95
Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung elektroschwacher Top-Quark-Produktion bei ATLAS MASTERARBEIT zur Erlangung dese akademischen Grades Master of Science im Fach Physik eingereicht an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät 1 Institut für Physik Humboldt-Universität zu Berlin von Patrick Rieck geboren am 16. Oktober 1985 in Perleberg 1. Gutachter: Prof. Dr. Thomas Lohse 2. Gutachter: Dr. Martin zur Nedden AG Experimentelle Elementarteilchenphysik eingereicht am: 1. Dezember 2010

Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Entwicklung eines kinematischen Fits zurUntersuchung elektroschwacher

Top-Quark-Produktion bei ATLAS

MASTERARBEIT

zur Erlangung dese akademischen GradesMaster of Scienceim Fach Physik

eingereicht an derMathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät 1

Institut für PhysikHumboldt-Universität zu Berlin

vonPatrick Rieck

geboren am 16. Oktober 1985 in Perleberg

1. Gutachter: Prof. Dr. Thomas Lohse2. Gutachter: Dr. Martin zur Nedden

AG Experimentelle Elementarteilchenphysikeingereicht am: 1. Dezember 2010

Page 2: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark
Page 3: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 1

2 Single-Top-Physik 32.1 Das Top-Quark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

2.1.1 Erste Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.1.2 Hadron-Kollisionen und Top-Paarerzeugung . . . . . . . . . . 52.1.3 Zerfall des Top-Quarks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

2.2 Single-Top-Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.2.1 Produktionskanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.2.2 Entdeckungspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122.2.3 Untergrundprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

2.3 Erste Ergebnisse vom Tevatron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.4 Single-Top-Produktion bei ATLAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

3 Das ATLAS-Experiment am LHC 173.1 Detektorkomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

3.1.1 Der innere Spurdetektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203.1.2 Das elektromagnetische Kalorimeter . . . . . . . . . . . . . . . 213.1.3 Das hadronische Kalorimeter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213.1.4 Das Myonspektrometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233.1.5 Trigger und Datenauslese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

3.2 Rekonstruktion physikalischer Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . 263.2.1 Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263.2.2 Myonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273.2.3 Jets und fehlende Transversalenergie . . . . . . . . . . . . . . 283.2.4 Erkennung von b-Jets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

4 Kinematischer Fit von Teilchenzerfällen 314.1 Die Methode der kleinsten Quadrate mit

nichtlinearen Zwangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324.2 Das KinFitter-Paket . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354.3 Test anhand eines Spiel-Monte-Carlos . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384.4 Rekonstruktion einfacher Zerfälle bei ATLAS . . . . . . . . . . . . . . 43

4.4.1 Kinematischer Fit von K0S-Mesonen . . . . . . . . . . . . . . . 43

4.4.2 Kinematischer Fit von Z-Bosonen . . . . . . . . . . . . . . . . 48

ii

Page 4: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

5 Single-Top-Analyse 505.1 Ereignisselektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515.2 Schnittbasierte Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545.3 Rekonstruktion von t-Kanal-Ereignissen

mittels kinematischem Fit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555.3.1 Anwendung des kinematischen Fits . . . . . . . . . . . . . . . 555.3.2 Evaluation des Fits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575.3.3 Kinematischer Fit und Signalextraktion . . . . . . . . . . . . . 60

5.4 Rekonstruktion von Wt-Kanal-Ereignissenmittels kinematischem Fit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

5.5 Ansatz zur Bestimmung systematischerFehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

6 Zusammenfassung und Ausblick 75

A Verwendete Monte-Carlo-Simulationen 78

Literaturverzeichnis 82

iii

Page 5: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Abbildungsverzeichnis

2.1 Feynman-Diagramme für Massenkorrekturen vonW- und Higgs-Bosondurch das t-Quark. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2.2 Berechnung der Massen des t-Quarks und des Higgs-Bosons im Rah-men von elektroschwachen Präzisionsfits . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2.3 Proton-Proton-Wechselwirkung pp→ tt+X . . . . . . . . . . . . . . 62.4 Feynman-Diagramme für Top-Paarerzeugung in führender Ordnung . 72.5 Drehimpulserhaltung beim t-Quark-Zerfall . . . . . . . . . . . . . . . 82.6 Feynman-Diagramme der drei Single-Top-Prozesse in führender Ord-

nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.7 Zwei Feynman-Diagramme des s-Kanal Single-Top-Prozesses in nächst-

führender Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.8 Feynman-Diagramme zur Wt-Produktion in nächst-führender Ordnung 112.9 Feynman-Diagramm für die Produktion eines W -Bosons mit zusätz-

lichen Jets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.10 Single-Top-Signal beim Tevatron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

3.1 Der ATLAS-Detektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193.2 Innerer ATLAS-Spurdetektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203.3 ATLAS-Kalorimetersystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223.4 ATLAS-Myonspektrometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233.5 ATLAS-Triggersystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

4.1 Schema der KinFitter Software . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364.2 χ2-Verteilung für ein Single-Top-Spiel-Monte-Carlo . . . . . . . . . . 404.3 χ2-Wahrscheinlichkeit für ein Single-Top Spiel-Monte-Carlo . . . . . . 404.4 Vergleich rekonstruierter und wahrer Masse des t-Quarks und des W -

Bosons im Spiel-Monte-Carlo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414.5 Abgleich rekonstruierter und wahrer Impulskomponenten im Spiel-

Monte-Carlo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424.6 Pull-Verteilungen im Spiel-Monte-Carlo . . . . . . . . . . . . . . . . . 434.7 Signal und Untergrund der K0

S → π+π−-Rekonstruktion . . . . . . . . 464.8 Effizienzen und Reinheiten der K0

S → π+π−-Rekonstruktion . . . . . 474.9 Effizienz gegen Reinheit bei der K0

S-Rekonstruktion für die schnitt-basierte Methode und für den kinematischen Fit im direkten Vergleich 47

4.10 Kinematischer Fit zur Rekonstruktion von Z-Bosonen . . . . . . . . . 49

5.1 Schnitt zur Ereignisselektion im Single-Top t-Kanal, W → eν . . . . . 535.2 Schnitt zur Ereignisselektion im Single-Top t-Kanal, W → µν . . . . 535.3 Schnittbasierte Analyse im Single-Top t-Kanal, W → eν . . . . . . . 55

iv

Page 6: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

5.4 Schnittbasierte Analyse im Single-Top t-Kanal, W → µν . . . . . . . 555.5 Schema des kinematischen Fits für das leptonisch zerfallende t-Quark 575.6 χ2-Wahrscheinlichkeit der Single-Top-Rekonstruktion durch den ki-

nematischen Fit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585.7 Rekonstruierte invariante Massen des lν- und des lνb-Systems im ki-

nematischen Fit der Single-Top-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . 595.8 Monte-Carlo-Abgleich der kinematisch rekonstruierten und der wah-

ren Impulse für die Single-Top-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . 615.9 Pull-Verteilungen der Impulskomponenten in der Rekonstruktion des

t-Quarks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625.10 Effizienzen und Signal-zu-Untergrund-Verhältnise der Rekonstruktion

von t-Quarks mit kinematischem Fit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635.11 Kinematischer Fit hadronisch zerfallender W -Bosonen . . . . . . . . . 645.12 Jet-Multiplizitäten im Single-Top-t-Kanal nach einem Veto auf semi-

leptonische tt-Ereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645.13 |η| des Vorwärtsjets im Single-Top-t-Kanal . . . . . . . . . . . . . . . 655.14 Effizienz und Signal-zu-Untergrund-Verhäglnis der kompletten Single-

Top-t-Kanal-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665.15 Resultate der Single-Top-t-Kanal-Analyse, Elektronkanal . . . . . . . 675.16 Resultate der Single-Top-t-Kanal-Analyse, Myonkanal . . . . . . . . . 675.17 Auswirkungen der Vorselektionsschnitte im Wt-Kanal für die Raten

verschiedener Prozesse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695.18 Schema des kinematischen Fits semileptonischer tt-Ereignisse . . . . . 705.19 χ2-Wahrscheinlichkeit der Rekonstruktion semileptonischer tt-Ereignisse

für die Wt-Kanal-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 715.20 Schema des kinematischen Fit im Wt-Kanal . . . . . . . . . . . . . . 725.21 χ2-Wahrscheinlichkeit der Wt-Rekonstruktion für Signal und Unter-

grund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735.22 Auswrikungen der Schnitte in der Wt-Kanal-Analyse mit kinemati-

schem Fit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

v

Page 7: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Tabellenverzeichnis

2.1 Signal-zu-Untergrundverhältnisse S/B und Selektionseffizienzen einerSingle-Top-Analyse in ATLAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

5.1 Anzahl erwarteter Ereignisse im Single-Top t-Kanal nach der Vorse-lektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

5.2 Anzahl selektierter Ereignisse bei der schnittbasierten Analyse imSingle-Top t-Kanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

5.3 Anzahl an Ereignissen der kompletten Single-Top-t-Kanal-Analyse . . 685.4 Signal- und Untergrundraten nach der Vorselektion von Ereignissen

für die Wt–Kanal–Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695.5 Anzahl selektierter Ereignisse der Wt-Kanal-Analyse mit kinemati-

schem Fit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

A.1 Verwendete Monte-Carlo-Simulationen bei einer Schwerpunktenergievon√s = 7 TeV, WQ steht für Wirkungsquerschnitt . . . . . . . . . . 79

A.2 Verwendete Monte-Carlo-Simulationen bei einer Schwerpunktenergievon√s = 7 TeV, WQ steht für Wirkungsquerschnitt . . . . . . . . . . 80

A.3 Verwendete Monte-Carlo-Simulationen bei einer Schwerpunktenergievon√s = 7 TeV, WQ steht für Wirkungsquerschnitt . . . . . . . . . . 81

vi

Page 8: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark
Page 9: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Kapitel 1

Einleitung

Das Standardmodell der Elementarteilchen beschreibt unsere heutige Auffassung vonden kleinsten Bestandteilen der Materie und den zwischen ihnen wirkenden Kräften.Entwickelt in einem jahrzehntelangen Zusammenspiel von Experiment und Theorie,stellt es heute eine der leistungsfähigsten Theorien der Physik dar. Es erklärt ei-ne Vielzahl von Phänomenen - zum Teil mit erstaunlicher Präzision, wobei derenAuftreten teilweise auf gemeinsame Prinzipien zurückgeführt wird. Es ist seit jehereine inspirierende Überzeugung in den Naturwissenschaften, dass die Suche nachsolchen einheitlichen Beschreibungen zur Erkenntnis der Natur führt. Aus eben die-sem Grund hat sich das Verhältnis der Physiker zum Standardmodell mittlerweilegewandelt. Während in der Vergangenheit die Bestätigung seiner Vorhersagen großeEuphorie hervorrief, trachtet man heute zunemend danach, seine Bedeutung zu re-lativieren.

Die Vielzahl an freien Parametern und das Auftreten eigenartiger Hierarchienwidersprechen dem Streben nach Vereinheitlichung. Außerdem kann das Standard-modell bestimmte Phänomene wie die Existenz dunkler Materie und sogenannterdunkler Energie, sowie die Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie nichthinreichend beschreiben. Als Brücke zwischen der Ära des Standardmodells undeiner Physik, die darüber hinausreicht, wurde am CERN der Large Hadron Colli-der (LHC) gebaut. In Proton-Proton-Kollisionen bei einer Schwerpunktsenergie von14 TeV sollen sowohl Elemente des Standardmodells näher untersucht, als auch neuePhänomene entdeckt werden. Prominentes Beispiel auf der Standardmodellseite istdie Suche nach dem Higgs-Boson als letztem fehlenden Baustein und Ursprung derTeilchenmassen. Über die neue Physik kann natur-gemäß nur spekuliert werden, wasbereits ausgiebig getan wurde. Dies mündete in ein umfangreiches experimentellesProgramm.

Die Voraussetzung für die Erkenntnis neuer Physik ist das Verständnis der Naturbereits bekannter Teilchen. Dazu zählt insbesondere das Top-Quark, das 1995 alsletztes der sechs Quarks vom Tevatron entdeckt wurde [1, 2]. Mit seinen Quanten-zahlen ordnet es sich zwar in den Kanon der Quarks ein, auffällig ist jedoch seinehohe Masse von mt = (173 ± 1) GeV, entsprechend einer Yukawa-Kopplung an dasHiggs-Feld von etwa 1. Man darf sich daher von der Natur des t-Quarks nähereEinsichten in den Mechanismus der elektroschwacher Symmetriebrechung erhoffen.Da der Phasenraum für Zerfälle des t-Quarks so groß ist, findet sein Zerfall nochvor einer Hadronisierung statt. Deshalb kann das t-Quark von allen Quarks am ge-

1

Page 10: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

nauesten untersucht werden. Zuletzt wurde am Tevatron die Erzeugung einzelnert-Quarks (Single-Top) nachgewiesen [20, 21]. Die hier vorliegende Arbeit geht derFrage nach, wie solche Prozesse bei ATLAS, einem der Universal-Experimente amLHC, untersucht werden können. Hierzu wurden bereits detaillierte Studien durch-geführt. Eines der wesentlichen Probleme besteht darin, nach einer Vorselektion derEreignisse hinsichtlich typischer Topologien die Reinheit der Stichproben zu erhöhen,da die Untergrundprozesse nicht hinreichend genau zu vermessen bzw. berechenbarsind. Neben der traditionellen schnittbasierten Analyse kommen in Anlehnung andie Arbeiten am Tevatron multivariate Methoden zum Einsatz. In der vorliegendenArbeit wird als weitere Möglichkeit der Einsatz eines kinematischen Anpassungs-tests (kinematischer Fit) untersucht, der die Kinematik eines Ereignisses mit Hilfevon Zwangsbedingungen hinsichtlich der auftretenden Teilchen rekonstruiert.

Im zweiten Kapitel wird die Phänomenologie der Single-Top-Produktion näherdiskutiert, das dritte Kapitel widmet sich dem ATLAS-Detektor. Es folgt eine Dis-kussion der Grundlagen und der prinzipiellen Anwendung des kinematischen Fitsin Kapitel vier. Im fünften Kapitel wird die Anwendung des Fits auf Single-Top-Kandidaten bei ATLAS diskutiert, wobei seine Leistungsfähigkeit mit jener der bis-herigen Ansätze verglichen wird.

2

Page 11: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Kapitel 2

Single-Top-Physik

2.1 Das Top-Quark

2.1.1 Erste HinweiseDie Existenz des t-Quarks ist für die Gültigkeit des Standardmodells unerlässlich.Man zählt es zur dritten Familie von Teilchen, aus der zunächst 1975 das geladeneLepton, das τ -Lepton, entdeckt wurde [34]. Den leichteren Partner des t-Quarks,das b-Quark, fand man 1977 anhand des Υ-Mesons (Υ=|bb>). Die Quantenzahlendes b-Quarks konnten zu Q = −1/3 und T3 = −1/2 bestimmt werden [26]. DieExistenz des Partners mit Q = 2/3 und T3 = 1/2 ist mehr als eine naheliegen-de Analogie zu den ersten zwei Familien, sondern notwendig, damit das Standard-modell als renormierbare und somit physikalische Theorie angesehen werden kann.Renormierung bedeutet aufzuzeigen, wie durch eine Reparametrisierung der physi-kalischen Größen wie Kopplungskonstanten oder Massen Divergenzen aufgehobenwerden können, wobei diese Reparametrisierung eine Energieabhängigkeit einführt.Ohne die Renormierung würden es die Divergenzen unmöglich machen, physikali-sche Aussagen zu treffen. Ob eine Reparametrisierung in diesem Sinne möglich ist,hängt allerdings auch von den in der Theorie auftretenden Teilchen ab. Insbesonde-re fordert die Existenz des τ -Leptons und des b-Quarks ein stark wechselwirkendesTeilchen mit Q = 2/3. Es kann in das Standardmodell eingeführt werden als Partnerdes b-Quarks, das heißt mit schwachem Isospin T3 = 1/2 [36]. Außerdem legt dieBeobachtung, dass Übergänge zwischen gleichgeladenen Teilchen von unterschied-lichem Flavour, sogenannte Flavour-ändernde neutrale Ströme, stark unterdrücktsind, die Existenz eines Partners des b-Quarks nahe, analog zur Forderung nach derExistenz des Charm-Quarks vor dessen Entdeckung (GIM-Mechanismus). DiesesPartnerteilchen des b-Quarks ist das t-Quark [35].

Die Entdeckung der dritten Familie eröffnete also die Suche nach dem t-Quark.Noch vor dessen Entdeckung wurde seine Masse mt im Rahmen von elektroschwa-chen Präzisionsfits abgeschätzt. Die Massen verschiedener Teilchen sind im Stan-dardmodell nicht völlig unabhängig voneinander. Masse als Trägheit eines Teil-chens auffassend, wird diese Observable im Rahmen der Störungstheorie durch jeneFeynman-Diagramme repräsentiert, deren Anfangs- und Endzustand durch genaudieses Teilchen gegeben ist. Dies kann ein einfacher Propagator sein, aber auchSchleifen mit weiteren Teilchen können vorkommen. Die Observable Masse wird

3

Page 12: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Abbildung 2.1: Feynman-Diagramme für Massenkorrekturen von W- und Higgs-Boson durch das t-Quark.

(a) Top-Masse (b) Higgs-Masse

Abbildung 2.2: Elektroschwache Präzisionsfits: a) Erwartete und gemessene Top-Masse. Die Vorhersagen der Elektroschwachen Theorie wurden durch die Messungenam Tevatron bestätigt [35]. b) Erwartete Higgs-Masse. Je kleiner der Wert der Kurve,desto wahrscheinlicher ist die zugehörige Higgs-Masse. Das Band und die verschiede-nen Linien stehen für theoretische Unsicherheiten bzw. verschiedene Korrekturen derstarken Kopplungskonstanten αS. Anhand der Daten von e+e−-Beschleunigern kannder schattierte Bereich ausgeschlossen werden. Jenseits einer Standardabweichung(∆χ2 = 1) bzw. mh = 114 GeV kann das Standardmodell noch realisiert sein. Wich-tigste Eingangsgröße für den Fit ist aufgrund der erwähnten Quantenkorrekturendie Top-Masse [28].

.

durch solche Quantenkorrekturen modifiziert (vgl. Abb. 2.1, 2.2). Man kann alsoAussagen über die Masse des t-Quarks treffen, ohne es direkt zu beobachten. Dazumüssen zunächst hinreichend viele Parameter des Modells möglichst genau gemessenwerden, die als Eingangsvariablen des Fits dienen. Typischerweise sind dies die Fein-strukturkonstante α, die Fermi-Konstante GF und die Masse des Z-BosonsmZ. UnterVerwendung dieser Parameter sind beispielsweise die Massen desW -BosonsmW unddes t-Quarks nicht mehr unabhängig voneinander und eine Messung von mW lieferteine Schätzung vonmt. Es zeigt sich, dass die theoretische Erwartung mit dem Mess-wert für mt übereinstimmt. Diese Strategie kann ebenfalls dazu genutzt werden, die

4

Page 13: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Masse des Higgs-Bosons abzuschätzen. Es wird vom Standardmodell vorhergesagtals Teilchen eines skalaren Feldes, das für die spontane Brechung der Eichsymme-trie im elektroschwachen Sektor der Theorie verantworlich ist. Über die Kopplungan weitere Felder werden die Massen der jeweiligen Teilchen erzeugt, insbesondereder W - und Z-Bosonen. Die Beobachtung des Higgs-Bosons, die eine Massenbe-stimmung praktisch einschließt, stellt über die Berechnung der Quantenkorrektureneinen weiteren Präzisionstest des Standardmodells jenseits der führenden Ordnungder Störungstheorie dar. Dabei ist mt der wichtigste Parameter, da das Higgs-Bosonan Masse und somit am stärksten an das t-Quark koppelt [35].

2.1.2 Hadron-Kollisionen und Entdeckung derTop-Paarerzeugung

Aufgrund seiner großen Masse entzog sich das t-Quark lange Zeit einer direktenBeobachtung. Bis heute kann es nur an Hadronenbeschleunigern erzeugt werden.Das Tevatron war der erste Beschleuniger, der dies ermöglichte. In Hadronkollisio-nen werden t-Quarks vor allem über die starke Wechselwirkung (QCD) paarweiseerzeugt.

Mit Hadronenbeschleunigern werden aufgrund der im Vergleich zu Elektron-Positron-Beschleuni-gern geringeren Synchrotronstrahlung einfacher hohe Energienerreicht. Außerdem ermöglicht der Betrieb eines Hadronenbeschleunigers bei einergewissen Energie die Wechselwirkung von Partonen bei verschiedenen Energien. Auf-grund der kontinuierlichen Energieverteilung der Partonen im Hadron ist es nichtnotwendig, die Energie des Beschleunigers auf einen interessanten Wert einzustellen,solange dieser Wert genügend weit unterhalb der Schwerpunktsenergie der Hadronenliegt, damit die interessanten Prozesse oft genug stattfinden, um beobachtet werdenzu können. Hadronenbeschleuniger dienen deshalb als Entdeckungsmaschinen. Inanderer Hinsicht ist es wiederum von Nachteil, dass nicht elementare Teilchen zurKollision gebracht werden, der Anfangszustand jeder Messung foglich nur unvoll-ständig präpariert ist. Über die Impulse der kollidierenden Quarks und Gluonenentlang der Strahlachse können nur statistische Aussagen auf Grundlage der ent-sprechenden Partondichtefunktionen (PDFs) getroffen werden, die z.B. am HERA-Experiment untersucht worden sind. Die PDFs sind Wahrscheinlichkeitsdichten fürdie Impulsanteile x der Partonen am Hadronimpuls unter Vernachlässigung von Par-tonmassen (Infinite Momentum Frame) und hängen wiederum von der Skala Q2 derStreuung ab. Diese Abhängigkeit liegt darin begründet, dass höhere Impulsüber-träge Q2 kleineren de Broglie-Wellenlängen entsprechen. Das Hadron wird genaueraufgelöst, sodass Gluonen und die durch deren Aufspaltung entstehenden Seequarkseine größere Rolle spielen. Zur Berechnung von Wirkungsquerschnitten können dieWechselwirkung der Partonen bei niedrigen Energien und der harte Streuprozess se-pariert werden (Faktorisierungstheorem). Es wird eine Faktorisierungsskala Q2 = µ2

Feingeführt, sodass sich der gesamte Wirkungsquerschnitt als Integral über PDFs, denstörungstheoretisch berechnebaren Wirkungsquerschnitt des harten Streuprozessesselbst und Fragmentatationsfunktionen ergibt. Die Fragmentation beschreibt wie-derum den Übergang von der hohen Energieskala des Streuprozesses zu Hadronenim Endzustand. Im Streuprozess produzierte Partonen wechselwirken mit den Farb-ladungen der Umgebung und gehen letztlich in Hadronen über [31]. Abbildung 2.3

5

Page 14: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Abbildung 2.3: Schema einer Proton-Proton-Wechselwirkung, bei der ein Paar vont-Quarks erzeugt wird. Grundlage für die Interpretation der Messung sind die vomImpulsübertrag Q2 abhängigen Partondichtefunktionen f für die Impulsanteile x derPartonen am Hadronimpuls.

zeigt als Beispiel die Produktion von t-Quarks schematisch.Auf dieser Grundlage ist die Interpretaion von Messungen an Hadron-Beschleu-

nigern hinsichtlich harter Streuprozesse möglich. Abbildung 2.4 zeigt Produktions-kanäle der Top-Paarerzeugung in führender Ordnung. Top-Paarerzeugung ist andieser Stelle nicht nur von historischer Bedeutung, sondern stellt auch einen wesent-lichen Untergrund für Single-Top-Prozesse dar. Sie tritt mit einer höheren Rate aufals die Single-Top-Produktion, beim LHC ist sie etwa dreimal so hoch. Das Auftretenvon zwei t-Quarks erleichtert die Erkennung. Das t-Quark zerfällt immer über dieschwache Wechselwirkung in einW -Boson und ein Quark, meist in ein b-Quark. Da-bei sind zwei Zerfallskanäle von Bedeutung. Im semileptonischen Kanal zerfällt eint-Quark, bzw. das entsprechende W -Boson, in Leptonen, das andere in Quarks. DieQuarks können sich nicht frei bewegen. Es liegt in der Natur der starken Wechsel-wirkung, dass sie zusammen mit anderen farbgeladenen Teilchen in ihrer UmgebungHadronen bilden, die in kollimierten Bündeln, den Jets, auftreten. Im Endzustanddes semileptonischen Kanals findet man mindestens vier Jets, davon zwei durch b-Quarks induzierte b-Jets, ein geladenes Lepton und fehlenden Transversalimpuls inder Bilanz des Endzustands aufgrund des nicht detektierten Neutrinos. Das Verzwei-gungsverhätlnis beträgt 30% und der leptonische Zerfall hilft bei der Unterdrückungvon QCD-Multijet-Ereignissen. Ebenfalls Beachtung findet der Dilepton-Kanal, beidem beide t-Quarks leptonisch zerfallen. Das Signal ist entsprechend gut zu er-kennen, das Verzweigungsverhältnis ist mit 5% allerdings relativ klein. Einer derentscheidenden Schlüssel für die Entdeckung der tt-Ereignisse war der Einsatz vonSiliziumvertexdetektoren, mit denen Zerfälle langlebiger B-Mesonen nachgewiesenwerden können, wie sie in b-Jets auftreten. Diese Technik spielt auch heute eine wich-tige Rolle in der Top-Physik. 1995 gelang es schließlich, die Existenz des t-Quarksnachzuweisen. Beide der oben beschriebenen Kanäle wurden genutzt. Die Erkennungder b-Jets (b-Tagging) erfolgte über den Nachweis von B-Meson-Zerfällen abseits des

6

Page 15: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

(a) Quark-Antiquark-Annihilation

(b) Gluonfusion

Abbildung 2.4: Feynman-Diagramme für Top-Paarerzeugung in führender Ordnung.Die Quark-Antiquark-Annihilation dominiert am Tevatron, die Gluonfusion amLHC. Die Paarerzeugung über elektroschwache Wechselwirkung ist bei den Hadro-nenbeschleunigern vernachlässigbar.

Primärvertex sowie mit Hilfe von semileptonischen Zerfällen der B-Mesonen. Auf-grund der nicht detektierten Neutrinos sowie der a-priori nicht bekannten Zuweisungder Jets und Leptonen zu den zwei t-Quark-Zerfällen schließt die Beobachtung derEreignisse allerdings noch keine Massenbestimmung ein. Zur Lösung dieses Problemswurde von beiden Experimenten, CDF und D∅, ein kinematischer Fit eingesetzt. ImKanal mit (mindestens) vier Jets wurden alle kombinatorisch möglichen Hypothe-sen dem Fit unterzogen. Die Kombination mit dem kleinsten χ2-Wert wurde alsKandidat gewählt. Auf diese Weise wird die gesamte Kinematik rekonstruiert undman erhält die Masse des t-Quarks. Die ermittelte Masse ist verträglich mit denVorhersagen der elektroschwachen Präzisionsfits. Erneut war die Aussagekraft desStandardmodells unter Beweis gestellt. Außerdem hatte man mit dem t-Quark einTeilchen gefunden, das für die Untersuchung der schwachen Wechselwirkung vonQuarks besonders geeignet ist [40]. Mittlerweile wurde die Produktion von tt-Paarenauch am LHC nachgewiesen. Mit der in Zukunft zu erwartenden hohen Datenmengeund der höheren Energie der t-Quarks eröffnen die Experimente ATLAS und CMSeine neue Stufe in der Erforschung dieses Teilchens [10,19].

2.1.3 Zerfall des Top-QuarksDas t-Quark zerfällt in ein W -Boson und ein Quark, t → d + W+, t → s + W+

oder t → b + W+. Abgesehen von kleinen Phasenraumkorrekturen sind die rela-tiven Raten dieser Zerfälle durch die entsprechenden CKM-Matrixelemente |Vtq|2gegeben. Im Rahmen des Standardmodells mit drei Familien können sie aus ande-ren Matrixelementen bestimmt werden, wenn man die Unitarität der CKM-Matrixvoraussetzt [32]. Mit einer Konfidenz von 90% ergibt sich:

0,0048 < |Vtd| < 0,01400,0370 < |Vts| < 0,0430 (2.1)0,9990 < |Vtb| < 0,9992

Demzufolge sind Zerfälle in b-Quarks dominant. Eine Messung von |Vtb| wird möglichdurch die Vermessung der elektroschwachen Produktion einzelner t-Quarks. Dieswird in Abschnitt 2.2 diskutiert. Die Zerfallsbreite des t-Quarks ist

7

Page 16: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Abbildung 2.5: Drehimpulserhaltung beim t-Quark-Zerfall. Mit der Näherung mas-seloser b-Quarks sind W -Bosonen positiver Helizität verboten [35].

