei einem Zerfall die Massenzahl entweder um 4 verringert oder gleicht bleibt, ergibt sich bei den Atomkernen derselben Zerfallsreihe beim Dividieren der Massenzahl durch 4 stets der gleiche Rest (0, 1, 2 oder 3). Dementsprechend gibt es vier Zerfallsreihen, wobei allerdings eine davon (die Neptunium-Reihe) heute nur künstlich hergestellte Atomkerne umfasst, zu Zeiten der frühen Erdgeschichte jedoch natürlich vorkam. Diese natürliche Zerfallsreihe ist nicht mehr nachzuweisen, da das langlebigste Glied dieser Reihe eine verglichen mit dem Erdalter geringe Halbwertszeit besitzt [5.3]. Thorium-Reihe (Massenzahlen der Form 4 n) Neptunium-Reihe (Massenzahlen der Form 4 n + 1)

2 Neutrinos sind elektrisch neutrale Elementarteilchen, die den Energie- und Impulserhalt sicherstellen.

Im vorliegenden Zusammenhang ist wichtig, dass ihre Wechselwirkungswahrscheinlichkeit äußerst gering ist.

Page 4: Energietechnik || Kernkraftwerke

78 5 Kernkraftwerke

Uran-Radium-Reihe (Massenzahlen der Form 4 n + 2) Uran-Actinium-Reihe (Massenzahlen der Form 4 n + 3)

Beispielhaft ist in Bild 5.1 die Uran-Actinium-Reihe dargestellt. Hierbei sind Zerfallspfade (inklusive Tochternuklide) mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit <5% mit dünnen Linien einge-zeichnet.

Bild 5.1: Uran-Actinium-Reihe

Bei allen Kernreaktionen bleiben Masse, Energie und Ladung erhalten. Die biologische Wirkung radioaktiver Strahlung beruht auf ihrer Eigenschaft, durch Energie-übertragung Atome oder Moleküle zu ionisieren oder den Energiezustand der Elektronenhülle zu erhöhen [5.4]. Geladene Kernteilchen (Protonen, -, --Strahlung) treten unmittelbar mit den Elektronen in Wechselwirkung, während die -Strahlung durch Photoeffekt Elektronen auf eine höhere Energieschale heben oder durch Compton- und Paarbildungseffekte --Strahlung erzeugen kann. Neutronen können ihre kinetische Energie bei Zusammenstößen an Atome abgeben und indirekt ionisieren. Der Körper nimmt Moleküle und Atome nach ihren chemischen Eigenschaften auf und unter-scheidet nicht zwischen stabilen Atomen und deren strahlenden, ionisierenden Isotopen. Ionen und ionisierte Atome bzw. Moleküle spielen in Lebewesen beim Stoffwechsel und Zellaufbau eine große Rolle. Werden durch äußere Strahleneinwirkung unkontrolliert Ionen erzeugt, wird das biologische Gleichgewicht gestört oder es kommt zur Zerstörung funktioneller Moleküle wie den Proteinen. Die Bandbreite der biologischen Folgen von Strahlenschäden ist groß und hängt von vielen Faktoren ab (Art der Strahlenexposition, absorbierte Strahlenenergie, Ener-giedichte, Zeitraum der Bestrahlung, bestrahlte Organe, etc.). Es kann zur vorübergehenden Beeinträchtigung von Zellfunktionen bis hin zur dauerhaften Beschädigung durch Entstehung von Krebs und Veränderungen der Erbanlagen führen. Hierbei ist es unerheblich, ob diese Bestrahlung aus natürlichen oder künstlichen Quellen stammt.

Page 5: Energietechnik || Kernkraftwerke

5.1 Kerntechnische Grundlagen 79

5.1.2 „Nutzbare“ Energie bei Kernreaktionen Wie kommt es nun, dass man mit Hilfe von Kernreaktoren Energie in einer nutzbaren Form wie Strom oder Prozesswärme bereitstellen kann, wenn doch auch bei Kernreaktionen der Energieerhaltungssatz gilt? Die Antwort liegt darin, dass die Masse eines Atomkerns und die Summe der Massen der Nukleonen dieses Atomkerns unterschiedlich sind; stets ist die Masse des Atomkerns kleiner gemäß folgender Beziehung:

m = Z . mp + N . mN – mK Gl. 5.4 mit Z für die Anzahl der Protonen, N für die Anzahl der Neutronen, mp der Protonenmasse, mN der Neutronenmasse und mK der gemessenen Masse des Atomkerns. m wird als Massendefekt bezeichnet. Nach Einstein gilt die Äquivalenz für Ruhemasse und Energie gemäß

E = m . c² Gl. 5.5 mit c als Lichtgeschwindigkeit. Man erkennt leicht, dass ein Atomkern stabiler ist, je größer sein Massendefekt ist, da mehr Energie zu seiner Zerlegung aufgebracht werden muss. Wenn man den durchschnittlichen Massendefekt pro Nukleon, z. B. mittels Massenspektrometer, bestimmt und daraus die entsprechende Bindungsenergie berechnet, ergibt sich die in Bild 5.2 dargestellte Kurve.

Bild 5.2: Bindungsenergiekurve pro Nukleon

Demnach nehmen die mittleren Bindungsenergien von Atomkernen mit ungefähr 60 Nukleo-nen die größten Werte an, z. B. Ni- und Fe-Isotope. Nach Bild 5.2 wird bei folgenden Kernre-aktionen Energie abgegeben: Verschmelzung eines Nukleons mit einem Kern Umwandlung instabiler Kerne in stabile Kerne mit höherer Bindungsenergie (radioaktiver

Zerfall)

Page 6: Energietechnik || Kernkraftwerke

80 5 Kernkraftwerke

Verschmelzung sehr leichter Kerne (Fusion) Spaltung sehr schwerer Kerne

Die beiden ersten Prozesse eignen sich nicht zur großtechnischen Nutzung, da der erste ledig-lich als Einzeleffekt realisierbar und der zweite nicht steuerbar ist. An der technisch nutzbaren Fusion kleiner Kerne wird in vielen Staaten in multinationalen Projekten gearbeitet. Besonders lohnend ist die Fusion zum sehr stabilen He, das mit 7 MeV je Nukleon für seine geringe Atommasse eine herausragende mittlere Bindungsenergie aufweist. Mit den Reaktanden Deuterium und Tritium ist die spezifische Energiefreisetzung mit 3,5 MeV/Nukleon am höchsten.

31H + 2

1H 42 He + n + 17,6 MeV Gl. 5.6

Leichte Kerne müssen sich mit hoher Eigenenergie treffen, um zu verschmelzen. Erreicht wird dies für Einzelreaktionen mittels Teilchenbeschleuniger. Für die gewünschte großtechnische Kettenreaktion muss die „Zündtemperatur“ um 108 Kelvin erreicht werden. Die lokale Erzeu-gung derart hoher Temperaturen ist gelungen, jedoch ist deren langfristige Beherrschung in technischen Strukturen für eine sich erhaltende Fusionsreaktion noch ein ungelöstes Problem. Mit dem Versuchs-Fusionsreaktor ITER3 soll ein wichtiger Schritt in Richtung der großtechni-schen Nutzung der kontrollierten Kernfusion zur Stromerzeugung gemacht werden. Das inter-nationale Konsortium beabsichtigt, ITER in 2018 in Betrieb zu nehmen und veranschlagt für Bau und Betrieb mehr als 10 Mrd. € [5.5]. In der Energietechnik wird derzeit die durch Neutronen hervorgerufene Kernspaltung genutzt. Da eine Spaltung z. B. gemäß der Reaktion

23592 U + 1

0 n 2 kleinere Atome + · 10 n + E mit = 2…3 Gl. 5.7

wieder Neutronen freisetzt, ist eine sich selbst erhaltende Kettenreaktion möglich. Die entste-henden Spaltprodukte, zwei kleinere Atome, haben eine höhere mittlere Bindungsenergie als der gespaltene schwere Kern, die Spaltung ist also exotherm. Die Spaltprodukte sind statistisch verteilt, wobei bei der Spaltung von 235

92 U Massenzahlen um 95 und 140 am häufigsten sind. Bild 5.3 zeigt die höckerförmige Verteilung der Spaltprodukte des mit thermischen Neutronen bzw. schnellen Neutronen gespaltenen 235

92 U. Ganz ähnliche Verteilungen ergeben sich für andere Kernbrennstoffe, wobei die Energie der Spaltneutronen noch einen gewissen Einfluss hat [5.2]. Die mittlere Bindungsenergie der Spaltprodukte ist, wie aus Bild 5.2 ersichtlich, um ca. 0,8 bzw. 1,0 MeV pro Nukleon höher als beim 235

92 U. Bei der Spaltung wird also pro Nukleon um 0,9 MeV gewonnen, was bei den 235 Nukleonen des 235

92 U etwas über 200 MeV pro Spaltung freisetzt. Ein Teil der Energie wird als sog. Nachwärme beim nachfolgenden radioaktiven Zerfall der Spaltprodukte zu stabilen Atomen freigesetzt. Tabelle 5.1 listet die auf die einzel-nen Spalt- und Reaktionsprodukte entfallenden Energieanteile für 235

92 U auf. Da die Spaltpro-dukte eine statistische Verteilung aufweisen, Bild 5.3, variiert die Energiefreisetzung entspre-chend den entstandenen Atomen.

3 International Thermonuclear Experimental Reactor

Page 7: Energietechnik || Kernkraftwerke

5.1 Kerntechnische Grundlagen 81

Bild 5.3: Verteilung von Spaltprodukten des gespaltenen 235

92 U Gespalten durch: ––– Thermische Neutronen ––––– 14 MeV-Neutronen

Tabelle 5.1: Energiefreisetzung bei der Spaltung von 23592 U

Reaktionsprodukte Energie Zeitpunkt Reichweite Spaltprodukte, 2 Atome 167 MeV prompt unter 1 mm

Neutronen 5 MeV größtenteils prompt einige dm

-Teilchen 8 MeV verzögert, aus Spaltpro-duktzerfall mm bis cm

-Strahlung 12 MeV prompt und verzögert dm bis m

Neutrinos 12 MeV gegen unendlich

Gesamt 204 MeV ± 11 MeV

Die Energie liegt, von Neutrinos und -Strahlung abgesehen, zunächst in kinetischer Form der Teilchen vor. Durch deren Abbremsung im umgebenden Reaktorstrukturmaterial entsteht Wärme. -Strahlung hat eine große Reichweite, so dass deren Energie teilweise erst im biologi-schen Schild des Reaktors absorbiert wird und sich der Nutzung entzieht. Mehr als 5 % der freigesetzten Energie wird von Neutrinos, die praktisch keine Wechselwirkung mit Materie haben, aufgenommen und ist so ebenfalls der Nutzung entzogen. Pro Spaltung kann etwa = 192 MeV genutzt werden. In einem Gramm sind NL/235 = 2,56·1021 Atome 235

92 U enthalten (Avogadro- bzw. Loschmidt-Zahl NL = 6,02 · 1023/Mol). Also setzt die vollständige Spaltung von 1 g die folgende Energie frei:

E g U-235) = 2,56·1021·192 MeV·1,602·10-13 J/MeV = 7,88·10+10 J = 7,88·10+10 Ws = 21,5·103 kWh = 0,913 MWd4 Gl. 5.8

Merkregel: Die Spaltung eines Gramms 23592 U setzt eine thermische Energie von nahezu einem

Megawatttag frei. Andere Kernbrennstoffe haben vergleichbare Werte. Allerdings wird diese Wärme nicht vollständig am Ort und zum Zeitpunkt der Spaltung freigesetzt, sondern entspre-chend der Reichweite der Produkte in einem gewissen Raum um den Spaltort und gemäß den Zerfallsreihen in zeitlicher Abstufung. Diese Nachwärme oder auch Nachzerfallsleistung gilt es unter allen Umständen auch bei einem Störfall mit den dafür ausgelegten Sicherheitssystemen ordnungsgemäß abzuführen. Die Nachwärme beträgt für ein modernes Kernkraftwerk wie den

4 MWd = MWTag = 24 MWh

Page 8: Energietechnik || Kernkraftwerke

82 5 Kernkraftwerke

EPR5 mit 1600 MW elektrischer Leistung eine Stunde nach der Abschaltung noch ca. 50 MW, nach vier Tagen immerhin noch 20 MW. Sie muss auch bei der Lagerung der dem Reaktor entnommenen Brennelemente, ihrem Trans-port, ggf. ihrer Wiederaufarbeitung sowie bei Zwischen- und Endlagerung berücksichtigt wer-den. Ein Kernkraftwerk mit 1000 MW elektrischer Leistung und 33 % Gesamtwirkungsgrad benö-tigt 3000 MW thermische Leistung, hat also etwa einen Verbrauch von 3 kg des starken Kern-brennstoffes 235

92 U pro Tag oder etwa einer Tonne pro Jahr, beim EPR liegt der Verbrauch bei etwa 1,5 Tonnen pro Jahr.

5.1.3 Thermische und schnelle Neutronen Wie aus Bild 5.2 ersichtlich, weist die mittlere Bindungsenergie der Nukleonen ein Maximum auf. Geringere Bindungsenergien bei schweren Kernen bedeuten auch geringere Stabilität. Dies rührt aus der kerninneren elektrostatischen Abstoßung der positiv geladenen Protonen her. Werden sehr schweren Kernen zusätzliche Energien zugeführt, so können diese so instabil werden, dass sie zerfallen. Diese Energieaufnahme kann durch Beschuss des Kernes mit ver-schiedenen Teilchen erzielt werden, am leichtesten mit Neutronen. Wenn ein Neutron im Kern aufgenommen wird, wird die Bindungsenergie von etwa 1 MeV frei. Diese Energiefreisetzung im Kern genügt schon bei einigen sehr großen Kernen, um die Spaltung auszulösen. Teilweise bedarf es noch einer zusätzlichen kinetischen Energie des Neutrons, für 232

90 Th und 23892 U sind

dies 1,3 bzw. 1,2 MeV.

Bei der Aufnahme eines Neutrons in einem Kern entsteht für kurze Zeit vor dem Zerfall ein Zwischenkern mit gleicher Protonenzahl und einer um eins erhöhten Massenzahl. Die Spaltung über Zwischenkerne mit gerader Protonen- und Neutronenzahl bzw. Massenzahl A kommt mit der freiwerdenden Bindungsenergie des Neutrons aus, ohne zusätzliche kineti-sche Energie. Die durch langsame Neutronen (thermische Neutronen) spaltbaren Kerne wie 23592 U werden „starke Kernbrennstoffe“ genannt, die anderen, die schnelle Neutronen benöti-

gen, „schwache Kernbrennstoffe“, wie 23892 U.

Die Anzahl der bei einer Spaltung entstehenden freien Neutronen unterliegt einer statistischen Verteilung. Am häufigsten werden 2 oder 3 Neutronen freigesetzt. Sie werden während des Zerfallsprozesses mit einer gewissen kinetischen Energieverteilung emittiert, wobei die Ener-gie der Spaltneutronen insgesamt im Mittel insgesamt etwa 5 MeV pro Spaltung 235

92 U beträgt [Tab. 5.1]. Die einzelnen Neutronen weisen unterschiedliche Energien auf, deren Energiever-teilung durch eine Maxwell-Verteilung, Bild 5.5, mathematisch beschreibbar ist. Bei der 23592 U–Spaltung liegt das Häufigkeitsmaximum um 0,8 MeV und fällt stetig, so dass Neutronen

mit über 10 MeV wenig wahrscheinlich sind. Neutronen können verschiedene Kernreaktionen ausführen: Elastische und unelastische Streuung an Kernen Absorption von Kernen (Neutroneneinfang) ohne Spaltungsauslösung Spaltung

5 European Pressurized Water Reactor

Page 9: Energietechnik || Kernkraftwerke

5.1 Kerntechnische Grundlagen 83

Welche Art der Reaktion bei einer Neutronenkollision mit einem Kern stattfindet, hängt von der kinetischen Energie der Neutronen ab, sowie davon, welcher Kern getroffen wird und in welchem Energiezustand dieser Kern ist. Falls ein ruhender Kern einem differentiellen Neutro-nenfluss (Anzahl von Neutronen pro Flächen- und Zeiteinheit) ausgesetzt wird, der senk-recht auf den Kernquerschnitt trifft, so werden R1 Reaktionen pro Zeiteinheit stattfinden (Reaktionsfrequenz):

R1 = , mit der Einheit s-1 Gl. 5.9

Ebenso lässt sich die Anzahl R2 der Reaktionen pro Zeit- und Volumeneinheit mit N als Teil-chenzahldichte (Anzahl von Atomkernen pro Volumeneinheit) ermitteln:

R2 = N , mit der Einheit m-3s-1 Gl. 5.10

wird mikroskopischer Wirkungsquerschnitt genannt und hat die Dimension einer Fläche. Es ist üblich, die Einheit barn = 10-28 m2 zu benutzen. Das Produkt

= N . Gl. 5.11 wird als makroskopischer Wirkungsquerschnitt bezeichnet und hat die Dimension m-1. R2 wird als Spaltrate bezeichnet. Der Wirkungsquerschnitt ist für eine betreffende Kernreaktion eine kernspezifische Kenngröße, die keine geometrische Kernabmessung ist, sondern ein Maß für die Wahrscheinlichkeit der Re-aktion. Ein großer Wirkungsquerschnitt bzw. bedeutet eine hohe Reaktionswahrscheinlich-keit. Es gibt also für die uns interessierenden oben gelisteten Kernreaktionen mit Neutronen ver-schiedene Wirkungsquerschnitte, d.h. el für die elastische und in für die inelastische Neutro-nenstreuung, a für die Neutronenabsorption, f für die Kernspaltung durch Neutronen (f für ‘fission‘). Die Wirkungsquerschnitte eines spezifischen Kerns sind nicht konstant, sondern von der Neutronengeschwindigkeit v bzw. von deren kinetischer Energie ½ mv2 abhängig. Bild 5.4 zeigt den Verlauf der Kernspaltungs-Wirkungsquerschnitte für die starken Kernbrennstoffe 23592 U, 239

94 Pu, und den schwachen Kernbrennstoff 23892 U über der Neutronenenergie. Die höchs-

te Spaltwahrscheinlichkeit mit f 1000 barn bei den starken Kernbrennstoffen zeigen langsame Neutronen, während erst sehr schnelle Neutronen mit einer Energie im MeV-Bereich nennens-werte, jedoch deutlich geringere Spaltquerschnitte mit f 1 barn bei schwachen Kernbrennstof-fen aufweisen. Zwischen der Neutronenenergie 10 und 1000 eV zeigt sich bei starken Kernbrenn-stoffen ein Resonanzbereich in der Wechselwirkung zwischen Kern und Neutron. Für die kernphysikalische Reaktorauslegung sind nicht nur die Spaltquerschnitte der Kern-brennstoffe, sondern auch deren Absorptions- und Streuquerschnitte von entscheidender Be-deutung. Ferner sind die Absorptions- und Streuquerschnitte der Strukturmaterialien, wie Brennstabhüllrohr und Wärmeträgerfluid, sowie die räumliche Anordnung der Brennstäbe zu berücksichtigen. Die Reaktorauslegung muss der erforderlichen Abstimmung kernphysikali-scher und strömungstechnischer Größen Rechnung tragen. Eine Darstellung der Auslegungs-grundlagen ist in [5.1] zu finden. Bei der Spaltung von Kernbrennstoffen werden im Mittel zwischen = 2 oder 3 Neutronen freigesetzt, die ihrerseits wieder Spaltungen auslösen können. Im gesamten Reaktor muss zur Aufrechterhaltung der Kettenreaktion die Neutronenproduktion mindestens gleich der Summe aus den Neutronenleckagen über die Reaktoraußenhüllfläche und der Neutronenabsorption im Reaktorvolumen sein. Ist die Neutronenproduktion gleich den Neutronenverlusten (Leckage und Absorption), wird von einem „kritischen Reaktor“ gesprochen, der einen konstanten Neut-ronenfluss und damit eine stationäre Leistungsabgabe aufweist.

Page 10: Energietechnik || Kernkraftwerke

84 5 Kernkraftwerke

U-235 U-238 -------- Pu-239

Bild 5.4: Verlauf der Kernspaltungs-Wirkungsquerschnitte für 23592 U, 239

94 Pu, 23892 U über der Neutro-

nenenergie [5.2]

Das Verhältnis der Anzahl der Spaltneutronen einer Generation zur Anzahl der Spaltneutronen der nächsten Generation ist somit ein Maß für die Beurteilung der Kettenreaktion. Dieses Maß ist der Multiplikationsfaktor keff

peff

a L

Rk =

R +R Gl. 5.12

dabei sind Rp die Rate der insgesamt im Reaktor produzierten Neutronen, Ra die Rate der insgesamt im Reaktor absorbierten Neutronen und RL die Rate der durch Leckage verlorengegangenen Neutronen. Mit Gl. (5.10) gilt dann

feff

a

N dVk =

N dV + L dA

⋅ ⋅ ⋅

⋅ ⋅ ⋅ ⋅

∫∫ ∫

Gl. 5.13

wobei L ein Maß für die Neutronenleckage pro Flächeneinheit ist. Ein weiteres Maß für die Neutronenbilanz ist die Reaktivität R:

R = (keff – 1) / keff Gl. 5.14

Bei keff = 1 bzw. R = 0 ist der Neutronenfluss stationär, der Reaktor ist kritisch.

Bei keff < 1 bzw. R < 0 nimmt der Neutronenfluss zeitlich ab, der Reaktor ist unterkritisch.

