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ENTWICKLUNG EINES VIRTUELLEN RUSSSENSORS FÜR DIESELMOTOREN Mit der Vielfalt an Stellgliedern bieten moderne Dieselmotoren in weiten Betriebs- bereichen ein großes Potenzial bezüglich Effizienz und Emissionen, sind jedoch sehr aufwendig einzustellen. Die Einbindung der Emissionen in einen Regelkreis kann diesen Aufwand beträchtlich reduzieren. Da insbesondere für Rußemissionen kein derartiger physischer Sensor vorhanden ist, wurde im Rahmen eines FVV-Vorhabens an der ETH Zürich ein virtueller Rußsensor entwickelt. Er benötigt lediglich charak- teristische Verbrennungskennwerte aus dem Zylinderdruckverlauf und Stellgrößen aus dem Steuergerät und kann in diesem online ausgewertet werden. AUTOREN DR. CHRISTOPHE BARRO ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Laboratorium für Aerothermochemie und Verbrennungssysteme (LAV) an der ETH Zürich (Schweiz). PETER OBRECHT ist Leiter der experi- mentellen Gruppe mit motorischen Versuchs- trägern am Laboratorium für Aerothermochemie und Verbrennungssysteme (LAV) an der ETH Zürich (Schweiz). DIPL.-ING. PETER LAUER ist Entwicklungsingenieur in der Abteilung Advanced Engineering Exhaust Gas Aftertreatment bei MAN Diesel & Turbo in Augsburg. PROF. DR. KONSTANTINOS BOULOUCHOS ist Leiter des Laboratoriums für Aerothermochemie und Verbrennungssysteme (LAV) an der ETH Zürich (Schweiz). | V O N E X P E R T E N A U S F O R S C H U N G U N D I N D U S T R I E B E G U T A C H T E T | D A S G Ü T E S I E G E L F Ü R W I S S E N S C H A FTLI C H E B E I T R Ä G E I N D E R M T Z PEER REVIEW EINGEGANGEN 12.12.2013 GEPRÜFT 30.01.2014 ANGENOMMEN 03.03.2014 FORSCHUNG MOTORMANAGEMENT 60

Entwicklung eines virtuellen Russsensors für Dieselmotoren

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Page 1: Entwicklung eines virtuellen Russsensors für Dieselmotoren

ENTWICKLUNG EINES VIRTUELLEN RUSSSENSORS FÜR DIESELMOTOREN

Mit der Vielfalt an Stellgliedern bieten moderne Dieselmotoren in weiten Betriebs-bereichen ein großes Potenzial bezüglich Effizienz und Emissionen, sind jedoch sehr aufwendig einzustellen. Die Einbindung der Emissionen in einen Regelkreis kann diesen Aufwand beträchtlich reduzieren. Da insbesondere für Rußemissionen kein derartiger physischer Sensor vorhanden ist, wurde im Rahmen eines FVV-Vorhabens an der ETH Zürich ein virtueller Rußsensor entwickelt. Er benötigt lediglich charak-teristische Verbrennungskennwerte aus dem Zylinderdruckverlauf und Stellgrößen aus dem Steuergerät und kann in diesem online ausgewertet werden.

AUTOREN

DR. CHRISTOPHE BARRO ist wissenschaftlicher

Mitarbeiter am Laboratorium für

Aerothermochemie und Verbrennungssysteme

(LAV) an der ETH Zürich (Schweiz).

PETER OBRECHT ist Leiter der experi-

mentellen Gruppe mit motorischen Versuchs-

trägern am Laboratorium für Aerothermochemie

und Verbrennungssysteme (LAV) an der ETH Zürich

(Schweiz).

DIPL.-ING. PETER LAUER

ist Entwicklungsingenieur in der Abteilung Advanced

Engineering Exhaust Gas Aftertreatment bei

MAN Diesel & Turbo in Augsburg.

