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Pflege im DRG-System –Ein Blick in die Zukunft
Referent (i.V.): Sebastian Kraus, M.Sc.
ENP-Fachkongress. Eine Sprache für die Pflege
7. September 2017
ENP-Weiterentwicklung im Speziellen:
Systematische Weiterentwicklung einer ENP-Praxisleitlinie im Kontext der beeinträchtigten Atmung
Notwendigkeit und Bedarf an Weiterentwicklung
• Zunahme der Komplexität und Menge von relevanten Informationen für die pflegerische Versorgung
• Enorm schnelles Voranschreiten des (pflegerischen) Zuwachses an neuem Wissen bei oft rascher Alterung des bestehenden.
• Abrechnungsrelevante Aspekte (z.B. Leistungen der Pflegeversicherung)
• Bedeutungszuwachs von Zeitwerten für pflegerische Interventionen usw.
• Vermehrte Forderungen nach…➢… einer einheitlichen, sektorenübergreifenden und
interoperablen Pflegeterminologie
➢… einer evidenzbasierten Pflegepraxis
Forderung nach Evidenzbasierung
Evidence-based Nursing = Evidence-based Practice?
Gesetzgebung Pflegeempfänger Profession Pflege Kostenträger
PflegepersonalmangelHohe
ArbeitsbelastungStrukturelle
Zwänge/Gegebenheiten
Konsequenzen für die pflegerische Versorgungsqualität:
• Unsystematische und/oder fehlerhafte Planung und Umsetzung von für die individuelle Situation geeigneten pflegetherapeutischen Maßnahmen
• Gefahr des Nichterkennens des Bedarfs an Prophylaxen und Prävention
• Implizite Rationierung
• Dramatische Erschwerung des Theorie-Praxis-Transfers im Sinne der Implementierung (pflege)wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Pflegepraxis
Quellen: Pick et al. 2004; Zander et al. 2017; Wieteck & Kraus 2016
Bedarf an Ansätzen und Konzepten,
• … um Versorgungsdefizite sowohl abzubauen als auch zu vermeiden
• … um gleichzeitig die Versorgungsqualität zu steigern
• … um den Pflegeprozess in seiner Gesamtheit an den derzeit besten möglichen wissenschaftlichen Belegen auszurichten
• … dieses evidenz-basierte Wissen der Pflegepraxis anwendungsgerecht und praktikabel zur Verfügung zu stellen
• … die dabei durch eine einheitliche Fachsprache Transparenz, Kommunikationsfluss und Versorgungskontinuität schaffen und aufrechterhalten.
Gesucht: „Wissensbrücken“
Pflegeklassifikationssysteme als Wissensbrücke
ENP als tragfähige Wissensbrücke
Präkombinierte Pflegediagnosen
Kennzeichen/Symptome
Ursachen
Pflegeziele Maßnahmen
Handlungsleitende Beschreibungen
Ressourcen
Skalen
Literaturnachweise Indexierung
Normative Zeitwerte
• Abdeckung aller Schritte des Pflegeprozesses im Sinne eines pflegerischen Versorgungspfades
• Hoher Grad an Granularität (Genauigkeit, Detailliertheit) ermöglicht die exakte Abbildung der Situation eines Pflegeempfängers
• Kontinuierlicher systematischer Weiterentwicklungsprozess mit hohem Anspruch an Evidenz-Basierung und Vollständigkeit
• „Übersetzung“ und Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in ein für die Pflegepraxis geeignetes Format
• Hohe gesundheitspolitische und pflegerische Relevanz:
➢ Eine der zehn häufigsten Todesursachen in Deutschland (2015: ca. 20.000 Verstorbene)
➢ Hohe jährliche Inzidenz ambulant (zwischen 350.000 und 500.000) und nosokomial (ca.
100.000 bis 150.000 = ca. 15% aller KH-Patienten!) erworbener Pneumonien
➢ Risikogruppen: Patienten und Bewohner von Einrichtungen des Gesundheitswesens sowie Personen mit Vorerkrankungen des Atmungssystems
➢ Vielschichtige gesundheitliche Folgen – zum Teil lebensbedrohlich
• Häufige Ursache für ein Pneumonierisiko: eine eingeschränkte mukoziliäre Clearance mit der Folge festsitzenden Bronchialsekrets
Quellen: Oczenski 2012, DESTATIS 2017, Volsko 2013, Hollaar et al. 2016; Bienstein et al. 2000
Ein klinisches Thema mit Überbrückungsbedarf: Das Pneumonierisiko
Veränderte rheologische Eigenschaften
Mukoziliäre SchädenIneffektiver
Hustenreflex oder Hustenmechanismus
Daher zentral: Frühzeitiges Erkennen eines Risikos und Einleitung präventiver pflegerischer Maßnahmen
Leider ebenso bekannt: pflegerische Versorgungsdefizite!Mangelnde Fachkompetenz und fehlende Informationen führen u.a. zu vermeidbaren
Aspirationspneumonien (Bienstein et al. 2000)
Pflegediagnosen zum Pneumonierisiko in ENP
Der Patient / Bewohner …
… hat aufgrund einer verminderten Belüftung der Lunge (Dystelektase) das Risiko einer Atelektase/Pneumonie
…hat aufgrund von Schmerzen eine oberflächliche Atmung, es besteht das Risiko einer Atelektase/Pneumonie
…hat aufgrund von fest sitzendem Bronchialsekret das Risiko einer Atelektase/Pneumonie
…hat aufgrund einer liegenden Trachealkanüle/eines Tubus/einer Beatmung das Risiko der Pneumonie
…hat aufgrund einer Immunabwehrschwäche das Risiko der Pneumonie
…hat das Risiko einer Atelektase/Pneumonie [Pflegediagnose ohne Spezifikation]
Der Weiterentwicklungsprozess im Überblick
Analyse der Anwender-
datenbanken
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse (Studien,
Leitlinien etc.)