Γt =(|Vtd|2 + |Vts|2 + |Vtb|2

) GFm3t

8π√

·(

1− m2W

m2t

)2 (1 + 2m

2W

m2t

)[1− 2αs

(2π2

3 −52

)].

Für eine Masse mt = 170 GeV ergibt sich Γt = 1,26 GeV.1 Dies entspricht einer Le-bensdauer von τt = ~/Γt = 5,22 · 10−25 s. Das t-Quark zerfällt also deutlich schnellerals die Hadronisierungszeit τ = ~/ΛQCD = ~/200 MeV ≈ 3 · 10−24 s. Es ist damit daseinzige Quark, das als freies Teilchen beobachtet werden kann. Insbesondere vererbtes seinen Spin an seine Zerfallsprodukte. Dies ermöglicht es, die V −A - Struk-tur der schwachen Wechselwirkung zu testen. Demnach muss das b-Quark aus demTop-Zerfall linkshändig sein. Die b-Masse kann vernachlässigt werden, das heißt dasb-Quark ist von negativer Helizität. Der Spin des t-Quarks muss entweder parralleloder antiparallel zum Impuls des b-Quarks gerichtet sein. Aus der Drehimpulserhal-tung folgt nun für Parallelität, dass das W -Boson ebenfalls von negativer Helizitätist. Für Antiparallelität folgt longitudinale Polarisation des W -Bosons. W -Bosonenpositiver Helizität sind verboten. Für t-Quarks sind die Verhältnisse entsprechendumgekehrt. Abb. 2.5 veranschaulicht die Kopplung. Ob es sich um ein t- oder eint-Quark handelt, lässt sich bei leptonischen Zerfällen direkt am geladenen Leptonablesen [35]. Es ist übrigens nicht abschließend geklärt, ob die Ladung des t-Quarkstatsächlich 2/3e ist. Zwar schränken die beobachteten Zerfallsprodukte die denk-baren Ladungen ein, es ist allerdings noch ein exotisches t-Quark mit der Ladung−4/3e denkbar. Hierzu sind am Tevatron bereits Studien durchgeführt worden. Da-bei stellt sich erneut die Aufgabe, Jets und Leptonen den zwei t-Quarks zuzuweisen.

1Eine experimentelle Bestimmung der Breite des t-Quarks fehlt bislang. Diese ist mit heutigenDetektoren wegen zu geringer Auflösung nicht machbar.

8

Page 17: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Hierfür wird ein kinematischer Fit verwendet. Die Ergebnisse deuten stark auf dast-Quark des Standardmodells mit der Ladung 2/3e hin.

2.2 Single-Top-Produktion

2.2.1 ProduktionskanäleDie oben diskutierte Top-Paarerzeugung stellt an Hadronenbeschleunigern den ein-fachsten Zugang zum t-Quark dar. Als Prozess der starken Wechselwirkung hat diePaarerzeugung einen relativ hohen Wirkungsquerschnitt. Die zweite Möglichkeit istdie Erzeugung einzelner t-Quarks in elektroschwachen Prozessen. Die Produktionsra-te dieser Single-Top-Prozesse ist bemerkenswerterweise von gleicher Größenordnungwie die der Top-Paarerzeugung. Dies liegt insbesondere daran, dass die schwacheWechselwirkung auf der Skala der elektroschwachen Symmetriebrechung ihren Na-men eigentlich zu unrecht trägt, sowie an der kinematisch günstigen Forderung, dassnur ein t-Quark zu erzeugen ist, das heißt es sind geringere Impulsbruchteile der Par-tonen erforderlich, als bei der Top-Paarerzeugung. Single-Top-Physik ist daher anden Beschleunigern Tevatron und LHC zugänglich. Sie ermöglicht eine genaue Unter-suchung des Wtb-Vertex, insbesondere die Messung des CKM-Matrixelements |Vtb|,und bietet ein interessantes Feld für Tests des Standardmodells und für die Suchenach Physik jenseits der etablierten Theorie. Dabei stellen sich der Physikanalysegroße Herausforderungen, insbesondere aufgrund der hohen Raten von Untergrund-prozessen, die wiederum selbst eine gründliche Untersuchung verlangen, damit dasSingle-Top-Signal extrahiert werden kann.Man unterscheidet im Single-Top-Sektor drei verschiedene Kanäle, die unterschied-liche Signaturen aufweisen und auf unterschiedliche Beiträge von Physik jenseits desStandardmodells sensibel sind. Im Rahmen des Standardmodells ist zunächst klar,dass diese Prozesse nur über den Austausch vonW -Bosonen stattfinden können. DerTop-Flavour ist im Anfangszustand der Hadronen Null und ändert sich um den Werteins. Dies kann nur über jene Flavour-ändernden geladenen Ströme geschehen. VonBeiträgen jenseits des Standardmodells wird später die Rede sein. Die drei Kanälebezeichnet man als den t-, Wt- und s-Kanal. Abbildung 2.6 zeigt die entsprechendenFeynman-Diagramme in führender Ordnung.

Im t-Kanal erfolgt die Erzeugung des t-Quarks über ein virtuelles W -Boson, dasan ein b-Quark koppelt. Das b-Quark entspringt einer Gluon-Aufspaltung im Pro-ton. Theoretisch kann der Prozess sowohl über diese Aufspaltung, als auch unterVerwendung einer Partondichtefunktion für b-Quarks berechnet werden. Neben demt-Quark erscheint im Endzustand ein weiteres Quark. Die hier mit q und q′ bezeich-neten Quarks sind zumeist u- und d-Quarks. Beim Proton-Proton-BeschleunigerLHC treten u-Quarks im Anfangszustand häufiger auf, weshalb mehr t-Quarks alst-Quarks erzeugt werden - etwa doppelt so viele, entsprechend dem Protonaufbau|uud >. Die Signatur des Endzustands ist also ein t-Quark-Zerfall und mindestensein weiterer Jet, der kein b-Jet ist. Wichtig ist hierbei, dass das Quark q′ vornehmlichin Vorwärtsrichtung gestreut wird, was im Prinzip der Rutherford-Streuung ähnelt,nur dass es sich mit dem W -Boson hier um einen massiven Propagator handelt.Dementsprechend kann die Forderung nach einem Jet mit hohem |η| bei der Signa-lerkennung hilfreich sein. Das zweite b-Quark aus der Aufspaltung des masselosen

9

Page 18: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Abbildung 2.6: Feynman-Diagramme der drei Single-Top-Prozesse in führender Ord-nung. (a): s-Kanal, (b) und (c): t-Kanal, (d) und (e): Wt-Kanal.

Gluons induziert einen Jet von zumeist geringem Transversalimpuls pT. Aufgrundder Anwendung von Schnitten auf pT sowie der endlichen Akzeptanz der Detektorenin |η|, wird dieser Jet oftmals nicht in der betrachteten Topologie vorkommen.

Der t-Kanal am LHC der Single-Top-Prozess mit der höchsten Produktionsrate,gefolgt vom Wt-Kanal. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass ein reelles W -Bosonauftritt, dessen Zerfallprodukte detektiert werden können. Die geringere Produti-onsrate ist offenbar kinematisch bedingt, da neben dem t-Quark auch das massiveW -Boson erzeugt wird. Deshalb kann dieser Prozess am Tevatron nicht beobachtetwerden, erst der LHC eröffnet hier den Zugang.

Beim s-Kanal verhält es sich wiederum anders. Er kann am Tevatron beobach-tet werden, tatsächlich betrachten die Single-Top-Analysen von CDF und D∅ dens- und t-Kanal inklusiv. Am LHC hingegen ist der s-Kanal unterdrückt, da beimProton-Proton-Beschleuniger die notwendigen Antiquarks im Anfangszustand nurals Seequarks auftauchen. Die Signatur unterscheidet sich in führender Ordnungvon den anderen Kanälen dadurch, dass ein weiterer b-Jet auftritt. Eine wesentli-che Frage, die hier gestellt werden muss, betrifft mögliche Interferenzen zwischenverschiedenen t-Quark-Prozessen. Zunächst fällt auf, dass der t-Kanal im Bild derGluonaufspaltung und der s-Kanal in nächst-führender Ordnung (next-to-leadingorder, NLO) sehr ähnliche Endzustände haben. Abbildung 2.7 zeigt zwei NLO-Feynman-Diagramme für den s-Kanal. Im Endzustand kommen zwar die gleichenTeilchensorten vor wie im t-Kanal, die Farbstruktur ist jedoch unterschiedlich. Beims-Kanal stammen das t und das b-Quark am Wtb-Vertex vom W -Boson, sie bil-

10

Page 19: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Abbildung 2.7: Zwei Feynman-Diagramme des s-Kanal Single-Top-Prozesses innächst-führender Ordnung. In Unterscheidung zum t-Kanal ist die Farbstruktur zubeachten.

Abbildung 2.8: Feynman-Diagramme zur Wt-Produktion in nächst-führender Ord-nung.

den also ein Farbsingulett. Im t-Kanal hingegen entspringen sie hinsichtlich ihrerFarbladung einem Gluon, sie bilden folglich ein Farboktett. Die Endzustände vons- und t-Kanal sind also verschiedenen, es handelt sich jeweils um wohldefinier-te Prozesse. Anders verhält es sich beim Wt-Kanal. Hier tritt eine Interferenz mitder Top-Paarerzeugung auf. Während die zwei Prozesse in führender Ordnung nochunterschiedlich sind, treten zwischen NLO-Beiträgen zur Wt-Produktion und Top-Paarerzeugung in führender Ordnung mit Zerfall des t-Quarks Interferenzen auf, wieAbb. 2.8 es aufzeigt. Man kann an dieser Stelle dazu übergehen, nur Endzuständemit W -Bosonen und b-Quarks zu betrachten (WWb und WWbb). Vom Standpunktder Theorie gesehen ist dies ein konsequenter Ansatz, er ist jedoch in Hinblick aufdie Erkenntnis der Physik des t-Quarks nicht besonders praktisch und, wie bereitsgezeigt wurde, nicht notwendig [42]. Es ist durchaus möglich vonWt-Produktion alsSingle-Top-Prozess zu sprechen, unter Vorbehalt bestimmter Schnitte auf die Kine-matik des Ereignisses. Die Annahme von Wt- und tt-artigen Signaturen ist dann eineNäherung der Physik von WWbb- und WWb-Prozessen. Dafür sollte die Interferenzklein sein, zu erkennen an gleichen Ergebnissen von Wt-Analysen auf Monte-Carlos,egal ob die Diagramme in Abb. 2.8 selbst, oder deren Betragsquadrate abgezogenwerden. Außerdem sollte der Wirkungsquerschnitt der Wt-Produktion größer als dieSkalenunsicherheit im Wirkungsquerschnitt der Top-Paarerzeugung sein. Beide For-derungen sind für typische Schnitte einer Wt-Analyse erfüllt. Man kann also effektivvon Single-Top-Wt-Produktion sprechen.

11

Page 20: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

2.2.2 EntdeckungspotentialIm Single-Top-Sektor sind verschiedene Beiträge von Physik jeneits des Standard-modells möglich. Eine Vermessung des s-Kanals ist auf neue Teilchen senitiv, wel-che über eine Kopplung X → tb zur beobachteten Produktionsrate beitragen. Dieskönnen zum Beispiel ein geladenes Vektorboson W ′ mit einer Masse jenseits vonmW oder ein geladenes Higgs-Boson sein, wie es in supersymmetrischen Modellenvorhergesagt wird. Weiterhin sind Messungen von t- und s-Kanal sensitiv auf einemögliche vierte Generation von Quarks und Leptonen. In einer 4×4-CKM-Matrixkönnte |Vtb| kleinere, |Vts| dagegen größere Werte annehmen. Im s-Kanal würde mantypischerweise eine geringere Rate beobachten, im t-Kanal eine größere Rate, da nunauch s-Quarks im Anfangszutand signifikant zur Produktion beitragen, die wieder-um häufiger im Proton auftreten als b-Quarks. Ein weiteres Szenario sind die bereitserwähnten Flavour-ändernden neutralen Ströme, zum Beispiel der Prozess t → Zc.Sie sind im Rahmen des Standardmodells nur über Schleifendiagramme höhererOrdnung gegeben und somit stark unterdrückt. Sollten derartige Kopplungen direktauftreten, so würde der Wirkungsquerschnitt für Single-Top-Produktion durch dieentsprechenden Beiträge erhöht. Neben dem W -Boson würden weitere Vektorboso-nen auftreten, der Endzustand enthielte statt eines b-Quarks auch c- und u-Quarks.Die erhöhte Produktionsrate würde in einer Analyse des t-Kanals sichtbar werden.Schließlich ist auch die Kopplungsstruktur des Wtb-Vertex von Interesse. Sie kannin Top-Paarereignissen wie auch in Single-Top-Ereignissen untersucht werden. All-gemein sind zusätzliche Beiträge durch Kopplungen an rechtshändige Teilchen undTensorkopplungen denkbar. Eine entsprechende Beobachtung wäre ein Zeichen vonPhysik jenseits des Standardmodells.

Die Single-Top-Physik kann also eine Vielzahl neuer Phänomene aufzeigen. Eslohnt sich die Herausforderung anzunehmen und das Single-Top-Signal von seinengroßen Untergründen zu trennen.

2.2.3 UntergrundprozesseAlle Single-Top-Prozesse besitzen das Problem hoher Untergrundraten. Einerseitsist es wünschenswert, die drei Kanäle untereinander zu unterscheiden. Vor allemaber sind es W+Jets-Ereignisse (vgl. Abb. 2.9) und die bereits oben diskutierteTop-Paarproduktion, die das Signal verdecken. Weitere Untergründe sind Z+Jets-und Di-Boson-Ereignisse (WW , ZZ, WZ) mit leptonischen Zerfällen der Vektor-bosonen sowie QCD-Multijet-Ereignisse, in denen hochenergetische Elektronen oderMyonen aus Zerfällen schwerer Quarks oder Lepton-Fehlidentfikationen auftreten.Diese müssen mit besonderer Sorgfalt betrachtet werden, da die Fehlidentifikati-onsraten des ATLAS-Detektors noch zu bestimmen sind. Entsprechende Studienwerden bereits durchgeführt [15, 27, 39]. Neben Top-Paarerzeugung interessiert vorallem die Rate von W+Jets-Ereignissen, in denen ein W -Boson und weitere Jetserzeugt werden. Der in dieser Arbeit diskutierte kinemtische Fit beruht auf Zwangs-bedingungen der invarianten Massen von W -Bosonen und t-Quarks entsprechendder jeweiligen Single-Top-Hypothese. In W+Jets-Ereignissen kann die Zwangsbe-dingung der t-Quark-Masse nur zufälligerweise gut erfüllt sein. Da die Rate diesesUntergrunds aber bedeutend größer als jene des Signals ist, spielt er eine dominanteRolle. Aufgrund hoher Skalenunsicherheiten ist es heute leider nicht möglich, die-

12

Page 21: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Abbildung 2.9: Exemplarisches Feynman-Diagramm für die Produktion eines W -Bosons mit zusätzlichen Jets.

se Rate theoretisch genau zu berechnen. Deshalb werden die Untergrundraten mitHilfe von Daten abgeschätzt, siehe Abschnitt 2.4. Für das in dieser Arbeit disku-tierte LHC-Szenario mit

√s = 7 TeV betragen die Single-Top-Wirkungsquerschnitte

für den t-, Wt- bzw. s-Kanal σt = 58,7 pb, σWt = 13,1 pb bzw. σt = 3,94 pb. Fürdie Top-Paarproduktion wurde bisher bei ATLAS σtt = 145 ± 31(stat)+42

−27(sys) pbgemessen [10]. Der W+Jets-Wirkungsquerschnitt liegt in der Größenordnung vonσW+X ≈ 105 pb. In diesen Unterschieden besteht die wesentliche Herausforderungder Single-Top-Analyse.

2.3 Erste Ergebnisse vom TevatronNach der Entdeckung der Top-Paarerzeugung 1995 gelang den Experimenten CDFund D∅ im Jahre 2009 die Entdeckung elektroschwacher Produktion einzelner t-Quarks am Tevatron bei einer Schwerpunktsenergie von

√s = 1,96 TeV in Datensät-

zen von 3,2 fb−1 bzw. 2,3 fb−1 integrierter Luminosität. Die Zeitverzögerung machtbereits deutlich, dass diese Messungen große Herausforderungen bedeuten. HoheUntergründe mussten mit großer Sorgfalt analysiert werden und für die Signalex-traktion kamen fortgeschrittene Methoden der Statistik, sogenannte multivariateAnalysen, zum Einsatz.

Beide Experimente messen den s- und t-Kanal inklusiv. CDF nimmt ein Verhält-nis der einzelnen Wirkungsquerschnitte gemäß dem Standardmodell an und geht vont→ Wb-Zerfällen zu 100% aus. Beide Experimente betrachten Ereignisse, in denendas W -Boson aus dem Top-Zerfall in ein Elektron oder Myon zerfällt2, fehlendeTransversalenergie EMiss

T auftritt und mindestens ein Jet als b-Jet identifiziert wird.CDF und D∅ beschränken die Analyse auf Ereignisse mit zwei bis drei bzw. zwei bisvier Jets. Zusätzlich kommt bei CDF eine Ereignisselektion zum Einsatz, in der nurEMissT und zwei oder drei Jets verlangt werden, womit die Selektionseffizienz erhöht

wird. Untergrundraten werden teilweise direkt aus Daten bestimmt, insbesondereder W+Jets-Untergrund. Nach dieser Vorselektion sind die Datensätze noch immervon Untergrund dominiert. An dieser Stelle kommen die oben erwähnten multiva-riaten Analysen zum Einsatz. Sie werden anhand von Monte-Carlo-Simulationentrainiert. Man übergibt ihnen ereignissweise eine Vielzahl von Variablen, einerseitsfür das Signal, andererseits für die Untergründe. Anhand verschiedener Methodenensteht eine Ausgangsfunktion, die eine Unterscheidung von Signal und Untergrundermöglicht. In einem Teil der CDF-Analyse, einer Likelihood-Funktion optimiert für

2Dem üblichen Sprachgebrauch folgend soll dies auch Positronen und Antimyonen einschließen.

13

Page 22: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

(a) Single-Top-Signal, CDF. “HF” steht fürschwere Quarks (heavy flavour)

(b) Single-Top-Signal, D∅. “Multijets”steht für Prozesse der starken Wechsel-wirkung.

Abbildung 2.10: Single-Top-Signal beim Tevatron. Gezeigt sind die Ereignisszah-len von Signal und Untergründen bezogen auf die Ausgangsdiskriminante der mul-tivariaten Analysen im Signalbereich. Die hohen Signal-zu-Untergrundverhältnissegrößer 1 sind maßgebend. Sie werden durch den Einsatz hochwertiger Monte-Carlo-Simulationen im Rahmen der multivariaten Analysen möglich. [20,21]

den s-Kanal, kommt auch ein kinematischer Fit zum Einsatz, um das Neutrino zurekonstruieren und einen der b-Jets dem t-Quark-Zerfall zuweisen zu können. DieErgebnisse des Fits sind dann Teil der Eingangswerte der Likelihood-Methode.

Multivariate Methoden beruhen wesentlich auf der Modellierung von Untergrün-den. Deshalb muss die Güte der Modellierung anhand von Daten in Kontrollregionen,die besonders stark von Untergrund dominiert sind, getestet werden. Schließlich kannanhand der Ausgangsfunktion der multivariaten Analyse ein Überschuss an Ereignis-sen im Signalbereich beobachtet werden, der als Single-Top-Produktion interpretiertwird. Das Signal-zu-Untergrundverhältnis S/B erreicht bei der CDF-Analyse einenWert größer fünf (vgl. Abb. 2.10). Zur Bestimmung des Wirkungsquerschnitts sowiedessen Unsicherheit dient ein gebinnter Likelihood-Fit.

Die CDF- und D∅-Kollaborationen messen Wirkungsquerschnitte vonσs+t = (2,3+0,6

−0,5) pb bzw. σs+t = (3,94 ± 0,88) pb mit einer Signifikanz von fünfStandardabweichungen . Damit gelingt zum ersten mal eine direkte CKM-Messungim Top-Sektor. CDF ermittelt |Vtb| = 0,91 ± 0,11(stat+syst)±0,07(theo) mit ei-ner Grenze von |Vtb| > 0,71 bei 95% Konfidenz, D∅ erhält |Vtb| = 1,07 ± 0,12 und|Vtb| > 0,78.3 Diese Messungen sind ein Meilenstein in der Erforschung des t-Quarks.Alle Ergebnisse sind mit den Vorhersagen des Standardmodells vereinbar. Allerdingsmangelt es den Tevatron-Experimenten an Statistik, um die Messungen wesentlichgenauer durchführen zu können. An dieser Stelle ist der LHC gefragt. Dort gilt esdie Single-Top-Messungen zu verifizieren und zu verfeinern.

3D∅ gibt allgemeiner den Wert |VtbfL1 | an, wobei fL1 die Stärke der linkshändigen Kopplung amWtb-Vertex angibt.

14

Page 23: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

2.4 Single-Top-Produktion bei ATLASDas ATLAS-Experiment am LHC bietet die Möglichkeit Single-Top-Physik mit ho-her Statistik zu untersuchen. Für den t-Kanal, der hier den größten Wirkungsquer-schnitt aufweist, wurden bereits ausführliche Studien durchgeführt, die möglicheStrategien für die Analyse erster Kollisionsdaten des ATLAS-Detektors aufzeigen [8].Das zunächst in Simulationen studierte Szenario war eine Sammlung von 200 pb−1

integrierter Luminosität bei einer Schwerpunktsenergie von√s = 10 TeV. Mittler-

weile hat die Aufnahme von Kollisionsdaten bei ATLAS begonnen, allerdings mit√s = 7 TeV, was geringere Single-Top-Ereignissraten bedeutet. Nach Aufnahme von

1 fb−1 intergrierter Luminosität bis 2011 ist ein Upgrade des LHC vorgesehen, umden Design-Wert von

√s = 14 TeV zu erreichen. Jedenfalls stellen sich für die ver-

schiedenen Schwerpunktsenergien die gleichen Probleme, die auch am Tevatron zubewältigen waren. Die zwei wesentlichen Ziele der Single-Top-Analyse sind ein mög-lichst großes Signal-zu-Untergrund-Verhältnis, um den Einfluss systematischer Feh-ler aus der Abschätzung der Untergrundraten zu minimieren und diese Abschätzungselbst möglichst genau durchzuführen. In der oben genannten t-Kanal-Studie wurdedas Signal aus einem Satz von Ereignissen extrahiert, die folgende Eigenschaftenaufweisen:

• genau ein Elektron oder Myon mit pT > 20 GeV

• fehlende Transversalenergie EMissT > 20 GeV

• genau zwei Jets mit pT > 30 GeV

• mindestens ein Jet muss als b-Jet identifiziert worden sein

• eine transversale Masse4 des W -Bosons mT > 30 GeV

Nach dieser Vorselektion beträgt das erwartete Signal-zu-UntergrundverhältnisS/B = 0,13. Die wichtigsten Untergründe, tt-Produktion und W+Jets-Ereignisse,wurden anhand von Daten normiert. Als Kontrollregion wurden hier Ereignisseähnlich den bereits beschriebenen gewählt, allerdings mit drei Jets und ohne Not-wendigkeit eines b-Jets. Das Verhältnis der Untergründe in den 2- und 3-Jet Da-tensätzen wurde mit Monte-Carlo-Simulationen abgeschätzt. Es kommt nun eineneuronales Netzwerk, eine der multivariaten Analysemethoden, zum Einsatz. DieTop-Paarproduktion wird als Signal, W+Jets-Ereignisse und andere Prozesse alsUntergrund angesehen. Die Ausgangsverteilung des neuronalen Netzwerks für dieMonte-Carlo-Simulationen kann jener aus den Daten im Rahmen eines Likelihood-Fits angepasst werden. Daraus ergeben sich Korrekturfaktoren für die a priori er-warteten Wirkungsquerschnitte.

Zur Verbesserung des S/B-Verhältnisses werden zwei Methoden vorgeschlagen.Einerseits werden zwei weitere Schnitte angesetzt. Erstens soll der b-Jet einen Trans-versalimpuls von pT > 50 GeV aufweisen. Somit werden W+Jets-Ereignisse unter-drückt, da die entsprechenden b-Jets typischerweise Fehlidentifikationen sind, dieniedrigere Energien aufweisen. Ein Schnitt auf den Jet mit höchstem pT, der nicht

4Die transversale Masse des leptonisch zerfallenden W -Bosons ist definiert als mT =√(p lepT + EMissT )2 − (~p lepT + ~EMissT )2.

15

Page 24: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

als b-Jet identifiziert wurde, verlangt |η| > 2,5. Dies zielt auf das mit dem t-Quarkassoziiert produzierte Quark im t-Kanal, welches häufig in Vorwärtsrichtung ge-streut wird, was eine Unterscheidung von tt-Ereignissen ermöglicht. Das Signal-zu-Untergrund-Verhältnis wird damit auf S/B = 0,64 verbessert. Andererseits kommtals multivariate Analyse eine Likelihood-Methode zum Einsatz. Da multivariate Me-thoden wie bereits diksutiert eine zuverlässige Modellierung der betrachteten Pro-zesse verlangen, sind sie in der ersten Datannahme bei ATLAS besonders sorgfältiganzuwenden und eine Kopie der Tevatron-Analysen scheint nicht angebracht. Bisherwurde ein statistisch als robust eingeschätzter Likelihood-Ansatz unter Verwendungeiner kleinen Anzahl von Variablen untersucht, mit dem tt- und W+Jets-Ereignisseunterdrückt werden sollen. Dabei wurden jeweils die Wahrscheindlichkeitsdichtenfür das Auftreten eines Variablensatzes bei Signal und Untergrund, PS und PB, ge-eignet ins Verhältnis gesetzt; LB = PS/(PS +PB). Werte von Ltt und LW+Jets naheEins stehen für Signalereignisse. Durch Schnitte auf Ltt und LW+Jets konnte ein Ver-hältnis von S/B = 0,89 erreicht werden. Die Ergebnisse des

√s = 10 TeV-Szenarios

werden in Tab. 2.1 zusammengefasst, die auch die Effizienz der Analysen, das heißtden Anteil selektierter Signalereignisse, angibt:

Analysemethode Kinematische Schnitte Likelihood-VerhältnisS/B 0,64 0,89

Effizienz 2,2% 2,1%

Tabelle 2.1: Signal-zu-Untergrund-Verhältnisse S/B und Selektionseffizienzen derin [8] vorgestellten Analysen. Die Effizienzen beziehen sich allein auf Ereignisse mitElektronen oder Myonen aus Zerfällen des W-Bosons.

Der gesamte Datensatz wird in vier disjunkte Mengen aufgeteilt, unterschieden nachFlavour und Vorzeichen der elektrischen Ladung des Elektrons bzw. Myons. Zur Be-stimmung des Wirkungsquerschnitts σt wird ein Maximum-Likelihood-Fit der vierKanäle durchgeführt. Neben den satistischen Fehlern muss eine große Anzahl syste-matischer Fehler berücksichtigt werden. Die Wirkungsquerschnittbestimmung wirdvielfach im Rahmen von Pseudoexperimenten wiederholt, wobei die einzelnen feh-lerbehafteten Größen einer Gauß-Verteilung entsprechend variiert werden. Die resul-tierende Verteilung von σt kann mit einer flachen a-priori-Wahrscheinlichkeitsdichtein eine a posteriori-Wahrschein-lichkeitsdichte von σt umgerechnet werden, aus derσt selbst, sowie dessen Unsicherheit und Signifikanz bestimmt werden.

