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2. Dezember 2017 [DER VERGESSENE WEG DES KARATE]

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Rüdiger Janson

Copyright © Rüdiger Janson.

Erste Fassung war im Jahr 2008 unter dem Titel:

„Auf den Spuren des Okinawa-Te“.

Letzte Aktualisierung Dez. 2017 unter dem Titel:

„Der vergessene Weg des Karate“.

Druck und Verkauf ist nicht erlaubt.

Cover: R. Janson

www.janson-ruediger.de

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Einige Weisheiten vorweg

Erst kommt die Zeit des Lernens.

Dann kommt die Zeit der Selbstzufriedenheit.

Dann kommt eine Zeit des Suchens.

Dann folgt wieder eine Zeit des Lernens.

Dann erst, wirst Du Karate verstehen.

Karate ist wie Fahrrad fahren. Wer nur auf einem Einrad fährt, muss verdammt gut sein. Karate ist wie ein Haus mit mehreren Stockwerken. Wer sofort die Treppen hochrennt ohne sich in den Zimmern umzusehen, kann nicht mitreden wenn man sich über das Inventar unterhält. Wer bei den Karateprüfungen nur Hürden überspringt, läuft ewig nur auf einer Ebene. Karate ist wie ein Auto. Man hat einen Motor, eine Karosserie und Räder. Jetzt muss man nur noch wissen, wie man es startet und richtig damit fährt. Eine Kata ist wie ein Weihnachtsgeschenk. Aber im Gegensatz zu Weihnachtsgeschenken, werden die Kata nur selten ausgepackt. Kata wird heute oft so gemacht, als ob man mit einem Rennwagen durch einen Zoologischen Garten fährt.

Trainiert man eine Kata? Oder macht man Kata-Training? Das ist bei

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Weitem nicht das Selbe.

Niemand kann Karate diskreditieren. Nur die Art wie es weitergegeben und verstanden wird ist angreifbar.

Jede Kampfkunst ist so stark oder so schwach, wie sie unterrichtet oder verstanden wird.

Ein Sensei sollte seinen Schülern etwas zeigen. Er sollte ihnen aber

nichts vormachen. Besonders nicht sich selbst.

Karate ist wie Radfahren lernen. Irgendwann müssen die Stützräder weg.

Wenn man Karate wirklich einmal ernsthaft brauchen sollte, darf man an

nichts denken; nicht einmal an Karate.

Fortschritt baut immer auf dem Erbe der Vergangenheit auf; auch im Karate.

Das einzige was man im Karate auswendig lernen soll, ist der Ablauf der Kata. Alles andere muss man erfahren.

Nicht der Gürtel entscheidet ob man Karate kann; sondern das eigene

Gefühl. Vorausgesetzt, man kann ehrlich zu sich selbst sein.

Bevor man Karate “macht“, muss man es erst einmal lernen und

verstehen.

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Inhaltsverzeichnis

EINIGE WEISHEITEN VORWEG ......................................................................... 3

EIN PAAR WICHTIGE WORTE VORWEG ............................................................ 9

WORUM GEHT ES IN DIESEM BUCH? ................................................................... 11

KARATE-DO ................................................................................................... 12

WAS IST KAMPFKUNST? .................................................................................. 15 VIER SÄULEN DES KARATE. ............................................................................... 16 KIHON, BUNKAI UND KUMITE ........................................................................... 17

DIE FRUCHT DES VERGESSENS. ...................................................................... 21

EINE KATA „RICHTIG“ KÖNNEN. ......................................................................... 26

DIE KAMPFKUNST-FORMEL ........................................................................... 28

KIHON FALSCH VERSTANDEN? ........................................................................... 31 DAS FEHLENDE BINDEGLIED. ............................................................................. 33 FLOW-DRILLS ........................................................................................... 34 ENBU KARATE ............................................................................................... 35 KIHON EINMAL ETWAS ANDERS. ......................................................................... 36

MOTORIK, BEWEGUNGSKOORDINATION UND REFLEX. ................................. 41

AMBIDEXTRIE IM KARATE ................................................................................. 44 AUSHOLBEWEGUNG ....................................................................................... 53

Der Irrtum beim Ausholen ..................................................................... 56 GRUNDTECHNIKEN EINMAL ANDERS. ................................................................... 61

Uchi-Uke einmal anders. ....................................................................... 62 Probieren geht über Studieren .............................................................. 63 Noch etwas über den Shuto-Uke ........................................................... 64 Jeder ist ein Genie................................................................................. 66

KARATE NI SENTE NASHI ............................................................................... 68

DER ERSTE GEDANKE. ................................................................................... 72

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BLOCKADE MIT DOPPELTEM EFFEKT .................................................................... 73 BEIDHÄNDIGE KAMPFTECHNIKEN. ...................................................................... 75

GEEIGNET ODER WENIGER GEEIGNET ........................................................... 79

WO IST SOTO-UKE IN DEN KATA?....................................................................... 79 SO GREIFT KEINER AN ...................................................................................... 81

Kendo und Wettkampf haben so einiges verändert. ............................... 85 ICH WILL REALITÄT IM KARATE ........................................................................... 86 MAKIWARA .................................................................................................. 90 TAI SABAKI UND SURI ASHI. .............................................................................. 92

MYTHOS KATA............................................................................................... 94

SELBSTERFUNDENE KATA. ................................................................................ 97 Die Junro und Joko Kata ........................................................................ 97

DIE VIER ELEMENTE DER KATA. ........................................................................ 100 KATA UND BUBISHI GEHÖREN ZUSAMMEN. ......................................................... 102 BUNKAI UND BUBISHI ................................................................................... 104

Richtiges Bunkai-Training.................................................................... 104 DOMINO UND MAHJONGG ............................................................................ 105 GRUPPENEINTEILUNG DER KATATECHNIKEN......................................................... 106

Der alte Okinawa-Te Meister und sein Schüler. .................................... 108 DER SCHATZ IM KATASEE ............................................................................... 110 KATA UND DIE CHINESISCHE SCHRIFT. ................................................................ 112 KAPUTTVERBESSERTE KATA............................................................................. 115

IGNORIERTE UND VERGESSENE TECHNIKEN ................................................ 119

VERGESSENE UND VERFÄLSCHTE TECHNIKEN ....................................................... 123

KATA, KUMITE UND GRUNDSCHULE ............................................................ 125

BUNKAI ODER KAMPFASPEKTE? ....................................................................... 125 KUMITEÜBUNGEN UND BUNKAI....................................................................... 130 BUNKAI-KUMITE ......................................................................................... 130

DIE ZUSAMMENHÄNGE DER KATA .............................................................. 136

ZU VIEL BUNKAI .......................................................................................... 139 BUNKAI MIT WAFFEN ................................................................................... 141

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DAS RICHTIGE KONZEPT. ............................................................................. 143

IMMER DAS SELBE, IM KIHON ......................................................................... 143 BRAUCHEN WIR EINEN WOODEN-DUMMY? ....................................................... 145

Wichtige Trainingstipps zum Wooden-Dummy .................................... 147 Und wenn man keinen Wooden-Dummy hat?...................................... 148

EINE GENAUERE BETRACHTUNGSWEISE. ............................................................ 149 KREATIVITÄT IM KARATE. ................................................................................ 153

Der Mensch wird zum Roboter ............................................................ 154

VON DEN ALTEN MEISTERN LERNEN. .......................................................... 156

DAS WAHRE GEHEIMNIS DER KAMPFKUNST ........................................................ 160

SELBSTVERTEIDIGUNG IST NICHT DIE VIERTE SÄULE DES KARATE-DO. ........ 162

SELBSTVERTEIDIGUNG = KARATE-DO ................................................................ 163 DER RICHTIGE ANSATZ IM STIL OFFENEN PRÜFPROGRAMM. .................................... 167

RÜCKBLICK .................................................................................................. 168

NOCH EIN PAAR NEUE TEXTE ZUM ABSCHLUSS ........................................... 170

SELBSTVERTEIDIGUNG ODER KRIEGSKUNST? ....................................................... 171 KATA-TAFELN EINFACH SPIEGELN. ..................................................................... 175 EINE FRAGE DIE NIEMANDEN INTERESSIERT. ............ FEHLER! TEXTMARKE NICHT DEFINIERT. DAS BUNKAI-BUCH ...................................................................................... 180 DAS EWIGE KLISCHEE MIT DEN SÄULEN ............................................................. 184 JEDE KATA HAT EINE GRUNDSCHULE.................................................................. 187 WARUM DENN EINFACH, WENN ES AUCH KOMPLIZIERT GEHT? ................................. 191 DIE BALANCE ZWISCHEN FIGUR UND ANLEITUNG. ................................................ 193 DIE VERBINDUNG DER KATA-TECHNIKEN. ........................................................... 195 DAS GEFÜHL UND DIE SCHABLONE. .................................................................. 198 TECHNIKEN UND IHRE RISIKEN ......................................................................... 201 „KATA“ IST NUR EIN NAME. ............................................................................ 204 BUNKAI: DAS GROßE RÄTSEL. ......................................................................... 206 DER BUNKAI-CODE IST KEIN GEHEIMNIS. ........................................................... 208 KAMPFKUNST KARATE, UND DIE SACHE MIT DEM ADRENALIN UND DER REALITÄT ......... 209 KAMPFTAUGLICH ODER NICHT, DAS IST HIER DIE FRAGE. ......................................... 214 DER KARATE-GEGNER. .................................................................................. 218

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IGNORIERTE ERFAHRUNGEN............................................................................ 220

DAS LETZTE KAPITEL .................................................................................... 224

DIE DREI STUFEN DES LERNENS ....................................................................... 225 Grundstellung oder Grundbewegung?................................................. 226 Die erste Stufe .................................................................................... 225 Die zweite Stufe .................................................................................. 225 Die dritte Stufe ................................................................................... 226

SCHLUSSWORT ............................................................................................ 230

ANHANG ..................................................................................................... 232

LITERATUR- INFORMATIONSQUELLEN: ............................................................... 232

Wenn man Kata wirklich versteht, muss man nicht gleich über den

Tellerrand schauen. Denn was man nur außerhalb vermutet, findet man plötzlich bei den eigenen Zutaten.

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Ein paar wichtige Worte vorweg

Ursprünglich hieß dieses Buch: „Auf den Spuren des Okinawa- Te“. Das Buch ist im Jahr 2008 entstanden. Davor allerdings habe ich an den

einzelnen Texten gearbeitet, die ich dann in einem kostenlosen eBook

zusammengetragen habe. Ursprünglich waren diese Texte nur für eine

Karateverein-Internetseite gedacht. Man kann also sagen, dass ich mehr als 10 Jahre an diesem Buch gearbeitet habe. Darum werde ich nun

dieses Buch abschließen und alle folgenden Texte ab 2018 in einem

zweiten Teil veröffentlichen. So ist dieses Buch also nach und nach, in vieler Jahre Arbeit, entstanden.

Es geht in diesem Buch nicht um die Geschichte des Karate in Okinawa, sondern um eine besondere Art des Trainings, die sehr schwer zu

beschreiben ist. Ich denke, dass das sogar ein „vergessener Weg des

Karate“ ist. Ich brauchte 30 Jahre, um das wirklich zu erkennen. Es gibt

so viele Wege; doch der Holzweg ist scheinbar der am meisten benutzte. Wenn man klar sehen will, muss man die stählernen Ketten im Kopf

sprengen. Doch das ist enorm schwer. Denn diese Ketten werden

tausendfach erneuert, aber selten gesprengt. Darum erkennt man oft nicht, was wirklich falsch ist. Was falsch erscheint, das versteht man

vielleicht nur nicht.

Der Kluge lernt aus allem und von jedem, der Normale aus seinen Erfahrungen und der Dumme weiß alles besser. Sokrates

Seit ich Karate betreibe, versuche ich andere zu verstehen und von anderen zu lernen. Und das wird auch immer so sein. Ich versuche aber

auch meine Erfahrungen weiterzugeben. Solange man dabei nur gegen

Wände redet, ist das auch kein Problem. Probleme gibt es, wenn man mir zuhört. Da gibt es Leute, die finden meine Gedanken toll; wenn sie auch

nicht immer und allem zustimmen. Und wieder andere haben es mir sehr

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übel genommen, dass ich ein Buch geschrieben habe. Darum wird dieses Buch nicht wieder im Verkauf erscheinen. Aber hier, auf meiner Seite,

werde ich es weiterhin zum freien Lesen anbieten.

Erfahrung heißt gar nichts. Man kann seine Sache auch 35 Jahre

schlecht machen.

Kurt Tucholsky; deutscher Schriftsteller (1890 - 1935)

Dieses Buch erhebt nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Arbeit;

sowie der Autor sich auch nicht als Karate-Forscher bezeichnet oder

sieht. Dieses Buch beruht ausschließlich auf eigenen Erfahrungen. Und es wird aus eigenen Erfahrungen heraus erzählt.

Ich möchte noch klarstellen, dass das was hier geschrieben steht,

ausschließlich die Meinung und die Erfahrung des Autors beschreibt,

und nicht repräsentativ die Meinung eines Karatevereins oder

Karateschule darstellt.

Um besser zu verstehen worum es geht, ist es wichtig einen Einblick in

die Geschichte der Okinawa-Te Meister, und die Geschichte einiger Kata zu bekommen. Für Leute die diese Geschichten nicht kennen, habe ich

hoffentlich Interesse geweckt mehr darüber zu erfahren, und

entsprechende Fachliteratur über die Geschichte des Karate zu kaufen.

Absolut empfehlenswert hierzu ist auch das Buch Karate-Do Nyumon von Gichin Funakoshi.

Ich verzichte hier darauf, die Geschichte des Okinawa-Te zu erzählen. Das würde nur vom eigentlich sehr wichtigen Thema ablenken. Denn es gibt „Karate-Geschichts-Kenner“, die untereinander erbittert diskutieren. Die springen sofort aus der Hose, wenn man etwas über Okinawa erzählt. Auch dann, wenn man sich auf Bücher von Funakoshi, Mabuni Kenei und andere alte Meister beruft.

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Quellen:

Die Funakoshi Zitate, und das Verständnis des von mir beschriebenen

„Weg des Karate“, stammen aus dem Buch „Karate-Do Nyumon“.

Weitere Quellen werden im Buch, an den entsprechenden Stellen,

erwähnt. Eine komplette Buchliste steht am Ende des Buches.

Da ich auf Bilder und Zeichnungen verzichtet habe, muss ich mich beim Aufzählen der Techniken an die Tafeln aus dem Katabuch von Albrecht

Pflüger halten. Wer dieses Buch noch nicht kennt, muss es sich besorgen.

Das ist Pflichtlektüre im Shotokan- Karate.

Worum geht es in diesem Buch?

Mit Karate kann man sich nicht richtig verteidigen. So heißt es immer wieder. Leider stimmte das bisher; was einige

Stilrichtungen betrifft. (Nicht alle) Das war aber nicht immer so. Mit Karate kann man sich sehr wohl verteidigen, nur nicht mit dem Karate,

wie es in den Nachkriegsjahren des zweiten Weltkriegs, bis heute,

größtenteils weitergegeben und verstanden wird.

Wenn man mehr als 30 Jahre Karate trainiert, und immer nur das Gleiche

macht, muss man schon extrem hartnäckig sein, um das überhaupt weiter

zu machen. Dabei kann man seine Karate-Fähigkeiten ein Leben lang verbessern und erforschen. Wenn man aber 30 Jahre lang nur

Grundschul-Techniken zu perfektionieren versucht, und Kata lernt wie

ein Tanz, dann hat das alles an Sinn verloren. Auch die Kumite-Übungen

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(z.B. Kihon Ippon Kumite) sind vollkommen kampfuntauglich; und somit auch nicht tauglich für die Selbstverteidigung. Dann kann man auch ein

anderes Fitness-Programm in einem Studio machen. Und da bekommt

man nicht 30 Jahre lang erklärt, dass man die Grundstellung noch besser

machen kann, und dass einige große Karatekas „Göttliche Techniken“ machen. Oder dass man die Bunkai-Schauspielereien alle beherrschen

muss. Mit Sicherheit kann man mit einigen perfektionierten Techniken

im Wettkampf gut bestehen. Aber funktioniert das auch in allen Situationen? Da ist noch weitaus mehr. Und das versuche ich hier zu

beschreiben. Ob es mir gelingt weiß ich nicht. Ich kann nur die Kiste

öffnen, in der das Geheimnis liegt. Erforschen muss es jeder für sich selbst. Man muss sich aber mal entscheiden, ob man ein Ballett-Trikot

oder einen Karate-Gi trägt.

Kampfkunst besteht aus dem bewussten trainieren vorgegebener Techniken und Kombinationen, um eine geschicktere Automatisierung

freier Techniken und freier Bewegungen im Kampf zu ermöglichen.

Und da ist eine Kata eine Anleitung zum Technik-Training. Nicht mehr

und nicht weniger.

Karate-Do

Karate stammt ursprünglich aus Okinawa. Doch als es zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts langsam der Welt geöffnet wurde, hat eben

auch diese Welt, sehr viel daran geändert.

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Heute verbindet man wieder das „Alte“ mit dem „Neuen“. Somit findet Karate wieder langsam den Weg, den es einst gegangen war.

Man kann auch etwas „kaputt verbessern“, so sagte einmal ein Verleger zu mir. Und genau das ist mit Karate passiert: Es wurde „kaputt

verbessert“. Das klingt hart, ist aber leider die Wahrheit.

Darum möchte ich mit dieser Arbeit wieder einiges ins rechte Licht rücken.

Selbstverteidigung war das ursprüngliche Ziel, das Karate-Schüler lernen

wollten. Man wollte kämpfen können; man wollte sich verteidigen können. Somit musste man den Weg von der Kata-Technik, zur direkten

Straßentauglichen Umsetzung finden.

Die Frage lautet also, wenn man keinen Wettkampf macht - oder

wenigstens Wettkampf-Karate trainiert - was macht man dann?

Breitensport zum Beispiel. Da stellt sich auch die Frage, was man uns, als Karate nach Japan kam, vermittelt hat.

Vieles wurde geändert; auch - und insbesondere - das Verständnis und das Training der Kata-Techniken. Man hat vielerorts ein "Ballet-Karate"

vermittelt, das wie beim Tanzen, beim Eiskunstlauf oder beim

Turmspringen bewertet und trainiert wurde. Man hat Kihon-Techniken perfektioniert bis zum Erbrechen und das Wesentliche übersehen. Die

Kata sind voller Techniken, die sich durchaus für den realen Kampf, oder

die verschiedenen Bereiche der SV, eignen. Was aber vielerorts - wenn

auf Wettkampftraining verzichtet wird - trainiert wird ist Grundschule, Grundschule, Grundschule (Kihon). Und Kata nach Tanzwertung. Und

eine völlig straßenuntaugliche Kumite-Übung.

(Das Wettkampf-Kumite lassen wir an der Stelle mal außen vor)

Kihon war ursprünglich (in Japan) keine Säule - wie es immer so falsch

bezeichnet wird - sondern eine Stufe zur Ebene der Kata.

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Die Kata enthalten wiederum eine Ausgeglichenheit an Grundtechniken, an Übungen und an Kampf bzw. SV Techniken.

Und das wurde nach dem zweiten Weltkrieg extrem geändert. Wer nur

Kihon macht, und Kumite gegen einen einschüssigen Vorderlader-

Karate-Angreifer, und nur Kata der Schönheit wegen; der hat keine Chance in einer echten SV-Situation zu bestehen.

Es ist aber alles vorhanden was wir brauchen, um in einer SV-Situation,

zwar nicht unbesiegbar, aber besser vorbereitet zu sein. Man muss es nur

erkennen, analysieren und trainieren. Eines muss beim Bunkai-Training immer klar sein: Wenn Uke zwei Takte im Bunkai-Training verwendet,

hat auch Tori zwei Takte im Bunkai-Training. Aber oftmals bleibt Tori

im Oi-Zuki Stand stehen, bis Uke mit seinen drei Takten und Techniken fertig ist. Da muss man vieles ändern.

Aber auch das wird als Übung gesehen, die dem Training dient und nicht realistisch sein kann. Es gibt Gegenargumente zuhauf. Dass man Realität

nicht 100% üben kann, darauf kommen wir noch.

Man sollte aber einem Angreifer nicht eine Hand auf den Rücken binden

(an der Hüfte angenagelt) und dann eine Bunkai-Version zeigen die Sinn ergibt.

Nach Altem forschen heißt das Neue verstehen.

Budo Weisheit (On ko chi shin, jap.: 温故知新) Selbstverteidigung im Karate? Ja, da war doch mal was.

Das notwendige Know-how und die entsprechenden Tools, zum

Wiedererlernen der Selbstverteidigung im Karate, sind vorhanden. Das

waren sie schon immer. Man muss sie nur wiederfinden. Wie? Das wird hier beschrieben. Aber das ist aber leider sehr schwer.

Man kann es nur verstehen, wenn man sich nicht gegen neue Ideen

sperrt. Wenn eine neue Wahrheit vor der Festung eines alten Irrtum steht,

vermag sie diese kaum zu beschädigen oder gar einzureisen.

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In diesem Buch wird versucht, einen Karate-Weg zu beschreiben, den

zwar einige schon für sich gefunden haben, der aber noch viel zu

unbekannt ist.

Was ist Kampfkunst?

Diese Frage muss man sich heute wirklich stellen. Es gibt zahlreiche Leute, die Selbstverteidigung innerhalb des Karate (wenn überhaupt) nur

als einen kleinen Teil oder als Beiwerk sehen. Viele von ihnen sprechen

dem Karate sogar grundsätzlich jegliche Grundlage der Selbstverteidigung ab.

Sie behaupten aber, Karate sei eine Kampfkunst. Dann frage ich einmal: Gibt es eine Kampfkunst, mit der man sich grundsätzlich nicht verteidigen kann?

Karate ist Kampfkunst. Wer die „Kunst des Kampfes“ wirklich beherrscht, kann sich auch verteidigen. Karate ist nichts anderes als

„Kunst der Selbstverteidigung“.

Selbstverteidigung wird heute tatsächlich nur noch als Nebenprodukt

unterrichtet. Selbstverteidigung musste – sofern man diese überhaupt im

Karate gefunden hat – dem Preiskampf weichen. Man lernt die

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wichtigsten Techniken intensiv und hart und dann; „Learning by Doing“ nach Wettkampfregeln.

Da SV aber mehr ist als nur Kämpfen, fehlt hier einiges.

Das Karatetraining setzt sich heute aus Kata, Kihon und Kumite

zusammen. Ja. und jetzt auch wieder Selbstverteidigung. Man spricht

also von den „vier Säulen des Karate“.

Vier Säulen des Karate.

Wenn Selbstverteidigung nur eine vierte Säule, oder ein Zweig des Karate ist,

WAS IST DANN KARATE?

Karate stammt ursprünglich aus Okinawa. Dort war die Kata, Grundlage

des gesamten Trainings. Kata war also das Fundament des Karate-

Gebäudes. (Wenn man einmal bei dem Tempelvergleich mit den Säulen bleiben will)

Heute glaubt man, Kihon wäre das Fundament des Karate und Kata wäre nur eine Säule die darauf aufbaut.

Man sollte nicht das Pferd von hinten aufsatteln.

In diesem Buch werde ich beschreiben, warum das völlig falsch ist.

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Das Fundament des Karate ist Kata.

Eine Kata ist eine Abfolge genau festgelegter Angriffs- und

Abwehrtechniken in verschiedene Richtungen.

Heute erklärt man: Kata ist ein Kampf gegen mehrere imaginäre Gegner.

Das kann man vielleicht am Ende so sehen. Aber erst einmal bestehen die Kata aus einer Sammlung einzelner Techniken, die man auf

unterschiedliche Weise miteinander verbinden kann und auch erst einmal

einzeln trainieren sollte.

Eine Kata beinhaltet das Wissen und die Kampfkunst der alten Meister,

die oft ein Leben lang an der Entwicklung ihres Kampfstils gearbeitet und trainiert haben. Sie ist wie ein Buch, das ein alter Meister

hinterlassen hat. Wer eine Kata beherrscht, trägt das Buch der alten

Meister immer mit sich. Er muss es nur genau lesen. Die Kata bieten

viele Trainingsbeispiele, Grundschule und Kampftechniken. Dieses Wissen sollte man nicht ignorieren. Man muss es sogar manchmal

wiederfinden.

Kihon, Bunkai und Kumite

Natürlich muss man die notwendige Grundschule beherrschen, wenn

man Karate lernen will. Aber in unseren Regionen wird oftmals viel zu viel Kihon trainiert. Also die Halle rauf und runter mit den üblichen

Grundtechniken, die im Stil-Eigenen Prüfungsprogramm stehen. Kihon,

Kihon, Kihon. Und wenn man fertig ist, wieder Kihon. Und da man immerzu hinter den Gürteln her ist, wird das auch oft als

Trainingsanleitung genutzt.

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Man kennt das ja. Hier muss man mal kritisch sein. Die üblichen Rufe

schallen durch die Hallen:

„Tiefer stehen …. lockerer …. HÜFTE, HÜFTE, HÜFTE ... Atmung …

Kime … Endphase stärker … nicht so verkrampft … Körperspannung … Kiai … Hikite, … Gewichtsverlagerung beachten usw.

Und bei den Kata ist es nicht besser. Da geht es nach Schönheit, aber nur selten nach Inhalt. Und wenn es nach Inhalt geht … na ja, das ist ein

extra Kapitel.

Ein guter Trainer erkennt, wenn jemand eine Kata bewusst in Karate-

Form macht, oder unbewusst perfekt in einer Schönheits-Form.

Und Kumite? Na, alles zu seiner Zeit.

Wir machen zu viel Kihon und zu wenig Kata nach altem Muster. Wenn

man genau hinschaut erkennt man, dass die Kata viele Grundschulübungen enthalten. Und sie enthalten noch viel mehr. Sie

enthalten realistische Kampftechniken. Und zwar nicht nur gegen unsere

gewohnten „Oi-Zuki- Eintakt-Karategegner mit festgenagelter zweiter

Hand an der Hüfte“. Nein, sie wurden entwickelt um gegen alle

Angreifer zu bestehen.

(Regel Nr. 13 Funakoshi) Dazu kommen wir später noch.

Wenn man Kampftechniken und Kampfkombinationen aus den Kata mit

Partner übt, spricht man von Bunkai. Man übt also

Selbstverteidigungsbeispiele und Selbstverteidigungstechniken. Heute erklärt man es so: Wenn die Gegner beim Kata-Training nicht mehr „imaginär“ sondern

real sind, spricht man von „Kata in Anwendung“. Man spricht also von

Bunkai. Man läuft die gesamte Kata wie trainiert, nur jetzt mit

angreifenden Gegnern.

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Das ist aber nicht das ursprüngliche Ziel des Kata-Trainings. Ziel des

Kata-Trainings ist, die darin enthaltenen Techniken, die Kombinationen

und die Selbstverteidigung (Bunkai) zu verstehen. Dazu übte man jede Technik und Kombinationen einzeln.

In der heutigen Zeit sieht Bunkai zwar oft spektakulär aus, aber in der

Realität funktioniert vieles nicht. Man versucht viel zu oft „zwangsweise“ etwas Spektakuläres in die Kata hinein zu interpretieren.

Dann sollte man lieber das üben, was man versteht und wirklich

umsetzen kann. Weniger ist mehr.

Kumite, Bunkai und Selbstverteidigung sind genau genommen,

eigentlich das Selbe. Jedenfalls haben diese „Säulen“ dasselbe Ziel. Beim Bunkai gibt es immer einen Angreifer und einen Verteidiger.

Außerdem wird Bunkai-Training auf Kata aufgebaut.

Beim Kumite gibt es immer – außer bei einfachen Übungen – zwei

Angreifer. Also beide Kämpfer greifen an um zu gewinnen. Außerdem

ist Kumite-Training nicht – oder nur wenig – auf Kata, sondern fast immer und fast überwiegend, auf wenigen Grundschultechniken

aufgebaut. Kata wird also oftmals nur als perfektionierte Übung gesehen,

deren Inhalt nicht genug ergründet wird.

Daher wurde vieles übergangen und nicht weiter entwickelt. Auch viele

Techniken aus den „Alten Okinawa Kata-Versionen“ wurden nicht übernommen, nicht erkannt und nicht verstanden.

Und genau darum geht es hier. Es geht um die Weiterentwicklung, die Wiederentdeckung und die Wiederaufnahme des „alten Kata-Trainings“

als Basis des Karate. Und es geht um die „alten vergessenen

Techniken“. Und es geht darum, den Weg von der Kata-Technik zur kampftauglichen MMA-Technik zu finden. MMA deshalb, weil das dem

realen Kampf sehr nahe kommt.

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Aber, so vergessen sind die „alten Techniken“ gar nicht. Im Internet bleibt heutzutage nichts verborgen. Mittlerweile tauchen Bilder von

großen japanischen Shotokan-Meistern auf, die teils aus teuren Büchern

stammen, in denen genau diese „vergessenen Techniken“ erklärt

werden.

(Introduction to Karate von Shingo Ohgami.

The Essence of Okinawan Karate-Do von Shoshin Nagamine)

Hm, hat man uns damals, als Wettkampf-Karate von Japan aus in die

Welt getragen wurde, etwa etwas verschwiegen? Man hat nicht nur einiges verschwiegen; man hat auch einiges anders wiedergegeben, als es im Grundgedanken des ursprünglichen Karate in

Okinawa überliefert wurde.

Das alte Bunkai heißt: Kämpfe um dich zu verteidigen.

Das moderne Kumite heißt: Kämpfe um zu Gewinnen.

Denke nicht ans Gewinnen, doch denke darüber nach, wie man nicht

verliert.

Gichin Funakoshi Die vier Säulen des heutigen modernen Karate tragen das Dach des

Karate-Do. Doch was ist das Dach des heutigen Karate-do? Na, Wettkampf und Olympiateilnahme.

Früher gab es keine Säulen. Es gab das Fundament; die Kata. Darauf stand das Haus: Der Weg des Karate-Do. Das Dach war, die Kunst,

Kämpfen zu können. Die Kunst sich selbst im Kampf verteidigen zu

können. Die Kunst der Selbstverteidigung. Also war Kata ursprünglich ein Trainingsplan, der alles umfasste was

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man brauchte, um Karate zu erlernen. Kihon ist nur eine Stufe, um Kata richtig trainieren zu können. Ausgenommen sind ein paar neue Techniken, die es in den alten Kata nicht gibt.

Du magst lange, lange Zeit üben, aber wenn Du nur Deine Hände und

Füße bewegst und auf und ab hüpfst wie eine Marionette, dann ist das

Karate-Studium nicht viel anders als das Tanzen lernen. Du wirst nie

zum Kern der Dinge vordringen. Du wirst die Quintessenz von Karate-

Do nicht begriffen haben.

Gichin Funakoshi

Die Frucht des Vergessens.

Die neue Kampfkunst aus Okinawa hatte etwas Besonderes. Die

japanischen Kampfkunstmeister sahen viele Gemeinsamkeiten mit ihrem

Kendo.

Quelle: Nakayamas Karate perfekt 3 / Kampfübungen 1

Das beweisen die (Karate) Kumitebücher von Nakayama.

Mehrmals zitiert er den großen Samurai Miyamoto Musashi. Dort heißt

es unter anderem:

Wenn man nahe zum Gegner vorgedrungen ist und dessen Langschwert

abwehren muss, kann man mit dem eigenen Kurzschwert einen Schlag zu

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den Augen ausführen und dabei das gegnerische Langschwert nach rechts ablenken.

Oder,

Wenn sich das Schwert des Gegners und das eigene Schwert beinahe berühren, stößt man, ohne das Schwert auch nur anzuheben, mit

höchster Kraft zum Gegner vor.

Oder,

Führt der Gegner sein Schwert mit einem langen Rhythmus, verwendet man einen kurzen Rhythmus.

Nakayama entwickelte das „Neue Shotokan Wettkampfkarate“. Und wieder musste Gichin Funakoshi hilflos zuschauen, wie man sein Karate

veränderte.

Aus dem Okinawa-Te, das Funakoshi mitbrachte, wurden die

Chinesischen Einflüsse entnommen. Karate wurde „japanisiert“ und mit

Kendo gemischt, um eine neue Wettkampfstil zu entwickeln.

Dennoch entstand in Japan eine neue Kampftechnik, die ihren Vorteil im

richtigen Timing und in der Schnelligkeit findet, die man im Kendo

erlernen kann.

Für Gichin Funakoshi, und die anderen Meister, wäre es leichter

gewesen Einsteins Relativitätstheorie zu widerlegen, als Wettkampf und Kendo aus den Köpfen der Japaner zu bekommen. Vielleicht wollten sie

das auch gar nicht. Heute suchen viele Karatekämpfer wieder verstärkt

nach Selbstverteidigung.

Warum also wurden so oft uralte Kata, die ihre Wurzeln in China hatten,

nach der Einführung in Japan innerhalb der kurzen Zeit von wenigen

Jahrzehnten, so grundlegend verändert?

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In der Zeit um 1936 - 38 lernte Nakamine Shoshin die Okinawa-Te

Experten Hanashiro Chomo und Yabu Kentsu kennen. Beide Meister

warnten ihn vor den Änderungen, die im neuen „Japan-Karate“, an den

Kata gemacht wurden. Quelle: kusunoki.de / Meister des Karate / Nagamine Shoshin

In den Schulen der alten Okinawa-Meister hatten nur wenige interne Schüler Kenntnis über die wahren Geheimnisse der Kata. (d.h. die

Schlüssel für den Zugriff auf ihren inneren Sinn) Es gab keine

schriftlichen Aufzeichnungen. Man konnte auch nicht in die Bücherei gehen und ein Katabuch kaufen. Man konnte auch nicht auf Kata-

Lehrgänge gehen. Nichts war organisiert oder standardisiert. Darum war

es schwer die Kata immer einheitlich zu trainieren. Quelle für die Geschichte der Kata: Koshiki Kata – Roland Habersetzer.

Wenn wir heute Kata üben, können wir sofort in Büchern nachsehen ob

es richtig war, was wir trainierten. Auf Okinawa stand der Meister oft alleine da. Er hatte die Kata irgendwo gelernt und gab sie nun weiter.

Aber aus Erfahrung weiß man, wie schnell sich Fehler einschleichen.

Man bemerkt die Fehler nicht, und schon wird diese Variante dem

Meister zugesprochen. Techniken wurden verändert, ohne dass es die Meister bemerkten. Es war aber auch so, dass die Meister oft ihre eigene

Variante absichtlich einbauten. Das ist ja heute auch so. Wenn man das

nicht innerhalb der Karateverbände organisiert hätte, wäre es noch wesentlich schlimmer. Bei den vielen Dojos gäbe es tausend

verschiedene Arten der Kata. Die Passai ist eine uralte Kata. Dort sieht

man beispielsweise, wie unterschiedlich sie in den Okinawa-Stilen trainiert wurde.

Bereits Itosu Yatsune veränderte und verharmloste Kata. Es entstand ein

neues Karate, das eigens für die Öffentlichkeit geschaffen wurde. Und, obwohl Gichin Funakoshi die Kampfkunst Azatos beherrschte, lehrte er

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in Japan nur das veränderte Karate aus der Itosu Schule. Vergleicht man die Kata der Stilrichtungen mit den alten Versionen,

erkennt man bereits die Änderungen der Stilrichtungs-Gründer.

Manchmal erkennt man eine Stilrichtungsfremde Kata sofort, wenn sie

auch etwas anders gezeigt wird. Es gibt aber auch Kata, die so gut wie nichts mehr gemeinsam haben. Nur noch die gemeinsame Geschichte

scheint sie zu vereinen.

Der Weg der Kata erinnert mich an ein altes Gesellschaftsspiel. Ich

glaube man nennt es „Stille Post“. Einige Leute sitzen in einer Runde

und der erste flüstert seinem Nebenmann etwas ins Ohr. Der sagt es wieder seinen Nachbarn, usw. Am Schluss kommen manchmal lustige

Dinge heraus, die sich vom ersten Satz völlig unterscheiden.

In der Version der Kata kommt noch etwas Wichtiges hinzu: Hier nehmen wir einmal zwei Gruppen mit je zehn Mitspieler. Nur die erste

Gruppe versteht Englisch, die andere Gruppe kann kein Wort Englisch.

Nun wird dem jeweilig ersten Mitspieler der Gruppen ein Satz in Englischer Sprache ins Ohr geflüstert. Was glauben Sie, liebe Leser, was

für ein Kauderwelsch am Ende der Gruppe heraus kommt, die kein

Englisch versteht? Und genau so ist es, wenn man eine Kata weitergibt, ohne die Kampfaspekte der Kata zu verstehen.

So muss es auch mit den Kata gewesen sein, die nach Japan gebracht

wurden.

Es hat den Anschein als wären im Shotokan-Karate die meisten Kata

verändert worden; was nicht unbedingt immer schlecht sein muss. Doch auch in anderen Stilrichtungen wurde vieles verändert; sodass man heute

nur schwer nachvollziehen kann, wessen Kata der Ursprungskata am

nächsten kommt.

Um die Kampfaspekte besser zu verstehen wäre es jedoch sinnvoll, die Änderungen der Stilrichtungsgründer, und die Ursprungskatas zu

kennen. Dann kann man auch ergründen, worum es den Gründern der

Kata eigentlich wirklich ging. Aber auch Bunkai selbst sollte noch

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einmal neu definiert werden.

Änderungen die willkürlich aus Wettkampfgründen später eingeflossen

sind, sind für Karate sinnlos und irrelevant. Man kann den

Kampfrichtern nur raten, solch willkürliche Änderungen mit Punktabzug zu bestrafen. Im Training kann man eine Kata vielseitig verändern; da ist

es auch sinnvoll.

Aber die Grundlage muss stehen und darf nicht verändert werden. Und schon gar nicht auf einem Turnier.

Nun könnte man meinen, dass, nach Nakayama, die Kata nicht mehr verändert wurden. Obwohl in anderen Stilrichtungen immer noch die

Pinan Kata, statt den Heian Kata gelehrt werden, blieben auch sie nicht

ganz von Änderungen verschont. Im Shotokan Karate wurde oft

nachgewürzt und verändert.

Im Jahr 1968 kam Sensei Hirokazu Kanazawa (geb. 1931 Japan) als

erster hauptamtlicher Bundestrainer von der JKA nach Deutschland. Sensei Kanazawa kehrte 1970 nach Japan zurück. 1970 trat Hideo Ochi

die Nachfolge Kanazawas an. Seit damals wurde wieder viel an den Kata

in Deutschland geändert.

Kanazawa änderte schon vieles. In seinem Kata-Video bzw. seinen

Büchern sorgte er deshalb, bis zum heutigen Zeitpunkt, für Verwirrung.

Es ist schlimm genug, wenn man einfach an diesen alten Kata herum

schraubt, wie an einem alten Auto. Wenn man aber dann nicht nur die

Techniken, sondern auch noch die zeitlichen Phasen willkürlich ändert, kann das eine alte Kata vollkommen zerstören.

So haben im Shotokan, große Meister vieles geändert. Es fühlten sich

auch später viele Karatemeister dazu berufen, Kata einfach zu ändern. Im Jahr 2002 wurden in Deutschland die Heian- Kata, Empi und Bassai-Dai,

wieder zurück geändert und an internationale Standards angepasst.

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Die Kata darf nicht verändert werden, im Kampf jedoch gilt das

Gegenteil

Gichin Funakoshi (Gründer des Shotokan-Karate)

Dieses Zitat muss man aber erst einmal verstehen. Wer diese Worte verstanden hat weiß, wie man Kata trainieren muss. Wobei Kampf auch

Kampftraining sein kann. Kampfaspekte ist nicht gleich Bunkai oder

Jiyu-Ippon Kumite. Kampfaspekte bedeutet, dass man – im Gegensatz zum heutigen

Training – auch die „Regel 13“ von Meister Funakoshi lebt. Wenn man

die Kampfaspekte einer Kata verstehen will, muss man mit allen möglichen Angreifern und Angriffe rechnen. Im heutigen Karate scheint

es aber nur „Karate Oi-Zuki Angriffe“ zu geben.

Es ist extrem schwer, zu beschreiben wie man das Training ändern müsste, um effektive SV im Karate wiederzubeleben.

Worte nützen gar nichts, wenn man sie nicht verstehen will.

Bevor wir nun zu den Verbindungen der Kata, Kata-Bunkai, Bubishi,

Motorik und Reflexbewegungen kommen, müssen wir uns noch mit einigen Dingen vorweg beschäftigen.

Eine Kata „richtig“ können.

Was bedeutet, eine Kata „richtig“ zu können?

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Auf diese Frage gehen wir in diesem Buch noch sehr genau ein. Diese Frage aber vorweg: Was trainiert ihr, wenn man sagt, dass ihr eine Kata

erst einmal richtig können müsst, bevor ihr an die nächste Kata denkt?

Irgendwann – vielleicht mit Erreichen des ersten oder zweiten DAN – denken Schüler daran, alle stileigenen Kata zu können. Wenn man dann

ein oder zwei Jahre zuhause im eigenen Zimmer alleine diese Kata geübt

hat, kommt die Bemerkung, dass das Unsinn war und dass man nicht eine einzige Kata richtig kann. Man hätte erst einmal eine Kata richtig

üben sollen.

Und dann geht es los; die „Grundschul-Zauberei“. Hüfte, Tiefer, Höher,

Atmung, Hikite, Zeiten einhalten, schneller, langsamer, lockerer,

Endphase stärker, nicht verkrampft, usw.

Irgendwann kann man dann die Kata, so wie der Trainer es will …

vielleicht.

Aber wehe Du vergisst in deinem Gesang an nur einer Stelle den Ton

richtig zu treffen; dann beginnt der Tanz von neuem.

Ist das „Kata richtig können“? Nein: Das ist Tanzen und Turnen. Mehr

nicht.

Ich habe vor zehn Jahren angefangen die Stil-eigenen Kata alle zu

trainieren. Die laufen bei mir wie eine Fließbandarbeit ab. Und ich habe irgendwann festgestellt, dass das Training dieser Kata zwar gut und

wertvoll für mich ist; ich habe aber bemerkt, dass etwas fehlt. ….. Ja, sie

richtig zu können. Na, alle kann man nicht richtig können. Ich bemühte mich also die Kata

immer wieder der Schönheit und der Perfektion wegen zu verbessern.

Das war aber nicht das, was man unter „Richtig Können“ meiner

Meinung nach versteht. Dann begann ich damit, mir in einer anderen Trainingsstunde eine Kata

auszuwählen, und die Technik für Technik BEWUSST zu trainieren. Ich

verglich die einzelnen Techniken und Kombinationen mit Stellen aus

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anderen Kata, die ich immer trainierte. Und ich baute auch diese anderen Kombinationen beim Training an den entsprechenden Stellen, hin und

wieder, ein.

Die Schönheit war mir egal, die Wirkung und die Vielseitigkeit der

Techniken waren mir wichtig. Man kann die Schönheit einer Kata nicht begreifen und halten, wenn man die Wirkung, die Vielseitigkeit und die

Möglichkeiten nicht versteht.

Als ich eine Stunde die ausgesuchte Kata „Kanku Sho“ auf diese Art

und Weise trainierte, habe ich festgestellt, dass ich wirklich kaum eine

Kata (Nach den Vorstellungen der alten Meister) WIRKLICH beherrsche. Und ich stellte auch fest, dass ich bei Weitem nicht der

einzige bin. Ich bin aber einer, der das bemerkt hat. Ich trainierte weiter

auf meine Art – und die Art der alten Meister – die Kata, die ich mir

aussuchte. Und um Vergleiche ziehen zu können, trainiere ich noch heute alle Shotokan-Kata einmal die Woche.

Mögen viele Leute besser Tanzen können als ich; ich will Karate können.

Tanzen und Turnen sollen andere.

Ich benutze in diesem Buch oft den Begriff „alte Meister“. Und ich

benutze diese Bezeichnung gerne und respektvoll.

Die Kampfkunst-Formel

Im Karate funktioniert der Körper wie eine Fußballmannschaft. Es gibt einen der das Tor schießt, und es gibt die anderen Mitspieler, die mit

dazu beitragen.

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Im Grunde genommen unterliegen die Kampfkünste alle einer solch, einfachen Formel. Eine Technik wird ausgeführt; und alles was wir

einsetzen können – wie Körper, Verstand und koordinative Fähigkeiten -

unterstützen diese Aktion so gut es geht. (Beispiel Hikite) Diese

Unterstützung der ausführenden Techniken, trainieren wir im Karate immerzu. Wir entwickeln dabei eigene Fertigkeiten genau so, wie wir

bereits entwickelte Bewegungen, und vorgeschriebene

Bewegungsabläufe, nutzen. Bei letzteren suchen wir oftmals den Sinn und die Verbindung zu unseren eigenen Vorstellungen und zu unserem

eigenen Empfinden, und dem eigenen Gefühl. Das ist so, weil „das

Entwickelte“ entweder nicht unbedingt immer richtig sein muss, oder es ist für unser eigenes Empfinden, und unsere eigene Geschicklichkeit,

nicht richtig. Die Beweise hierzu liegen in der „technischen Geschichte“

der Kampfkunst. Es wurde immerzu extrem viel geändert. Letztendlich

müssen wir selbst entscheiden, was für uns gut ist, oder was eher schlecht ist. Oder wir erkennen aus dem „Entwickelten“, was wir für uns

daraus nutzen können und auch wirklich verstehen.

Aber das alles basiert auf einer einfachen und geradezu simplen Grundformel.

Einfach beschrieben würde das so aussehen:

A = Die Ausführende Technik.

H = Die direkten Helfer.

U = Die Unterstützer der Helfer.

A.

Die auszuführende Technik hängt von der Reaktion und den Koordinationsfähigkeiten ab. Schnelligkeit, Kraft und Geschmeidigkeit

sind im richtigen Einklang zu verbinden. Bei den Armtechniken ist zu

beachten, dass eine Hand niemals alleine arbeitet. Es gibt immer einen

Beifahrer. Entweder der andere Arm unterstützt direkt die auszuführende Technik, oder er unterstützt den Oberkörper. Dann ist die andere Hand

aber auch nur ein Helfer. Dann geht es weiter bei „U“.

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H. Insbesondere findet die Technik Unterstützung durch den Oberkörper

und die Hüften. Diese Bewegung darf nicht entgegengesetzt der

auszuführenden Technik sein. Sonst verliert die Technik an Energie. Hier

werden die meisten Fehler gemacht. Man sollte die Techniken einmal auf dem Glatteis üben.

U. Unterstützt wird der Oberkörper von den Beinen und (oder) dem anderen

Arm. Bei einer Beinstellung bedeutet das, dass wir eine Verbindung der

Stellung zur ausführenden Technik erkennen müssen. Diese Verbindung muss irgendwo notwendig und sinnvoll sein. Wenn wir diese Verbindung

nicht erkennen, nutzt uns diese Stellung, und das entsprechende

Training, wenig. Außerdem muss man auch hier so stehen, dass eine

Weiterführung des Kampfes direkt und schnell möglich ist. Wird eine Technik nur mit einem Arm ausgeführt, muss der andere Arm

so arbeiten, dass er nicht nur den Körper unterstützt, sondern sich nicht

selbst auch noch in eine ungeschickte Position begibt. Es ist immer wichtig, dass er bei seiner „Unterstützung des Körpers“ aus seiner

Stellung heraus direkt effektiv weiterkämpfen kann. Hinter den Linien

nützt uns der andere Arm nichts.

Ganz simpel: Aber so ist das nun mal.

So ist das mit allen Techniken, die in den Kata enthalten sind. Die beste Erklärung nützt uns wenig, wenn wir die Verbindung von der gesamten

Körperhaltung zur Technik nicht haben und nicht selbst finden und selbst

spüren. Eine Technik ist nicht korrekt, wenn wir damit eine Prüfung bestehen; sondern wenn wir sie entsprechend spüren.

Wir suchen oftmals nach einer Erklärung und einer Schablone, wenn es

um eine Technik geht. Dabei sollten wir zuerst nach dem richtigen Gefühl für die Technik suchen, bevor wir die Schablone auspacken.

Schablonen braucht man nur am Anfang. Irgendwann muss man frei

zeichnen können.

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AHU = Die Grundformel auf der alle Techniken aufgebaut sind.

Widerspricht etwas dieser simplen Formel, ist die Technik für den

Kampf und die Selbstverteidigung unbrauchbar.

Kihon falsch verstanden?

Auch zum Kihon ein paar Worte vorweg:

Kenei Mabuni Schreibt in seinem Buch „Leere Hand“ folgendes:

Zitat:

Wenn man heute in ein Dojo aufgenommen wird, lernt man zunächst

die grundlegenden Stöße, Tritte und Blöcke und übt sie immer wieder. Auf Okinawa begann man hingegen sofort mit dem Training der Kata.

