25
3 Technische Grundlagen Entlang eines Gewässerlaufs ändern sich die Fliess- verhältnisse infolge natürlicher Veränderungen, wie Gefällewechsel, Felsbarrieren, Schluchtstrecken, aber auch infolge menschlicher Eingriffe. Schon vor Jahrhunderten wurden Wehre in Flüssen errichtet, um Triebwasser für die Mühlen des aufblühenden Gewerbes auszuleiten. Mit Beginn des 19. Jahrhun- derts entwickelte sich der ingenieurtechnische Gewässerausbau unter den Anforderungen einer wachsenden Bevölkerung, des rasch steigenden Energiebedarfs durch die zunehmende Industrialisie- rung (Bild 3.1) sowie dem dringenden Bedarf an Ver- kehrswegen. Zeugnisse darüber geben u. a.: Die Längskorrektionen zur Landgewinnung sowie zum Hochwasserschutz. Die Sohlensicherung durch Querbauwerke, um Eintiefungen zu verhindern. Ab 1830 Inbetriebnahme von Wasserkraftanlagen mit Turbinen zur Erzeugung mechanischer Energie. Ausbau der größeren Flüsse für die ganzjährige Schifffahrt. Seit 1890 Errichtung von Wasserkraftanlagen zur Erzeugung von elektrischem Strom. In Deutschland sind von insgesamt etwa 400.000 Gewässerkilometern 75 % künstlich verändert. Da- von entfallen über 5.000 km auf die Flussabschnitte der Bundeswasserstraßen. Einen Einblick in die In- tensität des Ausbaus von Fließgewässern an ver- schiedenen Flüssen gibt Tabelle 3.1. Von Wasserbau- werken können insbesondere Staubauwerke und Wasserentnahmen die Abwärtswanderung der Fi- sche beeinträchtigen, wobei die wesentlichen dieser Anlagen nachfolgend beschrieben werden. Bild 3.1: Der Ausschnitt aus der Schleenstein´schen Karte aus den Jahren 1705 - 1710 mit einem Abschnitt der Pfieffe, einem Zufluss der Fulda, dokumentiert die ehemalige Dichte von Mühlenwehren im Bereich der Stadt Spangenberg

Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 200240 Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

3 Technische Grundlagen

Entlang eines Gewässerlaufs ändern sich die Fliess-verhältnisse infolge natürlicher Veränderungen, wieGefällewechsel, Felsbarrieren, Schluchtstrecken,aber auch infolge menschlicher Eingriffe. Schon vorJahrhunderten wurden Wehre in Flüssen errichtet,um Triebwasser für die Mühlen des aufblühendenGewerbes auszuleiten. Mit Beginn des 19. Jahrhun-derts entwickelte sich der ingenieurtechnischeGewässerausbau unter den Anforderungen einerwachsenden Bevölkerung, des rasch steigendenEnergiebedarfs durch die zunehmende Industrialisie-rung (Bild 3.1) sowie dem dringenden Bedarf an Ver-kehrswegen. Zeugnisse darüber geben u. a.:

••••• Die Längskorrektionen zur Landgewinnung sowiezum Hochwasserschutz.

••••• Die Sohlensicherung durch Querbauwerke, umEintiefungen zu verhindern.

••••• Ab 1830 Inbetriebnahme von Wasserkraftanlagen mit Turbinen zur Erzeugung mechanischer Energie.

••••• Ausbau der größeren Flüsse für die ganzjährigeSchifffahrt.

••••• Seit 1890 Errichtung von Wasserkraftanlagen zurErzeugung von elektrischem Strom.

In Deutschland sind von insgesamt etwa 400.000Gewässerkilometern 75 % künstlich verändert. Da-von entfallen über 5.000 km auf die Flussabschnitteder Bundeswasserstraßen. Einen Einblick in die In-tensität des Ausbaus von Fließgewässern an ver-schiedenen Flüssen gibt Tabelle 3.1. Von Wasserbau-werken können insbesondere Staubauwerke undWasserentnahmen die Abwärtswanderung der Fi-sche beeinträchtigen, wobei die wesentlichen dieserAnlagen nachfolgend beschrieben werden.

Bild 3.1: Der Ausschnitt aus der Schleenstein´schen Karte aus den Jahren 1705 - 1710 mit einemAbschnitt der Pfieffe, einem Zufluss der Fulda, dokumentiert die ehemalige Dichte vonMühlenwehren im Bereich der Stadt Spangenberg

Page 2: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 2002 41Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

Tabelle 3.1: Staubauwerke in ausgewählten Fliessgewässern

Gewässer Fluss-länge

AnzahlQuer-bau-

MittlererAbstand

Funktion Autor

Bemerkungen

[km] werke [km] B E K S Si So

Elbe(Deutschland)

727 1 - 1

Fulda(Hessen)

219 86 2,5 4 27 47 5 3 SCHWEVERS et al., 2000

Donau(Bayern)

378 22 17,2 22 6 209 km Bundeswasserstraße

Jagst(Baden-Würtem.)

114 34 3,4 1 31 2 SILIGATO et al., 2000

Lahn(Hessen/Rhein-land-Pfalz)

165 56 2,9 17 25 3 11 SCHWEVERS & ADAM, 1996

Lech(Deutschland)

166 39 4,4 3 30 1 13

Main(Oberfranken)

167 31 5,4 21 5 2 3 STROHMEIER, 1998Roter Main & Main bis Viereth

Main(Bundeswasser-straße)

381 35 10,9 31 35 BORN, 1995

Mosel(Bundeswasser-straße)

245 12 20,4 12 12

Neckar(Bundeswass-erstraße)

203 27 7,5 24 27

Rhein(Hochrhein)

170 13 13,1 11 2 2 Konstanz bis Basel

Rhein(Oberrhein)

164 16 10,2 2 7 14 Basel bis Iffezheim

Ruhr(Nordrhein-Westfalen)

214 85 2,5 7 45 33 11 3 DUMONT et al., 2002

Weser(Bundeswasser-straße)

227 8 28,4 6 8 1

Wupper(Nordrhein-Westfalen)

113 32 3,5 6 10 16

Legende:B Ausleitung von Brauchwasser, Kühlwasser, Bewässerung o.ä.E EnergieerzeugungK keine erkennbare Funktion, aufgelassenS SchifffahrtsausbauSi Sicherung von Bauwerken (Brücken)So Sohlenstützung, Grundwasseranhebung

Page 3: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 200242 Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

3.1 Sohlenbauwerke

Gemäß DIN 4047 sind Sohlenbauwerke quer zurFliessrichtung angeordnete Bauwerke, die eine Ero-sion der Gewässersohle verhindern sollen. NachBauform und Höhenlage zur Flusssohle werdenSchwellen wie Grund- und Sohlenschwellen vonSohlenstufen wie Sohlenrampe und -absturz unter-schieden (Bild 3.2, Bild 3.3).Über alle Sohlenbauwerkefließt ständig Wasser, so dass sie kein Hindernis fürstromabwärts wandernde Fische darstellen.

Muss zur Sohlensicherung auch der Wasserspiegelangehoben werden, sind Stützwehre erforderlich, de-ren Überlaufkrone über der oberstromigen Ge-wässersohle liegt. Bei Stützschwellen oder Stütz-wehren ragt der Baukörper so hoch über die Sohlehinaus, dass über seiner Krone ein Fliesswechselauftritt. Das überfallende Wasser bildet jedoch in derRegel ein genügend tiefes Wasserpolster, das ab-wandernden Fischen eine schadlose Passage er-möglicht.

