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124 Michael Meyer, Jörg Voigt Entdecken mit latenter Beweisidee - Analyse von Schulbuchseiten Zusammenfassung Einerseits sollen heutige Schulbücher Anlässe und Kontexte dafiir bieten, dass Schüler selbständig neues Wissen konstruieren - insbesondere an Entdeckungsaufgaben. Andererseits soll in Schulbü- chern ein verbindliches mathematisches Wissen repräsentiert sein - etwa in Form eines Systems von Merksätzen, die durch Beweise miteinander vernetzt sind. Die Verbindung beider Ansprüche kann mit Entdeckungsaufgaben gelingen, die Schüler veranlassen, auf dem Wege zur Entdeckung eines Satzes selbst eine latente Beweisidee zu gewinnen, die im späteren Beweis manifest wird. Diese Option wird im vorliegenden Aufsatz an Schulbuchseiten aus der Sekundarstufe I analysiert, auf der Grundlage von Begriffen aus der philosophischen Logik. Abstract On the one hand today's mathematical textbooks should give inducements and contexts to pupils allowing them to construct new knowledge on their OWll. On the other hand mathematical text- books should represent an obligatory mathematical knowledge - for example as a system of theo- rems, which are crosslinked by proofs. The connection of both claims can succeed by mathemati- cal problems, which initiate the students to fmd a latent idea of proof on the way to the discovery of the mathematical theorems. This latent idea can become manifest in the fmal proof. In the fol- lowing article this option will be analysed, using pages from textbooks of the secondary school. The analyses are based on philosophicallogic. 1 Einleitung Einen zentralen Punkt in Schulbüchern stellt die Erarbeitung neuer Merksätze dar. In dem vorliegenden Artikel untersuchen wir mit Mitteln der philosophischen Logik Schul- buchseiten aus der Sekundarstufe I danach, wie der jeweilige Merksatz entdeckt und/oder begründet wird. Merksätze, die Definitionen oder konventionelle Festlegungen von Lösungsverfahren darstellen, können nicht so entdeckt oder begründet werden wie es für Merksätze möglich ist, die als mathematische "Sätze" formulierbar sind. Deshalb beschränken wir uns in diesem Artikel aufMerksätze der letzteren Art l . Unser besonderes Interesse gilt Aufgabenstellungen, welche Schüler zur eigenstän- digen Erarbeitung eines Merksatzes veranlassen sollen. Hierbei muss man unterscheiden 2 Auch Definitionen und konventionelle Verfahren lassen sich teilweise entdecken und rechtfertigen. Allerdings bilden neben mathematischen Aussagen damr auch Prinzipien ei- ne Grundlage. Z.B. kann aO = 1 (a *- 0) mittels des Permanenzprinzips begründet werden. Auf eine getrennte Nennung der männlichen und weiblichen Form wird in diesem Artikel verzichtet. Das jeweils andere Geschlecht sei stets mitbedacht. (JMD 29 (2008) H. 2, S. 124-151)

Entdecken mit latenter Beweisidee — Analyse von Schulbuchseiten

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Michael Meyer, Jörg Voigt

Entdecken mit latenter Beweisidee - Analyse von Schulbuchseiten

Zusammenfassung

Einerseits sollen heutige Schulbücher Anlässe und Kontexte dafiir bieten, dass Schüler selbständig neues Wissen konstruieren - insbesondere an Entdeckungsaufgaben. Andererseits soll in Schulbü­chern ein verbindliches mathematisches Wissen repräsentiert sein - etwa in Form eines Systems von Merksätzen, die durch Beweise miteinander vernetzt sind. Die Verbindung bei der Ansprüche kann mit Entdeckungsaufgaben gelingen, die Schüler veranlassen, auf dem Wege zur Entdeckung eines Satzes selbst eine latente Beweisidee zu gewinnen, die im späteren Beweis manifest wird. Diese Option wird im vorliegenden Aufsatz an Schulbuchseiten aus der Sekundarstufe I analysiert, auf der Grundlage von Begriffen aus der philosophischen Logik.

Abstract

On the one hand today's mathematical textbooks should give inducements and contexts to pupils allowing them to construct new knowledge on their OWll. On the other hand mathematical text­books should represent an obligatory mathematical knowledge - for example as a system of theo­rems, which are crosslinked by proofs. The connection of both claims can succeed by mathemati­cal problems, which initiate the students to fmd a latent idea of proof on the way to the discovery of the mathematical theorems. This latent idea can become manifest in the fmal proof. In the fol­lowing article this option will be analysed, using pages from textbooks of the secondary school. The analyses are based on philosophicallogic.

1 Einleitung

Einen zentralen Punkt in Schulbüchern stellt die Erarbeitung neuer Merksätze dar. In dem vorliegenden Artikel untersuchen wir mit Mitteln der philosophischen Logik Schul­buchseiten aus der Sekundarstufe I danach, wie der jeweilige Merksatz entdeckt und/oder begründet wird. Merksätze, die Definitionen oder konventionelle Festlegungen von Lösungsverfahren darstellen, können nicht so entdeckt oder begründet werden wie es für Merksätze möglich ist, die als mathematische "Sätze" formulierbar sind. Deshalb beschränken wir uns in diesem Artikel aufMerksätze der letzteren Art l .

Unser besonderes Interesse gilt Aufgabenstellungen, welche Schüler zur eigenstän­digen Erarbeitung eines Merksatzes veranlassen sollen. Hierbei muss man unterscheiden

2

Auch Definitionen und konventionelle Verfahren lassen sich teilweise entdecken und rechtfertigen. Allerdings bilden neben mathematischen Aussagen damr auch Prinzipien ei­ne Grundlage. Z.B. kann aO = 1 (a *- 0) mittels des Permanenzprinzips begründet werden. Auf eine getrennte Nennung der männlichen und weiblichen Form wird in diesem Artikel verzichtet. Das jeweils andere Geschlecht sei stets mitbedacht.

(JMD 29 (2008) H. 2, S. 124-151)

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zwischen einer neuen Erkenntnis und deren Formulierung als Merksatz. Wir beziehen uns im Folgenden auf die Entdeckung eines mathematischen Zusammenhangs; wir un­tersuchen nicht, wie der Satz formuliert wird. Die Rede vom "Entdecken eines Merksat­zes" dient uns nur zur Unterscheidung vom Entdecken eines anderen mathematischen Zusammenhangs.

Schulbücher wurden bereits aus verschiedenen Richtungen analysiert. Glatfeld (1981, S. 150ft) und Lauter (1992) präsentieren Leitfragen bzw. Kriterienkataloge zur Beurteilung und zum Vergleich von Schulbüchern. Konkrete Fragebögen zur Analyse von Schulbüchern wurden u.a. von Uhe (1979) erarbeitet. Weiterhin werden inhaltsneu­trale Optimalitätskriterien betont (z.B. das Programm "Mathematik verständlich", Schulz von Thun und Götz 1976; s. auch Keitel u.a. 1980, S. 137ft). Tietze u.a. (1997, S. 228ft) führten Schulbuchanalysen durch, auf deren Basis die Autoren Klassen von Schulbü­chern unterscheiden. Bruns (1981) untersucht Begriffsnetze in Schulbüchern mittels "netzplantechnischer" Methoden. Die genannten Analysen beziehen sich auf andere Merkmale von Schulbüchern als es in diesem Artikel geschieht. Rezat (2008) analysiert Strukturebenen in Schulbüchern. In der "Mikrostruktur" identifiziert er u.a. Ein­stiegsaufgaben. Die von uns untersuchten Aufgaben gehören in diese Kategorie.

Themenüberblick

1 Einleitung Kontext: Erarbeitungen von Merksätzen in Schulbüchern Problemstellung: Suche nach Bedingungen von Einstiegsaufgaben für die In­

tersubjektivierung subjektiv vermuteter mathematischer Sätze

Schwierigkeiten: Latenz der Beweisidee; Begriffliche Differenzierung zwi­schen Entdecken und Begründen

2 Theoretisches Begriffsnetz Begriffe als Werkzeuge zur Analyse von Entdeckungen, Prüfungen und Be­gründungen mathematischer Sätze: Abduktion, Induktion und Deduktion

3 Latente Beweisidee Beispiel A - Entdecken ohne Beweisidee Beispiel B - Entdecken mit latenter Beweisidee

Exkurs: Probe und Prüfung mit latenter Beweisidee Beispiel C, D und E - Lenkungen auf die Beweisidee Beispiel F - Entdecken in ganzheitlichen, vernetzten Kontexten

Exkurs: Problem bikonditionaler Sätze

4 Fazit

Hinsichtlich der Explizitheit von Merksätzen und ihrer Erarbeitung nehmen Schulbücher der Sekundarstufen eine Mittelstellung zwischen den Schulbüchern der Grundschule und den hochschulmathematischen Lehrwerken ein. In Schulbüchern der Grundschule wer­den Merksätze meist nicht explizit erarbeitet; zentrale mathematische Aussagen werden

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sogar oft nicht fonnuliert, sondern nur angedeutet (z.B. "Tauschaufgabe"). Eine Schul­buchseite fiir die Grundschule ist häufig so gestaltet, dass nicht ein bestimmter neuer ma­thematischer Zusammenhang angezielt wird, sondern mehrere. In hochschulmathemati­schen Lehrwerken wird ein bestimmter mathematischer Satz hingegen jeweils sehr ziel­gerichtet erarbeitet, oft in der Weise, dass ohne Weiteres zunächst eine Behauptung prä­sentiert und dann bewiesen wird. Auf Schulbuchseiten der Sekundarstufen soll meist ein bestimmter mathematischer Zusammenhang erkannt werden, der als Merksatz explizit fonnuliert wird. Jedoch werden dort oft vorbereitende Aufgaben gestellt, bei deren Be­arbeitung die Schüler den Merksatz selbständig entdecken können, und es erfolgt auf die Entdeckung des Merksatzes die Aufforderung an die Schüler, den Merksatz zu prüfen und/oder zu begründen.

Während man also in Schulbuchseiten der Sekundarstufen leicht einen Merksatz identifizieren kann, fällt es in der Analyse schwerer zu entscheiden, auf welche Weise er erarbeitet wird. Man kommt in der Analyse nicht umhin, die Aufgaben(folge) auf der Schulbuchseite zu interpretieren: Welche Wege der Erkenntnisgewinnung und -sicher­ung werden von den Schülern erwartet? Welche Wege liegen den Schülern bei der Bear­beitung der Aufgaben nahe? Während der Lehrerbegleitband manchmal die erste Frage beantwortet, birgt die Beantwortung der zweiten Frage erhebliche methodologische Probleme (vgl. Wagemann 1981).

Die Schulbücher in den Sekundarstufen befinden sich im Spannungsfeld zwischen einem fiir alle Unterrichtsbeteiligten verbindlichen und systematischen Aufbau der Schulmathematik und dem Prinzip, möglichst den Lernenden selbständig sein mathema­tisches Wissen aufbauen zu lassen. Allgemeiner gesagt ergibt sich die Spannung aus den Forderungen nach Intersubjektivität und Subjektivität. Zum einen will man sich im Un­terricht jeweils auf eine gemeinsame Wissensbasis berufen können. In den gegenwärti­gen Schulbüchern fiir die Sekundarstufen werden in der Regel Merksätze fonnuliert, die ein Gerüst fiir eine solche Wissensbasis bilden. In den Merksätzen kondensiert sich ein fiir Alle verbindliches mathematisches Wissen, das den Lehrer bei seiner Unterrichtspla­nung orientieren kann und auf das in späteren Lernprozessen zurückgegriffen werden kann. Zum anderen beruhen moderne didaktische Prinzipien auf einem Menschenbild, in dem der Lernende Konstrukteur seines Wissens ist (u.a. Hußmann 2002). Der Schüler soll selbständig mathematische Zusammenhänge entdecken3, mit der Nebenwirkung, dass der Schüler andere Zusammenhänge als seine Mitschüler entdecken kann, andere Zusammenhänge als der Lehrer erwartet, oder sogar Zusammenhänge, die fachlich gese­hen nicht verallgemeinerbar sind. Für Bruner ist eine

,,[ ... ] Entdeckung ihrem Wesen nach ein Fall des Neuordnens oder Transfonnierens des Gegebenen [ ... ]. Dies so, daß man die Möglichkeit hat, über das Gegebene hinauszu­gehen, das so zu weiteren neuen Einsichten kombiniert wird" (ebd. 1981, S. 16).

