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Die Versorgung des extrem atrophier- ten, prothesenunfähigen Oberkiefers mit osteointegrierten Implantaten stellt ein häufiges Problem dar. Die Gründe dafür sind in den atrophiebedingten Veränderungen der Oberkieferanato- mie zu sehen, welche häufig mit einer Reduktion des Knochenangebots und der Knochenqualität einhergehen [4] und besondere therapeutische Maß- nahmen erfordern [1, 5, 6]. Es war das Ziel dieser retrospektiven Untersu- chung, unter Berücksichtigung der ver- schiedenen Behandlungskonzepte den Langzeiterfolg der Implantatversor- gung bei Patienten mit ausgeprägter Oberkieferatrophie zu bewerten. Material und Methode Zwischen 1985 und 1996 wurden bei 140 Pa- tienten mit prothesenunfähigem Lager infolge extremer Oberkieferalveolarfortsatzatrophie insgesamt 964 Implantate inseriert. 483 Implan- tate wurden dabei in den ortsständigen Oberkie- ferknochen inseriert und 481 Implantate mit ei- ner Osteoplastik kombiniert. 290 dieser Implan- tate wurden primär und 141 sekundär inseriert. 55 der sekundär inserierten Implantate wurden im Zusammenhang mit einer Sinuselevation eingebracht. 50 Implantate mußten nachinse- riert oder in Reaugmentationen nach sukzessi- vem Verlust aller Implantate und Resorption des verpflanzten Knochens eingesetzt werden. Die Verweildauer der Implantate betrug durch- schnittlich 3,9 Jahre mit einem Maximum von 11,4 Jahren. Zur Beurteilung des Implantationserfolgs wurden die Kriterien nach Naert et al. [8] her- angezogen. Die Erfolgsrate wurde mit Hilfe ei- ner Verweildaueranalyse nach Kaplan-Meier bestimmt. Um die Unabhängigkeit der erhobe- nen Daten zu gewährleisten, wurde nur ein Im- plantat je Patient bewertet. Dabei wurde im Fall eines oder mehrerer Implantatverluste der Erst- verlust als Mißerfolg der Gesamtversorgung ge- wertet. Im Fall einer erfolgreichen Implantat- versorgung wurde pro Patient ein zufällig aus- gewähltes Implantat zur Analyse herangezogen. Der Einfluß bestimmter chirurgischer Para- meter wurde mit Hilfe eines Log-Rank-Tests und einer Cox-Regressionsanalyse untersucht. Alle statistischen Verfahren wurden bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit 5% durchgeführt. Ergebnisse Insgesamt waren 51 Patienten von dem Verlust eines oder mehrerer Implanta- te betroffen. Zeitlich traten die Verluste in der Gruppe ohne Knochentransplan- tation hauptsächlich im ersten Jahr nach der Implantatinsertion auf, während in den Gruppen mit Osteopla- stiken nach einer initialen Verlusthäu- fung im ersten Jahr eine zweite, gerin- gere Häufung etwa 5 Jahre nach der In- sertion zu beobachten war (Abb. 1, 2). Für das Gesamtkollektiv zeigte sich in der Kaplan-Meier-Analyse eine Ver- weilwahrscheinlichkeit von 42,2% am Ende des Beobachtungszeitraums von mehr als 10 Jahren (Abb. 3). Die Durchführung einer Osteoplastik zur Verbesserung der regionalen Inser- tionsmöglichkeiten war mit keiner sig- nifikanten Veränderung der Verweil- wahrscheinlichkeit der Implantate ver- bunden (Abb. 4). Mund Kiefer GesichtsChir (1999) 3 [Suppl 1]: S19–S23 © Springer-Verlag 1999 Enossale Implantate zur kaufunktionellen Rehabilitation des extrem atrophierten zahnlosen Oberkiefers F.-J. Kramer 1 , H. Schliephake 1 , M. Wichmann 2 1 Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (Prof. Dr. Dr. J. E. Hausamen), 2 Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik (Prof. Dr. A. Roßbach), Medizinische Hochschule Hannover Dr. F.-J. Kramer, Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Carl-Neuberg-Straße 1, D-30625 Hannover S19 Zusammenfassung Fragestellung: Ziel dieser retro- spektiven Untersuchung war die Evaluation verschiedener Behand- lungskonzepte der Implantatver- sorgung bei Patienten mit extre- mer Oberkieferatrophie. Patienten und Methode: Zwischen 1985 und 1996 wurden bei 140 Patienten insgesamt 964 Implantate inse- riert, davon 481 in Kombination mit einer Osteoplastik. Die mittle- re Beobachtungszeit betrug 3,9 Jahre mit einem Maximum von 11,4 Jahren. Ergebnisse und Schlußfolgerungen: Insgesamt waren 51 Patienten von Implantat- verlusten betroffen. Die mittlere Verweilwahrscheinlichkeit am En- de des Beobachtungszeitraums be- trug für alle Implantate 42,2%. Signifikante Unterschiede zwi- schen Implantaten, welche in den ortsständigen Knochen oder in Kombination mit einer Osteopla- stik inseriert wurden, waren nicht feststellbar. Auch für die Verweil- dauer der Implantate in Einlage- rungs- gegenüber Auflagerungs- osteoplastiken sowie zwischen der primären und sekundären Inserti- on konnte kein signifikanter Un- terschied gefunden werden. Rein- serierte Implantate oder Implanta- te in Reosteoplastiken jedoch zeig- ten eine deutlich geringere Ver- weildauer. Implantate kombiniert mit einer Osteoplastik hatten bei weiblichen Patienten eine signifi- kant geringere Verweildauer. Auf- fällig bei Osteoplastikpatienten war eine Häufung von multiplen individuellen Implantatverlusten mit erheblicher Relevanz für die prothetische Versorgung. Mögli- cherweise existiert unter diesen Patienten eine unbekannte Risiko- gruppe mit einer besonders schlechten Implantatprognose. Schlüsselwörter Dentale Implantate · Oberkiefer- atrophie · Osteoplastik · Implantat- verweildauer ORIGINALIEN