3.2 Staustufen

Staustufen sind gemäß DIN 4048 Stauanlagen, dieim wesentlichen nur den Fluss, und nicht aber dieganze Talbreite absperren. Ihre Absperrbauwerkesind Wehre mit Stauhaltungsdämmen oder Deichen.Je nach Aufgabe sind weitere Bauwerke, wie Wasser-kraftwerke, Schiffs- und Bootsschleusen oder Kanal-einläufe angegliedert.

3.2.1 Wehre

Ein Wehr ist ein Absperrbauwerk, das der Hebungdes Wasserspiegels und meist auch der Regelungdes Abflusses dient (DIN 19700, Teil 13). Der Bauvon Wehren geht auf eine lange Tradition zurück. Eineder ältesten Anlagen in Deutschland ist das WehrHameln an der Weser, das um 1.000 n. Chr. errichtetwurde und das in seiner heutigen Form auf das Jahr1900 zurück geht (DVWK 1996). Im Laufe der Zeitentstand eine Vielzahl von Konstruktionstypen, vondenen nachfolgend nur die Gebräuchlichsten be-schrieben werden.

Die Technik unterscheidet zunächst zwischen festenund beweglichen Wehren. Feste Wehre sind solcheohne bewegliche Verschlüsse. Unter beweglichen

Bild 3.2: Typen von Sohlenbauwerken(nach: DIN 4047, Teil 5)

Sohlengleite

Sohlenrampe

Absturztreppe

Absturz

Stützwehr

Grundschwelle

Sohlenschwelle

Page 4: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 2002 43Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

Bild 3.3:Absturztreppe am Lechsüdlich von Augsburg(Bayern)

Bild 3.4:Kulturwehr Kehlam Rhein(Baden-Württemberg)

Bild 3.5:Schützenwehr Egelnan der Bode(Sachsen-Anhalt)

Page 5: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 200244 Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

Wehren werden Anlagen mit verstellbaren Verschlüs-sen verstanden, mit deren Hilfe Wasserspiegellageund Abfluss geregelt werden können. Reguliert derWasserspiegel eines Wehres in erster Linie den kor-respondierenden Grundwasserstrom, wird die Anla-ge als Kulturwehr bezeichnet (Bild 3.4).

Zu den einfachsten beweglichen Wehre zählenSchützenwehre (Bild 3.5). Die Schützen sind ebeneVerschlusswände aus Holz, Stahl oder Beton, die mit-tels eines Hubwerkes hochgezogen werden. BeiAltanlagen und kleineren Wehrbauwerken sind siedie gängige Bauweise.

Sind größere Abflüsse zu beherrschen, wird das Wehrzur Begrenzung der Abmessungen der Verschlüsse,zur Optimierung der Antriebskräfte und zur Erhöhungder Betriebssicherheit in mehrere Wehrfelder unter-

teilt. Zur Abflussregulierung müssen die Verschlüs-se abgesenkt oder aus dem Wasser gezogen wer-den. Dadurch entsteht eine Über- oder Unterströ-mung des Wehrverschlusses.

Zu den Wehrverschlüssen, die sich absenken las-sen gehören Stauklappen, Sektorwehre, Trommel-wehre sowie Doppelklappen (Dachwehre) (Bild 3.6).Walzenwehre, die mit Versenkwalzen ausgerüstetsind, können ebenfalls unter die Normalstellung ab-gesenkt werden, um Eis oder Treibgut abzugeben(Bild 3.7, Bild 3.8). Dies gilt auch für zweiteilige Ver-schlüsse, die aus einem Grundelement und einemaufgesetzten, absenkbaren Element bestehen (Bild3.9). Beispiele hierfür sind Druck- und Zugsegmentemit aufgesetzter Stauklappe (Bild 3.10), Haken-doppelschütz und Doppelschütz.

Bild 3.6: Einteilige Wehrverschlüsse (nach: DIN 4048, Teil 1)

WalzeTrommel

Stauklappe Sektor

Page 6: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 2002 45Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

Bild 3.7:In die Außenfelder desWehres der Mainstau-stufe Garstadt (Bayern)sind Walzenverschlüsseeingesetzt, im Mittelfeldein Schütz mit aufgesetz-ter Stauklappe

Bild 3.8:Sektorwehr der Mosel-staustufe Lehmen(Rheinland-Pfalz)

Bild 3.9: Zweiteilige Wehrverschlüsse (nach: DIN 4048, Teil 1)

Hakendoppelschütz Dachwehr

Page 7: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 200246 Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

Bei den Segmentwehren mit und ohne Aufsatzklappemuss zur vollständigen Wasserabgabe der Verschluss-körper aus dem Wasser gehoben werden (Bild 3.11).

Eine neuere Konstruktion stellen die Schlauchwehredar (Bild 3.12). Schlauchwehre zählen zu den be-weglichen Wehren. Auf einem festen Betonkörperwird ein Gummigewebe so verankert, dass ein dich-ter flexibler Innenraum, also ein „Schlauch“ entsteht.Der Schlauch wird mit Luft oder Wasser gefüllt, wobeiüber den Füllungsgrad die Stauhöhe reguliert wird.

In der langjährigen Wasserbaupraxis haben Planerund Betreiber verschiedene Kombinationen entwik-

Bild 3.10:Donaustaustufe Vohburg(Bayern):Zugsegmente mit aufge-setzter Stauklappe

Drucksegment Zugsegment

Bild 3.11: Segmentverschlüsse (nach: DIN 4048, Teil 1)

kelt. An den großen Flüssen, die zu Schifffahrts-straßen ausgebaut wurden, sind in der Regel zwei-teilige oder absenkbare Verschlüsse eingesetzt. Zu-mindest ein Wehrfeld wird mit einem Organ zur Fein-regulierung ausgestattet, damit der für die Schifffahrtnotwendige Wasserstand möglichst exakt gehaltenwerden kann (vgl. Bild 3.7). Die Bedienung der be-weglichen Wehre erfolgt nach den Vorgaben einerBetriebsvorschrift, die die Einhaltung des Stauwas-serspiegels in Abhängigkeit vom Zufluss regelt.Üblicherweise werden die Betriebsvorschriften vonden Aufsichtsbehörden geprüft und genehmigt. Beikleineren Wehranlagen sind auch automatischeSteuerungen im Einsatz.

Page 8: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 2002 47Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

3.2.2 Schiffs- und Bootsschleusen

An den Staustufen einer Schifffahrtsstraße werden zurÜberwindung des Höhenunterschiedes zwischen Ober-und Unterwasser Schiffsschleusen errichtet (Bild 3.13).Bei großen Höhenunterschieden kommen auch Schiffs-hebewerke zum Einsatz. Beim Füllen der Schleuse strömtWasser über Flutungsöffnungen im Obertor oder unterdem angehobenen Tor in die Schleusenkammer. Al-ternativ werden die Schleusen auch über Kanalsyste-me im Kammerboden oder in den Kammerwändengefüllt. Beim Entleeren der Schleusenkammer wird dasSchleusenwasser über vergleichbare Wege in das Unter-wasser abgelassen. Sobald sich die Wasserstände in derSchleusenkammer und im Ober- bzw. Unterwasser aus-geglichen haben, kann das entsprechende Schleusentorgeöffnet werden. Die Betriebszeiten der Schiffsschleusensind abgesehen von Eis und Hochwasser hauptsächlichvom Frachtaufkommen abhängig (Tabelle 3.2).

An vielen Staustufen existieren darüber hinaus Boots-schleusen, die Fischer- und Sportbooten die Möglich-keit zum Passieren der Stufe bieten. Das Konstruktions-prinzip entspricht bei erheblich geringeren Abmessun-gen dem der Schiffsschleusen. Zum Beispiel besitztdie Bootsschleuse der Donaustufe Bad Abbach (Bay-ern) nur etwa 1/30 des Volumens der Schiffsschleuse.