Das "Neuordnen" oder "Transfonnieren" des gegebenen Wissens ist kein deduktives Ableiten des neuen Wissens aus dem alten Wissen. Wie wird dann aber die Intersubjek­tivität des Wissens gewährleistet? Kann die Wissenssicherung im Prozess der Wissens-

Der Terminus "Entdecken" ist im Grundschulbereich gebräuchlich, im Bereich der Sekundar­stufen werden verschiedene Termini genutzt. Wir werden in Kapitel 2 den Begriff "Ent­decken" präzisieren.

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gewinnung zumindest angelegt sein? Diesen Fragen gehen wir in diesem Artikel mit un­serer Schulbuchanalyse nach, indem wir zwischen dem Entdecken eines Merksatzes oh­ne und mit Beweisidee unterscheiden.

An dem Beispiel des Umfangwinkelsatzes soll der Unterschied zwischen dem Entde­cken eines Merksatzes ohne und mit latenter Beweisidee zunächst konkretisiert werden: Zum einen können die Schüler aufgefordert werden, in einer Zeichnung den Mittel­punktswinkel über einer konkreten Sehne sowie einen oder mehrere Umfangswinkel zu messen und eine Regel zu vermuten. Wenn dann der Umfangswinkelsatz entdeckt wird, sprechen wir vom Entdecken ohne Beweisidee. Alternativ können die Schüler aufgefor­dert werden, nur den Mittelpunktswinkel zu messen, sowie einen oder mehrere Um­fangswinkel zu berechnen. Wenn der Schüler diese Aufgabe löst, indem er einen Satz über gleichschenklige Dreiecke sowie den Satz über die Winkelsumme im Dreieck ver­wendet und an dem Ergebnis fiir die konkrete Sehne den Umfangswinkelsatz vermutet, sprechen wir vom Entdecken mit Beweisidee. Das Entdecken mit Beweisidee hat den Vorteil, dass sich das subjektive Wissen des Schülers so aufbaut, dass sich der vermutete Merksatz nachträglich relativ leicht auf deduktive Weise aus bekannten Merksätzen ab­leiten und so sichern lässt.

Allerdings müssen wir eine wichtige Einschränkung bei dem Entdecken mit Beweis­idee machen: Wir sprechen nur von einer "latenten Beweisidee" bei der Entdeckung, weil sich der Schüler nicht bewusst sein muss, dass er einige Schritte auf seinem Weg zur Vermutung des Satzes als wesentliche Schritte im Beweis des Satzes nutzen könnte. Den Begriff der Latenz übernehmen wir von Oevermann u.a. (1979). Die Autoren unter­scheiden zwei Ebenen der Realität,

"der Realität von latenten Sinnstrukturen eines Textes einerseits, die unabhängig von der jeweiligen psychischen Repräsentanz auf Seiten der Textproduzenten und Textrezi­pienten rekonstruierbar sind [ ... ], und der Realität von subjektiv intentional repräsentier­ten Bedeutungen eines Textes auf Seiten der handelnden Subjekte andererseits." (Oever­mann u.a. 1979, S. 367)

Unter dem Begriff "Text" sind nach Oevermann u.a. (1979, S. 369) auch Dokumente von Schülerhandlungen sowie Schulbuchseiten zu fassen. Wenn der Experte in dem Weg des Schülers zu der Lösung einer Entdeckungsaufgabe auch eine Beweisidee für den neuen Satz erkennt, ist eine latente Sinnstruktur rekonstruiert.4 Für deren kognitive Rea­lisierung durch den Schüler bedarf es möglicherweise aber eines weiteren Lernprozesses, der die subjektive Erkenntnis der Beweisidee ermöglicht.

An dem Beispiel des Umfangwinkelsatzes mag der Unterschied zwischen dem Ent­decken ohne und dem Entdecken mit latenter Beweisidee in erster Annäherung verständ­lich sein, und man mag an dem Beispiel konkrete Vor- und Nachteile der beiden Erarbei­tungswege zum Umfangswinkelsatz aufzeigen. Kann man auch eine Strategie fiir belie­bige mathematische Merksätze angeben, nach der Aufgabenstellungen zum Entdecken mit latenter Beweisidee zu gestalten sind? Welche didaktischen Probleme sind dabei prinzipiell zu lösen? Antworten geben wir in Abschnitt 3 dieses Artikels. Zur Beantwor­tung dieser Fragen auf theoretischer Ebene und zur Schulbuchanalyse, die Allgemeines

4 Zur Rekonstruktion von latenten Sinnstrukturen in Schulbüchern verwenden wir die Methoden der "objektiven" Henneneutik Oevennanns.

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in den besonderen Seiten rekonstruieren soll, bedarf es der begrifflichen Unterscheidung verschiedener Arten des Entdeckens und Begründens.

Blickt man in die mathematikdidaktische Literatur, findet man keine allgemein ak­zeptierten Definitionen dieser Begriffe. Insbesondere der Begriff(?) "Entdecken" er­scheint vieldeutig. Zwar werden häufig pädagogisch-psychologische Gründe zur Beto­nung des Entdeckens angeführt, was aber eine Entdeckung ist bzw. welche Rationalität diese auszeichnet, bleibt entweder unbeantwortet oder wird mit vagen Begriffen wie "In­tuition" oder "Geistesblitz" umschrieben.

Die Vagheit des Begriffs Entdecken führt zum Teil dazu, dass die Grenzen zwischen dem Entdecken und dem Begründen verwischen. Zum Beispiel heißt es im Lehrplan für die Grundschule in NRW (MSJK 2003, S. 85): "begründen: Vermutungen über mathe­matische Sachverhalte (Gesetzmäßigkeiten, Beziehungen, Annahmen) aufstellen und anhand von repräsentativen Beispielen oder von allgemeinen Überlegungen bestätigen oder widerlegen". Das "intuitive Begründen" wird im Kernlehrplan für Gynmasien in NRW (MSJK 2004, S. 18 und 32) u.a. mit den Begriffen "Plausibilitätsüberlegungen" und "Beschreiben von Beobachtungen" verdeutlicht. Holland (2007, S. 144) zählt das Argumentieren und das Beweisen sowie das Überprüfen von Vermutungen an Beispielen zu den "Prozesszielen des Entdeckens". Schon allein die obigen Ausführungen zum Ent­decken mit Beweisidee rechtfertigen die zitierten Verbindungen des Entdeckens mit dem Beweisen. Wenn man allerdings solche Verbindungen auf theoretischer Ebene in den Blick nehmen will, bedarf es der analytischen Trennung der Begriffe.

Mit Blick auf die Sicherung mathematischer Zusammenhänge kann man in der Li­teratur unterschiedliche Definitionen der Begriffe Beweisen, Begründen und Argumen­tieren fmden. Schwarzkopf (2000, S. 240) definiert das Argumentieren als einen sozialen Prozess. Holland (2007, S. 132) bezeichnet mit Argumentieren die erste Stufe der "Ni­veaustufen des Beweisens". Auf dieser Stufe wird weder ein formaler noch ein strenger Beweis angezielt. Das Argumentieren scheint denmach - vom hochschulmathematischen Anspruch aus betrachtet - dem Beweisen vorgeordnet zu sein. Eine andere Festlegung der Begriffe kann man in den Kernlehrplänen für die Sek. I (Gynmasium) in NRW (MSJK 2004, S. 32) beobachten. Beim Prozessziel "Argumentieren/Kommunizieren" wird unter dem Punkt "Begründen" am Ende der Klasse 10 gefordert, dass die Schüler "Argumentationsketten (Beweise)" durchführen können sollten. Eine vergleichbare Posi­tion nimmt Vollrath (1980, S. 28) ein, indem er das Argumentieren mit dem Begründen gleichsetzt und Beweise als eine spezielle Form des Begründens ansieht.

Das babylonische Sprachgewirr in der mathematikdidaktischen Literatur nötigt uns, um Missverständnisse zu vermeiden, die Begriffe Entdecken, Prüfen und Begründen im Abschnitt 2 einzugrenzen. Unter der Entdeckung eines Merksatzes verstehen wir die Ge­nerierung einer neuen Erkenntnis, die als Merksatz formulierbar ist. Dabei ist die Entde­ckung nicht im Sinne eines Ratens zufallig, sondern der Merksatz wird im Versuch ent­deckt, bestimmte Phänomene zu erklären, er wird dadurch zugleich zu einer plausiblen Hypothese. Der hypothetische Merksatz kann einer Prüfung an weiteren mathematischen Phänomenen unterzogen werden, so dass man die Hypothese falsifiziert oder sich ihrer

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sicherer wird. Die Wahrheit des Merksatzes kann erst durch eine Begründunl belegt werden, in welcher der Merksatz aus als wahr geltenden Aussagen deduktiv gefolgert wird.

2 Theoretisches Begriffsnetz

In diesem Abschnitt wird das der Analyse zugrunde liegende Begriffsnetz präsentiert, welches zuvor zur Analyse und Rekonstruktion von Schüleräußerungen in Unterrichts­prozessen angewendet wurde (s. Meyer 2007a und b). Wir unterscheiden zwischen dem Entdecken, dem Prüfen und dem Begründen von Merksätzen. Die Abduktion ist die cha­rakteristische Schlussform für das Entdecken, die Induktion für das Prüfen und die De­duktion für das Begründen6• Zur begrifflichen Klärung des "Entdeckens mit latenter Be­weisidee" könnten wir darauf verzichten, die Induktion zu thematisieren. Jedoch ist die Abgrenzung der Induktion von den anderen Schlussformen sehr hilfreich: Zum einen dient es der theoretisch-begrifflichen Klärung, zum anderen gewinnt man in praktischer Sicht eine Idee, wie eine Beweisidee für einen Merksatz gewonnen werden kann - und sogar auch dann, wenn der Merksatz ohne (latente) Beweisidee entdeckt wurde.

2.1 Abduktion als Charakteristikum des Entdeckens

Die Abduktion wurde von dem amerikanischen Philosophen Ch. S. Peirce als dritte ele­mentare Schlussform neben der Deduktion und der Induktion dargestellt. Fisch (1982, S. 21) schreibt eindrucksvoll:

"Seine größte Einzelentdeckung bestand darin, daß dasjenige, was er zuerst Hypothe­se und später Abduktion oder Retroduktion nannte, eine besondere Art des Arguments darstellt, sich sowohl von der Deduktion als auch von der Induktion unterscheidet und in der Mathematik wie in den Naturwissenschaften unentbehrlich ist."