Die Likelihood-Methode ist erwartungsgemäß etwas leistungsfähiger. Für das√s = 10 TeV-Szenario beträgt die Unsicherheit von σt 40% bei einer Signifikanz von

2,7σ. Am stärksten wirkt sich die Unsicherheit in der Leistung des b-Taggings aus.Allgemein wäre es wünschenswert, das S/B-Verhältnis weiter zu erhöhen um diedominierenden systematischen Fehler zu verkleinern. Die vorliegende Arbeit wirdsich an eben dieser Aufgabe widmen.

16

Page 25: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Kapitel 3

Das ATLAS-Experiment am LHC

ATLAS (A Torroidal LHC Apparatus) ist einer der zwei Universaldetektoren amLarge Hadron Collider (LHC) mit einem großen Entdeckungspotential. Der LHCist ein Speicherring und dient vornehmlich der Kollision von Protonen. Ebenfallsmöglich ist die Verwendung von Blei-Ionen. Die Protonen werden in einem Duo-plasmatron erzeugt. Ein Elektronenstrahl ionisiert Wasserstoff und setzt damit eineGasentladung frei. Die von ihren Elektronen entbundenen Protonen werden in ei-ner Kette von Vorbeschleunigern auf eine Energie von

√s = 450 GeV beschleunigt,

bevor sie in den LHC injiziert werden. Die Protonenstrahlen jeder Umlaufrichtungbestehen aus mehrere Paketen (bunches) zu je ca. 1011 Protonen. Der angestreb-te Design-Wert beträgt 2800 Pakete pro Strahl. Nach der Injektion werden sie im27 km langen Ring gespeichert. Neben diversen Magneten der Strahloptik werden1232 supraleitende Dipolmagnete mit magnetischen Flussdichten von bis zu 8,3 Teingesetzt, um die Protonen auf ihrer Bahn zu halten. Hochfrequenzfelder beschleu-nigen sie auf die vorgesehene Schwerpunktsenergie, bevor sie an den Wechselwir-kungspunkten zur Kollision gebracht werden. Als Ziel beim Betrieb des LHC isteine Schwerpunktsenergie von

√s = 14 TeV bei einer instantanen Luminosität von

von L = 1034 cm−2s−1 vorgesehen. Die mittlerweile erreichte, zuverlässige Operationbei einer Schwerpunktsenergie von

√s = 7 TeV mit immer höherer Luminosität stellt

einen großen Erfolg für die Beschleunigerphysik dar und ist die Grundvoraussetzungfür erste Physikanalysen der Experimente [30].

Die Kernaufgabe des LHC besteht darin, den Experimenten Zugang zur Ska-la der elektroschwachen Symmetriebrechung zu verschaffen. Die Tatsache, dass dieschwachen Eichbosonen W und Z Masse besitzen, wird durch einen bisher unbe-kannten Mechanismus erzwungen, dessen Natur auf der Teraskala

√s ≈ 1 TeV er-

sichtlich werden sollte. Vermutlich handelt es sich um den Higgs-Mechanismus miteiner Masse des skalaren Higgs-Bosons von mh ≈ 120 GeV. Weiterhin legt die Kos-mologie die Existenz Dunkler Materie mit Teilchenmassen auf der Teraskala nahe.Da im Proton-Proton-Beschleuniger LHC Partonen die interessanten Reaktioneninduzieren, steht nur ein Teil der Schwerpunktsenergie zur Verfügung. Erst Ener-gien oberhalb von 1 TeV wie der angestrebte Wert von

√s = 14 TeV machen die

Teraskala zugänglich (vgl. Abb. 2.3). In vielen Fällen möchte man an Teilchenbe-schleunigern neue Teilchen aus der Annihilation von Teilchen und Antiteilchen er-zeugen. Deshalb wurden in der Vergangenheit zum Beispiel Elektron-Positron- oderProton-Antiproton-Beschleuniger gebaut. Trotzdem sind Messungen verschiedenster

17

Page 26: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Prozesse prinzipiell auch am Proton-Proton-Beschleuniger LHC möglich. Im An-fangszustand der Kollisionen können Antiquarks als Seequarks und vor allem Gluo-nen auftreten. So tritt Beispielsweise die Top-Paarerzeugung beim pp-BeschleunigerTevatron zu 85% durch Quark-Antiquark-Annihilation auf, beim LHC stattdessenzu 90% durch Gluonfusion. Die Wirkungsquerschnitte mancher am LHC gesuchtenProzesse sind unter Beachtung der interessanten Zerfallsmodi nur einige Femtobarnklein. Dem trägt die angestrebte Luminosität des LHC Rechnung. Die Strahlen-härte der ATLAS-Detektorkomponenten ermöglicht die Sammlung von Daten einerintegrierten Luminosität von einigen 100 fb−1.

Ein Nachteil von Hadronenbeschleunigern besteht im großen Untergrund durchProzesse starker Wechselwirkung. Insbesondere treten beim LHC mehrere Kollisio-nen pro Strahlkreuzung gleichzeitig auf, etwa 25 bei Design-Luminosität. Eine grund-legende Forderung an den ATLAS-Detektor ist deshalb hohe Granularität und einegute Erkennung von Ereignissen mit hochenergetischen Elektronen oder Myonen,die elektroschwache Prozesse deutlich aufzeigen. Das Zeitinterval von 25 ns zwischenzwei Strahlkreuzungen fordert weiterhin ein schnelles Ansprechen und Auslesen dereinzelnen Komponenten bzw. ein effizientes Speichern der Detektorantwort über dieDauer mehrerer Strahlkreuzungen. Weiterhin erstrebenswert sind eine gute Ener-gieauflösung von Jets und die zuverlässige Erkennung fehlender Transversalenergie.Besonders wichtig in der Top-Physik ist die Erkennung von b-Jets, vor allem an-hand von Zerfällen der B-Mesonen an Sekundärvertices. Dies stellt hohe Anforde-rungen an die Spurerkennung im inneren Detektor. Im folgenden wird der Aufbaudes ATLAS-Detektors kurz diskutiert. Umfassende Beschreibungen, die seiner Kom-plexität Rechnung tragen, findet man an entsprechend anderer Stelle [6, 7, 24].

Beim ATLAS-Koordinatensystem zeigt die x-Achse vom Wechselwirkungspunktzum Mittelpunkt des LHC-Rings, die y-Achse zeigt zur Erdoberfläche. Die z-Achsezeigt dementsprechend in Strahlrichtung. Der Polarwinkel ϑ wird gegen die z-Achsegemessen. Der Azimutwinkel ϕ wird gegen den Uhrzeigersinn von der x-Achse ausge-hend gemessen. Oftmals wird bei Beschleunigerexperimenten nicht der Polarwinkelϑ von z.B. Teilchenbahnen oder Jet-Achsen angegeben, sondern die Rapidität y bzw.die Pseudorapidität η. Es gilt

y = 12 ln E + pz

E − pz,

η = − ln tan ϑ2 .

Ist die Masse eines Teilchens vernachlässigbar klein, so gilt y = η. Die Motivationfür die Verwendung der Rapidität anstatt des Polarwinkels wird deutlich, wenn mandas lorentzinvariante Phasenraumelement eines Teilchens entsprechend umformt,

d4pδ(p2 −m2)Θ(E)→ d3p

2E → −π

2 dydp2T .

Dabei steht “→“ für eine Integration über die Energie bzw. über den Azimutwin-kel. Eine Gleichverteilung von Teilchen über den Phasenraum entspricht also einerGleichverteilung in der Rapidität, die wiederum für die hochenergetischen Teilchenin den Endzuständen an Beschleunigerexperimenten der Pseudorapidität entspricht.Die Rapidität bietet insbesondere den Vorteil sich bei Lorentz-Transformationen

18

Page 27: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Abbildung 3.1: Der ATLAS-Detektor. Der Aufbau entspricht dem bewährten Prin-zip des „4π-Detektors” mit nahezu hermetischer Abdeckung des Wechselwirkungs-punkts durch den Detektor. Im Inneren werden Spuren geladener Teilchen vermes-sen. Darauf folgt die Messung von Teilchenenergien in den Kalorimetern. (LAr stehtfür flüssiges Argon) Das darauf folgende Myonspektrometer definiert die Maße desDetektors [6].

entlang der Strahlachse nur um einen Summanden, abhängig von der Relativge-schwindigkeit der Koordinatensystme, zu ändern. Das Ruhesystem der Partonenim Anfangszustand der Kollisionen ist stets unbekannt, jedoch bleiben Differenzenvon Rapiditäten von dieser Unkenntnis unberührt. An vielen Stellen wird daher derAbstand zweier Objekte in den Koordinaten y (bzw. η) und ϕ gemessen:

∆R =√

(ϕ1 − ϕ2)2 + (y1 − y2)2 . (3.1)

Abblidung 3.1 zeigt den ATLAS-Detektor. Es handelt sich um einen Vielzweck-detektor mit einer Raumwinkelabdeckung von nahezu 4π. Neu an ATLAS sind dieverwendeten Technologien und die enormen Dimensionen von 22 m Durchmesserund 46 m Länge bei einem Gewicht von 7000 t. Das Volumen wird durch das be-sonders groß ausgelegte Myonspektrometer festgelegt. Es befindet sich in einemToroid-Magnetsystem mit magnetischen Flussdichten von bis zu 4,1 T bei einemMittelwert von 0,5 T. Der innere Detektor enthält einen Solenoidmagneten. Er er-zeugt eine magnetische Flussdichte von 2 T amWechselwirkungspunkt. Alle Magnetesind aus supraleitendem NbTi. Zwischen dem Myonspektrometer und dem zentralenSolenoiden befinden sich das hadronische und das elektromagnetische Kalorimeter.Innerhalb des Solenoiden ermöglicht ein mehrkomponentiger Spurdetektor die Ver-messung von Spuren geladener Teilchen sowie die Bestimmung von Vertices.

19

Page 28: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Abbildung 3.2: Der innere Spurdetektor. Er besteht aus drei Subdetektoren - demPixeldetektor, dem Siliziumstreifendetektor und dem Übergangsstrahlungsdetektor.Die Granularität der Komponenten nimmt nach innen hin zu [5].

3.1 Detektorkomponenten

3.1.1 Der innere SpurdetektorZur Erkennung von Spuren geladener Teilchen sowie von Zerfällen langlebiger Teil-chen wie B-Mesonen oder τ -Leptonen nutzt ATLAS drei Detektorsysteme, derenOrtsauflösung umso größer ist, je näher sie sich am Strahlrohr befinden. Direktam Strahlrohr befindet sich ein Silizium-Pixeldetektor, gefolgt von einem Silizium-Streifendetektor (Semiconductor Tracker, SCT) und einem Übergangsstrahlungsde-tektor (Transition Radiation Tracker, TRT) bestehend aus Driftröhren, vgl. Abb.3.2. Insgesamt deckt der innere Spurdetektor einen Bereich von |η| < 2,5 ab. DieAuflösung von Stoßparametern liegt bei etwa 10µm, was genügt um beispielswei-se typische Zerfallslängen von B-Mesonen in t-Quark Ereignissen von 450µm zuvermessen. Die Auflösung des Transversalimpulses beispielsweise bei pT = 20 GeVund η = 0 beträgt 1,6%. Die Vielzahl an Spuren bei Kollisionen mit LHC-Design-Luminosität erfordert erstmals den Einsatz eines großflächigen Pixeldetektors. Erbesteht aus 140 Millionen Elementen mit einer Ausdehnung von 50µm in ϕ- und300µm in z-Richtung. Diese sind im Zentralbereich in drei Schichten angeordnetmit Radien von 4 cm, 10 cm und 13 cm, sowie in fünf Scheiben im Vorwärtsbereichauf jeder Seite mit Radien von 11 cm bis 20 cm. Die innerste Schicht wird besondersvon Strahlenschäden betroffen sein. Es ist deshalb möglich sie auszutauschen, ohneATLAS öffnen zu müssen. Nach außen hin folgt der Silizium-Streifendetektor, derim Zentralbereich in vier Lagen zwischen 30 cm und 52 cm sowie drei Endkappenaufgeteilt ist. Die Ortsmessung in z-Richtung wird durch Stereowinkel der verschie-denen Module zueinander ermöglicht. Der Übergangsstrahlungsdetektor besteht ausca. 50.000 Driftröhren im Zentrum und 320.000 in den Endkappen zu je 2 mm Radi-us. Der Zentralbereich reicht von 56 cm bis 107 cm Radius, die Endkappen von 48 cmbis 103 cm. Er deckt einen Raumwinkel entsprechend |η| < 2,0 ab. Es wird ein Gas-gemisch aus 70% Xe, 20% CO2 und 10% CF4 eingesetzt. Zwischen den Driftröhrenbefinden sich Radiatoren, in denen hochenergetische Elektronen Übergangsstrahlung

20

Page 29: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

emittieren. Neben der Messung der Driftzeit bietet jeder elektronische Kanal zweiSchwellen, womit zwischen einfachen Spurtreffern und Übergangsstrahlungstreffernunterschieden wird. Damit wird die Erkennung von Elektronen verbessert [37].

Die Güte dieser Kennzahlen sei anhand folgenden Beispiels hervorgehoben. DieWahrscheinlichkeit für ein Pixel-Element am Strahlrohr mit r = 4 cm von einemgeladenen Teilchen, beispielsweise mit θ = 90◦ fliegend, getroffen zu werden, beträgt

pPixel = NCNIδηδs

2πr ≈ NCNIδz

r

δs

2πr . (3.2)

Dabei sind NC die mittlere Zahl geladener Teilchen je η in einem Kollisionsereignis,NI die Anzahl an Kollisionen je Strahlkreuzung, δz die Pixel-Ausdehung in z- undδs jene in ϕ-Richtung. Mit NC ≈ 6 und NI = 25 für LHC-Design-Luminositätsowie δz = 300µm und δs = 50µm ergibt sich die sehr geringe Okkupanz vonpPixel = 2,2 · 10−4.

3.1.2 Das elektromagnetische KalorimeterDas elektromagnetische (EM) Kalorimeter folgt auf den Solenoid-Magneten und istin einen zentralen Bereich und zwei Endkappen aufgeteilt, vgl. Abb. 3.3. Es deckteinen Raumwinkel entsprechend |η| < 3,2 ab. Bleiplatten, welche zur symmetrischenAbdeckung des gesamten Azimutwinkels in einer akkordeonartigen Struktur ausge-führt sind, dienen als Schauermaterial. Dazwischen befindet sich flüssiges Argon,das durch Schauerteilchen ionisiert wird. Den notwendigen Kryostaten teilt sich daselektromagnetische Kalorimeter mit dem Solenoiden. Das Signal wird über Kap-tonelektroden auf den Bleiplatten aufgenommen. Die einzelnen Kalorimeterzellensind jeweils zum Wechselwirkungsbereich hin geneigt. Das EM-Kalorimeter besitzteine Dicke von zentral 24 und bei den Endkappen 26 Strahlungslängen. Bevor einTeilchen das EM-Kalorimeter erreicht, muss es im Zentralbereich etwa 2,3 Strah-lungslängen durchqueren. Um den entsprechenden Energieverlust besser abschätzenzu können, befindet sich am Beginn des EM-Kalorimeters eine gesonderte Schichtflüssigen Argons. Die nachfolgenden Zellen sind in drei zylindrische Lagen aufgeteilt,wobei die Zellen der ersten Lage besonders fein ausgeführt sind, was zur besseren Un-terscheidung von Schauern durch Elektronen bzw. Photonen einerseits und Pionenandererseits beiträgt. Die Auflösung des EM-Kalorimeters wurde bestimmt zu

σEE

= 10%√E/GeV

⊕ 0,2% . (3.3)

Für typische ElektronenEnegien in t-Quark-Zerfällen ist die Energiemessung beson-ders wichtig, da ab Transversalimpulsen größer als pT = 30 GeV die Auflösung desEM-Kalorimeters besser ist als jene des Spurdetektors. Für E = mt/3 = 60 GeVerhält man mit σE/E = 1,3% eine sehr gute Auflösung. Die Unsicherheiten bei derMessung von Jets und fehlender Transversalenergie sind freilich größer.

3.1.3 Das hadronische KalorimeterDas hadronische Kalorimeter von ATLAS ermöglicht die Messung der Energie vonHadronen im weiten Bereich von |η| < 4,9. Zentral wird bis |η| = 1,7 Eisen als

21

Page 30: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Abbildung 3.3: Das Kalorimetersystem. Es ist aufgeteilt in ein elektromagnetischesund ein hadronisches Kalorimeter. Als Schauermaterial dient Blei bzw. Eisen. Dashadronische Kalorimeter in Vorwärtsrichtung besteht aus Kupfer und Wolfram. ZurMessung der deponierten Energien dienen flüssiges Argon (LAr) und für das hadro-nische Kalorimeter im Zentralbereich Szintillatorn. [6].

Schauermaterial verwendet, kombiniert mit Szintillatoren zur Energiemessung (Tile-Kalorimeter). Wellenlängenschiebende Fasern führen das Szintillationslicht zur Aus-lese durch Photomultiplier. Das hadronische Endkappenkalorimeter reicht bis |η| =3,2. Aufgrund der hohen Strahlenbelastung im Vorwärtsbereich, wird für 3,1 <|η| < 4,9 ein spezielles Vorwärtskalorimeter eingesetzt. Hier wird flüssiges Argonverwendet. Es kann ausgetauscht werden, ohne den Detektor öffnen zu müssen. Die-se Endkappen sind radförmig ausgeführt mit Kupferplatten, zwischen denen sich dasflüssige Argon und Elektroden zur Signalauslese befinden. Das Vorwärtskalorimeterist dreigeteilt in einen Abschnitt aus Kupfer und zwei Abschnitte aus Wolfram. DieMetall-Matrix enthält jeweils longitudinal ausgerichtete, konzentrische Rohre, an de-nen das Signal aus dem flüssigen Argon aufgenommen wird, welches sich wiederumin den Lücken zwischen den Rohren befindet.

Das hadronische Kalorimeter ist sehr dick, im Zentrum bietet es 9,2 nukleareWechselwirkungslängen. Damit wird eine gute Auflösung von Jets ermöglicht. FürJets im Bereich |η| < 2,8 ergeben sich Auflösungen für pT von etwa 14% [12]. Weiter-hin macht die weitgehende Abdeckung des Raumwinkels eine gute Messung fehlenderTransversalenergie möglich. Beides ist wesentlich für die Untersuchung von t-Quarks.Insbesondere tritt beim Single-Top-t-Kanal häufig ein Jet in Vorwärtsrichtung mit|η| > 2,5 auf. Die Analyse profitiert hier von der nahezu hermetischen Abdeckungdes Wechselwirkungsbereichs durch die Kalorimeter.

22

Page 31: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Abbildung 3.4: Das Myonspektrometer. Verwendet werden Driftkammern in ver-schiedenen Ausführungen, um einerseits Myonen als Triggersignal zu erkennen undandererseits um die Spuren der Myonen genau zu vermessen. Die Position der Sub-detektoren zur Vermessung der Spuren (MDTs) wird optisch überwacht [6].

3.1.4 Das MyonspektrometerHochenergetische Myonen spielen für ATLAS eine herausragende Rolle. Allgemeinkennzeichnen Leptonen die interessanten elektroschwachen Prozesse. Dank ihrer Fä-higkeit Materie weit zu durchdringen sind Myonen besonders gut rekonstruierbarund stellen die idealen Indikatoren für interessante Ereignisse dar. Das Myonspek-trometer des ATLAS-Experiments hat die Aufgabe dieses Potential auszunutzen,sowohl hinsichtlich der genauen Vermessung von Myonspuren, z.B. um das Higgs-Boson zu identifizieren (H → µµµµ), als auch zur schnellen Erkennung elektroschwa-cher Prozesse beim Triggern der Kollisionsereignisse.

Das Myonspektrometer ist in 16 Sektoren konzentrisch um die Strahlachse ange-ordnet. Der Zentralbereich besteht es aus drei Lagen mit Radien von 5 m, 7,5 m und10 m, wleche einen Bereich bis |η| = 1 abdecken. Die Ortsmessung in Detektorlagenbei diesen Radien bedeutet eine Messung an den Rändern des Feldvolumens derToroidmagnete sowie im inneren des Feldes. Der Bereich 1,0 < |η| < 2,7 wird durchdie Endkappen abgedeckt, die aus vier Scheiben bei Abständen von 7 m, 10 m, 14 m,und 21 m bis 23 m vomWechselwirkungsbereich aufgebaut sind. Es kommen vier ver-schiedene Technologien gasgefüllter Ionisationsdetektoren zum Einsatz. Zur genau-en Spurvermessung dienen vor allem Driftröhren, deren Position optisch überwachtwird (Monitored Drift Tubes, MDT). Sie bestehen aus Aluminiumröhren von 1,5 cmRadius und einer Länge zwischen 70 cm und 630 cm. Im Inneren ist ein Draht aus

23

Page 32: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

einer Rhenium-Wofram-Legierung gespannt, der eine Einzeldrahtauflösung von ca.80µm erreicht. In den Endkappen des Spektrometers, nahe am Wechselwirkungsbe-reich, wo höhere Teilchenflüsse auftreten, übernehmen Kathoden-Streifenkammern(Cathode Strip Chambers, CSC) die Spurmessung. Dies sind Vieldrahtproportio-nalkammern, bei denen das Signal auf segmentierten Kathoden ausgelesen wird.Die Kathoden sind einerseits senkrecht, andererseits parallel zu den Anodendrähtenausgerichtet, um zwei Koordinaten mit einer Kammer messen zu können. Die er-reichbare Ortsauflösung liegt hier bei ca. 60µm. Im Bereich |η| < 2,4 befinden sichTriggerkammern (Thin Gap Champers, TGC). Sie dienen dazu, den Zeitpunkt derStrahlkreuzung zu identifizieren, Triggersignale zur Datenauswahl zu liefern und dieMessung der Präzisionskammern durch eine weitere Koordinate zu ergänzen, typi-scherweise mit einer Auflösung von 5–10 mm . Im zentralen Bereich werden Platten-kammern zum Triggern (Resistive Plate Chambers, RPC) mit hohen elektrischenFeldstärken von ca. 4,5 kV/mm verwendet, die an zueinander senkrechten Streifenausgelesen werden. Die Triggerkammern der Endkappen sind dünne Vieldrahtpro-portionalkammern, bei denen allerdings der Abstand der Anoden zueinander größerist als jener zu den Kathoden. Das Signal wird über Streifen ausgelesen, die senk-recht zu den Anodendrähten angeordnet sind. Die Größe des Myonspektrometersverlangt Kenntnis über die Position der Kammern in der Größenordnung der intrin-sischen Auflösung und mechanischer Toleranzen, d.h. etwa 300µm genau. Dies istper Konstruktion nicht möglich. Deshalb wird die Ausrichtung der MDTs ständigoptisch überwacht.

Die mittlere magnetische Flussdichte im Spektrometer beträgt 0,5 T, das Feldist in etwa senkrecht zu Teilchenspuren vom Wechselwirkungspunkt ausgerichtet.Für die Spur eines Myons aus einem t-Quark-Zerfall mit einem Impuls von p =mt/3 ≈ 60 GeV ergibt sich auf einer Strecke von 5 m eine Abweichung von einergeraden Linie von 3,1 cm, was durch die Auflösung der Präzisionskammern deutlichunterschritten wird. Das Myonspektrometer ermöglicht es das Potential myonischerEndzustände auszunutzen, auch hinsichtlich der Erkennung interessanter Ereignissebei der Datennahme, die beim LHC eine besondere Herausforderung darstellt.

3.1.5 Trigger und DatenausleseDer gesamte Wirkungsquerschnitt für die pp-Kollisionen am LHC liegt in der Grö-ßenordnung von 100 mb. Dabei treten vor allem weiche QCD-Ereignisse auf. Dieinteressanten Ereignisse mit hohen Schwerpunktsenergien der wechselwirkenden Par-tonen sind hingegen sehr selten. Single-Top-Prozesse beispielsweise haben Wirkungs-querschnitte in der Größenordnung von 10 pb. Die anfallenden Daten müssen dement-sprechend effizient gefiltert werden. Aufgrund der großen Datenmenge ist es gar nichterst möglich, alle Kollisionsdaten aufzuzeichnen. Außerdem beansprucht das Ausle-sen der Detektorsignale zu viel Zeit, um Ereignisse seriell aufzeichnen zu können.Vielmehr muss die Strahlkreuzungsrate von 40 MHz auf eine Rate von etwa 100 Hzreduziert werden, mit der Ereignisse tatsächlich für Physikanalysen aufgezeichnetwerden. Dieses Filtern von Ereignissen, das Triggern, geschieht bei ATLAS in dreiStufen mit zunehmender Rechenzeit. Dass dabei die Zeitspanne von 25 ns zwischenzwei Strahlkreuzungen überschritten wird, ist schon per Konstruktion gegeben. EinMyon vom Wechselwirkungspunkt erreicht die Endkappe in 21m Entfernung erst

24

Page 33: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Abbildung 3.5: Schema des ATLAS Triggersystems. Die hohe Ereignissrate und diebeanspruchte Zeit zum Auslesen des Detektors machen eine drastische Reduktiondes Informationsflusses notwendig. Dies geschieht in drei Stufen mit zunehmenderRechenzeit [7].

nach 70ns, Signale der Detektorelektronik werden über ca. 100 m Kabellänge zurersten Triggerstufe geleitet, entsprechend 300 ns. Hinzu kommt die Rechenzeit derersten Triggerstufe von 2,4µs. Für diese Zeit werden alle Detektorsignale in Pipeline-Speichern bewahrt. Dem Triggersystem können verschiedene Objekte mit bestimm-ten pT-Schwellen zur Suche vorgegeben werden, z.B. Elektronen, Myonen, fehlendeTransversalenergie oder Jets. Abb. 3.5 zeigt das Trigger- und Datennahmesystemschematisch. Die erste Triggerstufe ist als Hardware in den Detektor integriert, wäh-rend die nachfolgenden Stufen als offline Prozessor-Farm realisiert sind. Anhand vonSignalen reduzierter Granularität aus den Kalorimetern und dem Myonspektrome-ter wird nach interessanten Signaturen gesucht. Die Ereignisse werden auf eine Ratevon 75kHz reduziert und zwischengespeichert. Dabei werden der zweiten Trigger-stufe Detektorbereiche mitgeteilt, die für die Triggerentscheidung besonders wichtigsind (Regions of Interest, RoI). Auf dieser Grundlage greift die zweite Triggerstrufeselektiv auf Daten aus dem Zwischenspeicher zu. Die Triggerentscheidung wird in ca.1 ms gefällt, wobei die Ereignisrate auf 1 kHz reduziert wird. Die letzte Entscheidungüber das Speichern eines Ereignisses trifft die dritte Stufe. Hier werden komplexereAlgorithmen angewendet, um das vorgegebene Triggerobjekt zu suchen. An dieserStelle werden die Signale des Ereignisses erstmals zusammengefasst. Es wird die ak-tuelle Detektorkalibrierung verwendet. Dieser letzte Filter reduziert schließlich dieEreignisrate auf ca. 100 Hz.

Um die große Datenmenge von ca. 15 Petabyte, die am LHC jährlich produziertwird, speichern, verteilen und analysieren zu können, haben sich Institute weltweitzum Worldwide LHC Computing Grid vernetzt. Seine Hierarchie besteht aus vierStufen (Tiers). Tier 0 ist das CERN Computer Centre, das von sämtlichen Datenpassiert wird. Ereignisse, die den Trigger passiert haben, werden dort den vollstän-

25

Page 34: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

digen Rekonstruktionalgorithmen unterzogen. Weitere 11 Standorte bilden weltweitzerstreut Tier 1 und etwa 140 Institute Tier 2. Mit dieser Struktur soll dem Nutzer(Tier 3) ein zuverlässiger und schneller Zugriff auf Daten gewährleistet werden [41].

3.2 Rekonstruktion physikalischer ObjekteNachdem ein Ereignis den Trigger passiert hat, müssen die Rohdaten aufbereitetwerden, damit sie in Physikanalysen verwendet werden können. Für jedes physikali-sche Objekt kommen spezielle Algorithmen zum Einsatz. Im Folgenden werden jeneObjekte diskutiert, die für die Single-Top-Analyse wichtig sind. Bei ATLAS werdenfür die jeweiligen Teilchensorten je nach Phasenraum verschiedene Rekonstruktions-algorithmen genutzt. Es geht an diese Stelle nur um jene Aspekte, die in der spätervorgestellten Analyse eine Rolle spielen [9].