Fische können in Abhängigkeit von den Betriebszeiten(Tabelle 3.2) mit dem Schleusenwasser in die Schleu-se bzw. in das Unterwasser gelangen oder sie schwim-men durch die geöffneten Schleusentore.

Bild 3.12:Schlauchwehr Thierbachan der Zwickauer Mulde(Sachsen)

Bild 3.13: Kammerschleuse

Page 9: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 200248 Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

3.3 Talsperren

Talsperren sind Stauanlagen, die über den Querschnittdes Wasserlaufes hinaus den ganzen Talquerschnittabsperren (Bild 5.1). Bei den Absperrbauwerken wirdzwischen Staudämmen und Staumauern unterschie-den. Mit dem Stausee entsteht ein völlig neues Ge-wässer, dessen Fische nur durch die Entnahmean-lagen oder im Hochwasserfall über die Entlastungsan-lagen in das Unterwasser gelangen können.

In Deutschland existieren mehr als 300 Anlagen mitStauhöhen über 15 m bzw. einem Stauvolumen über1 Mio. m³. Mehrheitlich dienen sie der Trinkwasserver-sorgung, dem Hochwasserschutz oder derNiedrigwasseraufhöhung; im geringen Umfang auchder Energieerzeugung. Für den Betrieb der Talsperrensind Entnahme- und Entlastungsanlagen vorhanden:

• Entnahmeanlagen für die Bewirtschaftung des ge-speicherten Wassers

• Grundablässe für die Entleerung des Staubekkens

• Entlastungsanlagen für die sichere Abführung vonHochwasser.

Jeder dieser Wasserwege besteht grundsätzlich ausden drei Bauwerksteilen Einlauf-, Transport- und Aus-laufbauwerk. Aus der Art des Absperrbauwerkes, demZweck der Talsperre, den örtlichen Gegebenheiten, wieHydrologie, Topographie usw. ergeben sich eine Viel-zahl von Lösungsmöglichkeiten für die Gestaltung derBetriebseinrichtungen (RISSLER, 1998).

3.4 Wasserkraftnutzung

Unter Wasserkraft versteht man die auf der Schwer-kraft beruhende Fähigkeit des fallenden Wassers, Ar-beit zu verrichten. Die Wasserkraft gehört zu den Ener-

giequellen, die der Mensch als erste erschlossen hat.Sie wurde zunächst in Mühlen, Hammerwerken usw.als mechanische Energie eingesetzt. Nach der Ent-deckung des Dynamo-Prinzips durch WERNER v. SIE-MENS im Jahr 1867 war es möglich, Wasserkraft mitHilfe von Turbine und Generator großtechnisch in elek-trische Energie umzuwandeln. Heute wird die Was-serkraft fast ausschließlich zur Elektrizitätserzeugungverwendet. Bei der Wasserkraft handelt es sich umeine unerschöpfliche Energie, die über die Sonnen-einstrahlung ständig regeneriert wird. Die Stromerzeu-gung aus Wasserkraft stellt heute die am besten er-schlossene und wichtigste regenerative Energiequelledar. Sie liefert zur Zeit etwa 5 % der Elektrizität inDeutschland; der Anteil der Wasserkraft an der welt-weiten Energieerzeugung sowie die Verhältnisse inausgewählten Ländern ist in den Tabellen 3.3 und 3.4dargestellt. Durch die Errichtung neuer Wasserkraft-anlagen sowie die Modernisierung bestehender Anla-gen kann ein zusätzliches Potenzial zur Steigerungder Energieerzeugung aus regenerativen Quellen ge-schaffen werden.

3.4.1 Wasserkraftanlagen

Wasserkraftanlagen bestehen aus folgenden Haupt-komponenten, die in den Bildern 3.14 und 3.15 sche-matisch dargestellt sind:

• Speicherung eines künstlichen oder natürlichenSees oder eines aufgestauten Fließgewässers

• Entnahmeanlage mit Absperrvorrichtungen undÜberlauf

• Mechanische Barrieren (Kap. 5.2)

Nach GIESECKE & MOSONYI (1998) können Wasser-kraftwerke nach unterschiedlichen Gesichtspunktenzu Gruppen zusammengefasst werden (Tabelle 3.5).

Tabelle 3.2: Beispiele für die Betriebszeiten von Schleusen

Schifffahrtsstraße Betriebszeiten

Donau, Main, Mosel, Rhein, Saar 24 h - Betrieb, ganzjährig

Neckar Tagesbetrieb, ganzjährig

Lahn Tagesbetrieb, Betriebsruhe 01.10. - 31.03.

Page 10: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 2002 49Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

Tabelle 3.3: Anteil der Wasserkraft im Jahr 1995 an der Stromerzeugung der Bundesländer(aus: VDEW, 1996)

Bundesland insgesamt erzeugteelektrische Energie

[GWh/a]

AnteilWasserkraft

[GWh/a]

AnteilWasserkraft

[%]

Baden-Württemberg 55.182 5.571 10,1

Bayern 65.783 10.654 16,2

Berlin 10.237 - -

Brandenburg 17.683 5 0,03

Bremen 4.319 - -

Hamburg 1.339 - -

Hessen 20.286 969 4,8

Mecklenburg-Vorpommern 2.075 3 0,15

Niedersachsen 50.991 389 0,8

Nordrhein-Westfalen 126.554 598 0,5

Rheinland-Pfalz 5.106 1.026 20,1

Saarland 5.609 64 1,1

Sachsen 31.051 1.062 0,3

Sachsen-Anhalt 2.616 113 0,4

Schleswig-Holstein 26.235 140 0,05

Thüringen 1.136 569 0,05

Deutschland gesamt 426.202 21.163 5,0

Land Stromerzeugunginsgesamt[GWh/a]

AnteilWasserkraft

[GWh/a]

AnteilWasserkraft

[%]

USA 2.755.000 275.500 10,0

Japan 902.200 92.100 10,2

Russland 810.700 167.000 20,6

Frankreich 494.000 69.200 14,0

Deutschland 426.200 21.200 5,0

Kanada 465.100 293.000 63,0

Indien 266.000 71.700 27,0

Brasilien 240.000 228.000 95,0

Schweden 140.900 73.300 52,0

Norwegen 112.100 111.700 99,6

Niederlande (1999) 83.800 110 0,1

Schweiz 51.600 31.500 61,0

Österreich 48.200 34.000 70,5

Weltweit gesamt 12.081.100 2.147.310 17,9

Tabelle 3.4: Anteil der Wasserkraft an der weltweiten Energieerzeugung (aus: ASE, 1997)

Page 11: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 200250 Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

Bild 3.14: Prinzipskizze eines Laufwasserkraftwerks

Bild 3.15:Prinzipskizze einesHochdruckkraftwerks

Page 12: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 2002 51Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

Allerdings ist ihre definitive Abgrenzung im Sinne ei-ner Systematik einerseits aufgrund fließender Über-gänge zwischen den Gruppen und andererseits we-gen der zahlreichen Sonderformen der Wasser-kraftnutzung nur schwer möglich.

