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Investitionsrechnung 1 Entscheidungsbaumverfahren Entscheidungsbaumverfahren Verfahren zur Berücksichtigung der Unsicherheit bei Investitionseinzelentscheidungen Grundidee : für Beginn eines Planungszeitraums optimale Handlungsalternative ermitteln, wobei zukünftige, ihrem Wesen nach auch unterschiedliche mögliche Umweltzustände mit ihren jewei- ligen Eintrittswahrscheinlichkeiten berücksichtigt werden, außerdem werden dabei Folgeent- scheidungen (= mehrstufiges Entscheidungsproblem) beachtet, die zu treffen sind, falls ein be- stimmter Umweltzustand eingetreten ist Ziel : Auswahl einer optimalen Folge von Investitionen im Zeitablauf (=sequentielle Investitions- entscheidungen) Formalstruktur : Zur Abbildung der Struktur eines mehrstufigen Entscheidungsproblems ist der Entscheidungs- baum geeignet (ungerichteter Graph) Die unterschiedlichen Kanten und Knoten des Graphen lassen sich wie folgt beschreiben: E Entscheidungsknoten, d.h. Knoten, der ein Entscheidungsereignis charakterisiert, e Kante, die eine Entscheidungsalternative repräsentiert, Z Zufallsknoten, d.h. Knoten, der ein Zufallsereignis kennzeichnet, z Kante, die einen aus dem Eintritt eines Zufallsereignisses resultierenden Umweltzustand beschreibt, R Ergebnisknoten, d.h. Knoten, der die mit bestimmten Entscheidungsalternativen und Umweltzuständen verbundenen Ergebnisse angibt, sowie R/E Knoten, der darstellt, dass ein Ergebnis vorliegt und eine Entscheidung zu fällen ist.

Entscheidungsbaumverfahren - uwpi/bloech/lehrangebot/unternehmensrechnung/... · Wird in t = 0 auf eine Investition verzichtet, dann kann in t = 1 eine Investition realisiert werden,

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Investitionsrechnung 1 Entscheidungsbaumverfahren

Entscheidungsbaumverfahren

• Verfahren zur Berücksichtigung der Unsicherheit bei Investitionseinzelentscheidungen

• Grundidee: für Beginn eines Planungszeitraums optimale Handlungsalternative ermitteln, wobei

zukünftige, ihrem Wesen nach auch unterschiedliche mögliche Umweltzustände mit ihren jewei-

ligen Eintrittswahrscheinlichkeiten berücksichtigt werden, außerdem werden dabei Folgeent-

scheidungen (= mehrstufiges Entscheidungsproblem) beachtet, die zu treffen sind, falls ein be-

stimmter Umweltzustand eingetreten ist

• Ziel: Auswahl einer optimalen Folge von Investitionen im Zeitablauf (=sequentielle Investitions-

entscheidungen)

• Formalstruktur:

Zur Abbildung der Struktur eines mehrstufigen Entscheidungsproblems ist der Entscheidungs-

baum geeignet (ungerichteter Graph)

• Die unterschiedlichen Kanten und Knoten des Graphen lassen sich wie folgt beschreiben:

E Entscheidungsknoten, d.h. Knoten, der ein Entscheidungsereignis charakterisiert,

e Kante, die eine Entscheidungsalternative repräsentiert,

Z Zufallsknoten, d.h. Knoten, der ein Zufallsereignis kennzeichnet,

z Kante, die einen aus dem Eintritt eines Zufallsereignisses resultierenden Umweltzustand

beschreibt,

R Ergebnisknoten, d.h. Knoten, der die mit bestimmten Entscheidungsalternativen und

Umweltzuständen verbundenen Ergebnisse angibt, sowie

R/E Knoten, der darstellt, dass ein Ergebnis vorliegt und eine Entscheidung zu fällen ist.

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Investitionsrechnung 2 Entscheidungsbaumverfahren

Schrittfolge zur Lösung sequentieller Investitionsentscheidungen:

1. Festlegung der Struktur des Entscheidungsbaumes

• Bestimmung des Planungszeitraumes und seiner Untergliederung (d.h. wie groß sind die Ab-

stände zwischen den äquidistanten Betrachtungszeitpunkten?)