Praxisprojekte mit Einrichtungen
Erkenntnisse aus vorangegangenen ENP-
ValidierungsstudienFeedback/
Anregungen/ Wünsche der Endanwender
European Nursing care Pathways (ENP), Ausgangsversion
Einflussfaktoren auf die inhaltliche Weiterentwicklung
Bausteine der systematischen Weiterentwicklung
a. Festlegung der zu bearbeitenden Themen
b. Bestimmung einer Überarbeitungsstrategie
c. Systematische Literaturrecherche und -analyse
d. Überarbeitung des ENP-Katalogs u. Konsentierung
e. Validierung der Ergänzungen/Änderungen/Löschungen
European Nursing care Pathways (ENP), neue Version
Systematische Übersetzung von ENP (Englisch, Italienisch, Französisch)
Gesundheits-politisch aktuelle
Themen
Festlegen der Überarbeitungsstrategie
Formulieren von Fragestellungen für eine gezielte Literaturrecherche:
„Welche evidenzbasierten pflegerischen Interventionen tragen zur Reduktion
des Risikos einer Pneumonie oder zur Entstehung von Atelektasen durch festsitzendes Bronchialsekret bei?“
Definieren des bevorzugten Evidenzgrades und Publikationstyps: Systematische Übersichtsarbeiten, Meta-Analysen, randomisiert kontrollierte Studien, Beobachtungsstudien, Interventionsstudien, Clinical Guidelines, Leitlinien
Bestimmung von Ein- und Ausschlusskriterien sowie zu nutzenden Datenbanken: Publikationen deutscher oder englischer Sprache, Veröffentlichungszeitraum vor max. 15 Jahren, Ausschluss von Einzelfallberichten. Suche in den Datenbanken PubMed, the Cochrane Library, CINAHL sowie Scopus.
Definieren von Suchbegriffen und Kombination zu ertragreichen Suchphrasen
Durchführung der systematischen Literaturrecherche und -analyse
• Datenbankrecherche mit spezifischen Suchphrasen
• Sichtung der Suchergebnisse und Beschaffung relevanter Literatur
• Bewertung der gefundenen Artikelund Studien auf ihre Qualität (Critical Appraisal)
• Sorgfältige Dokumentation der Suchstrategie und Konsentierung des Vorgehens im Expertenteam Transparenz und
Nachvollziehbarkeit!
Die „W“-Fragen:Welche Personen (wer) haben in welchem Zeitraum (wann) in welchen Datenbanken (wo) mit welchen Suchphrasen und Ein-/Ausschlusskriterien (wie) vor dem Hintergrund welcher Fragestellungen (warum) mit welchem Resultat (was) recherchiert?
Bewertung der recherchierten Literatur und Extraktion relevanter Erkenntnisse (Auszug)
Author
(Jahr)
Title Studien-
design
Evidenz-
level
Bewertungs-
raster
Relevante Inhalte für ENP (key findings)
Ausgewählte Kernaussagen der Studien
Andrews, J.
et al.
(2013)
Nonpharmacologic
airway clearance
techniques in
hospitalized patients:
a systematic review
Systematic
Review
I “Kritische
Beurteilung
einer
systematisch
en Über-
sichtarbeit”
(Behrens/Lan
ger)
Die getesteten Hilfsmittel zur „airway clearence“ zeigen nur
bedingt Effektivität; low-level evidence für die Effektivität bei
routinemäßigem Einsatz
Verschiedene nichtmedikamentöse Interventionen tragen zur Verbesserung der Atmung, insbesondere der Sekretlösung und des Sekretabtransports aus den Atemwegen bei, u.a. HFCWO (high-frequency chest wall oscillation)CPT (chest physiotherapy) beinhaltet die Maßnahmen:
Percussion/Vibration/Lagerung und zeigt in 2 Studien
möglicherweise eine Reduktion des Pneumonierisikos (VAP)
Brückner,
U. (2008).
Oscillating
physiotherapy for
secretolysis
Experten-
meinung
IV RNAO Wenig Evidence für verwendete Geräte bei neuromuskulären
Erkrankungen
„Erfahrung“ zeigt die Vorteile der Geräte bei Sekretolyse und
Abhusten Strickland,
S. L. (2015)
"Year in review 2014:
Airway clearance."