Neben dem besonders wichtigen Kriterium der Nutz-fallhöhe sind weitere Kenngrößen eines Standortes

Tabelle 3.5: Gruppierung verschiedener Typen von Wasserkraftwerken

Technische (flussbaulichen und bautechnischen) und topographische Kriterien

Laufwasserkraftwerke in Flüssen oder Kanälen

Speicherkraftwerke an Stauanlagen mit natürlichem Zufluss

Pumpspeicherkraftwerke an Stauanlagen ohne oder mit natürlichem Zufluss

Nutzfallhöhe

Niederdruckanlagen Fallhöhe < 15 m

Mitteldruckanlagen Fallhöhe 15 - 50 m

Hochdruckanlagen Fallhöhe > 50 m

Installierte Leistung

Kleinwasserkraftanlagen Leistung < 1 MW

Mittelgroße Wasserkraftanlagen Leistung < 100 MW

Großwasserkraftanlagen Leistung > 100 MW

Energiewirtschaftliche Kriterien

Grundlastkraftwerke

Mittellastkraftwerke

Spitzenlastkraftwerke

Wasserwirtschaftliche Kriterien

Wasserkraftanlagen, die ausschließlich der Energieerzeugung dienen

Wasserkraftanlagen für mehrere wasserwirtschaftliche Zielsetzungen (Mehrzweckanlagen)

Wasserkraftanlagen, die hauptsächlich anderen Zielsetzungen und nur untergeordnet derEnergieerzeugung dienen

bei der Differenzierung von Kraftwerkstypen (Tabel-le 3.6) zu berücksichtigen. So ergeben sich in Ver-bindung mit dem Turbinendurchfluss bestimmte Merk-male der Bauausführung, die zusammen mit den zu-gehörigen Bauelementen, die wiederum charakteri-stische Differenzierungen aufweisen, nachfolgendnäher betrachtet werden.

Page 13: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 200252 Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

Tabelle 3.6: Typisierung von Wasserkraftanlagen (aus: GIESECKE & MOSONYI, 1998)

Niederdruckanlagenhf <15 m

Mitteldruckanlagenhf = 15 bis 50 m

Hochdruckanlagenhf > 50 m

Landschaftstyp Flachland und Mittelgebirge

Mittelgebirge Mittel- / Hochgebirge

Turbinendurchfluss groß mittelgroß klein

Baugrund vorwiegend Lockergestein

Felsgestein Felsgestein

Stauhaltung feste und bewegliche Wehre

Talsperren (Dämme oderStaumauern)

Talsperren (Dämme oderStaumauern)

Triebwasserführung Fluss- oderAusleitungskraftwerke

Ausleitungskraftwerke, seltener Flusskraftwerke

Ausleitungskraftwerke oder Kraftwerke mit Triebwasserstollen

Wesentliche Bauelemente

Einlauf, Maschinenhaus, Auslauf

Einlauf, Druckrohrleitung- oder -stollen, Maschinenhaus, Auslauf

Einlauf, Druckstollen, Wasserschloss, Druckrohrleitung, Maschinenhaus, Auslauf

Wasserturbinen Kaplan- / Propeller-Rohr-Tur binen oderFrancisturbinen

Francisturbinen oderKaplan-/ Propeller-Turbinen

Francisturbinen oderPeltonturbinen

bei gleicher Maschinenleistung:

Einheiten großerAbmessungen

Einheiten mittlerer Abmessungen

Einheiten kleinerAbmessungen

horizontale und vertikale Wellenanordnung(geneigt bei Rohr-und teilweise Propellerturbinen)

vertikale Wellenanordnung

hauptsächlich vertikale Wellenanordnung(horizontal nur bei kleineren Maschinensätzen)

Generatoren mit großer Polzahl

Generatoren normaler Bauart

Generatoren normaler Bauart

Generatoren

Generatorunmittelbar gekuppelt (Getriebe)

Generatorunmittelbar gekuppelt (Getriebe)

Generatorunmittelbar gekuppelt oder mit Getriebe

Ausmaß der Speicherung

Laufkraftwerke oderTagesspeicherung

Tages- oderWochenspeicherung

Tages- bisÜberjahresspeicherung

Vorwiegende Energieerzeugung

schwankend u. U. unterbrochen

kleinere Schwankungen, stetig

in Anpassung an den Bedarf

Lastbetrieb im Verbundbetrieb

Grundlastkraftwerk im Verbundbetrieb

Grundlastkraftwerk im Verbundbetrieb

Grund-, Mittel- oderSpitzenkraftwerk

Page 14: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 2002 53Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

3.4.1.1 Niederdruckkraftwerke

Niederdruckkraftwerke arbeiten bei Fallhöhen bisetwa 15 m und einem relativ großen Durchfluss. Ins-besondere wenn die Topographie keine nennenswer-te Speichermöglichkeit durch die Überflutung weiterUferbereiche zulässt, werden Niederdruckkraftwerkeals Fluss- oder Laufwasserkraftwerke mit Propeller-,Kaplan-, Rohr- oder Durchströmturbinen konzipiert.Seltener kommen bei diesem Kraftwerkstyp Fran-cisturbinen zum Einsatz. Die Anzahl der Maschinen-sätze in einem Kraftwerk richtet sich primär nach demDurchfluss und der jährlichen Abflusscharakteristik desjeweiligen Gewässers. Niederdruckkraftwerke werdenentweder einzeln oder zur Durchlaufspeicherung ineiner Kraftwerkskette sowie häufig in Kombination mitanderen Nutzungszielen, z. B. der Schifffahrt oderTrinkwassergewinnung betrieben.

Als Flusskraftwerk wird dieser Kraftwerkstyp bevor-zugt in Flüsse und Ströme mit einem Gefälle kleinerals 2 ‰, quer zum Stromstrich gebaut. Dabei erzeu-gen die Stau- und Kraftwerksanlagen in geringemUmfang einen zusätzlichen Speicherraum. Wehr undKrafthaus eines Flusskraftwerkes liegen zumeist di-rekt nebeneinander, wobei sich diese Anordnung vorallem dann bewährt, wenn der höchste Hochwas-serabfluss ohne zusätzliche Verbreiterung des Fluss-querschnittes über die Stauanlage abgeführt werdenkann. Bei schiffbaren Flüssen ist zusätzlich nebender Stauanlage eine Schleuse angeordnet.

Eine Aneinanderreihung von Flusskraftwerken, diesogenannte Staffelung oder Kettenanordnung, kanndie Ausnutzung der Fallhöhe entscheidend verbessern.Gestaffelte Flusskraftwerke lassen sich als Lauf-wasserkraftanlagen oder als Abfolge von Flusskraft-werken mit Durchlaufspeicherung betreiben. Dabeinutzen Laufwasserkraftanlagen kontinuierlich über denTag das natürliche Wasserdargebot ohne nennenswer-te Speicherung und stellen damit Grundlastenergiebereit. Um die Stromerzeugung einem schwankendenStrombedarf anzupassen, werden Flusskraftwerke inDurchlaufspeicherung betrieben. Dabei werden dievorhandenen Maschinensätze je nach Bedarf gesteu-ert. Voraussetzung für diese Betriebsweise ist ein aus-reichend großes Stauvolumen in jeder Staustufe derKraftwerkskette, das im Bedarfsfall zusätzlich zumnatürlichen Abfluss genutzt werden kann.

Grundsätzlich kann die Durchlaufspeicherung einerKraftwerkskette als Kipp- oder als Schwellbetrieb

erfolgen. Beim Kippbetrieb werden alle Wasserkraft-anlagen gleichzeitig mit demselben Turbinendurch-fluss in Betrieb genommen, so dass der Wasserspie-gel aus der Ruhelage kippt. Bei dieser Betriebsweisesteht augenblicklich die volle Leistung der gesamtenKette zur Verfügung. Beim Schwellbetrieb werdenentsprechend dem Abfluss die einzelnen Wasser-kraftanlagen nacheinander in Betrieb genommen. Beidieser Betriebsweise wird eine gute Ausnutzung derFallhöhe erreicht und eine erhöhte Leistung übereinen längeren Zeitraum erzielt.

