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Erarbeitung von Grundlagen für eine Verfahrenserweiterung von ‚Perlodes’ hinsichtlich der ökologischen Zustandsbewertung trockenfallender Fließgewässer in Deutschland Projekt-Nr. O 4.14 des Länderfinanzierungsprogramms „Wasser, Boden und Abfall“ 2014 Schlussbericht Auftraggeber Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser Auftragnehmer Universität Duisburg-Essen BAL - Suhlendorf IRV Software September 2015

Erarbeitung von Grundlagen für eine Verfahrenserweiterung ... · Abbildung 9: Verteilung der Werte des tFG-Index und der Klassen des neuen MMI entlang der Gradienten der Einzugsgebietsgröße

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Erarbeitung von Grundlagen für eine

Verfahrenserweiterung von ‚Perlodes’

hinsichtlich der ökologischen Zustandsbewertung

trockenfallender Fließgewässer in Deutschland

Projekt-Nr. O 4.14 des Länderfinanzierungsprogramms

„Wasser, Boden und Abfall“ 2014

Schlussbericht

Auftraggeber

Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser

Auftragnehmer

Universität Duisburg-Essen

BAL - Suhlendorf

IRV Software

September 2015

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Projekt

LAWA-Projekt Nr. O 4.14

Erarbeitung von Grundlagen für eine Verfahrenserweiterung von ‚Perlodes‘ hinsichtlich der

ökologischen Zustandsbewertung trockenfallender Gewässer in Deutschland

Auftraggeber

Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser Fachliche Begleitung

Eva Bellack

Martina Jährling

Fulgor Westermann

Zuständiger

Expertenkreis der

LAWA: „Biologische Bewertung

Fließgewässer und

Interkalibrierung“

Auftragnehmer

Aquatische Ökologie der Universität

Duisburg-Essen

Universitätsstraße 5

45141 Essen

Bearbeitung

Veronica Dahm

Daniel Hering

BAL – Büro für angewandte Limnologie und

Landschaftsökologie

Wellendorf 30

29562 Suhlendorf

Bearbeitung

Herbert Reusch

IRV Software

Breitenfurterstrasse 107-109/3/17

1120 Wien

Österreich

Bearbeitung

Robert Vogl

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I

Inhalt

Inhalt ......................................................................................................................................................... I

Abkürzungen ......................................................................................................................................... III

Tabellenverzeichnis ............................................................................................................................... IV

Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................................... V

1 Einleitung ........................................................................................................................................ 1

2 Daten ............................................................................................................................................... 4

2.1 Verfügbare Daten .................................................................................................................... 4

2.2 Umweltdaten ........................................................................................................................... 7

2.3 Datensätze für die Auswertung ............................................................................................... 7

3 Typologie......................................................................................................................................... 9

3.1 Bekannte Konzepte .................................................................................................................. 9

3.2 Ziel der Auswertung .............................................................................................................. 11

3.3 Methodik ............................................................................................................................... 11

3.4 Ergebnisse ............................................................................................................................. 12

3.5 Diskussion ............................................................................................................................. 15

4 Bekannte tFG-Besiedler ................................................................................................................ 17

4.1 Hintergrund ........................................................................................................................... 17

4.2 Methodik ............................................................................................................................... 18

4.3 Ergebnisse und Schlussfolgerung .......................................................................................... 18

5 Index für die Identifizierung von tFG ........................................................................................... 24

5.1 Entwicklung des tFG-Index ................................................................................................... 24

5.2 Überprüfung des tFG-Index .................................................................................................. 25

6 Probenahmezeitraum ..................................................................................................................... 26

7 Entwicklung des Bewertungssystems für tFG ............................................................................... 28

7.1 Bekannte Konzepte ................................................................................................................ 28

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II

7.2 Entwicklung eines Multimetrischen Index für tFG ............................................................... 28

7.3 Vergleich mit bestehendem typspezifischem MMI ............................................................... 32

7.4 Modul Saprobie ..................................................................................................................... 32

7.5 Charakterisierung der tFG ..................................................................................................... 34

8 Aufbau des Bewertungssystems für tFG ....................................................................................... 36

9 Ausblick......................................................................................................................................... 37

10 Literatur ..................................................................................................................................... 38

Anhang .................................................................................................................................................. 40

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III

Abkürzungen

tFG temporär trockenfallende Fließgewässer

pFG permanent wasserführende Fließgewässer

EPT Gesamtheit der Taxa der Ephemeroptera, Plecoptera und Trichoptera

EZG Einzugsgebiet

LUI Landnutzungsindex nach Böhmer et al. (2004)

MG Mittelgebirge

MMI Multimetrischer Index (Meier et al. 2006)

MST Messstelle

N Anzahl der Messstellen

n Anzahl der Probenahmen

P/A Daten beruhen auf Anwesenheit/Abwesenheit der Taxa

TL Tiefland

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IV

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Projektziele und –vorgehen. ................................................................................................... 3

Tabelle 2: Überblick über verfügbare Messstellen (MST) an tFG. ......................................................... 5

Tabelle 3: Weitere Angaben zu den tFG-Messstellen. ............................................................................ 5

Tabelle 4: Datensätze für die Auswertung; MST = Messstellen, P/A = Anwesenheit/Abwesenheit,

MG = Mittelgebirge, TL =Tiefland. ........................................................................................................ 8

Tabelle 5: Fließgewässertypen nach LAWA (Pottgiesser & Sommerhäuser 2004) für die trockene

Phasen dokumentiert sind. ..................................................................................................................... 10

Tabelle 6: Beschriebene Typen trockenfallender Fließgewässer in den Bundesländern....................... 10

Tabelle 7: Global R-Werte der ANOSIM-Analyse; Signifikanz: ** p < 0,01. ..................................... 14

Tabelle 8: Stetigkeit [%] bekannter Besiedler trockenfallender Gewässer. Der höchste Wert im

Vergleich der Datensätze ist orange markiert. Sortierung nach absteigender Stetigkeit in natürlichen

tFG. N=Anzahl der berücksichtigten Messstellen. ................................................................................ 20

Tabelle 9: Ausgewählte tFG-Besiedler für die Entwicklung des tFG-Index. N=Anzahl der Messstellen.

............................................................................................................................................................... 23

Tabelle 10: Klassifizierung des tFG-Index zur Identifizierung von trockenfallenden

Gewässerabschnitten. ............................................................................................................................ 25

Tabelle 11: Ausgewählte Core Metrics für das Modul “Allgemeine Degradation” in den genannten

Projekten. ............................................................................................................................................... 28

Tabelle 12: Maxima/Minima und Ankerpunkte der ausgewählten Metrics. ......................................... 29

Tabelle 13: Korrelationsmatrix der mit den prozentualen Waldanteil und dem Landnutzungsindex

(LUI) hochkorrelierten Metrics (Spearman Rang Korrelation). Alle R-Werte signifikant mit p < 0,05.

DFI = Deutscher Fauna Index; E = Ephemeroptera, P = Plecoptera, T = Trichoptera. LUI und

Waldanteil beziehen sich auf einen 100 m x 2.500 m langen Streifen entlang des Gewässers oberhalb

der Messstelle. ....................................................................................................................................... 31

Tabelle 14: Änderung des MMI-Ergebnisses bei Anwendung des neuen MMI für

tFG;„+“ = Verbesserung, „=“ = gleichbleibend,„-“ = Verschlechterung. ............................................. 32

Tabelle 15: Vergleich des prozentualen Anteils der Probenahmen, die die minimale Summe der

Abundanzklassen für die Berechnung des Moduls Saprobie erreichen................................................. 33

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V

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Verbreitung der verfügbaren tFG-Messstellenund Gesteinsformen geringer

Speicherkapazität, die temporäres Trockenfallen begünstigen. .............................................................. 6

Abbildung 2: System der Austrocknungstypen temporärer Fließgewässer (aus NUA 2000). ................ 9

Abbildung 3: Ähnlichkeit der Artengemeinschaft natürlicher tFGs zwischen verschiedenen Gruppen

anhand von NMDS (Abundanzdaten). Karst: 1 = tFG über verkarstungsfähigem Gestein, 0 = anderer

Untergrund; MG = Mittelgebirge, TL = Tiefland. ................................................................................ 13

Abbildung 4: Ähnlichkeit der Artengemeinschaft natürlicher tFGs und permanent wasserführenden

Gewässer (pFG) der Mittelgebirge und des Tieflands (Abundanzdaten). Die pFG umfassen nur

Messstellen, die eine Ökologische Zustandsklasse von „mäßig“ und besser aufweisen. ...................... 14

Abbildung 5: Boxplots der Taxazahlen in permanenten (pFG) und trockenfallenden (tFG)

Fließgewässern. Die Boxplots ohne Differenzierung zwischen pFG und tFG betrachten ausschließlich

tFG; MG = Mittelgebirge, TL = Tiefland, EZG=Einzugsgebiet, N = Anzahl der Messstellen. ........... 15

Abbildung 6: Vergleich der Anzahl ausgewählter tFG-Arten (Tabelle 9) in pFG, natürlichen und

anthropogenen tFG. ............................................................................................................................... 24

Abbildung 7: Anzahl der bekannten tFG-Besiedler in natürlichen tFG (Tabelle 8) je Monat. n= Anzahl

der Probenahmen. Berücksichtigung aller Probenahmen je Messstelle. ............................................... 26

Abbildung 8: Anzahl der für den tFG-Index ausgewählten Arten in natürlichen tFG (Tabelle 9) je

Monat. n= Anzahl der Probenahmen. Berücksichtigung aller Probenahmen je Messstelle. ................. 27

Abbildung 9: Verteilung der Werte des tFG-Index und der Klassen des neuen MMI entlang der

Gradienten der Einzugsgebietsgröße und des Landnutzungsindex (100 x 2.500 m-Streifen entlang des

Gewässers oberhalb der Probestelle); MMI-Klassen von 1 = „sehr gut“ bis 5 = „schlecht“. Die

zugrundeliegenden Probenahmen stammen aus den Datensätzen der natürlichen tFG und der tFG mit

unbekannter Ursache. ............................................................................................................................ 34

Abbildung 10: Qualitätsklassen des Moduls „Allgemeine Degradation“ (AD) basierend auf dem neuen

Multimetrischen Index für tFG.Datensatz: natürliche tFGs und tFGs mit unbekannter Ursache. ........ 35

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1

1 Einleitung

Trockenfallende Fließgewässer sind, ähnlich wie Moore oder unterirdische Gewässer, ein besonderer

und extremer Lebensraum. Nach konservativen Schätzungen machen sie die Hälfte des globalen

Gewässernetzes aus (Carlisle et al. 2010). Während in ariden Gebieten ein Großteil der Fließgewässer

zeitweise trockenfällt (z.B. bis zu 70% in Australien) durchlaufen auch bis zu 50% der Fließgewässer

in gemäßigten Zonen Austrocknungsphasen (Datry et al. 2014). Bedingt durch den Klimawandel und

verstärkte anthropogene Wasserentnahme ist davon auszugehen, dass Vorkommen und Dauer der

Trockenphasen zunehmen werden. In der Entwicklung von Verfahren zur Ermittlung des ökologischen

Zustandes spielten diese Gewässer hingegen bislang kaum eine Rolle. Das vorliegende Projekt soll

dieses Defizit beseitigen.