Enossale Implantate zur kaufunktionellen Rehabilitation des extrem atrophierten zahnlosen Oberkiefers

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Page 1: Enossale Implantate zur kaufunktionellen Rehabilitation des extrem atrophierten zahnlosen Oberkiefers

Die Versorgung des extrem atrophier-ten, prothesenunfähigen Oberkiefersmit osteointegrierten Implantaten stelltein häufiges Problem dar. Die Gründedafür sind in den atrophiebedingtenVeränderungen der Oberkieferanato-mie zu sehen, welche häufig mit einerReduktion des Knochenangebots undder Knochenqualität einhergehen [4]und besondere therapeutische Maß-nahmen erfordern [1, 5, 6]. Es war dasZiel dieser retrospektiven Untersu-chung, unter Berücksichtigung der ver-schiedenen Behandlungskonzepte denLangzeiterfolg der Implantatversor-gung bei Patienten mit ausgeprägterOberkieferatrophie zu bewerten.

Material und Methode

Zwischen 1985 und 1996 wurden bei 140 Pa-tienten mit prothesenunfähigem Lager infolgeextremer Oberkieferalveolarfortsatzatrophieinsgesamt 964 Implantate inseriert. 483 Implan-tate wurden dabei in den ortsständigen Oberkie-ferknochen inseriert und 481 Implantate mit ei-ner Osteoplastik kombiniert. 290 dieser Implan-tate wurden primär und 141 sekundär inseriert.55 der sekundär inserierten Implantate wurdenim Zusammenhang mit einer Sinuselevationeingebracht. 50 Implantate mußten nachinse-riert oder in Reaugmentationen nach sukzessi-vem Verlust aller Implantate und Resorption desverpflanzten Knochens eingesetzt werden. DieVerweildauer der Implantate betrug durch-schnittlich 3,9 Jahre mit einem Maximum von11,4 Jahren.