PROF. DR. KONSTANTINOS

BOULOUCHOS ist Leiter des

Laboratoriums für Aerothermochemie und

Verbrennungssysteme (LAV) an der ETH Zürich

(Schweiz).

| VON EXPERTEN AUS FORSCHUNG UND INDUSTRIE

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UTAC

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EL FÜR WISSENSCHAFTLICHE BEITRÄGE IN DER M

TZPEER REVIEWEINGEGANGEN 12.12.2013GEPRÜFT 30.01.2014ANGENOMMEN 03.03.2014

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Motormanagement

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1 EINLEITUNG

Die stetige Verschärfung der Emissionsvorschriften hat dazu geführt, dass Dieselmotoren in den vergangenen Jahren große technologi-sche Fortschritte gemacht haben. Die Komplexität hat dabei stark zugenommen. Um die Emissionen zu reduzieren, wurden zusätzli-che Systemkomponenten im Luft- und Kraftstoffpfad implemen-tiert. Beispiele sind die Abgasrückführung, Auflade systeme mit vari-abler Turbinengeometrie, die Einlasskanalabschaltung oder das Common-Rail-Einspritzsystem. In der Folge sind die Ansprüche an Regelung und Kalibrierung von Dieselmotoren gestiegen.

Das Einbinden der Abgasemissionen in einen Regelkreis kann helfen, den Kalibrieraufwand zu reduzieren und ermöglicht es, die Einhaltung der Emissionsvorschriften zu vereinfachen. Eine Emis-sionsregelung setzt aber die Kenntnis der Rohemissionen voraus. Im Fall von NOx kann dies anhand von schnellen physischen Sen-soren in Verbindung mit einem Beobachter sein [1]. Bei Rußpar-tikeln (PM) fehlt ein derartiger serientauglicher Sensor für Roh-emissionen. Folglich wird ein modellgestützter Sensor benötigt, der die Rußemissionen zyklusaufgelöst voraussagt.

Dieser Beitrag zeigt die Entwicklung eines virtuellen Rußsensors (VSS) sowie dessen Integration in den Regelkreis für die Partikel- und NOx-Emissionen [1]. Er basiert auf den Resultaten des für die Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen e.V. (FVV) erarbeiteten Projekts [2], das gemeinsam am Institut für Dynami-sche Systeme und Regelungstechnik (Ruß- und NOx-Regler) und

am Laboratorium für Aerothermochemie und Verbrennungssys-teme (virtueller Rußsensor) bearbeitet wurde.

2 MOTORENPRÜFSTAND

Für die Experimente wurde ein Prüfstand mit einem von der Daim-ler AG zur Verfügung gestellten Sechszylinder-Dieselmotor mit 3 l Hubraum (OM642) aufgebaut, ❶. Der Motor verfügt über ein Com-mon-Rail-Einspritzsystem, gekühlte Hochdruck-Abgasrückführung (AGR), eine variable Turbinengeometrie (VTG) und über eine Ein-lasskanalabschaltung (EKAS) zur Erzeugung von Drall im Zylinder. Für die Funktionsentwicklung und den Zugriff auf Steuergeräte-daten ist der Prüfstand mit einem Rapid-Prototyping-Modul ES910 von Etas ausgestattet.

Ein Zylinder ist mit einer optischen Sonde (OLP, Prototyp von Kistler) ausgerüstet. Diese erlaubt kurbelwinkelaufgelöste Mes-sungen der Rußmasse im Zylinder, die als sogenannter kL-Faktor (berechnet mittels Drei-Farben-Pyrometrie) wiedergegeben wird. Im Abgasstrang sind ein NOx-Sensor von Continental und ein Micro Soot Sensor (PASS = photo acoustic soot sensor) von AVL zur Emissionsmessung vorhanden. Des Weiteren ist der Motor mit einem Indiziersystem von Kistler ausgerüstet.

2.1 ONLINE-VERBRENNUNGSANALYSEFür die Auswertung der Zylinderdruckdaten in Echtzeit wurde ein Verbrennungsanalyse-Modul entwickelt. Die berechneten Ver brennungseigenschaften werden per CAN zum Rapid-Proto-typing-Modul gesendet. Weitere Informationen dazu sind in [3] zu finden.