Peirce beschreibt in seinen späteren Schriften die "perfectly definite logical form" (Peirce, CP 5.188) dieser Schlussform wie folgt:

"The surprising fact, C, is observed; But if A were true, C would be a matter of course, Hence, there is reason to suspect that A is true." (CP 5.189,1903)

Hempel und Oppenheim geben Bedingungen für wissenschaftliche Erklärungen an (s. Stegmüller 1976, S. 452.): "Das Explanans muss mindestens ein allgemeines Gesetz ent-

6

Wir nutzen im Folgenden den Begriff "Begründung" als Oberbegriff fiir die Prozesse der de­duktiven Erkenntnissicherung. Wir sprechen von einem Beweis, wenn die Begründung eine stringente Kette von Deduktionen ist oder wenn unterstellt werden kann, dass der Beweisfuh­rende die Begründung so darstellen könnte und es nur aus praktischen Gründen unterlässt. Später im Text werden die einzelnen Begriffe genauer beschrieben. Jedoch sei an dieser Stel­le bereits angemerkt, dass der Artikel demjenigen Leser Probleme bereiten wird, der a) nur die formale und/oder induktive Logik hierauf anzuwenden versucht oder b) die logischen Zu­sammenhänge in Schulbüchern nicht als relevant ansieht und nur auf die für den jeweiligen Bereich spezifischen subjektiven Konstruktionen abhebt. Unter diesen Blickwinkeln kann das Verständnis der Intention der Autoren dieses Textes nicht gelingen.

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halten", und "das Explanandum muß tatsächlich rein logisch aus dem Explanans ableit­bar sein". In einer älteren Fassung der Abduktion berücksichtigt auch Peirce die Existenz allgemeiner Zusammenhänge (unter dem Begriff "rule"; CP 2.623, 1878). Entsprechend kommen wir zu folgendem Schema der Abduktion:

Resultat: R(xo)

Gesetz: Vi: F(x) => R(x ;)

Fall: F(xo)

Abb. 1: Die allgemeine Form der Abduktion7

Ausgehend von einem beobachteten Phänomen ruhrt uns ein allgemeines Gesetz zu ei­nem das Phänomen erklärenden Fall. Durch die Abduktion wird das Phänomen als das Resultat eines Gesetzes gesehen. Das Aufstellen des Gesetzes erfolgt versuchsweise: Auch ein anderes Gesetz könnte ursächlich fiir das Phänomen gewesen sein. Ein anderes Gesetz würde einen anderen Fall mit sich bringen. Die Abduktion als Schluss von einer beobachteten Wirkung zu einer möglichen Ursache ruhrt lediglich zu einem möglichen, keinem sicheren Fall. Mittels der Abduktion erhalten wir nur eine Hypothese. Der Be­griff "Gesetz" ist hier in einem sehr weiten Sinn zu verstehen. Gesetze müssen nicht wahre Sätze im mathematischen Sinn sein. Sie können nur plausibel sein oder gar falsch. Die einzige Bedingung, die Gesetze errullen müssen, ist, dass sich das konkrete Resultat logisch aus ihnen ableiten lässt und der Fall als Antecedenz des Gesetzes auftaucht.

7

Betrachten wir zur Verdeutlichung der Abduktion den folgenden Schulbuchauszug:

Informotion

5. ~Ilt c l"s uc hl. o b 1l'Ul1i mi t deckungsgleic he n Vi erecken D e in I)a rkert herste llen kann. S td lt e uc h dazu dL'Ck ungs-g le ichen Vierecke he r: a ls Vor lnge kij nntc ihr das ßlld recht s "cn .... cndcll . Färbt g. le ich g roße W inke l mit de- rse lbc ll Farbe li nd versuclu di e V ierecke gcc i ~nci zll$am menz \ll cgen. Wns s te llt ihr ft~sf! Fon nuli cI1 ... 'lICf Ergebn is .

\Vinkdlolllllllll'lbatz nil' \ ' IN' l 'ckt·

Die Lösu ng de r Aufgabe 5 fU hrt uns auf fo lgendes Ergebn is:

•••••••••••••••••••••••••••••••••••• : In je dem V ie rec k s ind d ie In n.::nw mkt' l zusamme n 360<> groß. a + ß + Y + Ö = ) 600 :

••••••••••••••••••••••••••••••••••••

Teama rbeit

Abb. 2: Auszug aus "Mathematik heute 7. Realschule. NRW" (Griesel und Poste12001, S. 107jl

Unsere fonnale Darstellung der Abduktion verwendet die Variablen x und i. Damit wird die Universalität der Schlussfonn, wie sie in der Philosophie bedeutsam ist, eingeschränkt. Jedoch hat unsere Spezifizierung den Vorteil, dass die Anwendbarkeit im Bereich der Schulmathema­tik erleichtert wird. Fast alle Sätze der Schulmathematik lassen sich in die Fonn Vi: F(xJ => R(xJ transfonnieren, wenn mitbedacht wird, dass Äquivalenzaussagen als Kom­binationen von Implikationen verstanden werden und die Variable i nicht nur für natürliche Zahlen stehen muss (sie kann auch für etwas nicht Abzählbares stehen). Die mit unserer Dar­stellung verbundenen Beschränkungen der Universalität erwiesen sich als außerordentlich hilf­reich, als wir (mit Studierenden) Schüleräußerungen und Schulbuchseiten analysierten. Zur Verbesserung der Lesbarkeit erforderte die Reduktion des Farbspektrums teilweise eine graphische Überarbeitung der Abbildungen.

Entdecken mit latenter Beweisidee 131

Bei der Bearbeitung der Aufgabe 5 können viele Dinge entdeckt werden. Für die Entde­ckung des Winkelsummensatzes, der im Schulbuch angezielt wird, ist jedoch entschei­dend, dass die Schüler ihre Aufmerksamkeit auf die gefärbten Winkel ihrer Vierecke richten und erkennen, dass die vier Innenwinkel des Vierecks den Vollwinkel ergeben. Mittels der folgenden Abduktion gelingt es Schülern, den Merksatz ausgehend von die­sem Phänomen zu entdecken:

Resultat: An den Ecken innerhalb der konkreten Parkettierung ergeben vier ver­schiedenfarbige Winkel einen Vollwinkel.

Gesetz: Wenn die Innenwinkel eines beliebigen Vierecks zusammengefügt wer­den, ergeben sie einen Vollwinkel.

Fall: Die vier verschiedenfarbigen Winkel an jeder Ecke innerhalb der konkre­ten Parkettierung sind die Innenwinkel des gewählten konkreten Vierecks.

Abb. 3: Eine kreative Abduktion zum Erkennen des Merksatzel

Obige Abduktion stellt ein Beispiel dafür dar, wie beobachtete Phänomene mittels eines neuen Gesetzes erklärt werden. Eine solche Abduktion, mit der nicht nur ein Fall, son­dern auch ein Gesetz neu entdeckt wird, nennt Eco (1985, S. 301) "kreative Abdukti­on"lO. Hiervon unterscheidet er solche Abduktionen, bei denen ein bekanntes Gesetz an­gewendet wird (ebd., S. 300f; s. Meyer 2007a, S. 45ft).

Kreative Abduktion lassen deutlich erkennen, dass die Abduktion nur auf einer gege­benen Prämisse beruht (dem beobachteten Phänomen). Eco (1985, S. 295) schreibt, dass Gesetz und Fall in einer Art "Chiasmus" verbunden sind und wir sie gleichzeitig erken­nen. Es ist somit zwischen der kognitiven Generierung einer Hypothese und ihrer Dar­stellung im Schema der Abduktion zu unterscheiden. Der Geistesblitz bleibt im dem lo­gischen Schema (s. Abb. 1) verborgen. Das Schema gibt nur die Rationalität einer Ent­deckung wieder, indem es den Zusammenhang zwischen den Elementen verdeutlicht. Die Darstellung des Zusammenhangs rechtfertigt die Entdeckung, die Hypothese erhält Plausibilität. Entsprechend geht es bei der Betrachtung der Abduktion nicht um die Be­trachtung eines logischen Schlusses im Sinne der formalen Logik. Wir interessieren uns für die Rationalität des Entdeckens. Diese Rationalität muss nicht auf denknotwendige Schlüsse beschränkt sein. Wenn man als rational nur deduktive Logik verstehen will, dann kann man mit Popper (2005, S. 7) den Entdeckungszusammenhang ausschließlich der Psychologie zuschreiben. Diese Aussonderung von Entdeckungsprozessen aus der erkenntnistheoretischen Betrachtung ließ sich z.B. in der Informatik nicht aufrechterhal-

9

10

In Abweichung von der Darstellung im Schulbuch formulieren wir den Merksatz als Implika­tion, damit die Analyse der logischen Zusammenhänge verständlicher wird. Auch ist die Imp­likation geometrisch formuliert, während im Schulbuch der Winkelsummensatz arithmetisch gefasst ist. Wir verzichten hier auf die Darstellung der Schlussform zur Überführung der ge­ometrischen Fassung in die arithmetische. In unseren Analysen von entdeckenden Übungen in Schulbüchern hat sich herausgestellt, dass der Merksatz zumeist dem Gesetz einer kreativen Abduktion entspricht. Dies muss nicht notwendig immer so sein. Es ist auch denkbar, dass der Merksatz der Fall einer Abduktion ist. Peirce selbst thematisiert die Kreativität auch im "theorematischen Schließen", in Abgren­zung zum "korollaren Schließen" zu dem auch eine Maschine fahig wäre (u.a. ep 2.267).

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ten. In der AI-Forschung wurde der Schluß Abduktion einbezogen, "to imitate or to rep­resent human subjective reasoning as elose as possible [ ... ]" (van der Lubbe 1993, S. 113t).

Das Schema der Abduktion zeigt, wie entdeckende Übungen zur Erarbeitung eines Merksatzes als Gesetz einer kreativen Abduktion gestaltet sein müssen: Die Phänomene (das Resultat), die aus Lehrersicht konkrete Folgerungen des zu entdeckenden Merksat­zes darstellen müssen, sollten dem Schüler entweder direkt erkennbar sein oder von ihm erarbeitet werden können. Das Entdecken ist keine "creatio ex nihilo".

Peirce selbst nutzt zur Veranschaulichung der Abduktion nur Beispiele aus den Na­turwissenschaften, jedoch ist die Abduktion auch in der Mathematik relevant. Zum Bei­spiel können die Schüler beim entdeckenden Lernen die Konstanz von Rechenergebnis­sen beobachten, die es dann zu erklären gilt. Auch muss, um eine Aussage zu beweisen, der Mathematiker zunächst einen Ansatzpunkt fiir diesen Beweis finden. Hierbei kann er zunächst von der Aussage ausgehen und nach einem Gesetz suchen, welches ihm die Folgerung der Aussage ermöglicht. Peirce geht noch einen Schritt weiter und behauptet, dass alles Denken Schließen sei (ebd. SEM, S. 372f, 1909). Zur Mathematik schreibt er: "Thus the necessary reasoning of mathematics is performed by means of observation and experiment, and its necessary character is due simply to the circumstance that the subject of this observation and experiment is a diagram of our own creation, the condition of whose being we know all about" (CP 3.560). Hinsichtlich des Schließens an Diagram­men sei auf Dörfler (2006) sowie hinsichtlich der Verbindung zwischen dem diagram­matischen Schließen und der Abduktion auf Hoffmann (2001) verwiesen. Weiterhin wurde die Abduktion innerhalb der Mathematikdidaktik zur Rekonstruktion von Er­kenntnisprozessen (u.a. Knipping 2003; Loska 1995, S. 232ff; Meyer 2007a und b) so­wie zur Rechtfertigung von Deutungshypothesen in der interpretativen Unterrichtsfor­schung (Beck und Jungwirth 1999; Voigt 2000 sowie 1984, S. 83ft) verwendet. Mit dem Begriff "induktives Grundschema" bezeichnet P61ya (1963, S. 16) einen der Abduktion von Peirce scheinbar ähnlichen Schluss. Er geht jedoch in seinen logischen Analysen stets davon aus, dass eine Entdeckung schon vollzogen und klar formuliert sei (ebd., S. 15). P61ya beschäftigt sich also nicht mit der Logik des Entdeckens, sondern mit der Lo­gik des Prüfens einer schon vollzogenen Entdeckung (s. Abschnitt 2.3 im vorliegenden Aufsatz). Zum Entdecken gibt der Autor wohl in anderen Veröffentlichungen (1962 und 1967) heuristische Methoden an, allerdings ohne ihren logischen Status zu klären.