Was ein Stoß oder ein Block war, wusste man gar nicht. Solche

Unterscheidungen kamen einem gar nicht in den Sinn. Man übte einfach

nur Kata. Es gab nur Passai-Training oder Kosokun-Training usw. Etwas kühn formuliert, war eine Kata gleich einer Technik. Die

Ausbildung war sehr ganzheitlich und auf das Fließen von Angriffs- und

Verteidigungsbewegungen konzentriert. …

Zitat Ende

Jamal Measara schreibt in seinem Buch „Die verschollenen

Traditionen des Okinawa Karate“ folgendes:

Zitat:

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Als Karate einer breiten Masse vorgestellt wurde und in den Schulen eingeführt wurden, haben viele Lehrer neue Kata entwickelt, z.B. für

Kinder, Schüler oder ältere Menschen. Eines der bekanntesten Beispiele

sind die fünf Pinan Di von Itosu Anko, welche dieser aus den anderen

Kata entwickelte. Somit fiel es dem Schüler leichter die ursprünglichen Kata zu lernen, da er viele Kombinationen bereits aus den Pinan Di

kannte.

Als die Trainingsgruppen größer wurden, wurde zudem das Kihon (Grundschule) eingeführt. Unter Kihon versteht man das Wiederholen

einzelner Techniken, die z.B. aus einer Vorwärts- bzw.

Rückwärtsbewegung oder im Stand ausgeführt werden.

Dies war einfacher zu unterrichten und eignete sich für eine große

Anzahl von Schülern, die jetzt am Unterricht teilnahmen. Die Techniken

des Kihon sind den Kata, der Grundlage des Karate, entnommen. …

Zitat Ende.

Was aber wird uns ständig vermittelt?

Kihon ist eigentlich die Stufe, um die Ebene der Kata-Übung zu

erreichen.

Genau genommen, sollten eigentlich, aus den erlernten Techniken

heraus, Bewegungsprinzipien entstehen, die man schnell anpassen und anwenden kann. Wenn man das Prinzip verstanden hat, muss man nicht

mehr darüber nachdenken, wie man die Technik anwendet.

Man hat aber aus Kihon etwas Mystisches gemacht. Man braucht viele

tausend Wiederholungen, um Haltung, richtige Spannung, Perfektion, Kraft in der Endphase, Hüfteinsatz, Atmung, Hikite, usw. zu trainieren.

Kihon ist heute nicht mehr das, wie ursprünglich gedacht und wie es

Jamal Measara in seinem Buch beschreibt. Nein, Kihon ist etwas Eigenständiges geworden, das seinen Sinn verloren hat. Denn mit

Selbstverteidigung, hat Kihon nicht viel zu tun. Es sei denn, man

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entnimmt den Kihon aus den Kata, die man gerade übt.

Ich glaube einfach, dass Kihon so etwas wie ein Eigenleben entwickelt

hat, wofür es nicht gedacht war. Der Grund hierfür liegt auf der Hand.

Wenn man ein Werkzeug in Händen hält, muss man auch wissen wofür

es gedacht ist.

Kihon? Also etwas, was falsch verstanden wurde?

Manchmal wundere ich mich, dass ein Kind Laufen lernt, ohne

jemals etwas über die genau ausgearbeiteten Theoretischen

Grundlagen gelesen zu haben.

Das fehlende Bindeglied.

Um besser zu verstehen warum Kata so wichtig sind, müssen wir uns

noch etwas ausgiebiger mit der Grundschule (Kihon) befassen. In

diesem Buch wird mehrfach darauf hingewiesen, dass im „wahren

Leben“ nach der Grundschule eine weiterführende Schule folgt. In Japan

hatte man begonnen die Grundschultechniken aus den bestehenden Kata

herauszusuchen, um Anfänger in großen Gruppen besser trainieren zu

können.

Wie oben schon beschrieben, berichtet von diesem Gruppentraining

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auch Jamal Measara in seinem Buch:

Die verschollenen Traditionen des Okinawa-Karate. Ein Schüler von

Shimabukuro Zenpo, dessen Linie über seinen Vater Shimabukuro

Zenryo direkt zu Kyan Chotoku geht. Außerdem war es wichtig, diesen Anfänger erst einmal ein paar

grundlegende Dinge beizubringen, bevor sie Kata trainierten.

Das wurde zu unseren Zeiten – ab dem Beginn des Karate in Europa – bis zum Jiyu-Ippon Kumite in Form der Grundschulübungen auch so

trainiert. Und darauf hat man sich auch beschränkt.

Dann folgt aber ein direkter Sprung zum Jiyu Kumite.

Jiyu Kumite kann man als freier Kampf verstehen. Jiyu Kumite wird

aber in unseren Zeiten oftmals nicht frei, sondern in Wettkampfregeln

und Wettkampfverhalten gepresst. Das ist dann aber kein Kämpfen mehr, im Sinne von „Frei“ und Selbstverteidigung“. Außerdem hat man es nur

mit Karate-Gegnern zu tun. Alles andere lernt man nicht.

Flow-Drills

Dass hier etwas fehlt, ist schon anderen großen Karateleuten aufgefallen,

wie Patrick McCarthy, der sich mit der Karategeschichte Okinawas intensiv befasst hat und erkannte, dass in dieser Lücke auch sogenannte

Flow-Drills trainiert wurden.

Flow-Drills sind Übungen mit dem Ziel, Bewegungsabläufe zu automatisieren. Flow-Drills sind Übungen, die Grundschultechniken

(Kihon-waza), mit Kampftechniken (Jiyu-waza) verbinden sollen.

In den nächsten Kapiteln befassen wir uns mit den Grundschultechniken

und mit der Frage, warum nicht alle diese Techniken für den wahren Kampf wirklich geeignet sind.

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Enbu Karate

Dass hier etwas fehlt hat man auch im traditionellen Karate erkannt.

Von ENBU hatte auch ich erst spät erfahren. Und es ist auch nicht

einfach, etwas darüber zu erfahren. Darum kann ich mich hier nicht

genau festlegen. Was ich bisher finden konnte ist allerdings sehr vielversprechend.

Enbu ist eine Wettkampfform, die aus dem traditionellen Karate stammt.

Sie wurde auch von dem Fudokan Weltverband übernommen.

Man muss sich das in etwa wie in einer Filmszene vorstellen. Zwei

Kämpfer erarbeiten eine einminütige Choreografie, in der Angriffe und Verteidigung, genau wie im echten Kampf, mehrmals wechseln.

Hierbei entsteht ein sehr schöner einminütiger Kampf, der an die

Teilnehmer technische Herausforderungen, Vielfalt, Möglichkeiten,

Genauigkeit und zum Beispiel auch Entschlossenheit testet und fördert.

Was hier einsteht, ist eine echte Kampfübung. Es ist genau das fehlende

Bindeglied, das ich in anderen Stilrichtungen vermisse. Man muss es ja nicht als Wettkampf machen. Aber auch als Übung ermöglicht ENBU,

sehr nahe an die realen SV-Situationen und den realen Kampf

heranzukommen. Dabei ist es auch wichtig, dass man Kata und Bunkai auf gleiche Weise mit einbezieht.

Ich kann leider hier kaum Quellenangaben machen, da es sehr schwer zu

ermitteln ist. Ich denke aber, dass das Suchwort „ENBU Karate“ erfolgversprechend ist, wenn Sie – Liebe Leser – selbst danach suchen.

Eine Quelle: http://www.atlanta96ev.de/fudokan.html

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***

"Wenn du mir einen Namen gibst, verneinst du mich, in dem man mir

einen Namen, eine Bezeichnung gibt, verneinst du all die anderen Dinge,

die ich vielleicht sein könnte. Du beschränkst das Teilchen etwas zu sein,

in dem du es fest nagelst, es benennst, aber gleichzeitig erschaffst du es, definierst es, zu existieren. Kreativität ist unsere höchste Natur, mit der

Schaffung der Dinge, entsteht auch Zeit, welche die Illusion in der

Solidität erschafft." Søren Kierkegaard 1813-1855

dänischer Philosoph, Theologe und Schriftsteller

Das Zitat des dänischen Philosophen kann man im ganzen Leben

einsetzen. Wir benennen etwas. Wir legen etwas fest. Und das darf

dann nicht mehr verändert werden.

Kihon (Grundschultechnik) darf nicht verändert werden. Im Kampf gilt

das Gegenteil.

***

Kihon einmal etwas anders.

Um weiter zu verstehen worum es geht, muss man die „Ten no Kata“

kennen.

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Diese Kata wurde, wie auch die drei Taikyoku-Katas, von Gichin Funakoshi und seinem Sohn Yoshitaka entwickelt. Die Kata besteht aus

zwei Teilen:

Der Omote-Form, die vom Ausführenden alleine geübt wird. Und der Ura-Form, welche mit Partner im Sinne eines Kihon- Ippon-Kumite

trainiert wird.

Sie wird aus einer natürlichen Stellung, wie Shizentai, heraus jeweils einmal in verschiedene Richtungen, ausgeführt. Alle Techniken die geübt

werden, werden jeweils nur ein Mal aus der natürlichen Stellung heraus

ausgeführt. Funakoshi selbst weist ausdrücklich darauf hin, dass der von ihm

entworfene Ablauf der Ten-no-Kata nur die Basis dieser Kata ist, die,

nachdem der Karateka sie verinnerlicht hat, im selben Sinne weiter zu

entwickeln ist. Somit ist diese Kata als Bindeglied von Kihon-waza zu Jiyu-waza zu sehen. Sie verbindet Kihon mit Kumite. Somit kann man

diese Kata sowohl als Kihon Kata, wie auch als Kumite Kata sehen.

Nun können wir zum Wesentlichen kommen.

Zitat aus dem Buch "Karate-Do Nyumon" von Funakoshi, Seite 94 „Ten-

no Kata Ura“:

Zunächst solle der Verteidiger seine Abwehr und Gegenangriff als zwei

getrennte Techniken üben. Wenn er geschickter wird, sollte er die

beiden als eine Aktion ausführen, sodass auch nicht ein

Sekundenbruchteil zwischen Abwehr und Gegenangriff liegt." ..... Zitat

Ende.

Ähnlich äußerte sich Motobu Choki bei seinen 5 Regeln. Zitat:

1 Verwende Techniken, die in einer Bewegung Angriff und

Abwehr beinhalten.

2 Verwende so oft es geht beidhändige Techniken zur Abwehr

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und zum Angriff. (Quelle: shorinryu.de Familie / Tradition / Technik )

Kihon, wie er heute fünf Mal vor und zurück trainiert wird, gab es zu

dem Zeitpunkt noch nicht. In dem Zitat von Funakoshi sind zwei bedeutende Begriffe enthalten:

1 „Zunächst“ = Kihon = Basis, Grundschule

2 „Geschickter“ = Jiyu waza = Weiterbildende Schule

Jiyu waza (Freie Technik) bezeichnet die Veränderung der

Grundschultechniken (Kihon-waza) in Kampftechniken. Also in

Techniken die von Grundschulstandards befreit und angepasst wurden. Sie müssen also kampftauglich sein. Sie müssen im Ring umsetzbar sein.

Z.B. Gleichzeitiges Blocken und Kontern oder eine schnellere

beidhändige und realitätsnähere Ausführung der Techniken. Und um das zu verstehen und trainieren zu können, benötigt man Kata.

Denn darin sind diese Techniken enthalten.

Wenn man das zu begreifen beginnt versteht man, dass Basisübungen

lediglich die ersten Schritte waren um eine Kata und deren Kampfaspekte und Techniken zu erlernen. Und man begreift, dass man

mit dem ausschließlichen und einzigen Erlernen der Kihon-waza, keine

Möglichkeit hat wirklich Karate zu erlernen, oder sich tatsächlich wirksam zu verteidigen. Im Gegenteil; man wird sogar schlechter.

Alfred Heubeck schreibt in seinem Buch „Der Bunkai Code“, dass die instinktiven und intuitiven Reflexe unerfahrener Menschen, durchaus

positiv zu bewerten sind. Dabei wird der Vergleich gezogen mit

Anfänger im Karate, die wegen ihrer ersten Grundschulerfahrung

plötzlich anders (schlechter) reagieren. Der Autor beschreibt weiter, dass

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das solange der Fall ist, bis der Schüler die Techniken verinnerlicht habe.

Der Denkfehler dabei ist, dass hier von Basistechniken, und nicht von

freien Kampftechniken ausgegangen wird.

Aber genau diese Basistechniken werden bis zum Erbrechen seit

Jahrzehnten penibel trainiert. Wobei man sich wie in einer Tanzwertung oder Eiskunstlaufwertung oder Turmsprungwertung verhält. Techniken

und Kata werden penibel und gerade zu pedantisch verbessert. Aber den

Weg zum Jiyu-Waza (dem Üben der Freien Techniken) hat man

vernachlässigt. (Nicht im Wettkampf) Darum unterscheidet sich das Kumite-Training für den Wettkampf so sehr vom Training des Breitensports. Das ist so, weil das Bindeglied

(Jiyu-waza Übungen) fehlt.

Darum hat man für den Wettkampf eigene Trainingsmethoden

entwickeln müssen. Eigentlich kann man mit Kihon-waza keinen Wettkampf aufbauen. Dazu

braucht man Jiyu-waza. Irgendwie hat man das - ohne die alten

Trainingsmethoden genau zu kennen - erkannt und für den Wettkampf die Techniken in freier Form (Jiyu-waza) trainiert und weiter entwickelt.

Man hat also aus Grundschule, Hauptschule gemacht. Aber nur für den

Wettkampf. Darum sucht man ständig den Weg zur SV im Karate. Und darum sind viele Karatekas der Meinung, dass man sich mit Karate

nicht wirklich verteidigen kann. Wie auch; wenn eine Hand bei jeder

Kleinigkeit immer an der Hüfte geparkt wird. Jeder Boxtrainer würde

schreien: „Deckung hoch“! Erst Kihon-Waza, dann Jiyu-Waza. Und um die Techniken und Kombinationen auf kämpferischem Niveau

zu Beherrschen, und den überlieferten Kampfstil richtig trainieren zu können und nichts zu vergessen, waren die Kata entwickelt worden.

Der Weg zu Jiyu-Waza führte über die Kata der Meister. Dort waren

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sowohl Grundübungen, sowie Kampfübungen enthalten. Und natürlich auch Selbstverteidigung.

So ergibt alles einen Sinn. Und was haben wir all die Jahre geübt? Kihon, Kihon Ippon Kumite, Jiyu Ippon Kumite, Jiyu Kumite.

Aber alles war auf Kihon-Waza aufgebaut, nicht auf Jiyu-Waza. Denn

dazu hätte man auf die Weise trainieren müssen, wie es im Dojo von Gichin Funakoshi und seinem Sohn Yoshitaka bei den verschiedenen

Formen der „Ten no Kata“ war.

Die „Ten no Kata“ war erst in Kihon-Waza aufgebaut worden. Dann

wurden die Schüler langsam zu Jiyu-Waza aufgebaut. Und das alles mit

Kihon-Waza und Jiyu-Waza aus den Kata. Das Verständnis der Unterscheidung zwischen Grundlagentechnik

(Kihon-waza) und realistischen Kampftechniken (Jiyu-waza), ist das fehlende Bindeglied, das völlig übersehen wurde. Dieses Verständnis ist

aber Voraussetzung um überhaupt Techniken für den realistischen Kampf

(Jiyu-Kumite) vernünftig trainieren zu können. Aber um das zu trainieren, muss man etwas näher an die Realität heranrücken.

Aber wir haben ja unsere vier Säulen und bewerten nach Schönheit der Grundschule und nach dem Kampfrichtermuster einer Tanzschule. Wie

gesagt: Im Wettkampf ist das etwas anders. Da hat man sehr wirksame

Kampftechniken entwickelt und trainiert. Es muss nicht jeder Wettkampf machen. Dann sollte man sich aber etwas mehr mit den Kampfübungen

aus den Kata beschäftigen.

Nur gut, dass einige Karatemeister verstanden haben wo die Fehler

liegen, und entsprechend anders trainieren.

.

Wir können heute nicht mehr so trainieren, wie „die Alten“ in Okinawa.

Daher ist der bisher eingeschlagene Weg, die einzig vernünftige

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Alternative. Weil diese Grundschultechniken nur die Basis für höher entwickelte Techniken bilden, möchte ich die Unterschiede zu besseren

realistischeren Techniken näher beschreiben, und zeigen wo der Weg von

der Grundschule, hin zu höheren, besseren und realistischeren Techniken

führt. Vielleicht ist das Training, nach dem hier beschriebenen Muster, eher etwas für Fortgeschrittene ab 1. Kyu oder 1. Dan. Aber je eher man

anfängt das zu verstehen, umso mehr kann man sich später den höher

angesiedelten Kampftechniken nähern.

Motorik, Bewegungskoordination und Reflex.

Nicht nur die Technik ist wichtig, sondern auch der Weg dorthin. Von einer Technik zur anderen. Es muss fließen wie Wasser.

Be water my Frend. Be water! Bruce Lee Worum geht es eigentlich im Karate? Wir wollen lernen, wie man

kämpfen kann. Na, da stellt sich doch die Frage, wie man das lernt.

Mit Kraft? Mit Ausdauer? Mit Härte? Mit Schnelligkeit, Mit dem „Auge

des Tigers“? Mit Fitness? Mit Kampfgeist? Mit der endlosen

Perfektionierung von Grundschultechniken? Mit dem perfektionieren von Kata? Mit Wettkampfkarate? Mit dem endlosen erlernen von

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Bunkai- oder Selbstverteidigungstechniken?

Im Grunde genommen, sind all diese Dinge nur Werkzeuge. Es geht um

etwas ganz anderes.

Ich denke, dass man bei all diesen Werkzeugen etwas Wesentliches

vergisst. Nämlich die Geschicklichkeit. Man sollte sich mehr mit den

Wahrnehmungs-, Steuerungs-, Regelungs- und Motorik-Elementen beschäftigen. Man sollte beachten, dass man die bestehende angeborene

Automatisierungsbewegungen des Körpers (Motorik,

Koordinationsfähigkeit und Reflexe) nicht zwangsweise ändern, sondern fördern sollte.

Die Bewegungskoordination ist eigentlich ein wissenschaftlich

komplexes Thema. Und im Karate trainiert man das seit Jahrhunderten auf eigene Art und Weise. Wenn das aber nicht bewusst ist, gelangt man

auf viele Irrwege; nur nicht auf den richtigen Weg.

Die Chinesen ahmten Tiere nach und schulten so unbewusst ihre

Motorik. Sie trainierten nicht dagegen, sondern mit der natürlichen

Bewegung. So entstanden die Techniken, die sie in ihren Kata zusammenfassten.

Unsere Hände sind, wie das gesamte Muskelsystem, aufeinander

abgestimmt. Machen Sie doch einmal mit der rechten Hand Kreisbewegungen vor der

Brust und mit der linken Hand Kreisbewegungen auf dem Kopf.

Nun ändern Sie die Richtung der Kreisbewegungen der Hand auf Ihrem Kopf.

Das ist gar nicht so einfach, denn die andere Hand vor Ihrer Brust

reagiert auch auf diesen Befehl.

Seit Urzeiten werden Bewegungen geschult und trainiert, die uns in

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Fleisch und Blut übergegangen sind; genau wie die Reflexbewegungen. Was passiert, wenn sich ein ungeübter Mensch, gegen einen Angriff (z.B.

Faustschlag zum Kopf) verteidigen muss? Eine angeborene Reaktion; man hebt beide Arme automatisch zum Schutz und duckt sich ab.

Ähnlich wie ein geübter Boxer das macht. Und genau solche motorische

Reflexreaktionen sollte man ausbauen und perfektionieren. Es ist fast so wie beim jonglieren lernen. Erst übt man mit einem Ball,

dann mit zwei, dann mit drei und mehr.

Die Chinesen haben vielleicht wirklich unbewusst diese angeborene, und seit Urzeiten entwickelte, Motorik gefördert, indem sie Tiere imitierten.

(Vielleicht sogar manchmal etwas übertrieben)

Es ist schon wichtig, die Techniken richtig zu erlernen. Aber wo wird

übertrieben? Und wo werden Fehler gemacht?

Es sah im „frühen Japan-Karate“ so aus, als ob ein Ingenieur auf dem

Zeichenbrett diese Techniken entworfen hat. Wir sind aber keine Roboter. Menschen haben den Maschinen etwas

voraus, was selbst die modernsten Androiden der fernen Zukunft,

vielleicht nie erreichen werden.

Wir können mit Steinschleudern schießen und treffen, ohne zu

rechnen.

Wir verlassen uns nur auf unser Gefühl. Und so ist es mit vielen anderen

Sportarten auch. Zum Beispiel im Fußball, im Handball oder eben in der

Artistik.

Darum sind Bunkai-, Selbstverteidigungs- oder Grundtechniken oftmals

nur Werkzeuge, die unsere Bewegungskoordination, unsere

Geschicklichkeit, unsere Reaktion und unsere Motorik dahingehend trainieren, dass wir Kampfkunst lernen, wie ein Artist das Jonglieren.

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Leider ist das im Wettkampfzeitalter, und im Zeitalter der absolut

perfekten Grundschultechnik, vergessen worden. Und so trainieren wir

weiter mit nur zwei Bällen das jonglieren. Aber darin wird eine fast

kaum zu erreichende jahrzehntelang anhaltende rechnerische Roboter-Perfektion erwartet.

Wenn man aber unter den oben genannten Gesichtspunkten Kata trainiert, endet der Spaßfaktor nie.

Es ist schön. Es ist entspannend. Es ist lehrreich. Es ist kunstvoll. Es ist

Karate-Do.

Ambidextrie im Karate

2017

Ich arbeite schon viele Jahre an diesem Buch. Und so kommt immer mal wieder ein Text hinzu; so wie diese Erfahrung, die ich erst im März 2017

hinzugefügt habe. Ich habe das an dieser Stelle gemacht, weil er hier so

gut hinein passt. Künftig werden – wie anfangs geschrieben – die neuen Texte mit Datum in einem extra Kapitel erscheinen.

Seit Oktober 2016 trainiere ich nun schon 26 Shotokan Kata auch in der entgegengesetzten Richtung (Ura-Form). Das hat mich dazu bewogen,

einmal ein paar Erfahrungen zu notieren. Ich habe mit dem Erlernen

aller 26 Shotokan Kata im Jahr 2004 begonnen. Es dauerte eine gewisse

Zeit, bis ich sie wenigstens vom Ablauf her konnte. Die Frage ist also, wie man die Kata trainiert.

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Nun, ich will es einmal mit einer Fließbandarbeit vergleichen. Zu Beginn

einer solchen Arbeit, muss man noch üben, und sich jeden Handgriff

einprägen. Das ist überall so; ob beim Autofahren, im Handwerk, beim

Schreiben am PC oder bei irgendwelchen anderen Arbeiten. Alles ist irgendwo Training und Programmierung. Am Fließband kann man sich,

nach einer gewissen Einarbeitungszeit, mit dem Kollegen über das letzte

Fußballspiel unterhalten, während die Hände scheinbar alleine weiter arbeiten. Und genau das passiert mit den Kata. Es entsteht eine

Automatisierung. Wir laufen die Kata. Wir denken aber nicht mehr

darüber nach.

Man muss auch beachten, wann man selbst denkt, dass man einen

Arbeitsvorgang verstanden hat. Der Vorarbeiter fragt, ob der Neuling das

verstanden hat. Der antwortet zuversichtlich mit: Ja, ich kann das. Ja, ich kann das. Wie schnell sagen wir das auch im Karate. Ja, ich kann

die Kata. Man glaubt sie zu können, weil sie automatisch läuft.

Nun könnte man ja sagen, dass eine solche „Automatisierung“ durchaus gewollt und sinnvoll ist. Aber Halt! Das ist sie eben nicht. Jedenfalls

nicht im Sinne der Kampfkunst. Es ist so, als ob man ein Handwerk

lernt, aber kein Werkzeug benutzen darf. Nur die Handbewegungen werden immer wieder exakt geübt. Und das jahrelang. Und plötzlich

bringt jemand Werkzeug ins Spiel, und alles geht schief.

Ähnlich – nicht genau so, aber ähnlich – ist es in der Kata.

Meine Erfahrungen.

Es ist sehr schwer, das Gehirn so zu trainieren, dass man die Techniken,

die man jahrelang in eine Richtung trainiert hat, auch in der

entgegengesetzten Form (Spiegelverkehrt) einigermaßen kann. Um das

zu üben, muss man immer wieder in der alten normalen Richtung nachsehen, wie man das dort gemacht hat. … Und siehe da … Man weiß

es nicht. Man muss die Kata oft von Anfang an machen, um an der

Stelle, die man trainieren will, weiter machen zu können. Man hat die

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Stelle immer und immer wieder Gedankenlos überlaufen. Und plötzlich lernt man die Stelle nicht nur neu in der Ura-Form; nein, man lernt sie in

der alten Form auch wieder neu. Und mit der Zeit findet man sich viel

besser zurecht.

Ja, man lernt die Kata, die man glaubte zu können, wieder neu.

Trainiert man eine Stelle in der Mitte einer Kata in Ura-Form, kann man sie auch problemlos in der alten Form an derselben Stelle trainieren.

Man kann dies, ohne wieder von vorne beginnen zu müssen; weil man

sonst nicht weiß wo man war und wie es weiter geht. Und plötzlich erkennt man problemlos auch andere ähnliche Techniken

aus anderen Kata, die man parallel zu der Übung, die man gerade aus der

Kata heraus übt, auch mal gleich wieder mit trainieren kann. Und man

merkt, dass es ohne eine sinnvolle Vorstellung, was man da macht, nicht funktionieren kann. Eine Technik braucht einen Sinn. Sonst ist es nur

eine schöne und gut aussehende, aber sinnfreie, Tanzübung.

Aber um es nicht falsch zu verstehen: Es geht nicht darum, eine Kata

auch nach der anderen Seite laufen zu können. Es geht um unser

einseitiges Denken und Handeln. Hierzu, und bevor ich das weiter beschreibe, muss ich tiefer in das Verständnis des Kata-Trainings

eingehen. Denn man versteht viel zu schnell und viel zu gern, etwas

falsch, als dass man es richtig versteht.

Ich beschreibe immer wieder, dass Karate etwas mit Jonglieren zu tun

hat. Wir Menschen sind nun mal „einhändig begabt“. Das heißt, wir sind

entweder Rechtshänder oder Linkshänder. Es wird auch als „Händigkeit“ bezeichnet. Eine Hand ist nun mal die Dominante Hand. Ich erwähne

auch immer wieder die „beidhändigen Techniken“. Beidhändigkeit

(auch Ambidextrie genannt), ist die Fähigkeit, Arme und Beine völlig

gleichwertig einsetzen zu können. Es bedeutet die gleiche Geschicklichkeit beider Seiten.

Man könnte es auch mit beidhändigen Klavierspielen vergleichen.

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Dort ist auch die Koordination von linker und rechter Hand eine

enorme Übungssache, die man lange trainieren und lernen muss.

Und genau damit haben wir ein Problem.

Wenn man sich mit dem Thema etwas näher beschäftigt bemerkt man,

dass die Sprünge in den Shotokan Kata alle links herum gemacht

werden. Die Kata an sich, haben alle einen gewissen Linksdrall. Da fragt man sich, was das für einen Einfluss auf unsere Technik hat. Man sollte

immer das üben, was man am schlechtesten kann. Wenn wir vielseitig

und technisch gut sein wollen, müssen wir beim Trainieren der einzelnen Techniken auch die Rechts-Links-Symmetrie beachten. Dass der Mensch

oftmals linksorientiert agiert, ist mittlerweile bekannt. Es gibt zahlreiche

Beispiele.

Die Drehtüren werden von rechts angegangen und links herum

durchlaufen.

Die meisten Menschen fahren auf einem Parkplatz den Weg, der

links herum führt.

Im Stadion laufen die Sportler links herum.

Ein Hammerwerfer dreht sich links herum.

Es gibt immer Ausnahmen. Aber meist orientiert man sich links herum.

So auch in den meisten Karate-Kata. Warum das so ist, darüber streiten sich noch die Geister. Fakt ist, dass uns das bekannt sein muss, um

wirklich unsere Geschicklichkeit und unser technisches Können zu

verbessern. Es ist eben wie beim jonglieren; man muss mit beiden Händen und beiden Seiten gleichwertig arbeiten können. (Ambidextrie)

Diese Dinge zu erforschen und sich dieser Herausforderung zu stellen,

erscheint mir als der wahre Weg des Karate. Aber man bemerkt es

tatsächlich erst, wenn man einen Sprung aus einer Kata einmal anders herum macht. Probiert es mal aus!

Und da kommt eben auch ein weiterer, ein ganz anderer, Gedanke. „Kata ist ein Kampf gegen mehrere imaginäre Gegner“, so heißt es

immer wieder.

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Bei diesem Training bin ich von einer Variante vollkommen weggekommen. Nämlich eine Kata nach dem Muster, „Block und

Konter“ zu trainieren.

Block und Konter. Ja, so sehen wir eine Kata. Der Kampf gegen mehrere imaginäre Gegner.

Man blockt und kontert; und das immer wieder, die ganze Kata durch.

Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass man dieses Denken zur Seite

rücken muss. Es geht in erster Linie um das Erlernen der Techniken. Und

da ist es im Moment nicht wichtig, ob nach dieser Technik eine weitere Blocktechnik oder ein weiterer Angriff folgt. Ich habe festgestellt, dass

die Kata grundsätzlich gar nicht nach diesem „Block und Konter

Modell“ aufgebaut sind. Manchmal ja, aber nicht grundsätzlich.

Man sagt auch oft, dass man eine Kata so lange lernen muss, bis sie in

einem Notfall angewendet werden kann. Und kommt man im Notfall

mit einer Kata nicht weiter, nimmt man eben eine andere.

Das ist zwar ein weit verbreitetes Denken, das sich bis in höchste Kreise

hinein zieht; aber es ist schlichtweg nicht möglich das so zu erlernen. Man kämpft nicht mit der Kata, sondern mit den Techniken aus der Kata,

die es auch in vielen anderen Kata gibt.

Wenn man in jede Kata, Bunkai-Techniken hineininterpretiert, kann man

das alles unmöglich behalten und sinnvoll umsetzen.

Dieses Thema wird später noch extra erwähnt. Ich muss aber bereits an

dieser Stelle darauf eingehen.

Wie ich immer wieder beschreibe, sind im Shotokan-Karate ca. 950

Kata-Techniken in den Katas vorhanden. Auch wenn man (z.B.) drei

Age-Uke nicht einzeln zählt, sind es immer noch viele Hundert Techniken.

Wenn man auf diese Weise Bunkai-Techniken erfindet oder zwangsweise

hinein interpretiert, kommt man – wenn man immer etwa drei Techniken

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als Kombination zusammenhängt - auf ca. 315 verschiedene Bunkai-Techniken, oder Bunkai-Sequenzen.

Oder anders gerechnet:

Wenn man jeder Kata durchschnittlich nur 12 Bunkai-Kombinationen

zuweist, sind es bei 26 Kata ebenfalls 312 Bunkai-Anwendungen. All diese Bunkai-Varianten laufen wie eine kleine schauspielerische

Szene ab. Und viele Meister erfinden etwas anderes.

Und diese Varianten sollen wir auswendig lernen und beherrschen, und

im Moment der Gefahr gezielt und richtig herausfiltern und einsetzen?

Wer will denn das alles behalten? Und wer kann, oder will, sich damit beschäftigen? Über 300 Bunkai-Versionen: Wenn man den Urlaub oder

Ferien abrechnet, dann müsste man jeden Tag eine Bunkai-Version

trainieren, um all diese Versionen wenigstens einmal im Jahr trainiert zu

haben. Das geht nicht. Das funktioniert nicht. Und das kann auch kein Mensch behalten. Wenn dann noch der Spruch kommt: „Das müsst ihr

können wenn ihr Karate verstehen wollt“, dann weiß man, dass

derjenige, der das sagt, Karate nicht verstanden hat. Egal wie hoch er graduiert ist.

Die meisten Karatekas, die alle Kata können, winken resignierend ab. Darum ist es wichtig, dass man die Verbindungen der Kata untereinander

versteht, dass man versteht was die Techniken in den Kata verbindet. Es

sind nämlich keine 950 verschiedene Techniken. Es sind nur

verschiedene Varianten einer Handvoll Techniken.

Trainiert man die Kata auch in der Ura-Form, dann trainiert man die

einzelnen Techniken auf eine ganz andere Weise. Jede Bewegung – auch die Zwischenbewegungen – werden intensiv und ganz neu trainiert.

Daher ist es egal, ob eine weitere Blocktechnik oder ein Konter folgt.

Und daher ist auch das „Bunkai-Denken“ irgendwo falsch.

Mit Sicherheit soll (und muss) man sich mit jeder Technik etwas

Sinnvolles vorstellen. Das können auch mehrere Bunkai-Varianten sein.

Aber man muss vom „Kata-Kampf“ loskommen. Erst einmal ist es das

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pure „Grundschul-Technik-Training“. Und hier muss ich die Frage stellen, wo Grundschule beginnt und wo sie endet.

… Sie endet nie. …

Alle Karate-Techniken (Kata-Techniken) müssen von Grund auf erlernt,

verstanden und trainiert werden. Grundschule endet also nie. Das „Grundschule-Denken“ ist also oftmals falsch.

Man kann „Karate lernen“, mit dem Erlernen einer Fremdsprache vergleichen. Wenn man nur die Grundkenntnisse beherrscht – diese aber

perfekt – wird man sich kaum vernünftig mit jemand unterhalten können.

Man kann Monate lang die richtige Aussprache von „the“ üben, es wird aber nicht genügen. Man muss auch das andere können; und das ist

ebenso wichtig wie „the“.

Es mag schwer sein, mit offenen Augen durch die Welt zugehen; werden wir doch größtenteils mit Verblendung großgezogen. Wenn man aber

lernt die Augen zu öffnen erkennt man, wie man Jahre lang gegen die

Wand gerannt ist. Und man hat es nicht einmal bemerkt. Dabei verteidigt man verbissen die Löcher, die man in die Wand gerannt hat.

Manchmal geht es mir so, wenn ich an Kata und Bunkai denke, und an die Techniken, die vehement jahrelang, bis in hohe Stufen hinein,

trainiert und akribisch verfeinert werden. Wie oft liegt man aber, im

Sinne der SV, mit den Techniken gewaltig daneben. Die Wirklichkeit ist

oftmals chaotisch. Und dagegen kann man kaum, mit einer vorgefertigten Formel ankommen. Nur mit einem scharfsinnigen und

tiefgreifenden Training, kann man sein Unterbewusstsein auf diese

Situationen vorbereiten. Nach langem Überlegen und jahrelanger Karate-Forschung bin ich zum Schluss gekommen, dass es im Bunkai-Training

weniger um Richtig und Falsch oder effizient und ineffizient geht. Das

Bewusstsein und das Unterbewusstsein spielen eine größere Rolle, als

uns vielleicht bewusst ist.

Das Bewusstsein reagiert zu langsam, um wirksam Kämpfen zu können.

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Das Unterbewusstsein ist da wesentlich schneller. Ich komme immer wieder darauf zurück, weil es enorm wichtig ist. Ist das normale - uns

seit Jahrzehnten bekannte - „Bunkai-Denken“ richtig? Nein, ist es nicht.

Es kann hilfreich sein; wenn man es richtig anpackt.

Seit ich Kata auch gegenseitig in der „Ura-Form“ trainiere musste ich

feststellen, dass ich große Schwierigkeiten mit dem Verständnis, dem

Ablauf und der Umsetzung der Techniken habe. Das ist so, wenn man die Kata nur läuft, aber nicht versteht.

Eigentlich dürfte es die Bezeichnung „Bunkai“ gar nicht geben. Denn es führt uns auf den falschen Weg. Wir tanzen Kata. Wir tanzen auch

Bunkai. Alles in einer vorgefertigten Choreografie. Aber im wahren

Kampf gibt es kein Handlungsschema. Das gibt es nur im Film.

Wir haben Techniken, und wir haben den Weg der Technik. Der Weg der

Technik sagt uns, was damit alles möglich ist, wenn wir uns verteidigen

müssen.

Man nimmt die Technik aus der Kata heraus und analysiert sie.

Man trainiert sie in allen Richtungen und Seiten. Man verbindet sie mit anderen Techniken.

Man macht sie kampftauglich. Denn Kata ist eine Sammlung von

Waffen, die erkannt und geschärft werden müssen.

Am Ende müssen wir zusammenfassen, was man mit dem gefundenen Werkzeug alles machen kann.

Das Unterbewusstsein (Der Soldat) lernt von seinem Meister (Dem

General), dem Bewusstsein.

Bunkai bezieht sich nur auf Kata. Wenn man aber die Techniken der

hohen Kata entnimmt und einen Kihon daraus macht, wie im Stiloffenen

Karate, was ist es dann? Es ist genauso Grundschule, wie beim Training mit dem Weißen Gürtel. Jede neue Technik muss von Grund auf erlernt

und trainiert werden. Nicht nur „the“.

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Ich glaube, dass man hier vergessen hat die Säulen miteinander zu verbinden. Wir müssen mehr Vokabeln üben und die Karate-Sprache

lernen; genau wie englisch. Darum ist das „Säulen-Denken“ schon

falsch. Alles gehört zusammen. Es gibt viel zu viele Bezeichnungen und

Trennungen für dasselbe Ziel. Nur wenn man versteht alles miteinander zu verbinden, kann man den besseren Weg finden. Aber dann steht man

wieder am Anfang; denn man wird schnell feststellen, was alles noch

fehlt. Daher die Frage an sich selbst: Leben wir gerne in einer Illusion oder in einer virtuellen Welt? Oder trauen wir uns die Tür der

Wirklichkeit zu öffnen; wenn wir sie denn finden. Aber dazu muss man

erst einmal wissen, dass es sie gibt. Und man muss sie akzeptieren lernen. Man kann aber auch weiter gegen die Wand rennen und die

Löcher die man verursacht hat als „Fenster der Weisheit“ bezeichnen.

Jeder wie er will.

Wenn man das alles nun zu verstehen beginnt, lernt man ein anderes

Verständnis um die Anwendungen zu trainieren.

Das Training in der Ura-Form führt dazu, dass man – wenn man es

BEWUSST trainiert – das Unterbewusstsein jeden Tag, an einer anderen

Stelle am Fließband, neu angelernt wird. Und wenn man durch ist, fängt man wieder von vorne an.

Die große Kunst dabei ist, sowohl bewusst, wie auch aus dem

Unterbewusstsein heraus, zu trainieren.

Ein Handwerker lernt jeden Arbeitstag besser mit seinem Werkzeug umzugehen. Er wird niemals unkonzentriert mit dem Hammer drauf

hauen. Er muss sich immer auf das konzentrieren, was er gerade macht.

Wenn er es unbewusst laufen lässt, weil er es seit Jahren kann, sind Fehler vorprogrammiert. Wie man so schön sagt: Er hat einen Moment

nicht aufgepasst. Aber das Bewusstsein alleine, kann ohne die Hilfe des

„Unbewussten Handelns“ nichts zustande bringen. Umgekehrt

funktioniert es auch nicht. Aber erlernen kann man es nur bewusst. Anders geht es nicht.

Wir sollten immer aufpassen was wir machen. Niemals unkonzentriert

eine Kata laufen lassen; nur weil wir sie, aus dem Unterbewusstsein

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heraus, schön laufen können. Denn dann, wissen wir nicht was wir tun.

Ausholbewegung

Das ist ein Thema, das wohl allzeit für Diskussionen sorgt.

Neulich habe ich gelesen, dass die Ausholbewegung die eigentliche

Blocktechnik, und die Blocktechnik der eigentliche Konter ist.

Verworrener geht es nicht mehr.

Hier hat man vergessen, dass man nur Kihon-Waza trainiert. Um zu

kämpfen muss man aber Jiyu-Waza anwenden. Und die Brücke dahin

kennen nur wenige.

Dass die Möglichkeit eines Blocks mit der Ausholbewegung besteht,

will ich gar nicht abstreiten. Nur, verwechselt man hier Grundschule mit

Kampftechnik. Oder man kennt nur Grundschule; und hat nie etwas anderes gelernt.

Die Bewegungsabläufe bei Blocktechniken werden zwar noch genauer

erläutert, aber man muss hier schon einiges ins rechte Licht rücken.

Dieser Absatz ist sehr wichtig.

Machen Sie statt den Ausholbewegungen einmal Mitnahmebewegungen

mit der anderen Hand. Machen Sie das so, als wollten Sie einen Angriff immer mit beiden Händen gleichzeitig blocken. Das heißt, dass beim

Ausholen, die blockende Hand NICHT erst von der „ankommenden

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Gefahr“ weggeführt wird, sondern fast auf direktem Weg zum Ziel geführt wird. Wenn beide Hände fast am Ziel sind, macht die andere

Hand Hikite. Wobei sie im Kampf nicht bis an die Hüfte zurück gezogen

wird. Stellen Sie sich vor, sie fahren Auto. Sie sind der Fahrer und die

Ausholende Hand ist der Beifahrer. Die Bewegungskoordination beider Hände muss im Jiyu-Waza aufeinander abgestimmt sein. Die ersten

Reflexreaktionen sollten immer so sein. Diese „Beidhändige

Blocktechniken“ oder „Mitnahmebewegung“ sind uns nicht fremd. Wir bereiten das in der Grundschule in jedem Training vor. Nur sind das dann

eben nur Kihon-Waza. Wir müssen aber mit Jiyu-Waza kämpfen. Und da

müssen die Ausholbewegungen sehr schnell und möglichst kurz sein. Und nicht nur der Arm der blockt holt kurz aus; nein, auch der

begleitende Arm holt zum Hikite ebenfalls kurz aus.

Ich will es später noch anhand der Heian Godan erklären. Kämpfen Sie immer mit beiden Händen vor Ihrem Gegner.

Lassen Sie ihrer anderen Hand regelrecht Bewegungsfreiheit.

Lassen Sie Ihrer eigenen instinktiven Motorik freie Hand.

Eigentlich ist es mir egal wie man das nennt - ob Hikite oder Soete, oder Morote oder Awase – Wichtig ist, dass zu jeder Technik eine

wirkungsvolle Hilfsbewegung erfolgt. Das ist nichts anderes als

Körpereinsatz. Dabei muss es nicht immer eine Gegenbewegung zur Hüfte sein.

Denken Sie an die Heian Sandan Technik 2 oder die Jion Technik 35

Ura-Zuki mit Age- Uke. Es gibt viele andere Beispiele. Diese Motorik und Bewegungskoordination haben die Chinesen mit

ihrer Kampfkunst – vielleicht unbewusst – über Jahrhunderte lang trainiert und in ihren Techniken festgehalten.

In Okinawa hat man sich, bei der Entwicklung ihrer Kampfkunst, an

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diese Bewegungsmuster, in den Kata, überwiegend gehalten. Und heute weigert man sich oftmals, diese Fehler zu akzeptieren.

Diese Beidhändige Technik kommt einer angeborenen Reaktion

wesentlich näher.

Genau diese angeborenen Reaktionen müssen wir fördern; nicht umprogrammieren. Denn das macht uns im Kampf unsicher und

langsam. Deshalb kommen wir gleich zum Kapitel der

„Beidhändigen Techniken“. Und genau darum ist zu viel Kihon-waza und zu wenig – oder gar kein –

Jiyu-Waza extrem schlecht für unsere SV-Entwicklung.

Nun muss man beachten, was Priorität hat, wenn man eine Technik

ausführt.

1 Man muss erst einmal schnellstmöglich die Angriffstechnik ohne

Umwege erreichen.

2 Der Block muss so ausgeführt werden, dass er auch funktioniert.

3 Man muss so stehen, dass ein Gegenangriff – oder eventuell ein

zweiter Block - schnellstmöglich und effektiv stattfinden kann.

Im Shotokan-Ryu wird die Aushol- und die Gegenbewegung sehr weit

und deutlich ausgeführt. Aber das ist Grundschule; keine Kampfschule.

Später aber muss man näher an die Realität und die schnelleren

Techniken, ohne große Umwege, heranrücken. Denn eine große

Ausholbewegung kann dem Gegner verraten was man vor hat. Und er

kann darauf reagieren. (In seinem zweiten Takt, den man in Kumite-Übungen oftmals nicht macht) Ein Ausholen mit der Block-Hand, ist im

wahren Kampf nur in kleinen kurzen Bewegungen möglich.

Nochmal zum Verständnis: Das darf die derzeitige Grundschultechnik

nicht verändern. Die muss so sein. Denn es geht in der Grundschule, um

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den Weg der Technik, und dessen Möglichkeiten. Nur in der Kampfbewegung, muss man die Techniken auch Kampftauglich machen.

Das wahre Prinzip heißt also: Der Weg der Technik darf nur so weit sein, wie für eine

wirkungsvolle Ausführung notwendig ist.

Der Irrtum beim Ausholen

Viele Karatekas finden den Weg (die Brücke) von Kihon-Waza zu Jiyu-

Waza nicht. Denn im Jiyu-Waza wird aus dem Ausholen eine beidhändige direkte

und schnelle Blocktechnik mit möglichst sofortigem Konter.

Wer das nicht versteht, der arbeitet im Kampf – oder in Kampfübungen –

immer einhändig; wenn es schnell geht.

Im Beispiel der Heian Godan Technik 1 (Uchi-Uke links) werden wir

das noch genauer beschreiben. Bei einem schnellen Angriff arbeiten

viele Karatekas zu „einhändig“.

Sie merken, dass zum „groß Ausholen“ keine Zeit mehr ist und ziehen

den Uchi-Uke links schnell hoch. Dabei wird Hikite so gut wie gar nicht

mehr ausgeführt.

Oder man blockt erst gar nicht mit Uchi-Uke, sondern rechts mit

Nagashi-Uke, und zieht dann erst den Uchi-Uke nach.

Da ist aber ein Denkfehler. Denn wir machen zwei Bewegungen (zwei

Takte) Der Gegner hat dann aber auch zwei Takte, Wenn der Uchi-Uke hoch gezogen wird, ist die angreifende Hand des Gegners längst nicht

mehr da. Aber die andere Hand des Gegners ist es. Rums.

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Der Weg der Technik darf nur so weit sein, wie für eine

wirkungsvolle Ausführung notwendig ist.

Das versuchte schon Okuyama Tadao den damaligen Anhängern der

JKA-Stilrichtung anhand des Gedan-Barai klar zu machen. Er sah in den langen Ausholbewegungen überhaupt keinen Sinn. Quelle: tsuru.de/ Geschichte / Okuyama Tadao

Im Wettkampf wird das bei Gyaku-Zuki auch nicht so gemacht. Würde ich dieses System beim Gyaku Zuki Angriff anwenden, müsste ich

vorher immer erst mit Kizami-Zuki angreifen, um mit der Gyaku-Zuki

Hand ausholen zu können. Ein Kampf mit solchen Taktschlägen würde niemals funktionieren.

Man muss sich das wirklich noch einmal anhand der Heian Godan,

Technik Nummer Eins, vorstellen wie das wirklich aussieht.

Man muss jetzt nicht unbedingt seitlich zum Gegner stehen. Etwa 45° zum Gegner ist auch mal eine gute Ausgangsposition. Und es muss auch

nicht immer der tiefe Zenkutsu-Dachi sein. Etwas höher ist auch gut.

Der Angreifer kommt von links. Meine linke Hand, ist dem Angriff näher als die Rechte. Wenn ich jetzt weit aushole zum Uchi- Uke links,

wende ich die Hand, die der Bedrohung am nächsten ist, von der

schnellen Blockmöglichkeit weit ab. Nur noch die rechte Hand kann jetzt

mit Nagashi-Uke schnell blocken. Dann erst würde der linke Uchi-Uke folgen.

Oftmals ist es so, dass die Muskulatur den Weg von außen nach innen schneller bewältigen kann, als von innen nach außen. Umso mehr ein

Grund, mit der blockenden Hand keine Umwege zu machen.

Ich beschreibe hier, wie die „Hikite-Hand“ erst einmal mit zur

Bedrohung gezogen wird, bevor sie zurück geführt wird.

Hikite beginnt also nicht erst, wenn der rechte Arm zurückgezogen wird.

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Hikite beginnt genaugenommen dann, wenn die Reaktion erfolgt; wenn also der Uchi-Uke links startet. Nur, wird Hikite erst mit nach vorne

gebracht, (ausholen, mitgehen und mitziehen) und dann erst zurück

gezogen.

Der eigentliche Block-Arm, wird nicht erst von der Bedrohung

weggedreht um auszuholen; wie im Kihon-Waza. Sondern diese

Bewegung wird jetzt nur sehr kurz und sehr schnell ausgeführt; sodass beide Hände diesem Angriff eigentlich gleichzeitig entgegen gehen. Für

Kihon-Waza hat man jetzt keine Zeit mehr. Der Block muss jetzt ohne

große Umwege Richtung Bedrohung hoch geführt werden; und zwar erst einmal zusammen mit der Hikite-Hand.

Alle Folgetechniken werden dann beidhändig aus der entsprechenden

Situation heraus gemacht.

Und nun können wir auch mit dem Irrtum aufräumen, dass im Shotokan-Karate alle Ausholbewegungen sehr lange, sehr groß und sehr betont

ausgeführt werden.