Die Steuerung von Kraftwerksketten z. B. an Rhein,Neckar, Donau, Drau und Lech, erfolgt heute zuneh-mend automatisch. Hierbei kommen komplexeSteuerungs- und Simulationsmodelle zur Anwen-dung, die über die Anforderungen an eine optimierteEnergiegewinnung hinausgehen und z. B. auch dieBelange der Binnenschifffahrt, der Wassermengen-wirtschaft, der Umweltwechselbeziehungen sowie derFreizeit- und Erholungsansprüche berücksichtigen.

Entsprechend der Anordnung von Krafthaus, Wehr-anlage und einer eventuell vorhandenen Schiffs-schleuse im Querschnitt eines Gewässers, lassensich drei Bauformen von Wasserkraftanlagen unter-scheiden:

Zusammenhängende Bauweisea) Blockbauweise (Bild 3.16a): Das Krafthaus liegt

bevorzugt am geschiebeärmeren Ufer. Um hierdie oftmals ungünstigen An- und Abströmverhält-nisse zu verbessern, kann die Errichtung vonLeitwänden erforderlich sein, um sowohl Quer-strömungen, als auch die Ausbildung von Still-wasserzonen im Oberwasser zu verhindern, diezu Verlandungen neigen.

b) Buchtenkraftwerk (Bild 3.16e): Buchtenkraft-werke sind eine häufig realisierte Sonderform derBlockbauweise, bei der das Kraftwerk seitlich desursprünglichen Flusslaufs in einer künstlich ge-schaffenen Bucht liegt. Da gegenüber der Block-bauweise der durchflossene Querschnitt desGewässers kaum bzw. gar nicht verringert wird,können Hochwässer vergleichbar dem unverbau-ten Zustand störungsfrei abgeführt werden.

Aufgelöste Bauweisea) Zwillingsbauweise (Bild 3.16b): Bei Gewässern

mit großen Abflüssen, jedoch kleiner Fallhöhekann eine Zweiteilung des Kraftwerks sinnvoll

Page 15: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 200254 Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

sein, um einerseits eine größere Zahl von Ma-schinen unterzubringen und anderseits ein Miss-verhältnis zwischen der Krafthauslänge und derursprünglichen Flussbreite zu vermeiden. Einesymmetrische Anordnung beider Krafthäuser bie-tet darüber hinaus Vorteile bezüglich der An- undAbströmverhältnisse.

b) Pfeilerbauweise (Bild 3.16c): Bei Pfeilerkraft-werken wechseln sich Wehrfelder und Turbinen-pfeiler in der Querachse der Wehranlage ab. Dadie Turbinenpfeiler gleichzeitig als Widerlager fürdie Wehrfelder dienen, ist die Anströmung bei-der Anlagenteile sehr gleichmäßig. Bei diesemKraftwerkstyp entfällt der Bau eines Krafthauses,da die Betriebsräume seitlich um die Turbine an-geordnet werden können, der zumeist der Ge-nerator aufsitzt. Die Wartung der Maschinensätzeerfolgt über einen auf dem Dach der Anlage in-stallierten Portalkran.

Überströmbare Bauweise (Bild 3.16d): Überström-bare Wasserkraftwerke, die auch als Unterwas-serkraftwerke bezeichnet werden, bestehen auseinem einheitlich ausgebildeten Baukörper, derdie Maschinensätze enthält und der Stauer-zeugung sowie der Wasserabgabe bei Über-schreitung des Ausbaudurchflusses dient. DieKrone des Baukörpers trägt i.d.R. einen ausmehreren Stauklappen bestehenden Wehrauf-satz, der bei Hochwasser umgelegt wird, so dass

das Wasser über das Wehrkraftwerk abgeführt,es also überströmt wird. 1907 ging das ersteUnterwasserkraftwerke an der PatapscostufeIlchester (USA, Baltimore) in Betrieb. In Deutsch-land wurden erstmals in der Zeit von 1936 bis1945 Unterwasserkraftwerke an Persante, Illerund Lech (Bayern) (Bild 3.17) erbaut.

Der Raumbedarf von Unterwasserkraftwerken istgering und die Anlagen lassen sich vergleichsweisesehr gut in das Landschaftsbild integrieren (Bild 3.17).Deshalb wurde auch das im historischen Altstadt-kern von Heidelberg liegende, 40 m breite Wehr„Karlstor“ am Neckar (Baden-Württemberg) ober-stromseitig mit einem Unterwasserkraftwerk ausge-stattet (Bild 3.17, Bild 3.18) (LIENING, 1996). Die-ses überflutete Laufwasser-kraftwerk besitzt zweiKaplan-Rohrturbinen und erreicht bei 2,6 m Fallhö-he und 140 m3/s Durchfluss eine Gesamtleistung von3,1 MW.

3.4.1.2 Umleitungskraftwerke

Zu Beginn des Wasserkraftbaus wurde aus bautech-nischen und betrieblichen Gründen der Kraftwerks-bau außerhalb des Gewässers bevorzugt. Im Stauder Wehranlage wird dabei das Triebwasser in einenOberwasserkanal ausgeleitet (Bild 3.19), der dasUmleitungskraftwerk, das auch als Ausleitungs- oderKanalkraftwerk bezeichnet wird, speist.

Bild 3.16: Anordnung von FlusskraftwerkenA: Blockbauweise, B: Zwillingsbauweise, C: Pfeilerbauweise,D: überströmbares Kraftwerk, E: Buchtenkraftwerk(verändert nach: GIESECKE & MOSONYI, 1998)

Page 16: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 2002 55Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

Bild 3.18: Systemschnitt durch das Unterwasserkraftwerk „Karlstor“ in Heidelbergam Neckar (Baden-Württemberg) (verändert nach: LIENING, 1996)

Bild 3.17:Überflutbares Wasser-kraftwerk Lechblick amLech (Bayern)

An der Ausleitung des Oberwasserkanals wird meistein Einlaufbauwerk angeordnet (Bild 3.20), das fol-gende Bauelemente aufweisen kann:

• Tauchwand zur Abweisung von Treibzeug, Treib-eis etc.,

• Grobrechen zum Schutz vor Treibholz,

• Sohlenschwelle zur Verminderung des Geschiebe-eintrags,

• Absperrvorrichtungen wie Schützen zur Trocken-legung der Kanalstrecke,

• Floss- oder Bootseinlass zur Befahrung des Kanals.

Bei Geschiebe führenden Fließgewässern wird dasGeschiebe aus dem Einlauf über Geschiebekanälekontinuierlich oder zeitweise in das Flussbett zurück-gespült.

Bei Umleitungskraftwerken verbleibt im Unterwasserder Stauanlage, d. h. im Mutterbett, lediglich der für

SaugrohrTurbineGenerator im Schacht(nicht dargestellt)

EinlaufrechenRechenreiniger

Wehrwalzealter Wehrpfeiler

Page 17: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 200256 Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

Bild 3.19: Prinzipskizze eines Umleitungskraftwerks

Bild 3.20:Einlaufbauwerk Illerkanalam Wehr Mooshausen(Baden-Württemberg)

die Energieerzeugung nicht genutzte Mindestwasserab-fluss sowie der Abfluss, der die Ausbaugröße der Was-serkraftanlage übersteigt. Die Höhe des Mindestabflussesist insbesondere hinsichtlich der Durchwanderbarkeit der

Ausleitungsstrecke für Fische von Bedeutung. Im Rah-men der Fischabstiegsproblematik ist zu beachten, dassden Fischen zwei Wege zur Verfügung stehen, nämlichüber das Wehr und durch den Ausleitungskanal.