Entdecken mit latenter Beweisidee 133

2.2 Deduktion als Charakteristikum des Begründens

Als Deduktion bezeichnet man den Schluss von einem Fall und einem Gesetz auf ein Resultat:

Fall:

Gesetz:

Resultat:

F(xo)

Vi: F(xJ => R(xJ

R(xo)

Abb. 4: Das allgemeine Schema der Deduktionll

Bei der Deduktion stellen der Fall und das Gesetz gegebene Prämissen dar. Ausgehend hiervon wird das Resultat als notwendige Konsequenz erschlossen. Da die Deduktion der einzige denknotwendige und wahrheitsübertragende Schluss ist, spielt er eine große Rol­le in der Mathematik. Jede Anwendung eines Gesetzes ist eine Deduktion. Zudem kann im idealen Fall jeder Beweis als eine endliche Kette von Deduktionen angesehen wer­den. Mittels einer Deduktion kann jedoch kein neues Wissen generiert werden. Zwar mag das Resultat der Deduktion zuvor nicht explizit bekannt gewesen sein, jedoch ist es bereits in der Folgerung innerhalb des allgemeinen Gesetzes enthalten. Betrachten wir zur Verdeutlichung das Beispiel des Winkelsummensatzes in Abbildung 2. Im Schul­buch wird der folgende Beweis für den Winkelsummensatz angeführt:

Begründung des Winkelsummensarzes fiir Vierecke Zur Begrün dung zerlegen wir das Viereck ABCD durch die Diagonale BD in zwei Dreiecke. Dann gilt:

a + ß + y + Ö = a + (ßI + ß 2) + Y + (Öl + ( 2)

C§elsum~ ~--'-ke-/s-um-m-e-i-n BCD

= (a+ ßI + Öl) + (ß2 + Y+Ö2) = 1800 + 1800 = 3600

A

c y

Abb. 5: Der Beweis des Merksatzes aus Abbildung 2

Der letzte Zeilenübergang entspricht der folgenden Deduktion:

c

Fall: Der Term in jeder Klammer ist die Summe der In­nenwinkel eines Dreiecks.

Gesetz: Winkelsummensatz für Dreiecke Resultat: Der Term in jeder Klammer ergibt zusammen 1800 •

Abb. 6: Eine Deduktion im Beweis des Merksatzes

11 Ein Hinweis für den logisch versierten Leser: Die Deduktion ist an dieser Stelle schematisch auf All-Beseitigung und "Modus ponens" beschränkt. Diese Reduktion stellt eine Vereinfa­chung zu Gunsten der Verständlichkeit dar (s. Fußnote 7). Auch werden hier nicht einzelne Ausprägungen der Deduktion diskutiert, weil es uns um die grundsätzlichen Unterschiede und Zusammenhänge zwischen Abduktion, Induktion und Deduktion geht.

134 Michael Meyer, Jörg Voigt

Wenn eine Begründung bzw. ein Beweis von den Schülern eigenständig durchgeführt werden soll, dann ist das Gesetz (im obigen Beispiel der Winkelsummensatz rur Drei­ecke) wohl bekannt, aber dem Schüler zuvor nicht unbedingt präsent. Somit wird deut­lich, dass auch bei einer Begründung bzw. bei einem Beweis eines Merksatzes Abduk­tionen notwendig sind. Holland (2007, S. 196ft) spricht in diesem Kontext von "Beweis­findung". Die Abduktion, welche die Beweisfindung charakterisiert, ist von der Abduk­tion der Entdeckung des Satzes zu unterscheiden.

2.3 Induktion als Charakteristikum des Prüfens

Die Induktion stellt die dritte mögliche Umordnung der Begriffe "Fall", "Resultat" und "Gesetz" dar. Abbildung 7 zeigt das allgemeine Schema der Induktion:

Fall:

Resultat:

Gesetz:

F(xo)

R(xo)

Vi: F(xJ ~ R(xJ

Abb. 7: Das allgemeine Schema der Induktion

Eine Induktion ist nicht wahrheitsübertragend. Das Gesetz kann nicht notwendig mittels Fall und Resultat erschlossen werden. Mit dem Begriff "Induktion" ist in der allgemei­nen Literatur eine Vielzahl von Vorgängen verbunden. Zum einen werden Hypothesen induktiv überprüft, zum anderen geht man bei der Sammlung von Datenmaterial "induk­tiv" vor. Am häufigsten fmdet sich die Vorstellung, dass neue Gesetze aus singulären Betrachtungen induktiv generiert werden. Betrachten wir ein Beispiel (s. Stegmüller 1976, S. 399): Wir sehen drei weiße Schwäne und schließen induktiv darauf, dass alle Schwäne weiß sind. Wie aber kommen wir zu der Vermutung, dass die Eigenschaft eines Tieres "Schwan zu sein" etwas mit der Eigenschaft zu hat, das Tier sei von weißer Far­be? Auch könnte man das Beispiel von Newton nehmen, der angeblich einen fallenden Apfel beobachtet hatte und induktiv auf das Fallgesetz schloss. Wie aber hat Newton den Zusammenhang zwischen dem Fallen des konkreten Apfels und der Anziehungskraft der Erde hergestellt? Ein Zusammenhang zwischen diesen Prämissen müsste bereits vor der Durchfiihrung dieses "induktiven" Schlusses unterstellt worden sein. Zum Erkennen sol­cher Zusammenhänge bedarf es einer Abduktion. Entsprechend wird deutlich, dass eine Induktion nur auf der Basis einer bereits vollzogenen Abduktion entstehen kann. Im Vergleich der verschiedenen Vorstellungen von der Induktion sprechen wir ihr den ge­setzesgenerierenden Charakter ab und nehmen mit Peirce eine differenzierte Sicht auf die Prozesse der Hypothesengenerierung und -sicherung ein:

"These three kinds ofreasoning are Abduction, Induction, and Deduction. Deduction is the only necessary reasoning. It is the reasoning of mathematics. It starts from a hy­pothesis, the truth or falsity of which has nothing to do with the reasoning; and of course its conc1usions are equally ideal. The ordinary use of the doctrine of chances is necessary reasoning, although it is reasoning concerning probabilities. Induction is the experimen­tal testing of a theory. [ ... ] The only thing that induction accomplishes is to determine the value of a quantity. It sets out with a theory and it measures the degree of concor-

Entdecken mit latenter Beweisidee 135

dance ofthat theory with fact. It never can originate any idea whatever. No more can de­duction. All the ideas of science come to it by the way of Abduction." (CP 5.145)

In der Fachdidaktik und der Pädagogik ist es nicht üblich, zwischen Abduktion und Induktion zu unterscheiden, insbesondere, wenn vom "induktiven Lernen" gesprochen wird. Die begriffliche Unterscheidung ist aus philosophischer Sicht von Peirce notwen­dig. Auch aus empirischer Sicht ist die Unterscheidung sinnvoll, weil auch Schulbücher häufig zwischen Entdeckungsaufgaben ("Was fallt dir auf?", "Stelle eine Vermutung auf1") und Aufgaben zur Prüfung einer Vermutung ("Überprüfe deine Vermutung an ... ") trennen.

Die entscheidende Leistung von Peirce besteht darin, mit der Abduktion eine Alter­native zu bieten, die zuvor verborgen blieb und eingefahrene Sichtweisen irritiert: Wäh­rend man zur Beschreibung von Erkenntnisfortschritten zuvor entweder die Deduktion oder die Induktion nutzte (man denke an den Grundlagenstreit im Horizont der Unter­scheidung zwischen dem kritischen Rationalismus einerseits und dem logischen Empi­rismus andererseits), zeigt Peirce das verbindende Moment - die Abduktion.

Zur Prüfung eines Merksatzes mittels eines weiteren Einzelfalls wird zunächst de­duktiv vorhergesagt, welches Resultat die notwendige Konsequenz für einen weiteren Fall wäre. 12 Der Merksatz wird dabei als Gesetz der Deduktion angewendet. Er erscheint nicht als Resultat der Deduktion und wird somit nicht bewiesen. Anschließend wird eine Rechnung, ein Experiment, o.ä. zur Überprüfung der Vorhersage durchgeführt. Deckt sich die Vorhersage mit dem durch Rechnung o.ä. ermitteltem, unbestreitbarem Resultat, so wird der Merksatz induktiv bestätigt. Fällt der Test negativ aus, so wird der Merksatz falsifiziert, zumindest bedarf es einer Einschränkung seines Gültigkeitsbereiches. Zur induktiven Prüfung des oben thematisierten Merksatzes (s. Abb. 2) könnte ein Schüler ein neues Viereck zeichnen. Der Schüler trifft dann zunächst deduktiv eine Vorhersage: Wenn in jedem Viereck die Winkelsumme 3600 ist, dann müsste dies auch für dieses Viereck gelten. Entsprechend des Vorgehens in Aufgabe 5 (s. Abb. 2) könnte er nun wieder die Winkel des neuen Vierecks einfarben und versuchen, eine Parkettierung zu legen. Die auf diese Weise gelungene Bestätigung des Merksatzes stellt sich mit dem Schema der Induktion wie folgt dar:

Fall: Die vier verschiedenfarbigen Winkel sind die Innenwinkel des neuen Vierecks.

Resultat: Vier Papiermodelle des neuen Vierecks - mit verschiedenfarbigen Winkeln an einer Stelle zusammenstoßend - ergeben einen Vollwinkel.

~~-Gesetz: Wenn die Innenwinkel eines beliebigen Vierecks zusammengefügt wer-

den, ergeben sie einen Vollwinkel.

Abb. 8: Die induktive Bestätigung des Merksatzes

Die Deduktion tritt nicht nur in der Begründung (Beweis) eines Merksatzes auf. Auch zur induktiven Prüfung eines Merksatzes bedarf es einer Deduktion. Der Unterschied

12 Ein anderer Weg der empirischen Erkenntnissicherung (s. Meyer 2007a, S. 63ft) wurde in un­seren Schulbuchanalysen nur selten rekonstruiert und soll deshalb hier nicht weiter berücksich­tigt werden.

136 Michael Meyer, Jörg Voigt

liegt in der Art der Deduktion: Die Deduktion zur Begründung eines Merksatzes zeich­net sich dadurch aus, dass sie den zu beweisenden allgemeinen Merksatz als Resultat be­inhaltet. Mit der Deduktion zur induktiven Prüfung eines Merksatzes wird auf eine kon­krete notwendige Konsequenz geschlossen, wobei der hypothetische Merksatz als Gesetz oder als Fall auftaucht. Bei der induktiven Prüfung eines Merksatzes sind prinzipiell so­gar zwei Arten von Deduktionen notwendig, eine zur Vorhersage und eine zur Feststel­lung des Resultates (s. die Aussage in Parenthese in Abb. 8). Bei Letzterer darf der Merksatz nicht als Aussage auftauchen, weil es sich sonst um eine zirkuläre Prüfung handeln würde. Auch beim Entdecken, dessen charakteristische Schlussform die Abduk­tion ist, lässt sich die Deduktion bei der Feststellung eines Resultates rekonstruieren (bei Abbildung 3 in der Aussage im Resultat "versteckt").

Zusammengefasst kennzeichnet die Abduktion das Entdecken, die Deduktion das Begründen und die Induktion das Prüfen eines Merksatzes. Das Begründen beinhaltet nur Deduktionen, wenn man vom Finden der Beweisidee absieht. Das Prüfen und das Entdecken beinhalten auch Deduktionen, was auf den ersten Blick spitzfindig erscheinen mag. Im Abschnitt 3 wird sich dies als praktisch sehr bedeutsam herausstellen.