Bei keff > 1 bzw. R > 0 steigt der Neutronenfluss mit der Zeit, der Reaktor ist überkritisch.

5.1.4 Moderation der Neutronen Neutronen werden nach ihrer kinetischen Energie bzw. ihrer Geschwindigkeit wie folgt charak-terisiert: thermische Neutronen mit einer Energie < 0,1 eV epithermische und mittelschnelle Neutronen mit einer Energie von 0,1 eV bis 0,1 MeV schnelle Neutronen mit einer Energie > 0,1 MeV

Page 11: Energietechnik || Kernkraftwerke

5.1 Kerntechnische Grundlagen 85

Die bei einer Spaltung entstehenden Neutronen haben entsprechend Tabelle 5.1 eine Gesamte-nergie von etwa 5 MeV. Sie werden mit einer Energieverteilung nach Bild 5.5 emittiert, deren Kenntnis eine wichtige Voraussetzung für neutronenphysikalische Berechnungen ist.

Bild 5.5: Häufigkeitsverteilung der Neutronen, die bei der Spaltung von U-235 durch thermische Neutronen „entstehen“

In Bild 5.5 gibt die Häufigkeit der bei der Spaltung von U-235 „entstehenden“ Neutronen pro Energieintervall an. ist gemäß Bild 5.5 eine Funktion der Energie, selbst aber eine dimensionslose Zahl. Die in Bild 5.5 gezeigte Energieverteilung lässt sich mit guter Näherung durch die Funktion

–0,775 E(E) = 0,77 E e Gl. 5.15

beschreiben, wobei für E der Zahlenwert in MeV einzusetzen ist. Die wahrscheinlichste Ener-gie liegt bei EW 0,73 MeV (Bild 5.5). Mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit treten auch Neut-ronen mit deutlich mehr als 10 MeV auf. Die mittlere Energie der Spaltneutronen wird durch den Ausdruck

oE = E (E)dE

⋅∫ Gl. 5.16

bestimmt und liegt für U-235 bei etwa 2 MeV. Bild 5.4 zeigt, dass der Spaltquerschnitt bei derart schnellen Neutronen gering ist. Langsame Neutronen ergeben höhere Spaltwahrscheinlichkeiten, weshalb die Neutronen auf niedrigere Energie bzw. niedrige Geschwindigkeit abzubremsen sind. Die Abbremsung erfolgt, wenn keine Absorption des Neutrons erfolgt, analog den mechanischen Stoßgesetzen. So kann ein gleichschweres Teilchen als Partner bei einem zentralen Stoß die gesamte Energie aufnehmen. Wasserstoff 1

1H mit der gleichen Massenzahl wie ein Neutron verspricht die beste Energie-übertragung. Mit wenigen Stößen kann das Neutron seine Energie abgeben. Deshalb wird die-ses kleinste Atom zur Abbremsung der Neutronen in Leichtwasserreaktoren benutzt. Die Ab-bremsung der Neutronen wird „Moderation“ genannt. Wegen seiner geringen Dichte ist gas-förmiger Wasserstoff als Moderator nicht brauchbar. Er wird vielmehr in flüssiger, gebundener Form als Wasser H2O eingesetzt. Dies hat den zusätzlichen Vorteil, dass dieser Moderator gleichzeitig als Wärmeträgerfluid genutzt werden kann. Größere Moderatorkerne bedingen mehr Stöße, bis das Neutron seine kinetische Energie abge-geben hat. Gute Moderatoren weisen nur eine geringe Neutronenabsorption ( a sehr klein) auf

Page 12: Energietechnik || Kernkraftwerke

86 5 Kernkraftwerke

und führen nur in beschränktem Maße Kernreaktionen aus. Wasserstoff 11H zeigt eine gewisse

Neutronenabsorption mit Umwandlung zu Deuterium 21H:

11H + 1

0 n 21H Gl. 5.17

Deuterium ist zwar wegen seiner doppelten Masse ein etwas schlechterer Stoßpartner, jedoch hat es einen deutlich geringeren Absorptionsquerschnitt a. Bei der Neutronenbilanz schneidet Deuterium D als Moderator also besser als Wasserstoff ab. Reaktoren mit schwerem Wasser D2O heißen „Schwerwasserreaktoren”, im Gegensatz zu den „Leichtwasserreaktoren”. Schwerwasserreaktoren kommen wegen dieser geringeren Neutro-nenabsorption mit einer geringeren Anreicherung des Brennstoffs mit starkem Kernbrennstoff aus, es kann sogar Natururan mit nur 0,7 Gew.-% 235

92 U eingesetzt werden. Andere Reaktorkonzepte trennen Moderation und Kühlung. Bei gasgekühlten Reaktoren trägt das Wärmeträgergas wegen seiner geringen Dichte zur Neutronenmoderation wenig bei, wes-halb ein separater Moderator nötig ist. Für diese Reaktoren hat sich Kohlenstoff in Form von Graphit als Moderator bewährt. Die Spaltneutronen können bis auf die Energie ihrer thermischen Eigenbewegung abgebremst werden, sie werden dann als „thermische Neutronen“ bezeichnet. Reaktoren, bei denen die Spaltung durch die langsamen thermischen Neutronen dominiert wird, heißen „Thermische Reaktoren“. Schwache Kernbrennstoffe wie 238

92 U sind nur durch sehr schnelle Neutronen und mit geringer Wahrscheinlichkeit spaltbar. Höher ist für 238

92 U die Wahrscheinlichkeit, das Neutron zu absor-bieren und sich in den starken Kernbrennstoff Plutonium 239

94 Pu oder 24194 Pu umzuwandeln. Fol-

gende Reaktionskette ist nachgewiesen, wenn 3 Neutronen n1, n2, n3 sukzessive absorbiert wer-den:

23892 U + n1 239

92 U 23993 Np + – 239

94 Pu + – + n2 24094 Pu + n3 241

94 Pu Gl. 5.18

Auch Thorium 23290 Th wandelt sich durch schnelle Neutronen in den starken Kernbrennstoff

23392 U um. Die Umwandlung in einen starken Kernbrennstoff wird als „Brüten“ bezeichnet. Da

dies mit schnellen Neutronen um 1 MeV stattfindet, heißen die entsprechenden Reaktoren „Schnelle Brüter“. Bei diesen Reaktortypen ist eine Moderation der Neutronen nicht er-wünscht, so dass Wasser als Wärmeträger nicht verwendbar ist. Es werden deshalb das Gas Helium oder flüssiges Natrium verwendet, die nur wenig moderieren und geringe Absorptions-querschnitte aufweisen. Da die Neutronen bei Spaltung Energie im MeV-Bereich aufweisen, U-235 aber im Bereich kleiner 0,1 eV eine brauchbare Spaltwahrscheinlichkeit besitzen, wer-den sie als ursprünglich schnelle Neutronen zu thermischen Neutronen abgebremst oder mode-riert. Die Folge davon ist, dass im Reaktorbetrieb Neutronen mit Energien zwischen 10-3eV und 10 MeV vorkommen, also 10 Größenordnungen umfassen. Aus diesem Grund muss die Spaltrate, Gl. 5.10, als Funktion der Energie angegeben werden und, da auch der Neutronen-fluss im Reaktor nicht homogen ist, auch als Funktion des Volumens im Reaktorkern:

fE V

R(E,V) = N (E) (V) dE dV⋅ ⋅ ⋅ ⋅∫∫ Gl. 5.19

Ausgehend von der Spaltrate kann die thermische Leistung eines Reaktors berechnet werden zu:

fiss fiss fE V

P = E R(E,V) E N (E) (V) dE dV⋅ = ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅∫∫ Gl. 5.20

Page 13: Energietechnik || Kernkraftwerke

5.1 Kerntechnische Grundlagen 87

Für die qualitative Abschätzung der thermischen Reaktorleistung können geeignete Mittelwerte für Spaltquerschnitt und thermischen Fluss ohne Integration genutzt werden. Für detaillierte Rechnungen wird der 10 Größenordnungen umfassende Energiebereich der im Reaktor vor-kommenden Neutronen in mehr als 40 Intervalle (Gruppen) unterteilt, in der Praxis wird meist nur zwischen thermischen und schnellen Neutronen – also zwei Gruppen – unterschieden.

5.1.5 Kernbrennstoffe Der einzige in der Natur6 vorkommende starke Kernbrennstoff ist 235

92 U. Natururan ist ein Isotopengemisch aus 99,289 Gewichtsprozent schwachen Kernbrennstoffs 238

92 U und 0,711 Gewichtsprozent 235

92 U. Während die mit Schwerwasser moderierte Reaktorlinie CANDU7 mit Natururan Kritikalität erzielt, benötigen die am weitesten verbreiteten Leichtwasserreaktoren einen höheren Anteil 235

92 U, d. h. das Uran wird auf ca. 3 bis 4,5 Gew.-% 23592 U „angereichert”.

Metallisches Uran als Brennstoff scheidet wegen zu großer Anschwellung durch die Spal-tungsvorgänge und die heftige Reaktion bei Kontakt mit dem ca. 300 °C heißen Wasser im Falle eines Hüllrohrschadens aus. Deshalb wird Urandioxid UO2 in gesinterter Form benutzt, das über lange Zeit bei hoher Temperatur stabil bleibt, ohne große Volumenzunahme viel Spaltprodukte aufnimmt und nicht mit Wasser reagiert.

Schon nach relativ kurzer Zeit werden die Pellets durch die hohen Temperaturgradienten rissig (Bild 5.6). Bei zunehmendem Abbrand können die gasförmigen Spaltprodukte einen Zentral-kanal (Bild 5.7) bilden [5.6].

Bild 5.6: Rissstruktur eines bestrahlten UO2-Pellets (links)

Bild 5.7: Hoch bestrahltes UO2-Pellet mit Zentralkanal

Ein geringer Teil des 23892 U wird durch sehr schnelle Neutronen gespalten und ein anderer Teil

durch Neutroneneinfang in den starken Kernbrennstoff 23994 Pu umgewandelt8, der dann am

Spaltprozess durch thermische Neutronen teilnimmt. Bei der Wiederaufbereitung wird dieses Plutonium extrahiert und als Kernbrennstoff aufbereitet. Aus diesem Grunde und weil für mili-tärische Zwecke erbrütetes Plutonium nun für friedliche Zwecke verfügbar ist, werden in vie-len Leichtwasserreaktoren sog. MOX-Brennelemente eingesetzt, bei denen der Brennstoff aus den Mischoxiden UO2 und PuO2 besteht. Die Rückführung von Plutonium aus abgebrannten Brennelementen in den Brennstoffkreislauf verringert die Menge endzulagernden Plutoniums und folgt dem Gedanken des verantwortungsbewussten Umgangs mit Energieressourcen. Mitt-

6 In der Erdkruste sind geringste Spuren natürlichen Plutoniums nachgewiesen worden [5.6]. 7 CANada Deuterium Uranium 8 Weitere Kernreaktionen, die jedoch seltener sind, sind nachgewiesen.

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88 5 Kernkraftwerke

lerweile verfügt man in Deutschland über mehr als 40 Jahre Erfahrung im Umgang und Einsatz von MOX-Brennelementen, die aktuell in 11 deutschen Kernkraftwerken eingesetzt werden. Bei der derzeitigen Gesetzeslage in Deutschland, die eine Wiederaufbereitung abgebrannten Brennstoffs nicht zulässt, wird der Einsatz von MOX-Brennelementen in 5-6 Jahren auslaufen. Ein Maß dafür, wie stark der Brennstoff bereits verbraucht ist, ist der Abbrand, der unter-schiedlich definiert sein kann. Die in der Reaktortechnik heute gebräuchlichste Form ist

SMErzeugte Energie durch Spaltunga MWd / t

Ursprünglich vorhandene Kernbrennstoffmasse Gl. 5.21

wobei SM für Schwermetall steht. Der heute in Leichtwasserreaktoren erreichte mittlere Abbrand beträgt bei dem hohen techni-schen Stand der Brennstäbe etwa 40 bis 55 GWd pro tSM. Angestrebt werden für die nähere Zukunft Abbrände bis zu 75 GWd/tSM. Der Abbrand hängt wegen des ungleichförmigen Neut-ronenflusses von der Position des Brennstabes im Reaktor ab. Trotz Brennelementmanage-ments ergeben sich so unterschiedliche Abbrände in einzelnen Brennstäben. Die nutzbare Wärmeenergie geht über die Spaltenergie des starken Kernbrennstoffs in den neuen Brennstä-ben hinaus, da die ursprüngliche Anreicherung der Brennstäbe ca. 3 bis 4,5 %, d. h. 30 g bis 45 g pro kgSM beträgt und somit knapp 30 bis 45 MWd/kgSM freigesetzt werden könnte. Die hö-here Energiefreisetzung resultiert aus der Spaltung des erbrüteten starken Brennstoffs und der gelegentlichen Spaltung schwachen Kernbrennstoffs durch schnelle Neutronen.

5.1.6 Radionuklidbildung in Reaktoren Der Betrieb eines Kernkraftwerkes setzt wegen dessen wirksamen Strahlenschutzbarrieren nur in geringem Umfang radioaktive Produkte frei. Die Umgebung jedes deutschen Kernkraft-werks wird kontinuierlich messtechnisch kontrolliert. Der zulässige Höchstwert ist 0,3 mSv/a, wobei die reale Emission der einzelnen Anlagen unter 0,01 mSv/a liegt. Dies entspricht etwa dem Vierhundertstel der gesamten mittleren Strahlenbelastung in Deutschland. Die Brennstab-hüllen halten die festen und flüchtigen Spaltprodukte zurück. Falls einzelne Hüllen undicht sein sollten, treten gasförmige Spaltprodukte in das Kühlwasser, wo sie bei Druckwasserreak-toren indirekt und bei Siedewasserreaktoren direkt über die Vakuumpumpen des Kondensators in sehr geringen Konzentrationen in den Abgaskamin kommen können. Die Rückhaltung gas-förmiger Isotope wie I-129, I-131 und Kr-85 bedingen besonderen technischen Aufwand. Im Primärkreislaufwasser finden sich geringe Mengen des ß-Strahlers Tritium. Weiterhin ist das Kühlwasser durch Abrieb der Brennelementhüllen und Strukturmaterialien mit radioaktiven Partikeln verunreinigt. Der Radionuklidgehalt abgeleiteten Wassers muss der Trinkwassernorm entsprechen. Innerhalb der Brennstäbe sammeln sich eine Vielzahl radioaktiver Isotope an. Wesentliche, in Reaktoren entstehende Radionuklide sind in Tabelle 5.2 mit ihren Halbwertszeiten und Anla-gerungsorten im menschlichen Körper gelistet. Wegen ihrer biologischen Wirkung seien die Radionuklide Tritium, I-131, Cs-137 und Sr-90 erwähnt, die alle ß-Strahler sind. Die aktiven Isotope Zirkonium-95, Niob-95, Ruthenium-106, Lanthanide, Urane und Transurane werden ebenfalls im Körper aufgenommen und sind dort sehr lange nachweisbar. Insbesondere PuO2 hält sich hartnäckig im Körper.

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5.2 Prinzipieller Aufbau des Reaktors 89

Tabelle 5.2: Einige Radionuklide und deren Anlagerung im menschlichen Organismus

Radionuklid Kürzel Halbwertszeit Hauptablagerung; kritisches Organ Tritium 1

3 H 12,35 a Körperwasser; Ganzkörper

Kohlenstoff 146 C 5736 a sämtliche Gewebe; Ganzkörper

Kobalt 6027 Co 5,2 a Magen-Darm-Trakt; Ganzkörper

Krypton 8536 Kr 10,76 a keine chem. Bindung; Haut, Ganzkörper

Strontium 9038Sr 28,5 a Skelett; Knochen

Jod 12953 I 16 Mio a Schilddrüse

Jod 13153 I 8 d Schilddrüse

Cäsium 13455 Cs 2,1 a Muskulatur; Ganzkörper

Cäsium 13755 Cs 30,1 a Muskulatur; Ganzkörper

Neptunium 23793 Np 2,1 Mio a Skelett, Leber

Plutonium 23994 Pu 24100 a Skelett, Lunge, hoch toxisch

5.2 Prinzipieller Aufbau des Reaktors

5.2.1 Brennelement

Der Grundbaustein des Brennelementes (Bild 5.8) eines Druckwasserreaktors ist der Brennstab mit einer Zircaloyhülle. Der Brennstab (exemplarisches Beispiel mit äußerem Durchmesser 10,75 mm, Wandstärke 0,725 mm, aktive Länge 3900 mm) enthält den Brennstoff (UO2, ca. 4% Anreicherung) in Form von Tabletten. Die Höhe dieser sogenannten Pellets beträgt im Beispiel 11 mm, der Durchmesser ist aufgrund der hohen Leistungsdichte von etwa 100 MW/m3 auf 9,3 mm beschränkt. Die hier genannten Zahlenwerte sind Beispiele. Die Dimensi-onen variieren etwas zwischen den verschiedenen Reaktortypen und den Produkten verschie-dener Brennelementhersteller. Die Pellets weisen an den Stirnseiten Vertiefungen („dishing“) auf, die thermische Ausdehnungen erlauben und Speicherraum für gasförmige Spaltprodukte bilden. Die Tablettensäule wird durch Federn zusammengespannt. Die Brennstäbe sind mit speziellen Endstopfen versehen. Anordnungen von 14 x 14 (früher), 16 x 16 bzw. 18 x 18 Brennstäben bilden ein Brennele-ment. Sie sind mit Hilfe von Kopf- und Fußstücken zu einem Brennelement zusammengefügt. Einige Brennelemente enthalten auch Leerpositionen, in denen Fingerstäbe für die Abschaltung geführt werden. In Abständen von rund 500 mm sind Abstandshalter im Brennstabbündel an-geordnet, hierdurch werden Schwingungen vermieden. Der Kern eines großen Druckwasserre-aktors (1330 MWel/Netto, 3850 MWth) besteht aus 193 derartigen Brennelementen. Die Wär-meabfuhr aus einem Reaktorkern erfolgt durch Durchströmung des Brennstabbündels von unten nach oben. Der Wärmetransport im Brennelement erfolgt in folgender Weise: Wärmeleitung im Brennstoff Wärmestrahlung und Wärmeleitung im Spalt zwischen Brennstoff und Hülleninnenseite

(sofern der Spalt noch existiert und nicht im Laufe der Betriebszeit durch den sich ausdeh-nenden Brennstoff verdrängt worden ist)

Wärmeleitung in der Hülle Konvektiver Wärmeübergang von der Brennstaboberfläche an das Kühlmittel

Page 16: Energietechnik || Kernkraftwerke

90 5 Kernkraftwerke

Bild 5.8: Brennstab und Brenn-element eines Druck-wasserreaktors

Die Stäbe von Siedewasserreaktoren wiesen früher einen größeren Durchmesser von etwa 14 mm auf, heute ist er mit ca. 10 mm ähnlich wie der von Druckwasserreaktorbrennstäben. Es sind 8 x 8 bzw. heute 10 x 10 Stäbe im Brennelement angeordnet, im Inneren werden kreuz-förmige Abschaltstäbe geführt. Der Wärmeübergang auf der Außenseite erfolgt partiell durch Verdampfung des Kühlmittels. Das Brennelement besitzt einen äußeren metallischen Kasten, damit es bei unterschiedlicher Verdampfung an den Brennelementen nicht zur Querströmung des Kühlwassers kommt. Schnelle natriumgekühlte Brutreaktoren haben ebenfalls aus Brennstäben aufgebaute Brenn-elemente. Die Brennstabdurchmesser sind wegen der sehr hohen Kernleistungsdichte von etwa 400 MW/m³ mit 8,5 mm klein. Die Hüllen bestehen aus speziellen Stählen, um Korrosionsre-sistenz gegenüber Natrium zu gewährleisten.

Page 17: Energietechnik || Kernkraftwerke

5.2 Prinzipieller Aufbau des Reaktors 91

Völlig andere Geometrie findet man bei den Brennelementen von Hochtemperaturreaktoren. Hier sind zwei verschiedene Entwicklungen zu unterscheiden: Kugelförmige und blockförmige Brennelemente. Grundeinheit für die Wärmeerzeugung bei beiden Elementtypen sind beschichtete Teilchen aus UO2 (Bild 5.9), die sogenannten Coated Particles.