• Bestimmung der Entscheidungsalternativen

• Bestimmung der möglichen Umweltzustände in den einzelnen Zeitpunkten

2. Ermittlung weiterer entscheidungsrelevanter Daten

• Optimierung z.B. mit dem Kapitalwertmodell

⇒ Zielgröße: Erwartungswert des Kapitalwertes

⇒ optimal ist die zustandsabhängige Entscheidungsfolge, die den maximalen Erwartungswert

des Kapitalwertes aufweist

3. Rechnerische Lösung des Entscheidungsproblems mit Hilfe des Rollback-Verfahrens

• rekursive Optimierungstechnik durch sukzessive Generierung einstufiger Entscheidungspro-

bleme

• bei zeitlich am Ende liegenden Entscheidungen beginnen und prüfen, welche Alternative in

bezug auf den letzten Entscheidungszeitpunkt unter Berücksichtigung der möglichen

Umweltentwicklungen die beste ist

• anschließend Entscheidungsalternativen betrachten, die im vorletzten Entscheidungszeitpunkt

relevant sind, d.h. in den Folgeperioden jeweils nur die zuvor ermittelten besten

Entscheidungen berücksichtigen

• schrittweise Optimierung fortsetzen bis die für den Beginn des Planungszeitraumes optimale

Alternative ermittelt ist

Wichtig: Optimale Entscheidung gilt nur für den Beginn des Planungszeitraumes (in späteren

Perioden u.U. andere Infos!

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Investitionsrechnung 3 Entscheidungsbaumverfahren

Fallbeispiel 1: Entscheidungsbaumverfahren

Ein Unternehmen hat im Entscheidungszeitpunkt t = 0 die Wahl zwischen der Durchführung einer

großen Investition, der Realisation einer kleinen Investition sowie dem Verzicht auf Investitionen

(Unterlassensalternative).

Mit der großen Investition wird bei einer Anschaffungsauszahlung von 500.000 GE eine Kapazität

geschaffen, die für die Herstellung von 30.000 ME eines Produkts ausreicht. Mit der kleinen

Investition wird bei einer Anschaffungsauszahlung von 400.000 GE eine Kapazität von 25.000 ME

des Produkts geschaffen. Falls eine der Investitionen realisiert wird, sind im Folgenden keine

weiteren Investitionen möglich.

Wird in t = 0 auf eine Investition verzichtet, dann kann in t = 1 eine Investition realisiert werden, die bei einer

Anschaffungsauszahlung von 420.000 GE eine Kapazität von 30.000 ME des Produktes erzeugt. In späteren

Zeitpunkten sind keine Investitionen möglich.

Der Planungszeitraum beträgt drei Perioden. Bezüglich der zukünftigen Entwicklung der Absatzmengen besteht

Unsicherheit. So wird in der ersten Periode mit einer Wahrscheinlichkeit von 60% eine maximale Absatzmenge von

25.000 ME erwartet, mit der Wahrscheinlichkeit von 40% eine maximale Absatzmenge von 30.000 ME:

Falls in der ersten Periode eine maximale Absatzmenge von 30.000 ME auftritt, wird diese mit einer Wahrscheinlichkeit

von 70% auf diesem Niveau bleiben, mit der Gegenwahrscheinlichkeit von 30% in den beiden letzten Perioden des

Planungszeitraums auf jeweils 33.000 ME ansteigen.

Tritt in der ersten Periode eine maximale Absatzmenge von 25.000 ME auf, dann wird prognostiziert, dass diese mit

einer Wahrscheinlichkeit von 50% auf dem gleichen Niveau bleibt und mit der Gegenwahrscheinlichkeit in den beiden

letzten Perioden des Planungszeitraums auf jeweils 28.000 ME ansteigt.

Die Informationen zur Entwicklung der Absatzmenge liegen in t = 1 auch vor, falls das Unternehmen in t = 0 nicht

investiert.

Die Verkaufspreise pro ME werden mit Sicherheit in allen Perioden des Planungszeitraums 30 GE

betragen, die mengenabhängigen Auszahlungen pro Stück jeweils 20 GE. Die laufenden Ein- und

Auszahlungen fallen jeweils am Periodenende an.

Weitere Ein- und Auszahlungen sind nicht zu berücksichtigen. Die Liquidationserlöse am Ende des Planungszeitraums

betragen 100.000 GE bei großer Investition in t = 0, 80.000 GE bei kleiner Investition in t = 0 und 120.000 GE bei

Investition in t = 1. Der Kalkulationszinssatz beträgt 10%.

a) Stellen Sie das Entscheidungsproblem in Form eines Entscheidungsbaumes graphisch dar.

b) Bestimmen Sie die für t = 0 optimale Entscheidungsalternative und geben Sie die

Erwartungswerte des Kapitalwerts aller Alternativen dieses Zeitpunkts an. Geben Sie auch

an, welche erwarteten Kapitalwerte durch die optimalen Folgealternativen jeweils erzielt

werden und welche Folgealternativen jeweils optimal sind.