3 VIRTUELLER RUSSSENSOR

Der VSS soll die Rußkonzentration im Abgas voraussagen. Für gute Extrapolierbarkeit soll dabei die Phänomenologie der Rußbildung und -oxidation nachgebildet werden. Grundsätzlich wird von einem

1 EINLEITUNG

2 MOTORENPRÜFSTAND

3 VIRTUELLER RUSSSENSOR

4 RESULTATE MIT INTEGRIERTEM VSS

5 ZUSAMMENFASSUNG

❶ Skizze des OM642 mit wichtigen Systemkomponenten

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Zweistufenansatz ausgegangen [4, 5, 6]. Der Rechenaufwand des VSS sollte möglichst gering sein, sodass eine Integration in einen Regelkreis im Steuergerät möglich ist.

3.1 MODELLDie Phänomenologie der Rußbildung und -oxidation wird vereinfa-chend in drei aufeinander folgenden Phasen, einer Bildungsphase, einer Haltephase und einer Oxidationsphase, betrachtet. Diese drei Phasen sollen den mithilfe der Drei-Farben-Pyrometrie ermit-telten Verlauf des kL-Faktors, ein Maß der Rußmasse im Zylinder, abbilden. Die Zeitkonstanten aller drei Phasen werden aus rele-vanten Umsatzpunkten über eine thermodynamische Druckver-laufsanalyse im Verbrennungsanalyse-Modul berechnet, ❷. Die

Zustände bei Brennbeginn werden mithilfe des Zylinderdrucks und der abgeschätzten Ladungsmasse direkt berechnet.

Aus dem Heizverlauf – der aus dem indizierten Zylinderdruck berechnet wird – werden die folgenden vier charakteristischen Grö-ßen abgeleitet: : Start der Verbrennung : maximale Umsatzrate der Diffusionsverbrennung : 1/e-Punkt (charakteristischer Umsatzpunkt bei 37 % (= etwa

1/e) der maximalen Umsatzrate) : Ende des Heizverlaufs (10 % der maximalen Umsatzrate).Die charakteristischen Zeiten respektive Winkelgrade (Kurbelwin-kel) zwischen diesen Punkten werden mit Δφ1 – Δφ3 beschrieben, ②. Die Winkelgrößen Δφ4 – Δφ6 werden aus Δφ1 – Δφ3 abgeleitet.

❷ Modellkonzept mit geschätzter Einspritzrate, Heizverlauf, repräsen-tativem Rußverlauf (kL-Verlauf) und einem schematischen Modellverlauf bei typischen Betriebsbedingungen von 5 bar Mitteldruck und 1300/min [6] (schematische Darstellung)

❸ Gemessene und modellierte Abgasrußmasse sowie gemessene und modellierte Rußbildung eines ganzen Kennfelds (Kalibrierung) und einer Einzel-Motorparameter-Variation zwischen 5 bis 8 bar Mitteldruck und 1250 bis 2500/min (Validierung)

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Die Modellgleichungen für die Bildung, Haltenphase und Oxidation des Rußes sehen dann wie folgt aus, Gl. 1-3:

Rußbildung:

GL. 1 mRuss, Bild = b1 ∙ mKr, diffb2

Die Bildung ist somit proportional zur Kraftstoffmasse der Diffusionsverbrennung.

Haltephase:

GL. 2 mRuss, Haltephase = mRuss, Bild ∙ ( 1+0 · ( Δφ2 ___ φref ) )

Δφ5{

Die modellierte In-Zylinder-Rußmasse ändert sich im Gleichge-wicht (Haltephase) nicht (deshalb der Faktor 0). Die Dauer wird durch Δφ5 beschrieben.