Grafitschale

SiC

60 m

m1

mm

Grafitmatrix

UO2-KernPyrokohlenstoffPuffer1

mm Bild 5.9:

Brennelement des Hochtemperaturreaktors (kugelförmig) oben: Brennelement unten: Beschichtete Teilchen

Die beschichteten Teilchen besitzen einen Kern aus Urandioxid (Durchmesser 0,5 mm). Eine Schicht von porösem Graphit (Dicke ~ 50 m) umgibt den Kern. Diese Schicht dient als Puffer für Spaltprodukte. Danach folgen eine harte pyrolytische Schicht aus Kohlenstoff (Dicke ~ 30

m), weitere Schichten aus Siliziumcarbid (Dicke ~ 40 m) und pyrolytischem Kohlenstoff (Dicke ~ 30 m). Diese Schichten sind für die Rückhaltung metallischer Spalt- und Aktivie-rungsprodukte notwendig und wirken als Druckkessel. Eine besondere Werkstoffherausforderung stellt bei der Reaktorentwicklung das Hüllrohrmate-rial der Brennstäbe dar, da es bei relativ hoher Temperatur hoher Strahlungsbelastung durch Neutronen und anderen subatomaren Partikeln ausgesetzt ist. Nötig ist ein Material mit ausrei-chender Festigkeit und geringer Neutronenabsorption, das durch die Bestrahlung nicht ver-sprödet. In Druckwasserreaktoren westlicher Bauart hat sich die Zirkonium-Basislegierung Zircaloy-4 durchgesetzt, die zu 98 % aus Zirkonium und ca. 1,5 % aus Zinn besteht, in Siede-wasserreaktoren Zircaloy-2, welches zur weiteren Erhöhung der Korrosionsbeständigkeit im Gegensatz zu Zircaloy-4 einen geringen Anteil an Nickel (0,055 %) enthält. Die Zeitstandfes-tigkeit von Zircaloy nimmt wie bei allen Werkstoffen mit zunehmender Temperatur ab. Bei Temperaturen zwischen 800 °C und 900 °C, die nur bei auslegungsüberschreitenden Störfällen auftreten können, ist Zircaloy superplastisch, was bei dem inneren Spaltgasdruck zu einer Ver-formung führt (Aufblähung). Bei noch höherer Temperatur setzt die Zirkon-Wasser-Reaktion ein, wobei ein Knallgas ent-stehen kann:

Zr + 2 H2O ZrO2 + 2 H2 Gl. 5.22

Die Temperatur der Brennelementhülle darf also gewisse Betriebstemperaturen nicht über-schreiten.

Page 18: Energietechnik || Kernkraftwerke

92 5 Kernkraftwerke

5.2.2 Leistungsverteilung Der Neutronenfluss (s) ist eine räumliche Funktion des Radius und der Höhe im Reaktorkern, also (s) = (z,r). An den Rändern des Reaktorkerns gehen die Neutronen verloren, was den Neutronenfluss absenkt. Im Zentrum herrscht der höchste Neutronenfluss. Damit ist auch ge-mäß Gl. 5.9 bzw. Gl. 5.10 die Anzahl der Spaltungen und die freigesetzte Wärme im Kernzent-rum am höchsten. Unter stark vereinfachenden Annahmen lässt sich für einen idealen zylindri-schen Reaktor, bei dem Brennstoff und Moderator homogen verteilt sind, für den Neutronen-fluss in axialer und radialer Richtung eine Kosinus- und Besselfunktion J0 mit dem Argument (2,405 r/R) ermitteln [5.2]:

(z,r) = max J0(2,405 r/R) cos( ·z/H) Gl. 5.23

mit max maximaler Neutronenfluss im Zentrum bei r = 0 und z = 0, r und z radiale und axiale Koordinaten mit Ursprung im Reaktorzentrum, R Reaktorradius, H Reaktorhöhe. Die räumliche Verteilung der stationären Leistung lässt sich gemäß Gl. 5.20 ermitteln:

+H/2 R

fiss f0 -H/2 0

P(z,r)=E N (E) (z,r) dE dz 2 rdr Gl. 5.24a

Nach Integration wird daraus mit gemitteltem Wirkungsquerschnitt und thermischem Fluss

fiss fP(z,r)=E N Gl. 5.24b

Da zwischen den Brennstäben keine Spaltung stattfindet, ist die Leistungsverteilung im Reak-tor inhomogen. Die Bilder 5.10 und 5.11 veranschaulichen die Neutronenfluss- und Temperaturverläufe in einem zylindrischen Reaktorkern und einem Brennstab. Hierbei ist angenommen, dass das Strömungsfluid durch die Wärmeaufnahme keinen Phasenwechsel erfährt. Die höchste Tempe-ratur der Brennelementhülle liegt bei etwa 2/3 ihrer Gesamtlänge.

Bild 5.10: Neutronenfluss- und Leistungsverlauf in einem zylindrischen Reaktor r: Radius des Reaktorkerns mit Brennstäben bei R1, R2, etc. 1: Brennstabhülle, 2: Brennstoff, 3: Spalt, 4: Kühlkanal, 5: Neutronenfluss, 6: Leistungsfluss

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5.2 Prinzipieller Aufbau des Reaktors 93

Bild 5.11: Leistungs- und Temperaturverläufe in und zwischen Brennstäben T3(z) Hülltemperaturverlauf; (z) Temperaturverlauf im Brennstab a) radialer Leistungsverlauf L(r), b) radialer Temperaturverlauf T(r), c) axiale Stableistungs- und Tempe-raturverläufe qSt(z), T(z) bzw. (z) Die mittlere Kernleistungsdichte in verschiedenen Reaktortypen ist recht unterschiedlich. Typi-sche Werte sind:

Druckwasserreaktoren: 100 MW/m³ Siedewasserreaktoren: 50 MW/m³ Schnelle natriumgekühlte Reaktoren: 300 bis 500 MW/m³ Hochtemperaturreaktoren: 2 bis 6 MW/m³

Der Flussformfaktor ist das Verhältnis von mittlerem zu maximalem Neutronenfluss max. Mit Beziehung Gl. 5.23 ergibt sich der Flussformfaktor zu 0,274. Die mittlere Leistungsdich-te ist also nur 27,4 % der maximalen Leistung im Zentrum. Um das Reaktorvolumen besser ausnutzen zu können, sollte der Flussformfaktor erhöht werden.

Der Neutronenfluss ist vielfältig beeinflussbar. Die Neutronenverluste an den Enden können durch den Einbau von Neutronenreflektoren vermindert, die Leistungsüberhöhung im Reaktor-zentrum durch Absorberstäbe reduziert oder der Reaktor zonenweise mit unterschiedlicher Anreicherung bestückt werden. Es ist zu berücksichtigen, dass die Reaktivität der Brennstäbe durch zunehmenden Abbrand zurückgeht und damit die Neutronenflussverteilung beeinflusst, was beim Brennelement-Management berücksichtigt wird.

Falls wie meistens in der Vergangenheit ein möglichst konstanter Neutronenfluss gewünscht wird, kommen teilweise abgebrannte Brennelemente mit geringerem Anteil an spaltbarem Material in das Reaktorzentrum, während frische oder höher angereicherte Brennstäbe zu-nächst im Außenbereich positioniert werden. Mit zunehmendem Abbrand sind diese näher in die Reaktormitte zu setzen. Dabei werden gleichzeitig die am stärksten abgebrannten Elemen-te, also die im Zentrum, ausgetauscht.

Heute wird das Konzept der Neutronenleckagen-Minimierung bevorzugt. Hierbei werden die am meisten abgebrannten Brennelemente an den Außenrand des Reaktorcores gesetzt und die frischen bevorzugt in die Mitte. So gehen nur wenige Neutronen verloren, was gerade im Au-ßenbereich zu einer höheren Brutrate, insgesamt zu einem höherem Abbrand und damit besse-rer Brennstoffausnutzung führt. Andererseits ergibt sich zwangsläufig eine ungleiche Neutro-nenfluss- und Wärmeverteilung im Reaktor. Die Stäbe in der Mitte sind dadurch einem schnel-

L

r r1 r2 r3

Küh

lmitt

el

Bre

nnst

off

Spalt Hülle

(a)

T

r

T1

T2 T3

T

Mod

erat

or

(b)

dz

z=+2

z=0

z= -2

z

H

H

Bren

nele

men

t

b0

z

T qst

1

T3max

b0

qsto qst

2

(Z)

zm

T3

Kühlmittel

(c)

Page 20: Energietechnik || Kernkraftwerke

94 5 Kernkraftwerke

lerem Abbrand und höheren Temperaturbelastungen, jedoch immer noch im Rahmen der zuläs-sigen Belastungen, ausgesetzt. Das Brennelementmanagement erfordert optimierte Umsetzzyklen, da mehrere wirtschaftliche, sich teilweise technisch widersprechende Ziele angestrebt werden: Umsetzung sowie Be- und Entladung der Brennelemente soll möglichst selten erfolgen, da

hierzu der Reaktor abgeschaltet und abgekühlt werden muss. Die Brutrate und der mittlere Abbrand der Brennelemente sollen hoch sein, um den aus

materialtechnischen Gründen erlaubten maximalen Abbrand möglichst überall zu erreichen, jedoch nirgends zu überschreiten.

Um einen maximalen Abbrand aller Brennelemente zu erreichen, müsste oft umgesetzt werden. Dies widerspricht jedoch der ersten Anforderung, den Reaktor selten abzuschalten. So ist also das wirtschaftliche Optimum unter den technischen Einschränkungen zu finden. Derzeit verbleibt ein Brennelement – an verschiedenen Positionen – ca. 4 Jahre im Reaktor, wobei ein Brennelementzyklus derzeit 300 Tage und länger umfasst. Aus Gründen der wirt-schaftlichen Optimierung werden für zukünftige Reaktoren Brennelementzyklen bis zu 2 Jah-ren angestrebt.

5.2.3 Reaktordruckbehälter Der zylindrische Reaktorkern ist aus einer Vielzahl parallel angeordneter Brennelemente auf-gebaut. Das kalte Wärmeträgermedium – in der Regel Wasser – wird durch Strömungsführun-gen zunächst von den Eintrittsstutzen radial verteilt und strömt an der Innenwandung des Reak-tordruckbehälters nach unten, wo es umgelenkt wird. Alsdann strömt es längs zwischen den Brennstäben nach oben und erwärmt sich. Aus Sicherheitsgründen sind an den Reaktor mehre-re Wasserkreisläufe angeschlossen. Das austretende erwärmte Wasser gibt seinen Energieinhalt an den angeschlossen Dampfkraftwerksprozess ab.

1 Reaktordruckbehälter 2 Dampferzeuger 3 Pumpe Primärkreis 4 Primärabschirmung 5 Überströmplatten 6 Sicherheits-Containment 7 Betonhülle 8 Nachkühler mit Pumpe 9 Druckspeicher 10 Sicherheits-Einspeisung 11 Borwasser-Flutsystem 12 Lokale Absaugungen 13 Containment-Sumpf 14 Nachkühl-Leitung 15 Steuer-/Regelstäbe

Bild 5.12: Längsschnitt durch ein Containment eines Druckwasserreaktors

Page 21: Energietechnik || Kernkraftwerke

5.3 Reaktorsicherheit 95

1 Reaktordruckbehälter 2 Sicherheitscontainment 3 Containment- Sprühsystem 4 Reaktor-Sprühsystem 5 Kondensationskammer-Kühlsystem 6 Hauptkühlleitung

Einspeise- & Nachkühlsystem 7 Dampfleitung zur Notturbine 8 Frischdampfleitung 9 Kondensationskammer-Sprühsystem 10 Kondensatrohre; 11 Durchflussbegrenzer; 12 Durchdringungsventile; 13 Sumpf-Rückfördersystem; 14 Regel-/Abschaltstäbe; 15 Ringspaltabsaugung

Bild 5.13: Längsschnitt durch ein Containment eines Siedewasserreaktors

Die Reaktorwandung besteht aus einem geschmiedeten ferritischen Behälter, an den die Rohr-leitungsstutzen angeschweißt sind. Innen ist die Chrom-Nickel-Stahlplattierung von ca. 6-8 mm, um die dem Druck des Wärmeträgerfluids ausgesetzte Behälterstruktur vor Korrosion und Strahlung zu schützen. Das Reaktoroberteil ist deckelförmig angeflanscht. Zum Brennele-mentwechsel muss der Deckel abgenommen werden. Die Bilder 5.12 und 5.13 zeigen die vereinfachten Längsschnitte durch die wichtigsten Kernkraftwerkstypen mit Druck- und Sie-dewasserreaktoren (siehe Abschnitte 5.4.2 und 5.4.3). Der Reaktordruckbehälter hat verschiedene Einbauten, die zur Aufnahme der Brennelemente und der Strömungsführung, der Steuerstäbe, sicherheitstechnischer Einrichtungen, Prüfvorrich-tungen und je nach Typ anderer Elemente wie Dampftrockner dienen. Diese Einbauten können wieder aus Zirkoniumlegierungen oder, wenn die höhere Neutronenabsorption hingenommen werden kann, aus Edelstählen sein. Der Steuerstabantrieb geschieht von außen, so dass diese durch den Reaktordruckbehälter oder Behälterdeckel geführt werden müssen.

5.3 Reaktorsicherheit

5.3.1 Einführung An jede technische Anlage wie Kraftwerke, Chemieanlagen, Verkehrssysteme etc. sind be-stimmte Sicherheitsanforderungen zu stellen, um Schäden an Mensch, Umwelt und Anlage selbst möglichst zu vermeiden. Dies gilt in hohem Maße für kerntechnische Anlagen, hier speziell für Kernkraftwerke. Die Katastrophe im japanischen Fukushima, auf die in 5.3.3 noch näher eingegangen wird, hat erneut bewiesen, wie wichtig die strikte Einhaltung der einschlä-gigen Sicherheitsanforderungen ist. Grundsätzlich gilt es Schädigungen der dort tätigen Menschen zu vermeiden Bevölkerung und Umwelt insbesondere in der näheren Umgebung gegen Schäden bei Be-

trieb und bei Störfällen zu schützen Schäden am Kernkraftwerk selbst zu vermeiden, um die vorgenannten Ziele zu gewährleis-

ten, aber auch um aus wirtschaftlichen Gründen aufwändige Reparaturen und Ersatzinvesti-tionen möglichst zu vermeiden.

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96 5 Kernkraftwerke

Angestrebt wird, das sicherheitstechnische Risiko derartiger Anlagen durch geeignete Ausle-gung sowie umfangreiche Kontroll- und Genehmigungsverfahren so gering wie möglich zu halten. Ein Beispiel für derartige Bemühungen ist das aufwändige Verfahren der Auslegung, Berechnung, qualitätsgesicherten Herstellung, Prüfung, Dokumentation und Überwachung von Druckbehältern, das in der normalen Dampfkesseltechnik entwickelt und in der Kerntechnik zu hoher Perfektion ausgebaut worden ist. Über derartige technische Gesichtspunkte hinaus ist bei der Nutzung der Kerntechnik das Prob-lem der möglichen Gefährdung durch radioaktive Stoffe zu beachten. Wenn ein Kernreaktor über eine gewisse Zeitdauer betrieben worden ist, sind im System erheb-liche Mengen an radioaktiven Spaltprodukten mit sehr unterschiedlichen Halbwertszeiten ent-standen und akkumuliert. Diese beinhalten ein großes Gefahrenpotential. Es muss sichergestellt werden, dass diese Spaltprodukte sowohl während des gesamten Reaktorbetriebes als auch nach der Entnahme aus dem Reaktor im nachfolgenden Entsorgungsweg aus der Biosphäre ferngehalten werden. Im Rahmen von Sicherheitsanalysen werden schon während der Planung kerntechnischer An-lagen umfangreiche Untersuchungen an denkbaren Störfällen und Störfallauswirkungen durch-geführt, um die Erfüllung der drei o. g. allgemeinen Sicherheitsanforderungen nachzuweisen. Die friedliche Nutzung der Kernenergie vollzieht sich in Deutschland auf der Grundlage des Atomgesetzes. Ein komprimiertes und streng geordnetes Genehmigungs- und Aufsichtsverfah-ren wurde eingeführt, um Bau und Betrieb kerntechnischer Anlagen geordnet und überprüfbar ablaufen zu lassen. Durch eine strenge Trennung der Rolle von Erbauern und Betreibern von Kernkraftwerken einerseits und von Genehmigungs- und Überwachungsbehörden sowie von Gutachtern andererseits wird eine bestmögliche Erreichung und Einhaltung von Sicherheits-standards angestrebt. Eine solche Trennung scheint es in Japan bis Fukushima 2011 nicht ge-geben zu haben und ist sicher eine der Ursachen für den dortigen schweren Störfall. Unabhän-gigkeit der oben genannten Mitwirkenden voneinander bei Bau, Betrieb und Überwachung kerntechnischer Anlagen ist eine wesentliche Voraussetzung, um hohe Sicherheitsstandards zu gewährleisten.

5.3.2 Sicherheitskonzept Sicherheitsüberlegungen haben bei der Entwicklung und Einführung der Reaktortechnik schon immer eine sehr wichtige Rolle gespielt. Von Anfang an wurden bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie in Reaktoren Störfälle unterstellt und Gegenmaßnahmen vorgesehen. Zunächst standen Überlegungen zu Reaktivitätsstörfällen, später solche zu Kühlmittelverluststörfällen und Ausfällen der Nachwärmeabfuhr im Vordergrund des Interesses. Schließlich kamen An-forderungen, die sich aus der Beherrschung äußerer Einwirkungen ergeben, hinzu (Erdbeben, Gaswolkenexplosion, Flugzeugabsturz). In Zukunft werden außerdem Sabotagehandlungen zu bewerten sein. Das große Inventar an radioaktiven Spaltprodukten im Kern sowie die Forderung, dass diese unter allen Umständen innerhalb der Brennelemente bzw. innerhalb des Reaktors gehalten werden müssen, machen das Gebiet der Reaktorsicherheit zu einem besonders sensitiven. Die wesentlichen Gesichtspunkte bei der Gewährleistung des Schutzes der Anlage und der Umgebung sind: Sichere Abschaltung der Kettenreaktion und Gewährleistung eines unterkritischen Zustandes; Sichere Abfuhr der Nachzerfallswärme und Begrenzung der Brennelementtemperatur auf

zulässige Werte;

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5.3 Reaktorsicherheit 97

Ausreichender Schutz gegen Einwirkungen von außen und Erhalt der Barrierenfunktionen gegen den Austritt von Spaltprodukten.

Bei Einhaltung dieser Bedingungen können die Spaltprodukte bei Normalbetrieb, bei Ausle-gungsstörfällen und bei speziellen Reaktoren auch bei sehr schweren Störfällen innerhalb der Anlage gehalten werden. Zum Erreichen dieses Ziels sind z. B. für Leichtwasserreaktoren umfangreiche Sicherheits-grundsätze entwickelt und diese im Laufe der Jahre bei den verschiedenen kerntechnischen Anlagen verwirklicht worden. Kernreaktoren gehören zu den am intensivsten auf mögliche Risiken untersuchten und kontrol-lierten großtechnischen Anlagen. Wegen des hohen Gefahrenpotentials wurde bei der friedli-chen Nutzung der Kernenergie frühzeitig versucht, Störfälle vorausschaubar auszuschließen oder zumindest beherrschbar zu machen. Wie wir heute wissen, ist dies generell nicht gelun-gen: Der „ernste Unfall“ (Formulierung entsprechend der sog. INES-Skala9 der IAEA10 für die Klassifizierung sicherheitstechnischer Ereignisse in kerntechnischen Anlagen) im US-amerikanischen Kraftwerk Three Mile Island im Jahr 1979 und der „katastrophale Unfall“ im damals sowjetischen Kernkraftwerk Tschernobyl 1986 sind sicher die in der Öffentlichkeit neben Fukushima am stärksten im Gedächtnis verhafteten, aber leider nicht die einzigen Stör- bzw. Unfälle. Bei dem Unfall in Three Mile Island wurde im Gegensatz zu dem Unfall in Tschernobyl keine übermäßige Radioaktivität freigesetzt. Das lag nicht zuletzt auch daran, dass die amerikanische Anlage anders als die russische über einen druckfesten Sicherheitsbehälter (Containment) verfügt. Auch in deutschen Kernkraftwerken haben sich in den letzten Jahren drei Störfälle mit begrenztem Ausfall der sog. gestaffelten Sicherheitsvorkehrungen (siehe Tabelle 5.3) ereignet: Ein Störfall trat 1998 im Kernkraftwerk Unterweser und zwei weitere traten im Jahr 2001 im Kernkraftwerk Philippsburg, Block 2, ein. Festzuhalten ist, dass sich diese Störfälle ohne Auswirkungen – insbesondere Kontamination oder unzulässig hohe Strah-lenexposition von Personen – innerhalb oder gar außerhalb der Anlage blieben. An dieser Stel-le sei außerdem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die in der Presse häufiger als „Beinahe Katastrophe“ oder „Beinahe GAU“ (Größter Anzunehmender Unfall) vermeldeten Berichte über außerplanmäßige Abschaltungen deutscher Kernkraftwerke nicht einmal als Störung, geschweige denn als Stör- oder gar Unfall nach geltenden nationalen und internationalen Krite-rien einzustufen sind. Dies gilt auch für die sog. Transformator-Ereignisse im Kernkraftwerk Krümmel in den Jahren 2007 und 2009 und das Radiolysegas-Ereignis im Dezember 2001 im KKW Brunsbüttel, wenngleich diese Ereignisse Anlass zur Hinterfragung der Sicherheitskultur bei den Betreibern der betroffenen Anlagen gegeben haben. Ausgangspunkt jedes Sicherheitskonzeptes der Kernreaktoren ist der Einschluss der radioakti-ven Materialien in mehrfachen, einander umschließenden Barrieren (Mehrbarrierenkonzept) und die Gewährleistung der ausreichenden Integrität und Funktion der Barrieren durch ein System gestaffelter Maßnahmen (Konzept der Sicherheitsebenen). Dabei kommt immer wieder der gleiche Grundgedanke zum Tragen: Versagen die Schutzmaßnahmen in einer Ebene, soll dieses Versagen durch Schutzmaßnahmen auf der nächsten Ebene aufgefangen werden. Wenn eine Barriere, aus welchem Grund auch immer, versagt, soll die Störung durch die anderen Barrieren aufgefangen werden. Nur wenn alle Barrieren versagen, kann es dann zum Austritt größerer Mengen radioaktiver Stoffe kommen.