3 Latente Beweisidee

Neue Merksätze werden in Schulbüchern auf verschiedene Weisen erarbeitet. Wir spre­chen nur dann vom Entdecken eines Merksatzes, wenn der Schüler ein Phänomen be­trachtet und an ihm den Merksatz abduktiverschließt. Der Terminus "Entdecken" wird also nicht genutzt, falls der Schüler ausschließlich über deduktive Schlüsse zu dem neu­en Merksatz gelangt. Wir sprechen auch dann nicht vom "Entdecken eines Merksatzes", wenn der Schüler abduktiv einen lediglich lokalen Zusammenhang erschließt, der ihm den nächsten Schritt in der Deduktionskette zum Merksatz ermöglicht. Statt vom "Ent­decken" wäre dann vom "Herleiten" des Merksatzes zu sprechen. Ein Beispiel ist die Herleitung des Höhensatzes aus dem Satz des Pythagoras.

Zum Entdecken eines Merksatzes sind Phänomene notwendig, deren Wahrheit (bis auf Messgenauigkeit, unerkannte Rechenfehler u. ä.) zunächst unbezweifelt ist. Im Schema des abduktiven Schlusses erhalten die Phänomene den Status eines" Resultates" (s. Abschnitt 2.1). In den Schulbüchern werden die Schüler in der Regel aufgefordert, selbst diese Phänomene als Lösungen bestimmter Aufgaben hervorzubringen, bevor an den Phänomenen etwas entdeckt werden soll.

In diesem Abschnitt 3 werden wir an einigen Beispielen von Schulbuchseiten mehre­re Verbindungen zwischen dem Entdecken eines Merksatzes und seines Beweises rekon­struieren und mathematikdidaktisch diskutieren. Das Beispiel A dient als Kontrastbei­spiel, weil dort keine Verbindung zwischen dem Entdecken und dem Beweisen des Merksatzes intendiert ist.

Entdecken mit latenter Beweisidee 137

Beispiel A: Winkelsnmmensatz für Vierecke I

Hier sollen Auszüge einer Schulbuchseite betrachtet werden, die schon im Abschnitt 2 dargestellt wurden (s. Abb. 2 und 5). Vor der Aufgabe 5 wurde der Winkelsummensatz fiir Dreiecke erarbeitet und dann gefestigt. Bei der Bearbeitung der Aufgabe 5 können die Schüler ihre Aufmerksamkeit auf viele verschiedene Phänomene richten und ver­schiedene mathematische Zusammenhänge entdecken. Beispielsweise könnte das Dre­hen eines Vierecks um die Seitenmittelpunkte um 1800 zur Parkettierung Beachtung fm­den, oder es können Eigenschaften besonderer Vierecke entdeckt werden. Allerdings ist es fiir den Winkelsummensatz, der im Schulbuch angezielt wird, nur entscheidend, dass die Schüler ihre Aufmerksamkeit auf die gefärbten Winkel ihrer Vierecke richten und erkennen, dass die vier Innenwinkel des Vierecks den Vollwinkel ergeben. Im Folgen­den werden wir bei allen Schulbuchbeispielen stets die im Schulbuch angezielte Entde­ckung des Merksatzes analysieren, nicht alternative Entdeckungen von Schülern, auch wenn die alternativen Entdeckungen ebenso wahrscheinlich sein mögen.13

Sicherlich könnte man auf einfachere Weise als über die Parkettierung die Schüler auf das Phänomen, das Resultat in der Abduktion, stoßen, etwa durch Abreißen und Zu­sammenfügen der Ecken eines Papiervierecks, wie es beispielsweise in "Mathematik 7. Denken und Rechnen. Hauptschule. NRW" (Golenia und Neubert 2001, S. 62) gefordert wird. Vermutlich soll der Erarbeitungsweg über das Parkettieren im Beispiel A zur Ver­netzung mathematischen Wissens beitragen; es ist lediglich unserer Fokussierung auf die Erarbeitung des neuen Merksatzes geschuldet, dass wir in dem obigen Abduktionssche­ma die mögliche Phänomenvielfalt auf die Innenwinkelsumme beschränken. Die Erfah­rung in der Parkettierung der Ebene mittels der Vierecke im Schulbuchbeispiel A wird nicht zum Beweis des Merksatzes genutzt (s. Abb. 5). Der Beweis erfolgt in dem Schul­buch mittels der Zerlegung eines beliebigen Vierecks in zwei Dreiecke und der Verwen­dung des Winkelsummensatzes fiir Dreiecke.

Der Schulbuchauszug A bietet also ein Beispiel fiir die Entdeckung eines Merksat­zes, dessen nachträglicher Beweis nicht auf die Erfahrung zurückgreift, die auf dem Weg zur Entdeckung gemacht wird. Der nächste Schulbuchauszug (Beispiel B) bietet eine Al­ternative.

13 Schulbuchautoren rechnen anscheinend oft mit Entdeckungen der Schüler, die nicht für den folgenden Merksatz zielfiihrend sind; denn es lassen sich verschiedene Maßnahmen in Schul­büchern rekonstruieren, welche diese "Gefahr" minimieren. Es würde aber den Umfang dieses Aufsatzes sprengen, diese Maßnahmen auch zu thematisieren. Ebenso ist zu beachten, dass in einigen neueren Schulbuchreihen ganzheitliche Erkundungskontexte als Einstiege in Unter­richtseinheiten gewählt werden. In einem solchen Einstieg sollen in der Regel mehrere ma­thematische Sätze entdeckt werden, bevor die Sätze als Merksätze formuliert und bewiesen werden. Ein Beispiel, in dem die Schüler absichtlich zur Entdeckung verschiedener Merksätze angeregt werden, wird am Ende des Abschnitts 3 analysiert (Beispiel F).

138 Michael Meyer, Jörg Voigt

Beispiel B: Winkelsummensatz für Vierecke II

Wir bestimmen auf zweierlei We ise die Winkelsumme im Viereck.

Wir zeichnen ein Viereck und messen die vier Winkel. Wir addiere n die Winkelgrößen.

ß

a = 64° ß = 115° Y = 56° <5 = 125°

Das Viereck lässt s ich durch ei ne Diagonale in zwei Dreiecke zerleg.en. In jedem Dreieck beträgt die WinkelsuJl1me 18()o'

ß

Auf welche Weise wir die Winke lsumme auch bestimmen. s ie betriigt 360°. Da sich jedes Vier­eck in zwe i Dreiecke zerl egen Hisst . ist das stets der Fall.

In jedem Viereck beträgt die Winkelsumme 360°.

a + p + y + .5 = 360°

Abb. 9: Auszug aus "Lernstufen Mathematik 7. Hauptschule. NRW" (Leppig 2000, S. 83)

Wir wollen von der Möglichkeit absehen, dass die Schüler im Unterricht das Dargestell­te nur nachvollziehen. Auch die Möglichkeit soll außer Betracht bleiben, dass der Lehrer die Schüler nur Aussagen über das konkrete Viereck machen lässt und selbst die Verall­gemeinerung auf beliebige Vierecke vornimmt. Wir gehen im Folgenden davon aus, dass der Lehrer die Schüler zu den beschriebenen Aktivitäten auffordert, und tatsächlich ein Schüler den Merksatz entdeckt. Dabei bleibt unentschieden, ob der Lehrer die Schüler auffordert, die Winkel eines konkreten Vierecks zu messen und die Messergebnisse zu addieren (s. linke Schulbuchseite), und/oder ob der Lehrer die Schüler auffordert, die In­nenwinkelsumme des konkreten Vierecks mittels der Zerlegung in zwei Dreiecke und mit Verwendung des bekannten Winkelsummensatzes für Dreiecke zu bestimmen (s. rechte Schulbuchseite). Auch wäre denkbar, dass der Lehrer offen lässt, aufweIche Wei­se die Schüler die Innenwinkelsumme des konkreten Vierecks bestimmen.

Wenn der Schüler die Innenwinkel misst und addiert und an dem Ergebnis den Win­kelsummensatz für Vierecke entdeckt, sprechen wir von dem" Entdecken ohne Beweis­idee", wie im Bespiel A. Wenn der Schüler das konkrete Viereck in zwei Dreiecke zer­legt, den bekannten Winkelsummensatz für Dreiecke verwendet und so den neuen Merk­satz entdeckt, sprechen wir vom "Entdecken mit latenter Beweisidee". Diese Entde­ckung des Merksatzes bietet eine Beweisidee, weil das konkrete Viereck als allgemeines Viereck betrachtet werden kann und so der Beweis des Merksatzes orientiert werden kann. Die Beweisidee ist allerdings zunächst nur latent, weil es nicht selbstverständlich ist, dass der Schüler in der Bestimmung der Winkelsumme des konkreten Vierecks das Allgemeine im Besonderen erkennt. Das gezeichnete Viereck ist zunächst ein konkretes

Entdecken mit latenter Beweisidee 139

Viereck. Erst in der Schulbuchaussage "Da sich jedes Viereck ... " wird die Beweisidee manifest. (Im Fall nicht-konvexer Vierecke kann noch die Zerlegung der anderen beiden Winkel in Betracht gezogen werden.)

Holland (2007, S. 152) trifft eine ähnliche Unterscheidung zwischen dem Entdecken ohne bzw. mit Beweisidee, indem er zwischen der "induktiven Satzfmdung" und der "Satz- und Beweisfindung" differenziert und letztere Kategorie geometriespezifisch un­terteilt. Holland konkretisiert die Kategorien an Beispielen aus der Geometrie, wobei zu bemerken ist, dass er Entdeckungswege durch Folgen von Einzelaufgaben auch segmen­tiert. Wir möchten hier weitere Beispiele aus anderen Bereichen der Schulmathematik nennen, um den grundlegenden Unterschied der Entdeckungswege zu konkretisieren:

Beispiel 1: An der Gleichheit von Termen wie z. B. 24 • 23 und 27 lässt sich eine Po­tenzregel entdecken. Wenn die Gleichheit der Terme durch Ausrechnen festgestellt wird, etwa mit Hilfe des Taschenrechners, beinhaltet die Entdeckung keine Beweisidee. Wenn dagegen die Terme mittels der Potenzdefinition in fortgesetzte Produkte umgewandelt werden, das Assoziativgesetz der Multiplikation angewandt wird und so die Gleichheit festgestellt wird, liegt ein Entdecken mit latenter Beweisidee vor.

Beispiel 2: Dass der Graph von x H x 2 symmetrisch zur y-Achse ist, kann visuell entdeckt werden, nachdem er auf algorithmische Weise mittels einer Wertetabelle ge­zeichnet wurde. Ein Entdecken der Symmetrie mit Beweisidee liegt dagegen dann vor, wenn Termumformungen wie folgt durchgefiihrt wurden: (_4)2 = ((_1)·4)2 = ... = 42.

Beispiel 3: Der Satz von Vieta kann entdeckt werden, indem quadratische Gleichun­gen (z. B. x 2 + 8x + 15 = 0) mittels bekannter Lösungsverfahren (die quadratische Er­gänzung, die abc-Lösungsformel, das Zeichnen der Parabel samt Nullstellenbestim­mung) umgeformt werden. Da Schüler zur Lösung einer solchen Aufgabe üblicherweise rasch Terme vereinfachen, sobald es möglich ist, bleibt die Entdeckung des Satzes auf diesem Weg ohne Beweisidee. Wird die quadratische Gleichung jedoch in Form eines Produktes zweier Differenzen (z. B. (x-3)(x-5) = 0) gegeben, so enthält der Weg zur Entdeckung des Satzes von Vieta eine latente Beweisidee.