Rußoxidation:

GL. 3

mRuss, Endwert =

mRuss, Haltephase ∙ ( 0,01+exp ( –B∙ b12∙Δφ3

______ φref ) )

B = ( Tox ___ Tref ) b3

∙ (1+b4 ∙ AGRstöch)–b5 ∙ ( b6 ∙ λ

_____ 2 ) b7∙

( prail

____

prail,ref ) b8

∙ ( 5 ___________

sin (EKAS∙ π __ 2 ) )

b9 ∙ ( rpm

_____ rpmref ) b10

∙ ( mKr ______ mKr,ref ) b11

Δφ6{Die Oxidationsphase wird mit einer Exponentialfunktion abgebil-det, deren Argumente einerseits die Oxidationsgeschwindigkeit infolge Turbulenz, Reaktionskinetik und lastabhängigen Parame-

❹ Oben: Resultate des VSS während einer Last-Rampe von 2,5 bis 10 bar Mitteldruck bei 1300/min, verglichen mit kLend und PASS (etwa 2 s verzögert); unten: zugehörige Messung der Kraftstoffmasse und der Luftzahl λ

06I2014 75. Jahrgang 63

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tern berücksichtigen und andererseits die Oxidationsdauer über Δφ6 definieren. Turbulenzverursacher sind der Raildruck (prail), die Einlasskanalabschaltung (EKAS) und die Drehzahl (rpm). Die Reaktionskinetik wird durch einen Term aus der mittleren Zylin-

dertemperatur zum Zeitpunkt der Oxidation (Tox) und der Sauer-stoffverfügbarkeit berücksichtigt. Die Letztere wird durch die bei-den die stöchiometrische AGR-Rate und λ enthaltenden Terme beschrieben. Die Parameter b1-b12 müssen motorspezifisch opti-

❺ Sollwertsprung der Rußemissi onen bei Emissionsregelung mit dem VSS, links NOx (Beobachter, Messung und Sollwerte), rechts Ruß (VSS, Messung und Sollwerte); oben: Emissionen, unten: relevante Stellglieder (hergeleitet aus [8])

❻ Vergleich der Emissionen, Last und Drehzahl eines konventionell betriebenen Motors mit der VSS-basierten Emissionsregelung in einem Ausschnitt des FTP-72-Fahrzyklus

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miert werden. Die Referenzwerte halten die einzelnen Faktoren dimensionslos [7].

3.2 STATIONÄRE ERGEBNISSEDer Ansatz des Modells erlaubt eine Parametrierung mithilfe eines stationären Motorkennfelds. Ein so parametriertes Modell soll sowohl unter Lasttransienten als auch unter geänderten stationä-ren Betriebsbedingungen gute Voraussagen zur Rußemission ermöglichen (extrapolierbares Modell).

❸ zeigt die Resultate der Kalibrierung (anhand eines Kennfelds mit 71 Betriebspunkten) und der Validierung. Bei Letzterer wur-den durch eine gezielte Verstellung der einzelnen Stellglieder (wie etwa EKAS) die Betriebsbedingungen des Motors und dessen Rußemissionen verändert. Die Abbildung zeigt, aufgetragen über die gemessenen Arbeitsspiele, das Maximum des Rußes im Zylin-der nach der Bildephase sowie die emittierte, im Abgas gemes-sene Rußmasse (Endwerte). Die oxidierte Rußmasse erscheint in dieser Grafik als Differenz der beiden Kurven. Der Korrelations-koeffizient R2 ist bei den Endwerten mit 0,85 zufriedenstellend. Die Korrelation zwischen dem Rußbildemodell und dem maximal gemessenen Ruß im Zylinder (kLmax) zeigt mit 0,94, dass die Phänomenologie der Rußbildung und -oxidation sehr gut reflek-tiert wird.

3.3 TRANSIENTE ERGEBNISSEUm die Leistungsfähigkeit des Modells im transienten Betrieb zu demonstrieren, wurden verschiedene Lastrampen vermessen. Die

Rußemissionen jedes Zyklus werden durch den VSS berechnet und über den mittels OLP bestimmten kL-Wert bei Brennende (kLend) validiert. Dieses Messverfahren ist nur relativ bei ähnli-chen Motorbetriebspunkten anwendbar. Die absoluten Rußemis-sionen werden mit einem photo-akustischen Rußmessgerät (PASS) überprüft.