Manchmal wird eine „Kihon-Waza Ausholtechnik“ auch zur „Geister-

Blocktechnik“ umgewandelt. Weil eine Blocktechnik gegen einen

Angriff beschrieben wird, um den es gar nicht geht.

Nochmal: Nur weil diese Möglichkeit auch besteht, sollte man die

Fakten nicht verdrehen.

Man kann nicht realistisch Kämpfen, Abwehren und Kontern, wenn man

jedes Mal einen Meter weit ausholen soll. Es ist auch durchaus hilfreich,

wenn man den Shuto-Uke einmal beidhändig vor dem Gegner trainiert, so wie er früher in Okinawa gemacht wurde.

Grundschule, nach z.B. Shotokan Muster, ist im realen Kampf, aus

verschiedenen Gründen, nicht wirklich anwendbar. Es ist aber als

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Übungsgrundlage notwendig. Das ist ein wichtiger Unterschied. Wichtig!!! Der Weg von Kihon-Waza zu Jiyu-Waza. Wer das verstanden

und geübt hat, wird auch im Jiyu-Kumite besser. Probieren Sie es doch einmal mit einen Age Uke aus.

Der Gegner greift Sie rechts an.

(Nicht mit Oi Zuki, sondern so, wie ein Schläger schlagen würde)

Sie blocken – grundschulmäßig – links mit Age-Uke. (Und schön mit der Faust an der abgedrehten Hüfte, weil man mit der

Gegenbewegung einen kräftigen Age-Uke machen will.)

Die Situation ist nun folgende:

Ihr Gegner steht mit beiden Händen vor ihnen. Eine Hand wurde von

ihnen geblockt, die Andere steht, zum zweiten Schlag, 40 cm vor ihrem Gesicht bereit. Nun können Sie diesen zweiten Angriff nur mit der

vorderen „Age-Uke Hand“ blocken.

Die andere Hand ist, an ihrer Hüfte, zu weit weg geparkt. Ihren Gegenangriff mit Gyaku-Zuki aus der Hüfte heraus – im zweiten Takt –

können sie erst einmal vergessen, weil auch der Gegner einen zweiten

Takt hat. Ihr Gegner kämpft mit zwei Händen und Sie blocken die zwei

Hände nur mit einer? Man muss bei diesen Dingen immer beachten, dass kein Karatekämpfer mit einem Oi-Tsuki vor Ihnen steht, sondern ein Schläger mit seinen

Kampfstellungen.das wird aber im Karate weitestgehend vergessen.

Und nun einmal anders. Derselbe Angriff. Sie blocken mit Age-Uke. Dabei drehen Sie ihren

Körper nicht, wie gewohnt, seitlich ab. Lassen Sie Ihrer Motorik freien Lauf und schulen diese sogar noch. Ihre andere Hand ist immer dazu

programmiert, dem ersten einzigen schnellen Befehl, der vom Gehirn

kommt, zu unterstützen.

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Blocke diesen Angriff! Das ist die angeborene Motorik. Ihre andere Hand ist nicht an der Hüfte,

sondern in einer wesentlich besseren Position um weiter zu blocken oder

schlagen zu können.

Testen Sie doch auch einmal, bei welcher Aktion Sie schneller sind. Bei mir jedenfalls ist es so, dass ich mit diesen beidhändigen Blocktechniken

schneller bin. Und die gibt es sehr oft in den Kata.

Das funktionierte bei ihnen nicht? Ihre Hand war immer noch an der

Hüfte? Dann wird es höchste Zeit dass Sie sich das abgewöhnen. Sie können sogar, mit Age-Uke links, die linke Hüfte etwas zurückziehen

und Nekoashi-Dashi einnehmen, und sofort Angreifen. Sie werden bemerken, dass ihr Age-Uke - mit Hilfe einer völlig anderen

Körperdrehung - sehr gut funktioniert und sie ihren Gegner besser kontern und kontrollieren können. Ihre zweite Hand ist bereit, die andere

Hand des Gegners zu blocken und zu Schlagen.

Und genau so, wurde es in den alten Pinan-Kata in Okinawa gemacht. Aber versuchen Sie nicht den Age-Uke nach Grundschulmuster korrekt

zu machen. Wie der aussieht ist egal. Hauptsache er wirkt.

Ein Beispiel hierzu ist der Englisch Unterricht. Wenn die Schüler immer

und ständig mit furchtbar überzogenen Wortbetonungen unterrichtet

würden, und sie auch so englisch reden und üben müssten, würden sie sich ein „Slang“ angewöhnen, der in der englischsprachigen

Bevölkerungsschichten wohl kaum jemand verstehen könnte, oder viel

Spaß erzeugen würde.

Also: Grundschule Ja. Aber es muss auch ein weiterführender Weg geben. Der Weg des Kampfes. Und den zu üben ersetzt keine

Grundschule.

Aber eines ist auch wichtig. Bei allem was hier geschrieben steht:

Niemand befreit Sie davon, sich selbst eigene Gedanken zu machen und

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selbst das Beste für sich selbst zu finden. Ja, wir haben eben nicht die Möglichkeit so zu trainieren, wie die

„Alten“ damals in Okinawa. Was die damals an Trainingseinheiten am Tag schafften, das schaffen wir heute nur in einer Woche. Man muss aber

trotzdem irgendwann den Weg von der Grundschule, zur Hochschule

schaffen. Auch wenn das Anfänger noch nicht können; so sollte man es ihnen aber dennoch zeigen.

Grundtechniken einmal anders.

In den Okinawa-Stilen macht man viele Techniken geringfügig, aber

entscheidend, anders.

Zum Beispiel das Abdrehen der Hüfte bei Blocktechniken. In den alten Okinawa Stilen drehte man oftmals bei den Blöcken die Hüfte nicht so

sehr ab, weil man die andere Hand ebenfalls in einer schnellen guten

Position haben wollte.

Heute macht man das anders. Man dreht sich schön weit ab und zieht die andere Hand weit weg vom Gegner, zurück an die weit abgedrehte

Hüfte. Manchmal ist dieses WEITE ABDREHEN genau das Falsche.

Denn wenn man die Hüfte nicht so weit abdreht, dann kann man sie nach vorne eindrehen; statt zur Seite. Das sind geringe Änderungen mit

gravierenden Folgen. Man sollte nicht entgegen unserer angeborenen

Reaktion trainieren. Das passiert aber, wenn man etwas „Falsch

übertreibt“.

Als Beispiel – das Sie leicht selbst nachprüfen können – nenne ich die

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erste Technik der Heian Nidan im Vergleich zu der gleichen älteren Kata „Okinawa Shorin-Ryu Pinan Shodan“.

Es mag sein, dass die Unterschiede nur gering sind. Sie sind aber

entscheidend. Eines muss Ihnen, wie schon erwähnt, klar sein: In einer realistischen Kampfsituation, haben sie für große langwierige Ausholbewegungen

keine Zeit.

Man muss bei den Gegenbewegungen auch unterscheiden zwischen

Techniken die nach außen gerichtet sind, oder Techniken die nach innen

ausgeführt werden. Deshalb wird (und wurde) Shuto-Uke im Okinawa-Karate anders

gemacht als im modernen Japan-Karate. Und auch Soto- Uke ist im alten Okinawa – so wie er in Japan trainiert wurde - eher selten. Man arbeitet

heute eigentlich entgegen der sinnvollen Körperdrehung. Man öffnet sich

dem Gegner und bringt sich, durch einen übertriebenen falschen Körpereinsatz, in eine ungünstige Position.

Ein Beispiel:

Uchi-Uke einmal anders.

Versuchen Sie doch einmal folgendes (oder ähnliches)!

Spannen Sie einen langen Ast (den Sie eventuell sogar brechen können) an ein Schweres Regal (oder ähnliches).

Üben Sie jetzt Druck auf den Ast, mit einem Gyaku-Uchi-Uke,

wie in der Heian Nidan.

Wechseln Sie nun in den normalen Uchi-Uke. Genau wie es die

Grundschultechnik vorschreibt. Üben Sie auch jetzt Druck auf den Stock aus. Sie bemerken, wie sie ihren Körper, mit diesem ausgeführten Druck,

wegdrehen.

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Und nun Üben Sie einmal wirklich Druck auf den Stock aus, mit einem anderen Hüft- und Körpereinsatz.

Nicht verwechseln! Man kann auf die Weise, mit abgedrehter Hüfte und

weiter Gegenbewegung mit der Faust zur Hüfte, durchaus heftig zuschlagen. Aber man kann den Druck nicht halten und die Technik des

Gegners nicht weiter kontrollieren. Und man steht seitlich in einer sehr

ungünstigen Position. Darum steht man in der Okinawa Shorin Ryu Pinan Shodan auch nicht in Kokutsu-Dachi, sondern in Neko-Ashi-

Dashi.

Üben Sie nun den Uchi-Uke an einem Sandsack. Schlagen Sie so fest es

geht drauf. Der Sandsack muss ins pendeln kommen und es muss

knallen. (Hört sich lustig an, ist aber so)

Und nun machen Sie, zum Schluss dieser kleinen Übung, einen Uchi-Uke mit Gyaku-Zuki gleichzeitig. (Das können Sie dann auch mal in

Hangetsu-Dashi probieren.)

Das ist nur möglich, wenn Sie den Uchi-Uke nicht wie in der Grundschule gelernt, sondern z.B. auch mehr wie in der Kanku-Sho

machen. Es gibt nicht nur die Hüftdrehung nach außen oder innen. Oh nein. Wenn man es genau nimmt, gibt es auch den Hüfteinsatz nach vorne. Und nun

liegt es an Ihnen, das alles einmal auszuprobieren. Weg mit der

Schablone.

Probieren geht über Studieren

So heißt ein uraltes Sprichwort. Und es hat über Jahrhunderte hinweg,

immer wieder Sinn gemacht. Durch „Probieren“ kann jeder für sich feststellen, ob eine Technik

funktioniert oder nicht. Man kann auch feststellen, wie sie am besten

funktioniert. Da hilft keine Grundschule. Das muss man selbst

ausprobieren und gegebenenfalls für sich selbst abändern. Es ist immer besser, möglichst etwas in der Praxis zu erproben, als es sich auf der

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einzig theoretischen Grundlage anzueignen. Und das gilt für alle sogenannten „Grundschule-Übungen“.

Probieren geht über Studieren. Also: ran an den Sandsack! Es geht nicht

anders.

Mit „Probieren“ ist auch das Partnertraining (nicht Wettkampf) gemeint.

Was ich damit beschreiben will ist, dass es mit einfachen 08/15

Grundschultechniken nicht getan ist. Ohne Kata-Übungen, und deren Verständnis, treten wir immer nur auf der Stelle. Und diese Techniken

muss man mit Partner testen. Und zwar so realistisch es geht. Keine

choreografisch ausgearbeitete Schauspielerei. Das sieht gut aus, bringt Sie aber dauerhaft nicht wirklich weiter.

Es kommt also auf den richtigen Körpereinsatz an. Und der kann, Situationsbedingt, immer unterschiedlich sein.

Schlagen Sie einmal den Tettsui-Uchi aus der Heian Shodan schräg

seitlich kreisförmig gegen den Sandsack. Sie werden erstaunt sein, was Sie da für eine Schlagkraft heraus arbeiten können.

Noch etwas über den Shuto-Uke

Denken Sie an dieser Stelle, auch einmal über die Gedan Shuto-Uke oder Gedan Haito Uke Techniken in den Kata nach.

Shuto-Uke. Es gab zwar z.B. in Okinawa verschiedene Armstellungen in der Höhe

der Endphase des Shuto Uke, aber die Ausführung war die Gleiche; mit

beiden Armen – ohne extra Ausholbewegung – gleichzeitig nach vorne. Ähnlich wie der Sagurite Uke, den ich noch später beschreiben werde.

Die Technik wirkte früher wie ein Tsunami. Beide Hände ziehen wie eine

Monsterwelle Richtung Gegner. Man kann das noch an alten Videos von

Meister Funakoshi sehen. Später wurde diese Technik langsam aber

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sicher, über Japan hinweg, drastisch verändert.

Quelle: Ich möchte an dieser Stelle zwei Bücher erwähnen, in denen

dieser alte Shuto-Uke gezeigt wird.

1. The Essence of Okinawan Karate-Do von Shoshin Nagamine

2. Die verschollenen Traditionen des Okinawa-Karate von Jamal

Measara . Ein Schüler von Shimabukuro Zenpo, dessen Linie

über seinen Vater Shimabukuro Zenryo direkt zu Kyan

Chotoku geht.

Die Veränderungen:

Funakoshis Schüler schlugen noch verstärkt die Hände wie eine

Welle Richtung Gegner.

Später machte man nur noch mit der vorderen Hand eine starke

Bewegung.

Noch später machte man mit der hinteren Hand eine weite

Ausholbewegung nach vorne, bevor der vordere Arm zum Schlagen kommt.

Vielleicht analysieren Sie einmal ihre eigenen Bewegungsabläufe bei den

Gedan-Shuto-Uke in den Kata oder den Shuto-Uke nach hinten, am Ende

der Bassai Dai.

Nun muss man unseren modernen Shuto-Uke nicht etwa vergessen. Man

sollte nur erkennen, dass z.B. in den alten Passai-Versionen Okinawas einige Techniken mit unterschiedlicher Bedeutung, später, in der Bassai

Dai, als Shuto-Uke zusammengefasst wurden. Ein Shuto-Uke, wie wir

ihn kennen, kann, für eine entsprechende Situation, auch gut

funktionieren. Man sollte nur vorher die lange Ausholbewegung, durch eine erste „Beidhändige Reaktion“ oder „Mitnahmebewegung“, ersetzen.

Und dann sind wir dem „alten Shuto-Uke“ wieder sehr nahe.

Die Basis aller Techniken darf nicht verändert werden. Meister

Funakoshi hat uns, mit seinen Grundschultechniken, grundlegende

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Elemente, zum weiteren Aufbau besserer Techniken mitgegeben; aber dann dürfen wir dieses Fundament (Die Basis aller Techniken) nicht

willkürlich auf intellektueller besser wissender Ebene verändern.

Probieren geht über Studieren. Probieren Sie es aus!

Jeder ist ein Genie

Ein wichtiges weiteres Argument, die Grundschule nicht einzig und alleine 30 Jahre lang zu übertreiben ist, dass jeder seine Stärken im

weiten Feld des Karatetrainings suchen und finden sollte. Außerdem ist

es dann auch wichtig, über den Tellerrand zu schauen. Hat man diese

persönlichen Stärken gefunden, hat man ein Leben lang Spaß am Training.

Jeder ist ein Genie. Aber wenn Du einen Fisch danach beurteilst, wie

er auf einen Baum klettern kann, wird er sein ganzes Leben glauben,

dass er dumm ist.

Albert Einstein

Ein Schüler sollte niemals seinen Trainer kopieren.

Ein Trainer sollte niemals seinen Schüler so formen, wie er selber ist.

Nun ist es aber oft so, dass man tatsächlich ein „Karateleben“ lang

irgendjemanden oder irgendetwas hinterherrennt. Man kommt in ein

fremdes Dojo und wird mit Leuten konfrontiert die meinen, sie müssen ihre eigene Weisheit loswerden und alles verbessern, was nicht bei drei

auf den Bäumen ist. Dabei bemerken sie gar nicht, dass ihre eigene

Technik manchmal nicht stimmt. Oder, dass sie einfach nicht verstehen, worum es wirklich geht.

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Es werden Techniken und neue Kombinationen gezeigt, die am Partner

geübt werden sollen und die vielleicht dann nicht auf Anhieb sitzen. Wie

auch? Sie sind neu im Dojo. Nun wird man wieder verbessert und man

verliert womöglich an Selbstvertrauen. Nun kommt man in ein anderes Dojo, zu anderen Trainern, zu anderen Konzepten und anderen

Trainingspartnern, und das Spiel geht von vorne los. Dann erfährt man

noch, dass man die ganze Zeit über angeblich falsch trainiert wurde. Nun muss dem Übenden aber bewusst sein, dass er nur nachahmt und

kopiert. Dieser Weg führt irgendwann vor eine Mauer, die unüberwindbar ist.

Wenn man ständig die Richtung wechselt, verliert man den Kampf mit

sich selbst. Darum sollte man nicht zu sehr versuchen genau

nachzuahmen, wenn das auch so gewollt ist. Man sollte versuchen auf

seine natürliche Reaktion zu achten und diese zu fördern. Wenn man immer alle Ratschläge, Anweisungen und Richtlinien umsetzen will, ist

das so, wie wenn man alles durcheinander trinkt oder durcheinander isst.

Erkenne Deine Stärken und finde Deinen eigenen Weg alleine!

Und versuche niemals einem Affen beizubringen, wie er besser in den

Bäumen herum klettert; auch dann nicht, wenn Du es hundert Mal besser

weißt.

Bevor wir mit diesen Gedanken weiter machen,

ist das nächste Thema erst mal wichtig.

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Karate ni sente nashi

Im Karate gibt es keinen ersten Angriff. Oder: Der Torero und der Stier.

Dieses berühmte Zitat von Sensei Funakoshi wird oft missverstanden

oder nicht richtig wahrgenommen. Und es sorgt sogar für Unverständnis. „Karate ni sente nashi“ wird meist so interpretiert, als ob ein Karateka

in einer Konfliktsituation warten muss bis er angegriffen wird. Erst dann

kann er sich, aufgrund seiner Überlegenheit, verteidigen. Als Beispiel

hierfür werden die Anfangsbewegungen der Kata benannt, welche stets als Defensiv- bzw. Blockbewegung gedeutet werden. Diese Erklärung

erscheint mir aber zu einfach.

Dazu ein paar Gedanken. Es gibt zwei Punkte, die mit diesem Zitat in Verbindung gebracht werden

müssen.

1 Jeder vermiedene Kampf ist ein gewonnener Kampf.

2 Denke nicht an das Gewinnen, doch denke darüber nach, wie

man nicht verliert. …

Punkt 1: Den Kampf vermeiden.

Gewaltprävention und Selbstbehauptung. Eine Hundertprozentige Selbstverteidigung gibt es nicht. Wer kämpft,

kann und wird dabei auch verletzt werden. Jeder Kampf dem man aus dem Weg gehen kann, ist daher ein gewonnener Kampf. Ein Ernstfall ist

heutzutage eine Sache ohne Ehre.

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Meister Funakoshi wusste das. Karate war für ihn kein Wettkampf. Karate war Gesundheit und Überleben. Daher bestanden die ersten

Blocktechniken des alten Meisters darin, einen Kampf zu vermeiden. Er

machte das mit Höflichkeit, mit Vorsicht, mit geistiger Überlegenheit

und mit Vernunft. Er ging Kämpfen aus dem Weg, weil man mit Kämpfen seine Gesundheit, und die Gesundheit des Gegners, aufs Spiel

setzt. Außerdem lässt man einem Gegner auch keine andere Wahl als

anzugreifen, wenn man selbst das Kriegsbeil immer in Händen hält. Nur wenn man im Geist ein friedlicher Mensch ist, und das auch lebt,

kann man, so wie Meister Funakoshi es tat, Kämpfe und Auseinandersetzungen vermeiden.

Dabei darf man natürlich auch keine Schwäche zeigen. Das nennt man

heute „Selbstbehauptung“. Kämpfe vermeiden nennt man heute "Gewaltprävention". Und diese

Blocktechniken sollte man immer zuerst anwenden, bevor es ernst wird.

Diese Beherrschung, und diese intellektuell geistige Überlegenheit Funakoshis, war etwas Besonderes. Man kann Kämpfe vermeiden, die

bei unbeherrschten Menschen zur Eskalation führen.

Diese Eigenschaften wurden (und werden) Funakoshi oft als Schwäche

angehaftet. Dabei lebte er damals schon etwas, was man heute in der SV wieder entdeckt.

Denke nicht ans Gewinnen, doch denke darüber nach, wie man nicht

verliert.

Gichin Funakoshi …

Punkt 2: Der Gedanke des Gewinnens. Die Reaktionszeit. Studien haben ergeben – so seltsam das auch klingen mag – dass tatsächlich Reaktion schneller ist als Aktion. Man sollte aber bei dieser

Studie den wichtigsten Punkt extra erkennen und im Karate trainieren.

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Hier ist das bewusste Training des Unterbewusstseins wichtig. Nur dann, kann Reaktion schneller sein als Aktion. Alles hängt von der

Reaktionszeit ab. Da hilft uns Zanshin.

Es ist schwierig zu verstehen, aber anfangs ein Beispiel, das diesen

Punkt umschreibt. Ich habe einmal einen Test gemacht auf einem ADAC Übungsstand. Da war ein Fahrsimulator der einige Verkehrssituationen abspielte. Man

konnte sich dort hineinsetzen wie in einem Auto. Vor mir war mein

Nachbar an der Reihe. Es lief alles ganz gut, bis ein Reh aus dem Wald

hüpfte. Er hat es überfahren. Als ich getestet wurde wusste ich, dass irgendwann ein Reh aus dem Wald springt. Ich habe es nicht überfahren.

Mein Nachbar staunte über meine schnelle Reaktion. Wäre ich als erster

getestet worden, hätte ich das Reh auch überfahren. So habe ich mich an Zanshin erinnert und war erhöht aufmerksam. So ist es auch im Dojo.

In einem Karatewettkampf stehen zwei Kämpfer gegenüber. Beide haben - und konzentrieren sich - nur auf einen Gedanken: „Ich muss den

Gegner angreifen und treffen“.

Plötzlich tritt ein Kämpfer einen Fußtritt zum Kopf des Gegners. Der Getroffene hat nicht einen Zentimeter reagiert oder reagieren können.

(Der Wille einen Punkt erzielen zu müssen, blockiert oftmals Zanshin)

Warum? Weil er, mit fast all seinen Gedanken, auf Angriff, aber nicht auf Verteidigung, fixiert war.

Wer an einem Fahrtraining teilgenommen hat weiß, wenn man ein Auto vom Bremspunkt A in 25 Metern zum Stehen bekommt, hat man noch

nicht die Reaktionszeit mit berechnet. Kein Mensch schafft den gleichen

Bremsweg mit derselben Geschwindigkeit, wenn Bremspunkt A erst während der Fahrt, bei einer plötzlich auftretenden Gefahrensituation

angezeigt wird. Da ist eben noch die Reaktionszeit.

Wenn nun der Bremsweg sogar noch verkürzt wird, weil sich ein anderes

Auto auf uns zu bewegt, verdoppelt sich die Aufprallgeschwindigkeit und die mögliche Reaktionszeit verringert sich.

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Darum ist Zanshin so wichtig. Durch diese erhöhte Aufmerksamkeit, kann tatsächlich Reaktion schneller sein als Aktion.

Die Übungen mit Ansage, Absprache und langem Oi-Tsuki, ermöglichen das Ausschalten fast jeglicher Reaktionszeit.

Auch bei mehreren Angriffen in Folge, kann man die Reaktionszeit fast

ausschalten. Es entsteht ja ein Rhythmus, der mir dabei hilft. Was aber, wenn es diesen Rhythmus oder Ansage nicht gibt? Es ist

immer eine Sekundensache, wobei Bruchteile einer Sekunde wichtig sein

können.

Jetzt sind viele Techniken, die vorher in unseren Übungen funktionierten, nicht mehr möglich. Darum erst einmal die Beidhändigen

Blocktechniken anwenden.

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Der erste Gedanke.

Der erste Gedanke muss an beide Hände gleichzeitig gehen.

Beide Hände zum Schutz nach vorne; NICHT an die Hüfte. In der Realität sind das zu viele Faktoren, die man in die Reaktionszeit

einbauen müsste. Denn dann müsste man wieder zu viele Gedanken

damit verschwenden, welche Hand zum Blocken gebraucht wird, und welche Hand an die Hüfte muss. Dabei sollte man auch beachten, dass

das Zusammenwirken von Hand und Fuß nur mit einer natürlichen

Motorik, Sinn macht. Wenn man entgegen dieser natürlichen Motorik

arbeitet, und seinen Händen und Füßen etwas Neues einstudiert, als die natürliche Reaktion vorgibt, wird man schlechter und langsamer als

zuvor. Das ist das Geheimnis des Kung Fu. Und das ist das Leid, einer

überzogenen Grundschule im Karate. Aber hierzu folgt später noch ein Kapitel: Zu viele Gedanken.

Schlimmer wird es beim Kampf, wenn wir uns auf das Ziel zu bewegen.

Wenn beide gleichzeitig aufeinander zu springen, verringert sich die Reaktionszeit enorm, und auch somit die Reaktionsmöglichkeiten.

Selbst dann, wenn nur ein Kämpfer angreift, sind die Kämpfer, wegen

ihrer „Angriffsgedanken“, kaum auf Verteidigung eingestellt.

Dann hämmert ein Angreifer eine Technik wie z.B. Mawashi-Geri-Jodan rein, und der andere Kämpfer hat nicht im Geringsten reagiert.

Aber selbst dann, wenn man reagieren kann, sollte man das nicht nach

dem Taktmuster der Grundschule machen, sondern möglichst mit beidhändigen Blocktechniken oder Block und Angriff gleichzeitig.

Es ist immer besser einen Angriff anzunehmen und alle Möglichkeiten des Blocks mit direktem Konter zu nutzen.

Viele Blocktechniken sind aber auch im Angriff anwendbar. Die Blocktechniken aus den Kata werden nicht etwa alle im Rückwärtsgang

gemacht. Kata beinhalten nicht nur Blocktechniken mit darauf folgenden

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Konter. Sie bieten auch genug „Geschützte Angriffstechniken“. So kann man einen Morote-Uchi-Uke nicht nur als Block, sondern auch als

Angriffsblock nutzen. Genau so Age-Uke, Kakiwake-Uke, Juji-Uke

Jodan.

Allerdings hat man beim Entwickeln solcher Techniken nicht an

Wettkämpfe gedacht, sondern an Kakedameshi.

Wenn man solche Punkte beachtet erkennt man, dass Sensei Funakoshi

genau wusste was er tat. Gerade weil er Gegner niemals unterschätzte,

war ihm bewusst, dass man besser einem Kampf aus dem Weg geht. Denn nach jedem ernsthaften Kampf, gibt es Schwierigkeiten. Verliert

man, ist das trinken aus der Schnabeltasse noch gut, denn man lebt noch.

Gewinnt man, steht man vor dem Richter und muss sich rechtfertigen. Ein guter Anwalt ist da ratsam.

Funakoshi wusste was er tut. Wir sollten ihn nicht unterschätzen.

Blockade mit doppeltem Effekt

Bevor wir diese Gedanken weiter führen, müssen wir noch kurz an einen weiteren Denkfehler erinnern, der wirklich unsinnig ist. Und wir müssen

uns etwas mehr mit Block und Konter befassen.

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Angriff ist Oi-Zuki Chudan rechts. Block ist Soto-Uke links und sofort darauffolgend ein Gyaku-Uchi-Uke

gegen den gleichen angreifenden Zuki. Das sind zwei Takte, gegen einen

Takt Oi Zuki. Wie soll das gehen?

Die von mir beschriebene Beidhandtechnik, bei der erwähnt wurde,

dass die Hikite-Hand die Block-Hand erst einmal unterstützt, wird

möglichst in einem Takt gemacht.

Aber hier sind es zwei Takte. Ähnlich wurde es einmal auf einem

Lehrgang gezeigt. Manchmal auch in der Bassai-Dai bei Technik 4 und 5. Aus der Drehung in ZK mit Gyaku Soto-Uke und sofort Uchi-Uke

gegen den gleichen Arm.

Auch werden oftmals Ausholbewegungen so erklärt. (z.B. beim Shuto-

Uke) Solche Dinge werden als „Blockade mit doppeltem Effekt“ gelehrt. Man sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass der Angreifer seine

Angriffstechnik so lange stehen lässt, bis wir mit unserer Technik fertig sind.

Man sollte immer die sinnvollste schnellste effektivste Blocktechnik

– mit einer guten Kontermöglichkeit – zuerst machen. Wenn man – um diese Technik ausführen zu können – vorher erst eine

andere Technik, im Sinne der Ausholbewegung und extra Takt, machen

soll, dann sollte man vielleicht doch am Sinn des vermittelten Karate

zweifeln. Aber, diese absolut falsche Lehrweise ist einer anderen, sehr realistischen Lehrweise, sehr nah.

Nämlich den Beidhändigen Kampftechniken.

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Wenn man es nämlich nicht in zwei Takten, sondern möglichst in einem Takt und einer Bewegung macht, dann funktioniert es.

Beidhändige Kampftechniken.

Wenn man sich im Karate wirklich dafür interessiert und danach forscht, stößt man auf Gruß-Bezeichnungen wie „Bao quan li“ oder manchmal

findet man auch Bezeichnungen wie auch „Chuan Li Dai“.

Zwei von vielen Beispielen, die man findet. tibetankungfu.ch kung fu / kung-fu-abc Chuan li dai

songshanchanwu.ca/ / regulations and etiquette / Bao quan li

Im Shotokan Karate haben wir solche Gesten zu Beginn der Jion, Jitte,

Jiin.

Es wird beschrieben, dass man damit seinem Gegenüber guten Willen

und friedliche Absicht bekunden möchte. Diese Geste soll auch die

Ehrerbietung und den Respekt vor dem Gegenüber kennzeichnen.

Auch wenn die Japaner das Problem hatten, alles Chinesische im Karate

zu ignorieren oder zu verändern, sollten wir nicht denselben Fehler

machen. Dazu müssen wir aber erkennen, dass die alten Okinawa-Kata ihren Ursprung im Chinesischen Kung-Fu haben.

Es ist eine geniale Geste, die von den alten Chinesischen Meistern

angewandt wurde. Man bekommt vielleicht Streit mit jemand, versucht

aber diesen Streit mit dem Friedensgruß zu verhindern. Gleichzeitig hat

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man aber eine hervorragende Verteidigungsstellung eingenommen. Wenn man die Hände zusammen vor sich hält, kann man sehr schnell

reagieren. Man kann erst einmal mit beiden Händen gleichzeitig

Blocken, oder wie zu Beginn der Jion, mit Uchi-Uke und Gedan Barai.

Man hat, aus dieser Stellung heraus, viele Möglichkeiten.

Wenn man angegriffen wird ist es sehr wichtig, dass man erst einmal mit

beiden Händen gleichzeitig reagiert. Das ist so, weil man so besser blocken kann und die angeborene Motorik fördert.

Ja klar, ich wiederhole mich. Das Thema ist aber noch nicht beendet. Jiyu-Waza muss noch genauer erklärt werden.

Hierfür gibt es in den Kata genügend Beispiele. Hat man dann einen

Angriff erfolgreich geblockt, muss man die Initiative ergreifen in dem

man gleichzeitig schlägt. Also kein Takt, sondern Beidhandtechniken.

Hierzu ein Zitat von Gichin Funakoshi zur „Ten no Kata“. (Karate-Do Nyumon)

Zu Beginn sollte man Abwehr und Gegenangriff als zwei getrennte

Techniken ausführen. Damit wird gewährleistet, dass die

Abwehrtechnik nicht vernachlässigt und der Gegenangriff stark und

genau ausgeführt wird.

Später müssen Abwehr und Gegenangriff eins werden. Und dann wieder dieses Zitat von Motobu Choki, das ich in diesem

Buch mehrfach verwende: Verwende Techniken, die in einer Bewegung Angriff und Abwehr

beinhalten.

Verwende so oft es geht beidhändige Techniken zur Abwehr und zum

Angriff.

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Und genau das, hat man in neueren modernen Kampfkünsten wieder

entdeckt. Einige dieser Kampfkünste sind neu entwickelt und lehnen sich

etwas am Wing Tsun an. Mit Hilfe der Kata Jion wollen wir das noch einmal genau beschreiben.

Hieraus entnehmen wir einige Techniken. Ausgangssituation ist, eine realistische Situation. Dem Verteidiger steht ein Mann gegenüber der eventuell zuschlagen will. Die Situation ist sehr

bedrohlich.

Im Dojo spielt man das alles genau so durch. Tori schlägt irgendwann zu.

Uke weiß nicht wann und wie.

Anfangs beschränkt man sich auf irgendeinen Jodan-Schlag. Aber zum Üben nur ein Mal. Und nicht gerade aus der Nahdistanz. Und auch erst

einmal sachte. Das muss man erst üben.

Uke steht in der „Gruß Position“

Nun schlägt Tori ein Mal zu. Aber bitte Kein langer Oi-Zuki. Die Reaktionszeit erfordert, dass Uke erst einmal beide Arme zur Abwehr hebt. (Wie in der Jion ab Technik 34)

In der Jion wird ein gerader Faustschlag mit Juji-Uke Jodan geblockt.

Dann wird direkt, und ohne Takt oder Unterbrechung, mit dem freien

Arm gekontert. (De-Ai) Das ist fast, eine einzige Bewegung. Andere Schläge, wie Mawashi Zuki, kann man mit Awase-Uke blocken und

genau so schnell mit der freien Hand kontern.

Dieses Training sollte man dann steigern, in dem man auch mehrere

Angriffe blockt und entsprechend schnell kontert.

Es gelingt nämlich nicht immer beim ersten Block, die Initiative selbst zu ergreifen und zu kontern.

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Sie können das aber nur trainieren, wenn beide Karateka verstanden haben worum es geht.

Orientieren sollte man sich auch an anderen Kata. Beispielsweise die Juji-Uke Blocks aus der Heian (Pinan) Godan.

Folgetechniken gibt es auch viele. Wieder sollte man sich an den verschiedenen Kata passendes aussuchen.

Sie werden bemerken, dass dieses Training anfangs sehr schwierig ist.

Mit der Zeit aber wird es besser und es macht auch mehr Spaß. Sie

werden bemerken, wie gut ihre Reaktion und ihre Kampffähigkeit

wirklich werden. Das ist nur ein Beispiel, wie man sein Karate mit Hilfe der Kata verbessern kann. Es gibt zahlreiche andere Beispiele.

Manchmal kann eine gute beidhändige Blocktechnik auch gleichzeitig ein Angriff sein.

Sie können aber auch zum zehntausendsten Mal versuchen ihren Gyaku-Zuki zu verbessern, oder im Zenkutsu-Dashi eine Haltungsnote von 10,0

zu erreichen; dauerhaft natürlich. Genau so können Sie versuchen, Kata

so zu laufen, dass ein Tanzlehrer neidisch wird. Aber das ist ein extra Thema, das später noch kommt.

Wichtig zu erkennen ist, dass wir völlig anders reagieren können, wenn wir mit einem langen tiefen Oi-Tsuki angegriffen werden. Dann kann

man bequem einen schönen Ausweichschritt machen und hervorragend

gut reagieren. Aber, wer greift schon mit einem tiefen Oi-Tsuki an? Wenn man angegriffen wird – und das weiß jeder Boxer – hat man

bereits Mühe diesen ersten Angriff mit beiden Händen zu blocken. In der

Heian Godan ist ein sehr schönes Beispiel, wie man vor dem Körper beidhändig blockt und dann die Initiative ergreift. Aber das ist bei

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Weitem nicht das einzige Beispiel.

Geeignet oder weniger geeignet

Ja, das muss man manchmal fragen. Und vieles ist uns noch gar nicht aufgefallen. Eine der ersten Techniken die ein Schüler lernt, ist der Soto-

Uke. Doch man muss sich einmal die Frage stellen, wie oft er in den

Schülerkata (Heian / Pinan) vorkommt.

Wo ist Soto-Uke in den Kata?

Ist ihnen schon mal aufgefallen, dass Soto-Uke, wie er heute im

Shotokan gelehrt wird, in den alten Okinawa-Kata so gut wie gar nicht

vorkommt? Warum eigentlich? Warum gibt es in den alten Kata kaum Soto-Uke? Ja, man kann ihn – auf verschiedene Arten – finden. In

unseren Kata taucht er hin und wieder auf. Z.B. in der Bassai Dai, Bassai

Sho, Unsu. Aber suchen Sie ihn mal in den alten Kata! Und suchen Sie ihn einmal auf der Basis der korrekten Grundschule. Da wird es schon

etwas schwieriger. Uchi-Uke hingegen ist sehr oft vorhanden. Warum

eigentlich?

Glauben Sie mir liebe Leser, die hatten ihre Gründe. Und diese Gründe

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basieren auf Jahrhunderte langer Erfahrung. Es gibt Soto-Uke eher als Nagashi-Uke, in Verbindung mit einem

gleichzeitigen Tsuki, oder wie in der Heian Nidan in Technik 11 als Block nach unten (Osae-Uke) mit einem Tsuki (Nukite) darüber, oder in

der Nijushiho am Anfang. Auch Otoshi-ude-Uke findet man oft. Aber

Soto-Uke in der Form der japanischen Grundschule, eher selten. Der Grund ist, dass die Techniken in den alten Kata möglichst realistisch

funktionieren mussten. Stellen Sie sich einmal mit einem Faustschlag links in Position!

Nicht mit Oi-Zuki und nicht mit Faust an der Hüfte. Vergessen Sie das!

Das macht kein Schläger so. Also machen Sie das auch nicht.

Ihr Gegenüber blockt mit einem klassischen Soto-Uke links. Seine rechte

Faust ist weit weg, an seiner abgetreten Hüfte.

Und nun können Sie ihm mit ihrer bereitstehenden Faust (die sich

NICHT an ihrer Hüfte, sondern sich in guter Schlag- und

Blockposition befindet) so richtig eine abziehen.

Das wussten auch die alten Okinawa-Kämpfer. Darum findet man so

etwas eher selten in den Kata.

Anders herum:

Stellen Sie sich mit einem Faustschlag rechts in Position!

Ihr Gegenüber macht den gleichen Block wie vorhin. Jetzt brauchen Sie nur noch den Arm zu beugen und mit einem Enpi oder

Uraken weiter zu machen.

Nun kann man im Nachhinein behaupten, dass diese Grundschule

nur dazu dient Bewegungsprinzipien zu trainieren. Dann stellt sich

die Frage, warum man so penibel und millimetergenau diese

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Grundschule können muss, wenn sie im wirklichen Kampf eh

nicht genau so funktionieren kann.

So greift keiner an

Das junge japanische Karate war stark beeinflusst von Kendo. Wenn man

die Okinawa Pinan Nidan mit der Heian Shodan vergleicht, weiß man

was falsch gelaufen ist. Es ist durchaus möglich, dass die alten Okinawate-Meister auch einmal

einen geraden Fauststoß (Oi-Zuki) tief ausführten. Das war aber sicher selten der Fall. Vielleicht nur dann, wenn es die Situation erforderte.

Mit einem Tate-Morote-Zuki nach vorne (nicht verwechseln mit Morote-Uchi-Uke) kann man beispielsweise eine enorme Energie ins

Ziel übertragen. Das ist eine gute Abwehr. Und den kann man auch tief

machen. Und nur wenn man diese Technik beherrscht, kann man eigentlich mit einem tieferen japanischen Oi-Zuki Training beginnen.

In den alten Kata findet man den tiefen Oi- Zuki eher selten. Tiefe Stände gab es schon; wenn sie angebracht waren.

Quelle für den etwas höheren Zenkutsu-Dachi ist unter anderem zu sehen in dem Buch:

To-Te Jitsu „Die Kunst der Faust von Okinawa“ von Gichin

Funakoshi. Und auch in dem Buch:

The Essence of Okinawan Karate-Do von Shoshin Nagamine

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Im Film kann das natürlich schön und beeindruckend aussehen. Aber in

der Realität wird wohl kaum ein Mensch mit einem langen Oi-Zuki

angreifen; jedenfalls nicht so wie er im modernen Karate überwiegend

unterrichtet wird. Dennoch ist der Oi-Zuki der erste Fauststoß den ein Schüler lernt. Wenn man ihn so macht, wie es die Okinawate-Meister

lehrten, ist er sehr schnell und wirkungsvoll. Folgetechniken sind

ebenfalls schnell möglich. In Okinawa war der Zenkutsu Dachi viel höher. Dadurch hatte der gerade

Fauststoß viel mehr Einsatzmöglichkeiten.

Außerdem ist er auch realistischer. Auch das drehen der Faust (das Itosu in Okinawa eingeführt haben

soll) war nicht unbedingt üblich, da es zu schwer zu erlernen ist und man, wenn man es nicht wirklich richtig beherrscht, zu viel Kraft

verliert. Außerdem ist die Gefahr größer, dass man sich beim

Schlagtraining die Hand abknickt. Die senkrechte Faust (Tate-Zuki) wurde früher beim geraden Schlag eher eingesetzt. Sie ist wesentlich

stabiler. Man hat an dieses Faustdrehen keinen Gedanken verschwendet.

Man hat so geschlagen, wie es passte.

Es sind in Japan kleine Veränderungen durchgeführt worden. Aber diese

kleinen Veränderungen hatten gewaltige Folgen für das gesamte Karate. Die Unterschiede des Zenkutsu-Dachi wie Gichin Funakoshi ihn machte,

und wie ihn später seine Nachfolger zeigten, waren im jungen japanischen Karate so gravierend, dass man sich fragt was die

Nachfolger geritten hat, so zu trainieren.

Im Buch „Karate no Nyumon“ sind, unter anderem, auf den letzten

Seiten Kämpfer abgebildet die so tief stehen, dass sie bequem durch ein

Schlüsselloch schauen könnten. Aus diesen Stellungen kann kein Mensch schnell einen Kampf weiterführen. In den Kumitebüchern von

Nakayama sieht man zahlreiche Bilder von Kämpfern die aufeinander

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zuspringen und, wie im Fechtsport, die gleichen Stellungen verwenden. (Schön tief in Zenkutsu Dachi) Wenn man das in der Selbstverteidigung

umsetzen will, bekommt man furchtbar Haue. Denn, wer glaubt denn

wirklich ernsthaft, dass er einen bösen Buben, immer und sicher, mit

einem Schlag aus den Sandalen hauen kann? Das ist eine gefährliche Illusion. (Es soll Ausnahmen geben) Das muss man aber können, wenn

man so kämpft. Aus dem tiefen Zenkutsu Dachi kommt man nicht

schnell genug wieder raus. Außerdem ist man, je tiefer man im Zenkutsu-Dachi vor dem Gegner steht, seitlich völlig instabil und leicht

angreifbar.

Ein gefundenes Fressen für geübte Gegner. Außerdem kann man einem 1,90-Mann nicht in einer tiefen Zenkutsu-Stellung auf die Zwölf

kloppen. Darum standen ja die Okinawa Kämpfer nicht so tief. Sie

wollten möglichst guten Bodenkontakt haben und nach allen Seiten

sicher stehen. Es macht auch keinen Sinn, sich ständig vor seinem Gegner kleiner zu machen.

Es ist nicht nur gegen jede eingeprägte Motorik; es ist auch gegen jede

Vernunft. Kein Boxer würde das so machen.

Darum übten die Okinawa-Kämpfer keine Grundschule nach

japanischem Muster, sondern Techniken aus den Kata.

(Von Kihon-Waza zu Jiyu-Waza) Hier sollte man sich auch an anderen Stellungen aus den Kata

orientieren. Zum Beispiel an Sanchin-Dachi, Hangetsu-Dachi,

Seishan-Dashi.

Dazu muss man aber erst die fantastische Wirkungsweise dieser

Stellungen erkennen. Wer die Seishan oder die Hangetsu wirklich beherrscht, beginnt auch die Kampftechniken der „Alten Kämpfer“ zu

verstehen.

Dann gibt es noch einen kleinen, aber gravierenden Unterschied beim

Oi-Zuki. In der alten Form hat man darauf geachtet, dass der

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Faustschlag schnell und präzise ausgeführt wurde. Der kurze Schritt bedeutete, dass man schnell wieder Bodenkontakt bekam, (bzw. Ihn erst

gar nicht verloren hat) um den Fauststoß nutzen zu können. Außerdem

war Tai-Sabaki besser möglich.

Im Buch „Leere Hand“ von Kenei Mabuni (Sohn des

Stilrichtungsgründers Shito Ryu Kenwa Mabuni) heißt es:

Die alten Meister auf Okinawa sagten, der ganze Körper sollte elastisch wie eine Peitsche, in den Stoß eingehen.

In der neuen tiefen Form nutzt man nicht die Muskulatur aus, um stabil zu stehen, sondern die Schwerkraft des Körpers, in einem tiefen Stand.

Genau gesagt sieht das folgendermaßen aus:

Der Faustschlag beim Oi-Zuki muss zum gleichen Zeitpunkt enden wie

der Schritt nach vorne endet.

Fehler beim heutigen Oi-Zuki können sein, wenn der Faustschlag zu früh oder zu spät ausgeführt wird.

Setzt der Fuß zu früh auf, wird die Schwungkraft des Zenkutsu Dachi

nicht ausgenutzt. Setzt der Fuß zu spät auf, erreicht man nicht die Stabilität und die

Energie, die man bei einem korrekten Oi-Zuki anwenden kann.

Erst einmal sollte man das mit Morote-Zuki trainieren. Damit man

überhaupt begreift, worum es geht.

Das Problem ist, dass in Japan ein anderer Kampfstil entwickelt wurde,

als in Okinawa.

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Kendo und Wettkampf haben so einiges verändert.

Als die ersten Schusswaffen konstruiert wurden hatte man schon die Idee

oder den Traum, Gewehre zu entwickeln, mit denen man mehrere

Schüsse hintereinander abfeuern konnte. Ein alter japanischer Oi Zuki

macht aber den Eindruck, als sei er nur ein Einschüssiger Vorderlader. Dazu kommt noch, dass man nur nach vorne und hinten stabil steht.

In Okinawa musste man schnell und beweglich sein. Nicht irgendwelche

Regeln sondern das Gefühl hat bestimmt wie ein Fauststoß ausgeführt werden musste. Keine Regeln und Beschreibungen, sondern

Erfahrungswerte waren wichtig. Es war dort überhaupt nicht so, dass

man die „Göttliche Begabung“ hatte, seinen Gegner immer und sicher mit einem Schlag stoppen zu können. Obwohl man damals genau

wusste, wo man seinen Gegner empfindlich treffen konnte. In Okinawa

rechnete man damit, dass der Gegner nicht doof ist und sich auch zu

wehren weiß. Daher waren die Techniken so tief oder so hoch, dass sie wirkungsvoll waren und man den Kampf schnell fortsetzen konnte.

Dieser Kampfstil ist in den alten Kata enthalten.

Das japanische Kumite aus der frühen Zeit erinnert mich eher an alte

Ritterkämpfe: In der einen Hand ein Schild und in der anderen das

Schwert mit dem man drauf schlägt. Beide Kämpfer stehen seitlich abgedreht. (Schild und Schwert) Eine

Hand vorne, die andere parkt vor der Brust, bereit einen Gyaku-Zuki zu

schlagen. Zu diesem Spiel gehören aber immer zwei. Was aber, wenn der Gegner kein Karatekämpfer ist?

In Okinawa und China hatte man an jedem Arm ein Schild, und in jeder Hand ein Schwert. Dazu noch die vielen stabilen – nicht zu tiefen –

Stellungen.

Ein Block war auch gleichzeitig Angriff. Auch oft mit beiden Händen

gleichzeitig. Deshalb muss man sich die alten Kata genau ansehen um zu

erkennen, wie damals gekämpft wurde.

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Ich will Realität im Karate

Für die Kampfweise der alten Okinawa Kämpfer gab es die Bezeichnung „Kakedameshi“. Das waren Kämpfe die zum Testen der gegnerischen

Fähigkeiten bzw. „Erweitern der eigenen Erfahrung“, dienten. Es soll

sogar Kakedameshi mit tödlichem Ausgang gegeben haben. Allerdings

war Kakedameshi eine Kombination aus vielen Kampfstilen. Es wurden Schlag- und Wurftechniken angewandt. Ein solcher Kampf konnte sehr

schnell vorbei sein, er konnte aber länger andauern.

In Biografien einiger alten Meister, wie Motobu Choki oder Uehara

Seikichi, wird davon berichtet. Es war pure Realität. Keine Zauberei. Keiner konnte über Häuser

springen.

Viele Grundschulübungen mit Partner sind einfach gesagt, nur

Aufbauübungen. Die Grundschule des späteren Japan-Karate waren

oftmals nur Übungen, die in der wirklichen Realität kaum funktionieren. Als Argument für die Shotokan-Grundschule wird oft gesagt, man müsse

erst die Grundschule mit weiten Aushol- und Gegenbewegungen üben, um starke und korrekte Techniken zu erlernen. Viele dieser Techniken

funktionieren im Ernstfall nicht. Hat man sich das aber einmal

angewöhnt, bekommt man es womöglich, im realen Kampf, nicht mehr raus; und das könnte fatale Folgen haben.

Mehr Kata und viel weniger Grundschul-Kihon. Und wenn Kihon, dann

Kihon aus den Kata. Wie es im Stiloffenen Prüfungsprogramm

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vorgegeben ist. Das macht Sinn. Man sollte mehr auf den Körpereinsatz achten, und weniger Wert auf die

Faust an der Hüfte legen. Deshalb sind einseitige Übertreibungen sehr schädlich. Deshalb mehr

Kata.