Zur Beurteilung des Implantationserfolgswurden die Kriterien nach Naert et al. [8] her-angezogen. Die Erfolgsrate wurde mit Hilfe ei-ner Verweildaueranalyse nach Kaplan-Meierbestimmt. Um die Unabhängigkeit der erhobe-nen Daten zu gewährleisten, wurde nur ein Im-plantat je Patient bewertet. Dabei wurde im Falleines oder mehrerer Implantatverluste der Erst-verlust als Mißerfolg der Gesamtversorgung ge-wertet. Im Fall einer erfolgreichen Implantat-versorgung wurde pro Patient ein zufällig aus-gewähltes Implantat zur Analyse herangezogen.

Der Einfluß bestimmter chirurgischer Para-meter wurde mit Hilfe eines Log-Rank-Testsund einer Cox-Regressionsanalyse untersucht.Alle statistischen Verfahren wurden bei einerIrrtumswahrscheinlichkeit 5% durchgeführt.

Ergebnisse

Insgesamt waren 51 Patienten von demVerlust eines oder mehrerer Implanta-te betroffen. Zeitlich traten die Verlustein der Gruppe ohne Knochentransplan-tation hauptsächlich im ersten Jahrnach der Implantatinsertion auf,während in den Gruppen mit Osteopla-stiken nach einer initialen Verlusthäu-fung im ersten Jahr eine zweite, gerin-gere Häufung etwa 5 Jahre nach der In-sertion zu beobachten war (Abb. 1, 2).Für das Gesamtkollektiv zeigte sich inder Kaplan-Meier-Analyse eine Ver-weilwahrscheinlichkeit von 42,2% amEnde des Beobachtungszeitraums vonmehr als 10 Jahren (Abb. 3). DieDurchführung einer Osteoplastik zurVerbesserung der regionalen Inser-tionsmöglichkeiten war mit keiner sig-nifikanten Veränderung der Verweil-wahrscheinlichkeit der Implantate ver-bunden (Abb. 4).

Mund Kiefer GesichtsChir (1999) 3 [Suppl 1]:S19–S23 © Springer-Verlag 1999

Enossale Implantate zur kaufunktionellen Rehabilitationdes extrem atrophierten zahnlosen Oberkiefers

F.-J. Kramer1, H. Schliephake1, M. Wichmann2

1 Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (Prof. Dr. Dr. J. E. Hausamen),2 Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik (Prof. Dr. A. Roßbach), Medizinische Hochschule Hannover

Dr. F.-J. Kramer, Medizinische HochschuleHannover, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Carl-Neuberg-Straße 1, D-30625 Hannover

S19

Zusammenfassung

Fragestellung: Ziel dieser retro-spektiven Untersuchung war dieEvaluation verschiedener Behand-lungskonzepte der Implantatver-sorgung bei Patienten mit extre-mer Oberkieferatrophie. Patientenund Methode: Zwischen 1985 und1996 wurden bei 140 Patienteninsgesamt 964 Implantate inse-riert, davon 481 in Kombinationmit einer Osteoplastik. Die mittle-re Beobachtungszeit betrug 3,9Jahre mit einem Maximum von11,4 Jahren. Ergebnisse undSchlußfolgerungen: Insgesamtwaren 51 Patienten von Implantat-verlusten betroffen. Die mittlereVerweilwahrscheinlichkeit am En-de des Beobachtungszeitraums be-trug für alle Implantate 42,2%.Signifikante Unterschiede zwi-schen Implantaten, welche in denortsständigen Knochen oder inKombination mit einer Osteopla-stik inseriert wurden, waren nichtfeststellbar. Auch für die Verweil-dauer der Implantate in Einlage-rungs- gegenüber Auflagerungs-osteoplastiken sowie zwischen derprimären und sekundären Inserti-on konnte kein signifikanter Un-terschied gefunden werden. Rein-serierte Implantate oder Implanta-te in Reosteoplastiken jedoch zeig-ten eine deutlich geringere Ver-weildauer. Implantate kombiniertmit einer Osteoplastik hatten beiweiblichen Patienten eine signifi-kant geringere Verweildauer. Auf-fällig bei Osteoplastikpatientenwar eine Häufung von multiplenindividuellen Implantatverlustenmit erheblicher Relevanz für dieprothetische Versorgung. Mögli-cherweise existiert unter diesenPatienten eine unbekannte Risiko-gruppe mit einer besondersschlechten Implantatprognose.