Infolge der Entnahme und Verdünnung der Probe sowie der Konstruktion des PASS erfolgt eine Verzögerung und Vermi-schung (Glättung) der Proben aus mehreren Zyklen. Das hat zur Folge, dass eine zyklusaufgelöste Messung mit dem PASS nicht möglich ist. ❹ zeigt einen Vergleich von VSS, kLend und PASS für eine Lastrampe von 60 zu 240 Nm bei 1300/min. Die Rampen-dauer beträgt 1 s. Im unteren Schaubild ist zu sehen, dass sich λ während der Transienten unterhalb des Ausgangsniveaus befin-det. Die dadurch entstehende Erhöhung der Rußemissionen ist in beiden Messverfahren zu sehen Die Übereinstimmung zwi-schen kLend und VSS ist sehr gut. Die Glättung und Verzögerung des PASS-Signals ist auch deutlich sichtbar. Die stationären Werte vor und nach der Lasttransiente werden ebenfalls gut reflektiert. Weitere transiente Ergebnisse sind in [8] zu finden.

4 RESULTATE MIT INTEGRIERTEM VSS

Mit der Integration des VSS in die Ruß- und NOx-Regelung von [1] wird der verwendete Beobachter ersetzt, der aus den Informatio-nen des PASS mithilfe eines Modells die zyklusaufgelösten Ruß-

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Motor Mechanics

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emissionen wiedergibt. ❺ zeigt anhand des VSS-Signals einen Sollwertsprung der Rußemissionen bei PM-Regelung. Die oberen beiden Schaubilder zeigen die gemessenen NOx- und Ruß(PM)-Emissionen in Blau sowie die Sollwerttrajektorie in Schwarz. Die Regelgröße in Rot entspricht für NOx den beobachteten NOx-Emis-sionen, während die PM-Regelgröße der durch den virtuellen Sen-sor geschätzten Rußkonzentration entspricht. Die unteren Schau-bilder zeigen die Stellgrößen SOI (start of injection = Einspritz-beginn) und EKAS. Der NOx-Einfluss der EKAS wird über SOI korrigiert, womit die gemessenen und beobachteten NOx-Emissio-nen beim Sollwert verbleiben. Der PM-Sollwertsprung wird über die EKAS umgesetzt, wobei die gemessenen PM-Emissionen lediglich eine geringe Abweichung zur Schätzung des VSS haben.

In ❻ ist ein Vergleich zwischen der Emissionsregelung mit VSS im Vergleich zu einer konventionellen Regelung im ersten Teil des FTP-72-Zyklus dargestellt. Die gemessenen Emissionen in den beiden oberen Schaubildern zeigen vergleichbare Werte, während die kumulierten Emissionsmassenströme in den Schaubildern 3 und 4 leicht tiefere NOx-Werte bei gleichen PM-Emissionen erge-ben. Die Betriebspunkttrajektorie ist in den beiden untersten Schaubildern illustriert. Die Betätigung der EKAS über den FTP-72-Zyklus basiert einzig auf den geschätzten PM-Emissionen des VSS, die ohne Informationen zu den gemessenen PM-Emissionen gebildet werden.

❼ zeigt einen Ausschnitt aus dem FTP-72 mit den Sollwerten, der Schätzung des VSS für Ruß beziehungsweise mit dem Beob-achter für NOx und den Messwerten sowie die Stellgrößentrajek-torien. Die Schwingungen im VSS kommen einerseits von Schwin-gungen der Modelleingänge wie etwa AGR und Δφ6, anderseits von der schnellen Positionsänderung von EKAS, bedingt durch die Regelung.