9 International Nuclear Event Scala 10 International Atomic Energie Agency

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98 5 Kernkraftwerke

Bild 5.14: Barrieren zur Rückhaltung von Spalt- und Aktivierungsprodukten [5.7]

In Leichtwasserreaktoren westlicher Bauart, aber auch in modernen russischen Konzepten, sollen vier Barrieren die beim Betrieb zwangsläufig entstehenden radioaktiven Spalt- und Ak-tivierungsprodukte zurückhalten. Für Neubauten besteht die Anforderung, die Barrieren so auszulegen, dass ihre Funktion auch im Falle eines Unfalls gewährleistet wird und die radiolo-gischen Konsequenzen auf die Anlage selbst oder die allernächste Umgebung des Unfalls be-schränkt bleiben. Bild 5.14 zeigt schematisch diese Barrieren im Schnitt durch einen Leicht-wasserreaktor: das Kristallgitter des Brennstoffs (innerhalb 1) die gasdicht verschweißten Hüllrohre der Brennstäbe (1) der Reaktordruckbehälter (2) mit den anschließenden Kreislaufsystemen (3) der Sicherheitsbehälter mit seinem gasdichten und druckfesten ‘Containment‘ (4) und sei-

ner umschließenden, bis zu 2 m dicken Stahlbetonhülle (5) Der thermische Schild (6) schirmt die Direktstrahlung aus dem Reaktorkern ab; da er aber nicht vollständig geschlossen ist, kann er die Radioaktivität nur teilweise zurückhalten. In modernen deutschen Kernkraftwerken gibt es vier Sicherheitsebenen (Tabelle 5.3): Die erste Ebene entspricht dem Normalbetrieb des Kraftwerkes. Hier sollen Störfälle möglichst vermieden werden. Trotzdem wird unterstellt, dass Störungen auftreten. In der zweiten Ebene, dem „anormalen Betrieb“, wird das Ziel verfolgt, diese Störungen einzudämmen und zu ver-hindern, dass sie sich zu Störfällen ausweiten. Auch hier wird systematisch unterstellt, dass dieses Ziel nicht erreicht wird und in der dritten Ebene, der Ebene der Störfallbeherrschung, werden Störfälle durch sehr zuverlässige eigene Sicherheitssysteme möglichst aufgefangen. Doch auch hier wird systematisch ein Versagen unterstellt und in der vierten Ebene wird mit „anlageninternen Notfallschutzmaßnahmen“ versucht, die Auswirkungen des Störfalls mög-

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5.3 Reaktorsicherheit 99

lichst auf die Anlage selbst zu beschränken und einschneidende Maßnahmen in der Umgebung (insbesondere Evakuierung) nicht notwendig werden zu lassen.

Tabelle 5.3 Sicherheitsebenen bei Leichtwasserreaktoren

Sicher-cher-heits-ebene

Anlagenzustand Schutzziel Sicherheitsvorkeh-rungen

Wesentliche Maßnah-men zur Reduzierung der Eintrittswahr-scheinlichkeit

1 Normalbetrieb Betriebsstö-rung vermei-den

Regelung geringere Leis-tungsdichte

größeres Wasserin-ventar

digitale Leittechnik

2 Störung Störfall verhindern

Begrenzungen

3 Auslegungsstörfall Störfall beherrschen

Sicherheitseinrichtun-gen

4a Sehr seltener Störfall (ATWS11, EVA12)

Spezielle Sicherheits-einrichtungen

4b Auslegungsüber-schreitender Störfall (kein Kernschmel-zen)

Präventive Notfall-schutzmaßnahmen

z. B. primär- und sekun-därseitige Druckentlas-tung

4c Schwerer Störfall (mit Kernschmelze)

Mitigative Notfall-schutzmaßnahmen

z. B. gefilterte Druckent-lastung des Sicherheits-behälters

5.3.3 Fukushima Die Katastrophe in vier Blöcken des japanischen Kernkraftwerks Fukushima hat gerade in Deutschland zu gravierenden Konsequenzen in der nationalen Energiepolitik geführt, die sich unter dem Schlagwort „Energiewende“ zusammenfassen lassen. In letzter Konsequenz wird der Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie, der faktisch seit etwa 2 Jahrzehnten absehbar war, zeitlich beschleunigt und fixiert. Umfallhergang Die nachfolgende Kurzdarstellung des Unfallhergangs ist der Internetdarstellung des „FKwest Forum Kerntechnik west“ entnommen: Am 11. März 2011 trat mit einem Seebeben der Stärke 9,0 (Magnitude) und einer dadurch ausgelösten Serie von Flutwellen (Tsunamis) an der Nordostküste Japans eine verheerende Naturkatastrophe auf. Vier Kernkraftwerksstandorte waren dort betroffen, am schwerwiegends-ten der Standort Fukushima Daiichi, ca. 250 km nördlich von Tokio. Dort befinden sich sechs Siedewasserreaktoren amerikanischer Bauart mit einer elektrischen Nettoleistung von insge-

11 Anticipated Transient Without Scram (Behinderung der Wärmeabfuhr aus dem Reaktor- und gleichzeitiges Versagen der Reaktorschnellabschaltung, bisher weltweit noch kein Ereignis) 12 Einwirkung von außen

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samt 4.547 Megawatt, die zwischen 1971 und 1979 in Betrieb genommen wurden und zur ältesten Generation der in Japan gebauten Kernkraftwerke gehören. In Folge des Seelbebens fiel am Standort Fukushima Daiichi bei allen Reaktoren die externe Stromversorgung aus. Es kam zur Schnellabschaltung der Reaktoren 1 bis 3, die zum Zeitpunkt des Erdbebens in Betrieb waren. Die Reaktoren 4 bis 6 waren für Revisionen abgeschaltet. Im Block 4 war der Reaktorkern vollständig in das Brennelementlagerbecken entladen. Der erste von mehreren Flutwellen eines durch das Seebeben ausgelösten Tsunamis traf 41 Minuten nach dem Seebeben am Standort ein. Bis dahin war in allen Reaktoren die Stromver-sorgung über Notstromdiesel sowie die Nachkühlung der Reaktorkerne und Brennelementla-gerbecken gewährleistet. Das Erdbeben verursachte keine signifikanten sicherheitsrelevanten Schäden an den Anlagen. Die Reaktoren, die am Netz waren, schalteten sich planmäßig ab. Nach dem Auftreffen der größten, mehr als 14 Meter hohen Flutwelle versagten allerdings 12 der insgesamt 13 Notstromdiesel am Standort, die zum Großteil in den nicht gegen Wasserein-bruch geschützten Kellern der Maschinenhäuser untergebracht waren. Da die Reaktoren 1 bis 4 etwa zehn Meter oberhalb des Meeresspiegels auf dem Gelände errichtet worden waren und die Reaktoren 5 und 6 etwas höher auf 13 Meter Höhe oberhalb des Meeresspiegels, stand das Anlagengelände im Bereich der Reaktoren 1 bis 4 während der größten Flutwelle für einige Minuten 4 bis 5 m unter Wasser. Dadurch drang Wasser in die Kellerräume der Maschinenhäu-ser ein, in denen neben den ungeschützten Notstromdieseln auch die Schaltanlagen für die Wechsel- und Gleichstromversorgung sowie Batterien untergebracht waren. Dadurch fiel die Stromversorgung der Nachkühlsysteme aus, die insbesondere zur Abfuhr der Nachwärme aus den Reaktoren 1 bis 3 sowie aus den Lagerbecken 1 bis 4 notwendig gewesen wären. Auch die Nebenkühlwasserversorgung fiel aus und der Kühlwassereinlauf wurde zerstört, wodurch die Hauptwärmesenke verloren ging. Die Notfallmaßnahmen waren nicht ausreichend, um Schäden an den Reaktorkernen der akti-ven Blöcke 1 bis 3 zu vermeiden. Wegen einer teilweise über mehrere Stunden fehlenden bzw. unzureichenden Kühlwassereinspeisung kam es in diesen drei Blöcken teilweise bzw. vollstän-dig zur Freilegung der Reaktorkerne und zur Überhitzung der Brennstoffhüllrohre. Chemische Reaktionen führten zur Bildung von Wasserstoff und so zu einem weiteren Druckanstieg im Containment (Sicherheitsbehälter) der Reaktoren. Die Reaktorgebäude 1 und 3 wurden im oberen Bereich durch eine Verbrennung von Wasserstoff schwer beschädigt, der vermutlich durch Undichtigkeiten des Containments dorthin gelangte (Bild 5.15). Mit dem Versagen der Notstromdiesel war auch die Kühlung der Brennelementlagerbecken der Reaktoren 1 bis 4 ausgefallen. In den Reaktoren 5 und 6 war die Brennelementkühlung in den Lagerbecken nicht nachhaltig beeinträchtigt, da einer von drei Notstromdieseln des Reaktors 6 den Tsunami überstand und so die Energieversorgung für eine Kühlung sicherte.

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5.3 Reaktorsicherheit 101

Bild 5.15: KKW-Standort Fukushima Daiichi nach dem Erdbeben, Tsunami und H2-Explo-

sionen [5.16]

Nachrechnungen der Betreibers TEPCO und der Behörde NISA mit Unfallanalysecodes zum Zustand des Brennstoffes deuten darauf hin, dass im Reaktor 1 im ungünstigsten Fall ein Groß-teil der Brennelemente aufgeschmolzen wurde. Ein Teil der Kernschmelze hat sich demnach zunächst bis auf den Boden des Reaktordruckbehälters und von dort weiter bis auf die rund 2,6 Meter dicke Bodenbetonschicht im Sicherheitsbehälter (Containment) verlagert. In dieser Schicht dürften Wechselwirkungen zwischen der Kernschmelze und dem Beton dazu geführt haben, dass die Kernschmelze durch Vermischung und Verdünnung mit Betonbestandteilen auskühlte und nach einer Eindringtiefe von 70 cm wiedererstarrte. Im Reaktor 2 ist laut Be-rechnung etwas mehr als die Hälfte des Brennstoffes aufgeschmolzen, im Reaktor 3 sind es knapp zwei Drittel des Brennstoffes. Da die Zeitspanne ohne Wassereinspeisung bei den Reak-toren 2 und 3 deutlich geringer als im Reaktor 1 waren, dürfte die Kernschmelze, so die Be-rechnung, mit hoher Wahrscheinlichkeit weitgehend in den Reaktordruckbehältern zurückge-halten worden sein. Diese Berechnungen sind allerdings bei den Blöcken 2 und 3 mit erhebli-chen Unsicherheiten behaftet, da keine verlässlichen Daten zum Verlauf des Füllstands in den Kernen in Folge der Wiederbespeisung mit Meerwasser existieren. Unter ungünstigen Annah-men ergibt sich ein ähnliches Schadensbild wie bei Block 1 mit einer Beschädigung des Reak-tordruckbehälters und Austreten von Kernschmelze auf den Bodenbeton. In der Tat deuten aktuelle Erkenntnisse auf das Vorliegen einer tiefliegenden Leckage der Reaktordruckbehälter der Blöcke 2 und 3 hin.

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102 5 Kernkraftwerke

Radiologische Situation Insgesamt wurden einige 10.000 Terabecquerel Jod-Äquivalent freigesetzt. Die Freisetzung in Fukushima Daiichi entspricht je nach Informationsquelle 5 bis 20 Prozent der beim Reaktorun-fall in Tschernobyl 1986 freigesetzten Menge. An Aerosolen gelangten hauptsächlich Jod und Cäsium in einer Menge von einigen Prozent des Gesamtinventars der drei Blöcke in die Umge-bung. Am 24. Mai 2012 veröffentlichte TEPCO aktualisierte Werte zu der Menge an freige-setzten Radionukliden nach dem Reaktorunfall in Fukushima Daiichi. Die Werte wurden unter Einbezug von Strahlungsmessungen auf dem Anlagengelände und von Messergebnissen des japanischen Wetterdienstes nochmals ermittelt. Den aktuellen Berechnungen zufolge wurden mehr radioaktive Stoffe freigesetzt als ursprüng-lich angenommen. Vor allem die Gesamtfreisetzung für Jod 131 wurde nach oben korrigiert, von bisher 1 bis 2 x 1017 auf nun 5 x 1017 Becquerel. Die freigesetzte Menge an Jod entspricht damit etwa 15 Prozent der Menge, die beim Reaktorunfall in Tschernobyl freigesetzt wurde. Bezogen auf die Gesamtmenge an Freisetzungen wurden luftgetragen ca. 1 x 1018 Becquerel (Edelgase, Jod 131, Cäsium 134 und 137) und wassergetragen ca. 2 x 1016 Becquerel (Jod 131, Cäsium 134 und 137) freigesetzt. Die Berechnungen ergaben auch, dass der Großteil der radioaktiven Stoffe (etwa 99 %) in den ersten Wochen nach dem Unfall (bis zum 31. März 2011) freigesetzt wurde. Der Wind trug die radioaktiven Stoffe vor allem zunächst nach Osten und später kurzzeitig auch nach Nordwesten. Hohe Kontaminationen konnten im Nordwesten über die 30-Kilometer-Evakuierungszone hinaus punktuell bis in eine Entfernung von etwa 60 Kilometern gemessen werden. Rund 1.500 Quadratkilometer sind von Evakuierungsanordnungen bzw. Evakuierungsempfehlungen betroffen. Das entspricht rund 15 Prozent der Fläche nach dem Unfall von Tschernobyl. In einigen betroffenen Gebieten wurden die Evakuierungen im Jahr 2012 wieder aufgehoben, Dekontaminationsmaßnahmen wurden 2011/2012 großflächig durch-geführt. Die folgenden Aussagen basieren neben der bereits erwähnten FKwest-Darstellung auch auf der GRS-Information im Internet über Fukushima. Todesfälle durch akute Strahlenerkrankungen infolge der Störfälle sind in Fukushima bisher nicht aufgetreten. Kurzfristige Strahleneffekte, die bei hohen Strahlenexpositionen auftreten, wurden nach den vorliegenden Angaben bei Arbeitern nur in Form akuter Hauteffekte, die durch hohe Betakontaminationen bei der Begehung der havarierten Reaktorblöcke verursacht wurde, beobachtet. Die Strahlenexposition der Bevölkerung blieb, vor allem wegen der zeitge-recht durchgeführten Unfallschutzmaßnahmen wie Evakuierung und Aufforderung zum Ver-bleib in den Häusern, unterhalb der Schwellen für akute Effekte. Die Dosisgrenzwerte für Arbeiter bei den Aufräumarbeiten orientieren sich an international vergleichbaren Werten. Sie wurden von 100 mSv, die vor dem Unfall nach japanischem Recht galten, auf den international vergleichbaren Wert von 250 mSv für die Aufräumarbeiten erhöht. Bei einem Risiko einer tödlich verlaufenden Krebserkrankung entsprechend ICRP von 4,1% pro Sievert beträgt somit das theoretische zusätzliche Risiko für die einer solchen Dosis ausge-setzten Arbeiter, an einem tödlich verlaufenden Krebs zu erkranken, etwa 1%. Die Tabelle 5.4 gibt einen Überblick über das Ausmaß der Personenschäden am Standort während des Unfalls und der nachfolgenden Aufräumarbeiten bis zum 1. Jahrestag der Katastrophe. Bis dahin wur-den bereits 18.000 Personen für die Arbeiten an der Unfallstelle eingesetzt, um die zulässige Strahlendosis der Einzelperson nicht zu überschreiten.

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5.3 Reaktorsicherheit 103

Tabelle 5.4: Personenschäden in Fukushima

Betroffene/Personenschaden Ursache/Einwirkung Strahlendosis

am KKW Standort Fukushimaa

3 Tote Erdbeben und Tsunami -

1 Toter Stress bedingter Herzinfarkt -

20+ Verletzte Wasserstoffexplosionen -

88 Verletzte Strahlenexposition 100 bis <150 mSv

14 Verletzte Strahlenexposition 150 bis <200 mSv

3 Verletzte Strahlenexposition 200 bis <250 mSv

6 Verletzte Strahlenexposition >250 bis max. 670 mSv1

In der gesamten betroffenen Regionb

15.853 Tote Erdbeben und Tsunami

6.023 Verletzte Erdbeben und Tsunami

3.282 Vermisste Erdbeben und Tsunami

1 Eine durch 250 mSv exponierte Person unterliegt einem etwa 1% höherem tödlichen Krebsrisiko als nicht exponierte Personen.

a TEPCO,NISA,VGB

b National Police Agency of Japan

Berichte zu gesundheitlichen Folgen durch die Freisetzungen In zwei Berichten stellen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Komitee für Strah-lenschutz der Vereinten Nationen (UNSCEAR) ihre Untersuchungsergebnisse zu den gesund-heitlichen Folgen infolge der durch Fukushima entstandenen Strahlenbelastung vor. Die WHO-Studie betrachtet die Auswirkungen weltweit, während die UNSCEAR sich in ihrem vorläufi-gen Bericht mit der Dosis einzelner Personen(gruppen) in Japan befasst. Generell kommen beide Studien zu dem Ergebnis, dass die Strahlenbelastung niedriger ist als bisher angenommen, und dass sie bis auf wenige Ausnahmen innerhalb der zulässigen Grenz-werte lag. Die WHO-Studie bezeichnet die Strahlenbelastung für die Bevölkerung außerhalb Japans nach den Kriterien der Internationalen Strahlenschutzkommission als „sehr gering“. Für Japan ergeben die Auswertungen ein differenzierteres Bild. Die Dosis, der die Bevölkerung in der Umgebung ausgesetzt war, wurde in den Studien aufgrund der fehlenden Messwerte unmittelbar nach dem Unfall lediglich abgeschätzt. Hier liegen die Zahlen zwischen 1 und 15 Millisievert pro Jahr (mSv/a). In den Orten Itate und Namie sieht es dagegen anders aus: Hier kam es aufgrund der Wetterverhältnisse zu Niederschlägen und zum Fallout größerer Mengen radioaktiver Stoffe. An diesen so genannten Hot Spots wurden Strahlendosen zwischen 10 und 50 mSv/a gemessen. Für Kleinkinder in diesen Gebieten zeigen die Studienergebnisse, dass es bei ihnen zu einer Schilddrüsenbelastung von 100 bis 200 mSv/a kommen kann. Bei einer

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Untersuchung von 1080 Kindern aus Namie rund zwei Wochen nach dem Unfall waren bislang lediglich Dosiswerte ermittelt worden, die durchschnittlich unter 10 mSv/a lagen. Die UNSCEAR-Studie befasst sich auch mit den Strahlendosen, denen die Arbeiter ausgesetzt waren, die während und nach dem Reaktorunfall auf dem Anlagengelände beschäftigt waren. Von insgesamt rund 20.000 Arbeitern haben 167 eine Dosis von über 100 mSv/a, sechs Arbei-ter haben mehr als 250 mSv/a erhalten – das ist der Grenzwert, der von der japanischen Regie-rung nach dem Unfall für Einsätze in Notfallsituationen festgelegt worden war. Zwei weitere Arbeiter waren einer Dosis von mehr als 600 mSv/a ausgesetzt. Die Zahlen stehen nur bedingt mit den Angaben in Tabelle 5.4 in Übereinstimmung. Die Diskrepanzen zeigen die enormen Schwierigkeiten, die radiologischen Auswirkungen detailliert zu erfassen. Man kann aber davon ausgehen, dass es zu keiner messbaren Zunahme von Krebsfällen durch Fukushima kommt. Nicht mit einbezogen werden bei den hier vorgestellten Untersuchungen allerdings die so genannten psychosozialen Folgen – beispielsweise eine Zunahme von Sucht-erkrankungen, Depressionen und Suiziden – die im nach einer solchen Katastrophe vermehrt in der betroffenen Bevölkerung auftreten. Diese Entwicklungen sind bereits aus Tschernobyl bekannt und sind wohl auch in Japan erkennbar. Letztlich wird es aber nicht möglich sein, zwischen Tsunami und/oder nuklearem Störfall als Ursache dafür zu unterscheiden.

Mit welchen Maßnahmen kann der langfristige Einschluss der zerstörten Anlagen sichergestellt werden? Übergeordnetes Ziel der Maßnahmen am Standort Fukushima-Daiichi ist es, die weitere Frei-setzung radioaktiver Stoffe zu verhindern bzw. zu minimieren. In den Blöcken 1-3 befindet sich nach wie vor ein großer Anteil (wahrscheinlich mehr als 99%) der Kerninventare im Inneren der primären Containments; sowohl in Form des – zumin-dest teilweise – zerstörten Kernbrennstoffes, als auch in geringerem Maße als Kontamination an Strukturen und im Wasser. Um eine unkontrollierte Freisetzung dieser Aktivitäten zu ver-hindern, kommen der kontinuierlichen Wärmeabfuhr und der Sicherstellung der Unterkritikali-tät mindestens für die nächsten Jahre eine besondere Bedeutung zu. Dies gilt in gleichem Maße auch für die Brennelementlagerbecken der Blöcke 1-4 außerhalb der primären Containments. In den Maschinenhauskellern hat sich eine große Menge (Größenordnung 100.000 t) an kon-taminiertem (Salz-) Wasser angesammelt, das ebenfalls nach und nach dekontaminiert werden muss. Die Kühlung der geschmolzenen Kerne erfordert bis auf Weiteres die kontinuierliche Zu- und Abfuhr von Kühlwasser, ein hermetischer Abschluss ist somit mittelfristig nicht zu realisieren. Das Kühlwasser wird u.a. mittels Ionenaustauschfiltern gereinigt, damit ist es möglich, eine zusätzliche Belastung der Umwelt (Grundwasser, Pazifik) zu vermeiden. Eine Unterbindung des Wasseraustritts aus Containments und Reaktorgebäuden in das Maschinenhaus ist als Pro-jektziel für das Jahr 2020 definiert. Es besteht die Möglichkeit, dass im Verlauf der Reaktorkatastrophe innerhalb der Anlage abge-lagerte Radionuklide durch Witterungseinflüsse (insbesondere Staubbildung) remobilisiert werden können. Als erste Maßnahme zu ihrer Fixierung wurden in den Monaten nach dem Unfall Inhibitoren versprüht. Darüber hinaus werden die zerstörten Reaktorgebäude mit Abde-ckungen umgeben. Diese ist im Jahr 2012 an Block 1 bereits fertiggestellt, an den Blöcken 3 und 4 dauern die Arbeiten zur Beseitigung von Trümmerteilen noch an, denen sich dann eben-falls die Errichtung solcher Über-Gebäude anschließen wird. Bei Block 2, dessen Reaktorge-bäude weitgehend intakt geblieben ist, ist eine solche Maßnahme nicht vorgesehen.