Natürliche trockenfallende Gewässer treten in Deutschland über verkarstungsfähigem Festgestein auf

(u.a. Kalksteingebiete des Jura, Muschelkalk). Das Gewässer versinkt im durch Lösungsprozesse

entstandenen Karstuntergrund (Embleton-Hamann 2007) und tritt nur bei entsprechenden

Niederschlagsbedingungen an die Oberfläche; ein prominentes Beispiel ist die Donauversinkung bei

Immendingen. In niederschlagsreichen Zeiten, wie meistens im Winterhalbjahr, springen die Quellen

bereits in höher gelegenen Gebieten an, während die Oberläufe im Sommerhalbjahr natürlicherweise

über längere Perioden trockenfallen (BAL 2010). Im extremen Fall ist das Kalkgestein so tiefgründig

verkarstet, dass das Gewässer nur nach starken Regenfällen oder während der Schneeschmelze Wasser

führt („ephemerer Bach“, LUA NRW 1999). Weiterhin fallen Gewässer über porenarmen

Grundwasserleitern (in horizontalen Schichten angereichertes undurchlässiges Material, z.B. Ton)

trocken, wenn im Laufe der Vegetationsperiode der „schwebende Grundwasserhorizont“, der sich über

der stauenden Schicht ausbildet, von den Wurzeln leer gesaugt wird, z.B. im Vogelsberg (Hessen).

Somit lassen sich die Gewässer neben der geologischen Komponente auch hydrologisch

charakterisieren: Während grundwassergeprägte Gewässer über das Jahr hinweg einen ausgeglichenen

Abfluss aufweisen, sind grundwasserarme Gewässer direkt von Niederschlagsmenge und Verdunstung

abhängig und daher anfällig für sommerliche Austrocknung.

Ursachen für anthropogen bedingtes Trockenfallen sind bekanntermaßen gerade im Mittelgebirge das

Vorkommen von Stauanlagen und die häufig damit verbundene Wasserentnahme. Im Rahmen der

Entwässerung von landwirtschaftlichen Flächen wurden kleine Gewässer im Oberlauf verlängert;

diese Abschnitte fallen in niederschlagsarmen Zeiten trocken. Im Tiefland führt der Tagebau auf

Lockergestein zu Grundwasserabsenkung, wodurch Feuchtgebiete und Fließgewässer ihren

Grundwasseranschluss verlieren können. Natürliche und anthropogene Ursachen können gemeinsam

auftreten und sich gegenseitig verstärken.

Regionen in Deutschland, in denen aufgrund des geologischen Untergrundes trockenfallende

Gewässer vermehrt auftreten, umfassen unter anderem:

Kalkalpen

Schwäbische Alb

Fränkische Alb

Muschelkalkgebiete (u.a. Thüringen)

Eifel

Vogelsberg

Paderborner Hochfläche

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2

Niederrheinische Sandplatten

Seeausflussgeprägte Gewässer der Jungmoräne

Kalksteinbuckel im Tiefland

- Jasmund / Rügen

- Harzvorland

- Wiehengebirge/Gehn

Zur Überdauerung der Trockenphase und um zeitweise extreme Abflussbedingungen auszugleichen,

ist die speziell angepasste Biozönose auf Strukturenvielfalt im Gewässerbett und Uferbereich

angewiesen. Durch Verbau, Versiegelung und Störungen der Ufervegetation verschwinden

Restwasserpools und beschattete Uferbereiche. Querbauwerke, z.B. Sohlschwellen ohne

Niedrigwasserrinnen, verstärken die Austrocknungsphasen. Wie auch bei permanenten Fließgewässern

beeinträchtigen die Umfeldnutzung und Sedimenteinträge (z.B. aus der Forstentwässerung) die

Wasser- und Habitatqualität. Künstlich gesteuerte Abflüsse, z.B. aus Kläranlagen, können die

Trockenphase verkürzen oder verlängern bzw. trockenfallende Gewässer in permanente Gewässer

umwandeln.

Trockenfallende Gewässer sind erst seit etwa Anfang der 1990-Jahre in Deutschland Objekt

gewässerökologischer Forschungen (NUA 2000). Inzwischen liegt eine Fülle faunistisch-ökologischer

Erkenntnisse zu trockenfallenden Fließgewässern in den Bundesländern vor. Unter Zugrundelegung

der aktuell verfügbaren LAWA-Typologie und des Bewertungsinstrumentariums für perennierende

Fließgewässer (WRRL-Monitoring, Perlodes-Verfahren für Makrozoobenthos) führt die Berechnung

der ökologischen Qualität von tFG gemeinhin zu unplausiblen Ergebnissen. Ursache ist die

unzureichende Berücksichtigung der besonderen Bedingungen temporärer Gewässer und der sich

anschließenden permanenten Abschnitte. Erste an der Perlodes-Methodik ausgerichtete

Bewertungsvorschläge für tFG liegen vor (BAL 2010; Müller-Peddinghaus et al. 2012).

Im Rahmen dieses Projekts wurden Bewertungsgrundlagen für die biologische Qualitätskomponente

Makrozoobenthos in trockenfallenden Fließgewässern entwickelt. Dies umfasste eine Überprüfung der

Typologie von trockenfallenden Fließgewässern (tFG), die Entwicklung eines tFG-Index und ein an

die Bewertung permanenter Fließgewässer angepasstes Bewertungssystem. Als Grundlage dienten

Daten aus den betroffenen Bundesländern, aus der Datenbank der Universität Duisburg-Essen, aus der

Literatur und Daten aus weiteren Forschungsprojekten.

Projektinhalte und Projektziele sind in Tabelle 1 aufgeführt. Die Bearbeitungsschritte erfolgten in

Abstimmung mit dem projektbegleitenden Beirat und weiteren Experten. Untersucht wurden

außerdem folgende Fragen:

Bieten tFG, die anthropogen bedingt trockenfallen, Ersatzhabitate für sensitive Besiedler

natürlicherweise trockenfallender Gewässer?

Werden unterhalb gelegene permanente Gewässerabschnitte von tFG beeinflusst?

Welcher Probenahmezeitraum empfielt sich für das Monitoring von tFG?

Die Ergebnisse werden nach Abstimmung mit dem Projektbeirat in die Software ASTERICS

implementiert.

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3

Tabelle 1: Projektziele und –vorgehen.

Inhalt Ziele Vorgehen

Typologie

Ermittlung des Vorkommens von

tFG in Deutschland

Zusammentragen bestehender

Konzepte

Validierung der Typologie

Literaturrecherche

Aufbereitung von Daten zu tFG

Validierung der Typologie durch

statistische Auswertung

Fauna

Ermittlung von bekannten tFG-

Besiedlern

Entwicklung eines tFG-Index

Ermittlung des optimalen

Probenahmezeitraums

Literaturrecherche

Zusammenstellung von

Charakter- und Begleitarten

Statistische Auswertungen

Bewertung Entwicklung eines Verfahrens zur

Bewertung von tFG

Auswahl geeigneter Metrics für

das Modul Allgemeine

Degradation

Prüfung des Moduls Saprobie

Berechnung und Vergleich der

Bewertungsergebnisse.

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4

2 Daten

2.1 Verfügbare Daten

Im Juli 2014 wurden Daten zu tFG bei den Bundesländern abgefragt. Die Datenakquise erfolgte im

Rahmen einer gemeinsamen Abfrage für zwei weitere Projekte:

LAWA-Projekt Nr. O 1.14: Überprüfung und Fortschreibung der LAWA-Fließgewässertypen

„Kleine Niederungsfließgewässer in Fluss- und Stromtälern“, „gefällearme Fließgewässer der

Mittelgebirgsregion“ und anderer ausgewählter Fließgewässertypen

UBA-Projekt (FKZ 3714222110): Weiterentwicklung der biologischen Bewertungsverfahren

zur EG-Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) unter besonderer Berücksichtigung der großen

Flüsse

Die gelieferten Daten wurden zusammen mit den Daten des LAWA-Projekts „Korrelationenzwischen

biologischen Qualitätskomponenten und allgemeinen chemischen und physikalisch-chemischen

Parametern in Fließgewässern (Nr. O 3.12) in die Datenbank integriert, die im Rahmen des UBA-

Projekts „Strategien zur Optimierung von Fließgewässer-Renaturierungsmaßnahmen und ihrer

Erfolgskontrolle“ (FKZ 3710 24 207) aufgebaut wurde. Diese Datenbank enthält bereits umfangreiche

Umweltdaten (Landnutzung, GSG, Chemie), die für neue Messstellen, soweit verfügbar, ergänzt

wurden.

Elf Bundesländer sendeten Daten zu tFG an Messstellen des operativen Monitorings und anderen

Messstellen (Tabelle 2). Angefragt wurden Daten von Makrozoobenthos-Beprobungen, verfügbare

Umweltdaten und Angaben zu Typus, Ursache und Dauer/Zeitraum des Trockenfallens. Die

Informationen wurden teilweise in Form der abgefragten Kategorien oder in Form von Anmerkungen

überliefert. Parallel wurden Taxalisten aus weiteren Projekten und der Literatur zusammengetragen.

Insgesamt standen dem Projekt Daten von 556 tFG-Messstellen zur Verfügung und von 54

Messstellen an permanent wasserführenden Gewässerabschnitten, die durch trockene Abschnitte

oberhalb beeinflusst sein können (Tabelle 2, Abbildung 1).

Als anthropogene Ursachen wurden, sofern angegeben, Rückstau durch Teiche und Wehre, regulierte

Wasserführung, Wasserentnahme und Grundwasserabsenkung durch Tagebau oder Baumaßnahmen

genannt. Angaben zu Dauer und Zeitraum des Trockenfallens lagen nur für wenige Messstellen vor

(Tabelle 3).

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Tabelle 2: Überblick über verfügbare Messstellen (MST) an tFG.

Datenquelle Anzahl MST

tFG

Anzahl MST

tFG beeinflusst

Bundesländer

Baden-Württemberg 16

Bayern 11 2

Hessen 22

Mecklenburg-Vorpommern 36

Niedersachsen 26 17

Nordrhein-Westfalen 194

Rheinland-Pfalz 30

Schleswig-Holstein 10

Sachsen 38

Sachsen-Anhalt 42 35

Thüringen** 9

Weitere Quellen

Datenbank Universität Duisburg-Essen* 28

Dynaklim 33

Stadt Hamm 27

Gesamt 522 54

*PhD-Thesis Mario Sommerhäuser, Typologieprojekte, BMBF-Projekt

**nicht verwendet wegen später Lieferung

Tabelle 3: Weitere Angaben zu den tFG-Messstellen.