Einlaufbauwerk Oberwasserkanal

Kraftwerk Unterwasserkanal

Mutterbett

Wehr

Page 18: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 2002 57Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

3.4.1.3 Mitteldruckkraftwerke

Zu den Mitteldruckkraftwerken sind Wasserkraftan-lagen zu rechnen, die mittlere Fallhöhen von 15 bis50 m nutzen. Diese finden sich zumeist an niedrige-ren Talsperren in Form von Speicherkraftwerken oderan höheren Wehren als Laufwasserkraftanlage, wo-bei die erforderlichen Wasserdurchsätze stets durchSpeicherbewirtschaftung zur Verfügung gestellt wer-den. Neben der Energieerzeugung gilt es beim Be-trieb von Mitteldruckanlagen in der Regel weitereNutzungsinteressen, z. B. Abflussregelung, Trinkwas-serversorgung, Hochwasserschutz, Freizeit- und Er-holung sowie auch die Fischerei zu berücksichtigen.

Neben dem Fallhöhenbereich ist für Mitteldruck-kraftwerke der Aufbau des Krafthauses aus folgen-den Komponenten charakteristisch:

• Einlauf mit Rechen und Turbinenschütz,

• Triebwasserleitung,

• Einlaufspirale, Wasserturbine und Saugschlauch.

Als Maschinen kommen hauptsächlich Francisturbinen,seltener Pelton- oder Kaplanturbinen zum Einsatz.

3.4.1.4 Hochdruckkraftwerke

Hochdruckkraftwerke nutzen zur EnergiegewinnungFallhöhen über 50 m bei verhältnismäßig geringenDurchflüssen (vgl. Bild 3.15). Während die in denFassungen und Zuleitungen auftretenden Verlustedurch die großen Fallhöhen wenig ins Gewicht fal-len, erzeugen Schwankungen der je nach Größe desEinzugsgebiets und des Speicherraums verfügbarenAbflüsse energetische Verluste. Deshalb werden nichtselten benachbarte Einzugsgebiete zur Nutzungherangezogen, wobei der Ausgleich der schwanken-den Zuflüsse durch eine gezielte Bewirtschaftung vonmehreren Speichern erfolgt. Neben der Peltonturbinekommen bis ca. 300 m Fallhöhe auch Francisturbinenzur Energieerzeugung zum Einsatz.

3.4.2 Wasserturbinen

Die verschiedenen Wasserkraftwerkstypen werdenmit unterschiedlichen Wasserturbinen betrieben.Entsprechend der Fallhöhe und dem festgelegten

Ausbaudurchfluss ist für jeden Standort der geeig-nete Turbinentyp mit den günstigsten Auslegungs-kriterien z. B. Laufradform, Drehzahl, Durchmesserund Einbauhöhe zu finden (Bild 3.21). Die Grundla-ge dieser Überlegungen bilden stets langjährigeAbfluss- und Pegelmessungen zur Ermittlung derFallhöhe und des Abflusses.

Bild 3.21: Abflussdauerlinie, Leistungskurveund Fallhöhendauerlinie(verändert nach: WBW, 1994)

Unter dem Ausbaudurchfluss eines Wasserkraft-werks wird der Wasserstrom verstanden, bei demdie Anlage die maximale Leistung mit dem günstig-sten Wirkungsgrad erbringt. Der Ausbaugrad einerWasserkraftanlage ist dabei nicht allein von derAbflusscharakteristik des Gewässers abhängig, son-dern auch von der Einsatzart der Wasserkraftanlage,anderweitigen Nutzungsinteressen am Gewässersowie nicht zuletzt vom Kosten-Nutzen-Verhältnis.

Der Auslegungspunkt einer Turbine liegt erfahrungs-gemäß zwischen 80 und 120 Tagen p. a., kann aberauch Werte bis 180 Tage p. a. erreichen. Mit der Wahldes Auslegungspunktes werden auch die Nennwer-te von Fallhöhe und Ausbaudurchfluss festgelegt,wobei der Ausbaudurchfluss einer Wasserkraftanlageca. 20 % höher liegt, als der Durchfluss im Aus-legungspunkt der Turbine. Bild 3.22 stellt die Anwen-dungsbereiche der verschiedenen Typen von Was-serturbinen in Abhängigkeit von Fallhöhe undWasserstrom dar.

Fallhöhendauerlinie

[m]Fallhöhe

[kw]Leistung

Abflu

ss

00 0

50 100 150 200 250 300 350365Zeit [d]

Q [m≥/s]

Mittlere Dauerlinie Gewässer

Page 19: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 200258 Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

Die Einsatzbereiche der verschiedenen Turbinen-typen sind so zu wählen, dass jeweils die wirtschaft-lich günstigste Lösung zur Anwendung kommt. In derRegel erfordern große Fallhöhen den Einsatz vonPeltonturbinen, mittlere den von Francisturbinen, undkleinere den von Kaplanturbinen. Da sich die Ein-satzbereiche der Turbinen verschiedentlich über-schneiden, werden nachfolgend einige Gesichtspunk-te aufgeführt, die bei der Auswahl des richtigenTurbinentyps für den speziellen Anwendungsfall zuberücksichtigen sind.

ÜberschneidungsbereichPelton- und Francis-Spiralturbine:Die Vorteile einer Francis-Spiralturbine gegenübereiner Peltonturbine bestehen in den kleineren Ab-messungen und den höheren Drehzahlen. Danebenist der Einbau einer für den Einsatz bei starken Unter-wasserspiegelschwankungen besser geeignetenFrancis-Spiralturbine kostengünstiger.

Demgegenüber weist die Peltonturbine einen flache-ren Wirkungsgradverlauf auf. Dies bedeutet, dassdurch den Einsatz dieses Turbinentyps ein Leistungs-bereich von 20 bis 100 % abgedeckt wird, bei derFrancisturbine hingegen lediglich von 40 bis 100 %.Deshalb weist die Peltonturbine insbesondere beischwankendem Wasserdargebot ein größeres Jah-resarbeitsvermögen auf. Ferner wird ihr Einsatz beisandhaltigem Wasser bevorzugt, da die wenigenVerschleißteile schnell und kostengünstig repariertbzw. ausgewechselt werden können.

ÜberschneidungsbereichFrancis-Schachtturbine und Kaplanturbine:Die Vorteile der Francis-Schachtturbine gegenüberder Kaplanturbine bestehen in dem einfacheren unddamit kostengünstigeren Aufbau von Turbine undKrafthaus. Ferner können Francis-Schachtturbinennoch bei Höhen von der Laufradachse zum Unter-wasserspiegel von bis zu 6 m betrieben werden.

Bild 3.22: Einsatzbereiche verschiedener Wasserturbinen und Leistungsgrößenin Abhängigkeit von Fallhöhe [m] und Wasserstrom [m3/s](verändert nach: GIESECKE & MOSONYI, 1998)

2000

14001000

1000

700500

500

300

200

200

140100

100

50

50

500200

10050

20

20

10

5

51

20001400

1000

700500

300

200

140100

50

20

10

5

1

20001400500

200100

5020

105

1

1 2

2

10Wasserstrom [m≥/s]

Fallh

öhe

[m]

Leistung [M]

kWMW

Peltonturbine

Francisturbine

Durchströmturbine

Kaplanturbine

Kaplan-Rohrturbine

Page 20: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 2002 59Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

Hingegen erzielen die höhere Drehzahlen aufweisen-den Kaplanturbinen vor allem bei schwankendemWasserdargebot aufgrund der besseren Wirkungs-gradcharakteristik ein höheres Jahresarbeitsvermö-gen, sofern Laufrad und Leitrad regulierbar sind. Beihorizontalen Turbinen ist ferner eine landschaftsbild-gerechtere Flachbauweise für das Krafthaus möglich.