3.2.1 ElektronenDer Standard-Elektronalgorithmus bei ATLAS ist ausgelegt für isolierte Elektro-nen mit hohem Transversalimpuls pT und zugehöriger Spurerkennung. Letzteresschränkt den Akzeptanzbereich auf |η| < 2,5 ein. Die Lücke zwischen dem Zentral-bereich und den Endkappen des EM-Kalorimeters, die sogenannte „crack-region” bei1,37 < |η| < 1,52, wird dabei ausgelassen. Der Algorithmus wird durch einen Clus-ter im EM-Kalorimeter initialisiert. Als Maß der Isolation dient die Variable Econe20

T ,welche die transversale Energie in einem Kegel von ∆R < 0,2 (vgl. Glg. 3.1) um dasElektron abzüglich der Elektronclusterenergie aufsummiert. Unter allen rekonstru-ierten Spuren wird die zum Cluster gehörende Spur über den minimalen Abstandin η und ϕ gewählt. Dabei müssen Cluster und Spur jeweils bestimmte Kriterienerfüllen, die für Elektronen typisch sind. Schnitte hinsichtlich des Clusters redu-zieren den Untergrund durch Hadronen. Beispielsweise sollte die im hadronischenKalorimeter gemessene Energie im Vergleich zur Gesamtenergie gering und die la-terale Ausdehnung des Schauers klein sein. Weitere Schnitte in Bezug auf die Spur,z.B. um Photokonversionen zu unterdrücken, fordern die Nähe zum Primärvertex,eine Mindesanzahl an Treffern in den Halbleiterdetektoren sowie ein Mindestmaßan Übergangsstrahlung. Schließlich soll auch die Energie des Clusters mit dem Im-puls der Spur im Rahmen der Auflösung übereinstimmen. Je nachdem, wie gut dieElektronkandidaten solche Schnitte erfüllen, werden sie in Güteklassen eingeordnet:

• Loose: Es werden die Ausdehnung des Schauers in der zweiten Lage des EM-Kalorimeters und der Anteil deponierter Energie im hadronischen Kalorimeteruntersucht. Diese Elektronklasse weist eine hohe Effizienz, zugleich aber aucheine geringe Reinheit auf.

• Medium: Hierbei werden weiterhin die Schauerbreite und die Homogenitätder Energiedeposition in der ersten Lage des EM-Kalorimeters, die Güte derSpur (Treffer in den Halbleiterdetektoren und Stoßparameter gegenüber demVertex) sowie die geometrische Verträglichkeit von Spur und Cluster herange-zogen.

26

Page 35: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

• Tight: Dieser Algorithmus betrachtet zusätzlich das Verhältnis von Spurimpulsund Clusterenergie, die Anzahl der Treffer im Übergangsstrahlungsdetektor,sowie das Verhältnis von Übergangsstrahlungs- zu einfachen Treffern in diesemDetektor. Die Anforderungen an den Stoßparameter werden verschärft.

Für Elektronen dieser Klassen muss noch ein erneuter Spur-Fit erfolgen, da a priorialle Spuren unter der Annahme eines Pions angepasst werden. Die Elektronspurre-konstruktion beachtet den Einfluss von Bremsstrahlung auf den Spurverlauf.

Für Signalelektronen in Physikanalysen werden typischerweise Kandidaten vomTyp „Tight“, also besonders gut als Elektron identifizierbare Objekte, verwendet. Eswird sich später zeigen, dass dies eine strenge Anforderung darstellt, welche die Effi-zienz der Analyse herabsetzt. Andererseits ist eine verlässliche Elektronidentifikationaufgrund der immensen Überhöhung des Untergrundes gegenüber den Signalereig-nissen unerlässlich. Ähnlich der Elektronrekonstruktion werden Photonen als Clusterim EM-Kalorimeter rekonstruiert, nur dass für Photonen freilich eine zum Clusterzeigende Spur mit einem Impuls entsprechend der Clusterenergie auszuschließen ist.

3.2.2 MyonenDer Algorithmus zur Myonrekonstruktion hat die Aufgabe Messungen des Spur-detektors und des Myonspektrometers zu kombinieren. Im sogenannen STACO-Algorithmus geschieht dies anhand einer Mittelung der beiden Messungen. Zunächstwerden aus allen inneren und äußeren Spuren, die bestimmte Qualitätskriterien er-füllen, Paare gebildet. Beide Spuren müssen in η und ϕ grob übereinstimmen. Eskann abgefragt werden, ob beiden Spuren die gleiche Ladung zugeordnet ist. Nunwird ein statistisches Verfahren angewandt. Seien P1 und P2 Vektoren, welche dieinnere, bzw. die äußere Spur parametrisieren. C1 und C2 seien die zugehörigen Ko-varianzmatrizen des Spurfit. Gesucht ist ein Vektor P , sodass folgendes χ2 minimalwird:

χ2 = (P − P1)TC−11 (P − P1) + (P − P2)TC−1

2 (P − P2) .

Das Ergebnis istP = C(C−1

1 P1 + C−12 P2) ,

C = (C−11 + C−1

2 )−1 .

Dabei ist C die Kovarianzmatrix des Vektors P . Das resultierende χ2 charakteri-siert die Güte dieser Spurkombination ortsabhängig. Nach einem Schnitt auf dasχ2 sowie möglichen Schnitten auf die Wahrscheinlichkeit, dass die kombinierte Spurder bereits festgestellten Ladung entspricht, sowie einem Vergleich der χ2-Werte ander Strahlachse und am Beginn des Myonspektrometers, wird die Kombination mitdem kleinsten χ2 an der Strahlachse als Myonkandidat gespeichert. Die verwende-ten inneren und äußeren Spuren werden gelöscht und der gesamte Algorithmus wirdwiederholt, bis keine Myonkandidaten mehr gefunden werden.

In der unten beschriebenen Analyse wird ein Schnitt auf den χ2-Wert gesetzt.Damit können Effizienz und Reinheit der Myonselektion kontrolliert werden. Ähnlichder Elektronselektion liegt hierin bereits ein wesentlicher Beitrag zur Effizienz derAnalyse.

27

Page 36: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

3.2.3 Jets und fehlende TransversalenergieBeim Hadronenbeschleuniger LHC treten Jets in den Endzuständen der meisten har-ten Streuprozesse auf. Die Hadronenbündel kennzeichnen allgemein Partonen mithohen Transversalimpulsen. Was ein Jet ist, wird erst durch den Jet-Algorithmusdefiniert. Bei der Hadronisierung wechselwirkt das Parton, welches den Jet induziert,mit farbgeladenen Teilchen in seiner Umgebung, sodass sein Impuls nicht allein inden Jetkegel fließen muss. Es gilt Algorithmen zur Jetkonstruktion zu finden, dieman auf Kalorimetereinträge wie auch auf Teilchen in Monte-Carlo-Simulationenanwenden kann, sodass ein Vergleich zwischen Theorie und Experiment möglichwird. Insbesondere sollte dieser Algorithmus nicht sensitiv auf das Auftreten kolli-near abgestrahlter sowie niederenergetischer Gluonen sein (collinear safe, infraredsafe), da für solche Prozesse in der QCD Divergenzen auftreten. Die Ergebnisse derJet-Konstruktion wären folglich instabil.

Darüber hinaus wird der aus einem harten Streuprozess resultierende Jet immerdurch weiche QCD-Prozesse überlagert. Dies sind zusätzliche Parton-Wechselwirkung-gen in der harten Proton-Proton-Kollision, Farbwechselwirkung mit den Restender Protonen, sowie die bei hoher Luminosität unvermeidlichen weiteren, weichenProton-Proton-Kollisionen. Der Jet-Algorithmus sollte darauf möglichst unempfind-lich sein und einfache geometrische Formen hervorbringen, die eine Korrektur dieserModifikationen erleichtern. All diese Bedingungen werden vom Anti-kT-Algorithmuserfüllt, der bei ATLAS zum Einsatz kommt [18]. Für die Eingangsobjekte (Monte-Carlo-Teilchen vor oder nach der Hadronisierung, Kalorimetereinträge, ...) wer-den paarweise Distanzen dij berechnet, sowie einzelne Größen di. Beim Anti-kT -Algorithmus gilt

dij = min k−2T i , k

−2Tj

∆R2ij

R2 ,

di = k−2T i .

Dabei ist ∆Rij der Abstand in η und ϕ. Ist die kleinste all dieser Größen eine Paa-rung dij, so wird das Paar (i,j) zusammengefügt, ist es eine der Größen di, so wirdaus (i) ein Jet. Die gefundenen Jets werden von der Liste entfernt und das Verfah-ren wiederholt. R ist ein Kontrollparameter für typische Radien von Jetkegeln. Stelleman sich eine Topologie mit einigen separierten harten Teilchen und vielen weichenTeilchen vor. Der Anti-kT-Algorithmus wird wegen ihren großen kT-Werten harteTeilchen mit weichen Teilchen in ihrer Umgebung kombinieren, womit er den vomursprünglichen Parton ausgehenden Partonschauer und die Hadronisierung nach-vollzieht. Praktisch angewandt wird er auf topologische Cluster, d.h. Energieanhäu-fungen benachbarter Kalorimeterzellen [11]. Schließlich ist es noch notwendig, dieEnergie des Jets zu kalibrieren. Dabei geht man zunächst von der elektromagneti-schen Skala (EM-Skala) aus, d.h. man nimmt an, dass alle Prozesse der Energied-epostion elektromagnetischer Natur sind. Diese Skalierung der Kalorimetersignalebasiert auf vorangegangenen Teststrahlmessungen mit Elektronen und Myonen anden Kalorimetern [3,4,14]. Um auf die Energie des Jets zu korrigieren, wird eine nachEnergiedichte gewichtete Addition der in den Zellen deponierten Energien durchge-führt. Diese Kalibrierung ist am H1-Experiment orientiert, wo eine umfangreicheStudie zu dieser Problemstellung durchgeführt wurde. Hierbei werden die Energienvon Zellen, die keinem Elektron oder Jet zugeordnet sind, auf der EM-Skala gezählt,

28

Page 37: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Jets zugeordnete Zellen werden auf der hierfür korrigierten Energieskala gezählt. BeiZellen in Elektronclustern wird die entsprechende Elektronenergie explizit beachtet.Die Addition der transversalen Energien wird gewichtet durchgeführt. Die Gewich-te richten sich nach den physikalischen Objekten wie Elektronen, Photonen oderJets, die den Zellen zuvor zugeordnet wurden. Außerdem werden Myonen in dieBerechnung einbezogen. Dabei wird von der kombinierten Impulsmessung des Spur-detektors und des Myonspektrometers die im Kalorimeter deponierte Myonenergieexplizit abgezogen, um doppelte Zählungen zu vermeiden. Für die im Kryostatenauftretenden Energieverluste müssen Korrekturen angewandt werden. Die x- bzw y-Komponente der fehlenden Transversalenergie ergibt sich jeweils aus der negativenSumme dieser Energien:

Emissx,y = −

∑Cluster

EKalox,y −

∑Myonen

EMyonx,y .

3.2.4 Erkennung von b-JetsIm allgemeinen ist es nicht möglich, aus den Eigenschaften eines Jets auf den Flavourdes ursprünglichen Partons zurückzuschließen. Die QCD, welche der Entstehung desJets zugrunde liegt, wirkt auf Gluonen und Quarks der verschiedenen Flavour sehrähnlich. Nur Jets, die von den schweren Quarks c und b hervorgerufen werden, bietenbesondere Merkmale. Da wiederum das t-Quark vor allem in b-Quarks zerfällt (vgl.Glg. 2.2), bietet die Erkennung von b-Jets ein mächtiges Werkzeug zur Erkennungvon t-Quark-Zerfällen.

Die Besonderheiten der b-Jets liegen vor allem in der Natur der B-Mesonen be-gründet, in welche die b-Quarks hadronisieren. Ihre hohe Lebensdauer (cτ = 459µm)ermöglicht es, Zerfälle in einigen mm Entfernung vom Primärvertex nachzuweisen(siehe auch Abschnitt 3.1.1). Außerdem ergeben ihre Zerfälle zu ca. 10% Myonen,was den Jet besonders kennzeichnet. Für das b-Tagging bei ATLAS wurden verschie-dene Identifikationsalgorithmen, die Tagger, entwickelt, die Jets hinsichtlich dieserBesonderheiten untersuchen. Die leistungsfähigsten Tagger beruhen auf der Lang-lebigkeit des B-Mesons. Einige von ihnen machen Gebrauch von Wahrscheinlich-keitsdichten der Spurparameter, die für Signal und Untergrund den Monte-Carlo-Simulationen entnommen werden, um die Messung damit zu vergleichen und miteinem Gewicht die Güte der b-Jet-Charakterisierung zu quantifizieren. Da in derAnfangszeit von ATLAS die Monte-Carlo-Simulationen noch validiert werden müs-sen, kommt zunächst ein einfacherer Tagger (SV0) zum Einsatz [13]. Er beruht aufder Rekonstruktion von Sekundärvertizes, deren Signifikanz als Gewicht dient. DieLeistungsfähigkeit des Taggers ist daher durch die Auflösung der Spuren gegeben.Aus allen Spuren innerhalb eines Jets wird jeweils paarweise ein Sekundärvertexrekonstruiert. Ist dieser verträglich mit der Hypothese eines K0

S- oder Λ0-Zerfalls,einer Photokonversion γ → e+e− oder einer Materialwechselwirkung, so werden die-se Spuren nicht weiter berücksichtigt. Die übrigen Spuren werden einem weiterenSekundärvertexfit unterzogen. Spuren mit großem Beitrag zum χ2 werden nachein-ander entfernt, bis der χ2-Wert klein genug ist. Die Signifikanz der Zerfallslängedient als Gewicht und ist mit einem Vorzeichen behaftet. Liegt der Sekundärvertexnicht im Halbraum des Jets wird sie negativ gesetzt. b-Jets weisen höhere Gewichte

29

Page 38: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

auf als andere Jets und werden mit einem Schnitt auf minimales Gewicht selektiert.Die Effizienz kann beispielsweise aus QCD-Multijet-Ereignissen bestimmt werden,indem man einen weiteren Tagger einsetzt, der auf der Erkennung von Myonen imJet beruht und mit SV0 unkorreliert ist.

30

Page 39: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Kapitel 4

Kinematischer Fit vonTeilchenzerfällen

Die Idee des kinematischen Fits besteht darin, einen Satz gemessener Teilchenimpul-se auf die Hypothese einer bestimmten Zerfallskette zu testen. Wesentliche Bestand-teile der Hypothese sind die invarianten Massen der zerfallenden Teilchen, welchesich in den kinetischen Energien der gemessenen Tochterteilchen manifestieren. Eskönnen auch weitere Zwangsbedingungen, wie zum Beispiel Impulserhaltung, ange-wandt werden. Die Entscheidung darüber, ob eine Hypothese zutrifft, wird anhanddes zu maximierenden Likelihood-Wertes, bzw. des zu minimierenden χ2-Wertesgetroffen. Diese Technik wird in der Teilchenphysik für verschiedene Zwecke einge-setzt. Eine prominente Anwendung sind Fits von Teilchenspuren. Mit der Hypo-these einer bestimmten Zerfallskette hilft der Fit einzelne Spuren in einen kausal-chronologischen Zusammenhang zu bringen. Eine hierzu verwandte Anwendung be-steht darin, die Teilchen eines Ereignisses den richtigen Enden einer Zerfallskettezuzuordnen. Ein Beispiel ist die in 2.1.2 erwähnte Massenbestimmung des t-Quarksaus tt-Ereignissen. Neben der Entscheiden zwischen verschiedenen Kombinationenenbietet der kinematische Fit auch die Möglichkeit, eine Messung zu ergänzen. Ist dasvorausgesetzte Modell umfassend genug, so müssen nicht alle Impulskomponentender Teilchen im Endzustand gemessen sein. Gibt es mehr Zwangsbedingungen alssolche freien Parameter in den Zwangsbedingungen, so kann die Messung durch denAnpassungstest modellabhängig vervollständigt werden.

In der kinematischen Rekonstruktion von Single-Top-Ereignissen kommt dieseVervollständigung zum Einsatz, da das Neutrino aus dem hier betrachteten leptoni-schen Zerfall des W-Bosons nicht mit dem Detektor wechselwirkt. Allein die fehlendeTransversalenergie gibt Auskunft über das Neutrino, sein Polarwinkel geht als un-gemessener Parameter in den Fit ein. Bei der assoziierten Single-Top-Produktion(Wt-Kanal) möchte man außerdem unterscheiden, ob im semileptonischen Fall dieLeptonen aus dem Zerfall des t-Quarks oder des assoziiert produzierten W -Bosonsstammen. Der Fit hilft dabei, die richtige Kombination zu finden. Darüber hinauskann auch ein Veto auf bestimmte Untergrundprozesse mithilfe eines geeignetenkinematischen Fits realisiert werden.

Der kinematische Fit wird im Rahmen dieser Arbeit also vielseitig verwendet.Dieses Kapitel beschäftigt sich mit seinen Grundlagen. Es wird zunächst die Ma-thematik des Fits behandelt, wie er im KinFitter-Paket durchgeführt wird, welches

31

Page 40: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

darauf folgend vorgestellt wird [25]. Bevor der Fitter zur Untersuchung von Single-Top-Prozessen eingesetzt wird, soll seine Leistungsfähigkeit zunächst im Rahmeneines Monte-Carlo-Spiels mit einer wohldefinierten Problemstellung demonstriertwerden. Anschließend wird der kinematische Fit für die Rekonstruktion einfacherZweikörperzerfälle bei ATLAS getestet.

4.1 Die Methode der kleinsten Quadrate mitnichtlinearen Zwangsbedingungen

Es wird nun das mathematische Gerüst des später anzuwendenden kinematischenFits diskutiert [17]. Es liegen n unverzerrte Messgrößen {yi}i=1,2,...,n und p Parameter{aj}j=1,2,...,p vor, welche nicht gemessen sind. Die Kovarianzmatrix der Messung seiCy. Auf Grundlage eines Modells sind statistische Schätzer für die Messungen ybzw. Lösungen für die Parameter a zu finden. Die Schätzungen sollen näher an diewahren Werte y führen, welche die Erwartungswerte der Messungen y sind. Diewahren Parameter seien a. Für diese Werte gelten m Zwangsbedingungen, welchedas Modell definieren:

fk(a, y) = 0 , k = 1,2,...,m .

Im allgemeinen weicht die Messung von y ab, wobei die Varianzen mit Cy gegebensind. Gesucht sind Korrekturen ∆y, sodass die Werte y + ∆y die Zwangsbedingun-gen erfüllen. Gleichzeit sollen die Abweichungen von den Messungen klein gehaltenwerden. Für den einfachen Fall unkorrellierter Messwerte, also C = diag(σ2

1,...,σ2n),

bedeutet die Methode der kleinsten Quadrate die Minimierung des Terms

χ2 =n∑i=1

(∆yi)2

σ2i

= ∆yTC−1y ∆y . (4.1)

Für den allgemeinen Fall ist es sinnvoll den letzten Ausdruck zu verallgemeinern.Sind die Messwerte korreliert, ist C−1

y also nicht diagonal, so würde man eine lineareTransformation von y wählen, die Cy bzw. C−1

y unter Anwendung des Fehlerfort-pflanzungsgesetzes diagonalisiert. Man kann leicht zeigen, dass das so transformier-te χ2 mit dem Ausdruck in Glg. 4.1 identisch ist. Es stellt sich nun die Aufgabe,das χ2 unter Einhaltung der Zwangsbedingungen zu minimieren. Hierzu dient derLagrange-Ansatz:

L = χ2(y) + 2m∑k=1

λkfk(a,y) .

Die Lagrange-Funktion L ist die Summe aus der zu minimierenden Funktion χ2

und den Zwangsbedingungen, die mit den Multiplikatoren λk multipliziert werden.Der Faktor 2 ist lediglich eine Konvention. Eine notwendige Bedingung ist, dass diepartiellen Ableitungen von L nach allen yi und λk verschwinden. Zusätzlich tretendie ungemessenen Parameter a auf, von denen χ2 implizit abhängt. Die Bedingung∂L/∂λk = 0 ∀k sorgt für die Erfüllung der Zwangsbedingungen. Für die Minimierung

32

Page 41: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

von χ2 ist weiterhin ∂L/∂aj = 0 ∀j zu fordern.1Im Falle linearer Zwangsbedingungen führt dieses Verfahren direkt zur Lösung.

Nichtlineare Zwangsbedingungen hingegen bedeuten nichtlineare Gleichungssyste-me, die nicht analytisch gelöst werden. Stattdessen wird das Problem auf den Falllinearer Zwangsbedingungen zurückgeführt. Die Linearisierung erfolgt so oft, bisbestimmte Konvergenzkriterien erfüllt sind, oder ein Abbruch nach zu vielen Itera-tionen beschlossen wird. Es seien y0 und a0 die Startwerte. Für y0 bieten sich dieMessungen selbst an, für a0 müssen sinnvolle Startwerte je nach Problemstellunggefunden werden. Seien y∗ und a∗ die Werte der Messgrößen und Parameter nachder letzten Iteration und ∆y∗ = y∗ − y0 bzw. ∆a∗ = a∗ − a0 die entsprechendenKorrekturen. Im ersten Iterationsschritt gilt ∆y∗ = 0 und ∆a∗ = 0. Weiterhin sei-en y und a die zu bestimmenden Werte der nächsten Iteration, ∆y = y − y0 und∆a = a − a0 seien die entsprechenden Korrekturen. Dann lauten die linearisiertenZwangsbedingungen

fk(a,y) ≈ fk(a∗,y∗) +p∑i=1

∂fk∂ai

(ai − a∗i ) +n∑i=1

∂fk∂yi

(yi − y∗i )

= fk(a∗,y∗) +p∑i=1

∂fk∂ai

(∆ai −∆a∗i ) +n∑i=1

∂fk∂yi

(∆yi −∆y∗i )

= f ∗ + A(∆a −∆a∗) +B(∆y−∆y∗) != 0 ∀k .

Dabei sind die Matrizen A ∈ Rm×p und B ∈ Rm×n sowie den Vektor f∗ ∈ Rn wiefolgt definiert:

Aij = ∂fi∂aj

(a∗,y∗) , Bij = ∂fi∂yj

(a∗,y∗) , f ∗i = fi(a∗,y∗) .

Weiterhin wird der Vektor c∗ ∈ Rn definiert,

c := A∆a∗ +B∆y∗ − f ∗ ,

sodass die Lagrange-Funktion folgende Form annimmt:

L = ∆yTC−1y ∆y + 2λT (A∆a +B∆y− c) .

Dabei sind λ die Multiplikatoren. Die Forderungen ∂L/∂yi = ∂L/∂∆yi = 0, ∂L/∂aj =∂L/∂∆aj = 0, ∂L/∂λk = 0 ∀i, j, k führen auf ein lineares Gleichungssystem ausm+ n+ p Gleichungen, aus dem ∆a, ∆y und λ bestimmt werden können: C−1

y 0 BT

0 0 AT

B A 0

∆y

∆aλ

=

00c

.

Zur besseren Übersicht werden noch folgende Matrizen definiert:

CB = (BCyBT )−1 ,

CA = (ATCBA) .1Äquivalent zu dieser Vorgehensweise ist es, den Lagrange-Ansatz wie üblich über ∂L/∂yi =

∂L/∂aj = 0 ∀i,j durchzuführen und anschließend χ2[y(a)] hinsichtlich a zu minimieren.

33

Page 42: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Damit lauten die Lösungen:

∆y = CyBTCB(1− AC−1

A ATCB)c ,∆a = C−1

A ATCBc ,λ = CB(AC−1

A ATCB − 1)c .

Neben den Werten selbst sind auch die Varianzen und Korrelationen von Interesse.Es werden zunächst folgende Matrizen definiert:

C11 = Cy(1−BTCBBCy +BTCBAC−1A ATCBBCy) ,

C21 = −C−1A ATCBBCy ,

C22 = C−1A .

Unter Anwendung des Fehlerfortpflanzungsgesetzes erhält man die Kovarianzmatrixdes Vektors (y, a):

C(y,a) =(C11 CT

21C21 C22

).

Die Iteration dieser Rechnungen führt letztlich zu einer (lokalen) Lösung des Pro-blems. Praktisch müssen hierzu Konvergenzkriterien definiert werden. Einerseits istein Minimum der χ2-Funktion zu erreichen, wozu man verlangt, dass diese sichzwischen zwei Iterationen betragsmäßig nur um einen kleinen Wert εχ2 ändert. Zu-sätzlich müssen die Zwangsbedingungen fk = 0 erfüllt sein. Dazu verlangt man, dassdie Summe ihrer Beträge einen kleinen Wert εf nicht überschreitet. Die Konvergenz-kriterien lauten also:

|χ2(y)− χ2(y∗)| < εχ2 ,m∑k=1|fk(a,y)| < εf .

Dieses Verfahren ist die allgemeinste Form der Methode der kleinsten Quadrate. Sieist transparent in ihrer Durchführung und vielseitig anwendbar. Um Ergebnisse derMethode zu interpretieren, wird insbesondere der Wert ∆yTC−1

y ∆y betrachtet, derhier suggestiv mit χ2 bezeichnet wurde. Für gaußverteilte Fehler und lineare Zwangs-bedingungen genügt diese Zufallsvariable tatsächlich einer χ2-Verteilung mit m− pFreiheitsgraden. Die Zahl der Freiheitsgrade ist anschaulich nachvollziebar: OhneZwangsbedingungen, das heißt m=0, sind die Messungen die beste Schätzung. DerFit ist trivial. Jede Zwangsbedingung bedeutet zusätzliche Information, welche dieMessungen zueinander in Beziehung setzt, ein Fit ist dementsprechend durchzufüh-ren. Jeder ungemessene Parameter verringert den Informationsgehalt. Das Modellmuss mehr Zwangsbedingungen als Parameter enthalten, um die triviale Lösung zuvermeiden. 2

2Anders als bei kinematischen Fits für Spuren wird die Anzahl an Freiheitsgraden nicht durch

34

Page 43: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Der hier beschriebene Fall unverzerrter Messungen ist praktisch nicht zu realisie-ren, systematische Messfehler verursachen Verzerrungen. Weiterhin kann auch dasModell fehlerbehaftet sein, sodass die Daten damit nicht vollkommen in Einklanggebracht werden können. Ein Beispiel wäre die Anwendung einer Zwangsbedingungmit falscher invarianter Masse. Um die Konsistenz zwischen Daten und Modell zuüberprüfen bietet es sich an, die Verteilungen der normierten Korrekturen zu über-prüfen (Pull-Verteilungen):

pi := ∆yiσi

. (4.2)

Die Standardabweichungen σi der Korrekturen ∆yi können einfach aus den bisheri-gen Ergebnissen berechnet werden. Es gilt σi =

√(Cy − Cy0)ii. Idealerweise sollten

diese Verteilungen den Mittelwert Null und die Standardabweichung Eins aufwei-sen. In Abschnitt 4.3 werden die Pull-Verteilungen untersucht, um die Konsitenz desFitters aufzuzeigen.

Die in diesem Abschnitt vorgestellten mathematischen Grundlagen werden in derspäter zu diskutierenden Analyse mit Hilfe des KinFitter-Pakets angewendet. Dabeikann man nicht exakt von gaußverteilten Fehlern ausgehen, und die verwendetenZwangsbedinungen der invarianten Massen sind nicht linear. Trotzem werden dieχ2-Verteilungen zu Grunde gelegt, um Wahrscheinlichkeiten für den Hypothesentestanzugeben, was in keinem Fall dramatisch ist, da es sich lediglich um eine monotoneAbbildung handelt.

4.2 Das KinFitter-PaketBeim Softwarepaket KinFitter handelt es sich um die Umsetzung der oben beschrie-benen Methode in der Programmiersprache C++. Die Software steht innerhalb derATLAS-Software ATHENA [5] zur Verfügung, kann aber auch davon gelöst, alleinmit unter Benutzung der ROOT-Bibliotheken [38] benutzt werden. Es werden ver-schiedene Zwangsbedingungen und Teilchenparametrisierungen angeboten, sodassder Fitter für eine Vielzahl von Ereignis- bzw. Zerfallstopologien eingesetzt werdenkann. Dabei muss der Nutzer lediglich die Zwangsbedingungen und Teilchen sowieKonvergenzkriterien festlegen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden weitereBestandteile in das originale KinFitter-Paket hinzugefügt, auf die an entsprechenderStelle eingegangen wird.