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5.3 Reaktorsicherheit 105

Langfristig ist vorgesehen, durch Abtransport der Brennelemente aus den Lagerbecken (Be-ginn: 2013) und Bergung der zerstörten Reaktorkerne (Beginn: 2021) die bedeutendsten Akti-vitätsträger aus den Anlagen zu entfernen. In wieweit für Arbeiten, bei denen das Containment geöffnet werden muss, die derzeit vorgesehenen Gebäudeabdeckungen („cover“) modifiziert, oder bis 2020 durch robustere Strukturen („Container“) ersetzt werden, ist noch nicht abschlie-ßend entschieden worden. Hieran anschließend sollen die Großkomponenten zerlegt und entfernt und die Gebäude abge-rissen werden. Der Rückbau der zerstörten Anlagen am Standort Fukushima-Daiichi soll in ca. 30 bis 40 Jahren abgeschlossen sein.

5.3.4 Sicherheitsvorkehrungen Bereits bei der Standortwahl sind international erarbeitete Sicherheitsaspekte zu berücksichti-gen: Die geologische Untergrundformation muss langfristig standsicher und nicht erdbebenge-

fährdet sein. Das in näherer Umgebung in historischer Zeit bekannte Erdbeben ist als Aus-legungserdbeben zugrunde gelegt. Alle Einrichtungen, die zur Abschaltung der Anlage, zur Abfuhr der Nachwärme dienen und das unkontrollierte Entweichen radioaktiver Stoffe ver-hindern, werden für ein Erdbeben ausgelegt, das eine Stufe über dem lokalen Auslegungs-erdbeben liegt. Bei Standorten, an denen bisher kein Erdbeben beobachtet wurde, muss eine Mindest-Erdbebenanforderung erfüllt sein. In Deutschland sind je nach Standort Bodenbe-schleunigungen zwischen 50 und 300 cm/s2 zu berücksichtigen [5.8].

Sicherheitsnachweise gegen andere Naturereignisse wie Hochwasser und Sturmflut sind zu erbringen.

Ein Standort mit einer niederen Bevölkerungsdichte wird bevorzugt. In manchen Ländern gibt es Vorschriften über zulässige Bevölkerungsdichten.

Neuere deutsche Kernkraftanlagen sind gegen Flugzeugabstürze und gegen äußere Explosi-onen nach konservativen Stoßlast-Zeitdiagrammen, Bild 5.16, ausgelegt.

Der hohe Sicherheitsstandard nach aktuellem Stand der Technik zwingt auch zur sicherheits-technischen Nachrüstung älterer Anlagen. Die regelmäßige Schulung des in Kernkraftwerken eingesetzten Personals ist selbstverständlich. Der technische Zustand der Anlagen wird durch Kontrolluntersuchungen und wiederkehrende Prüfungen von Behörden und Überwachungsor-ganisationen überwacht. Hierbei kommen bevorzugt zerstörungsfreie Werkstoffprüfungen des Reaktordruckbehälters, der Wärmeübertrager und Rohrleitungen, aber auch zerstörende Prü-fungen von Testproben, die im Reaktordruckbehälter repräsentativen Neutronenflüssen ausge-setzt sind, zum Einsatz.

Gp

a) Stoßlastverlauf Flugzeug-absturz

b) Überdruckverlauf bei Explosion

Bild 5.16: Vorgegebene, beherrschbare Last-Zeitdiagramme

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106 5 Kernkraftwerke

Eine kerntechnische Anlage muss jederzeit abschaltbar sein und die unvermeidliche Nachwär-me muss ordnungsgemäß an die Umgebung abgeführt werden. Um die negativen Auswirkun-gen eines nicht vollständig auszuschließenden technischen Versagens zu minimieren, haben sich für Kernkraftwerke Sicherheitsvorkehrungen etabliert, die unter den Stichworten Redun-danz, Diversität und Fail-Safe zusammenfassbar sind. Generell verlässt man sich weder auf einzelne Komponenten noch auf einzelne Sicherheitsein-richtungen. Deshalb sind die Sicherheitseinrichtungen und die entsprechenden Mess- bzw. Regelsensoren nach dem „Redundanz-Prinzip“ mehrfach installiert. Redundante Einheiten werden je nach gewünschter Funktion hintereinander oder parallel geschaltet. Ist das Schließen einer Leitung die sicherheitsrelevante Funktion, so sind die hierfür mehrfach vorhandenen Ventile hintereinander zu schalten. Ist das Öffnen entscheidend, z. B. für die Notkühlung, so sind die Ventile parallel anzuordnen. Der Fall, dass die Sicherheitsbarrieren versagen, wird mit höherer Redundanz immer unwahrscheinlicher. Allerdings steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass eine Sicherheitseinrichtung oder ein Sensor anspricht, wenn es nicht sein soll. Dies er-schwert den Betrieb, da die Zuverlässigkeit der Anlage sinkt. Ein Kompromiss ist das „2-von-3-System“, das insbesondere für die sicherheitsrelevanten Messfühler und deren Signalverarbeitung zur automatischen Auslösung einer Funktion (z. B. Ventilöffnung) häufig angewandt wird. Ein Messfühlersignal wird nur berücksichtigt, wenn mindestens zwei aus den dreien das Gleiche anzeigen. So wirkt sich ein fehlerhafter Mess-sensor nicht negativ auf den Betrieb aus. Zusätzlich werden die einzelnen Sensoren und die Datenverarbeitung so geschaltet, dass ihr Versagen zu der Anzeige einer gefährlichen Situation führt („Fail-Safe“-Prinzip). Somit wirken die beiden verbleibenden Stränge echt redundant, d. h. bei Anzeige eines weiteren gefährlichen Wertes wird die Sicherheitsmaßnahme aktiviert. Da prinzipiell systematische Fehler in den redundanten Strängen denkbar sind, also dass Si-cherheitseinheiten durch eine gleiche Störung außer Funktion gesetzt werden, wird die Redun-danz durch das Prinzip der „Diversität“ ergänzt. Hierzu werden für die gleiche Sicherheits-, Mess- oder Datenverarbeitungsfunktion im redundanten Strang mehrere nach verschiedenen Prinzipien arbeitende Geräte eingesetzt. So kommen zum redundanten Pumpenantrieb Elektro-, Dieselmotor und Turbine in Frage. Zur Reaktorabschaltung wird beispielsweise neben den Absorberstäben diversitär die Boreinspeisung in das Kühlmittel angewandt. Mit Methoden der Wahrscheinlichkeitstheorie kann das Störfallrisiko quantitativ abgeschätzt werden. Mit der Ereignisbaum-Methode wird die Wahrscheinlichkeit eines technischen Versa-gens ermittelt. Die „Ereignisbaum“-Methode beginnt mit einem auslösenden Ereignis, das mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit stattfinden kann, und verfolgt die dadurch denkbaren Fol-gen mit ihren einzelnen oder möglicherweise gleichzeitig stattfindenden, sich multiplizierenden Wahrscheinlichkeiten wie Ausfall der Pumpen, Ausfall des Notkühlsystems usw. So ist im Prinzip die kumulierte Wahrscheinlichkeit für eine Versagenskette unter Einschluss des Versa-gens von Sicherheitseinrichtungen mit ihren Folgen bis hin zu einer Kernschmelze berechen-bar. Die Anwendung solcher probabilistischer Methoden in so genannten Probabilistischen Sicher-heitsanalysen (PSA) in Ergänzung zur streng deterministischen Nachweisführung liefert wich-tige Erkenntnisse hinsichtlich möglicher Schwachstellen und Bewertung geplanter oder durch-geführter Änderungen. PSA haben zu vielen Verbesserungen bei Komponenten und Proze-duren beigetragen. PSA (der sog. Stufe 1) werden in Deutschland im Rahmen der zehnjährigen Sicherheitsüberprüfung eines Kernkraftwerks nach §19a Atomgesetz eingesetzt.

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5.3 Reaktorsicherheit 107

5.3.5 Räumliche Trennung Nach der KTA-Regel 3707 ist die so genannte räumliche Trennung wie folgt definiert: „Die redundanten Stränge von Notstromanlagen sind räumlich so voneinander getrennt anzu-ordnen oder gegeneinander derart zu schützen, dass versagenauslösende Ereignisse in einem Strang nicht auf andere Stränge übergreifen können und ein einzelnes anlageninternes versa-genauslösendes Ereignis nicht zum Ausfall von mehr als einem Strang führt.“ Neben baulichen Maßnahmen wird so Vorsorge getroffen, dass z. B. bei Einwirkungen von außen wie bspw. Überflutung die Nachwärme durch intakt gebliebene Systeme sicher abgeführt werden kann. Die räumliche Trennung umfasst auch die Entkopplung der elektrischen Sicherheitseinrichtun-gen. Durch eine konsequente Trennung von Betriebs- und Sicherheitssystemen wird verhindert, dass sich Fehler in Betriebssystemen auf die Funktionstüchtigkeit der Sicherheitssysteme aus-wirken können. Aktuell (August 2012) wird die Verletzung des Prinzips der räumlichen Trennung bei dem Schweizer Kernkraftwerk Mühleberg öffentlich diskutiert. Die 11 m unter dem Boden befindli-chen, nicht voneinander getrennten Notkühlpumpen könnten durch Leckagen aus dem höher liegenden Brennelementlagerbecken ihre Funktionstüchtigkeit verlieren und so die Notkühlung des Reaktorkerns gefährdet werden. Auch beim tschechischen Kernkraftwerk Temelin ist das Prinzip verletzt: Die hochbeanspruchten, parallel geführten Rohrleitungen auf der 28 m-Bühne sind nicht gegeneinander abgeschirmt, um ein Folgeversagen zu verhindern. In deutschen Druckwasserreaktoren ist die Überflutung des Reaktorgebäude-Ringraums ein aktuelles Thema. Neben der teilweise räumlichen Trennung redundanter Stränge von Sicher-heitssystemen und anderen Vorsorgemaßnahmen sind jedoch auch hoch komplexe administra-tive und aktive Maßnahmen erforderlich, um die Auswirkungen einer Überflutung zu begren-zen.

5.3.6 Reaktorsicherheitsforschung Die notwendigerweise extrem hohen Sicherheitsanforderungen an die Kerntechnik haben zu umfangreichen F&E-Aktivitäten geführt, die zum einen das Ziel haben, die technischen Syste-me und ihr Verhalten auch unter den extremen Bedingungen eines Störfalls stetig zu verbes-sern, und zum anderen, die Phänomene und Prozesse auch unter Stör- und Unfallbedingungen zu verstehen und durch geeignete Maßnahmen im Sinne von Sicherheitszugewinn möglicher-weise zu beeinflussen. Diese Aktivitäten sind Gegenstand der Reaktorsicherheitsforschung in den Kernenergie nutzenden Ländern, die von jeher stark miteinander verzahnt sind. Vor allem die internationalen Projekte, die unter dem Dach von IAEA und OECD13 durchgeführt wurden und werden, haben zu einer Angleichung der jeweiligen nationalen Sicherheitsstandards auf erhöhtem Niveau geführt. Unabhängig von der Haltung zur friedlichen Nutzung der Kernenergie der jeweiligen Bundes-regierungen wird in Deutschland Reaktorsicherheitsforschung über Jahrzehnte auf hohem technischen Niveau betrieben. So fand die 1997 abgebaute Versuchsanlage UPTF (Upper Ple-num Test Facility) mit der Nachbildung der wesentlichen Komponenten des Primärsystems (eines DWR) in Originalgröße weltweit Beachtung. Für komplexe Untersuchungen, bei denen Primär- und Sekundärseite sowie Hilfssysteme zusammenwirken, wird auch heute noch die Versuchsanlage PKL (Primärkreislauf) national, wie auch im Rahmen mehrerer OECD-Projekte, eingesetzt. Hervorzuheben ist auch die führende Rolle der deutschen Reaktorsicher-

13 Organisation for Economic Co-operation and Development

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108 5 Kernkraftwerke

heitsforschung bei der Untersuchung der in einem Sicherheitsbehälter – der letzen Barriere für radioaktive Stoffe vor ihrer Freisetzung in die Umgebung – möglicherweise auftretenden Phä-nomene und Prozesse. Beispielhaft genannt seien diesbezüglich der HDR (Heißdampfreaktor) Großwelzheim/Main, der nach seiner Abschaltung über viele Jahre für vielfältige Versuche in realitätsnaher Geometrie genutzt wurde, das sog. Battelle-Modell-Containment – vor allem mit seinen umfangreichen Versuchsserien zur Wasserstoffproblematik und zum Aerosolverhalten – und die aktuelle ThAI-(Thermohydraulik, Aerosole, Iod)-Versuchsanlage in Eschborn mit ihrer hoch-modernen Instrumentierung.

5.4 Reaktortypen

5.4.1 Übersicht der Reaktortypen Leichtwasser-Reaktoren, thermische Reaktoren: Normales flüssiges Wasser dient gleichzei-

tig als Moderator und Kühlfluid. Hierzu zählen Siede- und Druckwasser-Reaktoren. Schwerwasser-Reaktoren, thermische Reaktoren: Als Moderator kommt schweres Wasser

mit Deuterium D = 21H (D2O) zum Einsatz, wobei ein anderes Medium als Kühlfluid ge-

wählt wird. Dieses Prinzip ist im CANDU-Reaktor verwirklicht. Graphitmoderierte Reaktoren, thermische Reaktoren: Bei diesen Reaktoren ist Graphit der

Moderator und das Kühlfluid kann Wasser oder Gas sein. Brutreaktoren, schnelle Brüter: Diese Reaktoren haben eine Konversionsrate größer 1, d. h.

es werden mehr starke Kernbrennstoffe erzeugt als verbraucht. Auf eine Moderation der Neutronen ist weitgehend verzichtet. Kühlfluide sind je nach Reaktorkonzept flüssiges Nat-rium oder Helium.

Eine Besonderheit in dieser Kategorisierung ist der als Tschernobyl-Reaktor bekannt geworde-ne RBMK1000, ein graphitmoderierter Siedewasserreaktor. Die wichtigsten Reaktortypen werden nachfolgend kurz gefasst vorgestellt, wobei die bedeu-tenden Siede- und Druckwasser-Kernkraftwerke detaillierter beschrieben sind. Die Investitionen für den Bau von Kernkraftwerken bzw. der Kapitaldienst sind zwar hoch, doch wegen der relativ niedrigen Brennstoffkosten sind selbst bei der derzeitigen Unsicherheit bezüglich der Entsorgungskosten stabile Stromgestehungskosten über einen langen Zeitraum gewährleistet. Kernkraftwerke sind bisher fast ausschließlich für die Grundlastabdeckung im langzeitigen Volllastbetrieb eingesetzt worden, doch z. B. werden die in Küstennähe errichte-ten Anlagen wegen der zunehmenden mit Windkraft erzeugten Leistung mehr und mehr im Lastwechselbetrieb genutzt.

5.4.2 Kernkraftwerk mit Siedewasserreaktor Zur Umwandlung der in einem Siedewasserreaktor freigesetzten Wärme dient ein Clausius-Rankine-Dampfprozess. Der Reaktor hat die Funktion des Dampferzeugers. Bild 5.17 zeigt das Wärmeschaltbild. Im Gegensatz zu den mit fossilen Energieträgern befeuerten Dampfkraftwer-ken wird ein Sattdampfprozess bei relativ geringem Frischdampfdruck von etwa 70 bar und zugehörigen Sättigungstemperaturen unter 300 °C gefahren. Somit werden die Zircaloy-Brennstabhüllrohre aus Sicherheitsgründen nur mäßigen Temperaturen ausgesetzt. Wie im Kapitel 4 ausgeführt, ist der Wärmeübergang der Zweiphasenströmung geringen Dampfgehalts praktisch gleich hoch wie bei der Einphasenströmung mit flüssigem Wasser. Die Gefahr einer unkontrollierten lokalen Überhitzung der Hüllrohre ist gering, solange es nicht durch eine zu

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5.4 Reaktortypen 109

hohe Wärmestromdichte zur Siedekrise kommt. Deshalb wird bei Siedewasserreaktoren auf eine Überhitzung verzichtet und der Dampfgehalt im Kühlmedium klein gehalten, d. h. es werden hohe Umlaufzahlen in diesem Zwangumlauf-Dampferzeugersystem gefahren. Ein geringer Dampfgehalt ist auch aus neutronenphysikalischen Gründen angebracht, um eine ausreichende, gleichmäßige Moderation zu gewährleisten. Der entstehende Sattdampf wird über reaktorinterne Tropfenabscheider, die oberhalb des Reaktorkerns angebracht sind, der Turbine zugeführt. Thermodynamisch ist eine hohe Temperatur erwünscht, was bei gesättigtem Dampf entsprechend höheren Druck bedingt. Die Grenze wäre der thermodynamisch kritische Punkt von Wasser bei T = 374 °C und p = 221 bar. Derart hohe Frischdampftemperaturen ergeben jedoch in den Turbinen zu große Dampfnässen, die spezifische Arbeit als Kreisintegral der im T,s-Zustandsdiagramm umschlossenen Fläche ist klein und der Prozesswirkungsgrad zu gering. Frischdampftemperaturen um 290 °C haben sich bewährt.

Bild 5.17: Vereinfachter Wärmeschaltplan eines Siedewasser-reaktors

Trotz regenerativer Speisewasser-Vorwärmstufen, Stufenentwässerung und leichter Zwischen-überhitzung sind so nur Gesamtwirkungsgrade bis zu 35 % zu erreichen. Bei der Entspannung des Sattdampfes treten in den Turbinen hohe Dampfnässen auf. Bild 5.18 veranschaulicht eine typische Turbinenentspannung im h,s-Zustandsdiagramm. Turbineninter-ne mechanische Entwässerungen halten den Entspannungsverlauf knapp über dem Dampfgeh-alt von 90 %, was im Dauerbetrieb für Turbinen tolerabel ist. Bei geringem Druck um 10 bar wird der Dampf der Turbine entnommen und mittels Frischdampf (siehe Bild 5.17) leicht auf etwa 240 °C überhitzt, um abschließend in den Niederdruckturbinen auf Kondensatorzustand entspannt zu werden. Für die großen Leistungseinheiten um 1000 MWel sind bei den geringen Frischdampfdrücken und -temperaturen mit ihren geringen Enthalpiedifferenzen entsprechend große Massen- und Volumenströme durch die Turbinen nötig. Der Turbosatz besteht deshalb aus mehreren mehrflutigen Turbinen. Tabelle 5.5 listet die Daten des Siedewasser-Kernkraftwerks Philippsburg I (KKP I) auf. Der Reaktor gibt in seinem Auslegungspunkt eine Wärmeleistung von 2575 MWth ab, die elektrische Bruttoleistung des Generators ist 926 MWel. Brennstoff ist gesintertes Uranoxid (UO2). Der Frischdampfmassenstrom in die Hochdruckturbine beträgt etwa 1290 kg/s. Der doppelflutigen Hochdruckturbine sind zwei parallele, doppelflutige Niederdruckturbinen nach-

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110 5 Kernkraftwerke

geschaltet. Der Einwellen-Turbosatz ist mit der Drehzahl von 1500 min-1 nur für die halbe Netzfrequenz ausgelegt, was festigkeitstechnisch für die 1365 mm langen Turbinenendschau-feln von Vorteil ist. Der Drehstrom-Generator ist entsprechend vierpolig, um die Netzfrequenz von 50 Hz zu liefern. Turbinen neuerer Kernkraftwerke sind meist mit 3000 min-1 volltourig ausgelegt.

Bild 5.18: Verlauf der Dampfentspannung in einer Sattdampfturbine von Siedewasserreaktoren

Wesentliche Sicherheitseinrichtung ist beim Siedewasserreaktor das Druckabbausystem, das bei dem als der größte anzunehmende Unfall (GAU) der anzunehmenden Druckerhöhung im Containment durch die Kühlwasserverdampfung entgegenwirkt. Nachteilig ist, dass selbst die Turbinenhalle zum radioaktiven Sicherheitsbereich gehört und somit ein entsprechender Überwachungs- und Sicherheitsaufwand anfällt. Der Siedewasser-reaktor, zunächst die dominierende Reaktorlinie, wurde durch den Druckwasserreaktor abgelöst. Derzeit sind weltweit ca. 100 SWR in Betrieb. Sämtliche Sicherheitseinrichtungen sind redun-dant und diversitär ausgeführt. Bild 5.13 zeigt den Schnitt durch das Gebäude des KKP I mit seinen verschiedenen Sicherheitseinrichtungen.