Anzahl Messstellen

Typus

Ephemer 29

Regelmäßig/unregelmäßig sommertrocken 394

Unbekannt/keine Angabe 99

Ursache

Natürlich/geogen 130

Anthropogen 161

Unbekannt 235

Zeitraum/Dauer 24

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Abbildung 1: Verbreitung der verfügbaren tFG-Messstellenund Gesteinsformen geringer Speicherkapazität, die

temporäres Trockenfallen begünstigen.

Aus der Literatur konnten viele Hinweise auf Arten, die die Qualität trockenfallender Gewässer

indizieren können, entnommen werden. Teilweise waren vollständige Taxalisten verfügbar, teilweise

wurden einzelne angepasste Arten hervorgehoben. Die ausgewertete Literatur, aus der vollständige

Taxalisten entnommen werden konnten, ist im Folgenden aufgelistet.

Ahlhelm, U. (1999): Besiedlung von aquatischem und terrestrischem Totholz an einem periodisch

trockenfallenden Löß-Lehmbach (Frölicher Bach, Münsterland). Examensarbeit Essen

Berthold, E.; Egge, C. & Schuller, I. (2001): Erstfund von Metreletus balcanicus (Insecta, Ephemeroptera,

Ameletidae) in Bayern. Lauterbornia 40: 93-97. Dinkelscherben

Bohle, H.W. & Potabgy, G. (1992): Metreletus balcanicus (ULMER 1920), Sipholonurus armatus (EATON

1870) und die Fauna sommertrockener Bäche. Lauterbornia 10: 43-60. Dinkelscherben

Bohle, H.W. (2000): Anpassungsstrategien ausgewählter Organismen an temporäre Wasserführung - Insekten

periodischer Fließgewässer Mitteleuropas. In: NUA (2000): Gewässer ohne Wasser. Seminarbericht Band 5.

Dettinger-Klemm, A. (1994): Faunistisch-ökologische Untersuchungen an Dipteren aus Tümpeln unter

besonderer Berücksichtigung der Culicidae und Chironomidae (Diptera: Nematocera). Diplomarbeit Marburg.

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7

Faasch, H. (1994): Metreletus balcanicus (ULMER 1920) auch in Ostniedersachsen. Lauterbornia 15:79-80

Fielder, A. & Bohle, W. (1994): Ephemeroptera sommertrockener Bäche in Oberhessen. Entwicklungszyklen

und Populationsstruktur

Fischer, F. (2003): Das Nischenkonzept und seine Bedeutung für die Erklärung regionaler Verbreitungsmuster

am Beispiel dreier Glossosomatidenarten (Trichoptera, Glossosomatidae). Dissertation Philipps-Universität

Marburg. Abrufbar [29.09.2015]: http://archiv.ub.uni-

marburg.de/diss/z2004/0073/pdf/Dissertation_Folker_Fischer.pdf

Foltyn, S. (2000): Überlebensstrategien in sommertrockenen Löss-Lehmbächen. In: NUA (2000): Gewässer

ohne Wasser. Seminarbericht Band 5.

Holm, U. & Schwahn, J. (2012): First recordings of Metreletus balcanicus (Ephemeroptera: Siphlonuridae) in

Schleswig-Holstein/Germany.- Lauterbornia 75 : 15-17, Dinkelscherben.

Marx, A (2007): Zur Ökologie temporärer Gewässer im südwestlichen Harzvorland; Diplomarbeit Universität

Duisburg-Essen.

Meyer, E. I., Meyer, A. & Billen, M. (2000): Fallbeispiel Sauer, ein Karstbach der Paderborner Hochfläche

Sommerhäuser, M.M. (1998): Limnologisch-typologische Untersuchungen zu sommertrockenden und

permanenten Tieflandbächen am Beispiel der Niederrheinischen Sandplatten. Dissertation Essen.

2.2 Umweltdaten

Für einen Großteil der Messstellen wurden folgende Umweltdaten ermittelt:

Größe des Einzugsgebiets (EZG), ausgehend von der Messstelle

Landnutzung (Corine 2006) im Einzugsgebiet

Landnutzung (Corine 2006) in 100 m breiten Streifen entlang des Gewässers oberhalb der

Messstelle mit den Längen 500 m, 1000 m, 2500 m und 5000 m

Landnutzungsindex (LUI) nach Böhmer et al. (2004) in EZG und entlang des Gewässers, als ein

Maß für den bestehenden Landnutzungsdruck. Die Werte des LUI reichen von 0 – 400, wobei

400 für die intensivste Nutzung steht.

LUI = 1 x [%] Grünland + 2 x [%] Ackerland + 4 x [%] Urbane Nutzung

Daten zur Gewässerstruktur und der Chemiewurden ebenfalls zusammengestellt, aber nicht verwendet.

Viele kleine Gewässer werden nicht GSG-kartiert, auch nutzen nicht alle Bundesländer ein

vergleichbares Kartierverfahren. Gerade die Landnutzung entlang des Gewässers ist aber ein guter

Proxy für die Gewässerstruktur. Daten zum Wasserchemismus lagen für etwa 50 % der auswertbaren

Datensätze vor.

2.3 Datensätze für die Auswertung

Für die Auswertung wurden Datensätze zu verschiedenen Formen von tFG zusammengestellt, zu

denen Taxalisten und Umweltdaten vorlagen (Tabelle 4). In Abstimmung mit dem Projektbeirat

wurden ephemere Gewässer von den Auswertungen ausgeschlossen, da sie für die Gewässerbewertung

keine Relevanz haben. Zur Überprüfung der Ähnlichkeit von tFG zu permanenten Fließgewässern

(pFG) wurde ein pFG-Vergleichsdatensatz erstellt, der folgende Bedingungen erfüllt: (1) Messstellen

weisen einen sehr guten bis mäßigen ökologischen Zustand auf, (2) Messstellen des Mittelgebirges

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und Tieflandes sind gleichermaßen vertreten, (3) Ausschließliche Auswahl von LAWA-

Gewässertypen, die auch in den tFG-Datensätzen vertreten sind (Einstufung der Bundesländer).

Für manche tFG lagen mehrere Probenahmen zu verschiedenen Zeitpunkten vor. Je nach Fragestellung

wurden alle Probenahmen verwendet oder für jede Messstelle die jeweils aktuelle Probenahme im

geeigneten Probenahmezeitraum ausgewählt. Um Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wurden nur

Probenahmen zwischen Februar und Juni berücksichtigt. Bei der Verwendung von Abundanzdaten,

beispielsweise bei den Auswertungen zur Bewertung, kam es zu einer geringfügigen Reduzierung der

Datensätze.

Tabelle 4: Datensätze für die Auswertung; MST = Messstellen, P/A = Anwesenheit/Abwesenheit, MG = Mittelgebirge,

TL =Tiefland.

Gewässer Anzahl MST

P/A

Anzahl MST

MG - TL EZG [km2] Höhe [m]

tFG natürliche Ursache 130 59 - 71 0,1 – 360 3 – 630

tFG anthropoge Ursache 123 49 - 74 0,4 – 335 9 – 385

tFG beeinflusst 42 10 - 32 3 – 336 40 - 300

pFG OEZK sehr gut-mäßig 679 373 - 306 0,3 – 500 0 – 710

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3 Typologie

3.1 Bekannte Konzepte

In den 90er Jahren wurden in Deutschland erste Typologien für tFG ausgearbeitet. Basierend auf

Schellenberg et al. (1994) wurden vom Arbeitskreis „Temporäre Gewässer“ der DGL

Austrocknungstypen (Abbildung 2) und Austrocknungsparameter definiert, die für die Ausbildung der

Biozönosen relevant sind (NUA 2000). Die Austrocknungsparameter sind:

Vorhersagbarkeit (Regelmäßigkeit)

Regime (Frequenz und Dauer)

Intensität

Räumliche Ausdehnung

Ursache von Niedrigwasser-/Austrocknungsphasen

Ephemere Gewässer sind beispielsweise durch geringe Vorhersehbarkeit und hohe

Austrocknungsintensität gekennzeichnet, während Karstbäche mit geringer Vorhersehbarkeit und

hoher Frequenz trockenfallen.

Abbildung 2: System der Austrocknungstypen temporärer Fließgewässer (aus NUA 2000).

In den Steckbriefen der LAWA Fließgewässertypen (Sommerhäuser & Pottgiesser 2004) ist zeitweises

Trockenfallen für verschiedene Gewässertypen vermerkt (Tabelle 5). Auf Bundeslandebene liegen

Konzepte zur Beschreibung trockenfallender Gewässer aus Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und

Schleswig-Holstein vor (Tabelle 6). Für den in Sachsen-Anhalt entwickelten Typ 8 „Sommertrockene

Bäche über Festgestein“ und den „Sommertrockenen Bach“ in Nordrhein-Westfalen (LUA NRW

1999) gibt es Bewertungsansätze (BAL 2010, Müller-Peddinghaus 2012), die allerdings bislang nicht

breit angewandt wurden.

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10

Tabelle 5: Fließgewässertypen nach LAWA (Pottgiesser & Sommerhäuser 2004) für die trockene Phasen

dokumentiert sind.

LAWA-Typ Gewässerlandschaft nach

Briem (2003) Abfluss

Typ 1.1

Bäche der Kalkalpen Kalkalpen

Große Abflusschwankungen

im Jahresverlauf

Typ 7

Grobmaterialreiche, karbonatische

Mittelgebirgsbäche

Muschelkalk, Malm,

Lias/Dogger, andere Kalke,

Kreide

Große Abflussschwankungen

im Jahresverlauf

Typ 9.1

Karbonatische, fein- bis

grobmaterialreiche

Mittelgebirgsflüsse

Muschelkalk, Malm,

Lias/Dogger, Kalke,

Lössregionen, Keuper Kreide,

Auen > 300 m

Große Abflussschwankungen

im Jahresverlauf

Typ 16

Kiesgeprägte Tieflandbäche (kleine

Bäche)

Grund- und Endmoränen der

Alt- und

Jungmoränenlandschaft

Geringe bis hohe

Abflussschwankungen im

Jahresverlauf

Typ 18

Löss-lehm geprägte Tieflandbäche

(kleine Bäche)

Lössregionen, Grundmoräne

Geringe bis hohe

Abflussschwankungen im

Jahresverlauf

Typ 11

Organisch geprägte Bäche (kleine

Bäche)

Ökoregion unabhängig, u.a.

Grund-und Endmoräne,

Niedermoore der Alt- und

Jungmoräne

Mittlere bis hohe

Abflussschwankungen im

Jahresverlauf

Tabelle 6: Beschriebene Typen trockenfallender Fließgewässer in den Bundesländern.