Um die Korrekturen ∆y und Parameter a zu berechnen, benötigt der Fitter injedem Iterationsschritt die letzten Werte der Zwangsbedingungen f(a∗,y∗), sowiedie Matrizen A und B. Die partiellen Ableitungen der Zwangsbedingungen sind inder Regel am einfachsten in kartesischen Koordinaten {Pi}i=1,...,n zu berechnen, wasnicht notwendigerweise der Teilchenparametrisierung {yi}i=1,...,n entspricht. Aus derKettenregel folgt

∂fk∂yi

=n∑j=1

∂fk∂Pj· ∂Pj∂yi

.

weitere Messungen erhöht, sie ist hier unabhängig von der Anzahl gemessener Teilchenimpulse.Darin liegt kein Widerspruch, denn die Anzahl an Freiheitsgraden wird erhöht, indem das Modelldie Messungen zueinander in Beziehung setzt, also durch Zwangsbedingungen. Beim Spurfit wirddie Spur durch das Modell parametrisiert, das heißt das Modell macht zu jedem Messpunkt eineAussage, entsprechend weiteren Freiheitsgraden.

35

Page 44: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Abbildung 4.1: Schema der KinFitter Software. Zwangsbedingungen und Teilchensind als eigenständige Objekte realisiert. Sie werden an ein zentrales Fit-Objektgekoppelt, mit dem die Fitprozedur durchgeführt wird. Dieser Aufbau gewährleistethohe Flexibilität in der Anwendung auf verschiedene Zerfallstopologien.

Nun kann ∂fk/∂Pj allein aus den Zwangsbedingungen berechnet werden, währendsich ∂Pj/∂yi allein aus der Teilchenparametrisierung ergibt. Dies legt eine bestimmteProgrammstruktur nahe, um den Code kompakt und die Benutzung flexibel zu ge-stalten: Es werden einzelne Objekte für Zwangsbedingungen und für Teilchen ange-legt, die jene Ableitungen berechnen und die notwendigen Größen an ein Fit-Objektliefern, mit dem die Ergebnisse ermittelt werden. Abbildung 4.1 zeigt das Prinzipdes Programms. Es findet folgender Ablauf statt:

1. Der Fitter erhält die aktuellen Werte der Zwangsbedingungen f(a∗,y∗).

2. Der Fitter erhält die Ableitungen ∂fk/∂Pj der Zwangsbedingungen sowie∂Pj/∂yi und ∂Pj/∂ai der Teilchen.

3. Unter Anwendung der Kettenregel werden aus diesen Ableitungen die MatrizenA und B berechnet.

4. Der Fitter berechnet die Korrekturen ∆y und ∆a. Dazu ist weiterhin nurnoch die Kovarianzmatrix Cy notwendig, die fest gespeichert ist. Die neuenWerte werden auf die Zwangsbedingungen und Teilchen angewandt.

5. Der Fitter prüft, ob die Konvergenzkriterien erfüllt sind. Ist dies nicht der Fall,so startet das Verfahren wieder bei Schritt 1.

In der vorliegenden Arbeit werden Teilchen in den Koordinaten (pT, η, ϕ) sowie(pT, ϑ, ϕ) parametrisiert. Um letztere Parametrisierung wurde das Paket erweitert.

36

Page 45: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Ebenfalls wurden die verwendeten Teilchenparametrisierungen derart korrigiert, dassdie Variable pT nicht negativ wird. Würde eine berechnete Korrektur ein negativespT hervorbringen, so wird der Korrekturvektor für den betroffenen Teilchenimpulssolange halbiert, bis pT wieder positiv ist. Ein relevanter Effekt auf das Konvergenz-verhalten des Algorithmus konnte allerdings nicht festgestellt werden.

Auf Seiten der Zwangsbedingungen können Massen einerseits als feste Werteund andererseits mit endlicher Breite in den Fit eingehen. Dazu wird eine zusätzli-che Variable eingeführt, die wie eine Messgröße behandelt wird. Ihr Startwert wirdentsprechend der wahrscheinlichsten Masse gesetzt. Die gauß-artige Massenzwangs-bedingung lautet

fM(a,y) = ‖∑i

pi(a,y)‖ − αM != 0 . (4.3)

Dabei sind pi die Teilchenimpulse, ‖·‖ steht für deren invariante Masse, undM ist diewahrscheinlichste Masse. Die besagte Variable α wird zur χ2-Funktion quadratischaddiert, als Gewichtung wird die relative Massenbreite Γ/M eingesetzt:

χ2 = ...+ (α− 1)2

(Γ/M)2 .

Der Fitter versucht also α nahe Eins zu setzen, was einer invarianten Masse M derbetroffenen Teilchen entspricht. Die quadratische Abhängigkeit des χ2 von α gibtAnlass diese Zwangsbedingung als Gauß-artig zu bezeichnen.

Diese Abhängigkeit ist genau genommen nicht gegeben. Tatsächlich sind Teil-chenmassen nach der Breit-Wigner-Funktion verteilt. Sie entspricht in guter Nähe-rung der Cauchy-Verteilung:

ϕBW (x) = 12π

Γ(x−M)2 + Γ2/4 . (4.4)

Dabei ist x die gemessene Teilchemasse, M ist ihr wahrscheinlichster Wert. Γ istdie Halbwertsbreite. Anders als die Gaußverteilung fällt diese Funktion sehr lang-sam, ein Mittelwert existiert gar nicht. Eine Gauß-artige Massenzwangsbedingungwürde großen Abweichungen vonM geringe Wahrscheinlichkeiten zuweisen. Ein rea-listischerer Ansatz sollte versuchen, die Zwangsbedingung so zu modifizieren, dassgroße Abweichungen von M verglichen mit der Gauß-artigen Zwangsbedingung ge-ringen Einfluss auf den χ2-Wert haben. Solche Überlegungen sind für die späterzu diskutierende Analyse relevant, da das χ2 helfen soll Signal und Untergrund zuunterscheiden, wobei das Signal eher kleine, der Untergrund eher große χ2-Wertehervorbringt. Daher wurde für die folgende Zwangsbedingung einer Breit-Wigner-verteilten invarianten Masse entwickelt:

fM,BW (a,y) =∫ ‖∑

ipi(a,y)‖

−∞ϕBW (x)dx−

∫ µ

−∞g(x; 0,1)dx != 0,

χ2 = ...+ µ2 . (4.5)Dabei ist g(◦; 0,1) die standardisierte Gauß-Wahrscheinlichkeitsdichte. Die Masse‖∑i pi(a,y)‖ wird also auf die Variable µ transformiert, welche dann zum χ2 qua-dratisch addiert wird. Das heißt es soll µ nahe null sein, was äquivalent zu einer Teil-chemasse naheM ist. In der Anwendung zeigt sich, dass diese Zwangsbedingung eher

37

Page 46: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

zu flachen Verteilungen der χ2-Wahrscheinlichkeit führt, wie es für ein zutreffendesModell und gaußisch verteilte Fehler zu erwarten ist. Allerdings kommt es mit der inGlg. 4.5 angegebenen Form zu numerischen Problemen bei der iterativen Suche nachdem oben erklärten Algorithmus. Dies war für die einfache gaußische Zwangsbedin-gung nach Glg. 4.3 nicht der Fall. Daher wird die Breit-Wigner-Zwangsbedingungäquivalent umgeformt, sodass sie von den Teilchenimpulsen in gleicher Weise ab-hängt wie die gaußische Zwangsbedingung. D.h. es wird auf Glg. 4.5 noch die Um-kehrfunktion der Stammfunktion von ϕM,BW angewendet. Die Zwangsbedingunglautet damit explizit:

‖∑i

pi(a,y)‖ = M + Γ2 tan

(√π

2

∫ µ

−∞e−

x22 dx− π

2

),

χ2 = ...+ µ2.

4.3 Test anhand eines Spiel-Monte-CarlosUm die wichtigsten Eigenschaften des kinematischen Fits zu untersuchen und umdie Anwendbarkeit der Software zu testen, soll zunächst die Anwendung auf einSpiel-Monte-Carlo erfolgen. Dabei werden bereits Erkenntnisse gewonnen, die fürdie Anwendung bei der Single-Top-Analyse wichtig sind. Ein solcher Ansatz wurdebereits von den Autoren des KinFitter-Pakets durchgeführt [25]. Dabei wurden demFitter die Teilchenimpulse eines einzelnen semileptonischen tt-Ereignis übergeben.Diese wurden dann gemäß der übergebenen Varianzen mit einer Gaußverteilung ver-schmiert und auf die Hypothese tt→ lνb+ qq′b getestet. Es konnte gezeigt werden,dass die χ2-Wahrscheinlichkeit gleichverteilt ist, die Pull-Verteilungen standardisier-te Gaußverteilungen sind und dass die Massen der t-Quarks nach dem Fit näher ander t-Quark Masse liegen, welche dem Fit als Voraussetzung übergeben wurde.

Dieser Test soll nun in verbesserter Form durchgeführt werden. Dabei soll derFit auf die Single-Top-Topologie angewandt werden, bei der weniger Zwangsbe-dingungen vorkommen. Außerdem sind die Breit-Wigner-Zwangsbedingung und dieTeilchenparametrisierung in (pT, ϑ, ϕ) zu testen. Hinzu kommt, dass der Aufbau desin [25] beschriebenen Spiel-Monte-Carlos nicht alle Aspekte des Fits abdeckt. Eswird ständig das gleiche Ereignis getestet, nur die Verschmierungen der Teilchen-impulse fallen unterschiedlich aus. Dies soll verbessert werden, indem für jeden Fitdie Kinematik des Zerfalls neu gewürfelt wird, sodass der gesamte Phasemraum derZerfallstopologie abgedeckt wird.

Das Monte-Carlo beginnt in jedem Durchgang damit, die Massen des t-Quarksund des W -Bosons gemäß der entsprechenden Breit-Wigner-Verteilung zu würfeln.Das t-Quark zerfällt isotrop in ein W-Boson und ein b-Quark. Weiterhin zerfalle dasW -Boson isotrop in ein Elektron und ein Neutrino. Der Einfachheit halber werdendas b-Quark und das Elektron als masselos betrachtet. Dass durch die Annahme derIsotropie die Spinkorrelation des Zerfalls missachtet wird, ist an dieser Stelle nichtvon Bedeutung. Die wahren Impulse werden nun gaußverteilt verschmiert. Dazu wer-den Varianzen der Impulskomponenten angesetzt, die in der Größenordnung typi-scher Messfehler liegen. Korrelationen werden nicht angesetzt. Die so verschmiertenTeilchenimpulse und ihre Kovarianzmatrizen werden nun dem Fitter übergeben. Für

38

Page 47: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

das Elektron und das b-Quark wird die Parametrisierung (pT, η, ϕ) verwendet, diesich als numerisch robust erwiesen hat. Für das Neutrino brachte diese Parametrisie-rung allerdings Probleme mit sich. Die invarianten Massen, wie sie in den Zwangsbe-dingungen vorkommen, hängen empfindlich von den Impulskomponenten ab, sodassder Algorithmus Schwierigkeiten hat, die ungemessene Neutrino-Komponente η zubestimmen. Als Ausweg wurde für das Neutrino die Parametrisierung (pT, ϑ, ϕ) ge-wählt, sodass das Problem periodisch in der ungemessenen Komponente ϑ ist. Führteine Korrektur für ϑ weit weg von der Lösung, so sorgt die Periodizität dafür, dassder Neutrinoimpuls trotzdem keinen unphysikalischen Wert annimmt. Damit wirdder Fit stabilisiert. Der kinematische Fit für ein Single-Top-Ereignis, wie er auchspäter verwendet werden wird, hat also folgende Bestandteile:

Elektron: ~pe =

pTe cosϕepTe sinϕepTe sinh ηe

b-Quark: ~pb =

pTb cosϕbpTb sinϕbpTb sinh ηb

Neutrino: ~pν =

pTν cosϕνpTν sinϕνpTν/ tanϑν

, ϑν ungemessen

χ2 = (~pe,fit − ~pe,start)T C−1e (~pe,fit − ~pe,start)

+ (~pb,fit − ~pb,start)T C−1b (~pb,fit − ~pb,start)

+(~pνx,y ,fit − ~pνx,y ,start

)TC−1νx,y

(~pνx,y ,fit − ~pνx,y ,start

)!= minimal

Zwangsbedingung des t-Quarks: fMtop,BW (~pe, ~pν , ~pb) = 0Zwangsbedingung des W -Bosons: fMW ,BW (~pe, ~pν) = 0

Mit diesem Ansatz kann der Fit durchgeführt werden. Die letzte offene Frage be-steht im Startwert des Ploarwinkels ϑν für das Neutrino. Man kann einen festen Wertansetzen oder versuchen, den wahren Wert vor dem Fit abzuschätzen. Dazu kannman versuchen, für das jeweilige massive Teilchen die Gleichung ‖∑i pi‖ = Mt,W

nach ην aufzulösen. Ist die Gleichung lösbar, so erhält man zwei Lösungen. Ansons-ten verwendet man den Wert ην , für den die invariante Masse der Teilchen Mt,W

am nächsten ist. Findet man für beide Massen nur dieses Minimum, so wird derenMittelwart als Startwert gewählt. Ergeben sich für beide Massen Lösungen, so wirdder Mittelwert der Lösungen ηtop1,2

ν , ηW1,2ν mit dem kleinsten Abstand zueinander ge-

wählt. Ergeben sich für eine Masse Lösungen, aber für die andere nur das Minimum,so wird der Mittelwert aus dem Minimum und der dazu am nächsten gelegenen Lö-sung als Startwert angesetzt. Dieser Algorithmus zur Startwertbestimmung führthäufiger zur Konvergenz des Fits und zu kleineren χ2-Werten. Es folgen nun diewesentlichen Ergebnisse eines Tests mit 100.000 Zufallsexperimenten. Der Fit kon-vergiert in ca. 95% aller Versuche. Abbildung 4.2 zeigt, dass die χ2-Verteilung der

39

Page 48: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Abbildung 4.2: χ2-Verteilung für ein Single-Top-Spiel-Monte-Carlo. Die theoreti-sche χ2-Verteilung für einen Freiheitsgrad wird vom Fit für beide Zwangsbedin-gungen jeweils gut wiedergegeben. Für die gaußische Zwangsbedingung treten Ab-weichungen von der Erwartung bei großen χ2-Werten auf. Für die Breit-Wigner-Zwangsbedingung gibt es eine begrenzte Anhäufung bei höheren χ2-Werten.

Abbildung 4.3: χ2-Wahrscheinlichkeit für ein Single-Top Spiel-Monte-Carlo. Jenseitskleiner Wahrscheinlichkeiten sind beide Verteilungen erwartungsgemäß flach. Beikleinen Werten tritt für beide Arten von Zwangsbedingungen jeweils eine Häufungauf. Für die Breit-Wigner-Zwangsbedingung ist dieses Maximum allerdings wenigerscharf, was hinsichtlich der Selektionseffizienz von Signalereignissen günstig ist.

theoretischen Erwartung entspricht. Die χ2-Wahrscheinlichkeit sei hier wie auch imweiteren Verlauf dieser Arbeit wie folgt definiert

P (χ2) =∫ ∞χ2

f1(u)du . (4.6)

Dabei ist f1 die χ2-Wahrscheinlichkeitsdichte bei einem Freiheitsgrad. Da es sichbei P (χ2) um eine Wahrscheinlichkeit handelt, ist eine Gleichverteilung zu erwar-ten. Dies ist nicht ganz der Fall, allerdings ist das Maximum für die Breit-Wigner-

40

Page 49: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

(a) t-Quark Masse

(b) W -Boson Masse

Abbildung 4.4: Wahre und rekonstruierte Masse des t-Quarks und desW -Bosons imSpiel-Monte-Carlo. Die Massen werden sehr gut rekonstruiert. Die resultierendenBreiten sind allerdings kleiner als die wahren Massenbreiten.

Zwangsbedingung weniger scharf als für den Ansatz einer gaußischen Massenvertei-lung. Dieses Verhalten ist günstig hinsichtlich der Selektionseffizienz bei Analysen,in denen wie im folgenden Abschnitt eine minimale χ2-Wahrscheinlichkeit gefor-dert wird. Tatsächlich zeigte die Breit-Wigner-Zwangsbedingung auch eine besse-re Trennung von Signal und Untergrund bei der im nächsten Kapitel diskutiertenSingle-Top-Analyse. Deshalb wird im folgenden diese Zwangsbedingung verwendet.

Die oben beschriebene Wahl des Startwertes des Neutrinos führt zu einer häufi-geren Konvergenz von 95% aller Fälle statt 93% sowie zu einer flacheren Verteilung(P (χ2) = 0,48 statt P (χ2) = 0,44). In Abb. 4.3 werden die Massen des t-Quarks unddesW -Bosons verglichen. Die Massen werden richtig konstruiert, allerdings wird dieMassenbreite unterschätzt. Dies bringt der in Abschnitt 4.2 beschriebene Ansatzzwangsläufig mit sich. Für χ2 erwartet man einen Wert nahe Eins. Demzufolge sinddie Massenparameter µ eher kleiner als Eins und die rekonstruierten Massen liegennahe an den wahrscheinlichsten Massen. Abbildung 4.5 zeigt exemplarisch einige re-konstruierte Impulskomponenten und die zugehörigen wahren Größen im Vergleich.Man sieht für die Impulskomponenten des Elektrons eine sehr gute Übereinstim-mung zwischen Rekonstruktion und wahren Werten. Die Standardabweichungen derVerteilungen entsprechen genau jenen Standardabweichungen, mit denen die wahren

41

Page 50: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

(a) Elektron-pT (b) Elektron-η

(c) Elektrons-ϕ (d) Neutrino-pz

Abbildung 4.5: Abgleich rekonstruierter und wahrer Impulskomponenten im Single-Top-Spiel-Monte-Carlo. Exemplarisch werden alle Komponenten des Elektrons ge-zeigt. Die Rekonstruktion funktioniert sehr gut. Die Auflösungen entsprechen dengewählten Verschmierungen der wahren Impulskomponenten. Bei der ungemessenenz-Komponente des Neutrinos treten allerdings teilweise große Abweichungen auf.

Impulse vor der Rekonstruktion verschmiert wurden. Dagegen ist die Rekonstruktionder nicht gemessenen z-Komponente des Neutrinos relativ ungenau. Teilweise weichtder rekonstruierte Wert um ein Vielfaches vom wahren Wert ab. Es tritt sogar eineAsymmetrie auf. Die z-Komponente wird tendenziell unterschätzt. Die Ursache fürdieses Verhalten ist bisher unklar. Sie muss jedenfalls in der Numerik der Fitproze-dur und nicht im Aufbau des Algorithmus liegen, da das hier beschriebene Problemisotrop ist. Hier besteht noch Verbesserungsbedarf. Es wird zu beobachten sein, wiediese Abweichung in Single-Top-Monte-Carlo-Simulationen bei ATLAS ausfällt. Dieweiteren Verteilungen für das b-Quark und das Neutrino werden hier nicht gezeigt.Sie entsprechen den positiven Ergebnissen beim Elektron. Schließlich zeigt Abb. 4.6noch die oben erwähnten Pull-Verteilungen. Es handelt sich tatsächlich um Vertei-lungen mit dem Mittelwert Null. Die Standardabweichung weicht allerdings um 5%vom zu erwartenden Wert Eins ab.

Es lässt sich feststellen, dass der hier verwendete kinematische Fit zur Single-Top-Rekonstruktion geeignet ist. Die resultierende χ2-Verteilung entspricht weit-gehend der mathematischen Erwartung. Die Rekonstruktion der ungemessenen z-Komponente des Neutrinos zeigt noch eine Verbesserungsmöglichkeit auf. Die Re-konstruktion der Messgrössen funktioniert hingegen sehr gut. Der Fit sollte damitzur Signalextraktion in Single-Top-Analysen beitragen können.

42

Page 51: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

(a) Elektron-pT (b) b-Quark-η

Abbildung 4.6: Pull-Verteilungen im Spiel-Monte-Carlo am Beispiel des Transver-salimpulses pT des Elektrons und der Pseudorapidität η des b-Quarks. Die übrigenPull-Werte sind im wesentlichen von gleicher Verteilung wie bei diesen Beispielen.Theoretisch werden standardisierte Gauß-Verteilungen erwartet. Tatsächlich sinddie Mittelwerte Null, die Standardabweichungen fallen um 5% zu groß aus.

4.4 Rekonstruktion einfacher Zerfälle bei ATLASNachdem die Anwendung des kinematischen Fits auf einem übersichtlichen Spielfeldgetestet und seine Eigenschaften untersucht wurden, geht es nun um eine ungleichkomplexere Umgebung. Die Methode wird auf simulierte pp-Kollisionsereignisse beiATLAS angewendet. Um die Eigenschaften des Fits schrittweise untersuchen zukönnen, werden zunächst einfach zu rekonstruierende Zweikörperzerfälle untersucht.Neben Effizienzstudien der Rekonstruktionsmethode läßt sich hier auch testen, in-wieweit die vom Spurfit gelieferten Kovarianzmatrizen, welche für den kinematischenFit benötigt werden, vertrauenswürdig sind. Zum Vergleich bietet sich eine schnitt-basierte Analyse an, bei der man das Mutterteilchen zweier detektierter Töchtereinfach durch einen Schnitt auf die invariante Masse des Systems der Töchter re-konstruiert. Dabei gelten alle Paare von Tochterteilchen mit einer invarianten Masseinnerhalb eines definierten Fensters um die Masse des Mutterteilchens als Zerfalls-kandidaten.

4.4.1 Schnittbasierte Rekonstruktion und kinematischer Fitvon K0

S-MesonenZunächst soll der Zerfall von Kaonen in zwei Pionen K0

S → π+π− betrachtet werden.Für diese Studie werden simulierte QCD-Multijet Ereignisse verwendet, welche einegroße Anzahl an K0

S-Zerfällen enthalten (vgl. Anhang A). Für die schnittbasierteAnalyse wird ein Massenfenster MK0

S∈ (M↓,M↑) gewählt,

M↓ < ‖pπ+ + pπ−‖ < M↑ .

Der kinematische Fit hingegen fordert zwar etwas mehr Rechenaufwand, mit denKovarianzmatrizen Cp

π+/− der Pionspuren wird allerdings auch mehr Informationverarbeitet. Weiterhin wird die Entscheidung, ob es sich um ein Kaon handelt,

43

Page 52: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

mit einem kontinuierlichen Wahrscheinlichkeitsmaß beantwortet. Irreduzibler Un-tergrund kann freilich auch damit nicht vermieden werden. Die Bedingungen derkinematischen Rekonstruktion lauten nun

χ2 = (∆pπ+)TC−1

pπ+ (∆pπ+) + (∆pπ−)TC−1pπ−

(∆pπ−) != minimal,

sowie ‖pπ+ + pπ−‖ = MK0S.

Die Größen ∆pπ+/− stehen für die Abweichungen zwischen den statistischen Schät-zern und den gemessenen Pionimpulsen. Für das langlebige Kaon kann die endlicheMassenbreite vernachlässigt werden. Die verwendete Kaonanalyse wurde eigentlichdazu entwickelt, Fehlidentifikationsraten für Elektronen und Myonen zu bestimmen.Eine Rekonstruktion von Kaonzerfällen K0

S → π+π− mit hoher Reinheit liefert zu-verlässig Spuren von Pionen. Diese Pionspuren werden für die Bestimmung der Fehl-identifikationsraten verwendet. Weist die Rekonstruktion der Daten die Pionspureinem Elektron zu, so hat der Elektronalgorithmus versagt [15, 16, 27, 39]. Die ausdiesem Ansatz hervorgegangene Kaonanalyse wird hier aufgegriffen, um die schnitt-basierte Methode mit dem kinematischen Fit zu vergleichen. Es werden in jedemEreignis alle Sekundärvertizes mit zwei Spuren entgegengesetzter Ladung gesucht.Dabei werden zunächst folgende Auswahlkriterien angewendet:

• Der Sekundärvertexfit und beide Spurfits müssen jeweils eine bestimmte Güteaufweisen (χ2/ndf ≤ 1,5).

• Die Spuren müssen einen Transversalimpuls von mehr als 500 MeV aufweisen.

• Der Sekundärvertex muss transversal mindestens 2 cm vom Primärvertex ent-fernt sein.

• Der Winkel zwischen dem Kaonimpuls und der Verbindungsachse von Primär-und Sekundärvertex muss nahe Null sein (cos θ > 0.9999).

Nach dieser Vorauswahl hängt die Selektionsentscheidung nur noch von der Rekon-struktionsmethode ab. Dabei kann für jeden Kaonkandidaten entschieden werden,ob tatsächlich ein Kaon selektiert wurde. Die Einträge im Spurdetektor, die den re-konstruierten Pionspuren zugeordnet sind, werden verglichen mit den wahren Tref-fern simulierter Teilchen im Detektor. Der Spur wird dann jenes wahre Teilchenzugeordnet, für das die meisten Treffer entlang der Spur übereinstimmen. Der An-teil übereinstimmender Spurpunkte definiert ein Maß der Zugehörigkeit. Für alleKaonrekonstruktionen wird ein Mindestmaß für beide Spuren verlangt (10−4), da-mit überhaupt eine Assoziation zu einem wahren Teilchen vorgenommen werdenkann. Um ein wahres Kaon festzustellen, wird ein hohes Maß für beide Spuren ge-fordert (96%). Die zugeordneten wahren Spuren müssen dann tatsächlich ein π+

bzw. π− aus einem K0S-Zerfall sein. Diese Analyse bietet die Möglichkeit, den ki-

nematischen Fit mit einer schnittbasierten Analyse zu vergleichen. Abbildung 4.7zeigt die Verteilung der invarianten Masse bei der schnittbasierten Methode, sowiedie Verteilung der χ2-Wahrscheinlichkeit des kinematischen Fits, jeweils für wahreund für fehlidentifizierte Kaonen. Um nun Kaonen zu selektieren, wählt man bei derschnittbasierten Methode alle Kandidaten, deren invariante Masse höchstens umeinen bestimmten Wert ∆MK0

Svon der Kaonmasse abweicht. Beim kinematischen

44

Page 53: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Fit werden alle Kandidaten mit einer χ2-Wahrscheinlichkeit größer P (χ2)min selek-tiert. Die Abbildungen 4.8 und 4.9 zeigen die Effizienzen und Reinheiten der zweiMethoden für die jeweiligen Selektionen.

Bei der schnittbasierten Methode fallen einige Pionpaare in den Bereich derKaonmasse, der Signalanteil wird umso größer, je näher die invariante Masse desPionpaares der Kaonmasse ist. In der Darstellung der Ereignisszahlen gegen die χ2-Wahrscheinlichkeit des kinematischen Fits zeigt sich eine klare Trennung zwischenwahren Kaonen und dem Untergrund. Für das Signal ist die Verteilung relativ flach.Dass es sich nicht um eine vollkommene Gleichverteilung handelt, weist auf kleine-re Fehler bei den Kovarianzmatrizen hin, die aus den Spurfits übernommen werden.Für den Untergrund ergibt sich eine Häufung bei kleinen Wahrscheinlichkeiten. Ent-fernt man nun alle Kandidaten mit solch kleiner Wahrscheinlichkeit, so erhält manein Ensemble hoher Reinheit. Vergleicht man die Effizienz und Reinheit für beideMethoden, so zeigt sich, dass mit dem kinematischen Fit eine höhere Reinheit beigleichen Effizienzen erzielt werden kann. Es zahlt sich hier aus, dass auch die Auf-lösungen der Spuren in die Rekonstruktion eingehen, sodass der Fitter die Impulseim Rahmen dieser Auflösung variieren kann.

45

Page 54: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

(a) K0S Massenverteilung

(b) χ2-Wahrscheinlichkeit der K0S-Rekonstruktion

Abbildung 4.7: Signal und Untergrund der K0S → π+π−-Rekonstruktion in simulier-

ten QCD-Multijet-Ereignissen schnittbasiert (a) und mit kinematischem Fit (b).Die Anzahl Ereignisse ist gegen die invariante π+π−-Masse bzw. gegen die χ2-Wahrscheinlichkeit des Fits aufgetragen.