Die gröbsten Fehler, die man sich angewöhnen kann, wenn man sie zu

intensiv trainiert:

1 Den Faustschlag immer vor dem Gegner stoppen.

2 Weite Ausholbewegungen als reale Kampftechnik erklären, und

als zusätzliche Blocktechniken für etwas beschreiben, das im Moment gar nicht existiert.

3 Der Ippon-Orgasmus. (Sorry, Böse, ich weiß)

4 Immer nur mit einer Hand blocken und die andere Hand ständig an der Hüfte parken.

5 Das Taktverhalten. Erst Block dann Konter.

6 Das zu frühe Drehen der Faust beim geraden Zuki. 7 Immer nur Blocktechniken mit Ansage der weit ausholenden

einmaligen Angriffstechnik üben.

8 Zu wenig Realität in der Grundschule.

Man lernt also erst mit Age-Uke zu blocken, dann mit Gyaku- Zuki zu

kontern. Aber realistisch ist es nicht; weil man mit dem Takt (eins =

Block, zwei = Konter) zu viel Zeit verliert. Denn ZWEI, gehört dem

Gegner; NICHT dem Verteidiger. Ach, ich hab ja vergessen; der Gegner greift ja mit einem langen tiefen Oi Zuki an und lässt den angreifenden Arm stehen und wartet auf

unseren Konter.

;-)

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Wenn man die Ausholbewegungen stur mitrechnen und ausführen würde, wären es sogar drei Takte. Nach dem Angriff:

1 Ausholen 2 Blocken

3 Kontern

Das kann nicht funktionieren. Es ist realitätsfremd. Wenn man das alte

Karate – das in den Kata enthalten ist – richtig versteht, dann erkennt

man, dass Block und Konter oftmals eins sind. Manchmal kann eine gute Blocktechnik auch gleichzeitig ein Angriff

sein.

Oder erst beidhändig blocken und dann (wenn möglich) sofort, fast im gleichen Takt, kontern. Wenn nicht möglich, dann muss man den zweiten

Angriff auch beidhändig blocken.

Wobei „beidhändiges Blocken“ - wie vorher schon beschrieben - nur der erste Gedanke (erster Befehl) ist. Das alles geschieht in Bruchteilen

von Sekunden. Beide Hände sind von Natur aus aufeinander abgestimmt.

Blocken und Schlagen muss eins sein und geht an beide Hände. Sie

werden bemerken, dass mit etwas Übung, nach dem beidhändigen Befehl, nur eine Hand blockt und die andere schlägt.

Dazu sage ich wieder: Okinawa-Te und Kata.

Mein Eindruck ist, dass man Funakoshi Gichin für die Entwicklung des Wettkampfkarate nicht mehr brauchte. In unseren Zeiten jedoch erinnert

man sich an seine Lehren. Zum Beispiel die zwei wichtigsten Zitate die

er uns hinterließ, die aber kaum Beachtung fanden und die man irgendwie nicht so richtig verstanden hat.

....

Ten no Kata

Zu Beginn sollte man Abwehr und Gegenangriff als zwei getrennte

Techniken ausführen. Damit wird gewährleistet, dass die

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Abwehrtechnik nicht vernachlässigt und der Gegenangriff stark und

genau ausgeführt wird. Später müssen Abwehr und Gegenangriff eins

werden.

Gichin Funakoshi ....

Wenn man die etwas mehr als dreißig Kata betrachtet, die wir üben,

wird man erkennen, dass sie im Wesentlichen lediglich Variationen von

nur einer Handvoll sind.

Gichin Funakoshi

…. Wenn man bedenkt wie wichtig die Ten no Kata im Training von

beispielsweise Yoshitaka Funakoshi war, dann spielt noch ein weiteres

Zitat eine sehr große Rolle, das man aber erst versteht, wenn man erkennt wie weit diese Kata entwickelt wurde. Leider ist sie heute in

ihrer ganzen Perfektion kaum noch bekannt.

Man sollte an dieser Stelle einmal darüber nachdenken, dass Technik,

Form und Kata eigentlich dasselbe sind.

Zitat aus dem Buch „Karate-Do Nyumon“ zur „Ten no Kata“:

Diese Form wird im Karate-Do Kumite genannt. Und nun versteht man besser wenn hier gesagt wird, dass die

„klassischen Kumiteübungen“ beispielsweise aus dem Shotokan

Kumite-Programm, nicht so weit entwickelt sind wie damals die „Ten no

Kata“ war.

In dem Buch Karate-Do Nyumon wird neben der Ten no Kata noch die Chi no Kata und die Hito no Kata erwähnt.

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Makiwara

Jeder Boxer trainiert an einem Boxsack oder Punchingball.

Gichin Funakoshi beschreibt in seinem ersten Buch To-Te Jitsu wie man

ein Makiwara (Schlagpfosten) baut und benutzt.

Trifft eine Technik im Wettkampf ihr Ziel, werden Punkte vergeben.

Ikken hissatsu bedeutet - mit einem Schlag töten. Also sollten die Wettkämpfer zumindest mit ihrem Kampfstil mit einem Schlag den

Gegner kampfunfähig schlagen können.

Mehr darüber bei Budopedia. Karate ist heute auch Breitensport. Das bedeutet, dass nicht etwa immer

sportliche und starke Kämpfer trainieren, sondern auch unsportliche Leute die Selbstverteidigung lernen wollen.

Besonders schwächer Karateschüler können wohl kaum diese

Schlagkraft anwenden.

Wenn man sich also den Wettkampfstil angewöhnt hat, sollte man auch

seine Schlagkraft üben und trainieren. Mit Sicherheit gibt es Leute, in deren Faust man besser nicht hinein rennt.

Oftmals macht man sich zu wenig Gedanken über seine wirkliche Schlagkraft. Ich habe schon gestandene Kerle mit aufgeschlagenen

geschwollenen Fäusten gesehen. Man sollte eben nicht mit der blanken

Faust gegen einen harten Schädel schlagen. Dazu fehlt eben oftmals das Training. Man sollte schon wissen wie und wohin man effektiv schlagen

kann, um sich seiner Haut zu wehren. Die alten Kämpfer kannten einige

Vitalpunkte. Heute spricht man hin und wieder von Mythen und

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Märchen. Nun, alles kann man sicher nicht umsetzen, und man muss auch nicht alles glauben. Aber wer sich wirklich wirkungsvoll

verteidigen will, sollte schon einige Punkte kennen, wo es dem Gegner

weh tut. Und man sollte wissen wo und warum man sich selber weh tut,

wenn man zuschlagen muss. Ein Makiwara muss heute niemand mehr bauen. Shigeru Egami war zu Anfang ein eifriger Nutzer des Makiwara. Später war er nicht mehr so

begeistert von dem vielen Makiwara-Training.

Man soll es eben nicht übertreiben. Heute hat man andere Mittel, um

seine Schlagkraft zu trainieren. Besonders Anfänger sollten erst einmal schlagen üben ohne sich das Handgelenk zu brechen. Ein Karatetrainer

muss erkennen, wenn seine Schüler nicht hart genug zuschlagen können.

Es ist für die Selbstverteidigung wichtig diesen Leuten zu zeigen wie sie ihre Schlagkraft trainieren und was sie von ihren Schlägen wirklich

erwarten können. Wer seiner Schlagkraft blind vertraut, kann böse

Überraschungen erleben, wenn es einmal darauf ankommt. Auch das Schlagtraining gehört zum Karate dazu. Man muss wissen was

man sich zutraut und wie effektiv man seine Schlagkraft anwenden kann. Da stellt sich mir die Frage, was eigentlich in den Dojos Priorität hat; das

Schlagen mit abstoppen am Ziel, oder das richtige Schlagen im Sinne der realen Selbstverteidigung. Letzteres lässt sich nicht so einfach trainieren.

Beim Kihon geht die Technik immer ins Leere. Beim Kumite stoppt man

vorher ab. Da muss man sich also heute modernerer Hilfsmittel bedienen. Im heutigen Wettkampfzeitalter hat man aber für vieles keine

Zeit mehr.

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Tai Sabaki und Suri Ashi.

Tai Sabaki bedeutet, durch geschicktes ausweichen (Körperdrehung)

einem Angriff zu entgehen. Im Karate wird er meist in Verbindung mit einer Blocktechnik und einem anschließendem, oder gleichzeitigem,

Konterangriff verwendet; während er im Aikid? der Vorbereitung eines

Wurfes dient. Durch Tai Sabaki ermöglicht man dem Angriff auszuweichen und schnell

selbst die Initiative zu ergreifen. Tai Sabaki bedeutet nicht immer nach

hinten auszuweichen. Man kann auch schräg nach vorne oder zur Seite

ausweichen. Tai Sabaki erfordert sehr viel Übung, ist aber unbedingt notwendig. Wer das nicht beherrscht, hat schon verloren.

Große Ausweichbewegungen, wie im Jiyu Ippon Kumite dienen nur der

Übung für Tai Sabaki. Große Ausweichbewegungen kosten meist zu viel

Zeit und sind im wahren Kampf nicht immer möglich. Hüpfen und

Steppen? Im Wettkampf, ja. Auf der Straße, Nein, versuchen Sie es erst gar nicht. Tai Sabaki hingegen funktioniert.

Diese Ausweichbewegungen übt man besonders grundschulmäßig in der

klassischen Kumite-Übungsform. Dazu gehört auch Suri Ashi.

Suri Ashi bedeutet Gleitschritt. Das heißt, möglichst wenig den

Bodenkontakt zu verlieren. Beim Bergsteigen heißt es auch immer Dreipunktehalt und ein Punkt sucht Halt.

Suri Ashi bedeutet Gleitschritt, und wird auch genau so ausgeführt.

Stepschritte sind eher für den Angriff im Wettkampf geeignet. Suri Ashi

hingegen ist überall einsetzbar.

Hüpfen und gleichmäßiges Bewegen sind meist nur Bewegungsmuster

von Anfänger und unerfahrene Wettkämpfer. Die wirklich guten Kämpfer hüpfen nicht herum wie im Takt von Musik. Es ist vielmehr ein

geschicktes Bewegen in verschiedenen Distanzen. Das kann man leicht

an großen Wettkämpfen beobachten. Wer das nur schlecht kopiert, hüpft

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eben nur herum. Suri Ashi ein Oberbegriff für Schritte wie z.B. Yori Ashi, Tsugi Ashi

oder Okuri Ashi.

Diese Techniken gibt es auch in anderen Kampfkunstarten. Besonders

deutlich sieht man das im Kendo. Dort stehen die Kämpfer minutenlang mit ihren Holzschwertern unbeweglich gegenüber; bis dann blitzartig,

ein nur Sekunden andauernder Kampf entsteht. Bei einem solchen

Kampf ging, in der Geschichte der Samurai, immer ein Sieger hervor. Zu Beginn der Karate-Wettkampfentwicklung war der Wettkampfstil sehr

ähnlich.

Die Japaner beschränkten sich auf ein schnelles vor gleiten mit Suri

Ashi, um den Gegner, wie im Kendo, schnell zu treffen.

Nur, haben sie keine Schwerter. Sie kämpften mit der „Ein Schlag und du bist besiegt“ Technik. Die Kampfstellung (Kamae) war allerdings gut.

Auch die Bewegung im Suri Ashi war perfekt. Wer sich ein wenig im

Sport mit Hieb- und Stichwaffen auskennt weiß, dass dort Abwehr und Konter fast eins sind. Die Bewegungen sind für das ungeübte Auge kaum

erkennbar. Man darf aber nicht vergessen, dass dort Waffen im Einsatz

waren.

Im Karate wird heute zu viel Wert auf Angriffstechniken gelegt. Das

wäre ja nicht so schlimm, wenn man sich nicht allzu oft, bei den Angriffstechniken, so furchtbar überschätzen würde.

Heute werden Karateschüler so schnell zum sportlichen Wettkampf herangezogen, dass für das Erlernen von Suri Ashi, oder einer

vernünftigen Kampfbewegung oder dem Erlernen von Blocktechniken,

keine Zeit mehr ist. Ein Karateka, der erst kurze Zeit Training hinter sich hat, kann das einfach noch nicht können. Hüpfen dagegen ist einfach,

erfüllt aber nicht den eigentlichen Zweck.

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Wie man sich richtig bewegt, hängt von dem Wissen und der Erfahrung ab, das in der jeweiligen Karatezeit vorhanden ist. In Japan orientierte

man sich an den Kampfkünsten, die man schon kannte. Heute zählen die

neusten Erkenntnisse, wie man am schnellsten Punkte macht. Die „alten

Meister“ verlieren immer mehr an Respekt. Ich verbeuge mich ehrfurchtsvoll vor ihnen.

Mythos Kata

Man könnte das Erlernen einer Kata mit der Lehre eines

Automechanikers vergleichen. Wenn man einmal bei VW seinen Abschluss geschafft hat, kann man sich auch schnell bei Peugeot

einarbeiten. Auf Kata bezogen, muss man erst einmal wissen, was eine

Kata ist. Aber offenbar ist es wichtiger eine Kata perfekt zu können, als sie perfekt

zu verstehen.

Wir hatten uns mit Kata ja jetzt schon intensiv beschäftigt. Sinn und Zweck verschiedener Trainingsmöglichkeiten, wie die entgegengesetzte

Richtung usw.

Aber gehen wir etwas tiefer in diese Materie ein.

Oftmals bezeichnet man Kata wie folgt:

Zitate unbekannt Die stilisierte Form eines Kampfes gegen einen oder mehrere reale oder

imaginäre Gegner, bei der Verteidigung, Angriffe und Gegenangriffe in

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festgelegter Abfolge und Ausführungsart geübt werden. Oder,:

Kata ist eine schöne Übungsform, wenn man gerade keinen Trainingspartner zur Hand hat. Oder wenn man wirklich das Training

verstecken muss, weil die herrschende Kaste nicht möchte, dass

Kampfkunst geübt wird – eine Situation, die wir heute wirklich nicht mehr zu fürchten haben.

Mit diesen Umschreibungen bin ich nicht einverstanden, und sie ist

auch grundlegend falsch. Hier muss ich wieder die Frage stellen: „Was ist KIHON?“

Denken wir das ganz kurz noch mal durch, um das Thema auf Kata zu

konzentrieren. Anfangs - in der Entstehung des Karate in Japan, vor dem zweiten

Weltkrieg - entwickelte Funakoshi Gichin und sein Sohn Yoshitaka, die

„Ten no Kata“. Im Grunde genommen ist unser Kihon nichts anderes als eine

vereinfachte Versionen neu entwickelter Schüler-Kata.

Man läuft in mehreren Bahnen fünf Mal die Halle, mit verschiedenen

Techniken und Kombinationen, rauf und runter. Das ist eigentlich, genau genommen, auch Kata.

Wenn also jemand keinen Sinn in den Kata sieht, welchen Sinn sieht

man dann im Kihon? Eine Kata beinhaltet das Wissen und die Kampfkunst der alten Meister,

die oft ein Leben lang an der Entwicklung ihres Kampfstils gearbeitet und trainiert haben. Sie ist wie ein Buch, das ein alter Meister

hinterlassen hat.

Theodor Fontane (deutscher Schriftsteller 1819 - 1898) sagte einmal:

"Ein guter Spruch ist die Wahrheit eines ganzen Buches in einem

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einzigen Satz." Die Kata, die die alten Meister hinterlassen haben, sind genau so zu

verstehen. Es sind kluge Kampf-Zitate die man uns hinterlassen hat. Wer eine Kata beherrscht, trägt das Buch der alten Meister immer mit sich. Er

muss es nur genau lesen.

Auf den folgenden Seiten versuche ich einmal schrittweise zu

beschreiben, warum viele Karateka, Kata sinnlos finden, und wenige

andere Kampfkunstexperten darin das „Wahre Karate“ entdecken. Inwiefern Kata-Bunkai in den verschiedenen Stilarten von Anbeginn an

weitervermittelt wurde, lässt sich heute kaum noch erforschen. Dennoch steht fest, dass sich das intensive Wissen das ein Okinawa-Te Meister

seinen "inneren Schülern" vermittelt hatte, stark von dem Wissen

unterschied, das später in Japan weitergegeben wurde. Die Grundlage dazu alles zu ergründen, wenn wir den "Weg der leeren

Hand" wirklich suchen, ist jedoch vorhanden. Dass das sehr schwierig sein kann sieht man daran, dass in einigen Bunkai-Büchern die Analyse

der Kata viel zu kompliziert und auch oft unrealistisch, einseitig,

geradezu exotisch und eingeschränkt dargestellt wird. Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Man sollte sich einmal

Gedanken darüber machen, wozu Kata eigentlich entwickelt wurden und

welchem Zweck sie wirklich dienten.

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Selbsterfundene Kata.

Die alten Kata aus Okinawa basieren auf jahrhundertelanger Erfahrung.

Es gibt aber auch sehr viele selbsterfundene Kata, die erst nach der Zeit

in Japan erfunden wurden.

So gesehen kann man sogar das Desinteresse einiger Karateka den Kata

gegenüber sogar verstehen. Das kommt daher, weil man den wahren Wert der Kata nicht erkannt hat.

Kata sind eine sinnvolle Ansammlung von unterschiedlichen Techniken einzelner Stilrichtungen. So konnte man sich besser merken, was ein

Meister an seine Schüler weiter geben wollte. Man hat Techniken

entwickelt und sie in Kata zusammengefasst. Kata die auf diese Weise entstanden sind, sind wertvoll.

Aber es sind auch eine Menge Kata nachträglich entstanden, die auf dem falschen Denken der Grundschulmäßigen Bunkai-Form entwickelt

wurden, bei der man die Kata von Anfang bis Ende mit einem, oder

mehreren, Gegner durchzieht. Es ist also Unsinn, zehn neue Kata zu trainieren, wenn darin nichts

anderes enthalten ist, als die üblichen 08/15-Techniken in unterschiedlichen Reihenfolgen.

Einige neuzeitlich selbst entwickelte Kata sind vielleicht ganz gut fürs Training, haben aber keinen wertvoll tieferen Sinn. Es sieht toll aus und

man kann viele verschiedene neue Varianten erfinden.

Die Junro und Joko Kata

Ich kann mir natürlich kein Urteil bilden über alle Kata wie zum Beispiel

die Junro und Joko Kata, weil ich die nicht genug kenne.

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Die fünf „Junro Kata“ wurden von Tetsuhiko Asai entwickelt. Dann wurden von ihm weitere fünf „Joko Kata“ entwickelt.

Sensei Asai hat in Taiwan trainiert wobei sein Stil stark vom „White Crane Kung Fu“ beeinflusst wurde. Die Kata hat er jedoch

selbst entwickelt. Die gab es früher in China nicht. Also sie haben keinen

direkten Chinesischen Ursprung. Es heißt aber, dass er einige andere vergessene Kata wieder entdeckt hat.

So gesehen ist sein Karate- und Lehrstil stark an dem Lehrinhalt der alten Okinawa-Te Meister angesiedelt.

Es gibt aber offenbar zwei Strömungen, in denen die Junro- Kata weiter gegeben wurden. Die IJKA und JKS.

In der JKS wurden diese Kata alle dem Shotokan Stil angepasst und verändert. Die speziellen "Asai-Bewegungen" sind durch normale

Shotokan-Ausführung der Techniken ersetzt worden, was natürlich den

Lerninhalt der einzelnen Kata auch stark veränderte. Diese Veränderungen wurden in der IJKA nicht durchgeführt, d.h. hier

werden die Kata noch so gemacht, wie Asai Sensei sie ursprünglich

vorgesehen hat. Quelle: pers. Dialog mit Gerhard Schönfelder. Technischer Direktor Senbukai

Deutschland

Somit sind wieder einige Kata irgendwie unnütz.

Warum neu, wenn es genug wertvolle alte Kata gibt.

Ich muss sehr viel trainieren, dass ich die 27 üblichen Shotokan-Kata kann. „Beherrschen“ kann man sie ohnehin nie alle. (Also ich nicht)

Daneben gibt es ja noch viele mehr, wie die Meikyo-Formen (Rohai

Shodan, Nidan, Sandan), die Taikyoku- Kata, Kushanku, die

verschiedenen Formen der "alten Okinawa Kata" wie Passai. Man kann sich nur intensiv mit wenigen Kata beschäftigen.

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Auch unwichtig sind die Veränderungen wegen Meisterschaften.

Es ist also Unsinn und irrelevant, die Kata bis zur Perfektion zu üben.

Wenn man den genauen Ablauf beherrscht reicht das. Es ist viel

wichtiger die darin enthaltenen Techniken, einzeln und in Kombination,

zu trainieren, zu perfektionieren und vielseitig zu beherrschen. Genau so unwichtig ist, wenn man einzelne Technik-Abläufe festlegt und intensiv übt, bis man sie im Schlaf beherrscht. Man sollte vielmehr

die Techniken einzeln, immer wieder anders miteinander verbinden;

gerade so, wie es im Moment einfällt.

Kata sind also als Buch und Hinterlassenschaft sehr wichtig. Man muss

ein gutes Repertoire beherrschen, womit man seine Fähigkeiten immer weiter verbessern kann. Es geht also nicht ohne Kata.

Eine Kata ist wie ein Weihnachtsgeschenk. Aber im Gegensatz zu Weihnachtsgeschenken, werden die Kata nur selten ausgepackt.

Mythos? Trainiert man heute eine Kata ohne sich etwas dabei zu denken, ist das Katatraining allenfalls ein gutes Ausdauer- und Gymnastiktraining.

Vielleicht noch gut für die Motorik. Aber ohne Sinn, nützt das nichts.

Was dann übrig bleibt ist die Suche nach Selbstverteidigungstechniken in

Selbstverteidigungskursen. All die Erfahrungen der alten Meister werden somit völlig ignoriert. Karate findet nicht nur im Dojo statt; wenn man das auch oft glaubt.

Karate ist auch eine Wissenschaft. Wenn man Karate nicht nur körperlich, sondern auch geistig betreibt, kann man, nach langem

Training und intensiven Forschungen, das fehlende Bindeglied des

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"Wahren Karate" finden. Und, obwohl so unendlich viel an den Kata geändert wurde, ist eine Entschlüsselung - trotz gewollten oder

unbeabsichtigten Stolperfallen - möglich. Man sieht plötzlich "Bunkai"

in einem ganz anderen Licht. Voraussetzung hierfür - ein jahrelanges

Training. Außerdem muss man Karate-Do, "Den Weg der leeren Hand" auch wirklich suchen. Man muss begreifen wie das frühe Kampftraining

aufgebaut war. Im Wettkampfzeitalter ist dazu oftmals leider keine Zeit

mehr. Wer das Geheimnis des wahren Karate ergründen will, muss also tief in

der Karategeschichte kramen. Man muss die Biografie der alten Okinawa-Meister kennen. Man muss sich mit den wenigen Worten

beschäftigen, die sie uns hinterlassen haben. Man muss die

Ursprungskatas erforschen. Man muss die Geschichte der Kampfkunst begreifen. Wenn man dann die weitere Entwicklung verfolgt, wird vieles

klar. Der falsche Weg war vorprogrammiert.

Die vier Elemente der Kata.

Bevor wir genauer auf die Kata eingehen können, sollte man sich noch

einmal mit der etwas seltsamen Denkweise auseinander setzen, die heute die Katawelt beherrscht. Für mich ist das etwas zu viel intellektuelle

Schreibtischakrobatik. Darum will ich das Thema auch nur kurz

anschneiden.

Die vier Elemente der Kata, wie man sie heute beschreibt, sind Bunkai,

Oyo, Henka und Kakushi. Dazu sollte man noch die Bezeichnungen

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Omote und Okuden kennen.

Quelle: Wikipedia. Als Bunkai bezeichnet man die Analyse der einzelnen fest

vorgeschriebenen Bewegungen einer Kata. Die dabei betrachtete Form

der Kata bezeichnet man als das Genki oder Basis-Modell. Folglich müsste es für jede Kata eine fest vorgeschriebene Angriffsform geben.

Aber diese Gedanken sind, meines Erachtens nach, völlig falsch. Was ist mit den Kampfaspekten einer Kata?

Was ist mit dem Kampfstil den die Gründer der Kata entwickelt haben?

Eine Kata besteht doch aus weit mehr als nur einer inhaltsleeren festgesetzten Angriffsformel.

Manche Bunkai Techniken berücksichtigen nicht den Größenunterschied zwischen Tori und Uke. Der Karateka optimiert die Kata auf seine

Körpergröße und verlässt damit das Genki Modell. Dann spricht man

von Oyo. Wer Funakoshis Worte verstanden hat weiß, dass das Unsinn ist. Das ist

deshalb Unsinn, weil das „Bunkaidenken“ im Karate oft völlig falsch ist. Die Kata darf nicht verändert werden, im Kampf jedoch gilt das

Gegenteil.

Gichin Funakoshi Die Ausführung der Kata werden, trotz absolut gleichen

Bewegungsabläufen der Ausführenden, niemals gleich sein. Das ist so,

weil jeder über eine unterschiedliche körperliche Leistungsfähigkeit

verfügt. Selbst bei einer Kata die synchron ausgeführt wird, ist dies nur scheinbar so. Dann spricht man von Henka.

Hier verwechselt man offenbar Kata mit Eiskunstlauf oder

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Tanzwettbewerben. Das ist wieder ein Beweis, dass man nicht verstanden hat, worum es wirklich geht. Außerdem ist diese Denkweise

schon Unsinn. Malen Sie einmal, mit einem Stift, einen Kreis auf ein

Blatt Papier! Nun malen Sie einen zweiten Kreis, der genau mit dem

ersten Kreis identisch sein muss, auf ein zweites Blatt. Wenn Ihnen das gelingt, sollten Sie mit der Nummer im Zirkus auftreten.

Du magst lange, lange Zeit üben, aber wenn Du nur Deine Hände und

Füße bewegst und auf und ab hüpfst wie eine Marionette, dann ist das

Karate-Studium nicht viel anders als das Tanzen lernen. Du wirst nie

zum Kern der Dinge vordringen. Du wirst die Quintessenz von Karate-

Do nicht begriffen haben.

Gichin Funakoshi Um diese Worte wirklich zu verstehen, muss man einiges an Erfahrung

sammeln. Das lässt sich nämlich nicht in zwei Sätzen erklären.

Wenn man sich in der Kata übt, muss man ihren Sinn verstehen. Man

darf sich nicht von der Technik als solche täuschen lassen und muss

zwischen Jodan, Chudan und Gedan gut unterscheiden. Training ohne

Verständnis des Kata-Sinns ist umsonst.

Kyan, Chotoku. (1870 - 1945) Okinawa-Te Meister.

Kata und Bubishi gehören zusammen.

Viele Karateka fragen sich was zuerst da war: Bunkai, Kata oder vielleicht Bubishi.

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Die Frage ist schon absurd. Warum? Dazu kommen wir jetzt.

Was ist aber Bubishi?

Es werden sehr viele Bücher darüber geschrieben, aber eigentlich hat

keiner den Sinn des Bubishi so richtig verstanden.

In der uralten Chinesischen Bubishi-Überlieferung werden 48 Tafeln mit jeweils zwei Kämpfern dargestellt.

Es soll noch ein älteres Bubishi geben, mit 16 Positionen ohne, und 16 Positionen mit Partner

Quelle: Roland Habersetzer Bubishi. Viele Karate-Forscher glauben diese Positionen wären ebenfalls mit einem – ich sag einmal so – „Bubishi-Bunkai“ zu erklären. Das wäre

wirklich zu einfach. Das ist ja geradezu beleidigend einfach erklärt.

Meiner Ansicht nach, sind die dargestellten Kampfpositionen

Grundpositionen. Jede dieser Positionen stellt für sich, bildlich und

symbolisch gesehen, ein Trainingsprogramm dar. Mit dem richtigen Kata-Training kann man so instinktiv, im wirklichen

Kampf, mit wenigen Grundpositionen blocken und kontern. Wobei dies

alles früher sehr tief perfektioniert wurde. Auch die Vitalpunkte wurden

trainiert.

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Bunkai und Bubishi

Nun müssen wir versuchen, Bubishi mit dem „Richtigen Bunkai-

Training“ zu verbinden.

Richtiges Bunkai-Training.

Obwohl viele Karateka glauben, man müsste beim Bunkai eine Kata von

Anfang an in der perfekten Schrittfolge bis zum Ende durchlaufen,

möchte ich das als großen Irrtum bezeichnen. Wer Bunkai so übt, hat den Sinn der Kata leider noch nicht erkannt. Den speziellen Begriff

„Bunkai Kumite“ habe ich bisher so nur im Shito Ryu gefunden.

Man kann, beim Üben dieser Techniken, durchaus eine Kombination aus der Mitte üben, dann eine Technik vom Anfang der Kata, und mit der

letzten Technik enden. Man kann auch Techniken aus verschiedenen

Kata miteinander kombinieren. Die Techniken sollten nur zueinander passen. Man kann drei Kombinationen zusammen hängen oder nur eine.

Das bleibt jedem selbst überlassen. Aber eine einzelne Kata von Anfang

an bis zum Ende, ausschließlich nur mit Partnern und entsprechenden Bunkai-Techniken zu durchlaufen, ist am wahren Ziel vorbeigeschossen.

Noch viel weiter schießt man am Ziel vorbei, wenn man hierfür eine

eigene Bunkai- oder Selbstverteidigungsversion entwickelt. Wer sich heute auf einem entsprechend hohen Niveau befindet, müsste eigentlich bemerken dass, obwohl die vielen Kata scheinbar alle eine

andere Geschichte haben, doch viele Kata- Techniken - egal aus welcher

Kampfkunst sie entstanden sind - ähnlich aussehen, wenn nicht sogar

gleich sind. Vergleicht man diese miteinander, und erkundet auch noch die Ursprungskata (z.B. Heian - Pinan) kann man den Sinn und die

Zusammenhänge der Techniken besser verstehen und den Schlüssel zum

besseren Verständnis finden.

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Daher ist es unsinnig; absurde und meist realitätsferne Bunkai-Techniken

zu erfinden, einer einzelnen Kata an nur einer Stelle zuzuordnen, und

dann meinen, dass man das alles behalten und anwenden kann.

Domino und Mahjongg

Domino Man sollte eine Kata nicht immer nur stur der Reihe nach trainieren. Im

Katatraining sollte man die Techniken wie eine aneinandergelegte Reihe

eines Dominospiels betrachten. Man muss die Reihe auseinander nehmen, die einzelnen Dominosteine sehen und analysieren. Dann muss

man sie wieder aneinander reihen, wobei man im Training nicht immer

die alte Reihenfolge einhalten muss. Man kann sogar eine Technik mit einer Technik aus einer anderen Spielreihe kombinieren. Man darf also

die Kata nicht als GANZES sehen, sondern die einzelnen Techniken

erkennen und in verschiedener Weise und Kombinationen Trainieren.

Mahjongg Beim Kumite kommt dann Mahjongg ins Spiel.

Die Gruppeneinteilung, die ich hier beschreiben will, ist ähnlich wie ein

Mahjongg-Spiel zu verstehen. Nur haben wir im Karate für jede Gruppe

eine führende Standard Position, die als Grundposition für alle anderen

möglichen Gruppentechniken steht. (Bubishi)

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Gruppeneinteilung der Katatechniken.

Man muss die Katatechniken in Gruppen einteilen. Wobei man den Sinn

der Techniken erkennen muss. Sie müssen nicht immer ganz genau

gleich sein. Jede Gruppe hat dann eine Grundposition, (Bubishi) die alle anderen

Techniken miteinander verbindet. Aus dieser Standardposition kann man alle Folgetechniken aus den Kata

üben. Dann hat man Bubishi mit Kata verbunden. Dann wird auch Bunkai völlig klar erkenntlich.

Wenn man das alles richtig erkennt, versteht sich die Weisheit

Funakoshis.

Wenn man die etwas mehr als dreißig Kata betrachtet, die wir üben,

wird man erkennen, dass sie im Wesentlichen lediglich Variationen von

nur einer Handvoll sind. ....Nur eine Handvoll... (Bubishi-Positionen) Weiter schreibt er:

Würde jemand jede Bewegung und jede Technik unabhängig

voneinander lernen, könnte er nicht erkennen, wie die Kata

untereinander zusammenhängen und in welcher Weise eine Kata,

Bewegungen und Techniken zusammenfasst.

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Man erkennt, dass es eigentlich – nach dem Muster des Bubishi - nur wenige Grundpositionen gibt. Und genau das ist auch besser für den

Kampf umsetzbar.

Daher sollte man die Kata nicht nur als "Ganzes" sehen, sondern auch als

zusammengestellte Reihe zu trainierender Techniken und Kombinationen.

Als Beispiel sollte man einmal die erste Technik der Heian Yondan, mit

der Technik 11 (Shuto Uchi und gleichzeitig Shuto Age Uke), trainieren

und kombinieren. Vergleichen sollte man diese Techniken dann mit dem

Beginn der Heian Nidan (erste beiden Techniken) und der Technik 34 bis 37 der Jion.

34. Jodan-Juji-Uke / 35. Uraken oder Ura-Tsuki und Age-Uke / 36. Chudan-

Tsuki-Uke, und Jodan-Nagashi-Uke. / 37. Ura-Tsuki, (Nummern und Quelle nach den Tafeln von A. Pflüger)

Es gibt an dieser Stelle mehrere Versionen.

Es gibt noch viele andere Beispiele. Für andere Stilrichtungen, in denen diese Kata und Techniken nicht enthalten sind, finden sich bestimmt ähnliche Beispiele.

Um es etwas deutlicher zu erklären, stelle man sich folgende Geschichte vor, die sich so zugetragen haben könnte.

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Der alte Okinawa-Te Meister und sein Schüler.

Ein alter Okinawa-Te Meister rief eines Tages seinen treuesten Schüler

zu sich (Uchi Deshi), um ihm ein altes Geheimnis anzuvertrauen. Der

Schüler war seinem Lehrer über viele Jahre treu und genoss dessen

vollstes Vertrauen. Jahre lang trainierte der Schüler fleißig seine Kata Chinto, Pinan und Naihanshi, nach Anweisung des Meister. Der Schüler

verstand nicht, warum der Meister ihm Anwendungen mit Partner aus

den Kata zeigte, die er einem anderen Schüler anders erklärte.

Der alte Meister zog aus einem Versteck eine kleine Truhe heraus. Darin

lagen sechs Papierrollen (Makimono), die er geheimnisvoll auf einem Tisch ausbreitete. Es war sein Bubishi, das seit langer Zeit in seiner

Familie weiter gegeben wurde. Der Schüler erkannte Kämpfer in

Kampfpositionen, die ihm bekannt vorkamen. Die Kämpfer standen in

Jodan-, Chudan- und Gedan-Positionen gegenüber. Einige Kämpfer standen in diesen Positionen ohne Gegner da, die

anderen waren mit Gegner gezeichnet. Sein Meister zeigte ihm, welche

Katatechniken er zu den dargestellten Bubishi- Positionen zählen konnte. Er teilte Katatechniken in Gruppen ein und begann sie den Bubishi-

Positionen zuzuordnen. Dabei erklärte er auch die Verbindungen der

Techniken, die untereinander bestehen. Obwohl die dargestellten Positionen, mit den verschiedenen Katatechniken die der Schüler kannte,

nicht immer exakt übereinstimmten, erkannte er doch, dass sie alle sehr

ähnlich waren. Der alte Meister meinte dann, dass sein Karatetraining

erst jetzt richtig beginnt. Er begann jeweils mit einer Position die er auf einem Makimono sah, und trainierte dann die dazu passenden Techniken

aus den verschiedenen Kata. Er trainierte dabei auch Folgetechniken und

Konter.

Alle Techniken der Kata, die er in der Folgezeit erlernte, begann er sofort

in die Kampfpositionen des Bubishi seines Meisters aufzuteilen. Mit der

Zeit perfektionierte er die Gruppen immer mehr. So erkannte der Schüler, dass die vielen Techniken der Kata, die er kannte, eigentlich nur

verschiedene Varianten weniger Grundpositionen waren. Und er

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erkannte, dass diese wenigen Grundpositionen, vielseitig anwendbar waren.

Eines Tages fragte der Schüler, warum er in einigen Techniken eher

einen anderen Sinn erkennt, als sie wirklich sinnvoll einzuteilen. Er

fragte, ob einige Techniken aus den Kata vielleicht für anderes Training gedacht seien. Der Meister lachte und meinte, dass er lange auf diese

Frage gewartet hätte.

Er erklärte ihm, dass er, bevor er ins Wasser springt um schwimmen zu lernen, erst an Land ein paar Trockenübungen machen müsse. Mit den

Kata und dem Karate lernen sei es ebenso.

Der Meister erklärte ihm weiter, dass er nun gegen einen anderen

Schüler kämpfen solle, und dabei an nichts denken darf. Keine

Techniken, keine Positionen; er sollte an nichts denken, er sollte es

einfach fließen lassen. Dabei meinte er, dass es keine falschen Techniken gibt, wenn sie funktionieren. Die Kata müsse immer korrekt ausgeführt

werden, im Kampf wäre das aber anders, meinte der Meister weiter.

Darum gäbe es nur wenige Grundpositionen. Der Schüler musste sich konzentrieren und lernen loszulassen. Er durfte an keine Technik denken.

Er sollte nur auf seine Reaktion vertrauen.

Alles was er erlernt hatte, durfte nun nicht mehr vorhanden sein.

Als es zum Kampf kam, und der Meister-Schüler den Kampf klar

gewann verstand er, dass alle Bewegungen und alle Techniken tief in

seinem Inneren verwurzelt waren, ohne dass er es bemerkte oder es ihm bewusst war. Der Schüler lernte, dass eine Kata mehr war als Kampf;

eine Kata ist auch Üben, Lernen und Verinnerlichen. Und wieder musste

der Schüler, neben den wenigen Grundpositionen, die Übungen begreifen, verstehen und erlernen. Er erlernte viele Techniken, feste

Stände, Gegenbewegungen und Körpereinsatz. Und so trainierte er jede

Kata mit dem entsprechend richtigen Verständnis und der Einteilung in

wenige Grundpositionen. Der Schüler trainierte viele Jahre nach der Lehre seines Meisters. Er

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wurde selbst ein bekannter Okinawa-Te Meister der viele große Kämpfe bestritt und gewann. Was niemand wusste: seine Kämpfe beruhten nur

auf wenigen Grundpositionen des Bubishi seines Meisters und aus dem

richtigen Verständnis der Kata.

Der Schatz im Katasee

Ja, man könnte von einem Schatz reden. Aber um ihn zu finden, muss

man erst wissen dass er existiert.

Viele Karatekas glauben eher an Aliens als an eine Besonderheit in den

Kata. Hier möchte ich noch einmal näher darauf eingehen, wie man Kata erforschen kann. Leider sind im Goju- Ryu viele mir unbekannte Kata.

Ich denke aber, dass es dort ähnliche Beispiele gibt.

Noch einmal kurz wiederholt.

Wenn man Kata trainiert und in aller Ruhe miteinander vergleicht,

könnte man oftmals von verwandten Techniken sprechen. Man könnte -

würde man es familiär sehen - von Zwillingen, Brüdern, Schwestern, aber auch Cousinen und Cousins reden. Man sollte aber auch den

Techniken entsprechend Spielraum und kreative Freiheiten lassen.

Dann erkennt man die Verwandtschaft eher. Auf diese Weise wollen wir einmal die Kata--Techniken einteilen. Ich

versuche einmal hier einige Beispiele zu beschreiben. Alle zu beschreiben und zu verknüpfen, würde sicher den Rahmen dieses Buches

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sprengen. Außerdem müsste man auch die veränderten Kata mit einbeziehen.

Beispiel: Vergleichen kann man die ersten Techniken der Pinan Nidan (In Japan

die Pinan Shodan) mit den ersten Techniken der Chinte. Ein Vergleich

der Heian Shodan mit der Chinte ist nicht mehr möglich. Hier wurden die Zusammenhänge mit den Änderungen auseinander gerissen.

Auch Verknüpfungen und passende Folgetechniken, wie in der Heian Yondan Technik 1 mit Technik 11, kann ich hier nicht alle offenbaren.

Auch innerhalb einer Kata, werden oft vergleichbare Techniken – und

somit die Kampfaspekte – nicht erkannt. Man sollte noch einmal auf Ähnlichkeiten der Jodan, Chudan und Gedan Techniken achten; und die

einzelnen Techniken, die man auch gleichzeitig machen könnte, und

sogar sollte, erkennen.

Man könnte sie, unter anderem, in folgende Gruppen einteilen

1 Gruppe 1 - Jodan, Doppeltechniken wie Haiwan Uke oder

Juji-Uke. Auch Age-Uke gehört dazu.

2 Gruppe 2 - Jodan, einhändige Blocktechniken nach innen.

Nagashi-Uke, Osae-Uke, Otoshi-ude-Uke.

3 Gruppe 3 - Chudan, beidhändige Blocktechniken wie

Kakiwake Uke oder doppel Uchi-Uke

4 Gruppe 4 - Chudan- Gedan. Wie Uchi-Uke und Gedan Barai

gleichzeitig.

5 Gruppe 5 - Beidhändige Gedan Techniken. Man kann solche Techniken alle in den Kata finden und in Gruppen

einteilen.

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Kata und die Chinesische Schrift.

Wie schon beschrieben, muss man die einzelnen Techniken der Kata wie

Domino- oder Mahjongg-Steine betrachten und entsprechend damit üben. Katatechniken sind Symbole wie die Schrift der Chinesen. Daher

ist auch oft die Denk- und die Trainingsweise mit symbolischen

Hilfsmittel verbunden. Es ist zu einfach einer Kata zwangsweise das viel zu enge, und einzige, Bunkai-Kleid anzuziehen.

Jede Technik symbolisiert eine Trainingsanweisung. Die chinesische Schrift ist aus Bildern entstanden. Im Laufe der Zeit

wurde die Schrift vereinfacht. Wenn die alten Chinesischen Kampfmeister in Bildern dachten, steckt mehr in den einzelnen

Katatechniken, als wir heute ahnen. Und somit kommt auch wieder das

Bubishi ins Spiel.

Man muss Gruppen bilden mit zueinanderpassenden Techniken, und

dann für jede Gruppe eine Bubishi-Standardposition suchen. Standardpositionen deshalb, weil im Ernstfall eh nur wenig und gut

eingeprägte Techniken übrig bleiben. Man übt vieles; und das ist auch

notwendig. Am Ende wird aber nur wenig Standardabwehr

herauskommen. Die Standardpositionen symbolisieren auch die zu trainierenden Gruppen. Man merkt sich nur wenige dieser Positionen

und übt dann alle aus den Kata passende Techniken.

Dazu sollte man vielleicht mit der Jion anfangen. Technik 34 – 37

(Zählweise nach Pflüger) bietet wunderbare Möglichkeiten.

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(beidhändige Techniken) Dabei sollte man auch beachten, dass es bei Technik 35 zwei verschiedene Versionen gibt. Man sollte diese Version

mit der Heian Godan vergleichen.

Und nicht zu vergessen: Diese Übungen dienen der Schulung und

Erweiterung unserer angeborenen motorischen Reflexe, der

Bewegungskoordination und der Geschicklichkeit. Man sollte nicht entgegen dieser Motorik trainieren.

Es ist also wichtig eine Kata-Technik herauszusuchen und einfach inne zu halten. Man muss die Technik langsam, immer wiederholen, und sich

dabei an ähnliche Techniken aus anderen Kata erinnern. Man muss sie

miteinander kombinieren und ihren Ursprung erforschen. Oftmals müssen diese Techniken auch wesentlich schneller geübt werden, als dies

in den Kata geschieht. In den Kata ist es eben nur eine symbolische

Darstellung einer Trainingsanweisung. Somit besteht eine Kata aus

vielen symbolischen Trainingsanweisungen. Wenn man die Formen aufgibt, kann man die verschiedenen Techniken, die darin enthalten sind,

auch außerhalb der Kata einzeln in allen Varianten trainieren. Dabei

müssen die Techniken nicht schön sein, wie bei einer Katameisterschaft; sie müssen funktionieren. Wer das versteht und dementsprechend übt, hat

den Weg zur höchsten Trainingsstufe des Karate erreicht. Jetzt muss man

ihn nur noch gehen. Doch es dauert lange bis man dort hin kommt. Aber der Weg zur Schatzinsel war auch weit.

Und nicht vergessen: Ambidextrie im Karate! Beachtet man das nicht, oder erkennt man das alles nicht, endet eine

wirkliche Kampfsituation nur in einer wilden oder hilflosen Schlägerei. Hat man den wahren Kampfstil des Karate ergründet, ist man

irgendwann imstande anders zu reagieren als bei einer

Wirzhausschlägerei.

Das ist RICHTIGES Katatraining.

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Nur so, kann aus der Vielfalt der Katatechniken ein automatisiertes Reagieren im Ernstfall entstehen.

Nochmal ein wichtiges Zitat.

Wenn man die etwas mehr als dreißig Kata betrachtet, die wir üben,

wird man erkennen, dass sie im Wesentlichen lediglich Variationen von

nur einer Handvoll sind.

Gichin Funakoshi

Auf Okinawa gab es früher nur Kata. Kenei Mabuni schreibt in seinem

Buch „Leere Hand“, dass sein Vater Kenwa Mabuni (Gründer des

Shito Ryu Karate) die Katatechniken eindrucksvoll in der Anwendung mit Partner demonstrierte. Das war der alte Weg zum Karate-Do. Es gab

auf Okinawa, Kanku-Training, Naifanchi-Training oder Passai-

Training. Das Training wurde eben nach den Kata benannt. Und danach wurden auch die Techniken trainiert.

In Japan musste man alles für die große weite Welt standardisieren und genau beschreiben. So entstand Kihon. Diese japanische Form des Kihon

wird heute immer noch genau so trainiert. Doch bei den Techniken, die

man in der Grundschule lernt, handelt es sich nur um einen winziger Teil

der wirklichen Techniken, die in den Kata enthalten sind. Und diese Techniken werden sehr oft und systematisch übersehen.

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Kaputtverbesserte Kata

Anhand der Shorin Pinan Nidan und der Heian Shodan kann man die

Unterschiede gut erkennen. Ich möchte zeigen, wie sehr auch nur

minimale Veränderungen, die Kampfkonzepte und die Bunkai Gedanken

verändern und verderben können. Wie sehr man grandiose Techniken ignorieren kann, oder nicht versteht, wird hier auch beschrieben.

Die Heian Kata wurde von Gichin Funakoshi aus den Pinan Kata

entwickelt. Es heißt, dass er diese Kata nicht von Itosu Yatsune selbst,

sondern – direkt oder indirekt – von Kenwa Mabuni lernte.

(Quelle: Leere Hand von Kenei Mabuni) In seinem Buch „Karate no Nyumon“ steht allerdings, dass er die Kata

selbst bei seinem Meister Itosu lernte. Die Änderungen dieser Kata

stammen von Gichin Funakoshi und seinem Sohn Yoshitaka. Ob Mabuni die Kata genau so weiter gegeben hat wie sein Meister es

ihm zeigte ist mir noch nicht bekannt. Aber um zu wissen was falsch gelaufen ist, muss man die Ursprungskatas kennen. Daher sind hier die

Shorin Versionen als Grundlage beschrieben. Sie ist, in vielen Shorin-

Vereinen, die älteste Version.

Die Heian Shodan stammt nicht etwa von der Pinan Shodan,

sondern von der Pinan Nidan ab. Funakoshi hat die beiden Kata

getauscht.

In der Shorin Pinan Nidan kommt zu Beginn eine Drehung nach links in

eine Nekoashi Position mit einem, im Halbkreis geschlagenen, Tettsui Uke. Wobei die Drehung nicht mit einer Vorwärtsbewegung Richtung

Gegner erfolgt, sondern - mit der Armtechnik - etwa eine halbe Fußlänge

zurück, Neko-Ashi-Dachi eingenommen wird. Gefolgt mit einem kurzen

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Schritt vorwärts mit Chudan Zuki.

Quelle: The Essence of Okinawan Karate-Do von Shoshin Nagamine

In der Heian Shodan wird hier ein Gedan Barai in tiefen ZK, vor in

Richtung des Angreifers, gemacht. Gefolgt von einem tiefen Oi-Zuki. Das hat mit der alten Kata nichts mehr zu tun.

Die Drehung in die andere Richtung in der Shorin Pinan Nidan erfolgt

wieder mit kurzem Schritt (ZK) und Gedan Barai. Dieser Gedan Barai dient aber nicht unbedingt der Abwehr gegen einen Fußtritt, sondern

auch um die so empfindliche Seitenpartie zu decken. Ein Gegner visiert

die Nieren kurze Rippen oder die Leber, an um uns einen empfindlichen

Schlag mit seiner linken Faust zu versetzen. Wir blocken mit besagtem Gedan Barai.

Der kurze Zenkutsu Dachi wird nun zurückgezogen in Neko Ashi Dashi.

Es folgt die gleiche Technik - ein kreisförmig geschlagener Tettsui Uke -

wie schon zuvor in der anderen Richtung beschrieben.

Wobei hier ein zweiter Faustschlag des Gegners mit seiner

rechten Hand geblockt wird.

Oder ein Griff an der Schulter abgewehrt wird.

Oder die zuvor geblockte Hand kontrolliert wird.