Bundesland tFG Bezeichnung Charakterisierung Literatur

Nordrhein-

Westfalen

Periodisch

wasserführender

Karstbach

bei geringen Niederschlägen verläuft das

Gewässer nur im unterirdischen

Karstsystem

LUA NRW 1999

Nordrhein-

Westfalen Ephemerer Bach

Gebietsabfluss größtenteils im

Karstsystem; Wasserführung nur nach

starken Regenfällen und während der

Schneeschmelze

LUA NRW 1999

Nordrhein-

Westfalen Sommertrockener Bach

Verringerung bzw. Leerung des

schwebenden Grundwasserhorizonts

über stauender Schicht in der

Vegetationsperiode

LUA NRW 1999

Schleswig-

Holstein

Gewässer geringer

Grundwasserbürtigkeit

Gewässer mit einem geringen

Grundwasseranteil am Gesamtabfluss

sind in niederschlagsarmen Perioden

(Sommer) von Trockenfallen betroffen

Brunke 2008

Sachsen-

Anhalt

Sommertrockene Bäche

über Festgestein

(Typ 8)

Gewässer über Festgestein geringer

Speicherkapazität, wie Kalke und

Vulkanite, in Tiefland und Mittelgebirge

BAL 2010

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11

3.2 Ziel der Auswertung

Es wurde überprüft, ob sich auf Grundlage der Makrozoobenthos-Fauna und der Artenzahl

typologische Unterschiede zwischen den tFG feststellen lassen und Gewässertypen abgrenzen lassen.

Hierzu wurde der Datensatz der natürlich bedingten tFG (Kapitel 2.3) verwendet. Die

Austrocknungsparameter wurden beim Monitoring bisher nicht umfassend erhoben und konnten daher

bei der Auswertung nicht berücksichtigt werden. Hingegen wurden folgende Faktoren, die indirekt mit

den Austrocknungsparametern in Zusammenhang stehen, berücksichtigt:

Lage der tFG in Mittelgebirge/Alpenvorland oder Tiefland

Lage der tFG in Ökoregionen nach Illies (1978)

Lage der tFG in Karst oder anderen Gebieten (Angaben der Bundesländer, ergänzt durch

Informationen aus der Karte der Gewässerlandschaften nach Briem (2003)

Einzugsgebietsgröße (< 10 , < 50, < 100 und > 100 km2)

LAWA-Typologie, basierend auf der Einstufung der Bundesländer

3.3 Methodik

Es wurden Boxplots zum Vergleich der Artenzahlen der tFGs zwischen den oben aufgeführten

Faktoren erstellt unter Verwendung der Software R Studio. Weiterhin wurde mit einer nicht-

metrischen multidimensionalen Skalierung (NMDS, unter Verwendung von Statistika 10.0)

untersucht, ob sich die Artengemeinschaften natürlicher tFG aufgrund der verschiedenen Faktoren

unterscheiden und sich daraus tFG-Typen ableiten lassen. Die NMDS ordnet Probenahmen auf

Grundlage der Ähnlichkeit/Unähnlichkeit der Makrozoobenthosgemeinschaften in einem zwei-

dimensionalen Plot an, wobei Probenahmen mit ähnlicher Artenzusammensetzung näher beieinander

liegen. Weiterhin wurde die Ähnlichkeit der Artengemeinschaften und die Artenzahl zwischen

natürlichen tFG und permanenten Fließgewässern des Mittelgebirges/Alpenvorlandes und des

Tieflands, untersucht.

Die NMDS wurde sowohl mit Daten zur Anwesenheit/Abwesenheit (Präsenz/Absenz, P/A) als auch

mit Abundanzdaten durchgeführt. Die Abundanzdaten wurden zunächst einer Quadratwurzel-

Transformation unterzogen, um charakteristische Abundanzunterschiede zwischen seltenen und häufig

auftretenden Arten zu harmonisieren. Die Ähnlichkeitsmatrix wurde für die Abundanzdaten anhand

des Bray-Curtis-Index berechnet, für die P/A-Daten anhand des Jaccard-Index.

Mittels einer ANOSIM-Analyse wurden die Ergebnisse auf Signifikanz getestet. Neben dem p-Wert

wird der Global R-Wert ausgegeben. Er beschreibt die Stärke der Ähnlichkeit/Unähnlichkeit der

Faktorengruppen mit Werten zwischen 0 und 1 (Global R = 0 starke Ähnlichkeit, Global R = 1 starke

Unähnlichkeit).

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12

3.4 Ergebnisse

Anhand der NMDS konnten keine signifikanten Unterschiede in der Zusammensetzung der

Artengemeinschaft zwischen verschiedenen Faktorengruppen festgestellt werden (Abbildung 3). Die

Plots zeigen keine räumliche Abgrenzung zwischen den berücksichtigten Regionen, Gewässertypen

oder Einzugsgebietsgrößen und die niedrigen Global R-Werte zwischen 0 und 0.2 der ANOSIM-

Analyse unterstreichen das Ergebnis (Tabelle 7).

Im Vergleich trockenfallender mit permanenten Fließgewässern zeigt sich insbesondere im Fall der

artenreicheren Gewässer der Mittelgebirge eine signifikante Unähnlichkeit der Artengemeinschaften

(Abbildung 4, Tabelle 7).

Page 20: Erarbeitung von Grundlagen für eine Verfahrenserweiterung ... · Abbildung 9: Verteilung der Werte des tFG-Index und der Klassen des neuen MMI entlang der Gradienten der Einzugsgebietsgröße

13

Abbildung 3: Ähnlichkeit der Artengemeinschaft natürlicher tFGs zwischen verschiedenen Gruppen anhand von NMDS (Abundanzdaten). Karst: 1 = tFG über verkarstungsfähigem

Gestein, 0 = anderer Untergrund; MG = Mittelgebirge, TL = Tiefland.

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14

Tabelle 7: Global R-Werte der ANOSIM-Analyse; Signifikanz: ** p < 0,01.

Gruppen Global R

P/ A Abundanz

Ökoregion (8, 9, 14) 0,018 0,067**

Region (MG, TL) 0,041 0,077**

EZG-Größe (<10 , <50, <100 und >100 km2) 0,152** 0,105**

LAWA-Typ 0,197** 0,156**

Karst (ja/nein) 0,036** -0,006

tFG vs. pFG Mittelgebirge nicht getestet 0,45**

tFG vs. pFG Tiefland nicht getestet 0,3**

Abbildung 4: Ähnlichkeit der Artengemeinschaft natürlicher tFGs und permanent wasserführenden Gewässer (pFG) der Mittelgebirge und des Tieflands (Abundanzdaten). Die pFG

umfassen nur Messstellen, die eine Ökologische Zustandsklasse von „mäßig“ und besser aufweisen.

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15

Die Artenzahl der tFG zeigt zwischen verschiedenen Einzugsgebietsgrößen, Karst- und anderen

Regionen, dem Tiefland und Mittelgebirge keine signifikanten Unterschiede. Die stärkste Abweichung

tritt wie bei der NMDS im Vergleich mit den permanenten Gewässern auf. Die Artenzahl der tFG liegt

im Mittel jeweils deutlich unter der der pFGs in Tiefland und Mittelgebirge (Abbildung 5).

Abbildung 5: Boxplots der Taxazahlen in permanenten (pFG) und trockenfallenden (tFG) Fließgewässern. Die

Boxplots ohne Differenzierung zwischen pFG und tFG betrachten ausschließlich tFG; MG = Mittelgebirge, TL =

Tiefland, EZG=Einzugsgebiet, N = Anzahl der Messstellen.

3.5 Diskussion

Die Ergebnisse zeigen, dass tFG als eigenständiger, großräumig verbreiteter Typ anzusehen sind. Der

Faktor „Austrocknung“ hat, unabhängig von räumlicher geographischen Lage und der Lage im

Wasserkörper, eine „einheitliche“ Wirkung auf die Biozönosen von tFG. Die Wirkung beruht zum

einen auf dem Ausfallen von Arten die auf ganzjährige Wasserführung angewiesen sind und auf der

Begünstigung von Arten, die trockene Perioden aufgrund ihrer Anpassung in Physiologie oder

Lebenszyklus überdauern können. Viele der Arten sind auf das Vorkommen von Laub, Totholz und

Wurzeln, und damit einer intakten Ufervegetation, sowie eine strukturreiche Gewässersohle in der sich

Restwasser sammeln kann, angewiesen. Diese Habitate sind in naturnahen Gewässerabschnitten i.d.R.

gegeben, unabhängig davon ob sich der Abschnitt im Oberlauf oder Unterlauf, im Mittelgebirge oder

im Tiefland, befindet. Die überregionale Gemeinsamkeit sommertrockener Gewässer über Festgestein

wurde auch von BAL (2010) festgestellt.

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16

Die Unähnlichkeit der Biozönosen zu den permanenten FG zeigt, dass eine Zuordnung zu den

bestehenden LAWA-Typen nicht möglich ist und tFG als eigener Typ definiert werden müssen. Wir

gehen davon aus, dass eine direkte Berücksichtigung der Austrocknungsparameter gemäß NUA (2000)

dies noch deutlicher zeigen würde. Der Datensatz der natürlichen tFG umfasst Gewässerabschnitte, die

mit unterschiedlicher Intensität und Regelmäßigkeit trockenfallen. Selten und nicht vollkommen

austrocknende Gewässer weisen voraussichtlich eine höhere Ähnlichkeit mit permanenten

Fließgewässern auf. Eine Unterteilung der tFG in Subtypen, wie beispielsweise unregelmäßig

trockenfallende Karstgewässer und regelmäßig trockenfallende Oberläufe, ist zu überprüfen, sobald

ergänzende Daten zu tFG vorliegen (Austrocknungsparameter, Ausschluss überlagernder

anthropogener Belastungsfaktoren).

Für die weiteren Untersuchungen behandeln wir die natürlichen tFG als einen Gewässertyp, der

Gewässer des Tieflandes, des Mittelgebirges und der Voralpen umfasst.

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17

4 Bekannte tFG-Besiedler

4.1 Hintergrund

Als Lebensraum stellen tFG hohe Ansprüche an die besiedelnde Fauna und Flora. Mit zunehmender

Austrocknung kommt es zu einer Fragmentierung und im äußersten Fall zu einem völligen

Verschwinden der aquatischen Habitate. Hoch variable Faktoren wie die Niederschlagshäufigkeit und

das Jahresklima bestimmen den Zeitraum und Grad der Austrocknung mit. Spezielle Anpassungen und

Strategien ermöglichen es Arten des Makrozoobenthos sich auf diese räumliche und zeitliche

Variabilität einzustellen:

Imaginal-Diapause, Larvale Diapause

Quieszenz / Diapause der Eier, Puppen

Multivoltine Generationsfolge

Flexibler Lebenszyklus, z.B. durch beschleunigte Larvalentwicklung, Emergenz

Hohe Ausbreitungsfähigkeit

Anpassung an wechselnde Strömungsverhältnisse durch aktive Ventilation, Abdriftresistenzen

Überdauerung in Restwasserpools oder feuchten Refugien z.B. unter Steinen und Holz oder im

Interstitial

Aus der Literatur und frei zugänglichen Datenbanken sind viele Arten mit speziellen Anpassungen an

tFG bekannt (BAL 2010, NUA 2000, freshwaterecology.info, u.a.). In Anhang I sind basierend auf

Literatur und Expertenwissen bekannte Besiedler trockenfallender Gewässer zusammengefasst. Das

Vorkommen vieler Arten ist nicht auf tFG begrenzt. Sie können auch in naturnahen Bächen und

Quellbereichen auftreten (wie z.B. Plectrocnemia conspersa conspersa oder Cordulegaster boltonii)

oder in urban überprägten Gewässern wie Ironoquia dubia. Während also nicht alle Arten spezifisch

in tFG auftreten, gehen wir davon aus, dass das gleichzeitige Auftreten mehrer Arten mit

entsprechenden Anpassungsstrategien zeitweises Trockenfallen und die Qualität des

Gewässerabschnitts indizieren können. Folgende Fragen wurden untersucht:

(1) Welche Arten eignen sich für die Entwicklung eines Bewertungsindex für tFG?