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Investitionsrechnung 4 Entscheidungsbaumverfahren

Fallbeispiel 2: Entscheidungsbaumverfahren

Die INVEST GmbH will das Produkt X herstellen, das zu einem Preis von 30 GE/ME abgesetzt

werden kann. Die Produktion kann alternativ auf einer Fertigungsanlage des Typs A oder einer

Anlage des Typs B erfolgen. Ermitteln Sie, welche der beiden Anlagen zum Entscheidungszeitpunkt

t=0 angeschafft werden sollte und welche Nutzungsdauer- und Ersatzpolitik innerhalb des drei-

jährigen Planungszeitraums unter Berücksichtigung unsicherer Umweltentwicklungen in der ersten

Planungsperiode zu verfolgen ist.

Die folgende Tabelle enthält Daten zur Charakterisierung der beiden Anlagentypen:

Anlage A Anlage B

Anschaffungsauszahlung [GE]: 60.000 80.000

maximale Fertigungskapazität [ME/Periode]: 3.000 5.000

mengenabhängige Auszahlungen [GE/ME]: 20 17

mengenunabhängige Auszahlungen [GE/Periode]: 9.000 4.000

Anlagen des Typs A können ausschließlich zum Zeitpunkt t=0 beschafft werden. Die

nutzungsdauerabhängigen Liquidationserlöse sind in ihrer Höhe bekannt und betragen:

t 1 2 3 4 5

LAt [TGE] 50 40 30 20 10

Der Anlagentyp B ist eine technologische Neuentwicklung, die zum Entscheidungszeitpunkt t=0

erstmals auf dem Markt erhältlich ist. Aus diesem Grund sind die Daten bezüglich der zeitlichen

Entwicklung der Liquidationserlöse in Abhängigkeit von der Nutzungsdauer in der ersten

Planungsperiode nicht genau zu prognostizieren. Die Entwickler der Anlage B gehen davon aus,

dass im Falle einer günstigen Entwicklung (w = 40%) 10% höhere Liquidationserlöse im Vergleich

zu den für eine adäquate Anlage C erzielbaren Werten realisiert werden können. Sollte die

Entwicklung eher ungünstig verlaufen (w = 60%), betragen die erzielbaren Liquidationserlöse nur

80% der entsprechenden Werte.

Die nutzungsdauerabhängigen Liquidationserlöse für die Vergleichsanlage C betragen:

t 1 2 3

LCt [TGE] 60 45 35

Die INVEST GmbH kann die Fertigungsanlage vom Typ B darüber hinaus zu Beginn der zweiten

Planungsperiode erwerben. Diese Entscheidung steht jedoch nur an, wenn in t=0 Anlage A gekauft

wurde und sich die Liquidationserlöse für Typ B günstig entwickeln. Da das Investitionsbudget

beschränkt ist, muss die in t=0 beschaffte Anlage vom Typ A dann allerdings verkauft werden.

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Investitionsrechnung 5 Entscheidungsbaumverfahren

In den Planungszeitpunkten t=2 und t=3 sind keine weiteren Kaufentscheidungen zu treffen. Zum

Ende des Planungszeitraums werden die in Periode drei genutzten Produktionsanlagen verkauft.

Eine zweite unsichere Umweltkomponente in der ersten Planungsperiode ist die Produktnachfrage.

Unter günstigen Bedingungen (w = 30%) beträgt die maximal abzusetzende Menge des Produktes

4.000 ME pro Periode. Im Falle einer ungünstigen Nachfrageentwicklung (w = 70%) ist ein Absatz

von 3.000 ME zu erwarten. In den Planungsperioden zwei und drei verbleibt die Nachfrage auf dem

in Periode eins angenommenen Niveau.

Der Kalkulationszinssatz beträgt 10%.

a) Veranschaulichen Sie graphisch das zu lösende Entscheidungsproblem. Achten Sie dabei auf

eine genaue Beschriftung der Kanten und Knoten.

b) Ermitteln Sie die optimale Nutzungsdauer- und Ersatzpolitik für den dreijährigen Planungs-

zeitraum, wenn der Erwartungswert des Kapitalwertes maximiert werden soll.