Schlüsselwörter

Dentale Implantate · Oberkiefer-atrophie · Osteoplastik · Implantat-verweildauer

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Page 2: Enossale Implantate zur kaufunktionellen Rehabilitation des extrem atrophierten zahnlosen Oberkiefers

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Mund Kiefer GesichtsChir (1999) 3 [Suppl 1]:S19–S23© Springer-Verlag 1999

Dental implants for oral rehabilitation in edentulous patientswith severely atrophicalveolar ridges

F.-J. Kramer, H. Schliephake, M. Wichmann

Summary

Purpose: The aim of this retrospec-tive study was to evaluate the long-term survival rate of dental implantsin edentulous patients sufferingfrom severe atrophy of the alveolarridges in the upper jaw. Patients andmethods: In total, 964 implants wereinserted in 140 patients. A total of481 implants were combined withan osteoplastic augmentation of themaxilla, and 483 implants were in-serted directly in the atrophic bone.The success rate was determined us-ing survival analysis, log rank testsand a Cox regression analysis. Re-sults: The overall survival rate forall implants was 42.2% during anobservation period of 11 years. Be-tween implants combined with anosteoplasty and implants inserted inlocal bone tissue there were no sig-nificant differences in the survivalrate. The survival rate of implantscombined with an osteoplasty wassignificantly reduced in women andin the case of repeated insertion oraugmentation. Interestingly, a fewof the patients treated with an osteo-plasty demonstrated high num-bers of individual implant failures.Those patients were postmenopaus-al women exclusively. Among themthere is probably a certain groupwith a very high risk of implant fail-ures. Conclusion: This study showsthat oral rehabilitation with osteoin-tegrated implants in patients withseverely atrophic alveolar ridges inthe upper jaw is still problematic.

Key words

Dental implants · Maxillar atrophy ·Osteoplasty · Survival rate

Abb.1. Zeitpunkt der Implantatverluste nach Insertion ohne Osteoplastik

Abb.2. Zeitpunkt der Implantatverluste nach Insertion in Kombination mit Osteoplastik

Abb.3. Verweilwahrscheinlichkeit gesamt

Page 3: Enossale Implantate zur kaufunktionellen Rehabilitation des extrem atrophierten zahnlosen Oberkiefers

Kurze Implantatlängen waren beiImplantaten, welche in den ortständi-gen Knochen inseriert wurden, mit ei-ner geringen Verweilwahrscheinlich-keit assoziiert. Bei Implantaten, wel-che in Kombination mit einer Osteo-plastik inseriert wurden, zeigten diegrößten Implantatlängen die höchsteVerweilwahrscheinlichkeit.

Das Geschlecht des Patienten übteauf die Verweilwahrscheinlichkeit derImplantate keinen signifikanten Ein-fluß aus, wenn die Implantate in denortständigen Knochen inseriert wur-den. Hingegen war bei Implantaten,welche in Kombination mit einerOsteoplastik inseriert wurden, die Ver-weilwahrscheinlichkeit am Ende desBeobachtungszeitraums bei weibli-chen Patienten 43,7%, während sie beimännlichen Patienten 80% betrug.Hier lag somit ein signifikanter Unter-schied in Abhängigkeit vom Ge-schlecht des Patienten vor (Abb. 5, 6).