Beispiel 4: Auch dort, wo keine Merksätze in Schulbüchern explizit formuliert wer­den, wie etwa in Grundschulbüchern, können wir zwischen Entdeckungen ohne und mit latenter Beweisidee unterscheiden. Schüler können die Gleichheit von 1 + 2 + 3 + 4 + 3 + 2 + 1 und 4·4 rechnerisch feststellen, indem sie die Summe von links nach rechts suk­zessive ausrechnen und auch den zweiten Term ausrechnen. Mehrfach durchgefiihrt kann eine Summenformel entdeckt werden. Wenn dagegen die ersten drei Summanden mit den letzten drei jeweils zu 4 aufgefiillt werden, eventuell noch anschaulich unter­stützt, ist eine latente Beweisidee fiir beliebige Summen der Art zu erkennen.

Ob der Weg zur Entdeckung eines Merksatzes eine latente Beweisidee beinhaltet, hängt davon ab, wie das konkrete Phänomen festgestellt wurde, an dem der Merksatz abduktiverschlossen wird. Das konkrete Phänomen ist der Ausgangspunkt, das Resultat, der Abduktion. Das Phänomen kann durch deduktive Schlüsse als sicher festgestellt werden. Wenn der Merksatz mit latenter Beweisidee entdeckt wird, müssen bei der Fest­stellung des Phänomens die Sätze oder Definitionen angewendet werden, die fiir den Beweis des Merksatzes entscheidend sind. M. a. W., auf das Resultat der Abduktion muss deduktiv geschlossen werden, und in diesen deduktiven Schlüssen werden die Ge-

140 Michael Meyer, Jörg Voigt

setze verwendet, die für die Deduktionen im Beweis wesentlich sind. Am Beispiel B, ausgehend von der rechten Schulbuchseite, soll dieser logische Zusammenhang zwi­schen dem Entdecken und Beweisen schematisch dargestellt werden. Dabei stellen wir aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht alle notwendigen Deduktionen in kleinschritti­ger Folge dar.

Deduktion zur Bestimmung des Phänomens: Fall: Das gewählte konkrete Viereck lässt sich in zwei Dreiecke zerlegen. Gesetz: Winkelsummensatz für Dreiecke Resultat: Die Summe der Innenwinkel von beiden Dreiecken ist 360°.

[(a1+ Y1 + 0) + (a2 + ß + Y2) = 360°]

Abduktion zur Entdeckung des Merksatzes: Resultat: Resultat der obigen Deduktion Gesetz: Wenn die Innenwinkel eines beliebigen Vierecks addiert werden, ergibt

sich 360°. Fall: Die Summe der Innenwinkel von beiden Dreiecken ist gleich der Innen­

winkelsumme des konkreten Vierecks. [(a1+ Y1 + 0) + (a2 + ß + Y2) = (al + (2) + ß + (Y1 + Y2) + 0]

Deduktion zum Beweis des Merksatzes: Fall: Es ist ein beliebiges Viereck gegeben und durch eine Diagonale in zwei

Dreiecke zerlegt. Gesetz: Winkelsummensatz für Dreiecke Resultat: Winkelsummensatz für Vierecke

Abb. 10: Entdecken mit latenter Beweisidee und Beweis des Winkelsummensatzes im Beispiel B

Exkurs: Probe und Prüfung mit latenter Beweisidee

Bisher haben wir das Beispiel B so analysiert, als ob der Schüler entweder durch Win­kelmessung den Merksatz ohne Beweisidee entdeckt, oder durch Zerlegung in Dreiecke mit Beweisidee. Nun wollen wir die Möglichkeit berücksichtigen, dass der Schüler so­wohl die Winkelsumme misst, als auch das Viereck dann in Dreiecke zerlegt. Dabei ist als Besonderheit des Schulbuchbeispiels zu beachten, dass bei beiden Feststellungen der Winkelsumme dasselbe konkrete Viereck untersucht wird. Vordergründig bestätigt die zusätzliche, zweite Feststellung der Winkelsumme das Messergebnis 360° für das Vier­eck. Insofern stellt sie eine Probe der ersten Feststellung dar. Hintergründig entsteht, das ist für unser Thema entscheidend, eine latente Beweisidee durch Probe. Anlass für die Probe kann die fehlende Messgenauigkeit sein, oder das Messergebnis von 360° bringt den Schüler auf die Idee, nach zwei Dreiecken mit je 180° Winkelsumme zu suchen.

Wenn man in Abweichung von der Schulbuchseite für die zweite Feststellung nicht dasselbe Viereck, sondern ein anderes wählte, um den vermuteten Merksatz zu testen, wäre von der Prüfong des Merksatzes mit latenter Beweisidee zu sprechen, und die In­duktion wäre rekonstruierbar (vg. Abschnitt 2.3). Die logische Struktur dieses Erarbei­tungsweges wäre der Struktur in Abb. 10 sehr ähnlich. Nur das mittlere Schema, das Schema der Abduktion, wird durch das entsprechende Schema der Induktion ersetzt, in­dem das Gesetz nun als Konklusion von Fall und Resultat auftritt. Ausführliche Erörte­rungen der logischen Struktur des Prüfens findet man bei Polya (1963).

Entdecken mit latenter Beweisidee 141

Wenn die zunächst latente Beweisidee (beim Entdecken, bei der Probe oder bei der Prü­fung) dem Schüler bewusst wird und er erkennt, dass der deduktive Schluss zur Feststel­lung des Phänomens unabhängig von den konkreten Besonderheiten des Beispiels stets dasselbe Phänomens ergeben muss, ist ein" beispielgebundener Beweis" geführt (vgl. die "prämathematischen Beweise", Kirsch 1979).

Wie leicht es Schülern fällt, sich der Beweisidee bewusst zu werden, ist eine empiri­sche Frage. Es erscheint einfacher, diese Frage für die Probe oder das Prüfen zu beant­worten, als für das Entdecken, weil der Vorgang des Entdeckens an der Front des Schü­lerwissens besonders fragil, chaotisch, schwer mitteilbar und in der Erinnerung flüchtig sein kann. Einige Schulbuchreihen bieten ein Indiz dafür, dass die Frage für Schüler in der Sekundarstufe nicht allzu optimistisch beantwortet werden sollte. Der Manifestation einer latenten Beweisidee widmen einige Schulbuchreihen besondere Aufmerksamkeit, sie explizieren diesen Vorgang an geeigneten Stellen (s. z. B. "Elemente der Mathematik 6. Gymnasium. NRW", Griesel u.a. 2006, S. 42f und S. 49t). Diese Maßnahmen der Schulbuchautoren lassen vermuten, dass eine ausdrückliche Schulung erforderlich oder forderlich ist, damit Schüler fähig werden, latente Beweisideen zu realisieren. Selbst in Schulbüchern für das 10. Schuljahr wird das beispielgebundene Beweisen auf der Meta­ebene thematisiert (s. z. B. im Schulbuch der oben genannten Reihe, 2004, S. l8t).

Die didaktische Problematik besteht in folgender Spannung: Einerseits kann das Prü­fen mit latenter Beweisidee sich zum beispielgebundenen Beweisen wandeln. Die Fest­stellung eines Phänomens am Beispiel erscheint dann als Vorbereitung des Beweisens. Andererseits kann durch das Prüfen, wenn der Schüler die latente Beweisidee nicht kog­nitiv realisiert, das epistemologische Verständnis der mathematischen Erkenntnissiche­rung als induktives Vorgehen wie in den empirischen Wissenschaften stabilisiert wer­den. Dann kann es nicht verwundern, wenn der Schüler den späteren mathematischen Beweis mit seinen rein deduktiven Schritten und allgemeinen Aussagen als aufgesetztes, fremdartiges Ritual auffasst. Schon die widersprüchlich anmutende, in Schulbüchern ge­bräuchliche Formulierung "beispielgebundenes Begründen" weist auf diese Spannung hin. Hier besteht u. E. ein Bedarf an empirischer Forschung in der Mathematikdidaktik.

Wir konzentrieren uns nun wieder auf das Entdecken mit latenter Beweisidee; für die Probe oder das Prüfen könnten im Folgenden analoge Aussagen getätigt werden. Das Entdecken mit Beweisidee hat offensichtlich Vorteile gegenüber dem Entdecken ohne Beweisidee:

Vorteil}: Wenn sich der Schüler der Beweisidee bewusst wird, wenn er die vormals latente Beweisidee kognitiv realisiert, fällt ihm der Beweis leichter.

Vorteil 2: Wenn ein Beweis formal zu aufwendig oder zu voraussetzungsvoll wäre, kann man sich mit der Manifestation der Beweisidee begnügen, ohne sie zu einem voll­ständigen Beweis auszuarbeiten, so etwa bei einer vollständigen Induktion in der Sekun­darstufe I. Es ist schon ein Gewinn, zur Begründung einer Summenformel den allgemei­nen Induktionsschritt am Beispiel zu erfassen.

Vorteil 3: Auch wenn dem Schüler die Beweisidee nicht bewusst wird, ergibt sich ein Vorteil. Auf dem Weg zur Entdeckung, bei der Bestimmung des Phänomens, an dem der Merksatz entdeckt wird, nutzt man bekannte Sätze und/oder Definitionen, die thematisch eng mit dem Merksatz verbunden sind. Beispielsweise verwendet man den Winkelsum­mensatz für Dreiecke; beim Entdecken einer Potenzregel mit Beweisidee greift man un-

142 Michael Meyer, Jörg Voigt

ter anderem mehrmals auf die Potenzdefinition zurück. Die Hypothesenbildung ist mit bekannten, thematisch einschlägigen mathematischen Aussagen verbunden, während beispielsweise beim Messen von Winkeln oder beim Berechnen von Potenzen mit dem Taschenrechner lediglich Algorithmen durchgefiihrt werden. Durch die Verbindung mit einschlägigem Wissen wird der vermutete Merksatz glaubwürdiger, auch wenn die Ver­bindungen auf das konkrete Beispiel beschränkt bleiben. Das konkrete Phänomen, an dem der Merksatz entdeckt wird, scheint dann nicht mehr so zufallig zu gelten. Aller­dings hat dieser Vorteil auch eine Kehrseite. Das Phänomen erscheint nicht mehr so überraschend zu sein, verglichen mit dem Wege zum Entdecken ohne Beweisidee; die Motivation zur Erklärung des Phänomens mag dann geringer sein.

Man kann in der Sekundarstufe I nicht erwarten, dass Schüler stets von sich aus ver­suchen, Phänomene durch Verwendung von Sätzen und Definitionen so zu bestimmen, dass eine latente Beweisidee entsteht. Der Schüler kann auf dem Wege zur Entdeckung noch nicht das wissen, was er entdeckt; er kann also nicht gut einschätzen, welche der bekannten Sätze und Definitionen sich als thematisch einschlägig erweisen. Des Weite­ren fällt dem Schüler die algorithmische Bestimmung des Phänomens oft leichter. Die Tendenz der Schüler, lieber auf einem vertrauten algorithmischen Weg das Resultat ei­ner Aufgabe zu bestimmen, kann man bei dem folgenden Beispiel C befürchten.

Beispiel C: Ähnlichkeitssatz für Dreiecke

Häufig sehen wir in unseren Analysen das Problem, dass es für Schüler kaum nahelie­gend ist, eine Entdeckungsaufgabe so zu bearbeiten, dass sie eine latente Beweisidee gewinnen, wie es die Schulbuchautoren intendieren. Ein Beispiel ist die Entdeckung des Ähnlichkeitssatzes für Dreiecke im Schulbuch "Elemente der Mathematik 9. Gymnasi­um. NRW" (Griesel u.a. 2004, S. 191). Die Schüler sollen dort die Ähnlichkeit zweier Dreiecke feststellen, die nur in ihren Winkeln übereinstimmen. Die Ähnlichkeit war zu­vor als Gleichheit der Verhältnisse von Seitenlängen definiert. Im Schulbuch wird als Lösung der Entdeckungsaufgabe eine Entdeckung mit Beweisidee dargestellt: Die bei­den konkreten Dreiecke werden so ineinander gelegt, dass dann die Umkehrung des Stu­fenwinkelsatzes und die beiden Strahlensätze verwendet werden. Wir befürchten jedoch, dass Schüler zur Feststellung der Ähnlichkeit die Seitenlängen der Dreiecke messen und die Verhältnisse berechnen.