Oder ein Befreien aus einer Handgelegumklammerung.

Oder es wird ein gewaltiger Tettsui-Uchi geschlagen, der auf diese Weise eine verehrende Wirkung haben kann.

Sie sehen, es gibt immer mehrere Möglichkeiten der Anwendung.

Der Griff an die Schulter ist sehr realistisch, weil viele Schlägertypen

ihren Faustschlag, durch vorhergehendes Greifen, vorbereiten. Aus Neko

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Ashi Dashi heraus kann man nun schnell zu einem Oi-Tsuki wechseln. So gesehen, ergibt dieses Zurückziehen des vorderen Fußes – ob nun in

Renoji-Dachi oder in eine Nekoashi Position -, einen ganz klaren Sinn. Durch die kreisförmige Technik – die auch am Anfang der Chinte

vorkommt – richtet man sich natürlich auf, um die Technik besser

ausführen zu können. Durch das Aufrichten und kurze zurückziehen des Körpers, gewinnt man die nötige zusätzliche Zeit, Abstand und Energie,

einen zweiten Schlag des Gegners zu blocken und selbst die Initiative

ergreifen zu können.

In der Heian Shodan folgt an dieser Stelle eine Drehung in eine tiefe

Zenkutsu Dachi Stellung mit Gedan Barai. In der alten Nakayama Version wird jetzt der Tettsui Uchi, nach einem

kurzen heranziehen des vorderen Fußes, wieder in Zenkutsu Dachi ausgeführt. Kanazawa hielt sich aber mit Renoji-Dachi mehr an das

Original.

Die Bunkai Erklärung in gängigen Bunkai Büchern ist auch völlig

anders. In der Karatewelt allerdings gibt es viel bessere Erklärungen. Ich

stehe also bei weitem, mit dieser Beschreibung, nicht alleine da. Gängige Bunkai Bücher:

Man hat einen Mae Geri abgewehrt wobei es dem Gegner gelungen ist das Handgelenk zu umklammern.

An dieser Stelle muss ich noch eine kleine Zwischenbemerkung machen:

Wieso sollte mich jemand, der gerade versucht hat mich mit einem

Hüftschlag oder Tritt, zusammenzutreten, am Handgelenk fassen? Und

wieso glaubt man, dass das im Ernstfall überhaupt jemand gelingt? Und dann, bitte, nicht so viele „Handgelenkumklammerungen“ in den

Selbstverteidigungskursen oder Bunkai-Erklärungen einbauen. Das

macht niemand; wenn, dann nur bei sehr viel schwächeren Menschen.

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Erklären Sie einmal einem Richter, dass Sie jemanden auf die Zwölf gekloppt haben, weil er Sie am Handgelenk fasste.

Man befreit sich aus der Umklammerung und führt einen Tettsui Uchi weit nach vorne in tiefen Zenkutsu Dachi aus. Wobei der Tettsui Uchi

auf den Kopf oder die Schulter des Gegners gerichtet ist.

Man kann das durchaus so sinnvoll mit Anfängern trainieren. Es weicht

aber extrem vom Ursprung ab.

Funakoshi hat – in den japanischen Anfangsjahren - diese Technik so

belassen wie im Original. Man muss auch wissen, dass sein Zenkutsu

Dachi nicht so tief war wie später zu Nakayamas Zeiten. Ich bin der Ansicht, dass man diese Technik nicht richtig erkannt hat. Es ist eine vielseitig einsetzbare Technik die Gedan, Jodan und Chudan

einsetzbar ist. Es ist nicht nur ein Tettsui Uchi, sondern (unter Anderem)

auch ein kreisförmig ausgeführter Tettsui Uke. Aber wie ich schon oben

schrieb: Nicht nur ich habe das erkannt. Im Jahr 2002 wurde das wieder, der Standardisierung wegen, geändert. Man geht wieder, mit dem Tettsui Uchi, tief in Zenkutsu Dachi.

Jetzt müsste ich mit der Heian Nidan und der Shorin Pinan Shodan weiter machen. Aber, schauen Sie sich die Anfangstechnik einmal

selbst an. Nutzen Sie das Internet. Es gibt gravierende Unterschiede.

Obwohl die Techniken beider Kata ähnlich aussehen.

Ein Tipp an dieser Stelle. Suchen Sie nach:

„Okinawa Shorin Ryu Shubukan - Uema Yasuhiro Sensei 10. Dan “

Ich kann wirklich nicht alles beschreiben, was mir aufgefallen ist. Aber

schauen Sie sich diese Videos genau an und vergleichen Sie die

Techniken mit den neueren Versionen des Shotokan.

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Der Mensch sollte sich niemals genieren einen Irrtum zuzugeben, zeigt

er doch, dass er heute gescheiter ist als gestern.

Jonathan Swift,

englisch-irischer Schriftsteller, Satiriker

Ignorierte und vergessene Techniken

Nun könnte man weitere Kapitel füllen, mit vergessenen, nicht erkannten

oder kaum erwähnten Techniken. Zum Beispiel mit:

Kake-Uke, Ashikubi-Kake-Uke, Hasami-Uke, Hotoke-

gamae, Kosa-Uke, Makite-Uke, Mawashi-Uke, Muso-Uke, Sagurite- Uke, Suirakan no kamae, Torite-Uke, Wari-Uke. Die alten Kata, die noch in Okinawa unter ihren unveränderten Namen gelehrt wurden, waren voller Techniken, die im modernen Karate (z.B.

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Shotokan) nicht übernommen, wenig beachtet oder kaum erkannt wurden.

Teilweise sind solche Techniken vorhanden; man erkennt sie

bloß nicht.

Teilweise gibt es die Techniken noch, man hat sich nur nicht

intensiv genug damit beschäftigt. In den meisten

Prüfungsprogrammen fehlen bisher solch schöne Techniken.

(z.B. Sokumen- oder Haishu Awase-Uke, Mawashi-Uke)

Teilweise wurden solche Techniken aber auch durch andere,

ähnliche Techniken, die man kannte, ersetzt.

Anhand des Sagurite-Uke möchte ich das einmal näher beschreiben.

Als Quelle benenne ich wieder: The Essence of Okinawan Karate-Do

von Shoshin Nagamine

Dort heißt es:

Sagurite-Uke (Searching-hand block) This is seen in the last part of Passai kata and was originally used to

search for the opponent at close range in the dark.

Used only in Passai. Am Ende der Bassai-Sho – die zusammen mit der Bassai-Dai aus der

Passai stammt – sind die Techniken der Kata mit „Morote- Hiki- Otoshi“ bezeichnet.

Ich möchte nachher noch Trainings- und Anwendungsmöglichkeiten

dieser Technik ansprechen. Denn wenn man die alte Technik aus der

Oyadomari no Passai betrachtet, erscheint diese Variante wieder einmal

auf dem Haus der Unwissenheit aufgebaut zu sein. In den Okinawa Passai Formen ist es – neben einer ganz alten und

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anderen Form des Shuto-Uke - ein Sagurite-Uke. Das bedeutet „suchende Hände“.

Es ist eine reine Verteidigungs-Technik, mit der man sich mehr auf den Tastsinn als auf das Auge verlässt. Es ist eine beidhändige

Abwehrtechnik, bei der beide Handflächen nach unten zeigen. Sie wird

ähnlich den alten Okinawa Shuto-Uke Versionen ausgeführt. Die vordere Hand wie beim Shuto-Uke, Handfläche aber nach unten.

Die hintere Hand eine Handlänge dahinter und die Handfläche zeigt ebenfalls nach unten.

Es ist eine schöne Abwehrtechnik, die es in den Japanischen Stilarten nicht gibt.

Diese Version würde auch den am Ende der Bassai Dai ausgeführten

Shuto-Uke, der nach hinten, mit Blick in die entgegengesetzte Richtung gemacht wird, erklären.

In der „Itosu-Passai“ von Itosu Yatsune kann man offenbar noch die Schlusstechniken so sehen wie er sie ursprünglich lernte.

Aber … Wenn man die beiden neuen Versionen des Meisters ITOSHU

(Bassai Dai und Bassai Sho) genauer untersucht, entdeckt man wieder

verschiedene Trainings- und Anwendungsmöglichkeiten der alten und

neuen Formen dieser Kata. Verbinden Sie doch einmal in der Bassai Sho den Morote- Koko-Uke

(oder auch oft mit „Bo-Uke“ bezeichnet) direkt mit dem Ende der Kata.

(Dominostein-Karate) Vergleichen Sie auch diese Technik (Bo-Uke) mit dem Ende der Jion; der

ersten Technik der Heian Nidan und Heian Yondan. Drehen Sie beim üben des Sagurite-Uke einfach mal die Handflächen

nach oben, statt nach unten! Spielen Sie etwas mit diesen Techniken

herum.

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Seien Sie nicht so einfallslos. ;-) Man hat die Kata in Japan, den wenigen Grundschultechniken

angepasst, die man kannte. Und wenn solche Techniken doch vorhanden waren - wie „Kake-Uke“ oder „Mawashi uke“ - wurden sie nicht weiter

beachtet.

Nun sind aber viele solcher Techniken, noch immer unerkannt in vielen

Kata enthalten. Die alten Kata sind voller schöner Techniken und

Stellungen (z.B. Sanchin Dachi, Sochin-Dachi, Hangetsu-Dachi), die man - wegen dem eiligst notwendigen Wettkampftraining - nicht suchte,

nicht brauchte, nicht beachtete oder nicht erkannte.

Jetzt könnte man mit der Enpi (Wanshu), Nijushiho (Niseishi), Jitte und

anderen Kata oder Kakie weiter machen.

In der Nijushiho könnte man zum Beispiel den Mawashi Uke am Ende

der Kata erwähnen. Nur wenige Karateka wissen, dass es ein Mawashi

Uke ist. Obwohl diese Technik auch in der Unsu am Ende gleich zweimal gemacht wird. Und wer sehen will wie man diese Technik

grundschulmäßig in Anwendung trainiert, muss bei den „alten Karate-

Stilarten“ nachschauen.

Ich brauchte ein halbes Jahr bis ich heraus fand, was man mit dieser Technik machen kann.

Nur ein Tipp: Nicht alle Angriffe werden mit einem schnellen harten

Schlag gemacht. Wenn man Kata nicht ernst nimmt, nimmt man auch diese vielen

schönen und wirkungsvollen Techniken nicht ernst. Ein Lichtblick am Horizont ist das Stil offene Prüfprogramm; wenn man es dazu nutzt.

Aber, um Wettkampferfolge nachhause zu tragen, reichen die tausendmal

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geübten - und bis zum höchsten Prüfprogramm gleichbleibenden - Grundschultechniken. Die Kihon- Programme sind zwar etwas schwerer,

je höher die Prüfung, aber die Techniken sind immer dieselben. Dabei

wird auf Athletik großen Wert gelegt. (Jodan Mawashi Geri, Jodan Ura

Mawashi Geri) Aber Karate ist heute auch Breitensport, bei dem viel Wert auf Gesundheit und Selbstverteidigung gelegt wird. Dort schaut man schon

mal tiefer in die Vergangenheit und die Vielfalt des Karate-do. Und man

schaut auch schon mal, was es für Techniken und Stellungen in den Kata

gibt und wie man diese anwenden kann.

Vergessene und verfälschte Techniken

Die Veränderung des Shuto Uke wurde ja bereits beschrieben.

Um es noch deutlicher zu machen, warum es wichtig ist in der

Vergangenheit und bei den Ursprungskatas zu forschen, wollen wir uns

jetzt einmal mit einer Technik aus der Enpi und deren Ursprungskata, der Wanshu, beschäftigen. Man muss aber schon etwas „graben“, um diese

alte Version noch zu finden.

In der Enpi gibt es die Technik „Age-Zuki“. Diese Technik stammt

ursprünglich aus der Technik „Kakushi-Zuki“.

The Essence of Okinawan Karate-Do von Shoshin Nagamine Dort heißt es:

Kakushi zuki ( Hidden fist punch )

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The fist is placed on the lower part of the back, and the punch is delivered from there. Wanshu

Kakushi-Zuki ist jedoch viel komplexer als Age-Zuki. Vor allem, es steckt viel mehr dahinter.

Kakushi-Zuki wird meist bezeichnet mit „Versteckter Faust“. Es heißt,

dass man die Faust hinter dem Rücken verborgen hält, und von dort aus, eine peitschenartige Bewegung Richtung Kopf des Gegners ausführt.

So, nun mal langsam. Das ergibt keinen Sinn. Man kann Kakushi-Zuki statt Age-Zuki auch gut ausführen, wenn man die Faust nicht hinter dem

Rücken hält.

Und die Faust verstecken, dass der Gegner sie nicht sieht? …. Nein, das ergibt auch keinen Sinn.

Hier muss man einmal mit einen Irrtum vorweg aufräumen. Als Meister Funakoshi 1921 zum ersten Mal nach Japan kam, war

Karate noch unter dem Namen "Okinawa-Te", bekannt; was so viel bedeutet wie "Handtechnik". Es gab auch Bezeichnungen wie „Tode“

oder „Karate“. Wobei das Wort „Karate“ in Okinawa nicht „leere Hand“

- wie in Japan – sondern „China-Hand“ bedeutete. In Japan wurde dann der alte Name in "Karate-Do" - was "Der Weg der leeren Hand" bedeutet

– umbenannt.

(Quellen: Bücher von Funakoshi. Karate-Do Kyohan) Die kämpfenden Hände der alten Okinawa-Kämpfer waren jedoch nicht

immer leer. Es wurden Techniken mit Bo (Stock) und Sai (auch Jitte - Gabelförmige Stichwaffe) trainiert. Außerdem gab es noch die Tonfa,

Kama, Nunchaku und andere.

Es gibt sogar noch Fotos, die Gichin Funakoshi mit Sai und Bo zeigen. Das alte Okinawa-Karate hat seinen Ursprung größtenteils in China. Und

die alte chinesische Kampfkunst war voller Waffentechniken. Und die

Wanshu – also die Ursprungskata der Enpi – stammt aus China.

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Und nun zurück zu unserer Technik.

Wieso sollte jemand die leere Faust hinter dem Rücken verbergen? Jeder

„Messerheld“ kann sein Messer so geschickt verbergen, dass man es erst zu Gesicht bekommt, wenn es zu spät ist. Und genau das, wurde hier

trainiert; das Verbergen und schnelle Einsetzen einer Waffe. Wobei es

kein Messer sein muss. Das funktioniert auch mit anderen Waffen. Ja, das funktioniert sogar – wenn man Kakushi-Zuki richtig einsetzt – mit

modernen Teleskopschlagstöcken. Da man solche Waffen im Einsatz

(Polizei, Wachdienst, Ordnungsamt) oftmals genau dort am Gürtel trägt,

wo in der Wanshu die Faust „versteckt“ wird, ergibt das nicht nur einen Sinn für die „alten Kämpfer“, sondern auch in der „modernen Zeit“ ist

die Technik gut einsetzbar.

Und was ist daraus geworden? Ein Age-Zuki.

Kata, Kumite und Grundschule

Nun kann man vieles miteinander verbinden und besser verstehen.

Bunkai oder Kampfaspekte?

Nun versteht man auch besser, was die „Alten Okinawa-Te Meister“ meinten, als sie nicht etwa von Bunkai redeten, sondern von den viel

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wichtigeren, und den eigentlichen Sinn der Kata entsprechenden, Kampfaspekten.

Bunkai ist eigentlich nur eine Bezeichnung für einzelne Anwendungsbeispiele aus den Kata.

Man muss den Geist einer Kata, das System der Kata und den Kampfstil

der Kata verstehen. Wenn man einen nassen Schwamm in Händen hält und nichts

unternimmt, tropft nur wenig Wasser heraus. Wenn man aber den Schwamm auswringt, erhält man sehr viel Wasser. Und so ist das auch

mit den Kata.

Das bedeutet aber auch, wenn die Kata nicht nur auf Bunkai, sondern auf

Kampfaspekte aufgebaut wurden, sind einige Techniken vom Standpunkt

des Bunkai, nicht alle zu erklären.

Die Gegenbewegung Die Heian Sandan ist eines der vielen Beispiele, wie wenig wir wirklich

die Techniken der alten Okinawa-Kämpfer verstehen. Dabei haben wir die Lösung direkt vor unserer Nase. Die erste Technik

ist ein klassischer Uchi Uke. Kurz ausholen und mit Uchi Uke blocken,

wobei eben mit dem anderen Arm eine entsprechend starke

Gegenbewegung erzeugt wird. Um das grundschulmäßig am Anfang zu üben, sollte man die Ausholbewegung etwas deutlicher machen.

Nach diesem ersten Uchi-Uke seitlich, folgt aber etwas Besonderes. Ich

ziehe den hinteren Fuß heran und stehe jetzt frontal zu meinem Gegner.

Diese Situation ist nicht untypisch. Sie ist eher am häufigsten

Ausgangspunkt einer Auseinandersetzung. Nun werden die nächsten Techniken als Doppelblock erklärt.

Das wollen wir an dieser Stelle erst einmal vergessen.

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Nun können wir nicht mehr ausholen um mit Uchi Uke zu blocken. Dazu

haben wir keine Zeit. Wir können auch die andere Faust nicht zur Hüfte

zurückziehen. Das ist in frontalen Situationen nicht unbedingt ratsam. Es muss sich nicht immer unbedingt um eine Gegenbewegung handeln.

Es kann sich auch um eine unterstützende Hilfsbewegung handeln, die als beidhändige Technik zum Angriff oder als zusätzliche Deckung dient.

Es geht um den richtigen Körpereinsatz. Machen Sie das, liebe Leser,

einmal ohne Gegenbewegung oder beidhändiger Unterstützung, mit nur einem Arm! Es wird Ihnen nicht gelingen, einen solchen Schlag zu

stoppen. Weil der richtige Körpereinsatz fehlt.

Nun führen sie eine starke Gegenbewegung mit dem anderen Arm aus,

indem Sie es genauso machen wie in der Heian Sandan; mit einem

starken Gedan-Barai oder Gedan-Zuki! Dadurch, dass die beiden Techniken zusammenwirken, unterstützen sie sich gegenseitig enorm.

Es funktioniert in dieser frontalen Situation besser, als die andere Faust

an die Hüfte zurückzuziehen. Sie werden erkennen, dass die alten Kämpfer in Okinawa genau wussten, wie sie effektiv blocken konnten,

ohne einen Kilometer weit ausholen zu müssen. Das Gleiche gilt

natürlich auch, wenn man statt des Uchi-Uke, mit Gedan Barai blocken

muss. Diese starke Übung der Gegenbewegung wird leider nur selten erkannt. Sie ist aber sehr wichtig. Gegenbewegung in Perfektion heißt

nämlich dann: Blocken und Kontern in einem Takt. Hat man das

erkannt, bieten sich viele Trainingsmöglichkeiten. Sie können auf diese Weise viele Techniken, die in den Kata einzeln, im

Takt, geübt werden, zusammen trainieren. Sie erkennen wie wichtig es ist alles miteinander zu verbinden. Grundschule, realistische kurze und schnelle Techniken und die richtige

Gegenbewegung mit der entsprechenden Körperspannung.

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Nun erkennen wir: Immer mit beiden Händen Kämpfen. Links Uchi Uke und die andere

Faust an der Hüfte? Nein, sorry. Das geht im Kampf gar nicht. Das sind

„Sandsackübungen“.

Man sollte also nicht immer versuchen zwangsweise Bunkai in die Kata hinein zu interpretieren. Es ist viel wichtiger, wenn man deren wahren

Sinn erkennt.

Jion (Technik 34-37)

Wer das ernsthaft übt und weiter ausbaut, trainiert weit über das hinweg,

was die eigentliche Bunkai-Übung ermöglicht. Und das ist nur eine einzige Technik aus der großen Jion. Der Beginn der Jion ist eben genau

so zu verstehen wie die Beschreibung der Heian Sandan. Wer diese

Gegenbewegung beherrscht, kann die Technik 34-37 aus der Jion üben. Die Kampfaspekte der Tekki Kata sind, neben den Armtechniken auch

Beintechniken in den Gedan-Bereich zu führen. (Schienbein, Knie, Oberschenkel.) Wenn man die alte Ursprungskata sieht, erkennt man das

eher. Bei den Kampfübungen im Dojo ist auf beides zu achten.

Auch die Kampfaspekte der Hangetsu (Seisan) dürften klar sein. Auch

in der älteren Seisan werden die hohen stabilen Stellungen trainiert. Man

steht nicht tief, sondern aufrecht in einer Stellung, in der wir möglichst viel Bodenkontakt herausholen. Richtige Atmung, richtige

Muskelanspannung und Schwerpunkt, spielen eine maßgebliche Rolle.

Dies muss man erst einmal können. Wer diese, und ähnliche Stellungen, beherrschen will, muss viel üben. Und ich denke, dass es genau darum

geht, in dieser Kata. Man übt es erst langsam. Dann trainiert man es am

Partner. Wie stabil kann man denn stehen? Dann übt man andere Techniken. Und zuletzt alles in besagter aufrechter Stellung, in der man

sich regelrecht in den Boden zu schrauben versucht. (Nicht wörtlich

nehmen!) ;-)

Man trainierte mit den Kata Kampfstil und Kampfsystem des Meisters.

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Früher trainierte man wenig Kata, aber diese sehr lange und intensiv. Dabei trainierte man nicht nur den einfachen Ablauf oder die Perfektion

der Techniken; sondern eben diese Kampfaspekte. Man trainierte

Kampfstil und Kampfsystem des Meisters, die in seiner Kata

symbolisch, durch einzelne Technikbeispiele, enthalten waren. Dann hatte man lange zu tun, um wirklich zu verstehen was in einer solchen

Kata steckt.

Eine Kata entstand also aus den einzelnen Übungsplänen der alten

Okinawa-Te Meister. Diese Übungspläne beinhalteten aber nicht

einzelne Abwehrtechniken gegen gewisse Angriffe. Ein Meister packte sein ganzes Übungskonzept in seine Kata. Jede Technik war nur eine

Erinnerung an einen Übungsplan. Dann redet man nicht von Bunkai,

sondern von Kampfaspekten. Man redet vom Kampfstil und dem Kampfsystem der Meister.

Ein erfahrener Meister, konnte die Technik eines anderen Meisters erkennen, wenn er dessen Kata sah.

Heute lernt man viele Kata, und sehr oft ohne Sinn. Es ist durchaus gut,

wenn man viele Kata beherrscht. Aber wirklich ernsthaft beschäftigen,

kann man sich nur mit wenigen. Dabei ist es gut, wenn man ähnliche

Techniken, die man gerade trainiert, auch in anderen Kata wieder findet und vergleichen kann. Die gerade geübte Kata sollte man dabei aber

nicht verlassen.

Wir haben Angriffstechniken wie auch Blocktechniken. Man muss jetzt

nur noch die Möglichkeiten ausschöpfen und üben.

Aber in drei Monaten schafft man das nicht. Anfängern sind hier auch

Grenzen gesetzt. Darum sollte man immer wieder zu den alten Kata zurückkehren und sein Niveau anheben.

Abhaken sollte man eine Schülerkata nie.

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Kumiteübungen und Bunkai

Befassen wir uns noch einmal kurz mit den einzelnen Kumiteübungen.

Denn diese Kumiteübungen sind eigentlich sehr gut geeignet, Tai Sabaki

zu trainieren. Sie sind auch geeignet Kata-Bunkai zu trainieren.

Doch vergleichen wir einmal kurz. Altes Okinawa-Karate. Basis = Kata,

Kampfstil = Bunkai-Kumite,

Ziel = Selbstverteidigung und Kunst des Kampfes.

Modernes Japan-Karate. Basis = Kihon Kampfstil = Wettkampf-Kumite

Ziel = Wettkampferfolg Kämpfen nach Regeln

Eigentlich enthält die Kata alles was man braucht um Karate zu lernen.

Aber warum erkennt man das nicht? Es wurden viele verschiedene

Kumiteübungen entwickelt, die auf Grundschultechniken aufgebaut sind.

Bunkai-Kumite

Darunter versteht man einzelne Techniken aus den Kata mit Angreifer zu

üben. Zwei Kämpfer stehen sich gegenüber und üben eine

Blockkombination aus einer Kata. Dabei kann es sich um eine

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Blocktechnik, oder um mehrere - wie in der Jion Technik 34-37 - handeln. Der Angriff richtet sich nach dem zu übenden Block. Hier wird

man schnell merken, dass man die Techniken oft schneller und fließender

machen muss, als in den Kata. Man kann den Schwierigkeitsgrad

entsprechend erhöhen. Ziel ist, die Katatechniken so zu erlernen, dass man sie bis zum realen Kampf und zur realen Selbstverteidigung steigert.

Allerdings gibt es hier immer nur einen Angreifer und einen Verteidiger.

Um aber Wettkampf zu ermöglichen, müssen beide Kämpfer angreifen.

Außerdem ist es schwierig Wettkämpfe zu ermöglichen, wenn man die

Möglichkeiten, die Kata bieten, nicht richtig erkennt. Nun ja, mittlerweile fordert man beispielsweise im Sotokan-Prüfprogramm

Bunkai Kenntnisse. Das ist auch gut so. Selbstverteidigung war früher

auch einmal Bestandteil dieses Programms. Hier werden erst einmal Kumiteübungen beschrieben, die es nicht nur im

Shotokan gibt, sondern auch in einigen anderen Stilarten. Aber zuerst noch Fehler, die manchmal gemacht werden und dann auch lustig aussehen.

Fehler 1 Wenn man eine Abwehrtechnik gegen z.B. einen Mae-Geri übt

– oder sogar demonstrieren will – sollte Uke auch ein Ziel bieten. Wenn Uke seitlich abgedreht steht und Tori nur die „grüne Seite“ mit

ausgestrecktem linken Arm zeigt, warum sollte man dann einen Mea-

Geri treten; und wohin? Fehler 2 Tori weiß, (wegen einer abgesprochenen Übung) wie und wohin Uke blockt. Darum schlägt oder tritt Tori schon in die entsprechende

Ausweichrichtung.

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Fehler 3 Tori macht es Uke zu einfach. Die Angriffe sind nur halbherzig. Der

Abstand der Angriffstechnik ist zu groß, würde nicht treffen oder geht

am Ziel vorbei, ohne dass Uke groß ausweichen oder blocken muss.

Und eines, das leider auch vorkommen kann, möchte ich noch

hinzufügen. Es gibt auch leider immer wieder Partner, die bei solchen Übungen

zeigen wollen wie gut sie sind und wie schlecht Sie selbst sind.

Da gibt es eine ganze Reihe von Dingen die man ansprechen könnte.

Letztendlich muss man im Training seine Emotionen im Griff haben. Es ist definitiv der falsche Ort, um zu zeigen wie gut man ist, und wie

überlegen man dem Trainingspartner gegenüber ist. Man ist im Training,

um zu trainieren und um etwas zu lernen. Wer sich so verhält, zeigt eigentlich nur seine eigene Unsicherheit und

seine eigene Angst. Und nun zu den Übungen. Gohon-Kumite, Sanbon-Kumite, Kihon-Ippon-Kumite, Kaeshi-

Ippon-Kumite, Jiyu-Ippon-Kumite Diese Kumite Formen kennen sie. Sie sind im Shotokan

Prüfungsprogramm enthalten und sind sinnvolle Übungen um die Grundtechniken am Partner zu üben. Man sollte aber wissen, dass diese

Übungen nicht wirklich kampftauglich sind. Sie sind so wenig

kampftauglich wie die Grundschule.

Jiyu-Kumite Bedeutet Freikampf.

Hier beginnt der große Zweifel: Diese Kumiteform ist nur auf den

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Übungsformen Gohon-Kumite, Sanbon-Kumite, Kihon- Ippon-Kumite,

Kaeshi-Ippon-Kumite und Jiyu-Ippon-Kumite, aufgebaut.

Es handelt sich hier aber nur um Grundschul Übungsformen, die für die

Realität nicht sonderlich geeignet sind. Man hätte Kata erforschen müssen und das Technik Repertoire erweitern sollen. (z.B. Awase Uke,

Mawashi-Uke, Kake- Uke, Sanchin Dachi, usw.)

Dann hätte man Kata-Kumite in Selbstverteidigungsform üben müssen. Stattdessen hat man hier schon begonnen Wettkämpfe abzuhalten. Und

weil das zu lange dauert. Gibt es mittlerweile Wege dies in Crashkursen

zu erlernen; und ab in den Ring! Dabei wäre es doch auch Sinnvoll für Wettkämpfer ihre Techniken zu

erweitern und auszubauen.

Aber genau das hat man gemacht. Man hat eigene Kampftechniken und

Kampfübungen entwickelt, die aber meist nur im Wettkampftraining geübt werden.

Ja, dafür gibt es das Stiloffene Prüfungsprogramm. Denn dort werden

die Wettkampftechniken in einem Wahlteil gefordert und trainiert.

Wettkampf-Kumite Irgendwann hat jemand erkannt, dass das alles zu Zeitraubend ist, wenn

man auf Wettkämpfe hinaus trainiert. Das geht doch auch schneller. Das Zeitraubende Shotokan-Prüfprogramm kann man doch auch

irgendwie umgehen.

Im Stiloffenen Prüfprogramm heißt es: Im Kumite ist die wettkampfmäßige Ausführung der Karatetechniken

gefordert. In der Unterstufe erfolgt die Ausführung aus dem festen Stand. Ab der Mittelstufe aus dem Steppen.

Diese Kumite-Form ist ausschließlich für den Wettkampf entwickelt

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worden. Man kann sie von Unterstufe bis Oberstufe in Kader-Gruppen systematisch üben und schnell aufbauen.

Also das moderne neuzeitliche Wettkampf-Training als Wahlteil? Man kann hier ganz auf Selbstverteidigung und Bunkai verzichten. Man kann

alle Dan-Prüfungen machen, ohne auch nur einen blassen Schimmer von

Selbstverteidigung und Bunkai zu haben. Denn man muss nicht, wie im Shotokan- Programm, alles können; man kann auf einiges verzichten. Es

soll eben schnell gehen. Man übt genau das, was man für den

Punktewettkampf, und dessen strengen Regeln, braucht.

Das Stiloffene Prüfprogramm gibt zwar vor, die Kata als Basis zu haben;

dem ist aber bei Weitem nicht so. Man muss nur ein Kihon-Programm hieraus entwickeln und zeigen. Das war es dann auch schon, mit der

Basis. Man kann Kata aber als Basis nutzen, wenn man Bunkai und

(oder) Selbstverteidigung wählt. Tja, jedem das Seine.

Weitere interessante Übungsformen sind Okuri-Ippon-Kumite und

Happo-Kumite

Kakie (Hakenhände, klebende Hände) Diese spezielle Partnerübung wird nur noch in sehr wenigen

Karateschulen unterrichtet. Hierbei wird auf den Tastsinn mehr Wert

gelegt, als auf das Sehen. Diese Übungen werden ausschließlich in der Nahdistanz durchgeführt.

Goshin Kumite Im Goju Ryu gibt es noch Kumiteformen die realistischer und besser auf

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Selbstverteidigung abgestimmt und aufgebaut sind. Es gibt z.B. dort u.a. das Goshin Kumite. Diese Bereiche sind groß und ich kann hier nicht so

ausführlich auf alles eingehen.

Bunkai-Kumite oder Kata-Kumite

Eigentlich enthält Kata-Kumite alles was man für Selbstverteidigung

benötigt. Man muss eben Kata verstehen und kennen.

Bunkai ist Selbstverteidigung aus den einzelnen Kata.

Selbstverteidigung ist das ganze Repertoire aus allen Kata die man übt und die modernen Neuerungen und Errungenschaften

hierzu.

Die Kata darf nicht verändert werden, im Kampf jedoch gilt das

Gegenteil

Gichin Funakoshi Aber, wer sagt eigentlich, dass man diese Kata-Techniken für den

Wettkampf nicht brauchen kann? Was man nicht kennt, kann man nicht beurteilen. Ich behaupte, dass so einige Techniken sehr gut für

Wettkämpfe geeignet sind.

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Die Zusammenhänge der Kata

An dieser Stelle muss ich es noch einmal kurz auf den Punkt bringen. Wenn man die etwas mehr als dreißig Kata betrachtet, die wir üben,

wird man erkennen, dass sie im Wesentlichen lediglich Variationen von

nur einer Handvoll sind.

Gichin Funakoshi. Würde jemand jede Bewegung und jede Technik unabhängig

voneinander lernen, könnte er nicht erkennen, wie die Kata

untereinander zusammenhängen und in welcher Weise eine Kata,

Bewegungen und Techniken zusammenfasst.

Gichin Funakoshi. Das ist nicht einfach zu verstehen.

Nun sollte man sich einmal die Arbeit machen, und die Techniken aus

den Kata in Deutsch grob zu benennen. Fassen sie so viele Techniken

wie möglich in den einzelnen Bezeichnungen zusammen.

Zum Beispiel so.

Doppelblock von innen nach außen und vorne. Kakiwake-Uke

Doppelblock von unten nach oben, mittlere und obere Stufe.

Juij-Uke

Doppelblock von oben nach unten.

Block und Konter über Kreuz. (Konter über oder unter dem Block)

Block und Konter nicht über Kreuz.

Ergänzen Sie es, wie Sie wollen.

Die Kanku-Dai beginnt mit einer beidhändigen Kreisbewegung von innen nach außen, und endet mit einer beidhändigen Kreisbewegung von

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außen nach innen. Machen Sie diese beiden Kreisbewegungen auch einmal nur mit einem

Arm. Im Grunde genommen können Sie alle Blocktechniken in diese

Kreisbewegungen rein packen; sogar den Mawashi-Uke. Und sie können

mit der Übung dieser Technik in der Heian Shodan anfangen. Dort ist sie nämlich als Technik 4 enthalten. Solche Kreisbewegungen findet man

in vielen Kata; auch seitlich. (Chinte Technik 15 + 16)

So kann man, mit Beachtung und Umsetzung von „Tai Sabaki“, ein

eigenes Bubishi zusammensetzen.

Ich selbst arbeite schon lange daran und habe Tipps hierzu gegeben.

Diese Grundpositionen, aus der man viele Techniken schnell und effektiv

anwenden kann, sollte aber erst einmal jeder für sich selbst erarbeiten. Wenn man Techniken nur minimal verändert, erkennt man die

Zusammenhänge sofort. Man erkennt die Kampfaspekte. Man erkennt Bubishi. Man erkennt auch

die vielen Möglichkeiten, die sich aus solchen Techniken ergeben.

Wenn man das alles erkannt hat, erkennt man auch immer wieder die

Selbstverteidigungstechniken, die auf SV-Seminaren gezeigt werden.

Dann kann man sie auch behalten. Daher ist die Frage nach Selbstverteidigung im Karate-Do absurd.

Das muss, in dieser Form, einfach einmal gesagt werden.

Außerdem ist es wichtig zu wissen, dass einzelne Techniken in den Kata nur der Übung wegen darin enthalten sind. Man muss nicht immer

zwangsweise eine Bunkai-Technik hinein interpretieren. Es sind

Grundschulübungen. Diese Übungen müssen aber im Kampf anders angewendet werden.

Fassen Sie immer wieder einmal solche einzelnen Übungen zusammen, wie ein Gedan Barai und ein Kagi Zuki. Machen sie diese Techniken

gleichzeitig, mit Partner! Auch den Anfang der Hangetsu macht man

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langsam. Machen Sie diese Technik aber einmal mit Partner schnell. Und bitte den Uchi Uke und den Gyaku Zuki zusammen. Sie meinen, dass

das sehr schwer ist. Natürlich, darum gibt es ja diese Kata.

Und nun nehmen Sie die Kanku Dai als Trainingskata. Machen Sie immer nur eine einzige Technik. Zum Beispiel der Jodan-

Block am Anfang. Vergleichen Sie diese Technik mit ähnlichen Techniken aus den Kata, die Sie schon können. Zum Beispiel die erste

Technik in der Heian Yondan.

Tun Sie so, als hätten Sie alle Techniken aus den unteren Kata

fotografiert und durcheinander vor Ihnen liegen. Trainieren Sie jetzt alle möglichen Folgetechniken aus den anderen Kata

die gut dazu passen! Machen Sie das auch mit Partner.

Wenn Sie das ausreichend trainiert haben, gehen Sie an eine andere Technik aus der Kanku Dai! Und wieder beginnt das Training von vorne.

Und nicht vergessen: Ambidextrie im Karate ! Erkennen Sie den Kampfaspekt und die Zusammenhänge der Kata, und

Sie werden begeistert sein. Zu viel Bunkai-Schauspielerei, und zu wenig Realität bringt uns nicht

weiter.

Und nun zwischendurch mal ein paar wichtige Fragen, die man sich

selbst einmal stellen kann! Zum Beispiel, in welchen Kata ein Age-Uke

nach korrektem Grundschulmuster enthalten ist.

Ja, Heian Shodan, Heian Nidan … weiter? … natürlich ist er noch vorhanden. Aber müssen Sie jetzt lange überlegen? … Jion, Jitte, Jiin. …

und weiter? Ja es geht weiter. ;-)

Und nun probieren Sie diese Frage mit einer anderen Technik!

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Zu viel Bunkai

Und nun kommen wir wieder etwas intensiver, zu einer Rubrik die wir

schon einmal kurz angesprochen hatten.

Wenn man in jede Kata, die eine Stilrichtung hat, Bunkai-Techniken hineininterpretiert, kann man das alles unmöglich behalten und sinnvoll

umsetzen.

Es sind im Shotokan-Karate ca. 950 Kata-Techniken.

Auch wenn man (z.B.) drei Age-Uke nicht einzeln zählt, sind es immer

noch viele Hundert Techniken. Es sind natürlich keine 950 verschiedene Techniken; denn viele

Techniken sind – wie schon beschrieben – gleich oder ähnlich. Wenn man aber auf diese Weise Bunkai-Techniken erfindet oder

zwangsweise hinein interpretiert, kommt man – wenn man immer etwa

drei Techniken als Kombination zusammenhängt - auf ca. 315

verschiedene Bunkai-Techniken.

Oder anders gerechnet: Wenn man jeder Kata durchschnittlich nur 12 Bunkai-Kombinationen

zuweist, sind es bei 26 Kata ebenfalls 312 Bunkai-Anwendungen. Und da in einer Kata wie der Kanku-Dai zum Beispiel, weitaus mehr

Bunkai-Variationen eingebaut werden können, kann sich die Zahl auch

leicht verdoppeln zu über 600 Bunkai-Varianten. All diese Bunkai-Varianten laufen wie eine kleine schauspielerische

Szene ab. Und viele Meister erfinden etwas anderes. Und diese Varianten wollen Sie beherrschen und im Moment der

Gefahr gezielt und richtig herausfiltern und einsetzen? Wer will denn das alles behalten? Und wer hat, kann oder will, sich

damit beschäftigen?

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Die meisten Karateka, die alle Kata können, winken resignierend ab.

Man ist ja schon im Wettkampf erfolgreich. Also, wozu das alles

erforschen? Dann macht man es eher schlecht, und sagt den Kata schlechtes nach.

Darum ist es wichtig, dass man die Verbindungen der Kata untereinander

versteht; dass man versteht was die Techniken in den Kata verbindet. Und dass man sie in einzelne Positionen eines Bubishi zusammenfasst.

Man muss das wie ein Familienstammbaum zusammenfassen. Dann

sind es nicht 300 verschiedene Bunkai-Techniken, sondern erst

einmal nur (z.B.) 16. (Bubishi)

Nun muss man diese 16 Äste erarbeiten und trainieren. Man hat es sich aber schon einfach gemacht. Man hat aus den 950 Kata-

Techniken ein paar Grundschultechniken herausgepickt, und damit Karate so aufgebaut, dass es wettkampftauglich wurde.

Das sind nicht die „Grundlegenden Elemente“, die ein Okinawa-Meisterschüler von seinem Sensei lernte.

Auch unsere Grundschule ersetzt diese Bubishi-Varianten nicht.

Im frühen Japan-Karate wurde zwar mit „Grundlegenden Elementen“ die

ersten Kihon-Techniken als Basis, im Sinne von späteren Kata-

Kampftechniken geformt; aber das sind nur Sprossen einer Leiter, die man emporsteigen muss. Es sind Grundtechniken, auf denen man

aufbauen muss.

Alles ist miteinander verknüpft, und wenn nicht alles voll verstanden

wird, scheitert man auf lange Sicht gesehen. G.Funakoshi Ohne das richtige Verständnis der Kata, tritt man ewig auf der Stelle.

Grundschule ist bei uns, in den Schulen, nur von der ersten bis zur vierten Klasse.

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Liebe Leser; niemand von Ihnen hat das Jahrelang wiederholt und ist dann, nach der Grundschule, ins Berufsleben eingestiegen.

Was mich dann ärgert sind solche Dinge, die man manchmal liest: Mit

sechs Jahren angefangen, ein Jahr Karate geübt und dann der erste

Wettkampf in U9.

Na klasse.

Bunkai mit Waffen

Da wir an dieser Stelle noch einmal Bunkai erarbeiten, muss ich wirklich davor warnen, mit Schülern selbst interpretierte Bunkai-Techniken gegen

Waffen zu trainieren.

Kein Messerheld greift mit einem langen tiefen Oi-Tsuki-Schritt an. Kein Stockkämpfer holt so aus, als ob er eine Fliege an der Wand erschlagen

wolle.

Solche Bunkai-Versionen sehen oft spektakulär aus, funktionieren aber

kaum. Manchmal habe ich das Gefühl, dass einige Kata Experten, wie

Regisseure und Drehbuchautoren, Schauspielszenen erfinden. Das aber

mehr schlecht als recht. Heute sind Schüler nicht immer - oder immer noch - „ehrfurchtsvolle

Diener“, die alles machen was der Meister will und keine „dummen Fragen“ stellen. So war es vielleicht früher mal. Heute sind die Zeiten

anders, und das ist gut so. Stellen Sie Fragen, wenn ihnen etwas

unrealistisch erscheint. Wenn Sie einen schlechten Trainer haben wird er dann wütend oder gibt Ihnen eine dumme Antwort. Dann wissen Sie,

woran Sie sind.

Nehmen Sie den Übungsstock oder das Übungsmesser selbst in die Hand. Probieren Sie selbst aus, ob das „Gezeigte“ funktioniert.

Probieren Sie das, mit einem Gummimesser, (klar) auch einmal zuhause

- mit einem ungeübten Partner, der nicht in ihrem Verein ist - aus. Sie

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werden erkennen, dass vieles dann nicht funktioniert. Denn ein Messerheld oder Stockkünstler sagt niemals an, was er plant.

Uke muss also auf alles gefasst sein.

Sie werden sehen; Schauspielerei im Verein, kann im Ernstfall tödlich

sein. Im Verein funktionieren viele Bunkaitechniken nur, weil Tori mitspielen. Deshalb sind solche Übungen oftmals sehr gefährliche Spiele, die erst

einmal spektakulär aussehen mögen, aber, wegen der Vielzahl der Bunkai-Schauspielszenen, unmöglich behalten werden können. Und

schon gar nicht, aus der Vielzahl der Anwendungsmöglichkeiten heraus,

blitzartig einsetzbar sind. Nun sollte man nicht gleich alles verteufeln. Üben kann man vieles. Und es muss nicht alles gleich total realistisch

sein. Es muss auch Trockenübungen geben. Daran führt kein Weg vorbei.

Aber man sollte das üben, was realistisch einsetzbar erscheint. Leider

schweift man manchmal sehr weit davon ab.

Weniger ist mehr. Daher sollte man die Möglichkeiten der Techniken aus den Kata erkennen, sie in Gruppen verbinden, und am Ende nur eine Handvoll als

Standardpositionen vielseitig trainieren. Dann werden Sie erkennen, dass

sie im Notfall – wenn Sie nicht weglaufen können - vielleicht eine kleine Chance haben, gegen Messer und Stock.

Wenn auch in den Prüfungsprogrammen steht, dass man sich gegen

Waffen verteidigen soll. Glauben Sie mir: Diejenigen, die das da rein

geschrieben haben, würden gegen einen Messerheld oder Stockkünstler auch alt aussehen.

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Das richtige Konzept.

Es gibt viele Wege. Aber nur wenige führen nach Rom.

Es mag sein, dass ich mich jetzt etwas weit aus dem Fenster lehne.

Aber solange man sich nicht über Religion äußert, kann man wohl

doch auf intelligente und aufgeschlossene, wenn auch kritische,

Leser hoffen.

Immer das Selbe, im Kihon

Neulich habe ich wieder eine Prüfungsordnung eines anderen Verbandes

gesehen. Früher waren es einmal sechs Farbgurte, für die man eine Prüfung machen konnte. Das war weiß, gelb, orange, grün, blau und

braun. Später wurden es neun Kyu-Graduierungen, die man machen

musste, bevor man an Schwarz denken konnte. Und nun arbeitet man

verschiedentlich an noch mehr.

Aber was sind das eigentlich für Prüfungen? Ich habe es schon erwähnt,

aber an dieser Stelle muss es noch mal rein. Es sind immer dieselben

Grundtechniken; nur anspruchsvoller und schwieriger. Diese vielen Kihon-Programme, in denen eh immer dasselbe gefordert wird, könnte

man sich sparen, wenn man sich auf das konzentrieren würde, was seit

langer Zeit schon da ist, und auf jahrhundertealte Wurzeln zurückreicht.

So wird man den wahren Weg niemals finden.

Und nun schauen Sie sich doch einmal das Stil-eigene

Prüfungsprogramm der (z.B.) Stilrichtung Shotokan an. Scrollen Sie

runter! Was Sie im Kihon sehen sind links die Abkürzungen der

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geforderten Grundstellungen. Was Sie sehen ist:

ZK (Zenkutsu-Dachi),

KK (Kokutsu-Dachi)

KD (Kiba Dachi)

Das war es dann. Mehr ist da nicht. Und das seit vielen Jahren und

Jahrzehnten. Wo sind die hohen Stände? Oh, nicht ungerecht sein. Ein einziges Mal ist irgendwo in einem Kihon ein Neko-Ashi-Dachi

versteckt.

Wir haben doch noch andere wichtige Beinstellungen, die z.B. im

Nahkampf, von großer Bedeutung sind. Zum Beispiel folgende:

Neko-Ashi-Dachi, (Hanmi-Nekoashi-Dachi / Mami-Nekoashi-Dachi)

Sanchin-Dachi,

Seishan Dachi

Hangetsu-Dachi,

Moto Dachi

Naihanchi-Dachi

Sochin-Dachi oder Fudo-Dachi

Kake-Dachi und Kosa-Dachi.

Im nächsten Kapitel werden wir sehen, warum diese Beinstellungen auch

sehr wichtig sind, und warum es traurig ist, dass sie so vernachlässigt werden. Und das ist bei den Armtechniken nicht anders.

Die Wurzel des Karate ist NICHT Kihon! Die Wurzel ist Kata. Es gibt

KEINE Grundschule im Karate. Jede Technik aus den Kata hat eine

Grundform (eine Schönschrift). JEDE.

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Brauchen wir einen Wooden-Dummy?

(„Mu ren zhuang“, Hölzerner-Mann-Pfahl oder auch Holzpuppe genannt)

Nun muss ich an dieser fortgeschrittenen Stelle, ein wichtiges Kapitel einbringen.

Aber wozu brauchen wir ein Wooden-Dummy?

Wenn man diese Frage im Karate stellt, bekommt man vielleicht

Antworten wie:

„Eine Holzpuppe schlägt nicht zurück“.

Oder:

„Wir haben unsere Grundtechniken. Um die richtig zu beherrschen, brauchen wir keine Holzpuppe.“

Oder:

„Wozu Holzpuppe. Die ist nur für einen Nahkampf gut, der so niemals funktionieren kann“.

Und es wird noch mehr Kommentare geben. Man wird sagen, dass man sie nur in den chinesischen Kampfkünsten

verwendet. Wozu im Karate?

Man wird auch sagen, dass man an der Holzpuppe kaum eine

vernünftige Kampfstellung einnehmen kann. Unser „Grundschuldenken“ ist an der Holzpuppe nicht durchführbar. Und vieles mehr wird man

sagen.

Aber sind solche Argumente wirklich haltbar? Muss mit Erreichen eines höheren Status, nicht auch im Training etwas mehr Flexibilität Einzug

halten?

Wenn wir die unterschiedlichen Stilrichtungen im Karate betrachten, so

ist ein Training mit dem „Mu ren zhuang“, bei manchen Stilrichtungen, durchaus denkbar.

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Aber eigentlich ist ein Training damit überall denkbar.

Dazu müssten wir einen anderen Umgang mit den Kata ermöglichen.

Das auswendig lernen von vorgegebenen Angriffen und vorgegebenen

Blocktechniken und Konter, engt unser Karate doch allzu oft und zu sehr ein. Flexibilität im Denken würde bedeuten, dass ein Schüler seine

Techniken selbst entdeckt. Denn was er selbst für sich entdeckt, das wird

er behalten. Was man ihm technisch aufzwingt, wird er im Kampf niemals umsetzen können. Es wird immer in einer Wirtshausschlägerei

enden.