(2) Können anthropogene tFG Ersatzhabitate für Besiedler trockenfallender Gewässer bieten?

(3) Haben tFG einen Einfluss auf unterhalb gelegene Gewässerabschnitte?

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18

4.2 Methodik

Für die Fragen (1) und (2) wurde die Stetigkeit der Arten in natürlichen tFG, anthropogenen tFG und

pFG (mit Zustandsklasse mäßig und besser, siehe Kapitel 2.3) verglichen. Die Stetigkeit ist der

prozentuale Anteil des Vorkommens an der Gesamtzahl der Probenahmen. Es wurde nur eine

Probenahme je Messstelle im Zeitraum Februar bis Juni herangezogen.

Weiterhin wurde untersucht, ob diese Arten auch mit höherer Stetigkeit in pFG auftreten, die von tFG

Abschnitten flussaufwärts beeinflusst sind. Die Aussagekraft der Ergebnisse zu den potentiell

beeinflussten pFG ist aufgrund des kleinen Datensatzes begrenzt. Zudem sind hier Gewässer mit

natürlicher und anthropogener Ursache für das Trockenfallen oberhalb zusammengefasst. Angaben zur

Entfernung des trockenfallenden Abschnitts lagen nur vereinzelt vor.

4.3 Ergebnisse und Schlussfolgerung

Arten für einen tFG-Index

Von den 70 Arten, die im Vorfeld als bekannte tFG-Besiedler identifiziert wurden (Anhang I), traten

50 im Datensatz der natürlichen tFG auf und 51 im Datensatz der naturnahen pFG (Tabelle 8).

Insgesamt 31 Arten weisen die höchste Stetigkeit in natürlichen tFG auf. Diese Arten werden im

Folgenden für die Entwicklung des tFG-Index herangezogen (Tabelle 9). Zwanzig Arten konnten in

den natürlichen tFG nicht nachgewiesen werden. Ursachen können die Beprobungsmethode

(beispielsweise werden Holzbesiedler wie Lipsothrix sp. selten erfasst) oder der Umfang des

Datensatzes sein, bzw. die Tatsache, dass naturnahe Quellläufe im Rahmen des WRRL-Monitorings

kaum beprobt werden. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass auch zahlreiche Arten,

die in den Fauna-Indices für die permanenten Gewässer berücksichtigt sind, in den Monitoring-Daten

der Bundesländer nicht oder nur ganz selten auftauchen (Dahm et al. 2014).

Am häufigsten tritt in allen Datensätzen Gammarus pulex (50 % der Probenahmen in natürlichen tFG)

auf, der während der Fließphase aus angrenzenden Gewässerabschnitten einwandert. Plectrocnemia

conspersa conspersa (38 %) ist ein häufiger Vertreter kleiner bis mittelgroßer Fließgewässer. Die

Überdauerung in tFG erfolg durch Quiesenz der Larve und der Rückzug in feuchte Refugien. Während

diese Arten nicht auf tFG beschränkt sind, sind beispielsweise die Köcherfliege Micropterna lateralis

(13 %) die Eintagsfliege Metreletus balcanicus (13 %) oder die Köcherfliege Oligostomis reticulata

(9 %) fast ausschließlich in natürlichen tFG zu finden.

Anthropogene tFG

In anthropogenen tFG traten 26 Arten der bekannten tFG-Besiedler auf, häufig mit geringer Stetigkeit;

dies verdeutlicht, dass Gewässer, die aufgrund von anthropogener Steuerung des Abflusses

trockenfallen, nur begrenzt als Ersatzhabitate für Arten natürlicher tFGs geeignet sind. Eine zusätzlich

durchgeführte Stetigkeitsanalyse der Gesamtfauna der anthropogenen tFG (Daten nicht in Bericht)

zeigt einen hohen Anteil von Schlammbesiedlern und euryöken Arten, während Gütezeiger

größtenteils fehlen. Es treten viele Arten auf, die Trockenperioden in der Regel nicht überdauern

können.

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19

Einige wenige Arten konnten als Anzeiger für Trockenfallen identifiziert werden (Vergleiche Tabelle

8). Dazu gehören Glyphotaelius pellucidus, Ironoquia dubia, Lithax obscurus oder Micropterna

lateralis/sequax. Die Fauna der Gewässerabschnitte, an denen mehrere dieser Arten auftreten, ist

voraussichtlich trotz des anthropogenen Einflusses der Fauna natürlicher tFG ähnlich.

Der Projekt-begleitende Beirat äußerte den Wunsch nach einem Index, der eine Identifizierung von

anthropogen bedingten tFG auf Grundlage der auftretenden Fauna ermöglicht. Dies ist unserer

Einschätzung nach zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, da das Fehlen von an permanente

Wasserführung angewiesene Arten oder das häufige Vorkommen beispielsweise von Pelal-Besiedlern

kein eindeutiger Hinweis auf Austrocknung sind, sondern durch andere Belastungsfaktoren bedingt

sein können. Ergibt die Gewässerbewertung bei diesen Gewässern ein schlechtes Ergebnis besteht

Handlungsbedarf, der nach Ursachenforschung am Gewässer oder auf Grundlage von Umweltdaten

(z.B. Hydrologie, Niederschlags- oder Abflussdaten) definiert werden muss.

Von tFG beeinflusste permanente Gewässer

In den potenziell von tFG beeinflussten pFG wurden 29 Arten nachgewiesen, 18 davon gehören zu

den Arten die primär in natürlichen oder anthropogenen tFG zu finden sind. Hiervon ist die Stetigkeit

von beispielsweise Glyphotaelius pellucidus (19 %), Nemoura cinerea cinerea (17 %) und Ironoquia

dubia (17 %) erhöht, während andere Arten eine vergleichbare oder geringere Stetigkeit als in anderen

permanenten FG aufweisen (Brachyptera risi – 10 %, Micropterna sequax – 2 %). Ein Einfluss von

trockenfallenden Abschnitten auf pFG ist von daher bei räumlicher Nähe anzunehmen. Das

Vorkommen der angepassten Arten kann auf Drift aus dem Oberlauf zurückzuführen sein.

Wie im Fall der anthropogenen tFG gibt es anhand der Datengrundlage keine Indizien zur Degradation

der permanenten Abschnitte durch tFG, da die Degradation durch verschiedene Belastungsfaktoren

ausgelöst werden kann. Zur genaueren Untersuchung der Frage wären Beprobungsdaten der tFG

oberhalb nötig, genaue Angaben zur Entfernung, und Informationen zu weiteren auf die Abschnitte

wirkenden Einflüsse. Wenn anhand der Fauna der Verdacht besteht, das ein Gewässerabschnitt durch

tFG beeinflusst sein kann, wird empfohlen oberhalb gelegene Strecken dahingehend zu untersuchen.

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20

Tabelle 8: Stetigkeit [%] bekannter Besiedler trockenfallender Gewässer. Der höchste Wert im Vergleich der Datensätze ist orange markiert. Sortierung nach absteigender Stetigkeit in

natürlichen tFG. N=Anzahl der berücksichtigten Messstellen.

ID_ART Taxon Ordnung

Stetigkeit [%]

tFG natürlich

N=130

pFG

N=679

tFG anthropogen

N=125

tFG_Einfluss

N=42

5291 Gammarus pulex Amphipoda 50,00 52,43 69,60 80,95

6444 Plectrocnemia conspersa conspersa Trichoptera 37,69 12,22 9,60 38,10

8691 Asellus aquaticus Isopoda 33,08 39,32 59,20 52,38

5318 Glyphotaelius pellucidus Trichoptera 28,46 2,95 13,60 19,05

6095 Nemoura cinerea cinerea Plecoptera 25,38 4,57 6,40 16,67

4487 Brachyptera risi Plecoptera 22,31 7,95 0,80 9,52

5288 Gammarus fossarum Amphipoda 16,15 38,00 16,00 11,90

6911 Stenophylax permistus Trichoptera 16,15 0,15 1,60 2,38

4740 Cordulegaster boltonii Odonata 15,38 3,09 6,40 4,76

4628 Chaetopteryx villosa villosa Trichoptera 13,85 20,62 6,40 16,67

5972 Metreletus balcanicus Ephemeroptera 13,08 0,29 0,00 0,00

6021 Micropterna lateralis Trichoptera 13,08 0,44 0,80 0,00

5657 Ironoquia dubia Trichoptera 12,31 2,21 13,60 16,67

8850 Centroptilum luteolum Ephemeroptera 12,31 15,17 4,00 7,14

6023 Micropterna sequax Trichoptera 11,54 0,74 1,60 2,38

6309 Paraleptophlebia submarginata Ephemeroptera 9,23 18,41 2,40 14,29

6185 Oligostomis reticulata Trichoptera 9,23 0,29 0,00 4,76

5369 Habrophlebia fusca Ephemeroptera 9,23 5,60 12,00 2,38

6113 Nemurella pictetii Plecoptera 9,23 2,50 1,60 0,00

4549 Capnia bifrons Plecoptera 9,23 0,15 0,00 0,00

4409 Baetis muticus Ephemeroptera 8,46 14,73 0,00 9,52

6022 Micropterna nycterobia Trichoptera 7,69 0,74 0,00 9,52

5131 Serratella ignita Ephemeroptera 7,69 29,01 0,80 4,76

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ID_ART Taxon Ordnung

Stetigkeit [%]