46

Page 55: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

(a) Effizienz beir der schnittbasierten Analyse (b) Effizienz beim kinematischen Fit

(c) Reinheit beir der schnittbasierten Analyse (d) Reinheit beim kinematischen Fit

Abbildung 4.8: Effizienzen und Reinheiten der K0S → π+π−-Rekonstruktion nach

Schnitten auf die maximale Abweichung zwischen der invarianten π+π−- undder K0

S-Masse für die schnittbasierte Rekonstruktion (a),(c) und auf die χ2-Wahrscheinlichkeit für den kinematischen Fit (b),(d). Reinheit bezeichnet das Ver-hältnis von selektierten Signalereignissen zur Gesamtheit der selektierten Ereignisse.

Abbildung 4.9: Effizienz gegen Reinheit bei der K0S-Rekonstruktion für die schnitt-

basierte Methode und für den kinematischen Fit. Mit dem Fit kann eine höhereReinheit bei gleichen Effizienzen erzielt werden.

47

Page 56: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

4.4.2 Kinematischer Fit von Z-BosonenAls weiterer Schritt soll nun die Rekonstruktion von Zerfällen von Z-Bosonen inein e+e−-Paar sowohl in simulierten als auch in echten pp-Kollisionsereignissen un-tersucht werden. Es werden Daten der ATLAS-Periode F verwendet. Sie wurdenim August 2010 aufgenommen und entsprechen einer integrierten Luminosität von1,81 pb−1 (Run 162347 bis 162882). Weiterhin werden die im Anhang A angegebenenMonte-Carlo-Simulationen eingesetzt.

Selektiert werden alle Ereignisse, auf die der Trigger „L2_e15_loose” anspricht,der auch in der später diskutierten Single-Top-Analyse benutzt werden wird. Dasses sich um einen Trigger der zweiten Stufe (Level 2) handelt, ist der Tatsache ge-schuldet, dass sich die Datennahme bei ATLAS noch in einem frühen Stadium be-findet und Trigger der dritten Stufe erst in Betrieb genommen werden mussten. Der„L2_e15_loose” Trigger wendet einen Rekonstruktionsalgorithmus für Elektronenauf Daten aus den interessanten Detektorbereichen an (Regions of Interest, vgl.Abschnitt 3.1.5). Diser Algorithmus entspricht der Offline-ElektronRekonstruktion(vgl. Abschnitt 3.2.1). Für rekonstruierte Elektronen mit pT>15 GeV passiert dasEreignis den Trigger. Weiterhin werden nur Ereignisse mit genau einem Elektronund einem Positron der Klasse „Tight” selektiert, jeweils mit pT>15 GeV, |η|<2,5und ECone20

T <6 GeV (vgl. Abschnitt 3.2.1). Für diese Ereignisse wird der Fit durchge-führt. Er ähnelt im Prinzip der K0

S-Rekonstruktion, allerdings wird hier die Zwangs-bedingung Breit-Wigner-verteilter Massen verwendet. Der Zentralwert der Vertei-lung ist 91,2 GeV und ihre Breite ist 2,5 GeV entsprechend der Z-Resonanz. Abbbil-dung 4.10 zeigt die invariante Masse, den Transversalimpuls und die Rapidität desrekonstruierten Z-Bosons sowie die χ2-Wahrscheinlichkeit des kinematischen Fits fürDaten und Simulation.

In Daten werden 270 Z-Bosonen gefunden. Die auf die Luminosität der Datennormierten Verteilungen der simulierten Ereignisse stimmen sowohl in der Form alsauch in den Ereignisszahlen mit den Daten weitgehend überein. Lediglich die Rapidi-tät der Z-Bosonen erscheint für die Simulationen flacher als in Daten. Die Verteilungder χ2-Wahrscheinlichkeit zeigt erst oberhalb von 0,5 den erwarteten flachen Verlauf.Bei kleineren Werten tritt ein ausgeprägteres Maximum als beim Spiel-Monte-Carloauf (vgl. Abschnitt 4.3). Dies kann zum einen durch die Kovarianzmatrizen derElektronen bedingt sein, in denen Bremsstrahlung nicht vollständig berücksichtigtwerden kann. Weiterhin verläuft der Streuprozess auch mit Photonabstrahlung imEndzustand, qq → Z/γ∗ → e+e−γ. Derartige Effekte sind schon an der asymme-trischen Massenverteilung des Z-Bosons zu erkennen (siehe Abb. 4.10(a)), bei demoftmals eine Masse unterhalb der wahrscheinlichsten Masse rekonstruiert wird. Dassder Fit zu kleinen Wahrscheinlichkeiten neigt ist daher nur folgerichtig. Die Datenwerden nahezu vollständig durch die Simulation des Prozesses pp → Z + Jets + Xreproduziert. Alle Untergründe sind im ausgewählten Datensatz stark unterdrückt.Die entsprechenden simulierten Ereignisse werden vom kinematischen Fit in denBereich kleiner Wahrscheinlichkeiten verwiesen.

48

Page 57: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

(a) invariante Masse (b) Transversalimpuls

(c) Rapidität (d) χ2-Wahrscheinlichkeit

Abbildung 4.10: Ergebnisse des kinematischen Fits von elektronisch zerfallenden Z-Bosonen in ATLAS-Daten und Vergleich mit Monte-Carlo-Simulationen. Zu sehensind die invariante Masse, der Transversalimpuls und die Rapidität des Z-Bosonssowie die χ2-Wahrscheinlichkeit des kinematischen Fits. Die Ergebnisse aus simu-lierten Ereignissen wurden auf die integrierte Datenluminosität von 1,81 pb−1 nor-miert. Es kann eine weitgehende Übereinstimmung von simulierten und echten Datenfestgestellt werden. Die wenigen vorhandenen Untergrundereignisse häufen sich beigeringen χ2-Wahrscheinlichkeiten.

49

Page 58: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Kapitel 5

Single-Top-Analyse

Es wird nun die Suche nach elektroschwacher Produktion einzelner t-Quarks beiATLAS untersucht. Die Ausgangssituation wurde in Kap. 2 bereits erörtert: DieSeltenheit der Single-Top-Ereignisse und ihre Ähnlichkeit zu tt- und W+Jets-Er-eignissen stellen hohe Anforderungen an die Extraktion des Signals. Im Folgendengilt es die Frage zu beantworten, welchen Beitrag die soeben im Detail studierteMethode des kinematischen Fits hierzu leisten kann. Die Motivation zu diesem An-satz besteht darin, dass durch den Fit der massiven Teilchen Charakteristika derZerfallstopologie genutzt werden, wie sie von einer schnittbasierten Analyse nichterfasst werden können. Weiterhin handelt es sich um einen methodisch robustenAnsatz, der weniger stark von der Güte der Monte-Carlo-Simulationen abhängt alsmultivariate Methoden, deren Ansatz in der Simulation selbst besteht.

Der kinematische Fit wird auf geeignete Topologien angewandt, und es soll nachgeeigneten Selektionskriterien gesucht werden. Dabei handelt es sich nicht um einevollständige Analyse, die stand-alone zur beabsichtigten Messung verwendet wer-den könnte. Neben der Signalextraktion stellt sich das Problem der Normierung derUntergründe sowie der Bestimmung des Wirkungsquerschnitts auf diesen Grundla-gen. Entsprechende Ansätze wurden ebenfalls in Kap. 2 genannt und sind nicht Teilder hier betrachteten Fragestellung. Der Fokus liegt im Folgenden darauf, anhandder gegebenen Monte-Carlo-Simulationen Strategien zur Signalextraktion zu entwi-ckeln. Wie in Kap. 2 erwähnt, ist schon für frühe Single-Top-Messungen bei ATLASeine Dominanz der Unsicherheit im Wirkungsquerschnitt durch systematische Feh-ler zu erwarten, insbesondere durch die Normierung der Untergründe. Deshalb sollbei der Entwicklung der Analyse die Erhöhung des Signalanteils im Ensemble derselektierten Ereignisse im Vordergrund stehen.

Zunächst wird die Vorselektion von Ereignissen diskutiert, bei der nach bestimm-ten physikalischen Objekten gesucht wird. Dabei dienen bereits bewährte Schnit-te als Orientierung. Danach sind die speziellen Analysen im t- und Wt-Kanal derSingle-Top-Produktion zu diskutieren. Es wird vorrangig die Analyse im t-Kanal un-tersucht. Mit dem größten Single-Top-Wirkungsquerschnitt am LHC ist dieser Ka-nal der erfolgversprechendste Ansatzpunkt zur Messung elektroschwacher t-Quark-Produktion. Bei der Untersuchung systematischer Fehler werden jene Fehlerquellenbetrachtet, von denen zu erwarten ist, dass sie für den kinematischen Fit eine beson-dere Rolle spielen. Schließlich gilt es, die entwickelte Analyse im t-Kanal bisherigenAnsätzen gegenüberzustellen. Als Vergleich bietet sich die in Abschnitt 2.4 erwähnte

50

Page 59: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

schnittbasierte Analyse an.Bei den verwendeten Simulationen handelt es sich um die offizielle Produktion

von Monte-Carlo-Simulationen bei ATLAS. Die von den Generatoren erzeugten Er-eignisse werden an die Detektor- und Trigger-Simulation übergeben und mit dengleichen Rekonstruktionsalgorithmen analysiert, wie sie auch für die Datenauswer-tung eingesetzt werden. Alle verwendeten Simulationen sowie die zugehörigen Ge-neratoren für den harten Streuprozess sind im Anhang A angegeben. Neben denSimulationen der Single-Top-Prozesse im t- und s-Kanal mit leptonischen Zerfäl-len sowie der assoziierten Produktion im Wt-Kanal werden auch die Untergründedurch di- bzw. semileptonische tt-Produktion und die Produktion von W - und Z -Bosonen sowie die Produktion von Multijet-QCD-Ereignissen abgedeckt. Bei denreinen QCD-Prozessen können hochenergetische Elektronen und Myonen zwar nursekundär in Zerfällen schwerer Quarks oder als Fehlrekonstruktionen auftreten, dochder hohe Wirkungsquerschnitt der starken Prozesse gebietet es, sie trotzdem zuberücksichtigen. Bei Erscheinen dieser Arbeit hat der LHC gerade einen stabilenBetrieb mit einer pp-Schwerpunktsenergie von

√s = 7 TeV und einer instantanen

Luminosität von etwa L =2·1032cm−2s−1 erreicht. Unter diesen Bedingungen istzunächst die Aufnahme von Kollisionsdaten entsprechend einer integrierten Lumi-nosität von L=1fb−1 geplant. Dementsprechend werden die Ergebnisse im folgendenauf diese Datenmenge normiert.

5.1 EreignisselektionVor der Anwendung des kinematischen Fits wird eine Vorselektion der Ereignis-se durchgeführt, bei der Objekte verlangt werden, die für die Single-Top-Topologietypisch sind. Die Angaben beziehen sich auf die Analyse im t-Kanal, der im Mit-telpunkt dieser Arbeit steht. Veränderungen für den Wt-Kanal werden in Kap. 5.4diskutiert. Gesucht werden Ereignisse mit einem einzelnen t-Quark und einem wei-teren Jet, der tendenziell große Rapidität aufweist (vgl. Abschnitt 2.2). Das t-Quarkzerfällt in ein W -Boson und ein b-Quark. Die Festlegung auf ein b-Quark aus demZerfall des t-Quarks ist dem Ziel geschuldet W+Jets-Ereignisse zu unterdrücken, indenen b-Jets selten oder nur als Fehlrekonstruktion auftreten, und steht nicht imWiderspruch zum Ziel einer Vermessung der CKM-Matrixelemente im Top-Sektor.Über die Produktionsrate der einzelnen t-Quarks ist auch unter dieser Forderungein Zugang zur CKM-Matrix gegeben.

Es werden jene Zerfallskanäle betrachtet, in denen das W -Boson elektronischoder myonisch zerfällt, da die Rekonstruktion von τ -Zerfällen mit einer hohen Fehl-identifikationsrate behaftet ist. Außerdem würde das beim Zerfall des τ -Leptons ent-stehende τ -Neutrino neben dem Neutrino aus demW -Zerfall zur fehlenden Transver-salenergie beitragen. Der kinematische Fit basiert jedoch auf der Annahme, dass imEreignis nur ein einzelnes hochenergetisches Neutrino vorkommt. Weiterhin gehenEreignisse mit hadronischen Zerfällen der W -Bosonen mit zu hohen Untergrund-raten einher. Typisch sind also mindestens zwei Jets, davon ein b-Jet, genau einElektron oder Myon, sowie fehlende Transversalenergie aufgrund des Neutrinos ausdem W -Boson-Zerfall. Die wichtigsten Untergründe tt und W+Jets können dieseSignaturen ebenfalls aufweisen. Bei W+Jets-Ereignissen treten die Jets allerdingsmit vergleichsweise niedrigen Transversalimpulsen auf, wie es typisch für die starke

51

Page 60: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Wechselwirkung ist. Die Analyse wird getrennt für den Elektron- und den Myonka-nal durchgeführt. Dabei werden jeweils die Trigger „L2_e15_loose” und „L2_mu15”verwendet, welche auf der zweiten Triggerebene nach einem Elektron bzw. Myon mitmindestens pT > 15 GeV Transversalimpuls suchen. Es gelten auch hier die Anmer-kungen aus Abschnitt 4.4.2. Auf dem t-Kanal zeigen Studien mithilfe der simuliertenEreignisse Effizienzen von 80,9% bzw. 65,1% für diese Trigger. In Anlehnung an diein Abschnitt 2.4 zitierten Vorarbeiten werden folgende Selektionskriterien verwen-det:• Fehlende Transversalenergie Emiss

T > 20 GeV.

• Genau ein Elektron oder Myon mit pT > 20 GeV. Gefragt wird nach Elektro-nen der Klasse „Tight” im Bereich des Spurdetektors |η|<2,5 abgesehen vonder Lücke bei 1,37 < |η| < 1,52. Für Myonen wird der in Abschnitt 3.1.4 zi-tierte Algorithmus verwendet. Die Güte der Rekonstuktion sei gegeben durchχ2/Anzahl Freiheitsgrade< 4, weiterhin sei |η| < 2,5. Beide Leptonen seienisoliert, d.h. Econe20

T <6 GeV. In keinem der beiden Kanäle darf ein weiteresgeladenes Lepton auftreten. Die Definition dieser „Veto”-Leptonen wird weitergefasst. Sie unterscheidet sich daduch, dass für Elektronen die Klasse „Loose”mit |η| < 2,5 verwendet wird. Für Myonen sei χ2/Anzahl Freiheitsgrade< 6und es sei jeweils pT > 17 GeV.

• Mindestens zwei Jets mit pT>30 GeV . Es wird der Anti-kT -Algorithmus mitdem Kontrollparameter R = 0,4 genutzt, angewandt auf topologische Clusterim Kalorimeter und kalibriert mit der H1-Kalibrationsmethode. Das gesamteKalorimeter wird berücksichtigt (|η|<5,0).

• Mindestens einer der Jets muss als b-Jet identifiziert werden. Zum Einsatzkommt der SV0-Tagger mit einem Gewicht von mindestens 5,38, was etwaeiner Selektionseffizienz für b-Jets von 50% entspricht.

Bevor diese Auswahl getroffen wird, ist noch eine Mehrdeutigkeit in der Anwendungdes Jet-Algorithmus aufzuheben. Kalorimetercluster von Elektronen und Photonenwerden ebenfalls in der Jet-Konstruktion berücksichtigt. Die entsprechenden Jetsdürfen als solche nicht weiter beachtet werden (sog. „Overlap-Removal”). Dazu wer-den isolierte Elektronen und Photonen der Klasse „Loose” mit Econe20

T <6 GeV be-trachtet. Falls ein Jet und ein Elektron bzw. ein Photon einen Abstand ∆R < 0,2und zugleich ähnliche Transversalimpulse haben, |(pe,γT − pJetT )/pJetT |<0,2, so wirdder entsprechende Jet nicht weiter beachtet. Weitere Schnitte, zum Beispiel auf diemaximale Anzahl an Jets, sollen zunächst nicht angewendet werden. Es wird demkinematischen Fit überlassen die Unterscheidung von Signal und Untergrund weiterzu verbessern.

Zunächst aber soll die Ausgangslage für den Fit geklärt werden. Abb. 5.1 zeigtdie Auswirkungen der einzelnen Schnitte auf Signal und Untergrund. Anfangs wirddas Signal vollkommen durch W+Jets- und QCD-Untergrund dominiert. Vom Vetoauf ein mögliches zweites Lepton abgesehen tragen alle Schnitte zur Unterdrückungder QCD-Prozesse bei, da keines der Kriterien typisch für Ereignisse ist, die nurJets hervorbringen. Fehlende Transversalenergie kommt hier vor allem durch fehler-hafte Jetenergien zustande. Erwartungsgemäß trägt weiterhin die Selektion isolier-ter Leptonen mit hohem Transversalimpuls zur Unterdrückung der QCD-Prozesse

52

Page 61: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Abbildung 5.1: Anteil selektierter Er-eignisse nach Schnitten auf phy-sikalische Objekte für das Single-Top t-Kanal Signal mit dem Zer-fall W→ eν und für verschiedeneUntergrundprozesse. Abbildung 5.1zeigt die Wirkung der Schnitte al-lein für das Signal. Im Elektronkanaltreten QCD-Multijet-Ereignisse zu-nächst besonders häufig auf, was aufhöhere Fehlidentifikationsraten derElektronen im Vergleich zu Myonenzurückzuführen ist.

bei. Die Forderung nach zwei Jets mit pT > 30 GeV sowie einem vorhandenen b-Jet unterdrücken W+Jets-Ereignisse, wie bereits oben diskutiert. Die Produktion

Abbildung 5.2: Anteil selektierterEreignisse nach Schnitten auf physi-kalische Objekte für das Single-Topt-Kanal mit dem Zerfall W→ µνund für verschiedene Untergrun-deprozesse. Die untere Abbildungzeigt allein die Signalereignisse. DerUnterschied zum Elektronkanal be-steht im geringeren Einfluss vonQCD-Multijet-Ereignissen und ei-ner höheren Selektionseffizienz.

von Z-Bosonen spielt eine geringere Rolle, Ereignisse mit zwei Vektorbosonen sindgänzlich irrelevant. Für die Unterscheidung des Signals gegenüber tt- sowie anderen

53

Page 62: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Single-Top-Ereignissen sind die Schnitte freilich nicht geeignet, da sie nicht speziellauf den Single-Top t-Kanal zugeschnitten sind. Die Wirkung der Schnitte ist fürden Elektron- und den Myonkanal ähnlich, bis auf die Effizienz der Leptonrekon-struktion, die für Myonen höher ausfällt. Tabelle 5.1 zeigt die erwartete Anzahl anEreignissen für die einzelnen Prozesse unter der Annahme der hier verwendeten Wir-kungsquerschnitte nach Normierung auf eine integrierte Luminosität von L=1 fb−1.Für beide Kanäle fallen die Raten ähnlich aus. Es dominieren die tt-, W+Jets-, undQCD-Untergründe.

Prozess a priori nach Vorselektion: W → eν W → µνt-Kanal 14.328 999 1.099Single-Top Untergrund 30.292 722 726tt 49.154 5.191 5.520W+Jets 2,61·107 3.674 3.478Z+Jets 2,54·106 121 197Di-Boson 5.751 8 7QCD Multijet 1,11·109 4.471 6.410S/B 1,3·10−5 0,07 0,07

Tabelle 5.1: Anzahl erwarteter Ereignisse im Single-Top t-Kanal und für die verschie-denen Untergründe nach der oben diskutierten Ereignisselektion für eine integrierteLuminosität von L=1 fb−1. S/B ist das Verhältnis der Anzahl von Signal- und Un-tergrundereignissen.

5.2 Schnittbasierte AnalyseUm ein Vergleichsmaß für die zu entwickelnde Analyse zu erhalten, werden diein Abschnitt 2.4 zitierten Schnitte auf das Ensemble von Ereignissen nach dersoeben beschriebenen Selektion angewandt. Es werden genau zwei Jets verlangt,da der tt-Untergrund höhere Jet-Multiplizitäten aufweist. Die transversale Massedes W -Bosons sei mW

T >30 GeV, um QCD-Prozesse zu unterdrücken. Ein b-Jet mitpT>50 GeV hilft bei der Unterscheidung gegenüber W+Jets-Ereignissen. Zur Un-terscheidung von tt-Ereignissen wird für den Jet mit höchstem Transversalimpuls,der nicht als b-Jet erkannt wurde, eine Pseudorapidität von |η|>2,5 verlangt. DieserSchnitt ist als Suche nach dem im t-Kanal assoziiert produzierten leichten Quark zuverstehen.

Die Abbildungen 5.3 und 5.4 zeigen die Auswirkung dieser weiteren Schnitte.Der Vergleich mit Abb. 5.1 bzw. Tab. 5.1 zeigt, dass die Forderung nach genauzwei Jets den Anteil selektierter tt-Ereignisse erwartungsgemäß stark reduziert. DieBedingung an die transversale Masse des W -Bosons reduziert die Rate von QCD-Multijet-Ereignissen, welche als einzige der bedeutenden Untergrundprozesse keineW -Bosonen aufweisen. Die Anforderung an den Transversalimpuls des b-Jets unter-drücktW+Jets-Ereignisse entsprechend den Ausführungen im vorherigen Abschnitt.Besonders stark wird das Signal-zu-Untergrund-Verhältnis durch den Schnitt aufdie Pseudorapidität des Vorwärtsjets verbessert. Das Auftreten hoher Winkel isteine Besonderheit von t-Kanal-Ereignissen. Dagegen sind Jets in tt-Ereignissen ver-gleichsweise zentral gerichtet, da die ursprünglichen Quarks aus Zerfällen massiver

54

Page 63: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Abbildung 5.3: Anzahlerwarteter Ereignisse imSingle-Top t-Kanal fürZerfälle W→ eν und fürverschiedene Untergrundpro-zesse. Der Signalanteil imEnsemble der selektiertenEreignisse wird durch jedenSchnitt erhöht. Besondersstark wirkt sich die Forde-rung nach einem vorwärtsgerichteten Jet aus.

Teilchen hervorgehen. W+Jets-Ereignisse weisen teilweise ebenfalls Jets von ho-her Pseudorapidität auf, da kleine Winkel in QCD-Prozessen bevorzugt sind. Die

Abbildung 5.4: Anzahlerwarteter Ereignisse imSingle-Top t-Kanal fürZerfälle W→ µν und fürverschiedene Untergrund-prozesse. Erwartungsgemäßzeigen sich die gleichenEffekte wie im Elektronfall(Abb. 5.3).

resultierende Anzahl selektierter Ereignisse zeigt Tab. 5.2. Man erhält ein Signal-zu-Untergrund-Verhältnis von S/B=1,0 für den Elektronkanal bzw. S/B=0,9 für denMyonkanal bei Effizienzen von ε=2,1% bzw. ε=2,2%. Die unterschiedlichen Verhält-nisse S/B der beiden Kanäle sind im Rahmen der endlichen Monte-Carlo-Statistikzu erklären. So ergibt sich für die Anzahl selektierter Signalereignisse 149 ± 13 imElektron- bzw. 160 ± 14 im Myonkanal. Um diesen Fehler zu verringern solltenzukünfige Monte-Carlo-Simulationen in größerem Umfang produziert werden.

5.3 Rekonstruktion von t-Kanal-Ereignissenmittels kinematischem Fit

5.3.1 Anwendung des kinematischen FitsEs wird nun die in Kap. 4 eingeführte Technik verwendet, um das Signal weitervom Untergrund abzutrennen. Die Anwendung des Fits auf die Single-Top-Topologie

55

Page 64: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Prozess W → eν W → µνt-Kanal 149 160Single-Top Untergrund 7 23tt 22 31W+Jets 119 121Z+Jets 0 2S/B 1,00 0,90

Tabelle 5.2: Anzahl selektierter Ereignisse in der oben diskutierten schnittbasiertenAnalyse. S/B ist das Signal- zu Untergrundverhätlnis. Nach allen Schnitten erweisensich W+Jets-Ereignisse als wichtigster Untergrund.

wurde bereits in Abschnitt 4.3 beschrieben. Für die Zwangsbedingung der t-Quark-Masse wurden mt = 172,5 GeV sowie Γt = 2 GeV verwendet. Die simulierten Sig-nalereignisse wurde mit der selben Masse produziert, allerdings ohne die endlicheMassenbreite zu beachten. Im Hinblick auf systematische Fehler erscheint es sinn-voll, im Fit eine endliche Breite Γt anzuwenden, um die Rekonstruktion nicht zusehr auf einen Wert von mt festzulegen. Dieser Zusammenhang wird noch gesondertzu diskutieren sein (vgl. Abschnitt 5.5). Für das W -Boson ist mW=80,4 GeV undΓW=2,14 GeV.

Weiterhin werden die Kovarianzmatrizen der gemessenen Objekte, d.h. des Elek-trons bzw. Myons, des b-Jets und der fehlenden Transversalenergie Emiss

T benötigt.Für die geladenen Leptonen erhält man sie aus den Spurfits. Für Jets und Emiss

T ste-hen Kovarianzmatrizen aus Monte-Carlo-Studien zur Verfügung [23]. Dabei wurdenzunächst die Differenzen xrek − xMC zwischen rekonstruierten und wahren Impuls-komponenten x bzw. Produkte (xrek−xMC)·(yrek−yMC) für die Kovarianz von x undy gebildet. Als Bezugsobjekt für Emiss

T dient das wahre Neutrino mit dem höchstenTransversalimpuls. Für die Untersuchung der Kovarianzmatrizen von Jets wird derJet auf Hadronebene betrachtet, der dem rekonstruierten Jet am ehesten entspricht.Jets auf Hadronebene bedeutet, dass der Jetalgorithmus auf die wahren Teilchendes hadronischen Endzustands, d.h. nach der Hadronisierung, aber noch vor Wech-selwirkungen mit dem Detektor, angewendet wird. Als Kriterium der Zugehörigkeitdient die quadratische Summe aus ∆R und der relativen Abweichung der Trans-versalimpulse (pb-Jet

T − pHadron-JetT )/pHadron-Jet

T . Die so beschriebenen Differenzen wur-den für verschiedene Bereiche des Phasenraums (pT,η) histogrammiert. Dies wurdefür Monte-Carlo-Simulationen von Prozessen mit t-Quarks durchgeführt, woraufhindie Histogramme nach Wirkungsquerschnitten gewichtet summiert wurden. Zur Be-stimmung der Standardabweichungen von xrek − xMC wurden den HistogrammenGaußverteilungen angepasst, für die Kovarianzen (xrek − xMC)(yrek − yMC) wurdendie entsprechenden Mittelwerte bestimmt.

Es kann kritisch betrachtet werden, dass rekonstruierte Jets wiederum mit Jetsund nicht mit Partonen verglichen werden. Zwar ist ein exakter Rückschluss aufden Impuls eines Partons auf Grundlage des Jets prinzipiell unmöglich, da immereine Wechselwirkung des Partons mit den Farbladungen der Umgebung stattfindet.Andererseits zerfällt das t-Quark in ein b-Quark, und nicht gleich in einen Jet. Eswerden später die Pull-Verteilungen des b-Jets im kinematischen Fit unter diesemGesichtspunkt zu betrachten sein (vgl. Abschnitt 5.3.2). In der Durchführung des

56

Page 65: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Abbildung 5.5: Schema des kinematischen Fits für das leptonisch zerfallende t-Quark. Es werden zwei Zwangsbedingungen angewandt. Die invariante Masse deslν-Systems soll der W -Masse entsprechen, während sich unter Einbeziehung des b-Jets die t-Quark-Masse ergeben soll.

Fits besteht zum in Abschnitt 4.3 beschriebenen Spiel-Monte-Carlo der Unterschied,dass mehrere b-Jets auftreten können. Dies kann durch Fehlidentifikationen, sowiedurch Gluonaufspaltung in bb-Paare im Anfangs- und im Endzustand geschehen.Außerdem wurde als Startwert des Neutrino-Polarwinkels stets 90◦ gewählt, wo-durch eine bessere Unterscheidung zwischen Signal und Untergrund zu erkennenwar. Der Fit wird für alle b-Jets nacheinander durchgeführt. Ausgewählt wird jeneKombination, die zum kleinsten χ2 führt. Als Masse des Jets wird die b-Quark-Massevon mb=4,8 GeV gewählt, da der verwendete Ansatz sich letztlich auf Teilchen be-zieht. Die Analyse wird weiterhin für elektronische und myonische Zerfälle getrenntdurchgeführt, was schon aufgrund der unterschiedlichen Kovarianzmatrizen gebotenscheint.