Um das zu ermöglichen muss man analysieren, was man in einer Kata

für Techniken hat, die man an dem hölzernen Mann trainieren kann.

Vielleicht müsste dieses Gerät für unser Karate etwas mehr auf Jodan und Chudan angepasst werden. Aber im Grunde genommen wäre ein

Training daran sinnvoll.

Ich möchte hierzu auch in den Techniken mehr flexibles Denken

einfordern. Ich habe bereits mehrfach darüber berichtet. Es ist egal, ob

ich eine Technik, die in Chudan-Höhe nach außen geht, mit Shuto-Uke oder mit Uchi-Uke ausführe. Im Kampf denkt man nicht mehr darüber

nach.

Nun sollte man sich einmal die Arbeit machen, und die Techniken aus

den Kata in Deutsch grob zu benennen. Hierzu noch einmal die Aufzählung:

Doppelblock von innen nach außen und vorne.

Doppelblock von unten nach oben, mittlere und obere Stufe.

Doppelblock von oben nach unten.

Block und Konter über Kreuz. (Konter über oder unter dem

Block)

Block und Konter nicht über Kreuz.

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Und das alles kann man an der Holzpuppe trainieren. Wir haben bereits in der ersten Shotokan Kata „Heian Shodan“

Techniken nach unten, Techniken im mittleren Bereich, und Techniken

nach oben.

Wir haben Doppeltechniken zu Beginn der „Heian Nidan“. Diese kann man aber am hölzernen Mann schlecht trainieren. Bei der Ursprungskata

der „Heian Nidan“, der „Pinan Shodan“, hingegen, kann man die ersten

Techniken sehr gut am „Mu ren zhuang“ üben. Und nun geht es weiter zur „Heian Sandan“. Auch da kann man Anfangstechniken sehr wohl am

„Mu ren zhuang“ trainieren. Und ich denke, das funktioniert mit vielen

Techniken aus vielen Kata.

Leider haben wir unsere sehr wichtigen Grundlagen, die wir immer

wieder trainieren. (Was auch wichtig ist) Aber leider kommen wir aus dieser

Nummer nur schwer raus.

Sind wir zu unflexibel?

Sind wir zu eingefahren?

Sind wir zu stur?

Sind wir zu sehr auf unser eigenes Konzept fixiert, dass wir nicht

anderes denken können?

Sind wir nicht imstande anderes zu akzeptieren und zu

überdenken?

Oder liegt es daran, dass Karate oftmals täglich neu erfunden

wird, weil man das Alte nicht verstanden hat.

Wichtige Trainingstipps zum Wooden-Dummy

Ich kann mir ein Training an diesem „Mu ren zhuang“ sehr gut

vorstellen. Allerdings nicht so sehr in Zenkutsu-Dachi. Dazu ist der hölzerne Mann eigentlich weniger gedacht. Es gibt auch im Karate sehr

gute Stände, die nicht so tief sind. Leider werden die zu wenig trainiert.

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Am „Mu ren zhuang“ sind die möglich.

Man trainiert Körperbewegung, gleichzeitige Techniken,

Kombinationen, Block und Konter gleichzeitig, und beispielsweise

Beinarbeit.

Ich habe mehrfach die Technik-Kombination aus der Jion

(Technik 34 bis 37 … Beginnt mit Juji-Uke Jodan) erwähnt.

Wir laufen einfach viel zu oft an dieser Kombination vorbei. Auch diese – und viele andere Techniken – lassen sich an dem Wooden-Dummy

trainieren. Und das auch mit der anderen Seite, die man in der Kata nicht

macht.

Und wenn man keinen Wooden-Dummy hat?

Na, auch dann sollte man dieses Training ermöglichen.

Ein Beispiel: Stand: Shizentai (Normalstellung)

Nun gehen wir zum Beginn der Heian Nidan (Okinawa Pinan Shodan)

Machen Sie die Techniken nicht nach links und rechts, wie in der Kata,

sondern nach schräg vorne links und schräg vorne rechts.

Immer im Wechsel; nach schräg links vorne, machen Sie Uchi-Uke links und Age-Uke rechts. Und dann schräg vorne rechts, genau anders herum.

Immer im Wechsel.

Dabei können Sie jeweils von der Normalstellung, in eine passende hohe Stellung wechseln.

Und wenn man nicht so steif in einer Bunkai-Anwendung verwachsen

ist, geht das mit nahezu allen Kata.

Ändern Sie mal die berühmte Handgelenkumklammerung bei Technik

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drei in der Heian Shodan, in eine sinnvolle Blocktechnik. Denn bei dieser Kreisbewegung gibt es einige schöne Möglichkeiten.

Sie haben Techniken in Gedan, Chudan und Jodan.

Die Vorgehensweise ist dieselbe wie oben.

Und nun einfach ausprobieren.

Sie können natürlich auch weiterhin ihre Haltungsnote, bei der

Ausführung des (Beispielsweise) Gedan Barai aus Shizentai in Zenkutsu-Dachi verbessern; indem Sie wirklich auf alle Bewegungen genau

achten, sie analysieren und verbessern. Wenn ihnen das genügt. Wie

viele Jahre wollen Sie sich noch, diesbezüglich, selbst belügen – belügen lassen – und verbessern, ohne einen sichtbaren Fortschritt zu den

wesentlichen Punkten zu finden?

Wenn man das oben beschriebene Training mit Holzpuppe (oder auch ohne) beachtet, wird man dann aber in Konflikte mit ein paar wenigen

Grundtechniken geraten. Aber das sollte jeder für sich selbst feststellen.

Flexibilität erlaubt vieles; Grundlagen nicht. Aber um flexibel zu werden, muss man mit den Grundlagen beginnen. Nur, man muss auch

mal etwas anderes essen als Erbsensuppe. :-)

Eine genauere Betrachtungsweise.

Kommen wir zur genaueren Betrachtungsweise, was eigentlich

stellenweise passiert ist.

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In einer Firma steht ein Arbeiter am Fließband und wird in einen Arbeitsgang eingewiesen. Der Vorarbeiter zeigt ihm, dass er eine

Schraube eindrehen muss, zwei Bolzen moniert und ein Werkstück

zusammensetzt.

Der Arbeiter begreift schnell und erlangt auf seine Weise, eine gewisse Fertigkeit, Routine und Schnelligkeit.

Das geht so lange gut, bis ein anderer Vorarbeiter kommt, der ihm genau

erklärt …

Wie er die Schraube anfassen muss, bevor er sie eindreht.

Wie er die Finger halten muss.

Wie er die Finger drehen muss.

Wie er das Handgelenk drehen muss.

Wie er wieder Umfassen muss, um neu zu drehen.

Wie er den Körper nach vorne beugen muss.

Wie er mit der anderen Hand das Werkstück halten muss.

Wie er den richtigen Druck auf das Gewinde ausübt.

Wie er die richtige Geschwindigkeit erreicht.

Wie er Lockerheit in seine Schraubertechnik bekommt.

Wie er richtig atmet.

Wie er sein Gewicht verlagert um die Bolzen aus dem Kasten zu

nehmen.

Wie er die Bolzen anfassen muss.

Wie er die Bolzen richtig in die Löcher moniert.

Usw.

Als der Arbeiter das alles beachtete, erreichte er nicht einmal mehr die

Hälfte der Stückzahl, die er vorher hatte.

Der Grund: er hat sein Unterbewusstsein, soweit es ging, abgeschaltet. Das erarbeitete Gleichgewicht wurde extrem zum Nachteil verschoben.

Diese ganzen Richtlinien gehörten normalerweise zum selbst

erarbeiteten Vorgang des Unterbewusstseins, die sich jeder Arbeiter

selbst aneignet. Es ist also nicht egal, auf was man sich konzentriert, wenn man etwas erlernen oder trainieren will.

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Wo die Grenze der Haarspalterei überschritten wird, hört der Sinn eines erlernbaren Vorganges auf.

Wenn der andere Vorarbeiter dieses System beim Montieren und

reparieren einer Maschine anwendet, werden seine Leute nie mit den Arbeiten fertig.

Aber hey, sie haben eine tolle Haltung.

Nun könnte man ja behaupten, dass der Arbeiter, der die pedantisch

genauen Anweisungen des zweiten Vorarbeiters beachtet, eines Tages

schneller sein wird, als alle anderen Arbeiter. Weil er sein Unterbewusstsein scheinbar besser trainiert.

Nein, das ist nicht so. Es kommt eben immer darauf an, worauf man sich

beim erlernen eines Vorganges konzentriert.

Vorsicht! Die Kunst liegt darin, selbst erlernte Fertigkeiten zu belassen

oder zu verbessern; Fehler zu erkennen und diese zu beseitigen. Und genau da liegt die Problematik. Diese Fehlersuche ist sehr oft

eigennützig verbissen und akribisch übertrieben. Und dabei vergisst man

das Wesentliche. Man erkennt es nicht, und man übersieht es völlig. Ein Roboter hat kein Gefühl. Der muss alles lernen; sogar, wie fest er die

Schraube anfassen muss. Ein Mensch, kann sich auf das Wesentliche

konzentrieren.

Im Karate ist es manchmal ähnlich. Schon beim „richtigen“ Üben einer

Kata, werden Bewegungsabläufe manchmal dermaßen überzogen, dass

sie sich mit dem eigenen Erlernen und der eigenen Schulung der eigenen Bewegungsfreiheit, eher rückwärtig entwickeln, als dass es besser wird.

Gewichtsverlagerung über das vordere Bein, wenn man einen Schritt

nach vorne macht.

Anspannen der inneren oder der äußeren Beinmuskulatur.

Zentimetergenaue Bewegungsabläufe einer Grundtechnik.

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Zentimetergenaue Analyse des Hüfteinsatzes.

Genaueste Analyse einer Wendung in einer Kata.

Über die Fußballen Richtungswechsel oder über die Fersen.

Richtiges Umsetzen des hinteren Fußes bei der Wendung.

Richtige Atmung

Richtige Ausholtechnik.

Richtige Blickrichtung.

Usw.

Und das alles richtig zu können, dauert natürlich seine Zeit. Man kann

das auch mit Germanys next Topmodel oder Let's dance vergleichen. Dort werden auch – wie im Eiskunstlauf – Haltungsnoten vergeben.

Probieren geht über Studieren. Man lernt Tanzschritte, um das Gefühl

der Musik genießen zu können. Alles Andere wirkt künstlich; trotz jeder Perfektion.

Und wenn ich das alles irgendwann beherrsche, weiß ich mich nicht zu wehren, wenn mich abends am Hauptbahnhof jemand attackiert. Denn

ich habe nur gelernt perfekt Kartoffeln zu schälen und die Töpfe auf den

Herd zu stellen. Und ich weiß, wie man den Salzstreuer richtig hält. Aber

ich habe niemals gelernt zu kochen.

Nochmal:

Ich bin durchaus für das richtige Erlernen der Karate-Techniken. (Man muss auch die Tanzschritte lernen, um Tanzen zu können) Aber man muss

auch bemerken wenn man es übertreibt, und andere ebenso wichtige

Richtlinien völlig übersieht, sie nicht erkennt, sie für unwichtig hält, sich nie damit befasst hat und somit niemals in das Training mit einbezieht.

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Kreativität im Karate.

Das Tragische an der ganzen Sache ist, dass wir unsere eigene

Kreativität in den Bewegungsabläufen gänzlich sperren, um sie durch fest vorgegebene und auswendig gelernte und genauestens vorgegebene

Bewegungsabläufe zu ersetzen.

Dabei ist das beschriebene „päpstliche System“ ein – für mich – nerviges Produkt, das immer wieder – und besonders von neuen aufstrebenden

Meistern - gebraucht wird.

Neue Besen kehren gut, aber die alten kennen die Ecken.

Wenn man dieses System in den Schulen einführen würde, dann kämen

sehr viele Kinder nicht über die vierte Klasse hinaus. Und die anderen würden auch immer das Gleiche lernen, nur etwas schwieriger und etwas

anspruchsvoller.

Grundschule, Grundschule, Grundschule (Kihon)

Wir programmieren uns wie Roboter. Aber Roboter haben keine Kreativität. Das muss uns allen klar sein.

Kreativität verbindet die Techniken untereinander und miteinander.

Und genau darum geht es: Wir brauchen mehr Kreativität und mehr

Ideen. Wir brauchen Inspiration.

Was ist passiert, fragt man sich, als Karate (von den Wurzeln) über China

nach Okinawa und dann nach Japan kam?

In China war die Kreativität noch da, vielleicht sogar noch etwas zu viel

davon. In Okinawa war sie auch noch vorhanden, wenn man sich mit Büchern

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beschäftigt die davon berichten. Wie von Kenei Mabuni und Jamal Measara zum Beispiel.

Aber in Japan ist diese Kreativität dann gänzlich durch den Einsatz von

Vermessungstrupps und zeichnen von Bauplänen verschwunden.

(Wenn man das einmal spitzfindig so formulieren darf)

Stilisierte Programmierung verhindert diese Kreativität, die Fantasie

und die Spontanität, die wir in einer echten SV-Situation benötigen. Ja, durch die zulange festgelegten, und bis in hohe DAN-Graduierungen

hinein und jahrelang trainierten festgelegten und immer wieder

grundlegend verbesserte Grundschul-Formen, nimmt man dem Schüler systematisch die von Haus aus mitgebrachte Kreativität ab.

Wenn man das in den Kata-Übungen ändern will, so muss der Schüler

lernen diese Kreativität in den vorgegebenen Bunkai-Techniken und Kombinationen anzuwenden und Techniken entsprechend zu verändern,

anzupassen und zu verbinden.

Der Mensch wird zum Roboter

Neues entsteht nicht durch den Intellekt, sondern durch den

Spielinstinkt, der aus innerer Notwendigkeit agiert. Der kreative Geist

spielt mit den Objekten, die er liebt.

-Carl Gustav Jung

Zitate und Aphorismen - http://gutezitate.com

Eine gute Balance zwischen Intellekt (IQ) und dem Kreativitätswert

(CQ) ist sehr wichtig.

Die Frankfurter Allgemeine berichtet in einem Artikel vom 28.01.2013

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über dieses Thema. http://www.faz.net/aktuell/wissen/leben-gene/wie-entsteht-originalitaet-

im-gehirn-kreativitaet-ist-die-neue-intelligenz-12042938.html

Sie berichten, dass die amerikanische Zeitschrift „Newsweek“ 2010 einen „Torrance-Kreativitätstest“ an 300000 Kindern und Jugendlichen

durchführte. Zum ersten Mal habe der Nachwuchs des Landes in dem

Eineinhalbstunden-Test weniger Punkte erzielt. Bis in die neunziger Jahre war der CQ - der Kreativitätswert als Gegenstück zum

Intelligenzquotienten IQ - stetig gestiegen. Nun also die ernüchternde

Wahrheit. Die Kinder sind zwar intelligenter geworden, aber weniger kreativ.

Und genau diese Kreativität ist auch für die motorischen Fähigkeiten der

Menschen und die gute Umsetzung von Bewegungsabläufen wichtig.

Höchst interessant ist ein weiterer Abschnitt aus dem oben benannten

Artikel der Frankfurter Allgemeine. Dort wird beschrieben, dass eine Studie der University of Utah in Salt

Lake City, die mit dreißig jungen medienaffinen Männern und 26

ebensolchen Frauen ein ähnliches Ergebnis ergab. Einige Testpersonen schickte man zu einer Vier-Tage-Rucksacktour in

die Berge. Die anderen ließ man weiter am Computer sitzen.

Vor und nach der Tour wurden Kreativitätstests absolviert. Es ist

erstaunlich, dass der Ausflug, die Kreativität um durchschnittlich 50% steigerte.

Nun, man muss bedenken, dass das Studien sind, die eigentlich nur besagen, dass wir über die Funktionsweise unseres „Denkapparates“ nur

wenig wissen.

Denn wenn man den pingeligen und mancherorts weit übertriebenen und

auch oftmals haarspalterischen Umgang mit Karate betrachtet, ist das auch eine Art von Kreativität.

Fakt ist, dass insbesondere bei Hochbegabten die Kreativität nicht durch

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den IQ bestimmt ist, wovon man durchaus ausgehen könnte. (Sternberg & O’Hara, 1999)

Aber um zum Karate zurückzukommen; Brauchen wir mehr Kreativität

im Karate? (Einige Stilrichtungen ausgenommen) Ist sie überhaupt vorhanden?

Erste Frage: Ja

Zweite Frage: Kaum Aber das ist nur meine bescheidene Meinung.

„Das Telefonbuch ist voller Fakten, aber es enthält nicht eine einzige

Idee.“

Mortimer J. Adler

Von den alten Meistern lernen.

Wie aber, kann man heute noch von den alten Meistern lernen? Auf Okinawa lernte man nur wenige Kata. Diese konnte man aber so lernen,

dass man sie wirklich beherrschte. Die alten Meister kannten deren

Geheimnisse. Sie kannten die Kampfaspekte der Kata. Heute muss man viele Kata können, aber man sollte sich nur mit

wenigen intensiv beschäftigen.

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Man muss deshalb viele Kata können, weil man den Sinn und Zweck der einzelnen Techniken besser versteht, wenn man sie mit den Techniken

aus anderen Kata vergleichen kann. Dabei müssen – wie schon

beschrieben – die Techniken nicht genau gleich sein. Man muss nur

deren Möglichkeiten verstehen. Wenn man das alles zu verstehen beginnt, und die wenige Kihon-

Techniken betrachtet die seit Jahrzehnten im Karate trainiert werden,

erkennt man, dass es sich hierbei nur um einen kleinen Teil der

Techniken handelt, die in den Kata enthalten sind.

Zitat Funakoshi zu den Techniken der Kata:

Wenn einmal gelernt wurde, eine Technik völlig zu beherrschen, wird

der Zusammenhang mit anderen Techniken erkennbar. Ja, manchmal hat der alte Meister doch etwas durchsickern lassen.

Die Betonung liegt auf „beherrschen“. Also in der kampfbetonten

Anwendung. Nicht in der Tanzwertung und nicht in der Grundschul-Ausführung.

Wenige Grundschultechniken hundertprozentig so zu können wie der

Meister sie dauerhaft sehen will, ist genau genommen unmöglich. Die

eigentliche Vielfalt der Techniken, die in den Kata steckt, wird oftmals

nur zu einem geringen Prozentsatz - wenn überhaupt - trainiert. Es ist schade, dass das alles verloren geht und man sich zwanzig Jahre lang

anhören muss, dass man erst einmal die Grundschule richtig beherrschen

muss. Wobei man „beherrschen“ hier oftmals mit „schön aussehen“

verwechselt.

Übrigens: Auch die Meister die das fordern, machen immer wieder

Fehler. Niemand ist so dauerhaft perfekt.

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Wir sind nicht im Eiskunstlauf. Karate wird schrecklich langweilig, wenn man seinen Schülern immer nur sagt, dass man erst noch an der

Grundschule arbeiten muss; weil der Zenkutsu-Dachi ja so schwierig ist.

Das soll nicht heißen, dass man schlampige Techniken durchgehen

lässt: Nicht falsch verstehen!

Noch einmal: Es gibt keine hundertprozentige Stilnote. Damit hat man auch im Eiskunstlauf, im Tanzen und im Turmspringen

Probleme. Niemand schafft hundert Prozent auf Dauer. Diese Art des

Lernens ist falsch. Leider ist sie sehr alt und reicht auch zurück, bis ins alte Japan und nach Okinawa. Wenn wir so unsere Kinder in der

Grundschule unterrichten würden, ohne einen Teil der „Menschlichen

Unvollkommenheit“ zu akzeptieren, würden die Schüler im ersten

Schuljahr nur lernen, wie man einen Bleistift in Händen hält. Viele Leute kommen zum Training, weil sie Angst haben. Sie wollen lernen wie man sich verteidigen kann.

Zitat von Gichin Funakoshi

Selbst wenn jemand die Rückwertsstellung voller Eifer täglich übt, so

lange steht, bis seine Beine so hart wie Fels sind, würde er dennoch

sechs Monate oder ein Jahr benötigen, um sie zu erlernen. Funakoshi hatte seine Gründe, um auf diese Weise vom eigentlichen

Thema abzulenken. Der Mensch muss einen gewissen Teil seiner Fehler akzeptieren lernen,

um weiter zu kommen. Niemand ist vollkommen. Ein Blinder wird nicht sehen lernen: Auch nicht, wenn er hundert Jahre lang übt. Aber seine

anderen Sinne werden gestärkt. Jeder Schüler muss seine Stärken selbst

finden. Und genau diese Möglichkeit, wird mit diesen alten sturen hochgelobten japanischen Lernplänen verhindert.

Funakoshi hätte seine Lehrer und seine Ahnen in Okinawa niemals

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verraten. Diese waren sehr aufmerksam, wenn es um die Lehren des Karate in Japan ging.

Zitate von Funakoshi zeigen, dass er über ein enormes Wissen verfügte, und tiefen Einblick in die Kunst des Okinawa-Te hatte.

Zitat Funakoshi:

Wird die Bedeutung jeder Technik und jeder Kata nicht verstanden,

kann man sich niemals an all die verschiedenen Kenntnisse und

Techniken erinnern, gleichgültig, wie hart geübt wurde. Wie gesagt: Manchmal hat er eben doch etwas durchsickern lassen.

Man muss sich mit der Vielfalt der Karatetechniken befassen, sie

erkennen und trainieren. Ein Awase-Uke ist genauso wichtig wie ein Age Uke. Jedenfalls sollte das - ab einer höheren Graduierung - so sein.

Dann ist Karate auch nicht langweilig. Wenn man das alles wieder

erkennt und danach trainiert, füllen sich auch wieder die Dojos.

Um noch einmal abschließend zu erläutern, worauf dieses Buch

hinweisen soll, sind hier noch einmal ein paar Worte von Sensei Funakoshi. Diese Worte beinhalten mehr, als man vielleicht verstehen

kann. Aber, nachdem dieses Buch bis hier hin gelesen wurde, ist es

vielleicht offensichtlich. So ganz verborgen blieb das „Alte Okinawa-Te“

vielleicht doch nicht. Es sind diese wenigen Worte, die so kostbar und vielsagend sind.

Zitat:

Karate-Do beinhaltet eine große Anzahl von Kata, Basiswissen und

Techniken, sodass kein Mensch alles in kurzer Zeit erlernen kann.

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Wird die Bedeutung jeder Technik und jeder Kata nicht verstanden,

kann man sich niemals an all die verschiedenen Kenntnisse und

Techniken erinnern, gleichgültig, wie hart geübt wurde. Alles ist

miteinander verknüpft, und wenn nicht alles voll verstanden wird,

scheitert man auf lange Sicht gesehen. Wenn einmal gelernt wurde,

eine Technik völlig zu beherrschen, wird der Zusammenhang mit

anderen Techniken erkennbar. Mit anderen Worten, wird man zu der

Einsicht gelangen, dass alle der ca. zwanzig Kata bis auf ein paar

wenige auf grundlegende Elemente zurückgeführt werden können.

Wenn einmal eine Kata ganz genau gemeistert wird, hat man bald

auch die anderen verstanden, selbst wenn nur zugeschaut wird, wie sie

vorgeführt werden, oder während eines Unterrichts gezeigt bekommt. Zitat Ende

(„Grundlegende Elemente“ = Bubishi)

Das wahre Geheimnis der Kampfkunst

Wer dieses Kapitel zuerst liest, ohne die anderen zu kennen, wird nicht

verstehen worum es geht.

Wir haben drei wichtige Punkte, die wir zum beherrschen der Kampfkunst brauchen.

Punkt 1: Motorik und Bewegungskoordination

Punkt 2: Kata

Punkt 3: Bubishi Zu Punkt 1 Wir müssen versuchen das angeborene automatische Bewegungsmuster

zu nutzen. Darum ist es wichtig, dass wir nur immer mit beiden Händen ein Ziel nach dem anderen verarbeiten. Ganz so, wie es in unserem

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motorischen Verhalten seit Jahrtausenden einprogrammiert ist. Darum immer Beidhandtechniken. So haben es auch die Chinesischen

Kampfkünstler gemacht, als sie Tiere nachahmten.

Nur, das alleine reicht nicht.

Punkt 2 Um das zu perfektionieren brauchen wir Punkt 2: Die Kata Die Kata bieten zahlreiche Techniken, die seit Jahrhunderten getestet, verbessert

und zusammengefasst wurden. Diese Techniken sind in den Kata

enthalten und die gilt es zu trainieren. So verbessern wir unsere

Koordination und unsere Motorischen Kampffähigkeiten enorm. In den Kata ist eine kluge Ausgewogenheit der erforderlichen

Grundtechniken und den effektiven Selbstverteidigungs- bzw.

Kampftechniken enthalten. Wenn man zu viel Kihon trainiert und zu wenig Kata, muss man sich nicht wundern, wenn man bei jeder

Gelegenheit ständig eine Hand an der Hüfte parkt. Dazu muss man aber

Kata anders trainieren, als das Jahrzehnte lang vermittelt wurde. Die Techniken und Kombinationen der Kata sind wichtig und müssen gezielt

und umfangreich trainiert werden. Ähnlich wie am Wooden-Dummy. Die

Kata selbst, ist nur ein Spickzettel. Diese Erkenntnis gewinnt man, wenn

man sich mit Büchern beschäftigt wie zum Beispiel Karate-Do Nyumon oder Karate-Do Kyohan.

Punkt 3 Damit Punkt 1 und Punkt 2 funktionieren können, müssen wir die vielen

Techniken in wenige Bubishi-Standardpositionen (Standartreaktionen)

zusammenfassen. Denn am Ende ist nicht wichtig wie man geblockt und gekontert hat, sondern dass man irgendwie geblockt und gekontert hat.

Mit viel Übung und Training, wird sich „Der Körper“ im Ernstfall

automatisch an vieles erinnern, was trainiert wurde. Keine 300 Bunkai-Techniken und keine 100 Kihon-Techniken; was am

Ende bleibt ist die schnelle Reaktion, eine Handvoll Techniken und viel

Training.

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Weniger ist mehr. Auch die Grundschultechniken, genau nach vorgegebener Formel und

vorgegebenen Richtlinien, werden im Kampf nicht übrig bleiben. Was

übrigbleibt sind schnelle Techniken die funktionieren müssen. Und die

kann man nicht nach intellektuell überdrehter Akademiker Basis anwenden, sondern im Partnerkampf nach Gefühl und Erfahrung.

Das ist das wahre Geheimnis der Kampfkunst.

Wenn man diese Punkte nicht vereinen kann, endet ein Kampf immer in

einer unberechenbaren, ungesteuerten Schlägerei.

Jetzt fehlt nur noch sehr viel Training. Und nehmen Sie die Hand aus der Hüfte! Sonst bleiben Sie im

Ernstfall noch an der Jackentasche hängen.

Selbstverteidigung ist nicht die vierte Säule des Karate-Do.

Oftmals wird Selbstverteidigung als

„Die vierte Säule des Karate-Do“ bezeichnet.

Das ist ein großer Irrtum. Selbstverteidigung ist das Dach des Karate. Wer das nicht verstanden hat, wird nie den Weg zur richtigen

Selbstverteidigung finden. Es ist schade, dass Selbstverteidigung, seit

dem Wandel in Japan, zur Seite gerückt wurde.

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Selbstverteidigung = Karate-Do

Was ist eigentlich Selbstverteidigung? Man muss jetzt hier nicht beschreiben, in welchen Zeiten wir leben. Das

wissen Sie, liebe Leser, selbst ganz genau.

Aber nicht immer will Sie jemand kompromisslos verprügeln. Es kommt auch vor, dass sie sich spaßeshalber verteidigen müssen. Man will Sie

vielleicht nur einmal testen. Zum Beispiel auf einer Gartenparty, auf der

Arbeit oder eben unter Freunden. Sie werden attackiert, aber wissentlich

mit dem Gedanken, dass es kein wirklicher Ernstfall ist. Dann können Sie nicht kompromisslos rein hauen. Sie müssen sich auch in solchen

Situationen verteidigen können. Sonst machen Sie eine schlechte Figur

und alle lachen über Sie. So verschieden die Angriffssituationen sind, so vielfältig und variabel

müssen die Selbstverteidigungstechniken sein. So vielseitig und variabel wie Kata. Übrig bleiben aber nur ein paar Standardtechniken, die man

reflexartig anwenden kann. Darum wurde in den Kapiteln der Kata

erklärt, wie man damit umgehen sollte. Lösen Sie sich von der „Formelabwehr“. Wenn mich jemand SO angreift, muss ich SO

abwehren und kontern. Was übrig bleibt ist nicht die Abwehr nach

Formeln, sondern die „Geübte und Perfektionierte Motorik“. Sie reagieren und fragen sich hinterher, wie sie das gemacht haben. Das ist

das höchste zu erreichende Ziel.

Ein Freund und Arbeitskollege wollte es wissen. Mit den Worten:

„He, Du machst doch Karate. Zeig mal was Du drauf hast“, kam er auf

mich zu. Mir war klar, dass das nicht hundert Prozent ernst gemeint war. Aber

dennoch würde ich mich in wenigen Sekunden in einer sehr

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unangenehmen Position befinden. Ohne nachzudenken, bekam er einen kontrollierten Fingerstoß Richtung Hals. Er wich mit einem Schimpfwort

und leicht nach Luft schnappend zurück. Von da an hatte ich meine

Ruhe. Es folgten die üblichen Übertreibungen wie:

„Der hat üble Techniken drauf. Legt euch lieber nicht mit ihm an“. Das war zwar wirklich übertrieben, aber mir konnte das Recht sein.

Man muss heutzutage auch damit rechnen, dass ein potenzieller

Angreifer über solche Fähigkeiten, der mittlerweile sehr zahlreichen

Kampfkünste, verfügt. Neben Karate, oder dem mittlerweile auch

geübten Straßenkampf, gibt es zahlreiche traditionelle Künste wie,

Aikido, Boxen, Hapkido, Jiu-Jitsu, Judo, Ringen, Ju-Jutsu, Kempo,

Kick-Boxen, Kobudo, Kung- Fu/Wushu, Ninjutsu (Ninjitsu),

Taekwondo, Thai-Boxen, Viet- Vo-Dao. Da muss man sich fragen, wie eine Selbstverteidigungssituation wirklich aussieht. Und vor allem; wann

fängt sie wirklich an.

Man kann unmöglich alle Situationen durchspielen. Doch sollte man es hier einmal überdenken.

Die verschiedenen Distanzen. Neutraldistanz: keiner der Kontrahenten befindet sich in direkter

Schlag- oder Trittweite. Wettkämpfer haben gelernt diese schnell zu

überbrücken.

Trittdistanz: Man ist dem Gegner so nahe, dass ein Fußtritt möglich ist.

Schlagdistanz: Man ist dem Gegner so nahe, dass auch Faustschläge möglich sind.

Nahdistanz: Auch Ellbogenschläge, Kopfstöße und Wurftechniken sind möglich. Besonders Ringer werden diese Distanz suchen.

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Bodendistanz: Beide Kämpfer befinden sich am Boden.

Verschiedene Angriffssituationen. Einige könnten so aussehen:

1 Man wird Kompromisslos angesprungen. Der Gegner geht wie

eine Dampfwalze vor. 2 Der Gegner tastet sich vorsichtig in die Nahdistanz heran. Dann

geht alles sehr schnell.

3 Der Gegner geht entschlossen in die Schlagdistanz vor. 4 Anfängliches schubsen oder Drohen aus der Nahdistanz.

5 Der Gegner schlägt überraschend zu.

6 Der Gegner versucht durch Täuschung den ersten Schlag zu versetzen.

7 Der Gegner baut seinen Angriff durch anfängliches „harmloses“

Greifen, Tasten, freundlich den Arm um die Schulter legen,

langsam auf.

8 Der Antanz-Trick. Besonders von Dieben bevorzugt.

Verschiedene Situationen.

An der Theke

Auf der Straße. Beim Einkaufsbummel oder spazieren gehen.

Im Gelände beim Joggen

In öffentlichen Verkehrsmittel.

In engen Räumen

In der Menschenmasse

Das alles haben unsere Karate Vorfahren gewusst und entsprechende

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Techniken in ihre Kata eingebaut. Motobu Choki rät hierzu:

1 Verwende Techniken, die in einer Bewegung Angriff und

Abwehr beinhalten.

2 Verwende so oft es geht beidhändige Techniken zur Abwehr

und zum Angriff.

3 Stehe nie vor deinem Gegner. Bewege dich immer zur Seite.

Es gibt viele verschiedene Selbstverteidigungssituationen. Man sollte aber immer versuchen möglichst realistisch zu bleiben.

Ausschließlich Wettkampf zu trainieren ist entschieden zu wenig.

Karate ist ein so weites Thema, dass drei Monate Zeitraum, die man

zwischen den Prüfungen hat, viel zu wenig ist. Wer will dies alles - und

dann auch noch die Angriffstechniken aus dem Wettkampfsport, die ich auch für notwendig halte – in dieser kurzen Zeit lernen?

Für all das ist Karate im Laufe der Jahrhunderte entwickelt worden. Selbstverteidigung ist nicht NUR die vierte Säule des Karate.

Karate-Do IST Selbstverteidigung.

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Der richtige Ansatz im Stil offenen Prüfprogramm.

Und nun nutzen wir einmal, an dieser Stelle, das Stil offene Karate, um

uns ein schönes Prüfungsprogramm zu bauen. Wir planen erst die Kata als Grundlage.

Dann erarbeiten wir einen passenden Kihon hierzu. Dabei muss man sich

nicht unbedingt stur an die ablaufenden Techniken der Kata halten. Man sollte vielmehr die Kata zerlegen, und dann die passenden

Techniken hieraus zusammenbauen.

Nun stellen wir fest, dass wir nicht nur Techniken im Kihon haben, die

mit einem Block beginnen; wir haben auch sehr schöne

Angriffskombinationen gefunden. Als letztes planen wir Bunkai als Wahlmöglichkeit. Wobei dieser Bunkai

eigentlich so aufgebaut ist, dass er alles - Kumite, Selbstverteidigung

und Bunkai – miteinander verbindet. Wir nehmen nämlich unser

geplantes Kihon-Programm - oder andere ausgewählte Kombinationen

aus dem Technikrepertoire der Kata - und zeigen dies mit Partner. Die Angriffe sollten hierbei möglichst realistisch gemacht werden. Gut wäre,

wenn nicht immer angegriffen wird, sondern zwischendurch einfach

jemand nach dem Weg oder der Urzeit fragt.

Die höchste Stufe dieses Trainings hat man erreicht, wenn man das Kampfkonzept der Kata verstanden hat und sich gegen nicht vorher

bekannte Angriffe wehren kann.

Nun stellen wir fest, dass alles da ist was wir brauchen; Blocks, Angriffsblocks und Angriffskombinationen.

Wer Karate betreibt, sollte auch an Karate glauben. Deshalb sollten wir nicht durch die Papierwand fahren und hoffen, dass

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der Gegner auf der anderen Seite nur ein Fahrrad dabei hat. Man sollte möglichst immer die Kontrolle behalten. Das funktioniert aber nur dann,

wenn wir imstande sind mit Karatetechniken zu Blocken und zu

Kontern. Wenn wir das nicht können, dann sollten wir mit unserem Auto

durch die Papierwand fahren und hoffen, dass unser Gefährt größer und sicherer ist als das Andere, das auf uns zu kommt.

Rückblick

Wer das Neue verstehen will, muss das Alte erforschen. Die wichtigsten Unterschiede des Shorin-Ryu zum Shotokan-Ryu.

In diesem Buch habe ich schon reichlich die Veränderungen im Karate

geschildert; wie die frühere Ausführung des Shuto-Uke in Okinawa.

Abschließend möchte ich mit diesem Kapitel noch kurz einiges

ergänzen. Es gab im späteren Okinawa einige große Stilrichtungen, wie Shuri-Te und Tomari-Te, was man unter Shorin-Ryu zusammenfassen kann. Es

gab Niigaki-Te. Und es gab auch Naha-Te, das mit Uechi-Ryu das

Hauptsystem Shorei- Ryu bildet.

In Japan gab es dann später neben dem meist verbreiteten Shotokan, die

großen Stilrichtungen Shito-Ryu, Goju-Ryu und Wado-Ryu.

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Es war so vieles anders in Okinawa. Es gab keine Graduierungen. Selbstverteidigung entstand direkt aus den Kata. Techniken mussten

wirken, bevor sie schön aussahen. Es gab keine weißen Karateanzüge

(Gi)

Viele Rituale und Trainingsmethoden wurden erst in Japan vom Judo und Kendo übernommen.

Keine Akademiker, sondern kampferfahrene Lehrer unterrichteten in

Okinawa. Es gab kein Kihon oder Grundschule nach japanischem Muster; weil

diese Grundschule in der Realität nicht funktioniert. Man muss diese

Techniken weiter entwickeln.

Grundsätzlich muss man sagen, dass nicht nur Itosu Yasutsune und Funakoshi Sensei Karate verändert haben, sondern auch deren späteren

Nachfolger.

Wenn Karate so willkürlich geändert wurde, wo ist dann die Jahrhunderte alte Erfahrung der alten Kämpfer hingekommen, und der

entsprechende Respekt vor ihnen.

Heute respektieren sich die meisten Menschen nur noch selbst, und

verteidigen vehement ihre unumstößlich eigene Meinung.

Wer immer nur nach Fehlern sucht muss sich nicht wundern, wenn

die Wahrheiten im Leben an ihm vorbei rennen.

Mein Science-Fiktion Verleger Wilfried A. Hary schrieb zu der darüber stehenden Weisheit folgendes.

„Ich habe ja mal Phonetik studiert, also die Wissenschaft des Sprechens.

Da lernt man zwangsläufig auch jede Menge an angewandter Psychologie, vor allem im Bereich Rhetorik. Ein Grundsatz lautet

sinngemäß, dass man niemanden mit Fakten allein überzeugen kann,

weil jeder Mensch nur das anerkennt, was ihm wünschenswert erscheint.

Echte Fakten werden abgetan als Lügen und Lügen als echte Fakten. Ein

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Grundübel, wogegen keiner von uns gefeit ist. Deshalb ist es von fundamentaler Bedeutung, sich selbst ausreichend zu hinterfragen, bevor

man andere hinterfragt oder immer nur nach deren eventuellen Fehlern

sucht, die man vielleicht nur als Fehler sieht, obwohl sie gar keine sind.“

Aber oftmals ist Richtig und Falsch relativ.

Wer seine Meinung nie zurückzieht, liebt sich selbst mehr als die

Wahrheit.

Joseph Joubert, französischer Moralist (1754 - 1824)

Noch ein paar neue Texte zum Abschluss

Ab hier werden noch Texte hinzugefügt, die ich für wichtig

halte, und die im Laufe der Zeit weiter entstanden sind. Dieses

Buch ist eben nie fertig. Ergänzungen gibt es also künftig, mit

Datum, ab hier. Diese Texte sind ab dem Jahr 2016 hinzugefügt

worden. Die letzte Überarbeitung des gesamten Buches war im

November 2017.

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Selbstverteidigung oder Kriegskunst?

2016 Mittlerweile ist das eine der schwierigsten Fragen des Karate-Do und den Kampfkünsten überhaupt.

Mit Sicherheit war die Kampfkunst in früheren Zeiten, z.B. auf Okinawa oder gar im alten China, vom „Kampf auf Leben und Tod“ geprägt. Wer

Kampfkunst lernte, lernte es um zu überleben. Das war wohl die

Motivation, was die meisten Kampfkunstschüler zum Erlernen der

Kampfkunst angetrieben hat.

Es waren andere Zeiten. Sie hatten andere Gesetze. Es waren andere

Kulturen. Es waren andere Länder. Und es waren andere Menschen. Sie dachten anders. Sie lebten anders und sie mussten auch anders

überleben, als das in unserer Zeit ist.

Man kann vieles nicht mehr direkt miteinander vergleichen. Wir leben nun mal in einer anderen Zeit, mit anderen Problemen, anderen Kulturen

anderen Gesetzen und anderen Waffen.

Und oftmals sind uns die einfachsten Eigenschaften nicht bewusst. Während Bogenschießen bei uns ein Sport ist, bei dem man

Treffsicherheit und Geschicklichkeit auf sportlicher Basis mit anderen

misst, war es bei den Mongolen, oder den Indianern, ein Mittel um zu überleben.

Wer also heute Bogenschießen lernt, der lernt es wegen dem Spaß an der

Geschicklichkeit, der Bewegung und der sportlichen Aktivität. Niemand

denkt bei diesem Sport daran, wie man mit dem Pfeil einen Menschen tötet.

So ist es mit vielen Sportarten. Zum Beispiel beim Biathlon oder beim

Sportschießen oder beim Degenfechten. Kein Sportler denkt bei diesen Sportarten ans Töten oder getötet werden.

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Dieser „Neuzeitliche“ Spaß an der Bewegung und Geschicklichkeit, findet sich auch in den Kampfkünsten wieder. Zum Beispiel im Kobudo.

Natürlich liegen die Wurzeln des Kobudo in der Kriegskunst. Die Frage

ist aber, unter welchen Gesichtspunkten die Leute aus dem Kobudo heute

trainieren. Der überwiegende Teil – wenn nicht sogar alle – machen es in erster Linie aus Spaß und Freude, den Künsten der Bewegung, und den

Fähigkeiten mit den Kobudo-Waffen umgehen zu können.

Auf Karate bezogen ergibt sich hier eine mittlerweile sehr schwierige

Frage. Unter welchen Voraussetzungen trainieren wir? Ist es Karate als

Kriegskunst? Oder als Selbstverteidigung?

Auf dem Schlachtfeld erübrigte sich meist die Frage, ob man seinem

Gegner eine Chance des Überlebens einräumt oder nicht.

Aus der Sicht der Selbstverteidigung, und auch aus moralischen Gesichtspunkten, sollte man einen Gegner nicht unter dem Gedanken des

Vernichtens, sondern unter dem Gedanken der „eigenen Sicherheit“

bekämpfen. Schon der Kampfkünstler, Regisseur und Filmemacher „Lau

Ka-leung“ sprach einmal in einer Dokumentation, vom „Gegner

überwinden“ und nicht vom „Gegner vernichten“. Dies setzte er auch in

Filmen ein, die er machte. Und dies lernte er schon von seinem Meister. Man kann also einem heutigen Kobudo Kämpfer nicht nachsagen, dass

er lernen will wie man mit dem Paddel einem Menschen den Schädel

einschlagen kann. Genau so wenig kann man einem Degenfechter

nachsagen, dass er lernen will, wie man mit dem Degen einen Menschen aufspießt.

Denn hier müssen wir klar unterscheiden zwischen Sport und Kunst,

oder dem erlernen einer Kriegskunst.

Diese Grenzen verschwimmen oft, ohne dass man es bemerkt. Selbst

erfahrene Kampfkunstexperten erkennen diese Grenze sehr oft nicht.

Diese Grenzen verschwimmen sehr oft oder werden unbewusst übergangen.

Dass Karate auch in Japan als Kriegskunst unterrichtet und weiter

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entwickelt wurde, wissen wir mittlerweile. Dass sich das Militär für Kampfkünste interessierte wissen wir auch.

Und nun stellt sich die Frage, warum dem Militär einige Kampfkünste

wie Aikido nicht zusagten.

Es stellt sich wieder die Frage, in welcher Kampfkunst diese Grenze der

Kriegskunst und der Kunst der Selbstverteidigung (Überwindung des

Gegners) überschritten werden. Oder ob sie damals überhaupt vorhanden waren.

In unserer Zeit erkennen nur erfahrene Kampfsportler die Feinheiten dieser Grenzüberschreitung.

Als Sensei und Leiter einer Kampfkunstschule sollte man erkennen,

wann ein Gegner überwunden werden kann, oder wann man eine

unpassende Technik anwendet, die den Gegner schwer und unnötig verletzt oder gar tötet.

Auch wenn man das im Kampf nicht mehr steuern kann – wegen dem Adrenalinspiegel und dem Stress dem man ausgesetzt ist – so muss sich

doch das ganze Training auf diesen Punkt der Überwindung – und nicht

des Tötens oder unnötigen Verletzens – beziehen.

Denn was man immer wieder gelernt hat, wird im Unterbewusstsein

eingeprägt und unbewusst in einer solchen SV-Aktion abgerufen.

Das Konzept eines Trainings muss also darin liegen, den Gegner zu überwinden. Dazu gehören keine final tödlichen Abschlusstechniken mit

gefährlichen Waffen.

Mit Sicherheit sind es Techniken, die Rambo so gelernt hat. Oder irgendein anderer neuzeitlicher Film-Kriegsheld.

Die Grenzen verschwimmen und werden oftmals unbewusst

schöngeredet. Es ist schade, dass das oftmals entschieden vehement und unbewusst schöngeredet wird.

Gegen Training mit gefährlichen Waffen ist nichts einzuwenden. Denn

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oftmals lernt man nur so, zu was ein Kämpfer mit einer solchen Waffe fähig ist. Die sehr empfindliche und unbewusste Grenze wird dann

überschritten, wenn der finale Stich in den Nacken oder der Schnitt in

den Hals nachgesetzt wird. Dann ist es Kriegskunst. Das ist keine SV

mehr. Wir müssen uns entscheiden.

Trainieren Sie um ein War-Lord zu werden? Oder legen sie Wert auf eine

angemessene SV?

Aber um das zu wissen, müssen Sie erst einmal erkennen, wenn man

ihnen auf einem Lehrgang mit Messer, den finalen Stich präsentiert oder dieser nach einer Aktion des Lehrgangsleiters nachgesetzt wird; oder ob

im Training auf die Überwindung – und weniger die Vernichtung – des

Gegners Wert gelegt wird. Wie Sie im Ernstfall dann reagieren, kann

niemand voraussagen.

Leider musste ich feststellen, dass sich nur wenige Kampfkünstler über

diese Grenze bewusst sind. Und wenn sie sich doch dessen bewusst sind und den War-Lord gewählt haben, sind sie sich nicht über die Folgen

bewusst.

Es kommt also darauf an, mit welchem Bewusstsein man trainiert. Denn

es prägt sich im Unterbewusstsein ein, wie ein Arbeitsvorgang am

Fließband. Und da sollten Sie genau aufpassen, was sie sich einprägen.

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Kata-Tafeln einfach spiegeln.

2017 im April

Ich bin bereits mehrfach darauf eingegangen, warum es wichtig ist, eine

Kata auch in der entgegengesetzten Richtung zu trainieren. Daher folgt

hier nun ein kleiner Tipp am Rande.

Die Shotokan-Kata-Tafeln von Albrecht Pflüger dürften wohl allen

bekannt sein; zumal ich sie in diesem Buch mehrfach erwähne.

Ich habe mir dieses Buch bereits 1985 gekauft. Damals waren es noch 25 Kata.

Daher kann ich auch privat damit arbeiten.

Wenn ihr euch nun die Arbeit und das Training der „Ura-Form“ etwas erleichtern wollt, dann spiegelt doch einfach diese Tafeln mit einer

halbwegs vernünftigen Bild-Software. Natürlich sind die Beschriftungen

auch gespiegelt. Aber das sollte uns erst einmal nicht stören. Wir haben

ja noch das Original.

Ich habe es probiert und es funktioniert einwandfrei. Solange ihr die

gespiegelten Tafeln nur für euch verwendet, ist nichts dagegen

einzuwenden. Ihr könnt dann die ganze Kata in der Ura-Form sehen, kontrollieren und erlernen.

Ihr könnt Techniken auch zuhause üben. Der PC oder das Tablet dabei,

und schon könnt ihr sehen wie es in der Ura-Form weiter geht. Irgendwann geht es nicht mehr nur alleine im Dojo. Irgendwann muss

man auch zuhause etwas tun. Und da kann der PC sehr hilfreich sein.

Denn Karate ist nicht nur etwas für die Muskeln, sondern auch für den

Kopf. Wenn ihr also die gespiegelten Tafeln am PC seht, oder vielleicht sogar

ausgedruckt habt, dann könnt ihr viel Kopfarbeit machen.

Und diese Kopfarbeit ist sehr wichtig.

Im Training muss der Weg voller Gedanken sein. Im Kampf sind diese

Gedanken dann aber eher Hindernisse.

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Trainiert man eine Kata, oder macht man Kata-Training?

April 2017

Eine Frage auf die man keine Antwort weiß; die auch niemand wirklich

ernsthaft interessiert. Vielleicht denkt man sogar, dass das eine ziemlich

blöde Frage ist. Und man kann es sogar niemanden übel nehmen.

Wirklich, diese Frage interessiert scheinbar niemanden. Dabei ist es die wichtigste Frage, die man im Karate stellen kann.

Man fragt sich oft, wieso man von Gichin Funakoshi behauptet, er hätte zehn Jahre nur eine einzige Kata trainiert. Man fragt sich, was er da

trainiert hat.

Hat er die Techniken verfeinert und verbessert?

Hat er zehn Jahre lang Bunkai Trainiert?

Oder Hat er zehn Jahre lang immer wieder im Training die

Kata wiederholt?

Und da unterliegen wir einem kleinen, aber entscheidenden,

grammatikalischen Irrtum. Er hat nicht etwa zehn Jahre nur eine Kata trainiert. Er hat zehn Jahre lang Kata-Training auf der Basis von einer

Kata gemacht.