Die Abschaltstäbe werden von unten hydraulisch in den Kern gefahren, mit redundanten und diversitären Antrieben, gespeist aus mehreren Druckbehältern. Zur sicheren Wärmeabfuhr im Falle des Ausfalls der Kühlsenke sind Turbinenbypassventil und Abblaseventile vorhanden, die den Druckaufbau im Kühlkreislauf verhindern und als Wärmesenke dienen. Bei schweren Störfällen sorgen der negative Temperaturkoeffizient14 des Kühl- und Moderatorwassers und im schlimmsten Fall das Verdampfen für eine unterkritischen Reaktivität und einen Abfall der Reaktorleistung. Die hochbelasteten Rohrleitungen wie Speisewasser- und Frischdampfleitun-gen sind konzeptionell gegen das Versagen eines doppelendigen Bruches ausgelegt (Bruchaus-schluss), sodass im Störfall nur eine begrenzte Leckfläche (0,1 F: ein Zehntel des Rohrquer-schnitts) anzusetzen ist (Leck-vor-Bruch-Verhalten). Hierbei schließen Schnellschlussventile 14 Ein Temperaturkoeffizient gibt ganz allgemein die Abhängigkeit einer physikalischen Größe von der

Temperatur an. In diesem Fall ist gemeint, dass mit zunehmender Temperatur die Kritikalität des Reaktors abnimmt.

Spez. Entropie s

h [kJ/kg]

Spe

z. E

ntha

lpie

h

Sättigung

x=90 %

x=95 %

5,5 bar

1 bar

50 bar 250°C

200°C

100°C

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5.4 Reaktortypen 111

die Zuleitungen und Venturidüsen reduzieren die Ausströmgeschwindigkeit über die Schallge-schwindigkeit in deren engstem Querschnitt. Hintereinander geschaltete Schnellschlussventile verhindern bei einem Leitungsbruch auch außerhalb des Sicherheitsbehälters den Austritt radi-oaktiver Spaltprodukte in die Umgebung.

Tabelle 5.5: Siedewasser-Kernkraftwerk Philippsburg I (KKP I), Daten des Reaktordruckbehälters mit Kernaufbau und Dampfprozess [5.9]

Thermische Leistung des Reaktors 2575 MW

Druck des Kühlmediums am Druckbehälteraustritt 69 bar

Eintrittstemperatur des Kühlwassers in Reaktordruckbehälter 215 °C

Austrittstemperatur des Dampf-Wassergemisches aus Reaktordruckbehälter 287 °C

Feuchte des aus Reaktordruckbehälter tretenden Dampf-Wassergemisches 0,25 %

Massenstrom des Kühlwassers durch Reaktor (U = 7,5) 10361 kg/s

Austretender Massenstrom 1390 kg/s

Innendurchmesser des Reaktorzylinders 5850 mm

Wanddicke des Reaktorzylinders (incl. austenitische Plattierung) 146 mm

Gesamthöhe des Druckbehälters 21000 mm

Werkstoff des Druckbehälters 22NiMoCr37

Aktive Kernhöhe 3660 mm

Anzahl der Brennelemente 592

Brennstabanordnung 9 x 9 bzw. 10 x 10

Brennstäbe pro Brennelement 72 bzw. 91

Anzahl der Steuerstäbe 145

Gesamtlänge der Brennelemente 4470 mm

Brennstabaußendurchmesser 11,0 bzw. 10,28 mm

Werkstoff der Brennstabhülle Zircaloy-2

Gewicht des Urans (starker und schwacher Kernbrennstoff) 108000 kg

Mittlere Anreicherung in der aktiven Zone 3,5 bzw. 4,4 %

Mittlere volumenspezifische Brennstoff-Leistung 51,1 MW/m3

Mittlere massenspezifische Brennstoff-Leistung 25,5 kW/kg Uran

Mittlere Heizflächenbelastung der Brennstäbe 40,9 bzw. 47,7 W/cm2

Mittlerer Abbrand 50 MWd/kg Uran

Innendurchmesser des Sicherheitsbehälters 27000 mm

Wandstärke des Sicherheitsbehälters 16 bis 30 mm

Auslegungsdruck des Sicherheitsbehälters 3,8 bar

Elektrische Bruttoleistung des Turbosatzes 926 MW

Elektrischer Eigenbedarf im Frischwasser-Kühlbetrieb 36 MW

Elektrische Nettoleistung im Frischwasser-Kühlbetrieb 890 MW

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112 5 Kernkraftwerke

Der Sicherheitsbehälter umschließt den Reaktordruckbehälter mit seinen Umwälzpumpen, nicht jedoch die Turbinen. Im Störfall mit Freisetzung von radioaktiv belastetem Frisch-dampf innerhalb des Sicherheitsbehälters werden die Druckentlastungsventile aktiviert und Dampf strömt in das torusförmige Wasserbecken, der dort kondensiert. Zusätzlich gibt es ein Deckel- und Kernsprühsystem. Durch das Druckabbausystem hat das Containment nur einen relativ geringen Druck auszuhalten und braucht nicht so groß wie bei einem Druckwasserre-aktor zu sein. Frühere Siedewasserreaktoranlagen hatten kugelförmige Containments, wäh-rend sich später zylindrische Sicherheitsbehälter aus armiertem Beton als günstiger erwiesen, vor allem weil damit die sicherheitstechnisch wichtige Kondensationskammer stabil im tiefs-ten Gebäudepunkt eingebaut werden kann. Der Reaktorkern ist mit einer Notkühlung durch Reaktorflut- und Sprühsysteme mittels boriertem Wasser ausgestattet. Die Flutung des Reak-tors und des Containments soll auch die Bindung eines großen Teils des bei einer Schädi-gung des Reaktorkerns freigesetzten radioaktiven Jods im Wasser bewirken. Das Druckab-bausystem, einschließlich der Notkühl- und Gebäudesprühsysteme, ist nicht auf das Strom-netz angewiesen. Der den Reaktor umschließende Sicherheitsbehälter ist von einer zweiten Hülle, dem sog. Lining umgeben. Der Raum zwischen den beiden Schalen wird unter Atmosphärendruck p < patm gehalten. Die Gebläse dieses Raumes fördern diese Abluft in den inneren Sicherheitsbe-hälter, so dass keine radioaktiven Substanzen nach außen dringen. Im Turbinenhaus, das gegen die Außenatmosphäre dicht abgeschlossen ist, wird ein Unterdruck aufrechterhalten. Die Va-kuumpumpe am Kondensator, die im Normalbetrieb zur Entgasung des Speisewassers benötigt wird, kann bei einem Störfall freigesetzte radioaktive Partikel und Spaltgase fördern. Absolut-filter für Partikel und eine Verzögerungsanlage, in der die Spaltedelgase mehrere Tage abklin-gen können, minimieren eine Freisetzung in die Atmosphäre. Erst nach einer Luftverdünnung tritt das aus dem Kondensator geförderte Volumen über den Kamin in entsprechender Höhe in die Atmosphäre, was ein Überschreiten der für die allgemeine Bevölkerung zulässigen radioak-tiven Dosisleistung verhindert. Nach 1980 gebaute Anlagen haben in Deutschland eine armier-te Betonhülle, die den Reaktor gegen Einwirkungen von außen, wie Flugzugabstürze oder Explosionen in der näheren Umgebung, schützen. Von den zuständigen Behörden sind Katastrophenschutzpläne zum Schutz der Bevölkerung ausgearbeitet worden, die sich allerdings nicht allein auf denkbare extreme Unfälle durch Kernkraftwerke beschränken. Diese Pläne sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich, um beab-sichtigt herbeigeführte Störungen oder Auslösung zu verhindern. Dem durch die Katastrophe von Tschernobyl bekannt gewordenen Siedewasserreaktor RBMK 1000 liegt ein anderer Aufbau zugrunde, bei dem die Moderation durch Graphit geschieht. Die Brennelemente sind in individuellen Bohrungen (Druckröhren) eines großen Graphitblocks eingelassen. Falls der Reaktor überkritisch wird, kann es bei Versagen der Regeleinrichtungen zu einer Leistungsexkursion kommen, die im Gegensatz zu Reaktoren westlicher Bauart nicht durch die Selbstregelung über das Verdampfen des Moderators zu einem unterkritischen Zu-stand und dann zum Abstellen führt. Wenn durch eine Leistungsexkursion das Kühlmedium im RBMK verdampft, wird die Neutronenmoderation und damit die Kernspaltung weiter aufrecht-erhalten, da der feste Graphitmoderator weiterhin seine Funktion erfüllt. Dies führte letztlich zur bekannten Tschernobyl Katastrophe, bei der es zur Dampfexplosion und Graphitbrand unter Freisetzung des radioaktiven Materials gekommen ist. Allerdings wurden die automati-schen Regel- und Sicherheitseinrichtungen, insbesondere das Notkühlsystem, unter Miss-achtung der Vorschriften vom Bedienungspersonal manuell bewusst außer Kraft gesetzt, um eine Versuchsreihe zu fahren.

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5.4 Reaktortypen 113

5.4.3 Kernkraftwerk mit Druckwasserreaktor Kernkraftwerke mit Druckwasserreaktor (DWR) bilden mit etwa 300 weltweit in Betrieb be-findlichen Blöcken die wichtigste Gruppe von Leichtwasser-Reaktoren. Sie sind thermische Reaktoren und haben im Wesentlichen zwei vollständig getrennte Wasserkreisläufe (Bild 5.19). Die Aufgabe eines dritten Kreislaufes, des sog. Hauptkühlwasserkreislaufes, besteht darin, die Kondensationswärme aus dem Turbinenkondensator über den Kühlturm an die Um-gebung abzuführen. Das Kühlmittel im Primärkreislauf kühlt den Reaktorkern und gibt seine Wärme über Wärmetauscher (Dampferzeuger), die die Trennung zwischen Reaktorkühlmittel auf der einen Seite und Speisewasser auf der anderen Seite darstellen, an den Sekundärkreis (Dampfkraftprozess) ab. Aus den gleichen, im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Grün-den, wird im Sekundärkreis ein Sattdampfprozess mit etwa 60 bar und 280 °C gefahren. Der dem Primärkreis durch den Druckhalter aufgeprägte Druck von etwa 160 bar verhindert, dass das Kühlmittel im Reaktor Siedebedingungen erreicht. Die Gefahr von Siedekrisen wird dadurch minimiert und die Moderation vergleichmäßigt. Mit dieser Vorgehensweise wird sicher-gestellt, dass aus thermohydraulischer Sicht ein betriebsbedingtes Hüllrohrversagen ausgeschlos-sen werden kann. Der Primärkreislauf von Druckwasserreaktoren besteht üblicherweise aus drei oder vier einzel-nen Teilkreisläufen, den sog. Loops. In jedem Loop befindet sich folglich ein Dampferzeuger und eine Hauptkühlmittelpumpe. Der sekundärseitige Frischdampf aus den Dampferzeugern wird über Frischdampfleitungen dem Turbosatz zugeführt. Das den Reaktor und die übrigen Komponenten des Reaktorkühl- und Druckhaltesystems umgebende Containment ist so ausge-legt, dass es beim Kühlmittelverluststörfall das gesamte verdampfende Wasser des Primärkrei-ses aufnimmt und ggf. das radioaktive Inventar zurückhält. Darüber hinaus übernimmt das Containment eine Schutzfunktion für den Reaktor gegen äußere Einwirkungen – Erdbeben, Explosion, Flugzeugabsturz (Bild 5.12).

Bild 5.19: Vereinfachter Wärmeschaltplan eines Druckwasserreaktors

Da es eine Vielzahl verschiedener Hersteller und Baulinien von Druckwasserreaktoren gibt, wird exemplarisch der Aufbau des in Deutschland zuletzt gebauten Kernkraftwerks GKN II (Gemeinschaftskernkraftwerk Neckar, zweiter Reaktor an diesem Standort) vorgestellt. Im Januar 1984 war der Baubeginn, schon im April 1989 wurde der kommerzielle Betrieb aufge-nommen. GNK II gehört ebenso wie die Anlagen ISAR II und Emsland zum DWR-Typ KONVOI. Alle drei Anlagen erreichten im Jahr 2011 eine zeitliche Verfügbarkeit von ca. 95% und nehmen damit weltweit traditionell Spitzenplätze ein.

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114 5 Kernkraftwerke

Tabelle 5.6: Druckwasserreaktor Gemeinschaftskernkraftwerk Neckar II, GKN II; Primärkreislaufdaten und Reaktordruckbehälter mit Kernaufbau [5.10]

Thermische Leistung des Reaktors 3850 MW Anzahl der Kühlkreisläufe 4 Primärdruck 158 bar Eintrittstemperatur des Kühlwassers in Reaktordruckbehälter 291 °C Austrittstemperatur des Kühlwassers aus Reaktordruckbehälter 326 °C Massenstrom des Kühlwassers 17.672 kg/s Innendurchmesser des Zylinders 5.000 mm Wanddicke des Zylinders 250 mm Dicke der inneren Edelstahl-Plattierung 6 mm Höhe des Behälterunterteils (ohne Deckel) 9750 mm Zahl der Deckelschrauben 52 Werkstoff des Druckbehälters 20MnMoNi55 Anzahl der Brennelemente mit 14 x 14 Matrix 193 Anzahl der Steuerelemente 61 Aktive Länge der Brennelemente 3900 mm Brennstabaußendurchmesser 9,5 mm Werkstoff der Brennstabhülle Zircaloy-4 Gesamtgewicht eines Brennelements 826 kg Gewicht des Brennstoffs (starker und schwacher Kernbrennstoff) 103.000 kg Mittlere Stableistung 16,7 W/mm Mittlere volumenspezifische Leistung 93 MW/m3

Tabelle 5.7: GKN II; Sekundärkreislauf und Dampferzeuger [5.10]

Elektrische Bruttoleistung des Turbosatzes 1.365 MW Elektrischer Eigenbedarf für Kühltürme, Pumpen usw. 96 MW Elektrische Nettoleistung 1.269 MW Anzahl der Dampferzeuger 4 Wärmeleistung pro Dampferzeuger (die gesamte Leistung der Dampferzeuger ist größer als die Leistung des Reaktors) 967 MW

Heizfläche pro Dampferzeuger 5.400 m2 Anzahl der Heizrohre 4.118 Werkstoff der Heizrohre INCOLOY 800 Höhe der Dampferzeuger 21.500 mm Durchmesser des Rohrbodens 3.667 mm Frischdampfdruck am Austritt der Dampferzeuger 63,5 bar Frischdampftemperatur am Austritt der Dampferzeuger 279 °C Speisewassertemperatur am Eintritt der Dampferzeuger 218 °C Massenstrom des Arbeitsfluids 2.126 kg/s

Tabellen 5.6 und 5.7 zeigen die Hauptdaten des GKN II. Die elektrische Bruttoleistung im Auslegungspunkt ist 1365 MW. Der Primärkreis besteht aus vier separaten Kreisläufen, die jeweils einen Dampferzeuger speisen. Der Reaktor, der Primärkreis und die vier Dampferzeu-

Page 41: Energietechnik || Kernkraftwerke

5.4 Reaktortypen 115

ger sind im kugelförmigen Containment, das bisweilen auch als Reaktorsicherheitsbehälter bezeichnet wird, untergebracht. Die derzeit genehmigte maximale Anfangsanreicherung des Brennstoffs beträgt 4,45 Gew.-% U-235. 193 Brennelemente mit insgesamt 57.900 Brennstä-ben und 4.632 Führungsrohren für Steuerstäbe (Absorberstäbe), Messsonden oder für andere Zwecke sind installiert.

Der Sekundärkreis ist wieder ein Sattdampfprozess mit ähnlichen thermodynamischen Daten wie beim Siedewasserreaktor erläutert. Der Turbosatz besteht aus einer doppelflutigen Hoch-druckturbine und zwei nachgeschalteten parallelen doppelflutigen Niederdruckturbinen. Sämtliche Sicherheitseinrichtungen sind vierfach redundant und darüber hinaus zum Teil diversitär ausgeführt. Bild 5.12 zeigt den Schnitt durch ein Druckwasserreaktor-Containment mit seinen verschiedenen Sicherheitseinrichtungen, wie sie bei GKN II realisiert sind: Abschaltsystem und ein weiteres diversitäres Abschaltsystem (gem. KTA-Anforderung) Redundante Speisewasserpumpen (An- und Abfahrpumpen, Notspeisepumpen) Sicherheits-, Abblase- und Umleitventile im Sekundärkreis Druckfester Sicherheitsbehälter aus Stahl Trümmerschutz für den gesamten Primärkreislauf Notkühlsystem Gebäudesprühanlage (nicht bei GKNII) Aufrechterhaltung eines Unterdrucks gegen Leckagen Filtersysteme Regelmäßige Überwachung Betonschale gegen äußere Einwirkungen (Flugzeugabstürze)

Die Abschaltstäbe sind im Normalbetrieb aus dem Kern herausgezogen und dort durch Elek-tromagnete gehalten. Ein Stromausfall führt zu einem Verlust der magnetischen Erregung der Haltemagnete und die Stäbe fallen nach dem Fail-safe-Prinzip ausschließlich infolge der Schwerkraft in den Kern. Zusätzlich ist die Boreinspeisung in den Primärkreis vorgesehen. Zur sicheren Wärmeabfuhr im Falle einer unerwünschten Leistungserhöhung des Reaktors oder des Ausfalls der Hauptwärmesenke sind Speisewasserpumpen in jeder Redundanz des Sekundär-kreises, das Turbinenumleitventil und Abblase- und FD-Sicherheitsventile vorhanden, die als Wärmesenke dienen und einen Druckaufbau verhindern. Auch beim Druckwasserreaktor ist im Betrieb der Kühlmitteltemperaturkoeffizient negativ. Bei einer Temperaturerhöhung fällt die Reaktivität ab, was den Reaktor unterkritisch werden lässt, wenn das Kühlfluid verdampfen würde. Wichtigstes Sicherheitselement bei westlichen DWR ist das druckfeste Containment aus Stahl und Beton, das die Freisetzung radioaktiven Materials verhindert und somit eine Vielzahl von unterschiedlichen Störfälle bis hin zu schweren Kühl-mittelverlusten absichert. Der Sicherheitsbehälter nimmt im Falle des Kühlmittelverluststörfal-les mit großem Leck den gesamten Inhalt des Primärkreises auf und sammelt das ausgetretene Kühlmittel im sog. Gebäudesumpf. Der Reaktor mit Primärkreis und Dampferzeuger ist mit einem Betonmantel als Trümmerschutz umgeben. Auch Kabel- und Leitungsdurchdringungen, die durch Kammern mit einem separaten Absaugsystem geführt sind, werden kontinuierlich auf Dichtheit kontrolliert. Die Lüftungskanäle werden bei Aktivitäts- oder größerer Kühlmittelfrei-setzung automatisch durch redundante Ventile geschlossen. Im Normalbetrieb herrscht im Containment ein leichter Unterdruck. Innerhalb des Reaktorgebäudes sind das Notkühlsystem und das Gebäudesprühsystem untergebracht, bei deutschen Druckwasserreaktoren je vier re-dundante und diversitäre Systeme. Deutsche Druckwasserreaktoren verfügen nicht über solche Sprühsysteme, da sie einer alternativen Strategie zur Störfallbeherrschung folgen. Im Falle

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116 5 Kernkraftwerke

eines Kühlmittelverluststörfalls, wird zuerst das Notkühlsystem aktiviert, das sowohl mittels redundanter Pumpen als auch den unter Druck stehenden Speichern (Druckspeichern) mit bo-riertem Wasser den Reaktorkern durch redundante Einspeisestellen kühlt. Das Gebäudesprühsystem senkt den durch die Dampffreisetzung aufgebauten Druck im Con-tainment ab. Gleichzeitig wird ein Großteil des bei einer Schädigung des Reaktorkerns freige-setzten radioaktiven Jods vom Wasser aufgenommen. Die Notkühl- und Gebäudesprühsysteme können vom Notstromnetz versorgt werden. Der Sicherheitsbehälter ist nochmals von einer bewehrten Betonschale umgeben, die als Strahlenabschirmung bei innerer Radioaktivitätsfrei-setzung und gegen Einwirkungen von außen (Flugzeugabstürze, Explosionen) dient. Zwischen Stahlcontainment und äußerer Betonschale liegt ein durch Schleusen zugänglicher, begehbarer Ringspalt, um Wiederholungsprüfungen zu erlauben. Dieser Raum wird auf Unterdruck gehal-ten. Die notwendigen Gebläse fördern die Abluft über eine Filterstrecke in den Fortluftkamin. Somit werden bei Störfällen und bei gleichzeitigen Leckagen in der Stahlhülle Spalt- und Akti-vierungsprodukte im Filter zurückgehalten. Nicht rückhaltbar sind Spaltedelgase, die mittels Kamin in großer Höhe freigesetzt, verteilt und verdünnt werden. Die Unterschiede in den Si-cherheitseinrichtungen von Siedewasserreaktoren sind durch die höhere Leistungsdichte von etwa 100 MW/m3 bedingt. Das Sicherheitskonzept des neukonzipierten Europäischen Druckwasserreaktors EPR berück-sichtigt noch konsequenter als bisherige Konzepte Fail-safe-Vorrichtungen und die weiterge-hende hypothetische Schadenspropagation bis hin zu einer Kernschmelze mit entsprechenden zusätzlichen sicherheitstechnischen Maßnahmen (‘core catcher‘). Der EPR ist eine evolutionä-re Kombination des französischen N4- und des deutschen KONVOI-Konzepts mit partiellen Weiterentwicklungen, die mit einer elektrischen Leistung von mehr als 1600 MW aus wirt-schaftlichen Gründen in den sicherheitstechnisch vertretbaren Grenzbereich vorstößt. In der ehemaligen Sowjetunion werden ebenfalls Druckwasserreaktoren entwickelt. Die WWER-Reaktoren haben hexagonal angeordnete Brennelemente, liegende Dampferzeuger und Hüllrohre aus Zirkonium-Niob-Legierung. Auf das druckaufnehmende Sicherheitscontainment wurde in der Vergangenheit verzichtet und dafür ein Druckabbausystem mittels Notkühlung gewählt. Heutige Weiterentwicklungen verfügen über zu westlichen Konzepten vergleichbare Containments.