tFG natürlich

N=130

pFG

N=679

tFG anthropogen

N=125

tFG_Einfluss

N=42

5779 Leuctra nigra Plecoptera 7,69 1,03 0,00 0,00

6859 Siphlonurus aestivalis Ephemeroptera 6,92 0,44 0,80 0,00

5894 Lithax obscurus Trichoptera 6,15 1,47 2,40 9,52

4705 Cloeon dipterum Ephemeroptera 6,15 3,98 8,00 7,14

5370 Habrophlebia lauta Ephemeroptera 6,15 16,49 0,00 0,00

4294 Amphinemura standfussi Plecoptera 5,38 0,74 0,00 0,00

6833 Silo nigricornis Trichoptera 4,62 12,22 4,80 14,29

4251 Agapetus fuscipes Trichoptera 4,62 3,83 1,60 9,52

4441 Beraea pullata Trichoptera 4,62 0,15 0,00 0,00

5084 Electrogena ujhelyii Ephemeroptera 3,85 2,21 0,00 4,76

6524 Potamophylax nigricornis Trichoptera 3,85 0,29 0,00 2,38

6523 Potamophylax luctuosus luctuosus Trichoptera 3,08 0,74 0,00 7,14

5667 Isoperla grammatica Plecoptera 3,08 3,24 0,00 4,76

6097 Nemoura flexuosa Plecoptera 3,08 1,62 0,00 2,38

6817 Sericostoma personatum Trichoptera 3,08 5,45 0,00 0,00

6954 Synagapetus iridipennis Trichoptera 2,31 0,00 0,00 0,00

7194 Enoicyla pusilla Trichoptera 2,31 0,00 0,00 0,00

4381 Baetis alpinus Ephemeroptera 1,54 3,09 0,00 0,00

6861 Siphlonurus armatus Ephemeroptera 1,54 0,44 0,00 0,00

6956 Synagapetus moselyi Trichoptera 1,54 0,00 0,00 0,00

4488 Brachyptera seticornis Plecoptera 0,77 1,77 0,00 4,76

13411 Lipsothrix sp. Diptera 0,77 0,29 0,00 0,00

6863 Siphlonurus lacustris Ephemeroptera 0,77 0,29 0,00 0,00

5751 Leuctra braueri Plecoptera 0,77 0,00 0,00 0,00

5780 Leuctra prima Plecoptera 0,77 0,00 0,80 0,00

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22

ID_ART Taxon Ordnung

Stetigkeit [%]

tFG natürlich

N=130

pFG

N=679

tFG anthropogen

N=125

tFG_Einfluss

N=42

6445 Plectrocnemia geniculata geniculata Trichoptera 0,77 1,03 0,80 0,00

5116 Enoicyla reichenbachi Trichoptera 0,77 0,00 0,00 0,00

13406 Lipsothrix ecucullata Diptera 0,00 0,00 0,00 0,00

13407 Lipsothrix errans Diptera 0,00 0,00 0,00 0,00

13408 Lipsothrix nervosa Diptera 0,00 0,00 0,00 0,00

13409 Lipsothrix nobilis Diptera 0,00 0,00 0,00 0,00

13410 Lipsothrix remota Diptera 0,00 0,00 0,00 0,00

4288 Ameletus inopinatus Ephemeroptera 0,00 0,15 0,00 0,00

4408 Baetis melanonyx Ephemeroptera 0,00 1,33 0,80 0,00

6310 Paraleptophlebia werneri Ephemeroptera 0,00 0,00 0,00 0,00

7410 Cordulegaster bidentata Odonata 0,00 0,59 0,00 0,00

6614 Protonemura praecox praecox Plecoptera 0,00 0,00 0,00 0,00

7166 Wormaldia occipitalis-Gruppe Trichoptera 0,00 0,00 0,00 0,00

4211 Adicella filicornis Trichoptera 0,00 0,00 0,00 0,00

4440 Beraea maurus Trichoptera 0,00 0,00 0,00 0,00

4817 Crunoecia irrorata irrorata Trichoptera 0,00 0,15 0,00 0,00

5154 Ernodes articularis Trichoptera 0,00 0,00 0,00 0,00

6278 Parachiona picicornis Trichoptera 0,00 0,00 0,00 0,00

6665 Ptilocolepus granulatus granulatus Trichoptera 0,00 0,00 0,00 0,00

4624 Chaetopteryx major Trichoptera 0,00 0,29 0,00 0,00

5499 Hydatophylax infumatus Trichoptera 0,00 0,44 0,00 0,00

5596 Hydropsyche fulvipes Trichoptera 0,00 0,29 0,00 0,00

Page 30: Erarbeitung von Grundlagen für eine Verfahrenserweiterung ... · Abbildung 9: Verteilung der Werte des tFG-Index und der Klassen des neuen MMI entlang der Gradienten der Einzugsgebietsgröße

23

Tabelle 9: Ausgewählte tFG-Besiedler für die Entwicklung des tFG-Index. N=Anzahl der Messstellen.

ID_ART Taxon Ordnung

Stetigkeit

tFG natürlich

N = 130

6444 Plectrocnemia conspersa conspersa Trichoptera 37,69

5318 Glyphotaelius pellucidus Trichoptera 28,46

6095 Nemoura cinerea cinerea Plecoptera 25,38

4487 Brachyptera risi Plecoptera 22,31

6911 Stenophylax permistus Trichoptera 16,15

4740 Cordulegaster boltonii Odonata 15,38

5972 Metreletus balcanicus Ephemeroptera 13,08

6021 Micropterna lateralis Trichoptera 13,08

6023 Micropterna sequax Trichoptera 11,54

6113 Nemurella pictetii Plecoptera 9,23

4549 Capnia bifrons Plecoptera 9,23

6185 Oligostomis reticulata Trichoptera 9,23

5779 Leuctra nigra Plecoptera 7,69

6022 Micropterna nycterobia Trichoptera 7,69

6859 Siphlonurus aestivalis Ephemeroptera 6,92

5894 Lithax obscurus Trichoptera 6,15

4294 Amphinemura standfussi Plecoptera 5,38

4251 Agapetus fuscipes Trichoptera 4,62

4441 Beraea pullata Trichoptera 4,62

5084 Electrogena ujhelyii Ephemeroptera 3,85

6524 Potamophylax nigricornis Trichoptera 3,85

6097 Nemoura flexuosa Plecoptera 3,08

6523 Potamophylax luctuosus luctuosus Trichoptera 3,08

6954 Synagapetus iridipennis Trichoptera 2,31

7194 Enoicyla pusilla Trichoptera 2,31

6861 Siphlonurus armatus Ephemeroptera 1,54

6956 Synagapetus moselyi Trichoptera 1,54

6863 Siphlonurus lacustris Ephemeroptera 0,77

5751 Leuctra braueri Plecoptera 0,77

5116 Enoicyla reichenbachi Trichoptera 0,77

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24

5 Index für die Identifizierung von tFG

5.1 Entwicklung des tFG-Index

Basierend auf dem Vorkommen typischer tFG-Besiedler wurde ein Index zur Identifizierung und

Bewertung von tFG entwickelt. Das Vorkommen dieser, meist sensitiver, Arten lässt auf gute

strukturelle und Gewässer-chemische Bedingungen schließen. Viele dieser Arten besiedeln auch

permanente Fließgewässer, das gleichzeitige Auftreten mehrerer Arten kann jedoch Hinweise auf

Trockenfallen und die Qualität des Gewässerabschnitts geben. Die Auswahl der Arten erfolgte in

Kapitel 4 (Tabelle 9).

Der Index basiert auf der Häufigkeit der Arten in einer Probenahme. Hierzu wurden Boxplots der

Anzahl der ausgewählten tFG-Besiedler (Tabelle 9) erstellt um eine Übersicht über die Verteilung in

den Datensätzen zu erhalten (Abbildung 6).

Abbildung 6: Vergleich der Anzahl ausgewählter tFG-Arten (Tabelle 9) in pFG, natürlichen und anthropogenen tFG.

Die Summe der Arten in natürlichen tFG reicht von 0 bis 11 Arten (Median = 2), in anthropogenen

tFG von 0 bis 4 (Median = 0) und in permanenten Fließgewässern von 0 bis 5 (Median = 0). An 42

Messstellen (38 %) der natürlichen tFG treten über zwei Arten auf, gegenüber 9 Messstellen (7 %) der

anthropogenen tFG und 26 Messstellen (4 %) der pFG.

Niedrige Werte (0-2) in natürlichen tFG können durch seltenes bzw. unregelmäßiges

Trockenfallenbedingt sein, wodurch die Fauna der von permanenten Gewässern ähnelt. Andere

Faktoren, wie beispielsweise eine beeinträchtigte Wasserqualität, können weitere Gründe sein. Zeigt

der Index diese Werte an, kann nicht zwischen einem permanenten Gewässer, einem selten

trockenfallenden oder beeinträchtigten Gewässer differenziert werden. Der tFG-Index wird gemäß

Tabelle 10 klassifiziert.

Page 32: Erarbeitung von Grundlagen für eine Verfahrenserweiterung ... · Abbildung 9: Verteilung der Werte des tFG-Index und der Klassen des neuen MMI entlang der Gradienten der Einzugsgebietsgröße

25

Tabelle 10: Klassifizierung des tFG-Index zur Identifizierung von trockenfallenden Gewässerabschnitten.

tFG-Index

Anzahl tFG-Arten Beschreibung

0 - 2 Kein Hinweis auf Trockenfallen.

3 – 5 Gewässer möglicherweise trockenfallend oder von trockenfallendem

Abschnitt oberhalb beeinflusst

6 - 8 Gewässer wahrscheinlich trockenfallend oder von trockenfallendem

Abschnitt oberhalb beeinflusst

> 8 Gewässer mit hoher Wahrscheinlichkeit trockenfallend.

5.2 Überprüfung des tFG-Index

Die 26 Messstellen der pFG, die erhöhte tFG-Index-Werte aufweisen (Werte 3 - 5), wurden an

Datenmelder aus den Bundesländern Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen,

Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern übermittelt, um erneut zu prüfen, ob es Hinweise auf

zeitweises Trockenfallen, niedrige Wasserstände oder einen Einfluss von tFG oberhalb gibt. 23

Messstellen konnten entsprechend klassifiziert werden, von denen vier nachträglich als tFG bestätigt

wurden und für sieben ein mögliches Trockenfallen bzw. ein Einfluss von oberhalb oder aus

nahegelegenen trockenfallenden Gräben als möglich erachtet wurde.

An den übrigen Messstellen gibt es zum jetzigen Zeitpunkt keine Hinweise auf temporäre

Austrocknung. Sechs dieser Messstellen befinden sich an Tieflandgewässern im Fläming in Sachsen-

Anhalt. tFG-Arten, die hier in verschiedener Kombination auftreten, sind Agapetus fuscipes,

Amphinemura standfussi, Cordulegaster boltonii, Glyphotaelius pellucidus, Nemoura cinerea cinerea,

Nemoura flexuosa, Nemurella pictetii, Oligostomis reticulata und Plectrocnemia conspersa conspersa.

In diesem Fall ist das Auftreten mehrerer dieser anspruchsvollen Arten vermutlich auf die Naturnähe

der Gewässer zurückzuführen. Somit müssen bei niedrigen Werten des tFG-Index zur Identifizierung

von tFG immer noch weitere Faktoren (wie hydrologische Daten) berücksichtigt werden oder das

Gewässer zu verschiedenen Jahreszeiten begangen werden.