Für die Entscheidung, welcher Turbinentyp zur An-wendung kommt, sind stets die örtlichen Gegeben-heiten ausschlaggebend. In den letzten Jahren ka-men jedoch vor allem die infolge ihres relativ kleinenBauvolumens kostengünstigen und in Komplett-montage einzubauenden Getriebe-Rohrturbinen zumEinsatz. Nachfolgend werden die am häufigsten ein-gesetzten Turbinentypen näher beschrieben.

3.4.2.1 Wasserrad

Das Wasserrad stellt die Urform einer Wasserkraft-maschine dar. Geschichtlich lässt sich ein wasserge-triebenes Schöpfwerk bis in das 3. Jahrhundert v. Chr.zurückverfolgen. Wasserräder dienten überwiegend alsBewässerungseinrichtungen und Getreidemühlen-antriebe. Sie haben sich in ihrem Bauprinzip und inihrer Anwendung bis in die heutige Zeit erhalten. InMitteleuropa setzte sich seit dem 9. Jahrhundert dieAnwendung bei handwerklichen Arbeitsgängen wiebeispielsweise Hämmern, Walken, Stampfen, Schlei-fen, Sägen, Drehen und dergleichen durch. Verstärktnimmt sich heute der Denkmalschutz der historischenWassermühlen an, um sie als eindrucksvolle Zeugnis-se der handwerklichen Tradition und als technischesKulturgut der vorindustriellen Arbeitswelt zu bewahren.

Über Jahrtausende hinweg ist das Wasserrad we-gen seiner Aufgabe, die Mühlen anzutreiben, erhal-

ten geblieben. Wegen der besseren Energieausbeutesind die Wasserräder mit der Zeit z. T. durch Was-serturbinen zur Erzeugung elektrischen Stromes er-setzt worden. Heute werden unter bestimmten Rah-menbedingungen, bei geringen Wassermengen undniedrigem Gefälle, wieder Wasserräder neuerer Bau-art zur Stromerzeugung errichtet (Bild 3.23).

3.4.2.2 Wasserkraftschnecke

Als Archimedische Schraube ist die Wasserförder-schnecke seit dem Altertum bekannt. In der erstenHälfte des 20. Jahrhunderts fast vergessen, erlebtesie danach eine Renaissance durch ihre Anwendungin der Abwassertechnik. Bei der Wasserkraft-schnecke handelt es sich um die energetische Um-kehrung der aus der Abwassertechnik bekanntenWasserförderschnecke (Bild 3.24).

Die Wasserkraftschnecke ist keine Turbine, sondernallenfalls den Wasserrädern zuzuordnen, denn wieein oberschlächtiges Wasserrad nutzt sie unter at-mosphärischem Druck ausschließlich die Lage-energie des Wassers aus. Jedoch greift dieser Ener-giewandler mit einem Schluckvermögen von 0,04 bis4,0 m3/s und Fallhöhen von 0,5 bis 5,0 m über denklassischen Bereich der Wasserräder hinaus undkann sich bedingt an wechselnde Wasserständeanpassen. Die Wasserkraftschnecke erreicht nichtdie Spitzenwirkungsgrade der Turbinen von > 90 %;vielmehr wurden Werte von etwa 65 % gemessen(INGENIEURBÜRO FLOECKSMÜHLE, 1999).

3.4.2.3 Francisturbine

Die erstmals 1873 angewandte Francisturbine ist eineMaschine mit sehr großem Einsatzgebiet, das sich inden Grenzbereichen mit Pelton- und Kaplanturbinenüberschneidet. Von diesem Turbinentyp können Fall-höhen zwischen 15 und 720 m sowie Wasserströmebis 900 m3/s verarbeitet werden. Dabei werdenMaschinenleistungen von bis zu 1.000 MW erreicht.

Bei der Francisturbine wird das Wasser über eineBeton- oder Stahlspirale und den verstellbaren Leit-apparat (Bild 3.26) auf das Laufrad (Bild 3.25) ge-führt. Dabei strömt das Wasser radial auf die fest-stehenden, räumlich gekrümmten Laufschaufeln einund axial wieder aus. Die Regelung erfolgt aus-schließlich über den Leitapparat, was gegenüber

Bild 3.23: Typen von Wasserrädern,links: oberschlächtiges Zellenrad,rechts: unterschlächtiges Schaufelrad

Page 21: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 200260 Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

Bild 3.24:Wasserkraftschnecke,Ansicht (oben) undDetail (Schnecke) (unten)

Bild 3.25:Laufrad einerFrancisturbine

Page 22: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 2002 61Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

Kaplanturbinen zu einem schlechteren Teillast-verhalten führt. Die Francisturbine verfügt über einSaugrohr, in dem der Druck nach dem Laufrad künst-lich herabgesetzt und so ein höherer Turbinen-wirkungsgrad erreicht wird.

Vor der Entwicklung der Kaplanturbine wurdenFrancisturbinen auch dort eingesetzt, wo heute we-gen des besseren Wirkungsgrades KaplanturbinenVerwendung finden. Viele dieser Anlagen sind heutenoch in Betrieb.

3.4.2.4 Francis-Schachtturbine

Eine kleinere, einfache und damit kostengünstigeBauform der Francisturbine ist die Francis-Schacht-oder Kammerturbine, die vor allem für Kleinwasser-kraftwerke Verwendung findet (Bild 3.27). Sie wirdfür Fallhöhen bis etwa 5 m eingesetzt und erlaubtdaher den Verzicht des Spiralgehäuses. Das Spiral-gehäuse wird durch eine einfache Turbinenkammermit rechteckigem Querschnitt ersetzt. Dieser Tur-binentyp wird lediglich mit verstellbaren Leitschaufeln,Laufrad und Saugrohr gebaut, wobei das Regulier-gestänge des Leitrades offen im Oberwasser liegt.

Bild 3.26: Einbau einer Francisturbine ineinem Speicherkraftwerk(Mitteldruckanlage)(verändert nach: EnBW ING, 2000)

Bild 3.27:Prinzipskizze einerFrancis-Schachtturbinemit vertikaler Welle, Ge-triebe und Generator

Page 23: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 200262 Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

3.4.2.5 Peltonturbine

Die 1892 erstmalig gebaute Peltonturbine wird auchFreistrahlturbine genannt. Es handelt sich dabei umeine Hochdruckturbine, die bei Fallhöhen > 100 m undWasserströmen < 80 m3/s eingesetzt wird.KlassischeEinsatzfälle für diesen Turbinentyp sind z. B. alpineSpeicherkraftwerke mit Fallhöhen bis zu 2.000 m,bei denen das Wasser über eine Druckleitung voneinem Stausee zum Kraftwerk geleitet wird. Übereine oder mehrere Düsen wird das Wasser dann aufein mit Bechern beschaufeltes Laufrad geführt (Bild3.28). Der mit hoher Geschwindigkeit auf die Lauf-schaufeln treffende Wasserstrahl wird umgelenkt,woraus eine Drehbewegung des Laufrades resultiert.Die rotierende Turbinenwelle kann hierbei vertikaloder horizontal angeordnet sein. Die Regelung er-folgt mittels einer verstellbaren Nadel innerhalb desDüsenkörpers. Je nach Wasserstrom werden Pel-tonturbinen ein- oder mehrdüsig ausgeführt. Im Fal-le eines Notschlusses, z. B. bei einem Netzausfall,kann die Turbine mit Hilfe eines Strahlablenkersschnell stillgesetzt werden. Für Revisionszwecke istvor der Düse ein Verschlussorgan z. B. in Form ei-nes Kugelschiebers angeordnet.