Was machen wir eigentlich?

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Wir haben ein paar Grundtechniken, die wir ständig trainieren. Nun, da können wir zum Beispiel folgende Techniken nennen, die wir im Kihon

des Shotokan-Programm ständig üben:

Oi-Zuki , Gyaku-Zuki, Sanbon-Zuki, Ren-Zuki, Kizami-Zuki ,

Uraken Jodan, Shuto-Uchi , Haito-Uchi, Uchi-Uke, Morote-uchi-

Uke, Shuto-Uke, Age-Uke, Soto-Uke, Gedan-Barai , Otoshi-Uke,

Mae-Geri, Yoko-Geri, Mawashi-Geri, Ushiro – Geri, Ashi-Barai.

Aber was finden wir in den Kata? Wenn man dann noch die alten

Okinawa-Kata anschaut und erforscht erkennt man, dass da noch viel mehr Techniken - die man aus unserer Sicht sogar als „Exotisch“

bezeichnen kann - vorhanden sind.

Kake-Uke, Ashikubi-Kake-Uke, Hasami-Uke, Hotoke- gamae, Kosa-

Uke, Makite-Uke, Mawashi-Uke, Muso-Uke, Sagurite-Uke, Suirakan

no kamae, Torite-Uke, Wari-Uke.

Im Prüfungs-Kihon des Shotokan ist nicht einmal ein Kakiwake-Uke

oder ein Juji-Uke vorhanden. Geschweige denn ein Tsukami-Uke, ein

Yama-Zuki, ein Awase-Uke oder ein Awase Zuki. Obwohl diese Techniken in den Shotokan-Kata vorhanden sind. Und mit den

Stellungen sieht es auch nicht viel besser aus.

So, und nun zurück zur Frage, was Funakoshi zehn Jahre lang geübt hat, und ob wir eine Kata trainieren, oder Kata-Training machen. Dabei muss

man sich nicht etwa fragen, was der Meister Funakoshi zehn Jahre lang

trainierte. Vielmehr müsste man fragen, …… was wir dreißig Jahre

lang trainieren. …..

Wenn man die Kata analysiert erkennt man sehr schnell, dass sie eine

Vielzahl von Techniken enthält. Und wenn man diese Techniken so

akribisch genau trainiert, wie wir unsere Grundschul-Techniken; dann

wird vieles klar. Funakoshi trainierte mit der damals wesentlich

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längeren Naihanshi weitaus mehr Techniken, als wir in unserem

Shotokan Kihon-Grundschule.

Wieso können wir uns also nicht vorstellen, dass Funakoshi 10 Jahre

lang Naihanshi-Training machte, wenn wir 30 Jahre lang die gleiche Grundschule trainieren.

Wenn man erkennt, dass man mit dem Ellbogen nach vorne schlagen kann, dann beinhaltet dieses Training eben auch andere Ellbogen-

Techniken. Mit Partner, ohne Partner, nach oben, nach unten, nach

hinten, zur Seite usw. Und wir bauen eine einzige (von Sensei zu Sensei unterschiedliche)

Bunkai-Technik ein und fertig.

Wenn ich einen Übersetzschritt in Kiba-Dachi nach links mache, mit

einem Knie-Stoß links und einem Tsuki rechts. Dann muss es auch anders herum trainiert werden. Übersetzschritt rechts, Knie-Stoß rechts

und Tsuki links.

Die Techniken müssen trainiert werden. Letztendlich müssen sie im

Kampf funktionieren. Sie müssen immer wieder trainiert werden, bis die

Bewegungen in Fleisch und Blut über gegangen sind. Natürlich beinhaltet ein solch ausgereiftes Training auch die

Anwendungsmöglichkeiten, von denen es durchaus mehrere geben kann.

Aber wenn man die Kata-Technik versteht, braucht man keine 500

Bunkai-Varianten auswendig zu lernen. (Wie oben in einem anderen Kapitel schon beschrieben wurde) Nein, man erkennt die Verbindungen

und die Einsatzmöglichkeiten der Techniken genau.

Wer es auswendig lernen muss, wird es nicht begreifen. Wer es

begreift, muss es nicht auswendig lernen.

Denn im Kampf bleibt nichts übrig was auswendig gelernt wurde. Dazu ist keine Zeit. Im Kampf bleibt nur die Reaktion aus dem

Unterbewusstsein.

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Ein einfaches Beispiel, wie man die Verbindungen der Kata-Techniken untereinander versteht; und den Umgang damit versteht.

Heian Shodan. Technik 3 / Gedan-Barai rechts und Tettsui-uchi.

Heian Sandan. Technik 12 und 13 / Ellbogenblock nach innen und

Tate-Uraken-uchi.

Wenn man genau hinschaut, wird bei der Heian Shodan hier immer

schon eine erste Abwehrmöglichkeit übergangen. Nämlich ein Gedan-

Haiwan-uke. Diese Kreisbewegung hat sehr viele Möglichkeiten. Beachtet man das, erkennt man die Verbindungen und die Ähnlichkeiten,

die untereinander bestehen. Vergleicht man sie mit der Heian Sandan,

erkennt man einen Ellbogenblock den man durchaus auch als einen „Chudan-Haiwan-uke nach innen“ bezeichnen könnte. Dann folgt ein

ähnlichen Konter wie in der Heian Shodan.

An der Kata erkennt man, was gerade trainiert wird. Erst wenn man diese Techniken alle, und in allen Variationen, (auch in Kihon-Form)

trainiert hat und beherrscht und auch erkennt; dann erst beherrscht man

die Kata. Und wenn man das einmal mit einer Kata erreicht hat, hat man eine

hervorragende Basis geschaffen, andere Kata viel schneller zu verstehen

und zu meistern. Wenn wir aber nur die Kata trainieren, dann reichen drei Monate, wenn

man das notwendige Talent und die Körperbeherrschung mitbringt, um

sie in einer Prüfung zu zeigen.

Das bringt nur nichts.

Also, was trainieren Sie, liebe Leser? Trainieren sie die Kata?

Oder machen Sie Kata-Training?

Eine Frage die scheinbar niemanden interessiert.

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Das Bunkai-Buch

September 2017

Erinnerungen werden wach. Das alte Kata-Bunkai-Buch liegt schon viele

Jahre ungenutzt in irgendeinem Stauraum herum. Ich nahm es hervor und blätterte darin herum. Es war das Jahr 1985, als ich mit Karate

begann. Ich war 29 Jahre alt und suchte etwas, was mich sportlich,

gesundheitlich und vom Interesse her ausfüllte. Nach den ersten Trainingsmonaten begann man sich damals allgemein für Karate-Bücher

zu interessieren; denn Internet hatten wir noch nicht. Wir hatten nicht

einmal einen PC. Der Weg führte in die Stadt, in die möglichst größte Bücherei. Und so

kam ich zu meinen ersten Bunkai-Büchern. Der „AH-Effekt“ war groß

und das Interesse ungezügelt.

Kata: Der Kampf gegen mehrere imaginäre Gegner. Bunkai war also der

Part, den der Gegner hierbei übernehmen sollte. Kata war also Kampf.

AH. Alles klar. Jetzt hatte man etwas, was man lernen und üben konnte. Ja, alles klar. …. Dachte ich damals jedenfalls.

In diesen Büchern erklärte man immer nur eine Version einer Technik

oder Kombination. Man ging nicht näher auf die Techniken ein, und auch nicht auf die Kombinationen. Und man erklärte sie auch nicht weiter.

Wir hatten ja unsere Grundschule, die im Shotokan Prüfungsprogramm

vorgegeben war. Und die war wenig auf Kata bezogen. Man musste erst einmal die Grundschule (Kihon) gut beherrschen. Außerdem war bald

Prüfung. Da musste man diese Grundschule können. Und auch die Kata

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musste schön aussehen. Und „Kihon Ippon Kumite“ sah auch spektakulär aus. … Dachte ich … Alles klar. … Dachte ich damals

jedenfalls.

So verstanden wir mit der Zeit die Kata als etwas, was man damals in den Kung Fu Filmen sah: Es war wohl eine Art Kampfchoreographie. Ja,

das musste es sein; eine Kampfchoreographie. Und man verteidigt sich

gegen mehrere imaginäre Gegner mit Grundschultechniken.

Das war das alte Verständnis der Kata. Aber wir hatten ja noch unsere

Grundschule, die man erst einmal besser beherrschen musste. Den Hüfteinsatz zum Beispiel.

Und so schleppten auch „Altgediente Karateka“ diese Einsicht über

Jahre und Jahrzehnte mit sich herum. Teilweise bis heute noch. Wie letztens noch so ein hoch dekorierter Großmeister sagte: „Wenn man im

Kampf mit einer Kata nicht weiter kommt, dann nimmt man eben eine

andere“. Und das war damals nicht anders. Man kämpft eine Kata. Das musste so sein, dachte ich damals. .

Das Spiel ging weiter. Auf diesem Weg konnte man den so begehrten Schwarzen Gürtel erreichen. Man stellte keine unangenehmen Fragen;

man machte das was gefordert wurde. Wir hatten ja unsere Grundschule,

die man erst noch besser beherrschen musste. Die Frage nach dem Sinn

der Kata rutschte etwas in den Hintergrund. Außerdem gab es noch in vielen Dojos das Wettkampftraining.

Dann stellte sich eine andere Frage. Mit der Zeit, und mit viel Fleiß und Training, war der begehrte Schwarze Gürtel dann erreicht. Mein großes

nächstes Ziel war vorerst nicht etwa den zweiten DAN zu erreichen,

sondern alle Shotokan Kata zu können. Zumindest vom Ablauf her.

Denn man kann ja beliebig im Kampf von einer Kata zur anderen

wechseln. … Doch halt! … Das ging irgendwie nicht. Das wurde mir

mit der Zeit klar.

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Es kann wohl niemand diese Masse an Choreographischen Bunkai-

Techniken und Choreographischen Bunkai-Kombinationen behalten,

trainieren und beliebig im Kampf von Kata zu Kata wechseln. Zumal

jeder Meister etwas anderes zeigte. Das wurde mir mit der Zeit klar. Denn auch die, die es so sahen und so weitergaben, beschränkten ihre

Kampffähigkeiten oftmals ausschließlich auf das Wettkampftraining;

wenn man genauer hinschaute.

Hm, aber was nun?

Also sagte man, dass man besser wenige Kata beherrscht, diese aber dann richtig. Ja, wir hatten ja immer noch unsere Grundschule, die man

erst noch besser beherrschen musste, oder das Wettkampftraining. Na ja,

wenige Kata besser zu beherrschen schränkte meine Möglichkeiten zwar

dementsprechend ein, aber die Bunkai- oder OYO-Versionen kann man dann aber richtig. (Vielleicht) …. Dachte ich. Aber ich war ja stur. Ich

trainierte trotzdem alle 27 Shotokan-Kata weiter.

Aber, diese letzte Weisheit – von einer Kata im Kampf in die nächste zu

wechseln - kommt heute bestenfalls von Schülern eines Schülers, dessen

Meister ein Schüler von Nakayama oder Funakoshis Sohn Yoshitaka war. Und weil das nicht möglich ist, rutschte das Ziel der Kampfkunst in

scheinbar unerreichbare Ferne. Denn auf diese Weise kann wohl

niemand alle Kata beherrschen. Das ist unmöglich. Denn es sind

schätzungsweise - wenn man bei den Versionen eines einzelnen Meisters bleibt - weit über 300 Bunkai-Versionen, die man perfekt können muss.

Man müsste also im Jahr jeden Tag mindestens eine dieser Versionen

trainieren. Dann hat man sie aber nur einmal im Jahr trainiert. Das ist Nonsens hoch drei.

Darum fragte ich einfach einmal den Meister selbst, was er dazu meinte.

Denn er hat ja einiges hinterlassen. Mittlerweile mit Internet und PC ausgestattet, ging es auf die Suche nach Büchern vom Meister

Funakoshi. Und ich wurde fündig.

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………………………… Zitat aus dem Buch Karate-Do Nyumon:

Wenn man die etwas mehr als dreißig Kata betrachtet, die wir üben,

wird man erkennen, dass sie im Wesentlichen lediglich Variationen von

nur einer Handvoll sind. Gichin Funakoshi

…………………………

Es hat lange gedauert, bis ich das verstanden habe. Oh ja. Sehr lange.

Eine Kata ist also KEIN Kampf gegen mehrere imaginäre Regner.

Eine Kata ist eine Sammlung von Techniken, deren Möglichkeiten man analysieren und vielseitig trainieren muss.

Dabei darf man Funakoshis Weisheit nicht vergessen, dass eine Kata

nicht verändert werden darf; im Kampf aber verändert bzw. angepasst

werden muss.

Ich hatte alle Shotokan Kata geübt und trainiert. Und das auf die

verschiedensten Weisen. Ja später sogar in der entgegengesetzten Richtung (Ura-Form) .

Dann war mir klar geworden, dass man die Techniken und

Kombinationen der Kata erst einmal wie ein Baumstamm sehen muss. Man muss das Grundprinzip (Nicht verwechseln mit unserer

Grundschule!!! Das meine ich nicht!) der Aktion verstehen, und dann die

Möglichkeiten (Äste) hieraus erkennen und fliesen lassen. Dann rutscht

man automatisch in andere Kata hinein, die man auch schon einmal trainiert hat. Aber es sind eben keine Kata, in die man hinein rutscht.

Man nutzt nur Variationen von Techniken, die auf einer gemeinsamen

Grundbasis bestehen. Alle Techniken sind nur Variationen einer Handvoll. Und diese Handvoll kann man behalten und trainieren. Wenn

man dann eine Kata trainiert, muss man immer – bei jeder Technik – den

Baumstamm erkunden, bevor man in den Ästen herum turnt.

Nun war mir klar geworden, wo der Fehler in der allgemeinen

Denkweise lag. Und mir war klar geworden, dass man das niemanden

erklären kann. Das muss sich jeder selbst erarbeiten. Man muss sich nur

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klar darüber sein, ob man Karate macht um andere zu überzeugen, oder um das tiefere Wissen zu ergründen.

………….

Weisheit ist nicht mitteilbar. Weisheit, welche ein Weiser mitzuteilen

versucht klingt immer wie Narrheit.

Hermann Hesse

deutscher Schriftsteller (1877 - 1962) ……………..

Ich packte das Buch wieder weg und wusste; es wird noch viele Jahre dauern - wenn nicht sogar Jahrzehnte - bis eine neue Generation kommt,

die das Eis bricht und neue Erkenntnisse einführt, die es größtenteils

schon in den Hinterhöfen Okinawas gab.

Aber wie bei Asterix und Obelix, gibt es da ein kleines Dorf …. Nein, es sind bei uns bereits viel mehr kleine Dörfer (Dojos) in denen man das

erkannt hat, und den Zaubertrank das Karate bereits seit Jahren Braut.

Und das ist gut so.

Das ewige Klischee mit den Säulen

Es gibt eine Indianische Weisheit die besagt:

Wenn zwei Falken auf einem Baum sitzen und ein Schwarm Wildenten

fliegt vorbei, dann sagt auch nicht ein Falke zum anderen: "Schau, da

fliegt die Mehrheit, das muss der richtige Weg sein, schließen wir uns

an!" Sie werden weiterhin als Falken dem Weg der Falken folgen.

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Aber manchmal folgen wir doch den Wildenten.

Ich weiß nicht wer damit angefangen hat, aber es muss irgendwann

gewesen sein, als Karate den Weg von Okinawa über Japan und Hawaii

in die weite Welt gefunden hat.

Erst sprach man von den drei Säulen des Karate. Kihon, Kumite und

Kata. Dann kam viel später noch eine vierte Säule hinzu: Die Selbstverteidigung.

Aber es gab auch noch mehr, und auch noch andere Säulen. Es kamen

beispielsweise noch Bunkai und Makiwara hinzu. Weiterhin kam auch noch der Geistige Hintergrund und Henka hinzu.

Alle Säulen stehen für sich; wenn man das Beispiel der Säulen beibehält.

Säulen können ein Gewölbe oder Arkaden eines Gebäudes tragen und dabei teilweise oder ganz die Wände ersetzen. Sie können jedoch auch

nur der Dekoration dienen oder als Monument allein stehen.

Säulen sind also nicht unbedingt miteinander verbunden. Darum ist das „Säulen-Denken“ im Karate völlig überholt und grundlegend falsch.

Wenn man schon solche Vergleiche braucht, dann sollte man nicht einem alten Klischee hinterherrennen, sondern so denken, wie es wirklich sein

sollte.

Es sind keine Säulen, sondern Stufen. Vom Schüler zum Meister und

weiter, schreitet man die Stufen ein Leben lang empor. Alle Stufen bauen auf den darunterliegenden Stufen auf. Bröckelt eine Stufe, bricht die

ganze Treppe zusammen. Bröckelt eine Säule, stehen meist die anderen

noch. Also, dann ist doch dieses Denken falsch. Dann lieber zur Treppe.

Es fängt mit der ersten Stufe weiß an:

Weiß-Kata

Diese Stufe fängt mit der ersten Kata als Basis und Fundament an. Sie enthält auch Kihon und alles was in diesem Grad zur Grundschule

dazugehört. Die Basis ist wichtig, um die nächste Stufe erreichen zu

können. Alle Techniken die in den Kata enthalten sind, müssen dieser

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Stufe entsprechend erlernt und trainiert werden; und zwar nicht nur so wie in den Kata. Alle Techniken sind auch im Kihon zu trainieren; links

wie rechts. Es geht dabei nicht um Schönheit, sondern um die Funktion.

Am Ende dieser Stufe muss man die Kata, dem Grad entsprechend,

können.

Die zweite Stufe weiß:

Weiß Anwendungsmöglichkeiten und Kombinationen. Ein Werkzeugmacher muss nicht unbedingt mit dem Werkzeug gut

umgehen können, das er macht. In dieser Stufe lernt man die Techniken

kennen und gebrauchen, die man in der ersten Stufe gelernt hat. Man lernt alle möglichen Anwendungs- und Einsatzmöglichkeiten. Man

verbindet Techniken zu Kombinationen und erlernt ein Verständnis

hierzu. Man beginnt sie zu verstehen. Auf dieser Stufe übt man dem

Grad entsprechend, zum ersten Mal mit Partner. Man versucht die Möglichkeiten, die Kombinationen und die Techniken am Partner zu

spüren, zu erfassen und zu meistern.

Die dritte Stufe weiß:

Bunkai, Kumite, Selbstverteidigung.

Nun versucht man das erlernte, dem Grad entsprechend, mit Partner aufzubauen. Man hat jetzt ein Verständnis für die erlernten Techniken

entwickelt; es fehlt jetzt nur noch das entsprechende Training. Man weiß

jetzt, was man mit den Techniken und den Kombinationen alles machen

kann; man kann es nur noch nicht gut genug. … Training, Training, Training.

Weiter geht’s mit anderen Graduierungen. So bauen sich alle anderen Stufen auch auf. Und man muss die Treppe

immer emporsteigen, wenn man auf seiner Stufe trainieren will. Es gibt

keinen Fahrstuhl dorthin. Wir steigen so immer wieder die Treppen

empor.

Später kommt noch eine vierte Stufe zum jeweiligen Grad hinzu.

Die Verbindungen der Kata und das Grundprinzip der Techniken.

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Das Grundprinzip der Kata muss verstanden werden. Die Kata sind alle irgendwo und irgendwie miteinander verbunden. Jede Kombination und

jede Technik hat ein Grundprinzip. Nennen wir es den Baumstamm. Die

Äste sind die Variationen, die hieraus entstehen können. Man muss also

die erlernte Kata mit anderen Kata vergleichen, die man bereits erlernt hat. Man muss den Baumstamm jeder Kata und deren Techniken finden.

Es gibt immer eine – oder mehrere – Verbindungen. Aus diesen Wenigen

Grundvariationen, bauen sich alle anderen Techniken in ihrer ganzen Vielfalt auf. Wer das nicht versteht, der muss weit über 300 Bunkai-

Variationen auswendig lernen; was bedeutet, dass man - wenn man jeden

Tag trainiert - im ganzen Jahr nur immer eine einzige Bunkai-Variante aus den 26 Kata lernen und üben kann.

Hat man das System mit dem Baumstamm aber erst einmal verstanden,

dann erhöht sich der Schwierigkeitsgrad – aber auch das Verständnis –

mit jeder Stufe die man empor steigt auf eine Weise, die sich auf wenigen Grundvarianten aufbaut. Und das kann man behalten und

trainieren.

Es gibt keine Säulen im Karate; es sind Stufen. Das Säulen-Denken ist

ein veraltetes Klischee im Karate. Wer nur in den Prüfungen über

Hürden springt, bewegt sich immer nur auf einer Ebene.

Jede Kata hat eine Grundschule

September 2017

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Übung und Aktion sind zwei Paar Schuhe.

Ich möchte heute über ein Thema sprechen, das aus meiner Ansicht

oftmals übersehen oder vergessen wird. Wir alle haben es schon

tausendmal gehört; erst muss man die Grundschule beherrschen, bevor man sich an andere Dinge heran wagt. Aber was sind das für andere

Dinge? Und was ist die Grundschule?

Der Fehler liegt bereits darin, was wir oftmals im Karate als

Grundübungen verstehen.

Alle Techniken die es im Karate gibt – und wirklich alle – bestehen aus einer Grundschulübung und einer Kampftauglichen Version. Es ist wie

das Schönschreiben in der Schule.

Egal was man handwerklich oder akrobatisch lernt, es fängt immer mit

einfachen Grundübungen an. Diese werden dann geübt, perfektioniert und für die Bühne, die Manege oder das Handwerk brauchbar gemacht.

Das ist der Weg. Aber leider übersieht man im Karate allzu oft, dass diese Anlernphase

einmal endet, und in eine brauchbare Phase gewandelt werden muss.

Autofahren lernt man mit Grundübungen. Schon beim Einsteigen, und bevor man losfährt, geht man bewusst an die Dinge heran, bis sie sitzen.

Dann kann man weiter machen.

Im Karate lernen wir Jahre lang, wie man den Außenspiegel richtig

einstellt. Natürlich kann man immer etwas verbessern. Aber würde man sich, wie im Karate, dermaßen daran aufhalten, würde niemand den

Führerschein bekommen. Außer, man beurteilt den Fahrschüler danach,

wie er den Außenspiegel richtig einstellt. Dann lernt er aber niemals verkehrssicher fahren.

Man könnte noch mehr Beispiele nennen. Im Karate bedeutet das, dass

man den Weg von Kihon, Kata und den Kumite, zur Selbstverteidigung finden muss.

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Die Frage ist also immer, was man alles mit den Techniken machen kann und wie und wo man sie anwenden kann. Vor allem wie man sie

anwendet.

Dann geht der Weg von der Grundschul-Übung zum Verstehen und zum Fühlen. Dann geht es zum freieren schnelleren Einsatz. Mit sehr viel

Training, kann man sich eine solche Übung so einprägen, dass sie

automatisch abläuft, wenn man sie wirklich einmal braucht. Und dieser Weg gilt für alle Techniken; auch die Techniken, die in den

Kata eher selten sind.

Grundschule besteht also nicht aus einer ausgesuchten Auswahl von

Techniken, sondern aus der Vorbereitung jeder neuen Technik die man im

Karate lernt. Grundschule begegnet uns also immer; auch bei einem

Mawashi-Uke. Und da müssen wir genauso von Grund auf üben, wie bei einem Age-Uke.

Der Baumstamm Und dann findet man auch die Gemeinsamkeiten die ich immer wieder in

meinen Artikeln erwähne. Über diese Grundversionen einer Technik

(Baumstamm) finden wir die Gemeinsamkeiten zu anderen Techniken, die in den Kata enthalten sind. Wenn wir den Weg über den

gemeinsamen Baumstamm nicht finden, endet unser Training im wirren

Geäst eines alten großen Baumes. Bunkai wird zu einem ungeordneten

Fotoalbum mit 260 Bildern ohne Inhaltsverzeichnis und ohne Gemeinsamkeiten. Und genau da müssen wir anpacken und Ordnung in

das Durcheinander bringen.

Der Weg von der Grundübung zum Verständnis und dann zur weiteren

SV-Übung mit all seinen Versionen und Möglichkeiten, ist immer der

Selbe.

Dabei darf man auch nicht vergessen, dass man einer Technik Freiraum lassen muss, die ihr vielleicht bei einer Grundübung nicht gewährt wird.

Und man darf besonders im Karate nicht vergessen, dass deshalb vieles

Kampftauglich angepasst werden muss.

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Wer etwas Bestimmtes zu viel trainiert, lässt anderswo etwas Wichtiges aus. Übertreibungen ziehen meist etwas anderes, negativ mit. Es muss

das Ziel sein, den Mittelweg zu finden und diesen immer weiter zu

verbessern.

Es nützt uns wenig, wenn wir die Besten sind im Außenspiegel

einstellen, wenn wir an der nächsten Kreuzung nicht wissen wer Vorfahrt

hat.

Daher ist es wichtig zu erkennen was Grundübungen sind.

Ursprünglich wurden aus den ersten Kata ein paar Übungen

herausgenommen, um den Einstieg in das erste Training zu schaffen.

Diese Grundübungen waren immer mit den Kata verbunden. Und das sollte auch mit jeder Stufe weiter so sein. Alle Kata-Techniken haben

eine Grundübung, die man im Kihon erlernen und trainieren muss. Dann

muss man den Weg über den Baumstamm, zu den Gemeinsamkeiten finden.

Unser „Säulen-Denken“ (Kata, Kihon, Kumite) hat diese Gemeinsamkeiten getrennt.

Man darf im Karate nichts trennen oder dann sogar belächeln. Denn im

Spiegel lächelt immer jemand zurück.

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Warum denn einfach, wenn es auch kompliziert geht?

September 2017

Manchmal habe ich den Eindruck, dass man die „Kunst“ im Karate, zu wörtlich nimmt.

Die Analyse (Bunkai) der Kata wird oftmals dermaßen verkompliziert,

dass man den Eindruck hat, als ob sich ein paar Leute in ihrem Bunkai-Kunstwerk verwirklichen wollen.

Wenn man dann genau darüber nachdenkt – und vielleicht aus eigenen

Erfahrungen schöpfen kann – dann kann ein ernsthafter Angriff, und eine ernsthafte Bedrohung, zwar etwas Geschicktes sein, aber nichts

Kompliziertes. Meist sind es einfache und wenige Angriffe, wenige

unkomplizierte Griffe und einfache Techniken, denen man sich erwehren muss. In den seltensten Fällen greift jemand an, der ein kompliziertes

Repertoire an Techniken bevorzugt.

Da stellt sich die Frage, warum man dann kompliziert antworten muss.

„Karate kann so einfach sein“, sagte mein alter Sensei einmal. Und er

hat recht. Es sind die einfachen Dinge, die meist funktionieren. Die

komplizierten sehen zwar besser aus, sind aber in der Realität eher unangebracht. Daher sehe ich die Bunkai-Möglichkeiten zwar oftmals

vielseitig, aber möglichst einfach. Das heißt; dass man alle

Möglichkeiten einer Kata-Kombination ausschöpfen und ausprobieren soll. Wenn es aber zu lang, zu kunstvoll und zu verworren wird, dann

sollte man einen Gang zurück schalten. Denn es sind die einfachen

Versionen, die die verschiedenen Kata miteinander verbinden.

Je einfacher man alles hält, umso mehr Gleichformen kann man finden. Und je mehr Übereinstimmungen man findet, umso weniger werden die

Variationen, auf denen alles andere aufbaut.

Wer versucht, sich die zahlreichen komplizierten Bunkai-Variationen zu

merken, der ist definitiv auf dem falschen Weg. Wer aber spontan eine

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Kata erklären kann – wenn auch seine eigene Version – der ist auf dem richtigen Weg. Denn er hat verstanden, wie man mit den Werkzeugen

umgehen kann.

Denn bevor man Kata-Bunkai Kombinationen erstellt, sollte man erst

einmal die einzelnen Techniken erforschen, trainieren, ihre Möglichkeiten voll und ganz ausschöpfen und sie von der Grundversion

her analysieren und ihre Verbindung zu anderen Kata-Techniken finden.

„Alle Wege führen nach Rom“, sagte man damals. Im Karate ist es so,

dass man die Abkürzung von einem Ort zum anderen Ort nicht gehen

kann. Man muss zurück nach Rom und den Weg zum nächsten Ort finden. Rom ist in dem Fall, die jeweilige Grundtechnik, aus der die

unterschiedlichen Variationen entstehen.

Man sollte sich also nicht wie Tarzan mit einer Liane von Baum zu

Baum oder von Ast zu Ast schwingen. Man muss immer im Training zum nächsten Baum oder zum Baumstamm hinunter klettern, um den

nächsten Ast oder Zweig von unten her zu erforschen.

Mein Weg ist daher immer, den möglichst einfachsten Weg, in dem

Verstehen einer Kata und deren Techniken, zu gehen. Lasst euch nicht

verwirren, von komplizierten Bunkai-Kombinationen, die ihr eh nicht behalten könnt. Wenn man aber den Weg zur vorhandenen Grundversion

findet, dann weiß man, worauf sich die entsprechende Stelle in der Kata

aufbaut. Und das muss immer so sein; egal wie weit man ist, oder wie

hoch graduiert man ist. Springt niemals von einem Dach zum anderen. Benutzt immer eine Leiter und klettert jedes Mal von unten hoch. Dann

wird man irgendwann bemerken, dass viele Häuser und viele Dächer

viele Gemeinsamkeiten haben. Und diese Gemeinsamkeiten sind eine unverzichtbare Grundlage, um Karate wirklich zu begreifen und zu

verstehen.

Warum Kompliziert, wenn es auch einfach geht?

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Die Balance zwischen Figur und Anleitung.

2017 September

Von Balance ist im Leben des Öfteren die Rede. Entspannungsübungen

z.B. bringen Körper und Geist in Balance, sagt man allgemein. Auch im Karate sollte die richtige Balance ein Thema sein, das man öfter einmal

beachten sollte. Beispielsweise im Umgang mit den Techniken.

(Bitte jetzt nicht verwechseln mit "Innerer Balance"! Darum geht es hier nicht.)

Es gibt also zwei Seiten, die in der richtigen Balance zueinander stehen müssen.

Auf der einen Seite ist es die Form der Technik.

Auf der anderen Seite ist es die Gebrauchsanweisung.

Es ist vielleicht in etwa vergleichbar mit dem Modellbau. Wir haben ein

Modellflugzeug gebaut. Es sieht toll aus. Nun müssen wir nur noch

lernen, auf dem Übungsplatz damit umzugehen.

Im Karate gehört beides gleichwertig zusammen. Und genau hier denke

ich, ist die Balance der „Technischen Anwendung“ und des „Technischen Verständnisses“ nicht immer gegeben.

Beide Seiten müssen im richtigen Gleichgewicht zueinander stehen und

miteinander wachsen. Es bringt nichts, wenn man auf der einen Seite eine Perfektion verlangt, die die andere Seite nicht mitmacht.

• Wenn man im Kumite lernt einen Gyaku-Zuki ins Ziel zu bringen, dann muss der auch wirken.

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• Wenn man einen wirkungsvollen Gyaku-Zuki schlagen kann, muss man den auch ins Ziel bringen können.

Mit den vielseitigen Kata-Techniken ist das genauso. Auch hier bringt

eine einseitige Belastung der Balance nichts. Man muss beide Seiten gleichwertig belasten und mit ihnen gleichwertig heranwachsen. Somit

ist ein stetiges Wachsen im Karate nur in der richtigen Balance möglich.

Es hat lange gedauert bis ich bei mir selbst bemerkt habe, dass ich

eigentlich jedes Mal vom Seil falle, sowie ich das Dojo betrete. Und

heute fühle ich mich wie ein Seiltänzer, der noch nicht so ganz, ohne die bekannte Balancierstange auskommen kann. Immer wieder suche ich

mein Gleichgewicht; und das auf beiden Waagschalen.

Man sollte diese Balance, der Stufe entsprechend, beherrschen und mit ihr wachsen. Denn ein einseitiges Wachsen, lässt immer eine Seite der

Balancierstange aus dem beanspruchten Niveau geraten.

Wenn man bemerkt, dass zwar die eine Seite über dem geforderten Niveau liegt, die andere aber nicht, dann sollte man vielleicht im

Training einmal soweit zurückschrauben, bis sich die Balance wieder

etwas ausgeglichen hat. Denn man muss auf der anderen Seite etwas ausgleichen.

Daher sollte man immer beachten: Die Form ist gut. Aber wir müssen

auch die Gebrauchsanweisung lesen.

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Die Verbindung der Kata-Techniken.

September 2017

Wir wandern einmal durch die Kata wie durch einen zoologischen

Garten. Auf der Erde gibt es Millionen Tierarten. Und dennoch können

wir sie zusammenfassen.

Es gibt Tiere die im Wasser leben und Tiere die an Land leben. Und es

gibt Tiere die fliegen können. Es gibt Raubtiere, Alles- und Pflanzenfresser. Man unterteilt sie in Säugetiere, Vögel, Amphibien,

Reptilien, Fische, Insekten, Spinnentiere und Wirbellose Tiere.

So lassen sich viele Millionen Tiere einordnen. Sie werden unterteilt in

Tierarten, Tierfamilien und Tiergattungen. So werden Gemeinsamkeiten von vielen Millionen Tieren gefunden.

Und genau so, müssen wir unsere wenigen Karate-Kata-Techniken unterteilen, und ihre Gemeinsamkeiten finden.

Zitat aus dem Buch Karate-Do Nyumon:

Wenn man die etwas mehr als dreißig Kata betrachtet die wir üben,

wird man erkennen, dass sie im Wesentlichen lediglich Variationen von

nur einer Handvoll sind.

Gichin Funakoshi

Regel 18 von Funakoshi Gichin

十八、型は正しく、実戦は別もの.

Kata wa tadashiku jissen wa betsu mono.

Die Kata darf nicht verändert werden, im Kampf jedoch gilt das

Gegenteil.

Übe die Kata korrekt, der echte Kampf ist eine andere

Angelegenheit.

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Die Kata muss ohne Veränderung korrekt ausgeführt werden, im

wirklichen Kampf gilt das Gegenteil.

Perform prescribed sets of techniques exactly; actual combat is

another matter.

Perform Kata exactly; actual combat is another matter.

Führe die Formen (Kata) exakt aus. Der wirkliche Kampf, findet auf

einer anderen Ebene statt. Quelle: http://janson-ruediger.de/Buch/20RegelnBuch.pdf

Diese "andere Ebene" bedeutet, dass man den Techniken eine "Kampf-

Variante" lassen muss, die von der Grundform abweichen darf. Im

Grunde genommen ist es ganz simpel. Man findet diese

Gemeinsamkeiten, wenn man die verschiedenen Kata einer Stilrichtung trainiert.

Techniken nach außen oder innen. Jodan, Chudan, Gedan.

Drei Techniken (Kombinationen) nach vorne. Beidhandtechniken Jodan, Chudan, Gedan.

Im Grunde genommen kann man vieles in einer beidhändigen oder einhändigen Kreisbewegung von außen nach innen, und von innen nach

außen, zusammen fassen. Hieraus entstehen die Variationen.

Solche Gemeinsamkeiten in den Kata muss man finden. wie bereits

erwähnt, darf man dazu die Technik kampfbetont anpassen und

verändern. (Im Kampf gilt das Gegenteil)

Wenn man das verstanden hat, gruppiert man nicht nur Karatetechniken;

nein, auch Kampfkünste verbindet man miteinander.

Ihre Namen und Bezeichnungen sind wie Schall und Rauch. Was bleibt

sind die Gemeinsamkeiten. Von diesen Gemeinsamkeiten gibt es zwar

immer verschiedene Varianten, - (…………. Bitte, jetzt nicht wieder mit

der Basis anfangen ……………….) – aber je weiter man kommt in

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seiner Kampfkunst, umso mehr Verbindungen dieser Variationen findet man. …

Nein, Nein, Nein. Lösen sie sich von dem „Grundschulgedanken“, der

ihnen an dieser Stelle immer wieder im Gehirn herum spukt wie eine festgefahrene fanatische Glaubensrichtung in der Religion!

Es gibt keine Wing-Tsun-Techniken im Karate. Auch wenn es so aussieht und immer wieder behauptet wird; es sind Karatetechniken. Diese

Techniken haben Gemeinsamkeiten. Im Wing-Tsun gibt es auch keine

Karatetechniken. Es gibt nur diese grundlegenden Gemeinsamkeiten. Solche Techniken können durchaus eine gemeinsame Geschichte haben;

das muss aber nicht so sein. Und bitte jetzt NICHT von einer weltweiten

Verwurzelung oder einer weltweiten gemeinsamen

Entstehungsgeschichte sprechen. Das ist wirklich Unsinn. In Europa, Afrika und Amerika hatte man schon Kampftechniken lange bevor

Marco Polo nach China gereist ist. Und so sind auch später außerhalb

Asiens Kampftechniken entstanden, die nichts mit Shaolin zu tun haben. Dass ich so etwas überhaupt erwähnen muss, regt mich etwas auf.

Richard Trevithick, Timothy Hackworth, William Hedley und George Stephenson waren Männer, die unabhängig voneinander an derselben

Idee arbeiteten. Sie wollten die erste Dampflok auf die Schienen bringen.

Und so war es fast immer in der technischen und wissenschaftlichen

Geschichte. Es waren meist mehrere Leute mit der gleichen Idee gleichzeitig am Werk.

Und so ist es auch in den Kampfkünsten. Es gibt diese Gemeinsamkeiten in den Techniken. Es gibt feine Unterschiede. Manchmal auch gröbere

Unterschiede. Es gibt aber immer diese Gemeinsamkeiten.

Im Karate müssen wir, Technik für Technik, den Weg zurück über diese Gemeinsamkeit finden, um den Weg zu anderen Varianten zu finden.

(………….. Nein, ich meine nicht die uns eingetrichterte Basis.

…………)

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Wenn man diese Gemeinsamkeiten gefunden hat, kann im Kampf eine

Technik entstehen, die ich einmal als „egal-uke“ bezeichnet habe. Es war

ein Block, der funktionierte, aber irgendwie nicht so recht in die

„Namentliche Schablone“ passte.

Die Technik darf nicht verändert werden. Im Kampf ist das etwas

anderes.

Das Gefühl und die Schablone.

2017 Oktober

Manchmal passt es nicht, mit der technischen Vorschrift. Nun ja, wenn

man die vielen Kampfkünste und Stilrichtungen betrachten, dann ist das durchaus verständlich. Viele Techniken sind scheinbar gleich. Doch

Routiniers sehen, dass es feine und wesentliche Unterschiede gibt. Aber

was ist nun richtig und was ist falsch? Welcher Fußtritt ist der bessere?

Wir haben in den Kampfkünsten unsere Schablonen. Eine Abweichung

hiervon wird als falsch betrachtet. Diese Abweichung kann aber in einer anderen Stilrichtung oder anderen Kampfkunst als gut und richtig

angesehen werden.

Diese Gedanken brachten mich dazu, über zwei berühmte Meister nachzudenken, deren Geschichte vielen Kampfkunstbegeisterten bekannt

ist.

Es sind die Geschichten von Okuyama Tadao und Miyamoto Musashi.

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Okuyama Tadao war sich in vielen technischen Fragen nicht mit den

damaligen japanischen Karate-Größen einig geworden. Er zog sich für

eine Weile in die Einsamkeit der Berge zurück und suchte sein eigenes

Karate-Do. Er wollte weg von den Schablonen, hin zur freien Bewegung.

Miyamoto Musashi war für seinen unorthodoxen Kampfstil bekannt. Er

war der Sohn eines Samurai und schaute sich vieles von den Samurai und Rōnin ab, die in sein Dorf kamen. Er studierte viele Zweikämpfe. Im

Kampf nutzte er oft zwei Schwerter.

Aber was ist „Unorthodox“? Es ist eigenwillig, unangepasst, unbequem,

ungewöhnlich, ungewohnt, unkonventionell, unüblich, unvertraut. Es

passt nicht in die Schablohne.

Wer diese beiden Geschichten besser kennt und darüber gelesen hat

erkennt, dass beide Meister irgendwann ihren eigenen Weg gefunden

haben. Unser Weg ist aber genau vorgegeben. Denn wir wollen Prüfungen

bestehen. Da gibt es kein eigenes „Do“. Man ist in die Schablone

gezwungen. Jetzt stellt sich die Frage, ob man sich bedingungslos dieser Schablone angepasst; oder ob man irgendwann eigene Wege findet und

akzeptiert. Strebt man die nächste Prüfung an, oder ist das irgendwann

eher zweitrangig geworden? Bruce Lee wüsste eine Antwort.

Immer und immer wieder sagt man uns, dass eine Technik anders

gemacht wird. Es sind oftmals kleine Feinheiten, um die es geht. Unser

Körper und unsere Fähigkeiten sagen aber etwas anderes. Wir haben inzwischen gelernt die entsprechende Technik sehr gut und schnell -

ohne ständiges nachdenken über Feinheiten – effektiv zu gebrauchen.

Dann kommt vielleicht noch der Spruch, dass man das im Taekwondo

oder im „Wing Tsun“ so macht, aber nicht bei uns. (Oder umgekehrt)

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Okuyama Tadao hatte damals den Gedan-barai ohne große Ausholbewegung gemacht. Bei den JKA-Leuten stieß er damit aber auf

heftige Kritik.

Schablonen braucht man nur am Anfang. Wenn man besser ist, kann man darauf verzichten. Denn der Künstler braucht mehr freie Hand. Wie frei

sind unsere Hände? Das ist eine Frage die sich jeder einmal stellen sollte.

Ichi, Ni, San, Shi, Go, ???

Nun muss man sich fragen, wie solche Techniken überhaupt entstanden sind.

Erst einmal sind sie aus der Erfahrung heraus entstanden. Genau diese

Erfahrung war Okuyama Tadao und Miyamoto Musashi wichtig. Beide

waren große Kämpfer. Und so ist es auch damals beim Okinawa-Te gewesen. Die Kampfkünste aus chinesischer und japanischer Erfahrung,

hat man mit eigener Erfahrung gemischt. So sind die Okinawa-Kata

entstanden, die sich sehr von den Chinesischen Kampfstilen unterscheiden.

In unserer Zeit kamen „Logische Schlussfolgerungen“ hinzu, die auf wenig echter Kampferfahrung beruhen. Kata, Techniken und

Trainingsmetoden wurden geändert und kaputtverbessert.

Und dann kommt man irgendwann zurück zur eigenen Erfahrung die uns besagt, dass etwas anders, viel wirkungsvoller war, als man es mit einem

Partner geübt hat.

Nun muss jeder selbst wissen, ob er einer Schablone hinterher läuft, oder

den eigenen Weg (Do) sucht.

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Techniken und ihre Risiken

2017 Oktober

Schon oft habe ich gehört, dass jemand sagte, dass er dem Gegner doch

nicht den Rücken zuwendet. Es ging dabei um eine Technik, die über den

Rücken gemacht wird. Nun, in den Kata gibt es diese Techniken auch. Aber es ist immer eine Frage, ob sie auch angebracht sind. Wenn man es

genau nimmt, könnte man Techniken nach folgenden Schwerpunkten

analysieren.

• Risiko

• Zeit

• Wirkungsgrad • Akrobatik

• Nutzenergie

Risiko

Jede Technik hat einen gewissen Grad an Risiko. Man geht immer, mehr

oder weniger, ein Wagnis ein. Man sollte aber diese Risiken immer genau abwägen und bedenken. Während eines Kampfes kann man das

nicht; dazu bleibt keine Zeit. Es ist also nur im Training möglich dies zu

tun. Hier ist es wichtig was und wie wir etwas trainieren. Der Gegner

sucht nach Schwachstellen. Wenn man eine schwierige und komplizierte Technik anwendet, ist das Risiko umso größer. Techniken über den

Rücken (z.B.) müssen wirklich einen Sinn ergeben oder wirklich

notwendig sein. Man sollte das Risiko immer so klein wie möglich halten. Ja, man sollte lernen das Risiko zu fürchten. Nicht nur der

Gegner ist zu fürchten; nein, auch unsere Bereitschaft zu

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experimentieren um gut auszusehen. Es geht nicht darum mit einer ganz tollen Technik den Helden zu spielen. Es geht ums Überleben. Man sollte

das Risiko niemals unterschätzen, das man eingeht. Darüber sollte man

sich aber schon im Dojo bewusst sein.

Zeit

Natürlich braucht jede Technik ihre Zeit, wenn es auch nur Bruchteile

von Sekunden sind. Daher ist es immer ratsam, keine Experimente zu machen. Man darf wirklich keine Zeit verlieren. Was im Dojo, oder auf

der Budo-Bühne, toll aussieht, kann im wahren Kampf einem

geschickten Gegner Tür und Tor öffnen. Es gibt Techniken, mit denen man Zeit gewinnen kann. Und es gibt Techniken, mit denen man Zeit

verliert, wenn sie nicht angebracht sind. Es muss klar sein, wenn der

Partner im Dojo in einem Angriff stehen bleibt; in einem echten Kampf

macht das niemand. Alles was dauerhaft gegen diese Erkenntnis trainiert wird, ist nicht förderlich, sondern schädlich.

Ergebnis Das Ergebnis hängt in erster Linie erst einmal davon ab, ob eine Technik

im realen Kampf überhaupt funktioniert. Man darf sich hier nichts

vormachen. Im Training muss man immer mit dem Gedanken im Hinterkopf trainieren, als ob man einen wirklichen Gegner vor sich hat.

Man muss wissen, ob man für das Publikum auf der Tribüne, oder für die

Selbstverteidigung trainiert. Man muss sich auch fragen was man damit

erreicht; und wie geht es weiter. In welcher Lage befindet man sich nach der Technik, die man angewendet hat. Wenn beide auf dem Boden liegen

und der Gegner zwar unter Kontrolle oder verletzt ist nützt es nichts,

wenn ein zweiter Gegner auftaucht. Das Publikum applaudiert; der zweite Gegner aber nutzt die Situation voll aus.

Akrobatik

Man wird ja auch älter. Dann ist es ohnehin vorbei mit der Akrobatik. Aber Akrobatik verstößt meist über die drei vorher genannten Punkte.

Manchmal lässt man sich von Film, Show und Fernsehen in eine

„Supermann-Welt“ entführen, die eine falsche Begeisterung vermittelt.

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Das mag alles irgendwo funktionieren. Aber muss man eine Dose wirklich im Schraubstock mit der Metallsäge öffnen? Die Techniken

einer Kampfkunst müssen in erster Linie so vermittelt werden, dass sie

jeder möglichst kann. Und jeder sollte nur die Techniken wirklich üben,

die er auch wirklich in einem echten Kampf beherrschen kann. Der Salto rückwärts gehört nicht dazu. Wenn man über akrobatische Fähigkeiten

verfügt, ist das eine tolle Sache. Es darf aber niemals zur Voraussetzung

werden. Und wenn man so etwas macht, dann muss man es genau so gut können, wie die leichteste Technik die es gibt. Wenn nicht; dann lasst es

sein.

Nutzenergie

Nun muss man auch mit der Kondition haushalten. Keiner weiß wie

lange eine Gefahrensituation dauert. Jedes energieraubende Verhalten ist

in einer echten Gefahrensituation mehr als ungeschickt. Wenn die Kondition und die Konzentration durch Herumspringen und

Kampfbalzverhalten im Eimer ist, dann kommt noch vom Gegner der

erlösende „Bud Spencer Hammer“; der jede „Bruce Lee Imitation“ sofort beendet. Körperliche und Geistige Energie muss man

kontrollieren, beherrschen und entsprechend einteilen können. Auch das

ist eine Kunst für sich. Wer auf einem Lehrgang aus lauter falschem Ehrgeiz und falscher Angst seinen Partner zusammentreten muss, wird in

einer wirklichen Kampsituation kläglich versagen. Man muss die

Energie richtig nutzen können.

In den 20 Regeln des Funakoshi Gichin heißt es in Regel 19: „Hart und

weich, Spannung und Entspannung, langsam und schnell, alles in

Verbindung mit der richtigen Atmung.“

Effizient und Effektiv

Letztendlich muss man sich die Frage stellen, was effizient und was

effektiv bedeutet. Effizient ist etwas, wenn es nur einen kleinen Aufwand benötigt. In

unseren Beispielen also, wenn es ohne großes Risiko und ohne großen

Aufwand, das beste mögliche Ergebnis erzielt.

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Effektiv ist alles, was ein gewünschtes Ergebnis erzielt.

Nun sollte man sich entscheiden, ob man ein Akrobat ist, oder ein

Durchschnittsmensch. Als Durchschnittsmensch sollte man das machen

was man lernen und wirklich beherrschen kann. Bevor man alles nutzen mag was effektiv sein kann, muss man erst

einmal das beherrschen, was für jeden selbst effizient ist.

„Kata“ ist nur ein Name.

2017 Oktober

Eine Kata ist wie eine Flasche Wein. Sie kann von außen schön sein.