Die Resultate des kinematischen Fits sind in Abb. 5.6 für alle simulierten Pro-zesse dargestellt. Die Signalereignisse treten relativ gleichverteilt in der χ2-Wahr-scheinlichkeit P (χ2) auf, wohingegen der Untergrund, der vom Fit nur durch starkeVerzerrungen der Messwerte zur Erfüllung der Nebenbedingungen gezwungen wer-den kann, sich bei kleinen Wahrscheinlichkeiten häuft. Damit macht der Fit eineweitere Unterdrückung des Untergrundes möglich. Bevor ein entsprechender Schnittauf P (χ2) angewandt wird, soll die Funktion des Fits überprüft werden.

5.3.2 Evaluation des FitsDie Abbildungen 5.7(a),(b) zeigen die Verteilung der Massen des W -Bosons unddes t-Quarks. Es werden die dem Fit als Zentralwerte übergebenen Massen mit ei-ner schmalen Breite rekonstruiert. Dies gilt für alle Prozesse, da die Erfüllung derZwangsbedingungen ein notwendiges Konvergenzkriterium des Fits darstellt. All-gemein handelt es sich hierbei um einen weiteren Vorzug des kinematischen Fits.Durch die Bestimmung der z-Komponente des Neutrinos wird die Angabe von Mas-sen erst möglich, eine Beschränkung auf transversale Massen ist nicht notwendig. Esgilt weiterhin zu prüfen, ob die rekonstruierten Teilchen tatsächlich den gesuchtenTeilchen entsprechen.

In Abb. 5.8 werden die rekonstruierten Impulskomponenten im Vergleich zu denwahren Werten in der Monte-Carlo-Simulation gezeigt. Für den b-Jet wurde derAblgeich relativ zum zugehörigen Jet auf Hadron-Level durchgeführt (vgl. Abschnitt5.3.1). Die Darstellungen wurden jeweils so gewählt, dass die Breite der Verteilungendeutlich wird. Tatsächlich rekonstruiert der Fit die wahren Teilchen, jeweils im Rah-

57

Page 66: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

(a) P (χ2) im Elektronkanal

(b) P (χ2) im Myonkanal

Abbildung 5.6: χ2-Wahrscheinlichkeit der Single-Top-Rekonstruktion durch den ki-nematischen Fit. Dem relativ flach verteilten Signal steht der bei kleinen Wahr-scheinlichkeiten gehäufte Untergrund gegenüber. Die Verteilungen sind entsprechendihrem Wirkungsquerschnitt auf eine integrierte Luminosität von L=1 fb−1 normiert.Der Bereich ab P (χ2)>5% (Elektronkanal, (a)) bzw. P (χ2)>10% (Myonkanal, (b))ist noch einmal vergrößert dargestellt. Die lokalen Spitzen der Verteilung für QCD-Multijet-Ereignisse stammen von statistischen Fluktuationen.

58

Page 67: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

(a) Masse des W -Bosons

(b) Masse des t-Quarks

Abbildung 5.7: Rekonstruierte invariante Massen des lν- und des lνb-Systems. Wiebereits im Spiel-Monte-Carlo (vgl. Abschnitt 4.3) zu beobachten, werden die in denFit eingegebenen Zentralwerte der W - und t-Masse mit einer geringen Breite rekon-struiert.

59

Page 68: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

men der entsprechenden Auflösung. Die Auflösung des ungemessenen η des Neutrinosist wie erwartet am schlechtesten. Teilweise treten Abweichungen um ein Vielfachesauf. Für die weiteren Größen treten hohe Abweichung ebenfalls auf, wenn auch sel-ten. Die Verteilung der χ2-Wahrscheinlichkeit (vgl. Abb. 5.6) weist ein auffälligesMaximum bei kleinen Werten auf, was im Zusammenhang mit großen Abweichun-gen von den wahren Werten steht. Dies war im Single-Top-Spiel-Monte-Carlo nichtder Fall. Freilich handelt es sich hier um eine ungleich kompliziertere Umgebungals im Spiel-Monte-Carlo. Insbesondere die Hadronisierung des b-Quarks macht esprizipiell unmöglich, den Zerfall des t-Quarks exakt behandeln zu können. Es trittimmer eine Wechselwirkung mit den Farbladungen der Umgebung auf. Weiterhinkann Gluonabstrahlung im Endzustand auftreten, wodurch Energie zur Rekonstruk-tion des t-Quarks fehlt. Insofern ist die Anhäufung von Signalereignissen bei kleinenWahrscheinlichkeiten zu erwarten.

Schließlich gilt es noch die Pull-Veteilungen zu betrachten, d.h. die Abweichun-gen zwischen Messwerten und statistischen Schätzern, normiert auf die Standardab-weichungen dieser Differenzen selbst (Abb. 5.3.2). Idealerweise sind standardisierteGauß-Verteilungen zu erwarten (vgl. Abschnitte 4.1). Interessant sind hier die Ver-teilungen für das Single-Top-Signal. Sie weichen von der Erwartung ab. Es tretenMaxima bei Werten von ca. ±2 auf, allerdings bewahren sie die erwartete Symme-trie. Bei einer leicht veränderten Ereignisselektion mit minimalem Transversalimpulsder Jets von pT>20 GeV statt pT>30 GeV verschwinden diese Maxima. Vermutlichhandelt es sich hierbei um Fehler bei den verwendeten Kovarianzmatrizen, wobei zubedenken ist, dass eine systematische Verschiebung in einer Variablen Auswirkun-gen auf alle anderen normierten Korrekturen haben kann. Für zukünftige Analysensollten die Kovarianzmatrizen der Jets und der fehlenden Transversalenergie genau-er untersucht und gegebenenfalls neu bestimmt werden. Eine Ausnahme macht diePull-Verteilung für den Transversalimpuls des b-Jets. Der eingehende Messwert isthäufig zu klein, um dem Top-Quark-Zerfall zu entsprechen. Es kann ausgeschlossenwerden, dass es sich um ein prinzipelles Problem des Fits handelt, denn sonst wäredieses Problem auch im Spiel-Monte-Carlo aufgetreten. Vielmehr bestätigt sich hierdie Vermutung, dass der Jet besonders behandelt werden sollte. Die Abstrahlungvon Gluonen durch das b-Quark sowie dessen Hadronisierung sorgen für eine Ver-schmierung seiner Energie. In der Folge ist es möglich, dass nicht alle Energie desQuarks vom Jet-Algorithmus erfasst wird (splash-out effect, [22]). Eine weiterfüh-rende systematische Studie zum kinematischen Fit sollte zuerst dieses Problem undin diesem Zusammenhang die Frage der Auflösung des Jetimpulses in Bezug auf dasursprüngliche Quark ergründen.

5.3.3 Kinematischer Fit und SignalextraktionEs wird nun nach einem optimalen Schnitt minimaler χ2-Wahrscheinlichkeit gesucht.Dazu wird im Elektron- und im Myonkanal jeweils die Effizienz der Signalselektionsowie das Signal-zu-Untergrund-Verhältnis S/B betrachtet (vgl. Abb. 5.10). Nacheinem bestimmten Wert P (χ2)min erreicht S/B ein Plateau. Es werden alle Ereig-nisse ab diesem Wert selektiert. Gewählt werden P (χ2)emin =5% im Elektron- undP (χ2)µmin =10% im Myonkanal. Der Unterschied der Schnitte liegt im höheren QCD-Untergrund zwischen 5% und 10% im Myonkanal (Abb. 5.3.1). Der Vergleich zur

60

Page 69: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

(a) Elektron-pT (b) Elektron-η (c) Elektron-ϕ

(d) Myon-pT (e) Myon-η (f) Myon-ϕ

(g) Neutrino-pT (h) Neutrino-η (i) Neutrino-ϕ

(j) b-Jet-pT (k) b-Jet-η (l) b-Jet-ϕ

Abbildung 5.8: Monte-Carlo-Abgleich der kinematisch rekonstruierten und der wah-ren Impulse. Die wahren Werte werden im Rahmen der jeweiligen Auflösung gefun-den. Für das nicht gemessene η des Neutrinos ergeben sich teilweise, wie schon imSpiel-Monte-Carlo, große Abweichungen.

61

Page 70: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

(a) Elektron-pT (b) Elektron-η

(c) Elektron-ϕ (d) b-Jet-pT

(e) b-Jet-η (f) b-Jet-ϕ

Abbildung 5.9: Pull-Verteilungen der Impulskomponenten in der Rekonstruktion dert-Quarks (vgl. Glg. 4.2). Es werden exemplarisch die Verteilung für das Elektron undden b-Jet angegeben. Die Verteilungen für das Neutrino entsprechen denen des Elek-trons. Es treten Maxima bei ca. ±2 auf, was der Erwartung einer Gaußverteilungwiderspricht. Das weist auf Fehler in den verwendeten Kovarianzmatrizen hin. BeimTransversalimpuls des b-Jets tritt eine systematische Verschiebung zu höheren Wer-ten auf, was vermutlich auf die Verschmierung der Energie des b-Quarks bei derFragmentierung hinweist.

62

Page 71: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

(a) S/B im Elektronkanal (b) S/B im Myonkanal

(c) Effizienz im Elektronkanal (d) Effizienz im Myonkanal

(e) S/B und Effizienz Elektronkanal (f) S/B und Effizienz im Myonkanal

Abbildung 5.10: Effizienz und S/B für die Selektion rekonstruierter Ereignisse abeiner Wahrscheinlichkeit P (χ2)min im Elektronkanal (oben) und im Myonkanal (un-ten). Die Effizienzen beziehen sich auf die Anzahl an Signalereignissen im jeweiligenKanal. Die angegebenen Fehlerbereiche beziehen sich auf die endliche Statisktik derverwendeten Monte-Carlo-Samples.

Vorselektion mit S/B = 0,07 zeigt, dass mit diesem kinematischen Fit der Signal-anteil mehr als verdoppelt wird. Im Elektronkanal erhält man S/B = 0,18 , imMyonkanal S/B = 0,15. Der Unterschied ist wiederum auf QCD-Ereignisse zurück-zuführen.

Nach dieser ersten und wesentlichsten Anwendung des kinematischen Fits mussnoch der Untergrund semileptonischer tt-Ereignisse reduziert werden – schließlichhandelt es sich bei der vorgestellten Methode bisher nur um eine t-Quark-, nicht

63

Page 72: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

(a) Elektronkanal (b) Myonkanal

Abbildung 5.11: χ2-Wahrscheinlichkeit für die Rekonstruktion des hadronischen Zer-falls eines W -Bosons zusätzlich zum Zerfall des t-Quarks. Wie man sieht, kann aufdiese Weise ein guter Teil des tt-Untergrunds rekonsturiert werden.

(a) Elektronkanal (b) Myonkanal

Abbildung 5.12: Jet-Multiplizitäten nach der Selektion P (χ2) > P (χ2)min für Ereig-nisse, in denen die Rekonstruktion eines zusätzlichen hadronischen W -Zerfalls nichtgelang.

um eine spezielle Single-Top-Rekonstruktion. Semileptonische tt-Ereignisse unter-scheiden sich duch ihre höhere Jetmultiplizität, zwei dieser Jets stammen aus demhadronischen Zerfall einesW -Bosons. Es wurde versucht diesen Zerfall mit einem ki-nematischen Fit zu rekonstruieren, indem man nach der Single-Top-Rekonstruktionalle Paare von Jets betrachtet, abgesehen vom b-Jet des t-Zerfalls. Für jedes Paarwird der kinematische Fit eines W -Bosons mit oben angegebener Masse und Brei-te durchgeführt. Dies entspricht im Prinzip der Rekonstruktion von Z-Bosonen inAbschnitt 4.4.2. Die Kombination mit dem kleinsten χ2 wird als Kandidat eines W -Boson-Zerfalls gespeichert. Abbildung 5.11 zeigt die χ2-Wahrscheinlichkeit diesesFits, durchgeführt nach der oben diskutierten Selektion.

Ähnlich zur Single-Top-Rekonstruktion ist der gesuchte Prozess, hier die Top-Paarerzeugung, über höhere Wahrscheinlichkeiten verteilt, während die anderen Pro-zesse, darunter das Single-Top-Signal, sich bei kleinen Warscheinlichkeiten besondershäufen. Versucht man nun an dieser Stelle alle Ereignisse bis zu einer Wahrschein-lichkeit P (χ2)max zu selektieren, so zeigt sich, dass mit kleineren Werten immerhöhere Reinheiten erzielt werden. In diesem Sinne gilt es alle Ereignisse zu verwer-

64

Page 73: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

(a) Elektronkanal (b) Myonkanal

Abbildung 5.13: |η| des am nächsten zur Strahlachse gelegenen Jets nach den obengenannten Schnitten und für Ereignisse mit maximal drei Jets.

fen, für die dieser Fit konvergiert. Damit ergibt sich S/B = 0,29 im Elektronkanalund S/B = 0,41 im Myonkanal bei Effizienzen von ε = 5,7% bzw. ε = 5,1%. Dassnun ein höherer Signalanteil im Myonkanal erzielt wird, kann erneut auf die Rollevon QCD-Ereignissen zurückgeführt werden, die nach diesem Schnitt für Myonenstärker unterdrückt sind. Dies wird einerseits in Abb. 5.11 ersichtlich. Außerdemsind fehlidentifizierte Myonen in QCD-Ereignissen unwahrscheinlicher als fehliden-tifizierte Elektronen, da Spuren im inneren Spurdetektor und im Myonspektrometer,also jenseits des Kalorimeters, verlangt werden. Die Jets der QCD Ereignisse depo-nieren ihre Energie aber noch im Kalorimeter. Der Schnitt auf Ereignisse, in denendie Rekonstruktion eines hadronischen W -Boson-Zerfalls nicht gelingt, impliziert,dass Ereignisse mit mehr als drei Jets verworfen werden. Abbildung 5.12 zeigt dieentsprechenden Jet-Multiplizitäten. Übrig bleiben Ereignisse mit zwei bis drei Jets.

Die Anwendung des kinematischen Fits ist damit abgeschlossen. Eine Besonder-heit des t-Kanals der Single-Top-Produktion wurde damit noch nicht betrachtet,nämlich das für t-Kanal-Prozesse typische Auftreten kleiner Winkel gegenüber denAnfangsimpulsen. Dies wird hier deutlich anhand der Rapidität des Jets, der durchdas mit dem t-Quark assoziiert produzierte Quark induziert wird. Es besteht dabeikein Bezug zu den Teilchenmassen, den man in einem kinematischen Fit berücksich-tigen könnte. Es wird daher ein entsprechender Schnitt auf Jets nahe der Strahlachseverwendet. Als Definition des Vorwärtsjets wird schlicht der Jet mit größtem |η| ge-wählt. Es ergibt sich eine weitere Trennung zwischen Signal und Untergrund. Vorallem Top-Paarereignisse treten bei hohem |η| kaum noch auf, da die entsprechendenJets aus Zerfällen der massiven t-Quarks stammen und eher zentral gerichtet sind.Schneidet man nun auf ein minimales |η|, so ergeben sich Effizienzen und Signal-zu-Untergrund-Verhältnisse gemäß Abb. 5.14. Es sei nun jeweils |η| > 2,5, womit manS/B = 1,8 im Elektronkanal und S/B = 2,0 im Myonkanal erhält. Die zugehörigenEffizienzen betragen ε = 2,0% bzw. ε = 1,9%, bezogen auf den jeweiligen Zerfalls-kanal. In Tab. 5.3 sind die Resultate der kompletten Selektion zusammengefasst.Verglichen mit der rein schnittbasierten Methode wird mit dem kinematischen Fitein etwa doppelt so hoher Signalanteil im selektierten Ensemble erzielt. Die Effizi-enz ist nahezu gleich. Für L=1fb−1 integrierte Luminosität sind im Elektronkanal146± 13 und im Myonkanal 140± 13 selektierte Ereignisse zu erwarten. Die Fehler

65

Page 74: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

(a) S/B im Elektronkanal (b) S/B im Myonkanal

(c) Effizienz im Elektronkanal (d) Effizienz im Myonkanal

(e) S/B und Effizienz im Elektronkanal (f) S/B und Effizienz im Myonkanal

Abbildung 5.14: Effizienz und S/B für die Selektion von Ereignissen ab minimalem|η| gemäs Abb. 5.13. Die Effizienzen beziehen sich auch hier auf die Anzahl anSignalereignissen im jeweiligen Kanal. Die angegebenen Fehlerbereiche beziehen sichauf die endliche Statisktik der verwendeten Monte-Carlo-Samples.

beziehen sich auf die endliche Statistik der Monte-Carlo-Simulationen, worauf auchder Unterschied im Signal-zu-Untergrund-Verhältnis zwischen dem Elektron- unddem Myonkanal zurückzuführen ist. Damit sind die statistischen Fehler sowohl hin-sichtlich der endlichen Monte-Carlo-Statistik als auch hinsichtlich der Datenstatistikkleiner als die in [8] ermittelten systematischen Fehler. Zur Verbesserung der Metho-de sollten Korrelationen der verschiedenen Schnitte betrachtet werden. Außerdemist eine nähere Analyse der Rolle von Jets im kinematischen Fit angebracht, wie un-ter 5.2.2 erwähnt. Dies könnte zu flacheren Verteilungen der χ2-Wahrscheinlichkeit

66

Page 75: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Abbildung 5.15: Resultateder im Text beschriebenenSchnitte für den Elektron-kanal. Der Signalanteil derselektierten Ereignisse wirdmit jedem Schnitt erhöht.

Abbildung 5.16: Resultateder im Text beschriebenenSchnitte für den Myon-kanal. Es zeigt sich dasgleiche Verhalten von Signalund Untergründen wie imElektronkanal (vgl Abb.5.15).

und damit zu höherer Effizienz der Single-Top-Selektion sowie zu einem leistungs-fähigeren Veto von tt-Ereignissen führen. Für dieses Veto könnte man weiterhin inBetrachtet ziehen auch Jets mit niedrigeren pT-Werten für das Veto eines hadro-nisch zerfallenden W-Bosons heranzuziehen, um diese öfter nachweisen zu könnenund eine bessere Unterdückung von tt-Untergrund zu erreichen.

Weiterhin ist noch die Frage zu klären, inwieweit sich durch den kinematischenFit bestimmte systematische Fehler besonders stark auswirken. Zwar ist die höhereReinheit des Ensembles günstig in Hinblick auf die Unsicherheit der Untergrundra-ten. Es muss jedoch sichergestellt werden, dass dieser Vorteil nicht durch Unsicher-heiten verbraucht wird, die durch den kinematischen Fit verstärkt werden. DieseFrage wird in Abschnitt 5.4 zu behandeln sein. Zuvor wird die Anwendung des ki-nematischen Fits zur Signalextraktion im Wt-Kanal untersucht.

67

Page 76: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Prozess W → eν W → µνt-Kanal 146 140Single-Top-Untergrund 6 6tt 8 13W+Jets 69 50Z+Jets 0 2S/B 1,8 2,0

Tabelle 5.3: Anzahl an Ereignissen der Single-Top-t-Kanal-Selektion mit den im Textgenannten Schnitten für eine integrierte Luminotität von L=1 fb−1.

5.4 Rekonstruktion von Wt-Kanal-Ereignissenmittels kinematischem Fit

Der Wt-Kanal bietet neben dem t-Kanal die zweite Möglichkeit der elektroschwachent-Quark-Produktion am LHC. Sein Wirkungsquerschnitt ist allerdings um einen Fak-tor 4,5 kleiner als im t-Kanal. Hinzu kommt die große Ähnlichkeit mit tt-Ereignissen.Abgesehen vom b-Jet aus dem Zerfall des zweiten Top-Quarks handelt es sich um diegleiche Topologie. Deshalb ist die Signalextraktion im Wt-Kanal schwieriger als imt-Kanal. Es gilt daher, strenge Kriterien bei der Ereignisselektion anzuwenden. DieUnterdrückung von tt-Ereignissen sollte besondere Beachtung erhalten. Als Ansatz-punkt der Wt-Analyse bieten sich semileptonische Ereignisse an, bei denen ein W -Boson leptonisch und eines hadronisch zerfällt, sowie dileptonische Ereignisse. Letz-tere bieten den Vorteil mit zwei hochenergetischen geladenen Leptonen ein scharfesAuswahlkriterium verlangen zu können. Allerdings hilft dies noch nicht zur Unter-scheidung gegen dileptonsiche tt-Ereignisse. Außerdem ergibt sich hier das kleinsteVerzweigungsverhältnis. Ein kinematischer Fit kann hier ohnehin nicht angewendetwerden, da durch zwei Neutrinos mehr ungemessene Parameter als Zwangsbedingun-gen vorkommen. Folglich fällt die Wahl hier auf den semileptonischen Zerfallsmodus.Hierbei sind wiederum leptonische und hadronische t-Quark-Zerfälle zu unterschei-den. Der Fit wird mit beiden Hypothesen anzuwenden sein. Anhand des χ2-Wertesgilt es dann, diese Zweideutigkeit aufzulösen. Zur Unterdrückung des besonders kri-tischen tt-Untergrundes wird ein kinematischer Fit mit eben dieser Hypothese an-gewandt werden.

Die Vorselektion der Ereignisse ist an jene im t-Kanal angelehnt. Folgende Mo-difikationen werden vorgenommen und sind dem erhöhten Schwierigkeitsgrad sowiedem Auftreten eines zusätzlichen W -Bosons im Enzustand geschuldet [42]:

• Es sind mindestens drei, maximal vier Jets pro Ereignis erlaubt. Im allge-meinen treten im semileptonischen Zerfallsmodus drei Jets auf. Ereignisse mitmehr als vier Jets werden nicht betrachtet, um den Einfluss des tt undW+Jets-Untergrunds zu begrenzen.

• Der b-Jet muss einen Transversalimpuls von pT > 50 GeV besitzen. Dies dientder Unterdrückung von W+Jets-Ereignissen. Die darin auftretenden Jets ent-springen keinen Quarks aus Zerfällen, sondern vor allem der starken Wechsel-wirkung und sind somit tendeziell von niedrigem pT (vgl. Abb. 2.9).

68

Page 77: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Abbildung 5.17: Auswirkungen der Vorselektionsschnitte im Wt-Kanal für die Ratenverschiedener Prozesse.

• Es wird genau ein b-Jet verlangt. Gibt es einen weiteren b-Jet mit pT > 20 GeV,dem der SV0-Tagger ein Gewicht von mindestens 1,0 zuordnet, so wird dasEreigniss verworfen. Mit diesem Veto werden tt-Ereignisse weiter unterdrückt.

Die folgenden Darstellungen zeigen die Auswirkungen der Vorselektion auf die ver-schiedenen Prozesse. Allein zur besseren Übersicht wird die Darstellung aufgeteilt.Es ist zu erkennen, dass die Forderung von maximal vier Jets und keinem zweitenb-Jet zur Unterdrückung der tt-Ereignisse beiträgt. Ansonsten gelten die gleichenAussagen wie bei der Analyse im t-Kanal. In Tabelle 5.4 werden die Ereignisszahlennach der Vorselektion zusammengefasst. Auch hier wird auf die integrierte Lumino-sität von L=1 fb−1 normiert.

Prozess Ereignisse nach VorselektionWt-Kanal 226Single-Top-Untergrund 288tt 4736W+Jets 1150Z+Jets 68Di-Boson 4QCD-Multijet 542S/B 0,033

Tabelle 5.4: Singal- und Untergrundraten nach der Vorselektion von Ereignissen fürdie Wt-Kanal-Analyse. Den größten Anteil am Untergrund haben tt-Ereignisse.

Obwohl der Wirkungsquerschnitt des Signals unter Einbeziehung des Verweigungs-verhältnisses um einen Faktor 3,3 kleiner ist als im t-Kanal, ist das Verhältnis S/Bnach der Vorselektion nur um einen Faktor 2,1 schlechter als in der t-Kanal-Analyse.Die Anwendung des kinematischen Fits erfolgt nun in zwei Schritten:

1. Für Ereignisse mit vier Jets wird der kinematische Fit eines semileptonischentt-Ereignisses angewendet. Damit wird ein Veto auf solche Ereignisse realisiert.

69

Page 78: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Abbildung 5.18: Schema des kinematischen Fits semileptonischer tt-Ereignisse. DerFit rekonstruiert die beiden W -Bosonen und t-Quarks, wobei verlangt wird, dasletztere die gleiche invariante Masse besitzen.

2. Es wird die Signalhypothese im Rahmen des kinematischen Fits untersucht.Dies geschieht für beide Zerfallsmöglichkeiten semileptonischer Wt-Kanal-Er-eignisse, das heißt für leptonische und hadronische Zerfälle der t-Quarks.

Der Fit für die tt-Hypothese verwendet die vier Jets, das Elektron bzw. Myon undEmissT , wobei alle Kombinationen der Jets zu den möglichen massiven Mutterteilchen

getestet werden. Dabei wird beachtet, dass der b-Jet stets direkt einem Top-Quarkund keinemW -Boson zugeordnet wird. Als Zwangsbedingungen kommen die Massender W -Bosonen zum Einsatz. Weiterhin wird gefordert, dass die beiden Top-Quarksdie gleiche Masse haben. Eine explizite Festlegung auf eine bestimmte Top-Quark-Masse entfällt damit (vgl. Abb. 5.4). Im Fall der Konvergenz des Fits wird dieKombination mit dem kleinsten χ2-Wert als tt-Kandidat gespeichert. Der χ2-Wertkann nun dazu dienen, tt-Ereignisse abzuweisen, da hier relativ kleine Werte zu er-warten sind. Abbildung 5.19 zeigt die χ2-Wahrscheinlichkeit dieses Fits. Es ist fest-zustellen, dass sich keine große Trennung zwischen tt- und Single-Top-Ereignissen imWt-Kanal ergibt. Auch hier stellt sich die Frage nach der Behandlung von Jets bzw.Quarks innerhalb des Fits, wie sie oben bereits gestellt wurde. In jedem Fall abereröffnet die Kombinationsfreiheit innerhalb des Fits in erhöhtem Maße die Möglich-keit, dass auch andere Ereignisse als die tt-Erzeugung mit kleinem χ2 rekonstruiertwerden. Unter diesen Umständen zeigt sich die beste Trennung von tt-Ereignissen,wenn alle Ereignisse verworfen werden, für die der Fit konvergiert.

Im zweiten Schritt wird die Signalhypothese angewendet. Einerseits besteht dieHypothese eines leptonischen t-Quark-Zerfalls. Dieser wird analog zur Top-Rekon-struktion im t-Kanal behandelt. Das assoziiert produzierte W -Boson zerfällt imRahmen dieser Hypothese hadronisch. Dementsprechend werden zwei Jets zur Re-konstruktion eines W -Bosons kombiniert (vgl. Abb. 5.20(a)). Weiterhin ist die Hy-pothese eines hadronischen t-Quark-Zerfalls zu testen (vgl. Abb. 5.20(b)). Dabeiwerden drei Jets zur Rekonstruktion des Top-Quarks kombiniert. Einer der Jetsmuss der b-Jet sein. Die zwei weiteren Jets müssen zusammen die Zwangsbedingung

70

Page 79: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Abbildung 5.19: χ2-Wahrscheinlichkeit der Rekonstruktion semileptonischer tt-Ereignisse sowohl für das Single-Top-Wt-Signal als auch für die verschiedenen Un-tergrundprozesse. Man erkennt, dass der tt-Untergrund relativ gut rekonstruiertwerden kann. Diese Rekonstruktion wird der Wt-Rekonstruktion vorgeschaltet, umden dominanten Untergrund durch tt-Erzeugung zu unterdrücken.

der W -Boson-Masse erfüllen. Dazu werden alle möglichen Jet-Paare untersucht. AlsKandidat wird auch hier die Kombination mit kleinstem χ2-Wert gespeichert. Dasassoziiert produzierteW -Boson spielt innerhalb des Fits keine Rolle, da es leptonischzerfällt. Es ergibt sich mit der W -Boson-Masse nur eine Zwangsbedingung. Außer-dem gibt es mit der z-Komponente des Neutrinos einen ungemessenen Parameter,woraus null Freiheitsgrade resultieren. Ein kinematischer Fit dieses W -Bosons istfolglich nicht möglich. Nach den Tests beider Wt-Hypothesen wird schließlich dieHypothes mit kleinestem χ2-Wert als Single-Top-Kandidat gespeichert. Abbildung5.20 zeigt die χ2-Wahrscheinlichkeit der Wt-Rekonstruktion. Eine Trennung vonSignal und Untergrund anhand dieser Rekonstruktion ist prinzipiell möglich, aller-dings bleiben tt-Ereignisse ein überragender Untergrund. Das ist an dieser Stelle zuerwarten, nachdem die Sondierung der Top-Paareignisse mit der dafür ausgelegtenRekonstruktion nur in geringem Maße zu einer Reduktion dieses Untergrund führte.Alle Charakteristika der Single-Top Wt-Ereignisse, die vom kinematischen Fit er-fasst werden, treffen auch für tt-Ereignisse zu. Zur Reduktion des Untergrunds wirdein Schnitt auf minimale χ2-Wahrscheinlichkeit von 10% angewendet. Abbildung5.22 zeigt die Wirkung des kinematischen Fits. In Tab. 5.4 werden die Ereigniszah-len des selektierten Ensembles zusammengefasst.