Innerhalb der Gruppe der Implanta-te mit Osteoplastik konnten keine si-gnifikanten Unterschiede zwischen ei-ner primären und einer sekundären Im-plantatinsertion nachgewiesen werden.Allerdings zeigten nachinserierte undin Reaugmentationen eingesetzte Im-plantate eine signifikant geringere Ver-weilwahrscheinlichkeit als die übrigenImplantate in Kombination mit Osteo-plastiken. Innerhalb der jeweiligen Be-obachtungszeiträume ergab ein Ver-gleich der unterschiedlichen Methodenzur Knochenverpflanzung (Auflage-rungsosteoplastik vs. Einlagerungs-osteoplastik) keine signifikanten Un-terschiede im Hinblick auf die Verweil-wahrscheinlichkeit der Implantate.

In der Cox-Regressionsanalysezeigte sich in der Gruppe der Implan-tate, welche in den ortsständigen Kno-chen inseriert wurden, lediglich dieImplantatlänge als initial signifikanterParameter für die Verweilwahrschein-lichkeit der assoziierten Implantate.Bei den mit einer Osteoplastik kombi-nierten Implantaten hingegen erwiesensich die Implantatlänge und das Ge-schlecht des Patienten als Parametervon initialer Signifikanz. Mit fort-schreitender Analyse verblieb als si-gnifikanter Parameter lediglich das Pa-tientengeschlecht.

Bei Patienten, deren Implantate inden ortständigen Knochen inseriert

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Abb.4. Verweilwahrscheinlichkeit mit bzw. ohne Osteoplastik

Abb.5. Verweilwahrscheinlichkeit: Einfluß des Patientengeschlechts nach Insertion ohne Osteoplastik

Abb.6. Verweilwahrscheinlichkeit: Einfluß des Patientengeschlechts nach Insertion in Kombina-tion mit Osteoplastik

Page 4: Enossale Implantate zur kaufunktionellen Rehabilitation des extrem atrophierten zahnlosen Oberkiefers

wurden, traten im Regelfall kaum Im-plantatverluste auf und waren auch nurvon niedriger prothetischer Relevanz,so daß die ursprünglich angestrebteVersorgung nur geringgradig modifi-ziert werden mußte. Im Gegensatz da-zu wurde bei den Patienten, deren Im-plantate mit einer Osteoplastik kombi-niert wurden, eine individuelle Anhäu-fung von hohen Verlustzahlen verteiltauf eine geringe Patientenzahl beob-achtet. Die multiplen Implantatverlu-ste hatten für die betroffenen Patienteneine erhebliche prothetische Bedeu-tung. In diesen Fällen mußte das ur-sprüngliche prothetische Konzept auf-gegeben werden und mit den verblie-

benen bzw. mit nachinserierten Im-plantaten eine Kompromißlösung ge-funden werden. In einem Einzelfallkonnte auch nach Reosteoplastik undmehrfacher Reinsertion keine implan-tatgetragene Versorgung etabliert wer-den (Abb. 7, 8).

Diskussion

Die Kenntnis des Behandlungserfolgsist für die Beurteilung der jeweilig ein-gesetzten Behandlungsmethoden grund-legend [13]. Im Hinblick auf die pro-thetische Versorgung des extrem atro-phierten Oberkiefers durch osteointe-grierte Implantate gibt es bisher kaum