Aber es kommt auf den Inhalt an. Gilbert Gruss bei einem SV-Lehrgang in Mannheim.

Und da muss man sich die Frage stellen, ob Namen und Bezeichnungen wie Schall und Rauch sind. Man muss sich das fragen, weil wir nicht

mehr wissen, was man im 19. Jahrhundert, und davor, unter der

Bezeichnung Kata wirklich verstanden hat.

Kata ist nur ein Name; wie eine Weinflasche nur ein Gefäß ist. Wir

haben dieses Gefäß neu gefüllt und uns dabei nicht an das Rezept

gehalten. Vermutlich trinken wir den „Kata-Wein“ sogar aus einem Bierglas.

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Wir tun es, weil wir es für richtig halten. Und wir tun es, weil andere es auch so machen. Und wir ignorieren oder belächeln den, der den „Kata-

Wein“ aus einem Weinglas geniest.

Die alten Traditionen waren nicht falsch, weil wir es heute besser zu wissen glauben. Funakoshis Bilder hängen in vielen Dojos und auf

Lehrgängen aus. Aber im Regionalfernsehen erzählt dann schon mal ein

erfolgreicher Karateka, dass Karate entstanden ist, weil die Shaolin-Mönche keine Waffen tragen durften. (Das ist natürlich Unsinn) Und

die Biografie und die Lehren Funakoshis kennen und verstehen auch nur

wenig Karateka.

Kata ist nur ein Behälter der immer wieder neu gefüllt wird. Manchmal

wird der Behälter auch gar nicht gefüllt. Manchmal ist nur Wasser darin

enthalten oder etwas anderes was, mehr schlecht als recht, zusammengebraut wurde.

Ein guter Wein muss lange lagern bis er wertvoll ist. Mit der Kata ist es ähnlich. Die wertvollen Kata sind da. Aber wir können sie nicht finden.

Wir nehmen zu oft eine einfache Flasche, kleben ein Etikett drauf und

füllen etwas hinein von dem wir glauben, dass es dem Rezept entspricht.

Dabei ist es so einfach. Wenn man versucht einen eigenen Wein

herzustellen, der besser ist als alle anderen alten Weine je waren; dann

kommt man plötzlich auf das alte Rezept, als die Kata entstanden sind. Man sollte also nicht versuchen etwas zu kopieren. Man sollte versuchen

etwas Eigenes zu erzeugen, das noch viel besser ist. Und man sollte es

immer mit „dem Alten“ vergleichen. Irgendwann hat man dann das Geheimnis verstanden, nach dem alle Kata entstanden sind.

Die alte Zauberformel, die auf alles passt. Es gibt sie. Wenn man die

verstanden hat, versteht man alle Kata. Und man kann guten Wein erzeugen.

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Bunkai: Das große Rätsel.

2017 Oktober

Wozu ist Bunkai eigentlich gut? Wozu ist Kata gut. Um diese Frage zu

beantworten, müssen wir uns ein Beispiel vergleichen.

Vielleicht nehmen wir einmal das, was viele Leute mit Begeisterung

täglich verwenden; das Handy. Mit dem Handy kann man telefonieren. Man kann aber auch Navigieren.

Man kann damit spielen, oder Geocaching betreiben. Man kann damit

Sprachen übersetzen oder seine Dokumente immer dabei haben. Man

kann sein Konto überwachen oder damit bezahlen. Man kann einen QR-Code lesen. Man kann sehr viele Dinge mit dem Handy machen. Man

kann aber auch nur damit telefonieren.

Man kann eine Kata als Kampf gegen mehrere Gegner sehen, und dann

im Bunkai, das alles mit Gegner zeigen.

Man kann aber auch mehr damit machen. Eine Kata ist nicht zum Kämpfen da, sondern zum Lernen, zum Trainieren und um seine

Fähigkeiten zu erweitern und zu verbessern. Das bedeutet, dass Bunkai

erst einmal eine Übung ist, die nicht unbedingt im realen Kampf

bestehen muss. Bis es soweit ist, muss man das Handwerk erst lernen. Also ist Bunkai erst einmal eine Grundübung. Es muss aber eine

Grundübung sein, die man ins Reale steigern kann.

Die Form darf nicht verändert werden. Der Kampf ist eine Ausnahme.

So in etwa kann man Gichin Funakoshis 18. Regel verstehen. http://janson-ruediger.de/20Regeln.htm

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Das bedeutet, dass man die Übung bis in den realistischen Kampf

steigern kann und muss. Und genau da gibt es sehr viele Probleme. Diese

Steigerung wird oft nicht erkannt.

Im Sommer 2017 habe ich auf einem Lehrgang, Teile der Jion mit

Partner vorgeführt. Es gab Gruppen mit drei Leuten. Alle sollten diese

Stelle auf ihre Weise interpretieren. Als ich an der Reihe war, ging ein Raunen durch die Reihen und der Referent fragte, wie lange ich schon in

der Bronx wohne. Aber Karate muss auch in der Bronx funktionieren.

Sonst ist es nur eine schöne Übung die zwar klasse aussieht, aber in der Realität versagt.

Um das zu erreichen, muss man diese Stellen in den Kata lange, langsam

und intensiv üben. Man muss sie mit dem Ziel interpretieren, dass sie im „Schnellen“ funktioniert.

So hat man genügend Zeit, eine solche Partnerübung in mehreren Stufen

aufzubauen. Das kann von der genauen „Grund-Form“, bis zur veränderten und angepassten „Kampf-Form“ stufenweise gesteigert

werden.

Am Ende entsteht ein Bunkai, das Kumite, Selbstverteidigung und Kata-Analyse in einem darstellt.

Man muss alles miteinander verbinden. Nur dann findet man den Weg

(„DO“).

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Der Bunkai-Code ist kein Geheimnis.

2017 Oktober

Informationen und Erfahrungen sammeln, funktioniert in etwa wie ein Kartenspiel. Man spielt Karten aus und bekommt Karten zurück. Ähnlich

funktioniert das mit den Erkenntnissen in der Kampfkunst, die man über

lange Zeit gewinnt und sammelt.

Wir spielen unsere Karten aus und andere reagieren darauf, und spielen

ihre Karten aus. Aber anders als bei einem Kartenspiel, handelt es sich

bei den ausgespielten Karten nur um Kopien. Die Originale behalten wir immer auf der Hand. Man kann auch Karten kaufen.

So sammeln sich die Karten, mit der Zeit, immer mehr an. Was wir nicht

mehr gebrauchen können, sortieren wir aus. So wird unser Blatt immer wertvoller.

Nun gibt es aber auch „zementierte Erkenntnisse“. Das heißt, dass

einige unserer Mitspieler glauben, dass ihr Blatt so gut ist, dass sie nur noch ausspielen, aber nichts mehr einsammeln müssen.

Am Ende hat derjenige gewonnen, der das wertvollste Blatt in Händen

hält.

So funktioniert das auch in Internet-Karategruppen. Man kann seine

Erfahrungen preisgeben und erhält Erfahrungen anderer zurück. Das kommt uns im Training zugute.

Wer nun glaubt, dass zu viel geschrieben und zu wenig trainiert wird, der

sitzt nicht einmal am Spieltisch.

Aber nur auf diese Weise kann man sein Blatt so wertvoll machen, dass

man den so geheimnisvollen „Bunkai-Code“ knacken kann. Aber in Wahrheit ist es kein Code. Es ist nur ein Wissen, das man erst dann

versteht, wenn man möglichst erfahren im Handwerk ist. Denn ein

Handwerker, der nur geschickt mit den Händen ist, aber über wenig

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Erfahrung verfügt, wird schnell scheitern. Er kann zwar wunderbar schweißen und schrauben; aber er muss auch wissen was und wann er

schweißt und schraubt. Sonst ist er immer auf die Angaben eines

Vorarbeiters angewiesen.

Aber in der Kampfkunst haben wir keinen Vorarbeiter. Da ist jeder auf

sich selbst angewiesen. Jeder muss sein eigener Vorarbeiter sein. Und

wenn man einmal soweit ist, dann wird man bemerken, dass es gar keinen Bunkai-Code gibt. Es gibt nur das Handwerk, das man zu

verstehen beginnt. Es gibt nur Karate-DO.

Kampfkunst Karate, und die Sache mit dem Adrenalin und der Realität

2017 Oktober

Die Suche nach dem richtigen Weg im Karate, scheint nie zu enden. Viele Karatekas glauben ihn gefunden zu haben, und rücken von ihrer

Ansicht nicht mehr ab.

Jonathan Swift (englisch-irischer Schriftsteller, Satiriker) sagte einmal:

„Der Mensch sollte sich niemals genieren einen Irrtum zuzugeben,

zeigt er doch, dass er heute gescheiter ist als gestern“.

Zitat aus Leere Hand, S. 121 Kenei Mabuni

Auf Okinawa begann man sofort mit dem Training der Kata. Was ein

Stoß oder Block war, wusste man gar nicht. Solche Unterscheidungen kamen einem gar nicht in den Sinn. Man übte einfach nur Kata. Die

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Ausbildung war sehr ganzheitlich auf das Fließen von Angriffs- und Verteidigungsbewegungen konzentriert.

Søren Kierkegaard (dänischer Philosoph, Theologe und Schriftsteller

1813-1855) schrieb: „Wenn du mir einen Namen gibst, verneinst du mich, in dem man mir einen Namen, eine Bezeichnung gibt, verneinst du

all die anderen Dinge, die ich vielleicht sein könnte. Du beschränkst das

Teilchen etwas zu sein, in dem du es fest nagelst, es benennst, aber gleichzeitig erschaffst du es, definierst es, zu existieren. Kreativität ist

unsere höchste Natur, mit der Schaffung der Dinge, entsteht auch Zeit,

welche die Illusion in der Solidität erschafft." Dann schrieb er weiter:

„Je mehr Leute es sind, die eine Sache glauben, desto größer ist die

Wahrscheinlichkeit, dass die Ansicht falsch ist. Menschen, die recht

haben, stehen meistens allein.“

Zitat aus Karate-Do Kyohan

Dennoch muss betont werden, dass Sparring nicht ohne die Kata existiert, sondern um die Kata zu üben, also sollte es natürlich keinen

verderblichen Einfluss vom Sparring auf die geübte Kata geben. Wenn

sich jemand für Sparring begeistert, gibt es eine Tendenz dass seine Kata (Form Technik) schlecht wird. Karate sollte, um das abschließend

nochmal zu sagen, geübt werden mit Kata als Hauptmethode und

Sparring als unterstützende Methode.

Eine Weisheit die auf Itosu Yasutsune zurückgeht heißt, dass man sehr

lange, und sehr viel Übung braucht, um Karate zu entdecken. Dann

spricht Itosu von einer Art Veränderung des Körpers. Werner Lindt benutzte folgende Formulierung und Übersetzung: „Nach

Jahren der nicht nachlassenden Bemühung wird sein Körper eine große

Umwandlung zeigen und ihm die wahre Essenz des Karate enthüllen.“

Wie auch immer das zu übersetzen ist; es ist offenbar so zu verstehen, dass man irgendwann, nach langem Training, Karate entdeckt. Davon

sprach auch Shigeru Egami.

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Und nun suchen wir den Weg nach diesen Angaben!

Der Irrtum, den ein König ausspricht, wird zur Wahrheit. Die Wahrheit

die ein Untergebener ausspricht, wird zum Irrtum.

An den Wänden der Dojos hängen die Bilder der Leute, die diese alten

Weisheiten im Karate lehrten. In unseren Lehren aber ist die Weisheit

neuer Könige, die ihnen folgten. Das „Alte“ wird zum rhetorisch geschickt verpackten Irrtum, der heute nicht mehr zählt.

Plötzlich erzählt ein Trainer etwas, dass in keinem Buch steht und dass er von keinem anderen Trainer gelernt hat. Es ist eine „Kampf-Weisheit“

die ihm im Moment logisch erscheint. Und wenn es sich um einen

großen Meister handelt, verbreitet sich diese Logik auch schnell. So

rückten wir immer weiter ab vom „DO“ der alten Meister.

Nicht die Analyse, sondern die Verbindung zum Kampf war in ihren

Kata wichtig. Sie nutzten keine Namen für Techniken. „Wenn Du mir einen Namen gibst, verneinst Du mich …“

Man sollte beachten, dass man die bestehende angeborene Automatisierungsbewegungen des Körpers (Motorik,

Koordinationsfähigkeit und Reflexe) nicht zwangsweise ändern, sondern

fördern sollte. Auch Funakoshi lehrte: "Wir dürfen der Natur nicht

widersprechen". (Quelle: shotokai.com/ingles/filosofia/strength.html)

Somit wird Kata zum Fundament, auf dem alles andere aufgebaut ist. Es gibt keine Säulen im Karate. Alles ist miteinander verbunden.

Man sollte beim Training die Natur so belassen wie sie in jedem

Karateka steckt. Stattdessen schreibt man ihnen vor, wie ihre Natur zu sein hat. Wer das wirklich umsetzt, der muss sich nicht wundern, wenn

seine Kampfkunst im Rückwärtsgang fährt. Die Technik, die wir in den

Kata haben, muss dem Karateka gefallen; nicht dem Sensei. Der Sensei

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sollte nur soweit einschreiten, bis die Technik wirkt. Der Sensei sollte den Schüler die Technik entdecken lassen. Stattdessen hält man sehr oft

die Schablone daneben. Eine Technik die nach modernen Ansichten

schön aussieht, muss nicht wirkungsvoll sein. Wirkungsvoll ist sie dann,

wenn man die Wirkung wirklich empfindet. Das ist die Grundvoraussetzung, um mit den erlernten Techniken kämpfen zu

können.

Nun hat man zwei Möglichkeiten kämpfen zu lernen.

1. Learning by doing. Nach Säulen getrennt.

2. Lernen aus den Techniken, die in den Kata enthalten sind.

Der zweite Weg ist lang. Aber man bemerkt durchaus eine Veränderung.

Es ist ein besonderes Phänomen; aber die Techniken die man braucht,

sind in der Notsituation plötzlich da. Ob es ein Test im Dojo ist, der uns widerfährt. Oder ein Irrtum im Training. Der Block ist plötzlich da, ohne

dass wir wussten wie das geschah. Bei der genauen Vorgabe eines Sensei

mit Partner, muss das nicht mehr funktionieren. Denn da arbeitet man wieder mit der Schablone.

Nun kommt es sehr oft vor, dass es „Technik-Meister“ gibt, die im Kampf versagen. Oder es gibt „Technik-Meister“, die über einige

Spezialtechniken verfügen, die im Wettkampf gut funktionieren. Aber

das ist nur ein Teil des Ganzen. Da fehlt noch etwas.

Kaneshima: "Die Kamae ist formlos und die Abwehr ist formlos. Man

muss sich immer im Zustand der Bereitschaft befinden und sich aus

jeder Position, gleich was man gerade tut, verteidigen können. In

einem echten Kampf ein Kamae einzunehmen, bedeutet die sichere

Niederlage. Die angewendeten Techniken müssen spontan und

natürlich sein und nicht vorher überlegt.

KANESHIMA SHINSUKE

Und von genau dieser Lehre, sprachen die „alten Meister“. Aus der Kata

kämpfen lernen. Und das auf einem möglichst natürlichen Weg. Da

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brauchen wir keine Schablonen, sondern das Gefühl, dass es wirkt. Denn wenn es nach der Schablone stimmt, aber das Gefühl fehlt, dann versagt

die Technik im Notfall.

Und nun kommt noch ein weiterer Schritt hinzu. Diese erlernten Fähigkeiten aus den Kata müssen in jeder Situation

wirken. Und zwar mit einem solchen Ergebnis, dass ein Gegner nicht

mehr weiter machen kann.

„Learning by doing“ endet da, wo Funakoshi es sah: "Wenn sich jemand

für Sparring begeistert, gibt es eine Tendenz, dass seine Kata (Form Technik) schlecht wird."

Im Kapitel „Einführung“ von „Karate-Do Kyohan“ steht außerdem

folgendes:

„Es gibt extreme Fälle, in denen Schüler ermutigt wurden, ihr Karate in Schlägereien weiterzuentwickeln. Solche Ermahnungen wie: “Du kannst

deine Techniken nie verbessern oder verfeinern ohne sie in einigen

Kämpfen wirklich angewendet zu haben” oder “Wenn du nicht so-oder-so schlagen kannst, solltest du das Karatetraining besser völlig

aufgeben” schädigen den Ruf des Karate-dô. Solche Aussagen zeigen

jedoch nur das mangelnde Verständnis derer, die überhaupt nichts von Karate-dô wissen. Richtig verstanden, gelehrt und praktiziert im wahren

Geist des Karate-dô ist diese Kunst nicht nur das Gegenteil einer

vorhandenen Gefahr, sondern sie ist in Wahrheit eine mit wenigen

anderen zu vergleichende vollkommen edle Kampfkunst (Budô).“ (Deutsche Übersetzung unbekannt)

„Lerning by doing“ oder Lernen mit Hilfe der Kata? Jedem das Seine.

Wer es aber verstanden hat, der kennt die Antwort. Diese Antwort ist

ganz einfach: Dem Karate-Do vertrauen; sofern man "Do" wirklich gefunden hat.

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Kampftauglich oder nicht, das ist hier die Frage.

2017 November

Vielleicht lehne ich mich jetzt wieder etwas zu weit aus dem Fenster, aber das muss jetzt einmal sein. In Okinawa trainierte man Kata und die

Techniken daraus waren für den Kampf gedacht. Die Frage, ob etwas

kampftauglich ist oder nicht, stellte sich damals gar nicht.

Aber in zahlreichen Kampfkünsten muss man sich diese Frage

mittlerweile stellen. Wer im Ring kämpfen lernt, der wird mit dieser

Frage auch nicht konfrontiert. Der wird schon merken was gut ist und was Nonsens ist. Aber mittlerweile sind zahlreiche Kampfkünste nicht

mehr auf Kata aufgebaut, sondern auf einer herausgesuchten

Grundschule. Und da ist man überaus penibel.

Leider werden auch die Kumite-Übungen (außerhalb der

Wettkampfübungen) ebenfalls auf dieser „Basis“ aufgebaut. Das bedeutet, dass man erst einmal mit einem „einschüssigen Vorderlader

Angriff“ zu tun hat, der mit einem weiten langen Schritt beginnt. Diese

Übungen sind vielleicht für die Motorik, die Koordination und die

Techniklehre gut. Sie sind aber nicht kampftauglich. Davon ist man noch weit entfernt.

Und genau da fängt das Problem an.

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Es gibt einen fehlenden Bereich zwischen Kata, (Kata-Bunkai, Kumite-Übungen) und Kampf, den man nur selten lehrt. (Wir haben in diesem

Buch schon einmal das Thema gehabt. Aber es muss noch einmal

erwähnt werden.) Warum immer wieder, seit Funakoshis Zeiten, gesagt

wird, dass man nur im Kampf kämpfen lernen kann hat den Grund, dass man diesen Bereich nicht erkennt.

Erst einmal muss eines klar sein: Es gibt keine Blocktechnik. Eine Blocktechnik ist nur eine halbe Sache. Wenn man einen Angriff geblockt

hat, ist der folgende Zeitpunkt von einer „alles entscheidenden

Wichtigkeit“. Je weniger Zeit man an dieser Stelle verliert, um so mehr besteht die Möglichkeit, dass man die Initiative ergreifen kann, um den

Gegner auszuschalten, oder um etwas Zeit zu gewinnen um ihn mit den

nächsten Techniken auszuschalten. Wenn man die Initiative ergriffen hat,

bedeutet das nicht immer, dass man auch sofort den so gepriesenen Ippon einbringen kann. Manchmal ist diese Initiative auch nur ein

Zeitgewinn der es notwendig macht, die Initiative zu behalten oder den

Kampf möglichst schnell zu beenden.

In vielen Kampfkünsten allerdings gibt es die Übungen, die nach einem

Takt ablaufen. Erst der Block und dann der Konter. Kenei Mabuni schrieb in seinem Buch „Leere Hand“, dass es im Karate keinen Takt

gibt. Einen Takt gibt es nur in der Übung. Eine Technik muss fließend in

die andere Technik über gehen.

(Wir haben zu viel “ichi, ni, san, shi, go”)

Und jetzt kommt der oftmals fehlende Bereich. Ich möchte nun versuchen den Weg von der Kata-Bunkai-Version zur realistischeren

Kampfübung zu beschreiben. Kata ist eine Sammlung von Waffen, die

geschärft werden müssen. Darum geht es hier.

Wenn man die Zeit zwischen Block und Konter – was man als eine

einzige Technik sehen sollte – so gering wie möglich halten will, dann

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muss man oftmals anders reagieren, als es in vielen Vorführungen sehr schön aussieht.

Eine Block-Konter-Technik sollte man einmal mit einem begabten

Anfänger testen. Und der greift garantiert nicht mit einem langen einschüssigen "Vorderlader-Schritt-Faustschlag" an; wobei er den Arm

so weit nach vorne streckt, dass Oma die Wäsche daran aufhängen

könnte. Und der schlägt auch nicht nur einmal. Und der hat auch nicht die andere Hand weit hinten irgendwo an der Hüfte, wo er sie in die

Jackentasche stecken kann. Dabei ist in einer solchen Übung oft eine

Stoppsekunde beim Angreifer eingebaut, die es in Wirklichkeit nicht gibt. Wie gesagt; als Übung ist es in Ordnung.

Leider hat man irgendwann, bei seiner Suche nach der besten

„Grundschulperfektion“, vergessen, dass diese Übung kampfuntauglich sein muss. Wenn zwei solche Großmeister, aus einer so vorgehenden

Kampfkunst, gegeneinander antreten, dann führen sie erst einen

„Kampfstellung-Pfauentanz“ auf, und anschließend folgt eine Keilerei die an eine Schulhofschlägerei erinnert. Jeder bessere Muay Thai

Kämpfer prügelt sie durch den Ring.

Da fehlt doch etwas. Ja, einerseits fehlt etwas. Andererseits ist etwas zu

viel. Was zu viel ist, darüber will ich mich jetzt nicht äußern. Aber was

fehlt?

Man muss die Übungen langsam steigern. Tori muss erlaubt werden,

nach dem ersten Angriff sofort einen zweiten Schlag zu machen. Und

nicht aus der Hüfte. Das macht kein realistischer Angreifer. Das ganze muss langsam ohne Ansage gesteigert werden. Und zwar aus allen

Distanzen heraus. Zuvor muss man die Kata wieder als Grundlage

nehmen und nicht „grundschulmäßig schön“, sondern kampftauglich

trainieren. Und auch nicht immer zusammenhängend, sondern die Techniken auch spiegelbildlich anders wie in der Kata üben. Man muss

sie langsam üben und immer mit dem Gedanken dabei, was man gerade

macht. Dabei muss uns klar sein, dass in den Kata auch manchmal

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Grundübungen enthalten sind. Außerdem sind auch noch technische Anhaltspunkte enthalten, deren Sinn man erst mit viel Übung erkennt.

Wenn man soweit ist, dann kann man die Partnerübungen schrittweise

kampftauglich steigern. Das ist ein sehr weiter Weg. Ein solcher Experte, könnte auch in jeden Kampfkunstring steigen. Und er würde nicht nur

einen Pfauentanz aufführen.

Wenn man auf diese Weise Kata analysiert, hat man einen wahren Schatz

an Trainingsmöglichkeiten die uns Karate lehren, ohne sich planlos die

Mappe vollzuhauen, in der Hoffnung, dass man nach einer Zeit voller Torturen etwas dazugelernt hat.

Dieser fehlende Bereich muss geschlossen werden. Schlimm ist, wenn

man diese Schwäche nicht erkennt und glaubt, man hätte das rettende Ufer erreicht. Wenn man aber diese Fehler erkannt hat, dann merkt man,

dass man sein bisheriges Training etwas umstellen muss.

Diesen Weg muss aber jeder irgendwann alleine gehen. Denn es scheint

nicht sehr viele Dojos zu geben, in denen so trainiert wird.

Wer Karate-Wettkampf trainiert, hat zumindest eine sehr gute Grundlage,

im realen Kampf zu bestehen. Aber auch da ist vielerorts ein gewisses

Umdenken notwendig.

Ich bin mir sicher, dass man das früher auf Okinawa wusste. Es wurde

uns aber nicht alles erzählt.

„Der Mensch sollte sich niemals genieren einen Irrtum zuzugeben, zeigt

er doch, dass er heute gescheiter ist als gestern“.

Jonathan Swift (englisch-irischer Schriftsteller, Satiriker)

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Der Karate-Gegner.

2017 November

Warum wurden die Kampfkünste eigentlich entwickelt? Es ging

ursprünglich immer um den Verteidigungsfall. Und auch genau darum

wurden die Techniken entwickelt. Diese Techniken – die man häufig in den Kata findet – wurden also

entwickelt, um gegen alle möglichen Angriffe zu bestehen. Das hat Itosu

Yasutsune schon so geschrieben.

Und genau hier liegt ein Problem, das man seit Jahrzehnten vielerorts

übersieht. Besonders häufig wird es in Kampfkünsten wie Karate oder Taekwondo übersehen. Dort zählt der Wettkampf mittlerweile mehr, als

der Blick in den „realen Spiegel“.

Was man also braucht, ist eine weitere Steigerung des Trainings. Es muss einen Angreifer geben, der seine Angriffe schrittweise und entsprechend

realitätsbezogen immer weiter etwas steigert. Der Angreifer muss weg

von seiner eigenen Kampfkunst. Wenn man das wirklich üben will, sollte jemand den Gi gegen einen Trainingsanzug tauschen. Damit das Karate-

Denken mehr aus dem Kopf kommt.

Der Angreifer muss ein Schauspieler sein. Ja, ein Schauspieler. Dann kann man die verschiedenen Szenarien einmal trainieren. Man

muss weg vom Karate-Angriff. Das muss man langsam üben. Es mag

schwer fallen wie ein Kickboxer zu denken oder zu handeln. Aber nur wenn man die Vielfalt kennt, kann man auch dagegen angehen.

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Nur wenn man sich in die Vielfalt der Bedrohungen hinein denken kann, erkennt man die Techniken, die dagegen wirken.

Ein Krieger muss den Feind kennen. Nur dann kann er sich darauf

einstellen.

Regel 13von Gichin Funakoshi

十三、敵に因って転化せよ.

Teki ni yotte tenka seyo.

Wandle dich abhängig vom Gegner. Verändere deine Verteidigung gegenüber dem Feind.

Make adjustments according to your opponent

Passe dich deinem Gegner an.

Wenn man nur mit Karate-Gegnern trainiert, und Bunkai nur darauf aufbaut, verpasst man etwas Wichtiges im Training.

Zitat: „Wenn Du Deinen Feind kennst und dich selbst kennst, brauchst du

das Ergebnis von 100 Schlachten nicht zu fürchten.“

Sun Tzu (um 500 v. Chr. Chinesischer General und Militärstratege,

„Die Kunst des Krieges“)

Man muss sich also im Karate mehr um die vielen Angriffsmöglichkeiten

und Bedrohungen kümmern, um die Techniken aus den Kata richtig zu verstehen. Denn Karate wurde nicht nur entwickelt, um Karate

abzuwehren.

Das wird aber fast überall so trainiert.

Wer nur Karate trainiert ohne den Feind zu beachten, wird in einer

wirklichen Bedrohung versagen.

Gilbert Gruss sagte einmal, dass sich jeder einmal daran erinnern sollte,

warum man mit Karate begonnen hat. Dem kann ich mich nur

anschließen

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Ignorierte Erfahrungen

2017 November

Wir alle haben Erfahrungen gesammelt. Und manchmal haben wir auch

etwas daraus gelernt. Es muss aber nicht immer richtig sein, was wir

gelernt haben. Lebenserfahrung sammeln bedeutet nicht, dass man mit dem Alter auch automatisch weise wird. Es gibt viele „Alte“ die streiten

sich heute noch genau so, wie in ihrer Jugend.

„Erfahrung heißt gar nichts. Man kann seine Sache auch 35 Jahre

schlecht machen.“

Kurt Tucholsky, deutscher Schriftsteller (1890 - 1935)

Trotzdem erinnert man sich gelegentlich im Alter an gewisse Fehler, vor

denen man die Jugend bewahren will. Nun wollen wir diese Erfahrungen

an unsere Kinder und Enkel weiter geben. Doch das funktioniert nicht. Wir sind ja „die Alten“. Und früher war das alles anders. Die „Alten“

haben ja keine Ahnung wie das heute ist.

Wir sind vielleicht selbst wie die Irren mit dem Auto durch die Dörfer

und Städte gerast und hatten Glück, dass nichts passiert ist. Die Alten hatten viele Dinge lernen müssen. Zum Beispiel wie man mit

Geld umgeht. Wie man es ausgibt lernt die Jugend schon zu

Kinderzeiten.

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Selbst meine lange verstorbene Großmutter, könnte den Jungen heute noch sagen, dass dieser Weg ihnen Schwierigkeiten bereiten wird. Aber

sie wollen ja nicht hören. Sie wissen es besser. Nun gut.

Wir haben eine neue Erfahrung gemacht. Nämlich die, dass die Jugend ihre Erfahrungen selbst machen muss. Wir können versuchen ihnen den

Weg zu zeigen und sie vor falschen Wegen und Gefahren zu warnen.

Aber gehen müssen sie den Weg selbst; sonst lernen sie es nie. Dann folgt meist irgendwann der Lehrspruch: „Ich habe es dir doch gesagt. Du

hast ja nicht hören wollen“.

Oder sie merken es nie, dass sie die Erfahrungen überlaufen haben, und immer wieder dieselben Fehler machen. Das ist bei vielen so, aber sicher

nicht bei allen.

Einige junge Leute sehen in den übermittelten Erfahrungen der „Alten“

ein Wissen, das sie wirklich begreifen und die Folgen selbst abwägen können. Sie machen aus dem Wissen der Alten eine Erfahrung, ohne in

die schmerzliche Erfahrens-Grube zu fallen. Sie können damit etwas

anfangen, weil sie verstehen was gemeint ist.

„Der aus Büchern erworbene Reichtum fremder Erfahrung heißt

Gelehrsamkeit. Eigene Erfahrung ist Weisheit.“ Gotthold Ephraim Lessing, deutsche Dichter 1729 – 1781

Es mag eine alte Weisheit sein: „Was man von Anderen lernt, wird man

wieder vergessen. Was man selbst erfahren hat, das behält man.“

So geht man auch oft im Berufsleben vor. Da gibt es den Begriff:

„Anlernen“. Was bedeutet „Anlernen“? Man kommt in eine Firma und hat gewisse Voraussetzungen

mitgebracht. Nun folgt die „Anlernphase“. Man bekommt erste

Erfahrungen und Richtlinien gezeigt, damit man mit dem neuen Job

beginnen kann. Alles wird einem neuen Mitarbeiter noch nicht gezeigt. Das würde zu viel sein. Denn die Erfahrungen muss jeder selbst

sammeln. Die Leute, die jemanden anlernen stehen dann aber immer mit

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ihrer Erfahrung zur Verfügung. Die "Alten" beantworten die Fragen, auf die sie eigentlich warten.

Und nun zum Karate:

Behalten wir die oben erwähnten Dinge mal im Kopf.

Das Okinawa-Karate blickt auf eine sehr lange Erfahrungszeit zurück.

Aber es sind die „Alten“. Und die haben ja keine Ahnung wie das heute ist. Wir sind die Jungen, und wir wissen es heute besser. Heute ist ja alles

anders.

Die Alten aus Okinawa konnten ihr Wissen gar nicht vermitteln; weil nicht viele da waren, die bereit waren es aufzunehmen. Sie konnten es

hinterlassen.

Ich kann meine verstorbene Großmutter nicht mehr fragen. Ich kann mich nur noch an ihre Worte erinnern. Damals war ich ein Jugendlicher,

oder ein kleiner Junge. Aber heute fange ich an, das Wenige, an das ich

mich erinnern kann, zu begreifen.

Und so ist es auch mit dem Okinawa-Karate. Trotzig stehen wir da und

glauben alles zu wissen und begreifen nicht, dass man uns damals, als Karate von Okinawa nach Japan kam, nicht alles vermitteln konnte.

Denn man kann nur Wege zeigen. Aber man muss diese Wege auch

erkennen und akzeptieren. Wenn jemand einen Weg zeigt, kann man auf

genau diesem Weg Erfahrungen sammeln und begreifen.

Wenn ein Elternpaar den Kindern vorlebt, dass man im Leben stark sein

muss und arbeiten muss um etwas zu erreichen; dann begreifen es vielleicht auch die Kinder.

Das war – laut meinen Erkenntnissen – in Okinawa nicht anders. Das

bedeutet, dass man, seit Karate nach Japan kam, einen Teil dessen selbst

entdecken musste. Man hat – und man konnte – uns nicht alles sagen und nicht alles zeigen.

Die Eltern und Großeltern sind die „Alten“ aus Okinawa.

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Die Jungen, sind die stolzen Karate-Nachkommen aus Japan.

Da nun die Leute aus Okinawa, in Japan ohnehin an Ansehen hinten

anstehen mussten, ist es nicht verwunderlich, dass diese Jungen es besser

wussten.

Und das ist teilweise bis heute so geblieben. Karate muss zum Teil, von

jedem selbst entdeckt werden. Stattdessen schreibt man den heutigen neuen Nachkommen jede Bewegung penibel vor.

Wir wurden nur angelernt. Dieses „Anlernen“ kann man bis ins Unendliche Perfektionieren. Aber so wird man niemals lernen, mit der

Vielfalt des Lebens fertig zu werden. Und auch im Beruf würde man

nicht weit kommen.

Nun versucht man eigene Erfahrungen im Karate zu sammeln, ohne die

„Alten“ zu befragen. Und da gibt es die tollsten Erfindungen. Das ist von

Meister zu Meister anders. Und sogar Großmeister erfinden neue Pläne.

Zu viele Wege führen in einen Irrgarten, aus dem keiner den Ausgang

findet. Zu viele Konzepte enden im planlosen Durcheinander.

Es gibt mittlerweile – sogar von Großmeistern – geänderte Kata in eine

Bunkai- bzw. Selbstverteidigungs-Version. Wer 27 Shotokan-Kata

lernen will, muss dann auch noch die 27 Bunkai (oder SV) Versionen lernen. Und viele Meister erfindet etwas anderes. Und viele Meister

sagen, dass man genau das erst lernen muss, um Karate zu verstehen.

Und das ist nicht nur bei den Kata so. Die Kreativität wird in Schablonen gepresst, die vorgeschrieben sind. Und auch die Ausführung der

Techniken wird neu erfunden. Und viele Sensei erfinden Karate neu und

behaupten, dass man ihre Lehren erst perfekt können muss, um (Ihr)

Karate zu verstehen.

Dabei ist es so einfach, die Kata so zu belassen wie sie ist, und nur den

Techniken im Kampf kreative Freiheit zu lassen. (Weg mit den

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Schablonen!) Denn diese Kreativität reduziert die Zahl dessen, was man als Grundlage behalten muss. Denn sie verbindet die Techniken der Kata

miteinander. Die Technik-Schablone muss weg und die kreative

Anpassung an die Begebenheit muss her. Wer das erkennt, dem öffnet

sich der Ausgang aus dem Labyrinth.

Es gibt genügend Hinterlassenschaften, die man unter die Lupe nehmen

kann. Alles was sie geschrieben haben, kann uns weiter helfen. Wie die jungen

Leute heute, die Erfahrungen ihrer Eltern und Großeltern verstehen und

für sich nutzen können.

Aber sind wir alle im Karate wirklich so schlau, wie diese wenige

besagte junge Leute?

Wir sind „Die Jungen“. Wissen wir es wirklich besser? Oder sind wir alle zu hoch dekoriert um noch etwas „altes“ unter die Lupe zu nehmen?

Nach Altem forschen heißt das Neue verstehen.

Budo Weisheit (On ko chi shin, jap.: 温故知新)

Das letzte Kapitel

Es ist enorm schwer, das folgende Thema zu beschreiben. Letztendlich

sind es Eindrücke, Bilder, Gefühle und Erfahrungen, die man in Worte fassen muss.

Es geht über drei Stufen. Fangen wir also an.

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Die drei Stufen des Lernens

Die erste Stufe

Die erste Stufe ist das erlernen der Techniken. Dazu nutzt man Kihon.

Aber auch die Tenn o Kata eignet sich sehr dafür. Oftmals redet man

von der Basis. In Okinawa war die die Kata allerdings (also die Formen) die Basis. Die erste Stufe ist also das erlernen der Techniken aus den

Kata.

Wollen wir an dieser Stelle die Bezeichnung „Technik“ durch „Form“ ersetzen.

Formen sind weit mehr, als einzelne Techniken. Am Anfang mag es

wichtig sein, einzelne Techniken zu erlernen. Aber einzelne Techniken sind im Kampf nicht zu gebrauchen. Formen hingegen schon. Formen

können Kombinationen sein, Block mit Konter, oder Block-Konter-

Techniken, oder eben ganze Kata.

Das Erlernen dieser Formen geht nur stufenweise mit den Kata.

Eigentlich sollte man mit jeder Kata die man lernt, diese drei Stufen

durchlaufen. Doch die dritte Stufe ist am Anfang noch viel zu schwer.

Außerdem wird sie nur selten erkannt.

Die zweite Stufe

Die zweite Stufe ist das erlernen und Trainieren dieser Formen. Dazu

muss man mit den Gedanken nicht dem Kampfrichter oder dem Prüfer

gefallen, sondern den Gegner bekämpfen. Man erlernt die Formen

natürlich auch mit Partner.

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Um diese Stufe zu trainieren kann man wunderbar die Kata nutzen. Aber dann auf eine eigene Weise; nicht nach Wettkampf-Muster. Man kann

die Kata im Training so trainieren, wie es gerade in den Kram passt. Und

dieses Kata-Training beinhaltet alles; auch Partnertraining. Denn man

muss sich hier die Frage stellen, ob man Kata-Training macht, oder ob man die Kata trainiert.

Wichtig ist, dass man hier schon die Gemeinsamkeiten der Formen

findet. Und ebenso wichtig ist, dass man die Formen ebenso trainiert, als hätte man einen ernsthaften Gegner vor sich. Diese Stufe kann einige

Jahre erfordern. Und man sollte schon über ein gutes Kata-Repertoire

verfügen. Ich habe weiter vorne schon beschrieben warum.

Grundstellung oder Grundbewegung?

Wenn man es genau nimmt, gibt es in der Kampfkunst eigentlich keine

„Grundstellungen“; es gibt nur „Grundbewegungen“. Im Karate lernt man von Anfang an einzelne „in sich abgeschlossene Techniken“. Und

da scheint ein „Weiterdenken“ und ein „Weiterentwickeln“ notwendig

zu sein. Denn eine Technik endet nicht. Sie geht solange fließend in die nächste Form über, bis der Kampf beendet ist.

Die dritte Stufe

In der dritten Stufe muss man sich von den vielen Formen wieder lösen.

Zuvor muss man die Verbindungen der Formen gefunden haben. Das

reduziert diese Formen auf eine Handvoll Variationen.

Man sollte im Training versuchen, das „Militärische Technik-

Verhalten“ gegen ein lockeres fließendes Bewegungs-Verhalten zu

tauschen. Man vergisst die Techniken. Man vergisst die antrainierten

Grundstellungen. Man vergisst das „Einrasten der Technik“. Solche

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„Einrast-Abschlüsse“ braucht man nur, wenn man noch nie mit einem Partner einen Übungskampf gemacht hat.

Ja, man muss sich von vielen Dingen lösen, die man im Leben einmal

erfahren hat. Man kann und soll von „altem“ lernen. Eine

Weiterentwicklung kann aber nur dann entstehen, wenn man sich vom „alten“ lösen kann.

Fortschritt kann nur auf dem Erbe der Vergangenheit aufgebaut werden.

In der Kampfkunst aber ist das schwierig, denn es gibt zu viele Irrtümer. Wo muss man anfangen auszusortieren? Ein enorm großes Problem ist

die „eingefahrene Denkweise“. Und die ist von Generation zu

Generation anders, aber genau so stur. Wer sich gar nicht mit der Realität ernsthaft beschäftigt, hat schon mal seltsame Ideen. „Einrasten“

ist blanke „übertriebene Theorie“ ohne vernünftig praktisch erprobte

Grundlage.

Wenn man sich von der genau vorgeschriebenen Form löst, führt genau dieses "Loslassen" wieder dahin zurück. Aber in eine Form, die absolut

Kampftauglich ist.

Man muss in dieser Stufe wieder von vorne beginnen. Man muss seine Fertigkeiten stufenweise kampftauglich machen. Es gibt in dieser dritten

Stufe keine festen Formen mehr. Man muss die eigene Geschicklichkeit

spüren.

Ein „Loslösen“ von den „Einzeltechniken“ ist im Karate unbedingt

notwendig.

Die Faust an der Hüfte ist – wenn man es genau nimmt – nur eine

Sekundensache. Das ist nur möglich, wenn die Block- oder die Konter-Technik wirkt. Und es ist nur dann möglich, wenn es danach sofort

weiter geht. Somit müsste man im Karate mehr die fließenden

Bewegungen trainieren, als die „in sich abgeschlossenen einzelnen

kombinierten Roboter-(einrasten)-Techniken“. Es muss fließen; nicht

einrasten. Einrasten bedeuten bei jeder Technik, ein Anfang und ein

Ende. Wir sind aber keine Roboter.

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Dieses „Starre“ die man immer wieder im Karate antrifft, führt offenbar

zu schwerwiegenden Irrtümer und falschen Vorstellungen.

Dazu kommen die Kommandos. Man geht in Grundstellung (Gedan-

Kamae usw). Alles ist, als Technik definiert und in sich abgeschlossen. Die Benennung einzelner Techniken ist schon nicht so geschickt.

Søren Kierkegaard (1813-1855 dänischer Philosoph, Theologe und

Schriftsteller) sagte einmal:

„Wenn du mir einen Namen gibst, verneinst du mich, in dem man mir einen Namen, eine Bezeichnung gibt, verneinst du all die anderen Dinge, die ich vielleicht sein könnte. Du beschränkst das Teilchen etwas zu sein, in dem du es fest nagelst, es benennst, aber gleichzeitig erschaffst du es, definierst es, zu existieren. Kreativität ist unsere höchste Natur, mit der Schaffung der Dinge, entsteht auch Zeit, welche die Illusion in der Solidität erschafft."

„Techniken“ sind Namen; abgeschlossene Dinge. Man sollte die Techniken aber mehr als „in sich fließende Bewegungen“ sehen.

Einzelne Techniken braucht man nur, um diese „Bewegungen“ zu

trainieren.

Selbst die Kombinationen im Karate, werden oftmals zu starr und

„namentlich benannt“ trainiert. Im Kampf muss man aber die Namen,

und die einzelnen Techniken, vergessen. Alles muss ineinander fließen,

ohne einzelne Abschlüsse. Das ist zwar nicht das Ippon-Karate das man vielerorts trainiert. Aber ein Abschluss gibt es erst dann, wenn man in

Sicherheit ist. Und das entscheidet in der Realität der Gegner, nicht der

Kampfrichter.

Am Anfang muss man Technik für Technik lernen; das ist klar. Aber

irgendwann muss man lernen, es fließen zu lassen. Das „ichi ni san shi

go – Denken“ muss irgendwann weg. Ja, man muss im Karate auch

lernen, wieder etwas zu vergessen.

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Der Weg zu dieser wirklichen Meisterschaft führt über das anfängliche

Studium der Techniken. Dann führt der Weg über die Formen. Und

letztendlich muss man wieder Loslassen lernen. Dieses "Loslassen" führt

dann zur Idealform der eigenen Kampfkunst. Auf dieser Stufe verbindet man nicht nur die Formen der Kata des eigenen Stils miteinander; nein,

man verbindet sogar einige verwandte Kampfstile miteinander. Das sind

drei Schritte, die sehr viel Zeit erfordern.

Es gibt daher auch einen klaren Unterschied zwischen Technik und

Form; zwischen Grundtechnik und Grundbewegung, und zwischen

Vorlagen und kreativem Unterbewusstsein.

Bevor ich mich mit der Kampfkunst befasste, war für mich ein Schlag nur ein Schlag und ein Tritt nur ein Tritt. Nachdem ich die Kampfkunst erlernt hatte, war ein Schlag nicht mehr nur ein Schlag und ein Tritt nicht mehr nur ein Tritt. Jetzt, da ich die Kampfkunst verstehe, ist für mich wieder ein Schlag nur ein Schlag und ein Tritt nur ein Tritt.

Quelle: http://praktischesinstitut.de/praktischesinstitut/?page_id=132 / Jeet Kune Do (Bruce Lees Kampfkunst Entwicklung)

Und diese letzte dritte Stufe fehlt im Karate sehr oft.

Hat sie jemand gefunden und geht dann diesen Weg, dann laufen oftmals

die Technik-Karatekas hinterher und sagen, dass man alles falsch

gemacht hat.

Wer sich aber von diesem eingefrorenen „Technik-Karate“ nicht lösen

kann und die dritte Stufe nicht erreicht, der wird nie lernen einen

Ernstfall zu überstehen. Seine Kämpfe werden nur einer Wirtshausschlägerei gleich sein.

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Man muss zwar immer wieder die Formen trainieren; aber erst wenn man sich von der Form auch lösen kann, kann man im Kampf jede Form

kämpfen.

Leider besteht das heutige Karate sehr oft darin, den Zenkutsu-Dachi

noch ein klein wenig zu verbessern. Wenn man aber vieles klar sehen will, in diesem Leben, dann muss man die stählernen Ketten im Kopf

sprengen.

Lesen Sie auch mein Buch: „Die 20 Regeln des Gichin Funakoshi.

Schlusswort

Ich denke, ich habe zumindest mit diesem Buch euer Interesse geweckt. Und nicht mehr, will ich erreichen.

Es ist so einfach den richtigen Karateweg zu finden. Aber der liegt leider

in den so unangenehmen Kata. Dieses Training dauert lange und ist

schwierig.

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Wenn wir wieder Kata zu dem machen was sie einmal waren, finden wir

auch wieder den richtigen Weg zum Karate; zum Karate-Do.

Ich hoffe, dass ihnen das Buch gefallen hat. Wenn Sie es gelesen haben,

dann hoffentlich nicht mit dem Gedanken wer ich bin. Ich bin unwichtig.

Nur der Inhalt des Buches ist wichtig.

Mit besten Grüßen

Rüdiger Janson 3. Dan Shotokan Karate

Man sollte immer danach streben so groß zu werden, wie man glaubt zu sein.

R.Janson

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Anhang

Literatur- Informationsquellen:

The Essence of Okinawan Karate-Do - Shoshin Nagamine

Die verschollenen Traditionen des Okinawa-Karate - Jamal Measara

To-Te Jitsu „Die Kunst der Faust von Okinawa“ - Gichin Funakoshi.

Roland Habersetzer - Bubishi.

Roland Habersetzer - Koshiki Kata

Roland Habersetzer - 39 Karate Kata

Leere Hand - Kenei Mabuni

Karate no Nyumon - Gichin Funakoshi

Karate-Do Kyohan - Gichin Funakoshi

Karate-Do – Mein Weg … Gichin Funakoshi

Albrecht Pflüger - 25 Karate Kata

Nakayamas Karate perfekt 1-8

Shotokan Karate Kata - Joachim Grupp

Shotokan Kumite - Joachim Grupp

Der Bunkai-Code – Alfred Heubeck

Weitere Informationsquellen:

shorinryu.de/ Familie / Tradition / Technik

tsuru.de/ Geschichte /

Gerhard Schönfelder. Technischer Direktor Senbukai Deutschland (Privat Info

über Junro und Joko Kata)

Wikipedia.

Budopedia

kusunoki.de / Meister des Karate

tibetankungfu.ch - Chuan li dai

songshanchanwu.ca - bao quan li

Karate-Do Kyohan (Deutsche Übersetzung unbekannt)

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Eines Tages muss man all seine Meister verlassen. Sonst wird man ewig

nur als Kopie existieren, mit der man niemals zufrieden sein wird. r.janson

www.janson-ruediger.de

Nachwort: Wer immer nur nach Fehlern sucht muss sich nicht wundern, wenn die

Wahrheiten im Leben an ihm vorbei rennen.

R.Janson Kommentar von Wilfried A. Hary (Autor und Verleger)

Ich habe ja mal Phonetik studiert, also die Wissenschaft des Sprechens. Da lernt

man zwangsläufig auch jede Menge an angewandter Psychologie, vor allem im

Bereich Rhetorik. Ein Grundsatz lautet sinngemäß, dass man niemanden mit

Fakten allein überzeugen kann, weil jeder Mensch nur das anerkennt, was ihm

wünschenswert erscheint. Echte Fakten werden abgetan als Lügen und Lügen

als echte Fakten. Ein Grundübel, wogegen keiner von uns gefeit ist. Deshalb ist

es von fundamentaler Bedeutung, sich selbst ausreichend zu hinterfragen, bevor

man andere hinterfragt oder immer nur nach deren eventuellen Fehlern sucht,

die man vielleicht nur als Fehler sieht, obwohl sie gar keine sind.

OSSU