5.4.4 CANDU Reaktor CANDU (Canada Deuterium Uranium) ist ein schwerwassermoderierter Reaktor, dessen Brennstoff Natururan ist. Er ist ein Druckwasserreaktor mit Sicherheitscontainment und vier Dampferzeugern bei zwei parallelen Primärkreisen. Im Primärkreis strömt Wasser bei etwa 120 bar durch mehrere kurze Druckröhren, die ein Brennelement von 37 mit Natururan-Dioxid gefüllten Brennstäben beinhaltet. Die kleinen Druckröhren ersetzen den großen teuren Reak-tordruckbehälter. Hunderte dieser Druckröhren sind horizontal in einem größeren Behälter, dem „Calandria“, untergebracht, der unter Atmosphärendruck (drucklos) mit Schwerwasser als Moderator gefüllt ist. Das Moderatorwasser hat eine niedrige Temperatur. Die Regel- und Abschaltstäbe werden innerhalb des „Calandria“ zwischen die Druckröhren gefahren. „Caland-ria“ mit dem gesamten Primärkreis und den Dampferzeugern ist in einem zylindrischen Sicher-heitscontainment aus Beton, das ein Notkühlsystem für den Kühlmittelverlust-Störfall beinhal-tet, installiert. Daneben besitzt das große Wasservolumen des „Calandria“ eine hohe Wärme-kapazität und gilt deshalb auch als Sicherheitsbarriere. Der erzielbare Abbrand ist, da Naturur-an zum Einsatz kommt, mit weniger als 10 MWd/kgBst deutlich geringer als bei Leichtwasser-reaktoren.

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5.4 Reaktortypen 117

Der Sekundärkreis ist wieder ein Clausius-Rankine-Prozess, bei dem die Turbinen mit Satt-dampf beaufschlagt werden. Die Version CANDU 6 hat eine elektrische Leistung von 700 MW. Bild 5.20 zeigt das vereinfachte Schaltbild eines CANDU-Kraftwerkes [5.12].

Bild 5.20: Vereinfachte Wärmeschaltung CANDU

5.4.5 Schneller Brüter Dieser Reaktor hat eine Konversionsrate größer Eins, d. h. es entsteht mehr starker Kernbrenn-stoff als durch Spaltung verbraucht wird. Brutstoffe sind i.a. 238

92 U oder 23290Th , wobei letzte-

res 23392 U erbrütet. Um genügend schnelle Neutronen zu erhalten, wird auf die Moderation

verzichtet. Als gering neutronen-absorbierende Kühlfluide kommen Gase oder flüssiges Natri-um zum Einsatz. Der Reaktor ist in zwei Zonen unterteilt. Innen befindet sich die Spaltzone, die eine hohe Brennstoffdichte und hohe Anreicherung mit starken Kernbrennstoffen aufweist, um wenig Absorption und Abbremsung der Neutronen zu erhalten, also um möglichst viele schnelle Neutronen für hohe Brutraten bei immer noch ausreichend hohen Spaltraten zu ge-währleisten. Die äußere Zone besteht vorwiegend aus 238

92 U oder 23290Th . Da in der inneren

Spaltzone hohe Leistungsdichten erzielt werden, bietet sich Natrium wegen seiner hohen Leit-fähigkeit als Kühlmittel an. Ein besonderes Problem bereitet die chemische Reaktion von Natrium und Wasser, die bei Leckagen zwischen Primär- und Sekundärkreislauf auftreten kann. Beim deutschen SNR 300 waren insgesamt drei getrennte Kreisläufe vorgesehen. Über den Sekundärkreislauf, auch mit Natrium, gibt das Primärkühlfluid seine Wärme an den tertiären Clausius-Rankine-Dampfkraftwerksprozess ab, der mit Wasser betrieben wird. Bild 5.21 veranschaulicht das Prinzip des SNR 300 (Schneller natriumgekühlter Reaktor, 300 MWel).

Zur Vermeidung einer Wasser-Natrium-Reaktion war beim SNR-300 in Kalkar eine Stickstoff-füllung des inneren Containments vorgesehen. Das äußere Containment war in geringem Ab-stand von einer dichten Blechhaut umgeben. Im Spalt sollte Unterdruck gehalten werden, um für eine gewisse Zeit nach einem Unfall eine Leckage zu vermeiden. Weiterhin wurde bei der sicherheitstechnischen Auslegung eine Kernschmelze unterstellt, die durch eine gekühlte Auf-

G

Dampf- erzeuger

Sekundär-kreis

Calandria

Primärkreis

Druck- röhren

Moderator- fluid

Moderator- pumpe

Moderator- kühler

Moderatorkreis

Page 44: Energietechnik || Kernkraftwerke

118 5 Kernkraftwerke

fangvorrichtung beherrscht werden sollte, indem die Nachwärme abgeführt und eine unterkriti-sche Brennstoffanordnung hergestellt werden sollte. Weltweit sind bzw. waren bisher nur wenige schnelle Brüter in Frankreich, Japan und Russland in Betrieb. Der deutsche SNR 300 ist demontiert und beherbergt heute einen Freizeitpark.

Bild 5.21: Schnitt durch den Schnellen Brüter SNR 300

5.4.6 Gasgekühlte Reaktoren, Hochtemperaturreaktor In diesen Reaktoren wird Gas, Helium oder Kohlendioxid, wegen seiner Stabilität im Neutro-nenfluss als Kühlfluid des Reaktorkerns eingesetzt. Da Gase wegen ihrer geringen Dichte nicht moderieren, wird Graphit als Moderator eingesetzt. Die Besonderheit der deutschen Entwick-lung des Hochtemperaturreaktors sind seine kugelförmigen, tennisballgroßen Brennelemente aus Graphit, in denen kleine Brennstoffpartikel dispergiert sind (Bild 5.22). Diese Graphitku-geln bilden als Schüttung den Reaktorkern, weshalb diese Reaktorlinie als Kugelhaufenreaktor bekannt ist (Bild 5.23). Gegenüber Zircaloy-Hüllmaterialien erlauben die Graphitkugeln we-sentlich höhere Kühlmitteltemperaturen. Im THTR 300 (Thorium-Hochtemperatur-Reaktor, 300 MWel, jetzt stillgelegt) wurde Helium bei fast 40 bar im Primärkreis auf 750 °C erwärmt.

Das Helium wird über Gebläse durch den Kugelhaufen gedrückt und übernimmt die Spal-tungswärme. Zur Regelung werden Absorberstäbe in den Kugelhaufen gedrückt. Wegen Dich-tigkeitsproblemen bei der mit Helium betriebenen, geschlossenen Gasturbine wurde davon Abstand genommen, einen Joule-Brayton-Prozess zu betreiben. Auch beim THTR wurde im Sekundärkreis über heliumerwärmte Dampferzeuger ein Dampfkraftwerksprozess betrieben (Bild 5.23).

Entsprechend der gewünschten Konversionsrate ist die Anreicherung, die Brennstoffmasse und der Brutstoffanteil in den Brennstoffpartikeln zu variieren. Beim THTR 300 wurde als Brut-stoff 232

90Th verwendet, der den starken Kernbrennstoff 23392 U erbrütet. Bei diesem Brutstoff,

der in der Natur etwa fünfmal häufiger als Uran vorkommt, fällt bei der Aufbereitung weniger Plutonium an. Die Benutzung von Graphitkugeln erlaubt kontinuierlichen Brennelementwech-sel: Frische Kugeln werden über Schleusen von oben eingebracht und Kugeln mit hohem Ab-brand unten im trichterförmig zulaufenden Kugelhaufen ausgeschleust, ohne den Reaktorbe-

Page 45: Energietechnik || Kernkraftwerke

5.4 Reaktortypen 119

trieb unterbrechen zu müssen. Die Brennelementkugeln des THTR 300 (nahezu 700.000 Ku-geln) brauchten erst nach einem Abbrand von etwa 110 MWd/kg entnommen zu werden. Die-ser Wert liegt deutlich über dem anderer Reaktoren.

Bild 5.22: Aufbau der Brennelementkugel und eines dispergierten Brennstoffpartikels für THTR 300

Bild 5.23: Prinzipbild des Kugelhaufenreaktors THTR 300 [5.13]

Barrieren gegen das Austreten radioaktiver Stoffe sind: Brennelemente mit in Graphitmatrix eingelagerten beschichteten einzelnen Brennstoff-

bzw. Brutstoff-Partikeln Zylindrische Spannbetonbehälter, in dem der Reaktor mit Primärkreislauf einschließlich der

sechs Dampferzeuger untergebracht ist. Innerer Durchmesser von fast 16 m, lichte Höhe von etwas über 15 m, Wandstärken für Boden und Decke über 5 m und für den zylindri-schen Teil 4,5 m mit wassergekühltem Liner

Der Reaktor ist selbst bei Umgebungsdruck, also im Falle eines großen Lecks im Primär-kreis, redundant gekühlt.

Negativer Temperaturkoeffizient. Bei Temperaturerhöhung nimmt einmal die Neutronen-absorption des Thoriums zu und zum anderen verschiebt sich die Neutronenenergievertei-lung zu geringerem Spaltquerschnitt.

Page 46: Energietechnik || Kernkraftwerke

120 5 Kernkraftwerke

Deshalb gilt die Baulinie des Kugelhaufenreaktors als besonders sicher. Bei hinreichend klei-ner Leistung und geringer Leistungsdichte sowie einem Brennstoff, der eine Spalt- und Akti-vierungsproduktrückhaltung bis zu Störfalltemperaturen von mindestens 1600 °C gewährleis-tet, kommt das in Deutschland entwickelte und in China vor seiner ersten Realisierung stehen-de sog. Modulkonzept [5.14] einem inhärent sicheren Reaktor nahe. Unter heutigen Bedingun-gen ist ein solches Konzept wirtschaftlich zwar nicht konkurrenzfähig, aber sein Potential zur kombinierten Strom- und Prozessgaserzeugung machen das Konzept für die fernere Zukunft interessant.

5.4.7 Kernkraftwerke der 4. Generation Die Leichtwasser-Reaktoren der 50er und 60er Jahre zählen zur ersten Generation, deren Wei-terentwicklung zu den großen Siede- und Druckwasserreaktoren werden als zweite Generation angesehen. Als dritte Generation gelten Konzepte wie der Europäische Druckwasserreaktor EPR (European Pressurized Water Reactor) mit seiner optimierten Technik und den weiter entwickelten passiven Sicherheitsstandards. Viele Industriestaaten wollen die Kernkraft voran-treiben. Übergeordnete Ziele von Kernkraftwerken der vierten Generation sind: Verringerte Investitions- und Betriebskosten Erhöhte Akzeptanz der Bevölkerung, z. B. durch erhöhte Sicherheitsstandards und kleinere

Leistungseinheiten Reduktion des radioaktiven Abfalls Verringerung der Proliferation nuklearen Materials

Derzeit werden verschiedene Reaktorlinien mit unterschiedlichem Entwicklungsaufwand und in unterschiedlichen Entwicklungsstufen verfolgt, die obige Ziele erreichen können. Folgende Konzepte, deren sicherheitstechnische Auslegung, Brennstoffzusammensetzung und Brenn-stoffhandling gegenüber den aktuell betriebenen Kernkraftwerken deutlich verbessert werden sollen, werden international untersucht: a) Gas gekühlter schneller Brutreaktor (Gas cooled fast reactor GFR) b) Reaktor mit sehr hoher Temperatur (Very high temperature reactor VHTR) c) Überkritischer wassergekühlter Reaktor (Super critical water cooled reactor SCWR) d) Natrium gekühlter schneller Brutreaktor (Sodium cooled fast reactor SFR) e) Blei gekühlter schneller Brutreaktor (Lead cooled fast reactor LFR) f) Salzschmelze gekühlter Reaktor (Molten salt reactor MSR)

Zu a: Dieser Reaktor soll mit Helium gekühlt werden, das auf über 850 °C erhitzt und dann direkt über eine Gasturbine entspannt wird. Mehrere Brennelementtypen kommen in Frage, die diesen hohen Temperaturen widerstehen und die Spaltprodukte gut zurückhalten, z. B. kerami-sche Verbundbrennstoffe oder keramisch ummantelte Brennstoffmischungen. Der Reaktorkern kann aus prismatischen Blöcken bestehen, aus einem Kugelhaufen oder aus stab- oder platten-förmigen Anordnungen. Der Reaktortyp ist als Brutreaktor mit integriertem Konzept der Brennstoffaufbereitung vorgesehen. Zu b: Dieser Reaktor ist mit Graphit moderiert und mit Helium gekühlt. Der Reaktor kann unterschiedlich aufgebaut sein, z. B. als Kugelhaufen oder als prismatischer Block. Eine Reak-toraustritts-Temperatur von bis zu 1000 °C ist angedacht. Dies erlaubt auch die Wärmeliefe-rung für chemische Prozesse wie Wasserstoffproduktion. Dieses Reaktorkonzept ist eine Wei-terentwicklung des in Kap. 5.4.6 beschriebenen Hochtemperaturreaktors. Zu c: Wasser als Kühlfluid in überkritischem Zustand, d. h. über 374 °C und 221 bar, ergibt drei große Vorteile. Einmal durchläuft das Kühlmedium keinen Phasenwechsel, was die Kühl-

Page 47: Energietechnik || Kernkraftwerke

5.4 Reaktortypen 121

technische und neutronenphysikalische Auslegung sehr vereinfacht. Zum andern kann der thermodynamische Prozess optimiert werden, insbesondere wenn es materialtechnisch gelingt, eine hohe Temperatur (über 500 °C) zu erzielen. Drittens kommt das Kernkraftwerk wie ein Siedewasserreaktor mit einem Kreis aus, d. h. das überkritische Fluid aus dem Reaktor soll direkt in der Turbine entspannt werden. Ein Wirkungsgrad von 40 % und mehr wird erwartet. Das Neutronenspektrum kann durch die Konditionierung des Kühlfluids für eine Fahrweise als thermischer Reaktor oder als schneller Reaktor angepasst werden. Die komplexe Strömungs-führung des Fluids im Reaktorkern stellt für etwaige Genehmigungsverfahren eine besondere Herausforderung dar. Zu d: Eine Weiterentwicklungsvariante des schnellen Brüters mit drei Kreisläufen basiert auf neuen metallischen Brennstofflegierungen aus Uran-Plutonium-Aktiniden-Zirkon, die eine kraftwerksintegrierte pyrometallische Wiederaufbereitung erlauben sollen. Die andere Ent-wicklungsvariante soll mit traditionellem Brennstoff aus Uran-Plutonium-Mischoxiden arbei-ten, jedoch eine höhere Temperatur von etwa 550 °C für den Clausius-Rankine-Prozess erlau-ben. Allerdings ist dann an eine zentrale Wiederaufbereitung nach einem verbesserten PUREX-Verfahren für mehrere Kraftwerke gedacht. Wesentliche neue Sicherheitsinstallation ist das große, nahezu drucklose Primärsystem mit langsamer thermischer Reaktionszeit. Zu e: Dieses innovative Brüterkonzept sieht einen primären Kreislauf mit Blei oder einer eu-tektischen Blei-Wismut-Legierung vor. Die Reaktoraustrittstemperatur soll auf mindestens 550 °C gesteigert werden, eventuell bis auf 800 °C. Letzteres würde sogar für einen Gasturbi-nenbetrieb ausreichen und für Prozessdampf zum Betrieb thermochemischer Hochtemperatur-Prozesse wie Wasserstoffproduktion geeignet sein. Der Reaktorkern soll als „Batterie“ zur Gänze austauschbar und für einen besonders hohen Abbrand, also eine sehr lange Betriebszeit von 15 bis 20 Jahren konzipiert sein. Dieses Batteriekonzept ist insbesondere für kleine Block-größen von 50 bis 150 MW vorgesehen und für Länder, die keine eigene Infrastruktur für Nuk-learbrennstoffe aufbauen wollen, vorgesehen. Für größere Baugrößen ist dieses Batteriekon-zept allerdings nicht anwendbar. Zu f: Der mit einer Salzschmelze gekühlte Reaktor stellt das weitreichendste Konzept dar. Hier ist der Brennstoff Uranfluorid im zirkulierenden flüssigen Kühlmedium zusammen mit Fluo-ridsalzen, insbesondere Natrium- und Zirkonfluorid sowie Lithium- und Berylliumfluorid, integriert. Beim Durchfluss durch den Moderator, den Graphitkern, wird das Brennstoff-Kühlgemisch kritisch. Über den Zwischenkreis wird die Wärme an den thermodynamischen Kreisprozess abgegeben. Angestrebt sind Temperaturen zwischen 700 und 800 °C. Die Salz-schmelze erlaubt die Zugabe von Aktiniden wie Plutonium und vermeidet somit die Brennele-mentfertigung. Die erzeugten Aktinide und viele Spaltprodukte reagieren zu Fluoriden in der Schmelze. Um das Neutronengleichgewicht aufrecht zu erhalten, muss die Salzschmelze gerei-nigt werden, um unerwünschte Neutronenabsorber zu entfernen. Dies geschieht am besten permanent durch einen elektrochemischen Reinigungs- und Aufbereitungs-Bypass. Fluorid-salzschmelzen haben beste Wärmeleit- und Wärmeübergangseigenschaften bei sehr geringem Dampfdruck, was sehr geringe Betriebsdrücke ergibt. Allerdings besteht durch Verunreinigun-gen große Korrosionsgefahr. Wasser, beispielsweise, wird zur höchst korrosiven Fluorsäure HF umgewandelt. Dieses Reaktorkonzept wurde im Oak Ridge National Laboratory in den 70er Jahren mit einem Pilotreaktor von 7,4 MWth getestet. Erreicht wurden Temperaturen bis 700 °C. Eine kompakte Übersicht dieser Reaktortypen ist in der Website des Idaho National Laboratory [5.15] zu finden.

Page 48: Energietechnik || Kernkraftwerke

122 5 Kernkraftwerke

5.5 Entsorgung, Wiederaufbereitung, Transport Die Nutzung der Kernenergie wird in manchen Staaten von der Gesellschaftsmehrheit neben Sicherheitsbedenken auch wegen der Entsorgungs- oder Wiederaufbereitungskonzepte abge-lehnt, da eine sichere Lagerung der beim Betrieb von Kernkraftwerken zwangläufig auch ent-stehenden langlebigen Isotope (Plutonium, sog. minore Aktinide sowie Spalt- und Aktivie-rungsprodukte) in geologisch stabilen Formationen bezweifelt wird, weil Katastrophen, die zu einer Freisetzung dieser Stoffe führen, und unbefugte Entnahmen mit folgendem Missbrauch werden als nicht auszuschließen angesehen. Bei der Wiederaufbereitung sollen die erbrüteten starken Kernbrennstoffe, also Plutonium- und Uranisotope, wiedergewonnen werden. Die notwendige Plutoniumwirtschaft, die das extrem toxische Plutonium zur Ware werden lässt, wird oft wegen des potentiellen Missbrauchs abgelehnt. Auch bei einer dauerhaften gesellschaftspolitischen Ablehnung der Kernenergie kommt man in Deutschland nicht umhin, ein schlüssiges Endlagerkonzept zu entwickeln. Dazu ist es notwen-dig, zunächst den Anforderungskatalog festzulegen und dann zu prüfen, ob ins Auge gefasste Lagerstätten diesen Kriterienkatalog erfüllen. Die Suche nach dem sog. bestmöglichen Endla-ger führt zwangsläufig zu einer Suche ohne Ende.