3.4.2.6 Durchströmturbine

Bei diesem Turbinentyp durchströmt das vom Leit-apparat tangential zugeführte Wasser das zylindri-sche Laufrad von außen nach innen und nach Durch-queren des Radinnern von innen nach außen. Die inden 30er Jahren entwickelte Durchströmturbine eig-net sich besonders gut für den Einsatz bei starkschwankenden Zuflüssen, da das Laufrad je nachvorhandenem Triebwasser nur teilbeaufschlagt wer-den kann. Durch den mehrzelligen Aufbau (normaleUnterteilung 1:2) kann die kleine Zelle kleine Wasser-ströme, die große Zelle mittlere Wasserströme undbeide zusammen den vollen Wasserstrom effizientnutzen (Bild 3.29). Durch diese Anpassungsmög-lichkeit an das schwankende Wasserdargebot ergibtsich ein sehr flacher, jedoch niedrigerer Verlauf desTurbinenwirkungsgrades gegenüber den anderenTurbinenarten. Wegen der guten Anpassung an starkschwankende Zuflüsse und der einfachen Bauweisewird die Durchströmturbine in neuerer Zeit häufig beiKleinwasserkraftanlagen eingebaut. Der Fallhöhen-einsatzbereich erstreckt sich von 1 bis 200 m.

Bild 3.28: Laufrad einer Peltonturbine Bild 3.29: Strömungsverlauf einer Durchström-turbine (verändert nach:GIESECKE & MOSONYI, 1998) mithorizontalem Zufluss (links) undWirkungsgradkennlinie bei einer1:2-Unterteilung

η

Q11/3 2/3

Page 24: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 2002 63Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

3.4.2.7 Kaplanturbine

Die erste Anwendung einer Kaplanturbine geht aufdas Jahr 1919 zurück. Kaplanturbinen sind axialeWasserturbinen mit wenigen Schaufeln (Bild 3.30).Das Einsatzgebiet umfasst Fallhöhen von 8 bis 70 mund Wasserströme bis zu 1.000 m3/s. Aufgrund derguten Regelfähigkeit und des flachen Wirkungsgrad-verlaufs eignet sich dieser Turbinentyp besonders gutfür Flusskraftwerke, wo schwankende Fallhöhen undein unterschiedliches Wasserangebot auftreten. Beider klassischen Bauart der Kaplanturbine mit verti-kaler Welle strömt das Wasser über eine Betonspiraleund den verstellbaren Leitapparat auf das Laufradmit ebenfalls verstellbaren Laufschaufeln (Bild 3.31).Der Austritt erfolgt über den Saugrohrkrümmer.

Aufgrund des besseren Regelverhaltens verdrängendie Kaplanturbinen im Grenzbereich zunehmend dieFrancisturbinen. Die Nachteile der Kaplanturbinebestehen jedoch vor allem in Wirkungsgradeinbußendurch die zweimalige Strömungsumlenkung. Fernerverursacht die aufgrund der vertikalen Wellenlage unddem anschließenden Saugrohrkrümmer erforderlichegroße Bautiefe höhere Baukosten.

Eine vereinfachte Form der Kaplanturbine ist die Pro-pellerturbine. Sie ist im konstruktiven Aufbau iden-

Bild 3.31: Kaplanturbine in einem Laufwasserkraftwerk

Bild 3.30: Laufrad einer Kaplanturbine

tisch, mit Ausnahme der nicht verstellbaren Laufrad-schaufeln. Durch den Wegfall des sonst erforderlichenhydraulischen Verstellmechanismus und der dazu ge-hörenden Steuereinrichtungen ist sie preiswerter alsdie Kaplanturbine. Nachteilig ist jedoch die geringereAnpassung an sich verändernde hydraulische Verhält-nisse und somit ein geringerer Wirkungsgrad.

Oberwasser

Unterwasser

Dammbalkenschacht

Turbine

Einlassrechen

Saugrohr

Page 25: Entwurf ATV-DVWK-M 501 3 Technische Grundlagen Ab …s03488a92b605a9ae.jimcontent.com/download/version/1438007266/... · Entwurf ATV-DVWK-M 501 40 Entwurf Nov ember 2002 Einspru chsfrist

Entwurf ATV-DVWK-M 501

Entwurf November 200264 Einspruchsfrist bis 31. Januar 2003

Bild 3.32: Prinzipskizze eines Wasserentnahmebauwerkes

3..4..2..8 Kaplan-RohrtKaplan-Rohrtuturbrbr iinini e

Die Kaplan-Rohrturbine ist eine besondere Bauformder Kaplanturbine. Ihr Einsatzgebiet liegt bei Fallhö-hen zwischen 2 und 22 Meter sowie bei Wasser-strömen von 4 bis 750 m3/s. Sie stellt heute die häu-figste Ausrüstung für Laufwasserkraftwerke dar. DieKaplan-Rohrturbine ist mit horizontaler oder leichtgeneigter Welle direkt im Rohr eingebaut. Das Was-ser umströmt das Turbinengehäuse mit Turbinenwelleund Generator und fließt über den verstellbarenLeitapparat durch die ebenfalls verstellbaren Schau-feln des Laufrades (vgl. Bild 3.14). Der Strömungs-austritt erfolgt über das sich anschließende Saug-rohr. Aufgrund der geradlinigen Durchströmung derTurbine ergibt sich gegenüber der Kaplanturbine klas-sischer Bauart ein um etwa 3 % höherer Wirkungs-grad. Außerdem ist die Kaplan-Rohrturbine durch denWegfall von Spiralgehäuse und Saugrohrkrümmersehr kompakt und ermöglicht dadurch günstigereBaukosten.

Eine Besonderheit stellt die sogenannte Außenkranz-Rohrturbine dar, bei der Turbine und Generator eindirekt gekoppeltes Aggregat ohne Antriebswelle bil-den. Der Generator liegt in der gleichen vertikalenEbene wie das Laufrad, ist aber außerhalb des durch-

strömten Rohres angeordnet. Das Laufrad kann mitbeweglichen oder feststehenden Laufschaufeln aus-geführt werden. Vorteile ergeben sich bei dieser Bau-art durch geringeres Bau- und Anlagenvolumen unddamit Kostenersparnisse. Nachteile bestehen imBetrieb durch den höheren Wartungsaufwand.

3.5 Wasserentnahmebauwerke

Zur Ausleitung von Trink- und Brauchwasser werdenEntnahmebauwerke errichtet. Ihr Standort ist entwe-der direkt am Ufer oder sie werden durch einen mehroder minder langen Stichkanal angeströmt. Die seit-liche Wasserentnahme, zumeist nur eines geringenTeiles des Gesamtabflusses, erfordert keinen Auf-stau des Gewässers. Bild 3.32 zeigt den schemati-schen Aufbau eines Entnahmebauwerkes.

Im einfachsten Fall verhindern Tauchwand und Grob-rechen das Einspülen von Treibgut. Werden höhereReinheitsanforderungen an das Brauchwasser ge-stellt, werden dem Grobrechen ein oder mehrereFeinrechen, Siebbandanlagen oder sonstige Filter-systeme nachgeschaltet. Über Rechenreinigungs-und Siebbandmaschine wird das Schwemmgut demWasser entnommen.

Tauchwand

Grobrechen

Dammbalkennische Rechenreiniger Siebbandanlage

Feinrechen