5 ZUSAMMENFASSUNG

Im Rahmen des FVV-Projekts „Rußgeregelter Dieselmotor“ [2] wurde eine Regelung für die Ruß- und NOx-Emissionen vor einer Abgasnachbehandlung entwickelt [1]. Da in einer Serienapplika-tion mangels Rußmessgerät ein Beobachter nicht verwendet wer-den kann, wurde der VSS entwickelt, an den höhere Ansprüche bezüglich Modellqualität als an einen Beobachter gestellt wer-den. Der virtuelle Rußsensor berechnet die Rußemissionen zyk-lusaufgelöst in Echtzeit mithilfe von Steuergerätegrößen und dem Zylinderdruckverlauf in drei sequentiellen Schritten. Diese Schritte entsprechen dem experimentell ermittelten Verlauf der Rußkonzentration im Brennraum, wie dieser durch den kL-Wert aus der Drei-Farben-Pyrometrie angenähert wurde. Der berech-nete Rußverlauf stützt sich dabei auf den, in charakteristischen Punkten, online aus dem Druckverlauf berechneten Heizverlauf. Die Modellgleichungen weisen zwölf Parameter auf, welche an einem stationären Motorkennfeld optimiert und kalibriert werden. Dank des phänomenologischen Aufbaus ist das Modell bezüglich des Einflusses regelungstechnisch relevanter Stellgrößen extra-polierbar. Der virtuelle Rußsensor liefert nicht nur akkurate Ergebnisse unter verschiedenen stationären wie auch transienten Betriebsbedingungen, sondern auch außerhalb des kalibrierten Bereichs, ohne Anpassung der Modellparameter. Die Phänomene der Rußbildung und Rußoxidation werden dabei realistisch wiedergegeben.

Der virtuelle Rußsensor wurde in den Emissionsregelkreis von [1] Integriert. Dabei konnte ohne physische Messung der Abgas-Rußemissionen die Betriebsstrategie des Motors nur mittels Ver-änderung der Sollwerte angepasst werden. Weiter wurde die Rege-lung erfolgreich auf Fahrzyklen angewendet.

❼ Detailausschnitt aus FTP-72 mit VSS-basierter Emissionsregelung; oben: Emissionen, Mitte: relevante Stellglieder, unten: Drehzahl und Last

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DANKE

Das Vorhaben Nr. 986 „Rußgeregelter Diesel-

motor“ wurde durch die FVV und das Schwei-

zerische Bundesamt für Umwelt unterstützt.

Die Autoren danken den Institutionen für die

Ermöglichung des Vorhabens. Ein besonderer

Dank geht auch an den Arbeitskreis mit dem

weiteren Obmann Dr. Josef Steuer (Daimler

AG), an Christian Dengler und Johan Eldh

(beide Daimler AG), sowie an Dr. Alois Amstutz

und Dr. Frédéric Tschanz vom Institut für

Dynamische Systeme und Regelungstechnik

der ETH Zürich.

LITERATURHINWEISE[1] Tschanz, F.; Amstutz, A.; Steuer, J.; Guzzella L.: Regelung der Schadstoff emissionen von Dieselmo-toren. In: MTZ 75 (2014), Nr. 2, S. 80-86[2] Barro, C.; Tschanz, F. et al.: Rußgeregelter Die-selmotor. FVV-Abschluss bericht zum Vorhaben Nr. 986, Frankfurt a. M., 2012[3] Tschanz, F. et al.: Cascaded multivariable Con-trol of the Combustion in Diesel Engines. IFAC, E-COSM12, Paris, 2012[4] Schubiger, R. A.: Untersuchungen zur Rußbil-dung und -oxidation in der dieselmotorischen Ver-brennung. Zürich, Eidgenössische Technische Hochschule, Dissertation, 2001[5] Warth, M.: Comparative Investigation of Mathe-matical Methods for Modeling and Optimization of Common-Rail DI Diesel Engines. Zürich, Eidgenössi-sche Technische Hochschule, Dissertation, 2007[6] Kirchen, P.: Steady-State and Transient Diesel Soot Emissions: Development of a Mean Value Soot Model and Exhaust-Stream and In-Cylinder Measu-rements. Zürich, Eidgenössische Technische Hoch-schule, Dissertation, 2008[7] Barro, C.; Obrecht, P.; Boulouchos, K.: Develop-ment and Validation of a Virtual Soot Sensor. Part 1: Steady State Engine Operation. In: International Journal of Engine Research, 2014, published online[8] Barro, C.; Obrecht, P.; Boulouchos, K.: Develop-ment and Validation of a Virtual Soot Sensor. Part 2: Transient Engine Operation. In: International Journal of Engine Research, 2014, for publication accepted

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