Page 33: Erarbeitung von Grundlagen für eine Verfahrenserweiterung ... · Abbildung 9: Verteilung der Werte des tFG-Index und der Klassen des neuen MMI entlang der Gradienten der Einzugsgebietsgröße

26

6 Probenahmezeitraum

Die bekannten tFG-Arten treten mit größter Häufigkeit zwischen Februar und Juni auf (Abbildung 7),

die Arten des tFG-Index zwischen Februar und April (Abbildung 8), wobei nur wenige Probenahmen

aus dem Februar vorlagen. Wie auch bei permanenten Fließgewässern ist der optimale Zeitpunkt

abhängig von der Länge des vorangegangenen Winters und den aktuellen Witterungsbedingungen.

Wird die Beprobung zu früh durchgeführt, sind die Larven für die Bestimmung zu klein, wird sie zu

spät durchgeführt, haben einige Arten das Gewässer bereits verlassen. Der von den

Niederschlagsbedingungen abhängige Zeitraum des Trockenfallens erschwert die Wahl des richtigen

Probenahmezeitpunkts zusätzlich. Wir schließen uns der Empfehlung von BAL (2010) an, die

Beprobung von tFG in der wasserführenden Phase zwischen März und April durchzuführen.

Möglicherweise wäre eine zusätzliche optionale Frühbeprobung zwischen Januar und Februar zur

Erfassung früh emergierender Steinfliegen (z.B. Capnia sp.) sinnvoll.

Abbildung 7: Anzahl der bekannten tFG-Besiedler in natürlichen tFG (Tabelle 8) je Monat. n= Anzahl der

Probenahmen. Berücksichtigung aller Probenahmen je Messstelle.

Page 34: Erarbeitung von Grundlagen für eine Verfahrenserweiterung ... · Abbildung 9: Verteilung der Werte des tFG-Index und der Klassen des neuen MMI entlang der Gradienten der Einzugsgebietsgröße

27

Abbildung 8: Anzahl der für den tFG-Index ausgewählten Arten in natürlichen tFG (Tabelle 9) je Monat. n= Anzahl

der Probenahmen. Berücksichtigung aller Probenahmen je Messstelle.

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28

7 Entwicklung des Bewertungssystems für tFG

7.1 Bekannte Konzepte

Neben der Untersuchung der Typologie und Fauna von tFG hatte das Projekt zum Ziel, ein schlankes

Bewertungssystem für tFG, angelehnt an das System für permanente Fließgewässer, zu entwickeln.

Bekannte Konzepte stammen zum einen von BAL (2010), deren Auswertung sich schwerpunktmäßig

auf sommertrockene Gewässer über verkarstungsfähigem Festgestein (Typ 8) im Flechtinger

Höhenzug in Sachsen-Anhalt konzentriert, und aus dem Projekt DYNAKLIM (Müller-Peddinghaus et

al. 2013), welches sommertrockene Gewässer im Emscher-Lippe-Raum (Nordrhein-Westfalen)

betrachtet, die aufgrund eines schwebenden Grundwasserhorizonts trockenfallen. Beide Konzepte

folgten dem Vorgehen zur Entwicklung der Bewertungssysteme für permanente Fließgewässer

(Hering et al. 2006). Die Auswahl der Core Metrics für die Berechnung des Multimetrischen Index

(MMI) des Moduls „Allgemeine Degradation“ erfolgte durch Korrelation mit Umweltvariablen

(Müller-Peddinghaus et al. 2013) bzw. durch Extrapolation und Experteneinschätzung (BAL 2010).

Tabelle 11: Ausgewählte Core Metrics für das Modul “Allgemeine Degradation” in den genannten Projekten.

Core Metrics für die Bewertung des Typ 8

„Trockenfallende Gewässer über Festgestein“

(BAL 2010)

Core Metrics für die Bewertung

sommertrockener Gewässer des Tieflandes

(Müller-Peddinghaus et al. 2013)

Fauna Index Typ 8 [%] Plecoptera

[%] EPT [%] Passive Filtrierer

[%] Akal – Lithal - Besiedler Anzahl Trichoptera Arten

EPT/Diptera

BAL (2010) definierte einen neuen Fauna Index für den neuen Typ 8 „Sommertrockene Bäche über

Festgestein“. Die Verwendung eines Fauna Index für tFG ist dadurch eingeschränkt, dass typische

Störanzeiger permanenter Gewässer in tFG besonders gegen Ende der Fließperiode natürlicherweise

auftreten und keine Hinweise auf Degradation der Gewässerstruktur geben. Damit wurden nur

wenigen Arten der Indikatorwert „-1“ oder „-2“ zugewiesen.

Ziel der folgenden Auswertungen war es, die Bewertungsansätze, die auf regionalen Datensätzen

beruhen, mit dem Deutschland-weiten Datensatz zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Neben der

Entwicklung eines tFG-Index zur Identifizierung und Bewertung umfasste dies die Entwicklung eines

neuen MMIs, die Überprüfung des Moduls Saprobie und die Definition des optimalen

Probenahmezeitraums. Wir folgten hier ebenfalls dem Vorgehen von Hering et al. (2006) für

permanente Fließgewässer.

7.2 Entwicklung eines Multimetrischen Index für tFG

Der Multimetrische Index (MMI) des Moduls „Allgemeine Degradation“ des Bewertungssystem

PERLODES für die Bewertung auf Grundlage des Makrozoobenthos berechnet sich auf Grundlage

von gewässertypspezifischen Core Metrics. Für die Auswahl der Core Metrics für den Typ tFG

wurden zunächst mit der Bewertungssoftware ASTERICS Version 4.0.4 Metrics und

Bewertungsergebnisse berechnet. Anhand der Spearman Rang Korrelation (STATISTICA 10) wurde

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29

überprüft, welche Metrics eine hohe Korrelation mit dem Landnutzungsindex und dem Anteil

Wald [%] entlang des Gewässers (bis 2.500 m oberhalb) aufweisen.

In Tabelle 13 sind alle signifikanten Korrelationen mit r > 0.45 bzw. r < -0,45 aufgeführt. Die

höchsten Korrelationen weisen die Metrics „prozentuale Anteil Steinfliegen an der Gesamtbesiedlung“

([%] Plecoptera), „Taxazahl der Steinfliegen“ (Plecoptera) und der tFG-Index auf. Weiterhin reagiert

der Deutsche Fauna Index (DFI) für verschiedene kleine Gewässertypen und der „prozentuale Anteil

der Eintags-, Stein- und Köcherfliegen an der Gesamtbesiedlung“ ([%] EPT) auf die

Landnutzungsintensität entlang der Gewässer. Die Metrics sind teilweise stark miteinander korreliert.

Ausschlaggebend für die Auswahl der Core Metrics für tFG war eine hohe Korrelation (r > 0,45 bzw.

r < -0,45) mit den Umweltvariablen und eine geringe Korrelation zwischen den Metrics (r < 0,45).

Ausgewählt für die Berechnung des MMI wurde der tFG Index und der Metric [%] EPT. Während der

tFG-Index die speziell angepasste Fauna der tFG berücksichtigt, weist der Metric [%] EPT auf

organische Belastung und Degradation der Gewässermorphologie hin. Die beiden Metrics folgen den

WRRL-Vorgaben in Bezug auf „Taxonomische Zusammensetzung“, „Verhältnis sensitive/insensitive

Taxa“ und „Diveristät“. Funktionale Metrics (z.B. Ernährungstypen, Strömungstypen) sind stark vom

zum Zeitpunkt der Probenahme auftretenden Wasserstand bzw. den Strömungsverhältnissen

beeinflusst und weisen daher keine hohe Korrelation mit den Umweltvariablen auf.

Für die MMI-Berechnung wurden im nächsten Schritt für die ausgewählten Metrics Ankerpunkte

definiert und die Werte zwischen 0 und 1 skaliert (Hering et al. 2006). Der obere Ankerpunkt

entspricht nach Definition dem höchsten Metricwert unter Referenzbedingungen, der untere

Ankerpunkt entsprechend dem niedrigsten Metricwert in degradierten Gewässern. Da hohe tFG-Index-

Werte nur in kleinen Bächen auftreten (siehe Kapitel 7.5), wurde der obere Ankerpunkt entsprechend

gesenkt. Die oberen Ankerpunkte des Metric [%] EPT sind für permanente Bachtypen folgendermaßen

gesetzt: 70 – 80 % (Alpen/Voralpen), 60 – 70 % (Mittelgebirge) und 60 % (Tiefland)

(www.fliessgewässerbewertung.de). Unter der Berücksichtigung, dass einige EPT-Arten sich in

trockenfallenden Gewässern nicht etablieren können, wurde der obere Ankerpunkt für tFG, der

Empfehlung von BAL (2010) folgend, auf 45 % gesenkt.

Tabelle 12: Maxima/Minima und Ankerpunkte der ausgewählten Metrics.

Metric Maximalwert Minimalwert Oberer Ankerpunt Unterer Ankerpunkt

tFG-Index 11 0 6 0

[%] EPT 98 0 45 0

Die skalierten Metricergebnisse berechnen sich gemäß folgender Formel:

Der MMI berechnet sich durch Mittelwertbildung der skalierten Metricergebnisse im Verhältnis 1:1.

Die Grenzen der Qualitätsklassen des Moduls „Allgemeine Degradation“ sind analog Hering et al.

(2006) wie folgt:

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30

Sehr gut ≥ 0,8

Gut ≥ 0,6 < 0,8

Mäßig ≥ 0,4 < 0,6

Unbefriedigend ≥ 0,2 < 0

Schlecht < 0,2

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31

Tabelle 13: Korrelationsmatrix der mit den prozentualen Waldanteil und dem Landnutzungsindex (LUI) hochkorrelierten Metrics (Spearman Rang Korrelation). Alle R-Werte

signifikant mit p < 0,05. DFI = Deutscher Fauna Index; E = Ephemeroptera, P = Plecoptera, T = Trichoptera. LUI und Waldanteil beziehen sich auf einen 100 m x 2.500 m langen

Streifen entlang des Gewässers oberhalb der Messstelle.

Wald

[%] LUI Plecoptera [%] Plecoptera tFG-Index

DFI

4 / 5 EP [%]

DFI

1 EPT-Taxa [%]

DFI

3 Plecoptera

DFI

2

Plecoptera [%] 0,71 -0,65 1,00 0,95 0,71 0,65 0,85 0,61 0,76 0,54 0,73 0,43

Plecoptera

(Abundanz) 0,67 -0,61 0,95 1,00 0,75 0,66 0,77 0,60 0,65 0,51 0,72 0,44

tFG-Index 0,66 -0,64 0,71 0,75 1,00 0,56 0,48 0,54 0,41 0,44 0,64 0,43

DFI 4 / 5 0,61 -0,59 0,65 0,66 0,56 1,00 0,58 0,72 0,49 0,60 0,52 0,28

EP [%] 0,54 -0,50 0,85 0,77 0,48 0,58 1,00 0,59 0,89 0,48 0,65 0,29

DFI 1 0,52 -0,51 0,61 0,60 0,54 0,72 0,59 1,00 0,48 0,74 0,56 0,32

EPT-Taxa [%] 0,49 -0,47 0,76 0,65 0,41 0,49 0,89 0,48 1,00 0,37 0,63 0,20

DFI 3 0,48 -0,51 0,54 0,51 0,44 0,60 0,48 0,74 0,37 1,00 0,48 0,31

Plecoptera

(Anzahl Taxa) 0,47 -0,47 0,73 0,72 0,64 0,52 0,65 0,56 0,63 0,48 1,00 0,26

DFI 2 0,46 -0,46 0,43 0,44 0,43 0,28 0,29 0,32 0,20 0,31 0,26 1,00

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32

7.3 Vergleich mit bestehendem typspezifischem MMI

Die Ergebnisse des neuen MMI für tFG wurden mit den Ergebnissen des MMI für pFG (nur gesicherte

Ergebnisse des Moduls Allgemeine Degradation) verglichen.