Für die hier betrachtete integrierte Luminosität von L=1 fb−1 werden 60±10Signalereignisse selektiert, der Fehler bezieht sich allein auf die endliche Statistikdes verwendeten Monte-Carlo-Samples. Auch im Wt-Kanal sorgt der kinematischeFit in etwa für eine Verdoppelung des Signalanteils. In Hinblick auf eine zukünf-tige Messung ist dies noch nicht zufriedenstellend. Der Beitrag von tt-Ereignissenist das wesentliche Problem. Bezogen auf alle anderen Untergründe verbessert derkinematische Fit den Signalanteil um einen Faktor 3,5. Es bestehen sicherlich nochMöglichkeiten zur Optimierung dieser Methode. Neben der oben erwähnten Pro-

71

Page 80: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

(a) Leptonischer Top-Zerfall. (b) Hadronischer Top-Zerfall.

Abbildung 5.20: Schema des kinematischen Fit im Wt-Kanal für semileptonischeEreignisse. Bei hadronischen Zerfällen des assoziiert produziertenW -Bosons könnenalle schweren Teilchen rekonstruiert werden. Zerfällt dieses W -Boson dagegen lep-tonisch, so bleibt nur die Rekonstruktion des hadronisch zerfallenden t-Quarks, dafür einen kinematischen Fit des leptonisch zerfallenden W -Bosons nicht ausreichendviel Information zur Verfügung steht.

blematik der Rekonstruktion von Zerfällen in Quarks aus gemessenen Jets wärezu prüfen, ob in der tt-Rekonstruktion die explizite Verwendung der Topmasse inForm von zwei Zwangsbedingungen anstatt einer für Gleichheit der t-Quark-Masseneine Verbesserung bringen würde. Jedenfalls kann an dieser Stelle die Vermutungaufgestellt werden, dass der kinematische Fit noch nicht ausreichend ist für eineMessung der Single-Top-Produktion im Wt-Kanal. Ein alternativer Ansatz bestehtin multivariaten Analysen. Bei deren Verwendung stellt sich allerdings die Frage,wie die Messung eines semileptonischen Wt-Kandidaten zu interpretieren ist. Es istzunächst nicht klar, ob es sich bei einem solchen Kandidaten um einen leptonischenoder einen hadronischen t-Quark-Zerfall handelt. Diese Zweideutigkeit kann durchden kinematischen Fit aufgelöst werden. Von den 13 in der Simulation des Signalsselektierten Kandidaten eines leptonischen t-Quark-Zerfalls sind alle Ereignisse tat-sächlich von diesem Typ. Von den 28 Kandidaten für einen hadronischen Top-Zerfallsind 24 tatsächlich solche Zerfallsereignisse. Diese Auflösung von Mehrdeutigkeitendurch den kinematischen Fit kann auch für spätere Messungen bei ATLAS unterVerwendung multivariater Analysen von Bedeutung sein, ähnlich wie es bei derSingle-Top-Analyse von CDF der Fall war [20].

72

Page 81: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Abbildung 5.21: χ2-Wahrscheinlichkeit der Wt-Rekonstruktion für Signal und Un-tergrund.

Abbildung 5.22: Auswirkungen des tt-Vetos und der Wt-Kanal-Rekonstruktion fürSignal und Untergrund. Konvergenz steht für eine gelungene Wt-Rekonstruktion.

Prozess EreignisseWt-Kanal 60Single-Top-Untergrund 37tt 805W+Jets 112Z+Jets 4Di-Boson 1QCD-Multijet 0S/B 0,062

Tabelle 5.5: Anzahl selektierter Ereignisse der Wt-Kanal-Analyse nach den obenbeschriebenen Schnitten für Signal und Untergrund, normiert auf eine integrierteLuminosität von L=1 fb−1. Gegenüber der Vorselektion wird in etwa eine Verdop-pelung des Signalanteils erreicht. Den dominanten Untergrund bilden auch nachAnwendung der kinematischen Fits tt-Ereignisse.

73

Page 82: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

5.5 Ansatz zur Bestimmung systematischerFehler

Um sicher zu sein, dass der kinematische Fit zur Messung elektroschwacher Produk-tion von t-Quarks bei ATLAS geeignet ist, gilt es nicht nur seine Leistungsfähigkeitbei der Signalextraktion zu beweisen. Es sind weiterhin die systematischen Fehlerzu quantifizieren, die im Rahmen dieser Analyse auftreten. Eingang in die Messungdes Wirkungsquerschnitts, wie sie in Abschnitt 2.4 beschrieben ist, finden Unsicher-heiten der hier vorgestellten Methode über die Abschätzung der Selektionseffizienz,währen die Raten der wichtigesten Untergründe W+Jets und tt separat aus Datenabgeschätzt werden.

Eine umfassende Untersuchung der systematischen Fehler beim kinematischenFit steht bisher aus. Allerdings wurden die wichtigsten Fehlerquellen, die speziellmit dieser Methode zusammenhängen, untersucht. Es ist zum einen die Energie-skala von Jets. Die Kalibrierung der Kalorimetereinträge auf die Skala der von Jetstatsächlich deponierten Energien ist nicht trivial, es sei wie in [8] eine Unsicherheitvon 5% angesetzt. Weiterhin spielt die Unsicherheit in der t-Quark-Masse hier einebesondere Rolle, da sie explizit in den Fit eingeht. Die zur Verfügung gestelltenMonte-Carlo-Simulationen für das Single-Top-Signal wurden mit der festen Massevon mt = 172,5 GeV produziert. Es sollten zukünftig realistischere Simulationen miteiner endlichen Massenbreite produziert werden. Die derzeitige Unsicherheit in derkinematisch gemessenen t-Quark-Masse beträgt ∆mt = 1,9 GeV [33].

Die Analyse im t-Kanal wurde Rahmen von 100 Pseudoexperimenten durchge-führt. Dabei wurden zu Beginn jeweils Zufallszahlen für die Jetenergieskala unddie t-Quark-Masse aus Gaußverteilungen der Mittelwerte 1 bzw. 172,5 GeV und derBreiten 0,05 bzw. 1,9 GeV gewürfelt. Der Transversalimpuls des b-Jets wurde vordem kinematischen Fit jeweils mit der Jetenergieskala multipliziert. Die zufällig er-mittelte Masse wurde als t-Quark-Masse in den Fit eingegeben.

Es folgt für die Analyse eine Effizienz von ε = 2,01 ± 0,05% im Elektronkanalund ε = 1,9± 0,1% im Myonkanal. Diese Unsicherheiten gehen direkt in den Fehlerdes Wirkungsquerschnitts ein. Mit relativen Fehlern von 2,5% bzw. 5,3% liegen dieBeiträge deutlich unter den in [8] erwarteten Gesamtfehlern von ca. 40%. Außerdemist zu erwarten, dass zukünftige Untersuchungen zu geringeren Unsicherheiten derJetenergieskala führen. Der durch die t-Quark-Masse bedingte Fehler sollte kleinerausfallen, wenn realistischere Monte-Carlo-Simulationen zum Einsatz kommen, beidenen diese Masse mit endlicher Breite verteilt ist. Damit lässt sich feststellen, dasses sich beim kinematischen Fit tatsächlich um eine robuste Analysemethode handelt.

74

Page 83: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Kapitel 6

Zusammenfassung und Ausblick

In dieser Masterarbeit wurde die Anwendung eines kinematischen Fits für Messun-gen von Single-Top-Prozessen bei ATLAS untersucht. Dazu wurde ein χ2-Fit mitnichtlinearen Zwangsbedingungen verwendet. Die Aufgabe des Fits besteht darin,die Reinheit eines Ensembles selektierter Ereignisse zu erhöhen, indem im Rahmendes Anpassungstests Zwangsbedingungen der invarianten Massen von W -Bosonenund t-Quarks auf mögliche Single-Top-Ereignisse angewendet werden.

Vor der Anwendung in Single-Top-Analysen wurden grundlegende Studien zumkinematischen Fit durchgeführt. Es wurde eine spezielle Form der Massenzwangsbe-dingung implementiert, die eine verbesserte Selektionseffizienz von Signalereignissenermöglicht. Studien zur Effizienz und Reinheit der Signalselektion des kinematischenFits im Vergleich zu einfachen Schnitten bei der Rekonstruktion von Zweikörper-zerfällen belegen die Leistungsfähigkeit des Fits. Die Anwendbarkeit des Fits für dieSingle-Top-Rekonstruktion wurde anhand eines Spiel-Monte-Carlos demonstriert.

Der Einsatz des Fits in Single-Top-Analysen wurde vor dem Hintergrund bereitsvorgeschlagener Analysen bei ATLAS diskutiert. Schon in den ersten Single-Top-Messungen bei ATLAS werden systematische Fehler dominieren. Dabei ist insbe-sondere die Unsicherheit der Untergrundraten von Bedeutung. Für den Single-Top-t-Kanal konnte gezeigt werden, dass mit dem kinematischen Fit im Vergleich zurbisher vorgeschlagenen schnittbasierten Analyse eine Halbierung des Untergrundan-teils im Ensemble selektierter Ereignisse möglich ist. Dabei entspricht die Selekti-onseffizienz der Analyse mit kinematischem Fit nahezu jener der schnittbasiertenAnalyse. Ebenfalls wurde bereits vor dieser Arbeit eine Analyse unter Anwendungmultivariater Methoden zur Signalextraktion vorgeschlagen. Sie wurde im Rahmender vorliegenden Arbeit nicht wiederholt. Das Signal-zu-Untergrund-Verhältnis beider multivariaten Analyse wird allerdings im Vergleich zu einfachen Schnitten alsnur um einen Faktor 1,4 größer angegeben. Daher bleibt festzustellen, dass der kine-matische Fit in jedem Fall ein wertvolles Instrument für erste Single-Top-Messungenbei ATLAS ist.

Charakteristisch für den Single-Top-t-Kanal ist neben dem dem t-Quark-Zerfallein assoziert produziertes Quark von hoher Rapidität. Die Verteilung der Pseudora-pidität des Jets von höchster Pseudorapidität in möglichen Single-Top-Ereignissenist für das Signal und die verschiedenen Untergrundprozesse deutlich verschieden.Dadurch wird ein Template-Fit der gemessenen Verteilung in Daten an die erwarte-te Verteilung aus Monte-Carlo-Studien möglich. Auf diese Weise könnte das Single-

75

Page 84: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Top-Signal extrahiert werden ohne die Untergrundraten mithilfe multivariater Me-thoden zu bestimmen. In der vorliegenden Arbeit wurde ein Schnitt auf minimalePseudorapidität des Vorwärtsjets angewandt. Damit wird ein Signal-zu-Untergrund-Verhältnis von nahezu 2 erreicht.

Im Vergleich zu multivariaten Methoden beruht der kinematische Fit wenigerauf der Vorraussetzung verlässlicher Monte-Carlo-Simulationen. Zudem konnte ge-zeigt werden, dass die systematischen Fehler durch die Unsicherheit der Jetener-gieskala und der verwendeten t-Quark-Masse im kinematischen Fit moderate Werteannehmen. Der kinematische Fit kann damit als leistungsfähige und robuste Ana-lysemethode eingestuft werden, was seinen Einsatz in ersten Single-Top-Messungenbei ATLAS nahelegt.

Die Signifikanz des zu messenden Single-Top-Signals im t-Kanal wird in der Vor-studie zu 2,7σ angegeben. Gegenwärtig wird der LHC mit einer Schwerpunktsenergievon√s = 7 TeV und dem Ziel einer intergrierten Luminosität von L=1 fb−1 betrie-

ben, womit sich höhere Single-Top-Ereignisraten ergeben als im bisher studiertenFall mit

√s = 10 TeV und L=200 pb−1. Bedenkt man weiterhin den Vorteil durch

den Einsatz des kinematischen Fits, so ist zu erwarten, dass mit dem aktuellen LHC-Szenario bei ATLAS eine Beobachtung von Single-Top-Ereignissen im t-Kanal miteiner Signifikanz von mehr als 3σ möglich ist.

Im Widerspruch zu den Ergebnissen aus der Untersuchung des Spiel-Monte-Carlos wurde in der Analyse des Single-Top-t-Kanals eine systematische Verschie-bung des Transversalimpulses pT des b-Jets beobachtet. Die rekonstruierten Wertesind größer als die Starwerte der Jetkonstruktion. Es ist zu vermuten, dass dieserEffekt durch die Fragmentierung des b-Quarks bedingt ist. Demzufolge wäre eineKorrektur des b-Jet-pT notwendig. Dieser Umstand sollte näher untersucht werden.Die zahlreichen Analysen bei ATLAS, in denen kinematische Fits verwendet werden,könnten hiervon profitieren.

Zusätzlich wurde eine Analyse im Wt-Kanal für semileptonische Zerfälle vorge-stellt. Gegenüber einer Vorselektion von Ereignissen hinsichtlich typischer Topolo-gien wurde auch hier mit dem kinematischen Fit eine Halbierung des Untergrund-anteils erreicht. Der Großteil der selektierten Ereignisse ist auch nach dem kine-matischen Fit durch tt-Untergrund gegeben. Trotzdem kann der kinematische Fiteinen wichtigen Beitrag für zukünftige Analysen des Single-Top-Wt-Kanals leisten.Die Frage, ob in einem semileptonischen Wt-Ereignis das t-Quark hadronisch oderleptonisch zerfallen ist, wird durch den kinematischen Fit nach der entsprechen-den Ereignisselektion in den meisten Fällen richtig beantwortet. Wenn in Zukunftmultivariate Methoden bemüht werden, um ein Wt-Signal zu messen, so kann derkinematische Fit durch die Auflösung dieser Mehrdeutigkeit auch hier einen Beitragleisten.

76

Page 85: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark
Page 86: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Anhang A

Verwendete Monte-Carlo-Simulationen

Die folgenden Tabellen 1, 2 und 3 zeigen die verwendeten Monte-Carlo-Simulationen.In Abschnitt 4.4.1 wurde allein das QCD-Multijet-Sample aus Run 8386 verwendet.Bei den anderen Analysen wurden alle hier angegebenen Samples verwendet, abge-sehen vom semileptonischen tt-Sample, Run 5860, das nur für die Single-Top-Wt-Kanal-Analyse verwendet wurde. Außerdem wurden aus der Simulation des Single-Top-Wt-Kanals nur semileptonische Ereignisse für die Wt-Analyse verwendet.

78

Page 87: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Run Zerfall Matrixelement WQ [pb]8341 single-top, t-channel, µ νµ Mc@NLO 7,1768342 single-top, t-channel, τ ντ Mc@NLO 7,1288343 single-top, s-channel, e νe Mc@NLO 0,46858344 single-top, s-channel, µ νµ Mc@NLO 0,46848345 single-top, s-channel, µ νµ Mc@NLO 0,47008346 single-top, Wt inclusive Mc@NLO 14,5815860 tt, semileptonisch POWHEG 79,1185890 tt, di-leptonisch , Np0 Alpgen 3,3145891 tt, di-leptonisch , Np1 Alpgen 3,285892 tt, di-leptonisch , Np2 Alpgen 2,055893 tt, di-leptonisch , Np3 Alpgen 1,305894 tt, semileptonisch , Np0 Alpgen 12,965895 tt, semileptonisch , Np1 Alpgen 13,085896 tt, semileptonisch , Np2 Alpgen 8,045897 tt, semileptonisch , Np3 Alpgen 5,137680 W → eνe, Np0 Alpgen 6913,37681 W → eνe, Np1 Alpgen 1293,37682 W → eνe, Np2 Alpgen 337,17683 W → eνe, Np3 Alpgen 100,97684 W → eνe, Np4 Alpgen 25,37685 W → eνe, Np5 Alpgen 6,97690 W → µνµ, Np0 Alpgen 6935,47691 W → µνµ, Np1 Alpgen 1281,27692 W → µνµ, Np2 Alpgen 375,37693 W → µνµ, Np3 Alpgen 101,17694 W → µνµ, Np4 Alpgen 25,77695 W → µνµ, Np5 Alpgen 7,07700 W → τντ , Np0 Alpgen 6835,87701 W → τντ , Np1 Alpgen 1276,87702 W → τντ , Np2 Alpgen 376,67703 W → τντ , Np3 Alpgen 100,87704 W → τντ , Np4 Alpgen 25,77705 W → τντ , Np5 Alpgen 7,0

Tabelle A.1: Verwendete Monte-Carlo-Simulationen bei einer Schwerpunktenergievon√s = 7 TeV, WQ steht für Wirkungsquerschnitt

Page 88: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Run Zerfall Matrixelement WQ [pb]7650 Z → ee, Np0 Alpgen 611,97651 Z → ee, Np1 Alpgen 133,37652 Z → ee, Np2 Alpgen 40,37653 Z → ee, Np3 Alpgen 11,27654 Z → ee, Np4 Alpgen 2,77655 Z → ee, Np5 Alpgen 0,87660 Z → µµ, Np0 Alpgen 657,77661 Z → µµ, Np1 Alpgen 132,87662 Z → µµ, Np2 Alpgen 39,67663 Z → µµ, Np3 Alpgen 11,17664 Z → µµ, Np4 Alpgen 2,87665 Z → µµ, Np5 Alpgen 0,87670 Z → ττ , Np0 Alpgen 657,47671 Z → ττ , Np1 Alpgen 133,07672 Z → ττ , Np2 Alpgen 40,47673 Z → ττ , Np3 Alpgen 11,07674 Z → ττ , Np4 Alpgen 2,97675 Z → ττ , Np5 Alpgen 0,77100 WW, dileptonisch, Np0 Alpgen 2,0497101 WW, dileptonisch, Np1 Alpgen 0,9877102 WW, dileptonisch, Np2 Alpgen 0,4417100 WW, dileptonisch ,Np0 Alpgen 0,1787104 WZ, inklusiv, Np0 Alpgen 0,6647105 WZ, inklusiv, Np1 Alpgen 0,3997106 WZ, inklusiv, Np2 Alpgen 0,2217107 WZ, inklusiv, Np3 Alpgen 0,0937108 ZZ, inklusiv, Np0 Alpgen 0,4947109 ZZ, inklusiv, Np1 Alpgen 0,2257110 ZZ, inklusiv, Np2 Alpgen 0,0887111 ZZ, inklusiv, Np3 Alpgen 0,028

Tabelle A.2: Verwendete Monte-Carlo-Simulationen bei einer Schwerpunktenergievon√s = 7 TeV, WQ steht für Wirkungsquerschnitt

80

Page 89: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Run Zerfall Matrixelement WQ [pb]7914 QCD-Jets, J1Np2 Alpgen 105263,67915 QCD-Jets, J1Np3 Alpgen 21247,08382 QCD-Jets, J2Np2 Alpgen 72979,78383 QCD-Jets, J2Np3 Alpgen 166732,38384 QCD-Jets, J2Np4 Alpgen 256204,98385 QCD-Jets, J2Np5 Alpgen 57103,68386 QCD-Jets, J2Np6 Alpgen 9337,08387 QCD-Jets, J3Np2 Alpgen 10881,48388 QCD-Jets, J3Np3 Alpgen 110727,18389 QCD-Jets, J3Np4 Alpgen 167584,08390 QCD-Jets, J3Np5 Alpgen 54371,68391 QCD-Jets, J3Np6 Alpgen 13680,18362 QCD-Jets, J4Np2 Alpgen 12064,18363 QCD-Jets, J4Np3 Alpgen 24137,98364 QCD-Jets, J4Np4 Alpgen 17319,48365 QCD-Jets, J4Np5 Alpgen 7776,68366 QCD-Jets, J4Np6 Alpgen 3087,98367 QCD-Jets, J5Np2 Alpgen 268,68368 QCD-Jets, J5Np3 Alpgen 640,28369 QCD-Jets, J5Np4 Alpgen 625,38370 QCD-Jets, J5Np5 Alpgen 383,38371 QCD-Jets, J5Np6 Alpgen 217,5

Tabelle A.3: Verwendete Monte-Carlo-Simulationen bei einer Schwerpunktenergievon√s = 7 TeV, WQ steht für Wirkungsquerschnitt

81

Page 90: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

Literaturverzeichnis

[1] Abachi, S. et al., Phys. Rev. Lett. 74 2632, 1995

[2] Abe, F. et al., Phys. Rev. Lett. 74 2626, 1995

[3] Aleksa, M. et al., ATLAS Combined Testbeam: Computation and Validationof the Electronic Calibration Constants for the Electromagnetic Calorimeter,2006, ATL-LARG-PUB-2006-003, http://cdsweb.cern.ch/record/942528

[4] Aharrouche, M. et al., Readiness of the ATLAS Tile Calorimeter for LHC col-lisions, ATLAS-TCAL-2010-01-006, CERN-PH-EP-2010-024, arXiv:1007.5423

[5] ATLAS Kollaboration, ATLAS Website, http://www.atlas.ch

[6] ATLAS Kollaboration, The ATLAS Experiment at the CERN Lar-ge Hadron Collider, Institute of physics publishing and SISSA, 2009,http://iopscience.iop.org/1748-0221/3/08/S08003

[7] ATLAS Kollaboration, ATLAS detector and physics performan-ce. Technical Design Report Vol. 1, CERN/LHCC 99-14, 1999,http://atlas.web.cern.ch/Atlas/GROUPS/PHYSICS/TDR/TDR.html

[8] ATLAS Kollaboration, Strategy to Search for Single-Top Events using earlyData of the ATLAS Detector at the LHC, 2010, ATL-COM-PHYS-2010-093

[9] ATLAS Kollaboration, Measurement of the W → lν and Z → ll producti-on cross sections in proton-proton collisions at

√s = 7TeV with the ATLAS

detector, Journal of High Energy Physics, 2010

[10] ATLAS Kollaboration, Measurement of the top quark pair production cross-section with ATLAS in pp collisions at

√s = 7TeV, Eur.Phys.J.C., 2010

[11] ATLAS Kollaboration, Measurement of inclusive jet and dijet cross sectionsin proton-proton collisions at 7 TeV centre-of-mass energy with the ATLASdetector, Eur. Phys. J. C, arXiv:1009.5908

[12] ATLAS Kollaboration, Jet energy resolution and selection efficiency relati-ve to track jets from in-situ techniques with the ATLAS Detector UsingProton-Proton Collisions at a Center of Mass Energy

√s = 7 TeV, 2010,

http://cdsweb.cern.ch/record/1281311

[13] ATLAS Kollaboration, Performance of the ATLAS Secondary Vertex b-taggingAlgorithm in 7 TeV Collision Data, 2010, ATLAS-CONF-2010-042

82

Page 91: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

[14] ATLAS Kollaboration, M. Aharrouche et al., Readiness of the ATLAS LiquidArgon Calorimeter for LHC Collisions, arXiv:0912.2642

[15] Beumler, S., Fehlidentifikationsraten von Leptonen in ATLAS, Masterarbeit ander Humboldt-Universität zu Berlin in Vorbereitung, 2010

[16] Bilski, S., Z-Rekonstruktion aus Elektronen und Myonen bei ATLAS, Bache-lorarbeit an der Humboldt-Universität zu Berlin, 2010

[17] Blobel, V., Lohrmann, E., Statistische und numerische Methoden der Daten-analyse, Teubner-Studienbücher : Physik, 1998

[18] Cacciari, M., Salam, G. P., Soyez, G., The anti − kt jet clustering algorithm,2008, arXiv:0802.1189v2

[19] CMS Kollaboration, First Measurement of the Cross Section for Top-Quark PairProduction in Proton-Proton Collisions at

√s = 7TeV, 2010, arXiv:1010.5994v1

[20] CDF Kollaboration, First Observation of Electroweak Single Top Quark Pro-duction, Phys.Rev.Lett.103:092002, 2009, arXiv:0903.0885v3

[21] D∅ Kollaboration, Observation of Single Top-Quark Production,Phys.Rev.Lett.103:092001, 2009, arXiv:0903.0850v2

[22] Ellis, S.D. and Huston, J. and Hatakeyama, K. and Loch, P. and Toennesmann,M., Jets in Hadron-Hadron Collisions, Prog.Part.Nucl.Phys.60:484-551, 2008,arXiv:0712.2447v1

[23] Giorgi, M. Dissertation an der Humboldt-Universität zu Berlin in Vorbereitung

[24] Green, D., At the leading edge, the ATLAS and CMS LHC experiments, WorldScientific, 2010

[25] Göpfert, T., Sundermann, J. E., KinFitter - A Kinematic Fit with Constraints,2009, ATL-COM-SOFT-2009-014-KinFitter

[26] Herb, S. W. et al., Phys. Rev. Lett. 39 252, 1977

[27] Kintscher, T., Rekonstruktion von Λ-Zerfällen zur Untersuchung von Elek-tronfehlidentifikationen durch Protonen bei ATLAS, Bachelorarbeit an derHumboldt-Universität zu Berlin, 2010

[28] LEP Electroweak Working Group1, die LEP Kollaborationen ALEPH, DEL-PHI, L3, OPAL, Precision Electroweak Measurements and Constraints on theStandard Model, 2007, arXiv:0712.0929v2

[29] Liss, T.M., Quadt A., The Top Quark, Particle Data Group, 2010,http://pdg.lbl.gov/2010/reviews/rpp2010-rev-top-quark.pdf

[30] LHC Design Report, http://lhc.web.cern.ch/lhc/LHC-DesignReport.html

[31] Moch, S., Hard QCD at Hadron Colliders, 2008, arXiv:0803.0457v2

83

Page 92: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

[32] Particle Data Group, S. Eidelman et al., Phys. Lett. B592, 1, 2004

[33] Particle Data Group, The Review of Particle Physics, http://pdg.lbl.gov

[34] Perl M. L. et al., Phys. Rev. Lett. 35 1489-92, 1975

[35] Pleier, M. A., Review of properties of the top quark from measurements at thetevatron, International Journal of Modern Physics A, World Scientific Publis-hing Company, 2009, arXiv:0810.5226v2

[36] Quadt, A., Top quark physics at hadron colliders, Advances in the physics ofparticles and nuclei ; 28, 2007

[37] Richter, D., Energy Loss Measurements with the ATLAS Transition RadiationTracker Using Test Beam Data, Diplomarbeit an der Humboldt-Universität zuBerlin, 2008

[38] ROOT, Objektorientierte Analyse-Umgebung, http://root.cern.ch/

[39] Schade, Sophia, Rekonstruktion von Kaonspuren bei ATLAS für Analysen zurElektronfehlidentifikation, Bachelorarbeit an der Humboldt-Universität zu Ber-lin, 2010

[40] Wagner, W., Top quark physics in hadron collisions, Rep. Prog. Phys. 68 2409,2005, http://iopscience.iop.org/0034-4885/68/10/R03

[41] Worldwide LHC Computing Grid, http://lcg.web.cern.ch/lcg

[42] White, C.D., Frixione, S., Laenen, E., Maltoni, F., Isolating Wt production atthe LHC, Rep. Prog. Phys. 68 2409, 2009, arXiv:0908.0631v1

84

Page 93: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark
Page 94: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark
Page 95: Entwicklung eines kinematischen Fits zur Untersuchung ......5.4 SchnittbasierteAnalyseimSingle-Topt-Kanal,W→µν. . . . . . . 55 5.5 SchemadeskinematischenFitsfürdasleptonischzerfallendet-Quark

SelbständigkeitserklärungHiermit versichere ich, Patrick Rieck1, dass ich die vorliegende Arbeit selbständigverfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendethabe.

Berlin, den 1. Dezember 2010

[email protected]