Review/
Experten-
meinung
V RNAO Routinemäßiger Einsatz der Maßnahme HFCW kann auf Grund der
Studienlage nicht empfohlen werden
PEP-Anwendungen wie Acapella/Flutter können eine Option für
Patienten mit COPD und festem Sekret sein
Strickland,
S. L., et al.
(2013)
"AARC clinical practice
guideline:
effectiveness of
nonpharmacologic
airway clearance
therapies in
hospitalized patients.
Guideline - - Patient kann produktiv abhusten; als neues Ziel
PEP ist hilfreich bei CF Patienten; sonst ist der Erfolg des
routinemäßigen Einsatzes dieser Geräte nicht gut belegt
Die Therapie sollte immer individuell an den Patienten/Bewohner
angepasst werden
Guideline basiert auf Andrews et al.
Holland, A.
E. and B. M.
Button
(2006).
Is there a role for
airway clearance
techniques in chronic
obstructive pulmonary
disease?" Chron Respir
Dis 3(2): 83-91.
Review - Ohne
Methodenteil,
aber fachlich
hochwertig
“positive expiratory pressure avoid the problem of dynamic
airway compression which may inhibit sputum mobilization.”
(S. 383)
Von Datenbanksuchen zu tatsächlich genutzten Quellen
Überarbeiten des ENP-Kataloges Einpflegen der Neuerungen, Änderungen und Stilllegungen
Neuaufnahme von Items
Quellenabstützung des Items mit Verknüpfung
Neuerstellung einer Definition der Pflegediagnose
Verfassen von Erklärungstexten zu z.B.
Fachsprache-Items
Neuformulierung bestehender Items
Stilllegung fachlich falscher/überholter
Items
Dokumentation von Überarbeitungshistorie
und Evidenzgraden
Konsentierung aller Änderungen im ENP-Entwicklerteam
Überarbeiten des ENP-Kataloges Neustrukturierung und umfassende Erweiterung von Interventionskonzepten und handlungsleitenden Detailbeschreibungen
ENP-Version 2.9
Überarbeiten des ENP-Kataloges Neustrukturierung und umfassende Erweiterung von Interventionskonzepten und handlungsleitenden Detailbeschreibungen
ENP-Version 2.10
Bewertung der Überarbeitung durch ein Online-Survey
Herausforderungen im Weiterentwicklungsprozess
(K)ein Kinderspiel?!
Wie würden Sie umgehen mit:
… der notwendigen Trennschärfe der Pflegediagnosen?
… der Granularität der einzelnen Elemente – wo ist das adäquate Niveau?
… den Anforderungen von und an die Nutzer? (z.B. konsequente Nutzung von Fachbegriffen, Abstraktionsgrad, steigender Umfang …)
… Widersprüchen in der Fachliteratur?
… dem Definieren eines Endpunktes für die Literaturarbeit?
… Interventionskonzepten aus benachbarten Professionen (zum Beispiel etwa Physiotherapie) Stichwort „Delegation“
Literatur
Bienstein, C., Klein, G., & Schröder, G. (Eds.). (2000). Atmen. Die Kunst der pflegerischen Unterstützung der
Atmung. Stuttgart: Thieme.
DESTATIS (Statistisches Bundesamt) (2017). Sterbefälle insgesamt nach der ICD-10 im Jahr 2015. Retrieved from
https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/Todesursachen/Tabellen/HaeufigsteT
odesursachen.html (Accessed: 09.04.2017)
Hollaar, V. et al. (2016). Defining characteristics and risk indicators for diagnosing nursing home-acquired
pneumonia and aspiration pneumonia in nursing home residents, using the electronically-modified Delphi
Method. BMC Geriatrics, 16, pp. 60. doi: 10.1186/s12877-016-0231-4
Oczenski, W. (Ed.) (2012). Atmen - Atemhilfen (9 ed.). Stuttgart: Thieme.
Pick, P. et al. (2004). Schwerpunktbericht der Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Pflege. Berlin: Robert
Koch-Institut.
Volsko, T. A. (2013). Airway clearance therapy: finding the evidence. Respiratory Care, 58(10), pp. 1669-1678.
doi: 10.4187/respcare.02590
Wieteck, P. & Kraus, S. (2016). Personalbedarf Pflege. Sektorenübergreifende Analyse der Pflegesituation und ihre
Bemessungsgrundlagen mit Handlungsempfehlungen. Kassel: RECOM GmbH.
Zander, B., Köppen, J., & Busse, R. (2017). Personalsituation in deutschen Krankenhäusern in internationaler
Perspektive. In J. Klauber et al. (Eds.), Krankenhaus-Report 2017 Schwerpunkt: Zukunft gestalten. Stuttgart:
Schattauer, pp. 451.