In der Unterrichtspraxis kann man sicherlich darauf hoffen, dass zumindest ein Schü­ler den Ähnlichkeitssatz mit Beweisidee entdeckt. Wenn der Lehrer gemäß dem Schul­buch zielgerichtet den Unterricht führt, wird es ihm nahe liegen, diesen Schülerbeitrag gegenüber anderen hervorzuheben. Oder er lenkt das Unterrichtsgespräch kleinschrittig fragend-entwickelnd, unter Verlust des Anspruchs auf möglichst große Selbständigkeit der Schüler bei der Erarbeitung des neuen Merksatzes.

Um die Schüler zu einer Entdeckung mit latenter Beweisidee zu veranlassen und eine Entdeckung ohne Beweisidee zu vermeiden, werden in Schulbüchern verschiedene Maßnahmen genutzt. Einige dieser Maßnahmen zur Gewinnung einer Beweisidee beim Entdecken sollen nun an mehreren Schulbuchbeispielen konkretisiert werden.

Entdecken mit latenter Beweisidee 143

Beispiel D: Flächeninhalt von Parallelogrammen

I Sarahs Zimmer so ll neu mi t Tcppichboden au sgelegt we rden. aber der Verl-.ülIkr hat den Teppichboden sch ief abgeschnillen. Kann man mit dem Tcpp ichboden das Zimmer trotzdem vn ll stii nd ig auslegen') Zeichnc eine mögliche Ve rl egung dcs Tcppichhodens in lkin I-I cl"!.

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Abb. 11: Auszug aus "LambacherlSchweizer 8. Gymnasium. NRW" (Schmidt und Weidig, 1995, S. 153)

An diesem Beispiel lassen sich zwei Maßnahmen konkretisieren, welche die Chance er­höhen, dass die Schüler den Merksatz mit latenter Beweisidee entdecken:

Maßnahme 1: Zum einen wird das Parallelogramm mit dem Rechteck in Zusammen­hang gebracht, dessen Flächeninhaltsformel bekannt ist. Diese Maßnahme wurde schon im Beispiel B genutzt. Das Schulbuch gibt dort einen Zusammenhang zwischen dem ge­gebenen Viereck und Dreiecken vor.

Maßnahme 2: Zum anderen wird der Flächenvergleich so in einen Sachkontext ein­gekleidet, dass ein Messen der Flächeninhalte, etwa durch Kästchen auf kariertem Pa­pier, sachinadäquat erscheint. Drei Seiten weiter in dem Schulbuch wird die Flächenin­haltsformel rur Dreiecke auf gleiche Weise erarbeitet; statt eines Teppichbodens ist dort eine Glasscheibe gedanklich zu zerlegen.

144 Michael Meyer, Jörg Voigt

Beispiel E: Quersummenregel für die Teilbarkeit durch 3 und 9

Aufgabe II

4752 = 4· 1000 + 7· 100 + 5· 10+ 2 . 1

= 4 . (999 + 1) + 7 . (99 + 1) + 5 . (9 + I) + 2 . 1

= 4 . 999 + 4 + 7 . 99 + 7 + 5 . 9 + 5 + 2

= 4·999 + 7 ·99 + 5 . 9 + (4 + 7 + 5 + 2)

Quersumme von 4752

Formuliere eine Regel, mit der du - nur durch

das Berechnen dcr Qucrsumme einer Zahl -

Aussagen über ihre Teilbarkeit durch 3 oder 9

treffen kannst.

Abb. 12: Auszug aus "Fokus Mathematik 6. Gymnasium. NRW" (Esper, N u.a. 2006, S. 137)

Eine Schulbuchseite zuvor wurden die Summen- und die Produktregel der Teilbarkeit erarbeitet. Die in Aufgabe 11 vorgegebene Zahl ist so dargestellt, dass der Schüler diese Regeln relativ direkt verwenden und so eine Entdeckung mit latenter Beweisidee ma­chen kann. Die Beweisidee wird im Schulbuch selbst nicht manifest; ein formaler Be­weis ist in der 6. Klassenstufe mangels genügender algebraischer Kenntnisse nicht durchzuführen. Im Unterrichtsgespräch könnte die Beweisidee jedoch dadurch manifes­tiert werden, dass die allgemeine Strategie in der Umwandlung einer mehrsteIligen Zahl und die Verwendung der Surnmen- und Produktregel am Beispiel thematisch werden. Dann wäre ein beispielgebundener Beweis gefiihrt.

Die Bestimmung des Phänomens, dass an der Quersumme der konkreten Zahl ihre Teilbarkeit durch 3 und 9 zu erkennen ist, wird zunächst vorgegeben. Damit wird die Schüleraktivität sehr stark gelenkt. Diese Lenkung ist rechtfertigbar; es wäre eher un­wahrscheinlich, dass ein Schüler der 6. Jahrgangsstufe selbst auf die Idee der Umwand­lung der gegebenen Zahl käme. Auch wenn man an die Alternative einer anschaulichen Darstellung mit Plättchen in der Stellenwerttafel und des Verschiebens der Plättchen denkt, ist eine Lenkung oder Vororientierung der Schüler daraufhin unausweichlich.

Dieses Beispiel lässt uns folgende Maßnahme der Schulbuchautoren zum Entdecken mit Beweisidee erkennen: Die aus Expertensicht bekannte formale Herleitung des Merk­satzes wird am Beispiel konkretisiert und so weit dargestellt, bis ein bewältigbarer Rest verbleibt, den die Schüler selbst bestimmen sollen.

Entdecken mit latenter Beweisidee 145

Beispiel F: Winkel und Kreis

6.2 Winkel und Kreise

1 Besondere Dreiecke

Zeichne eine Strecke AB mit der Länge 5 cm in dein Heft. Zeichne nun verschiedene Punkte C ein, so dass verschiedene rechtwinklige Dreiecke entstehen, so wie du das im Bild fü r den Punkt CI siehst. Miss alle auftrete nden Winkel. Was beobachtest du? Welche Gemeinsamkeit haben die Eckpunkte der gezeichneten Drei ­ecke? Zeichne über der Seite AB ver­schiedene Dreiecke, die keinen rech­ten Winkel besitzen. Vergleiche mit den vorigen Ergebnissen. Ze ichne einen Kreis mit dem Durchmesser PQ = 5 cm . Wähle e inen Punkt Rauf der Kreislinie und zeichne das Dreieck PQR. Miss den Innenwinkel des Dreiecks mit dem Scheitel R. Was beobachtest du?

3 Forschen am Kreis

Experimentiere mit einem dynam ischen Geometrieprogramm. Konstruiere den Kreis um M mit e inem Radius, den du verändern kannst, wenn du an dem Punkt Z ziehst. Binde die Punkte A, Bund C an den Kreis und wähle verschiedene Orte auf der Kreislinie für C. Miss jeweils alle auftretenden Winkel und vergleiche. Was fällt dir auf?

Abb. 13: Auszug aus "Fokus Mathematik. Band 3. Gymnasium. BaWü." (Esper u.a. 2006, S.

148/4

Die Schulbuchreihe, aus der das Beispiel F stammt, ist nach didaktischen Prinzipien ges­taltet, die zur Zeit auch die Überarbeitung einiger anderer Schulbuchreihen orientieren. Zu Beginn der Unterrichtseinheit "Winkel und Kreise" sollen die Schüler selbsttätig komplexe mathematische Zusammenhänge erkunden. Erst später in der Unterrichtsein­heit werden mehrere Merksätze mit Beweisen fixiert, der Satz des Thales, seine Umkeh­rung und der Umfangswinkelsatz, inkl. der Definitionen. Dagegen werden in traditionel­leren Schulbüchern mathematische Sätze zunächst eher von einander isoliert erarbeitet, so dass dort die Unterrichtseinheit schrittweise von Merksatz zu Merksatz aufgebaut ist.

Die eigenständigen Erkundungen der Schüler in ganzheitlicheren mathematischen Kontexten stellen auch für den Lehrer eine Herausforderung dar, wenn er die Schüler nicht sich selbst überlassen will und wenn er im Unterrichtsgespräch gültige Formulie­rungen der Sätze und Beweise aus den Erkundungen der Schüler gewinnen will, m. a. W. wenn er ausgehend von subjektiven Erfahrungen der Schüler intersubjektives Schulwis­sen entstehen lassen will. Der Lehrer sollte dann Erkenntniswege seiner Schüler erken-

14 Aus Platzgründen werden die Aufträge 2 und 4 hier nicht mit abgebildet. Sie thematisieren umweltbezogene Sachverhalte, an denen Umfangswinkel untersucht werden.

146 Michael Meyer, Jörg Voigt

nen und unterstützen können. Insbesondere könnte er eine latente Beweisidee im Vorge­hen des Schülers manifest werden lassen, wenn der Schüler dazu nicht von selbst in der Lage ist. Für die Bewältigung dieser Herausforderung kann es dem Lehrer von Nutzen sein, schon während seiner Ausbildung Erkenntniswege von Schülern (re-)konstruiert zu haben - sei es an exemplarischen Schulbuchseiten oder an Ausschnitten aus Lerntagebü­chern bzw. aus Unterrichtsprotokollen. Die Konstruktion fIktiver Erkenntniswege an ei­ner Schulbuchseite kann Kompetenzen fördern, die dem Lehrer in seiner Unterrichtsvor­bereitung und in seinem Umgang mit Lerntagebüchern nützlich sind. Mit welchen Er­kenntniswegen der Schüler kann man bei ihrer Bearbeitung einer Entdeckungsaufgabe rechnen? Welche inhaltlich-logischen Zusammenhänge bestehen zwischen möglichen Entdeckungen der Schüler, den angezielten Merksätzen und ihren Beweisen? Es fehlt uns hier der Raum, diese Fragen für das Beispiel F in der Breite zu beantworten. Mit Blick auf das "Entdecken mit latenter Beweisidee" möchten wir nur auf drei Möglichkei­ten hinweisen, wie der Schüler eine Beweisidee für den Satz des Thales gewinnen kann:

Variante 1: Die Fragen des Auftrags 1 regen nicht nur zur Entdeckung des Thalessat­zes und seiner Umkehrung an, die Hilfslinie von M zu Ci erleichtert auch die Gewinnung einer Beweisidee. Die erste Frage kann den Schüler erkennen lassen, dass je zwei Win­kel in den gezeichneten Teildreiecken der rechtwinkligen Dreiecke gleich groß sind. Die zweite Frage kann die Punkte Ci als Punkte eines Kreises um M erkennen lassen. Wenn der Schüler diese Erkenntnisse so in einen Zusammenhang bringt, dass er vermutet die gleichgroßen Winkel könnten Basiswinkel von gleichschenkligen Dreiecken sein, liegt eine latente Beweisidee für den Satz des Thales vor. Wohlgemerkt zielt jedoch erst die dritte Frage direkt auf die Entdeckung des Satzes von Thales. Erst mit der Vermutung dieses Satzes kann die Beachtung des Zusammenhangs von gleichgroßen Winkeln und gleichlangen Seiten (als Satz bekannt) als Beweisidee manifest werden. Insofern wird hier nicht, wie in den anderen Schulbuchbeispielen zuvor, die Beweisidee in der Be­stimmung des Resultates der Abduktion bei der Entdeckung des Merksatzes gewonnen, sondern in der Bearbeitung einer zusätzlichen Aufgabe. Das wird auch dadurch deutlich, dass diese Aufgabe, die erste Frage im Beispiel F, der Entdeckung des Thalessatzes nachgeordnet sein könnte. Wenn wir in diesem Beispiel trotzdem vom Entdecken des Thalessatzes mit latenter Beweisidee sprechen, dehnen wir den Begriffsumfang.