5.5.1 Wiederaufbereitung Zwar wurde in Deutschland durch die Stillegung der jahrelang betriebenen Karlsruher Pilot-anlage die Wiederaufbereitung aufgegeben, doch ist sie in anderen Ländern integraler Be-standteil des Kernbrennstoffkreislaufs. Bild 5.24 zeigt neben der direkten Endlagerung die Schritte der Wiederaufbereitung. In den Kreislauf müssen frisches Uran eingespeist und die

Bild 5.24: Kernbrennstoff-Kreislauf bzw. direkte Endlagerung

Page 49: Energietechnik || Kernkraftwerke

5.5 Entsorgung, Wiederaufbereitung, Transport 123

aktiven Spaltproduktisotope ausgeschleust werden. Die Bestandteile der abgebrannten Brennelemente werden in der Wiederaufbereitungsanlage getrennt. Die extrahierten starken und schwachen Kernbrennstoffe werden zur Herstellung neuer Brennelemente genutzt, wäh-rend die sonstigen radioaktiven Materialien wie Spaltprodukte, Hüll- und Strukturmaterialien in das Endlager kommen. Für die Wiederaufbereitung der abgebrannten Brennelemente kommen wässrige Verfahren großtechnisch zum Einsatz. Die Brennelemente werden zuerst mechanisch zerkleinert und in Säure aufgelöst. Der feste Brennstoff wird durch Säuren in eine wässrige Lösung übergeführt, was im Anschluss die Abtrennung der Metalle Uran und Plutonium durch die chemischen Trennverfahren Fällung, Lösungsmittelextraktion und Ionenaustausch erlaubt. Das PUREX-Verfahren (Plutonium, Uran, Reduktion, Extraktion) hat sich durchgesetzt [5.6], bei dem der Brennstoff zunächst durch siedende Salpetersäure in ein Metallnitrat umgewandelt wird:

2 UO2 + 6 HNO3 2 UO2(NO3)2 + NO2 + NO + 3 H2O Gl. 5.25

Diese Uran- und Plutonium-Nitrate werden mit Tri-n-butylphosphat TBP über die Bildung stabiler Komplexe aus der Mutterlauge von anderen Stoffen extrahiert und chemisch weiterbe-handelt. Die gasförmigen und leichtflüchtigen Spaltprodukte gelangen in den Abgasstrom und werden dort bis auf zulässige Konzentrationen ausgefiltert. Die festen Spaltprodukte fallen in wässriger Lösung an und werden durch Eindampfen abgetrennt. Bei der Wiederaufbereitung muss die Freisetzung der radioaktiven Produkte in die Umgebung verhindert werden. Hierbei sind insbesondere die flüchtigen, langlebigen Spaltprodukte wie die Jodisotope I-129, I-131 und Tritium H-3, zurückzuhalten. Jod wird mittels Nasswäscher im Abgasstrom ausgewaschen oder an silberimprägnierten anorganischen Trägermaterialien abge-schieden. Das Tritium wird schon im ersten Extraktionszyklus zurückgewaschen und die beim Eindampfen des hochaktiven Flüssigabfalls anfallende tritiumhaltige Säure rezykliert. Durch eine Tieftemperatur-Rektifikation wird das Kryptonisotop Kr-85 abgeschieden. Bevor das derzeit geltende gesetzliche Gebot der direkten Endlagerung ohne Wiederaufberei-tung in Kraft trat, wurden deutsche Brennelemente im französischen Le Hague und im briti-schen Sellafield wiederaufbereitet.

5.5.2 Entsorgung Bei der Entsorgung wird zwischen schwach-, mittel- und starkaktiven Abfällen unterschieden. Schwach- und mittelaktive Abfälle fallen bei Reparatur oder Wartungsarbeiten als leicht aktive Metalle, kontaminierte Kleidung und Reinigungsmedien an. Das Volumen wird vor seiner Endlagerung durch verschiedene Prozesse wie Eindampfen, Pressung oder Verbrennung zuerst komprimiert, dann mittels Zement oder Beton gebunden und meist in Edelstahlfässer gefüllt. Die Strahlenemission und die Nachwärme der dem Reaktor entnommenen abgebrannten Brennelemente sind hoch. Die Brennelemente gelangen zuerst für mindestens ein Jahr in das Wasserabklingbecken des Kernkraftwerks, wobei die Nachwärme und die Radioaktivität ent-sprechend ihres exponentiellen Verhaltens deutlich abnehmen. Das Volumen der radioaktiven Brennelementbestandteile wird durch die Wiederaufbereitung komprimiert. Die flüssigen und festen hochaktiven Rückstandsstoffe lassen sich durch Ein-schmelzen in Glasblöcke langzeitstabil binden. Eine Pilotanlage ist im belgischen Forschungs-zentrum Mol seit Jahren in Betrieb. Nach mehreren Jahren Abklingzeit in wärmeabführenden Zwischenlagern können die Glasblöcke dann in tiefliegenden, geologisch stabilen Formationen wie Salzstöcken endgelagert werden.

Page 50: Energietechnik || Kernkraftwerke

124 5 Kernkraftwerke

Falls wie in Deutschland auf Wiederaufbereitungsanlagen verzichtet wird, kommen die Brenn-elemente nach der Abklingzeit ohne weitere Behandlung in das standordnahe Zwischenlager. Die Brennelemente verbleiben dabei in ihren Transportbehältern (CASTOR-Behälter).

5.5.3 Transport Die abgebrannten Brennelemente sind nach der Zwischenlagerung aus dem Kernkraftwerk abzutransportieren. Zu diesem Zweck wurden spezielle Behälter entwickelt, die bei ihrer Typ-prüfung extremen Belastungen standhalten müssen, die möglicherweise bei schweren Trans-portunfällen auftreten können. Hierzu zählen Fallversuche aus 9 m Höhe auf ein unnachgiebiges Fundament, Beschuss mit einer 1000 kg schweren Stahlmasse, Hitzetest bis 800 °C und natürlich Dichtheitsprüfungen in Tieftauchbecken. Die Behälter aus hochwertigem Gusseisen sind etwa 5 bis 6 m lang bei einem Durchmesser von ca. 2 m. Bei der Wandstärke von fast 0,5 m und der Wasserfüllung lässt sich die Strahlung auf unschädlich geltende Werte abschirmen. Die Rippenstruktur an der Behälteraußenseite führt die Nachwärme ab. Der Deckel und die Dichtungen sind doppelt ausgeführt. Die Behälter des Castor-Typs, Bild 5.25, werden mittels Eisenbahn und Lastkraftwagen befördert. Sie sind auch für die langfristige Lagerung der Brennelemente geeignet. Die Brennelemente werden unter Wasser im Abklingbecken in die Transportbehälter geladen. Das Wasser des Abklingbeckens ist durch Abriebpartikel und Tritium leicht aktiv. Selbst wenn der Behälter vor dem Eintauchen in eine Kunststofffolie gehüllt wird, ist eine Wasserkontami-nation der Behälteraußenseite nicht ganz ausgeschlossen. Nach Verschluss wird der Behälter deshalb durch Wasserduschen und manuellem Abtrocknen auf dem Kraftwerksgelände gerei-nigt. Die Radioaktivität der Behälteroberfläche darf lokal 4 Becquerel/cm2 nicht überschreiten. Diese geringe lokale Aktivität ist nicht direkt messbar. Die indirekte Messung geschieht mit dem Wischtest. Mit einem geeigneten Vlies werden einige Teilflächen des Behälters abge-wischt und im Labor auf die aufgenommene Radioaktivität untersucht. Keine der Proben darf eine auf die Fläche, wo die Wischprobe entnommen wurde, umgerechnete Aktivität von 4 Bq/cm2 vor dem Transport überschreiten.

Bild 5.25: Aufbau eines Transport- und Lager-behälters, Typ Castor Ic [5.6]

Page 51: Energietechnik || Kernkraftwerke

5.6 Fusionskonzepte 125

5.6 Fusionskonzepte Die Fusion eines Deuterium- mit einem Tritiumkern zu 4

2 He und einem Neutron setzt die Fusi-onsenergie EFus = 17,6 MeV frei. Die hierzu benötigte „Zündenergie“ beträgt etwa EZ = 10 keV. Unter allen Varianten der Heliumfusion ist das Verhältnis dieser Energien EF/EZ mit 1760 am höchsten und die Zündenergie am niedrigsten, was sie als bevorzugte Reaktion aus-zeichnet. Das entstehende Hochenergie-Neutron hat 14,1 MeV und der Heliumkern 3,5 MeV. In einem Fusionsreaktor soll das schnelle Neutron im thermischen Mantel, der die Fusions-kammer umgibt, abgebremst werden und seine Energie an einen thermischen Kreisprozess abgeben. Der Heliumkern soll seine Energie im Plasma selbst abgeben, um die hohe Plas-matemperatur aufrecht zu erhalten. Deuterium ist in natürlichem Wasser genügend vorhanden und relativ preiswert zu separieren. Das Tritium 3

1H soll im thermischen Mantel des Fusionsreaktors selbst aus Lithium 63Li oder

73Li durch den Neutronenstrom generiert werden:

73Li + schnelles 1

0 n 31H + 4

2 He + 10 n Gl. 5.26

63 Li + langsames 1

0 n 31H + 4

2 He + 4,8 MeV Gl. 5.27

Letztere Reaktion setzt mit 4,8 MeV noch eine nennenswerte Energie frei.

Bild 5.26: Schematischer Aufbau eines Fusions-Kraftwerks

Bild 5.26 zeigt schematisch den Aufbau eines Fusions-Kraftwerks. Um die Fusion aufrechtzu-erhalten, ist diese zu isolieren, damit die erforderliche Plasmatemperatur (Zündtemperatur 108 K) nicht absinkt. Stand der Technik ist, das Fusionsplasma magnetisch in der Schwebe zu halten. Die elektrisch geladenen Plasmateilchen orientieren sich entlang Magnetfeldlinien.

Page 52: Energietechnik || Kernkraftwerke

126 5 Kernkraftwerke

Bild 5.27: Prinzipien eines magnetisch gehaltenen Plasmas

Bild 5.27a) zeigt ungeordnete Teilchenbewegungen in einem unbeeinflussten Plasma, Bild 5.27b) mit angelegtem Magnetfeld, wo die Partikel eine schraubenförmige Bewegung um die Feldlinien ausführen. Nach diesem Prinzip sind die Fusionskammern konzipiert. In Bild 5.27c) ist das derzeit bevorzugte Magnetfeld in Form eines Torus gezeigt (TOKAMAK-System). Das Konzept wurde ursprünglich in der ehemaligen UdSSR vorgeschlagen. Das JET-Programm (Joint European Torus) basiert auf diesem Prinzip. Die magnetischen Feldlinien sind spiralför-mig um den Toruskern gelegt. Entsprechend werden die Plasmateilchen in diesem toroidalen Volumen gehalten. In der Praxis sind weitere magnetische Hilfsfelder nötig, um das Plasma stabil im Ring zu halten. Bild 5.27d) skizziert das alternative Spiegelkonzept. Wenn sich die Magnetlinien verengen, werden die Plasmapartikel reflektiert, womit sie sich ebenfalls in ei-nem vorgegebenen Volumen halten lassen. Allerdings entkommen Partikel auf der zentralen Magnetlinie, was zusätzliche Spiegelkonfigurationen notwendig macht. Neben dem magnetischen Plasmaeinschluss wird der Trägheitseinschluss untersucht. Hierzu müssen die Fusionspartner zunächst in einer Hülle eingeschlossen werden. Diese Brennstoff-kügelchen von etwa 1 mm Durchmesser werden einer plötzlichen extremen Wärmezufuhr ausgesetzt, was mittels mehreren, konzentriert gepulsten Laserstrahlen oder Partikel-Beschleu-nigern möglich ist. Das Hüllmaterial expandiert als Elektronen- und Ionenplasma radial nach außen und komprimiert als starke Stoßwelle nach innen. Der sich zum Zentrum konzentrieren-de Stoß kann im Kügelchen Temperaturen von 108 K und damit die Fusion hervorrufen. Ist erst einmal die Fusion in Gang gesetzt, wird der restliche Brennstoff ebenfalls fusionieren, da der gesamte Prozess in einem Zeitrahmen von 10–9 s abläuft. Bild 5.28 zeigt die zeitliche Abfolge dieses Prinzips. Die schattierte Ringfläche stellt das Plasma des Hüllmaterials dar. Auch Fusionsreaktoren garantieren keine saubere Energieumwandlung. Das langlebige Isotop Tritium wird in großen Mengen produziert und ist leicht flüchtig; hiergegen sind wieder ver-schiedene Barrieren zu schaffen. Die Fusion erzeugt große Mengen hochenergetischer Neutro-nen, die Kernreaktionen in den einzelnen Strukturen um das Plasma hervorrufen. Die meisten der durch Neutronen erzeugten radioaktiven Isotopen werden in den Strukturen zurückgehal-ten, während gasförmige wie C-14, Ar- und N2-Isotope besondere Rückhaltebarrieren bedin-gen, um das Kraftwerkspersonal zu schützen.

Page 53: Energietechnik || Kernkraftwerke

Übungsaufgaben 127

Der hohe Energieinhalt und die hohe Plasmatemperatur sowie die Kühlkreisläufe bedingen besondere sicherheitstechnischeMaßnahmen. Hierfür sind insbesonders dafür geeignete Werk-stoffe zu identifizieren. Bild 5.28: Prinzip des Trägheitseinschlusses

Übungsaufgaben 5.1 Welche thermische Energie wird durch die vollständige Spaltung mit thermischen Neut-

ronen des U-235 in 5 kg UO2 (Urandioxyd), das auf 2 % angereichert ist, freigesetzt? Der Brutprozess soll unberücksichtigt bleiben.

5.2 Gegeben sei ein Reaktor mit einer mittleren spezifischen Leistung L von 1000 kW/kg U-235. Als Brennstoff wird (U-235)O2 verwendet. Die Anreicherung a sei 3 %. In welchen Zeitabständen muss der Brennstoff gewechselt werden, wenn der zulässige Abbrand mit 30.000 MWd/(t UO2) vorgegeben ist? t UO2 bedeutet Tonne Kernbrennstoff aus U235O2 und U238O2. Massenzahl von O: 16.

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128 5 Kernkraftwerke

5.3 Ein Brennstab von L = 2,25 m beheizter Länge habe eine mittlere Stableistung von q/l = 200 W/cm. Das Kühlmittel erwärmt sich beim Strömen entlang dieses Brennstabes von T1 = 290 °C auf T2 = 320 °C. Die spezifische Wärme des Kühlmittels sei cp = 3 kJ/(kgK). Wie groß ist der zugehörige Kühlmitteldurchsatz m in kg/s?

5.4 Was bewirkt ein Moderator in Kernkraftwerken? Welche Moderatoren werden verwendet?

5.5 Der effektive Spalt-querschnitt f von U-235, U-238 und Pu-239 ist im Diagramm als Funktion der Neut-ronenenergie gegeben. Kennzeichnen Sie im Diagramm Bereiche, wo a) Leichtwasser-

Reaktoren b) Schnelle Brüter

betrieben werden.

c) Diskutieren Sie in Kürze, welche Anreicherungen mit starkem Kernbrennstoff zu Be-triebsbeginn benötigt werden – im Vergleich der beiden Reaktortypen.

d) Welche Kühlmedien werden üblicherweise für die o. g., unterschiedlichen Reaktor-typen eingesetzt?

5.6 Auslegung Kernkraftwerk (Hilfsmittel: h,s-Diagramm Wasser; Dampftafel) Sie sollen die grundlegende Auslegung eines Kernkraftwerkes mit den folgenden thermo-dynamischen Daten analysieren. Druck- und Wärmeverluste sind zu vernachlässigen (sie-he unteres Anlagenschema): Der Frischdampf ist Sattdampf bei TFD = 300 °C; Kondensatorbedingung: TCond = 25 °C Zwischenüberhitzung durch den Frischdampf bei pZÜ = 5 bar bis TZÜ = 280 °C. a) Zeichnen Sie die Zustandsänderung der Dampfturbinenentspannung in das h,s-

Diagramm Isentroper Turbinen-Wirkungsgrad S = 80 %. b) Welcher Dampfmassenstrom mT ist nötig, um eine Turbinenleistung von PT = 1600

MW zu erzielen? Mechanische Verluste sind zu vernachlässigen. c) Welcher Massenstrom mZÜ wird für die Zwischenüberhitzung benötigt? Die Zwi-

schenüberhitzung wird durch den Frischdampf realisiert; siehe unteres Anlagensche-ma. Der Frischdampf wird kondensiert und verlässt den Überhitzer in flüssig gesättig-tem Zustand. Druckverluste sind zu vernachlässigen.

d) Auf welchem Druck ist der Mischvorwärmer MV zu betreiben? Welche Druckdiffe-renz hat die zweite Pumpe Pu 2 zu bewältigen?

e) Berechnen Sie die spezifische Enthalpie hVw des Speisewassers nach dem Mischvor-wärmer. Die Pumpe Pu1 habe einen Wirkungsgrad von Pu = 80 %. Dichte von Was-ser = 1000 kg/m3

f) Berechnen Sie den thermischen Wirkungsgrad th.

Neutronenenergie eV

Spa

ltque

rsch

nitt

103

102

101

100

10–1

10–2

10–2 10–1 100 101 102 103 104 105 106 107

Spaltquerschnitt von U235 ( ), Pu239 ( ), U238 ( )

Page 55: Energietechnik || Kernkraftwerke

Übungsaufgaben 129

5.7 Kernkraftwerk EPR (Hilfsmittel: h,s-Diagramm Wasser; Dampftafel)

Sie haben die thermodynamische Auslegung des Europäischen Druckwasser-Reaktors EPR für Finnland zu überprüfen. Folgende Daten sind gegeben: Frischdampfzustand, Sattdampf TFD = 290 °C; Zwischen-überhitzung bei pZÜ = 10 bar auf TZÜ = 290 °C. Kondensatortemperatur TK = 30 °C. Druckverluste und Pumpenleistung seien vernachläs-sigbar. a) Zeichnen Sie das Anlagenschema des EPR mit der Zwischenüberhitzung ZÜ. b) Ermitteln Sie den isentropen Wirkungsgrad S der Entspannungen in den Turbinen.

Hinweis: Tragen Sie zuerst die Entspannungsverläufe in das h,s Diagramm ein. Die Entspannungen enden bei einem Dampfgehalt von 90 %.

c) Die elektrische Leistung soll 1.600 MW betragen. Wirkungsgrade m Gen sonst = 90 %. Welcher Dampfmassenstrom mD ist nötig?

d) Der Reaktor hat 241 Brennelemente mit je 265 Brennstäben Es soll keine regenerative Speisewasser-Vorwärmung angewandt werden. Die mittlere spezifische Stableistung ist qSt = 257 W/cm. Berechnen Sie die notwendige Länge der Brennstäbe L.

e) Zeichnen Sie qualitativ das T, Q-Diagramm des Wärmeübertragers Kennzeichnen Sie die Grädigkeit (minimale Temperaturdifferenz).

f) Die Grädigkeit des Dampferzeugers beträgt 10 °C; der Massenstrom im Primärkreis ist mPr = 23.000 kg/s; spez. Wärme des Kühlwassers bei dem hohen Druck sei cp = 3 kJ/(kg K). Welche Wassereintritts- und Austrittstemperatur Tein, Taus weist der Reaktor auf?

5.8 Beurteilen Sie die Qualität der Leistungsabschätzung für einen 1300 MWel Leichtwasser-reaktor mit einem Wirkungsgrad von = 34 % mittels der Näherungsformel:

fiss fP E N

Dampf-erzeuger

Vorwärmstrecke Primär-kreislauf

Sattdampf Hochdruck- turbine

Niederdruck-turbine

Reaktor

Sekundärkreislauf

TKond = 25 °C

TFD = 300 °C

G

Pu1

mT

mSH

Pu2

HVW

TZÜ = 280 °C

pZÜ = 5 bar

VW

3

4

6

54

1

2

2a

2b

Page 56: Energietechnik || Kernkraftwerke

130 5 Kernkraftwerke

Es sei: N die Anzahl der U-235-Atome in der Gesamturanmasse mikroskopischer Spaltwirkungsquerschnitt f f = 360 barn

mittlerer thermischer Neutronenfluss = 3·1013cm-2·s-1 Gesamturanmasse mU = 100 t mittlere Anreicherung a = 4 % Avogadro-Konstante NA = 6,022·1023mol-1 Energie pro Spaltung Efiss = 192 MeV Hinweis: Die Lösungen der Übungsaufgaben befinden sich am Ende des Buches, hinter Kap. 20.

Literatur zu Kapitel 5 [5.1] D. Smidt, Reaktortechnik, G. Braun-Verlag Karlsruhe, 2. Aufl. 1976 [5.2] K. Wirtz, Vorlesung über Grundlagen der Reaktortechnik, Teil 1, Kernphysikalische

Grundlagen, Lehrstuhl für Physik. Grundlagen der Reaktortechnik, TH Karlsruhe, 1966 [5.3] http://www.walter-fendt.de/ph14d/zerfallsreihen.htm [5.4] B. Rajewski, Thieme Verl. 1956 u. G. Braun Verl. 1957 [5.5] Fusion falters under soaring costs, BBC World Service, 17. Juni 2009 [5.6] C. Keller, H. Möllinger (Herausgeber), Kernbrennstoffkreislauf, Band 1 und Band 2, A.

Hüthig Verlag Heidelberg, 1978 [5.7] http://de.wikipedia.org/wiki/Sicherheit_von_Kernkraftwerken [5.8] Sicherheitstechnische Regel des KTA: Auslegung von Kernkraftwerken gegen seismi-

sche Einwirkungen, Teil 1, KTA 220 [5.9] KKP Philippsburg, EnBW Kraftwerke AG, Redaktion Harald Bläske [5.10] GKN, Gemeinschaftskernkraftwerk Neckar, Block I und II, 2.Aufl. 1994 [5.11] W. D. Krebs, Risikobeurteilung von Kernkraftwerken – Neue Konzepte; in: Entwick-

lungstendenzen in der Energieversorgung, Ed. R. Zahoransky, Informationsschrift der VDI-GET, VDI Düsseldorf, 1998

[5.12] J.F. Sobolewski, V.G. Snell, CANDU 6, Safety of CANDU Nuclear Power Stations, AECL-6329 (Atomic Energy of Canada Limited), 1992

[5.13] BBC, 300-MW-Kernkraftwerk mit Thorium-Hochtemperatur-Reaktor (THTR-300) der HKG in Hamm-Uentrop, BBC-Druckschrift D HRB 1141 89 D, 1989

[5.14] H. Reutler und G. H. Lohnert, Advantages of Going Modular in HTR, Nuclear Engi-neering and Design, 78, p. 129–136, Amsterdam, The Netherlands, 1984

[5.15] http.//nuclear.inl.gov/gen4, 2006 [5.16] Janti, Digital Globe, 2011; auch:

http://www.vgb.org/vgbmultimedia/News/Herczoglong.pdf