Berichte über den Langzeiterfolg [7].In der vorliegenden Untersuchung

wurde festgestellt, daß die Implantat-versorgung des extrem atrophiertenOberkiefers mit einer gesamten Ver-weilwahrscheinlichkeit der einzelnenImplantate von 42,2% nach mehr als10 Jahren noch immer ein erheblichesProblem darstellt. Dieser Wert er-scheint im Vergleich zu anderen Arbei-ten [9, 12] mit Erfolgsraten > 80% alssehr gering, ist jedoch durch das ge-wählte statistische Untersuchungsver-fahren der Kaplan-Meier-Analyse zuerklären: Dieses Verfahren berücksich-tigt im Gegensatz zu den weit verbrei-teten Input-output-Statistiken zusätz-lich die individuelle Liegezeit der Im-plantate, so daß ein realistischeres Bildüber die tatsächliche Erfolgsrate derImplantatversorgung entsteht. Die Er-folgsrate der in dieser Arbeit unter-suchten Implantate würde in einerInput-output-Statistik bei 88,8% lie-gen. Im Unterschied zu vergleichbarenArbeiten [10] wurde durch die geziel-te Bewertung des zuerst verlorenenImplantats bei Patienten mit Implan-tatverlusten eine zusätzliche Redukti-on der Erfolgsrate hingenommen. Die-se Selektion gewährt einen sicherenAusschluß falsch-positiver Ereignisse(Wertung als Implantationserfolg beipartiellem Implantatverlust durch zu-fällige Auswahl einer erfolgreichen In-sertion) und führt somit zu einer be-wußt kritischen Analyse der Ver-weildauer der einzelnen Implantate.Die Frage, welches Analyseverfahrengrundsätzlich zur Beurteilung des Im-plantaterfolgs am besten geeignet ist,ist derzeit jedoch noch nicht abge-schlossen beantwortet.

Implantatverluste traten bei Inserti-on in den ortständigen Oberkieferkno-chen nur in einer geringen individuel-len Häufigkeit auf. Dagegen erreichtendie Verluste bei Implantaten, welche inKombination mit Osteoplastiken ein-gebracht wurden, bei einer geringenPatientenzahl ein erhebliches individu-elles Ausmaß. Die betroffenen Patien-ten waren ausnahmslos postmenopau-sale Frauen. Neben den statistisch-ma-thematischen Überlegungen für dasZustandekommen des Untersuchungs-ergebnisses müssen daher sicherlichauch biologische Ursachen diskutiertwerden. Möglicherweise existiert un-

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Abb.7. Verteilung der Implantatverluste: Insertion ohne Osteoplastik

Abb.8. Verteilung der Implantatverluste: Insertion in Kombination mit Osteoplastik

Page 5: Enossale Implantate zur kaufunktionellen Rehabilitation des extrem atrophierten zahnlosen Oberkiefers

ter diesen Patienten eine Risikogruppemit einem besonders erhöhten indivi-duellen Verlustrisiko, welches durchdie besonderen metabolischen Eigen-schaften des transplantierten Knochen-gewebes bedingt sein könnte. Diagno-stische Verfahren zur prätherapeuti-schen Identifikation dieser Risiko-gruppe stehen derzeit nicht zur Verfü-gung. Szintigraphische Untersuchun-gen [11] konnten jedoch erhebliche in-terindividuelle Vitalitätsunterschiededes transplantierten Knochengewebesaufdecken. Insgesamt fiel die Ver-weildauer von Implantaten in Kombi-nation mit Osteoplastiken bei weibli-chen Patienten signifikant geringer ausals bei Männern. Dieser deutliche Ge-schlechtsunterschied könnte durch ge-schlechtsabhängige Unterschiede derbiologischen Wertigkeit der Knochen-transplantate bedingt sein, wie auchvon anderen Autoren vermutet [2, 3].Implantate, welche in den ortsständi-gen Knochen inseriert wurden, und Im-plantate, welche in Kombination miteiner Osteoplastik inseriert wurden,wiesen nur geringfügige Unterschiedein ihrer Verweilwahrscheinlichkeit auf.Dagegen zeigten nachinserierte und inReaugmentationen eingesetzte Im-plantate eine signifikant geringere Ver-weilwahrscheinlichkeit als die übrigen

Implantate in Kombination mit einerOsteoplastik. Dies könnte durch eineReduktion des Regenerationspotenti-als im Knochengewebe vor Ort bedingtsein, welches möglicherweise als eineFolge der wiederholten Operations-bzw. Insertionstraumen aufzufassenist.

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