Variante 2: Die Beweisidee kann auch auf andere Weise gewonnen werden. Wieder sei angenommen, der Schüler erkenne zur Beantwortung der ersten Frage die Gleichheit von je zwei Winkeln in den gezeichneten Teildreiecken. Das kann im Schüler die Erin­nerung an den Satz über die Gleichschenkligkeit von Dreiecken mit zwei gleichgroßen Winkel auslösen und ihn mit diesem Satz deduktiv vorhersagen lassen, dass die Punkte Ci auf einem Kreis um M liegen müssen, sofern seine Vermutung richtig sei, dass in be­liebigen rechtwinkligen Dreiecken die zwei Winkel der Teildreiecke gleichgroß seien. Die Beantwortung der zweiten Frage bestätigt dann induktiv seine Vorhersage.

Variante 3: Es ist nicht praxisfern, als dritte Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass der Schüler beim Auftrag 1 noch nicht den Zusammenhang zwischen den Winkeln in den Teildreiecken und den Seitenlängen (Kreisradien) erkennt. Die Chance, diesen Zu­sammenhang zu erkennen, bietet sich dann wieder bei der Bearbeitung des Auftrages 3, wo die Längen mehrerer Seiten der Teildreiecke von vornherein als Kreisradien gesetzt sind. Rückblickend könnte der Schüler dann die gleichschenkligen Dreiecke beim Auf-

Entdecken mit latenter Beweisidee 147

trag 1 erkennen und so nachträglich eine Beweisidee für den Satz des Thales gewinnen, den er ohne Beweisidee beim Auftrag 1 entdeckt hatte.

Für die Frage, welche Maßnahme im Beispiel F dazu beiträgt, dass der Schüler den Thalessatz mit Beweisidee entdeckt, kann festgehalten werden, dass zusätzlich zu der Entdeckungsaufgabe für den Satz eine Aufgabe zur Gewinnung der Beweisidee gestellt wird. Dabei wird eine Hilfe angeboten, in unserem Beispiel eine Hilfslinie von M nach Cl.

Exkurs: Problem bikonditionaler Sätze

Das Beispiel F dient uns auch dazu, auf ein Problem hinzuweisen, dass beim Entdecken und Beweisen von bikonditionalen Aussagen, Äquivalenzaussagen, zu beachten ist. Im Beispiel F wird sowohl die Entdeckung des Thalessatzes als auch die Entdeckung seiner Umkehrung angeregt. Um die prinzipielle Bedeutung des Problems deutlich zu machen, verwenden wir das Schema der Abduktion aus Abschnitt 2.1 und konkretisieren es für die Entdeckung des Thalessatzes (dritte Frage des Auftrages 1):

Resultat: Die Messung der Winkel bei R in den gezeichneten Dreiecken ergibt 90°. Gesetz: Satz des Thales Fall: In den Zeichnungen liegt R auf dem Kreis.

Abb. 14: Abduktion zum Thalessatz

Wenn man die Kategorien "Resultat" und "Fall" mitsamt ihres Inhalts vertauscht, also die erste und die letzte Zeile des Schemas komplett wechselt, ergibt sich das Schema der Deduktion; im konkreten Beispiel erhält man eine deduktive Anwendung des Thalessat­zes. Wenn man nicht die Kategorien, sondern nur die konkreten Aussagen vertauscht, ergibt sich die Abduktion zur Entdeckung der Umkehrung des Thalessatzes, wobei in der Kategorie "Gesetz" die Umkehrung des Thalessatzes stände.

Die genannten Differenzierungen mögen detailversessen erscheinen. Die diffizilen Unterscheidungen sind jedoch wichtig, wenn man zwischen der abduktiven Entdeckung einer Implikation, der abduktiven Entdeckung der Umkehrung der Implikation, der de­duktiven Anwendung der Implikation und der deduktiven Anwendung der Umkehrung der Implikation unterscheiden will.

• Meyer (2007a, S. 218ft) rekonstruiert Erkenntniswege von beobachteten Schü­lern in Unterrichtsstunden und stellt dort fest, dass bikonditionale Aussagen die Rekonstruktion ihrer Entdeckung und Begründung durch Schüler erschweren.

• In unseren Lehrveranstaltungen, in denen Studierende die logischen Zusam­menhänge in Schulbuchbeweisen und -herleitungen von bikonditionalen Sätzen herausarbeiten sollen, verwechseln Studierende anfangs öfters die Implikation mit ihrer Umkehrung.

• Leider haben wir bei den Schulbuchanalysen mehrfach feststellen müssen, dass auch Schulbücher den unreflektierten Umkehrschluss bei Schülern provozieren oder ihn sogar übersehen. Ein Beispiel ist die Behandlung des Satzes des Pytha­goras im Schulbuch "Mathematik lOB. Denken und Rechnen. Hauptschule. NRW" (Golenia und Neubert 2004, S. 35). Dieser Satz wird nur in einer Rich-

148 Michael Meyer, Jörg Voigt

tung formuliert: "Wenn ein Dreieck rechtwinklig ist, dann .. ,," Bei der dann folgenden Aufgabe soll durch Rechnung mit dem Satz des Pythagoras überprüft werden, ob Dreiecke, deren Seitenlängen vorgegeben sind, rechtwinklig seien. Ein anderes Beispiel ist die Behandlung des Satzes über die Mittelsenkrechte im Schulbuch "Schnittpunkt 7. Realschule. NRW" (Maroska u.a. 1994, S. 93). Der bikonditional formulierbare Satz wird als Merksatz nur in einer Richtung formu­liert, was legitim ist; aber seine Herleitung im Schulbuch ist nicht schlüssig, weil stellenweise die Implikation mit ihrer Umkehrung verwechselt wird. Des Weiteren wird in dem Anwendungsbeispiel, das der Fixierung des Merksatzes auf der Schulbuchseite direkt folgt, die Gültigkeit der Umkehrung der Implika­tion unterstellt.

• Wenn man Schüler dazu herausfordert unreflektiert einen im Ergebnis richtigen Umkehrschluss zu vollziehen, darf man sich nicht wundem, wenn die Schüler den Umkehrschluss auch dann vollziehen, wenn sein Ergebnis falsch ist (vgl. Hennes und Schmidt 1982). Aus heuristischen Gründen kann es hilfreich sein, einen Umkehrschluss zu ziehen, auch wenn man sich der Gültigkeit des Ergeb­nisses nicht sicher ist; aber der Fraglichkeit des Ergebnisses sollte man sich be­wusst sein.

Die Analyse des Beispiels F lässt deutlich werden, welche Schwierigkeiten ein Lehrer meistem muss, wenn er Schüler mehrere Sätze in ganzheitlichen, vernetzten Kontexten entdecken und begründen lassen will und wenn er logische Zusammenhänge des jeweili­gen Themas im Unterrichtsgespräch explizit zur Geltung bringen will. Dabei ist der Leh­rer mit dem Problem konfrontiert, dass Schüler an der Front ihres Wissens ihre Erkennt­nisse nicht leicht nachvollziehbar kommunizieren können. Der Lehrer benötigt eine hohe mathematische und mathematikdidaktische Kompetenz, um darauf hinzuwirken, dass die subjektiven Erkenntnisse der Schüler intersubjektiviert werden.

4 Fazit

Die Verwendung von Begriffen aus der philosophischen Logik ermöglichte in der vo­rangegangenen Abschnitten

• die mathematikdidaktischen Begriffe "Entdecken", "Prüfen" und "Begründen" zu präzisieren und voneinander abzugrenzen und

• verschiedene Strategien und Maßnahmen herauszuarbeiten, wie Aufgaben ge­stellt werden (müssen), damit die Schüler mit der Entdeckung eines neuen ma­thematischen Satzes auch eine latente Beweisidee gewinnen, so dass subjektive Vermutungen durch Bezug auf bekannte Merksätze intersubjektiviert werden.

Weil das Verständnis und die Verwendung der grundlegenden philosophischen Begriffe aufwendig sind, ist nach ihrem Nutzen zu fragen. Der Wissenschaftler mag schon einen ausreichenden Erkenntnisgewinn darin sehen, die Vielfalt der Erarbeitungen von Merksätzen auf wenige Schlussformen zurückfiihren zu können. Die dargestellte Analy­semethode kann auch dazu verwendet werden, um verschiedene Schulbuchreihen wis­senschaftlich zu vergleichen, z.B. mit dem Ziel, diejenige Schulbuchreihe zu identifizie­ren, die am stärksten das Entdecken oder das Begründen von den Schülern fordert oder beides im Sinne des Entdeckens mit latenter Beweisidee verbindet.

Entdecken mit latenter Beweisidee 149

Gemessen an der faktischen Bedeutung der Schulbücher in der Unterrichtspraxis er­scheint die Schulbuchanalyse fast wie ein weißer Fleck auf der mathematikdidaktischen Landkarte. Vielleicht ist diese Situation auch mitverantwortlich fiir unsere Erfahrung, dass die Erarbeitungen auf Schulbuchseiten, insbesondere fiir den Hauptschulbereich, zu häufig logisch unzulänglich oder sogar fehlerhaft sind.

Der Schulbuchautor mag die Analyse mittels der Schlussforrnen nutzen, um seine Ideen tUr die Gestaltung von Erarbeitungswegen von Merksätzen zu reflektieren oder um alternative Wege zu konstruieren, die das Spannungsfeld zwischen Subjektivität und In­tersubjektivität verringern. Wir möchten nicht den Eindruck erwecken, der Schulbuchau­tor solle u. E. jeden Merksatz gemeinsam mit einer latenten Beweisidee entdecken und/oder prüfen lassen und entsprechend die Aufgabenstellung zur Herstellung des je­weiligen Resultates fiir die Schüler enger und kleinschrittiger gestalten, als dies in der Regel ohne Gewinnung der Beweisidee nötig wäre. Der Freiraum der Schüler zu eigenen Erarbeitungswegen ist gemäß zeitgenössischen didaktischen Prinzipien wichtig. Das for­dert den Lehrer, der die Schulbuchseite einsetzt, heraus, den Unterricht so zu moderie­ren, dass sich letztlich klare Begründungen fiir den jeweiligen Merksatz bei den Schülern ergeben. Eine latente Beweisidee kann beim Entdecken eines Merksatzes auch bildung­sunwirksam bleiben, wenn sie im Unterrichtsgespräch nicht manifest wird.

Für die Lehrerausbildung schlagen wir keine explizite Schulung in philosophisch­logische Grundlagen vor. Jedoch kann dort die Beschäftigung mit der Logik des Entde­ckens, Prüfens und Begründens an exemplarischen Schulbuchseiten ein Problembe­wusstsein tUr das Entdecken, Prüfen, Begründen und deren Zusammenhänge im Unter­richt schaffen - eine Voraussetzung dafiir, dass zukünftige Lehrer einen schülerorientier­ten und bildungswirksamen Unterricht erteilen.

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Adressen der Autoren

Michael Meyer Universität Dortmund Institut fiir Entwicklung und Erforschung des Mathematikunterrichts V ogelpothsweg 87 44221 Dortmund

Manuskripteingang: 10. Februar 2008 Typoskripteingang: 25. Mai 2008

Jörg Voigt Westfälische Wilhelms-Universität Münster Institut für Didaktik der Mathematik und der Informatik Fliednerstr. 21 48149 Münster