Für 41 % der natürlichen tFG führt der tFG-MMI zu einer Verbesserung der Qualitätsklasse, für 19 %

zu einer Verschlechterung. Es sind dabei keine relevanten Unterschiede zwischen tFG des Tieflands

oder Mittelgebirges zu beobachten.

Bei anthropogenen tFG führt der tFG-MMI bei 10 % zu einer Verbesserung, während 50 % der

anthropogenen tFG ein schlechteres Ergebnis aufweisen. Wie die Auswertungen zeigten, bieten

Gewässer mit anthropogen gesteuertem Abfluss in der Regel keinen Lebensraum für sensitive, an

natürliches trockenfallen angepasste Arten. Hier ist die Bewertung nach dem bestehenden

Bewertungssystem für permanente Fließgewässer zu bevorzugen. Aus der Störung des Abflusses

ergibt sich der entsprechende Handlungsbedarf.

Tabelle 14: Änderung des MMI-Ergebnisses bei Anwendung des neuen MMI für tFG;„+“ = Verbesserung,

„=“ = gleichbleibend,„-“ = Verschlechterung.

Natürliche tFG [%] Anthropogene tFG [%]

+ 41 10

= 41 40

- 19 50

7.4 Modul Saprobie

Der Deutsche Saprobienindex ist ein Core Metric des Bewertungssystems PERLODES. Durch

Abbauprozesse sinkt bei organischer Belastung des Gewässers der Sauerstoffgehalt und die

Artengemeinschaft verschiebt sich zu Arten, die diesen Mangel tolerieren können. Die Berechnung

basiert auf dem Saprobiewert und der Häufigkeit von definierten Indikatortaxa. Die Klassengrenzen

für die Ableitung der 5-stufigen Gewässergüteklassen im Modul Saprobie sind typspezifisch, da der

saprobielle Grundzustand zwischen den LAWA Gewässertypen unterschiedlich ist

(www.fliessgewaesserbewertung.de).

Die Ergebnisse des Moduls könnten durch geringere Taxazahlen bzw. einen erhöhten Anteil

Sauerstoffmangel-tolerierender Arten in tFG beeinträchtigt sein.

Ein Vergleich zwischen ausgewählten LAWA-Typen und natürlichen und anthropogen bedingten tFG

zeigt, dass die empfohlene Summe der Abundanzklasse ≥ 20 je Probenahme in tFG in ca. 25 % der

Fälle unterschritten wird, gegenüber maximal 14 % in permanenten Gewässern. Somit kommt es in

tFG häufiger zu nicht verlässlichen Ergebnissen des Moduls Saprobie; diese Fälle werden von der

Bewertungs-Software jedoch angezeigt. In 75 % (natürliche tFG) bzw. 74 % (anthropogene tFG) ist

eine Anwendung des Moduls Saprobie in Hinblick auf die Abundanzsumme möglich (Tabelle 15).

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33

Tabelle 15: Vergleich des prozentualen Anteils der Probenahmen, die die minimale Summe der Abundanzklassen für

die Berechnung des Moduls Saprobie erreichen.

Typus Anzahl Probenahmen Summe der Abundanzklassen ≥ 20

tFG natürlich 145 75 %

tFG anthropogen 140 74 %

LAWA Typ 05 permanent 2331 96 %

LAWA Typ 07 permanent 524 95 %

LAWA Typ 09 permanent 347 98 %

LAWA Typ 14 permanent 1075 79 %

LAWA Typ 16 permanent 932 87 %

LAWA Typ 18 permanent 172 86 %

Weiterhin wurde überprüft, ob das Modul Saprobie bei Anwendung für tFG tatsächlich verstärkt zu

einer Verschlechterung der ökologischen Zustandsklasse führt. Die Berechnung der

Bewertungsergebnisse von 371 Probenahmen an natürlichen und anthropogenen tFG, sowie von tFG

mit unbekannter Ursache, ergab, dass das Moduls Saprobie nur in 26 Fällen zu einer Verschlechterung

der Ökologischen Zustandsklasse führte, jeweils von einer „sehr guten“ zu einer „guten“ Einstufung,

in einem Fall von „sehr gut“ zu „mäßig“.

Sofern die Probenahme nicht in der Austrocknungsphase erfolgt, führt das Modul Saprobie daher nicht

zu einer Verschlechterung des Bewertungsergebnisses.

Wir empfehlen, die Saprobie-Klassengrenzen des dominanten LAWA-Gewässertyps ober/unterhalb

des trockenfallenden Abschnitts auch für tFG anzuwenden.

Page 41: Erarbeitung von Grundlagen für eine Verfahrenserweiterung ... · Abbildung 9: Verteilung der Werte des tFG-Index und der Klassen des neuen MMI entlang der Gradienten der Einzugsgebietsgröße

34

7.5 Charakterisierung der tFG

Hohe tFG-Index-Werte (> 8) treten nur in Gewässern kleiner Einzugsgebiete (< 10 km2) auf. Diese

Gewässer sind naturnah und weitgehend unbelastet (mit einer Ausnahme liegt der Landnutzungsindex

bei < 50). Beispiele von Gewässern mit einem tFG-Index > 8 sind Bandorfsgraben, Schwertine und

Kremper Au in Schleswig-Holstein, Steinbach und Stollbach in der Paderborner Hochfläche in

Nordrhein-Westfalen und Bülstringer Beck in Sachsen-Anhalt.

Werte zwischen drei und sieben wurden in Gewässern bis zu 40 km2 EZG-Größe festgestellt. Auch

diese Gewässer unterliegen nur einem geringen bis mäßigen Landnutzungsdruck

(Landnutzungsindex < 200). Hierzu gehören der Gartroper Mühlenbach in Nordrhein-Westfalen, der

Grabnatgraben in Baden-Württemberg/Bayern und Heilbach und Neugraben in Rheinland-Pfalz.

Die MMI-Klassen sind relativ gleichmäßig über die Gewässer verschiedener Einzugsgebietsgrößen

verteilt. In der Karte in Abbildung 10 ist die Verteilung der MMI-Klassen der Probenahmen an

natürlichen tFG und der tFG mit unbekannter Ursache dargestellt.

Abbildung 9: Verteilung der Werte des tFG-Index und der Klassen des neuen MMI entlang der Gradienten der

Einzugsgebietsgröße und des Landnutzungsindex (100 x 2.500 m-Streifen entlang des Gewässers oberhalb der

Probestelle); MMI-Klassen von 1 = „sehr gut“ bis 5 = „schlecht“. Die zugrundeliegenden Probenahmen stammen aus

den Datensätzen der natürlichen tFG und der tFG mit unbekannter Ursache.

Page 42: Erarbeitung von Grundlagen für eine Verfahrenserweiterung ... · Abbildung 9: Verteilung der Werte des tFG-Index und der Klassen des neuen MMI entlang der Gradienten der Einzugsgebietsgröße

35

Abbildung 10: Qualitätsklassen des Moduls „Allgemeine Degradation“ (AD) basierend auf dem neuen

Multimetrischen Index für tFG.Datensatz: natürliche tFGs und tFGs mit unbekannter Ursache.

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36

8 Aufbau des Bewertungssystems für tFG

Das hier entwickelte Bewertungssystem der trockenfallenden Fließgewässer (tFG) auf Grundlage des

Makrozoobenthos orientiert sich am modularen System PERLODES für permanente Fließgewässer

(Hering et al. 2006, Meier et al. 2006). Die Anwendung eignet sich für tFG, die durch natürliche

Einflüsse im Sommer trockenfallen. Bei Gewässern die selten oder sehr unregelmäßig trockenfallen,

ist die Bewertung für permanente Fließgewässer zu bevorzugen, da sich die charakteristische Fauna

nicht einstellt. Die Probenahme sollte in der wasserführenden Phase in den Monaten März oder April

erfolgen, wobei jahresbedingte Schwankungen der Witterungsbedingungen, und damit der

wasserführenden Phase, berücksichtigt werden sollten.

Der Typ tFG (Herleitung siehe Kapitel 3) wird als weiterer Gewässertyp neben den bisherigen

LAWA-Typen für permanente Gewässer in die Bewertungssoftware ASTERICS integriert. tFGs

werden auf Grundlage der Taxalisten durch die Anwendung der folgenden Module bewertet.

Modul „Allgemeine Degradation“

Das Modul spiegelt die Auswirkungen der Landnutzungsintensität entlang des Gewässers wider und

ist als Multimetrischer Index (MMI) konzipiert. Die Landnutzung gilt gemeinhin als guter Proxy für

die gewässerstrukturellen Bedingungen. Der MMI berechnet sich durch Mittelwertbildung der Scores

zweier Metrics, die die Besonderheiten der tFG-Fauna und den Grad der Degradation gut abbilden: der

neu entwickelte tFG-Index und der prozentuale Anteil EPT-Taxa ([%] EPT) (Kapitel 5 und 7). Die

Ergebnisse des MMI werden in die Qualitätsklassen „sehr gut“ bis „schlecht“ überführt.

Modul „Saprobie“

Das Modul bewertet die Auswirkungen organischer Verschmutzung auf das Makrozoobenthos anhand

des Saprobienindex. Sofern die Probenahme nicht in der Austrocknungsphase erfolgt, kann das Modul

für die Bewertung von tFG angewendet werden. Das Modul fließt unverändert in die Bewertung ein,

wobei den tFG der im Umfeld dominante LAWA-Gewässertyp zugewiesen wird. Hintergrund ist, dass

der Typ tFG Gewässer aus Regionen mit unterschiedlichem saprobiellen Grundzustand einschließt.

Die Scores des Saprobienindex werden in die Qualitätsklassen „sehr gut“ bis „schlecht“ überführt.

Ökologische Zustandsklasse

Die ökologische Zustandsklasse ergibt sich aus dem schlechtesten Ergebnis der Einzelmodule („worst

case“-Prinzip).

Identifizierung von tFG

Der neue tFG-Index wird in das Metric-Sortiment aufgenommen, das ASTERICS im Rahmen der

Bewertung von permanenten Fließgewässern berechnet. Ist der Index erhöht (vgl. Kapitel 5.1), gibt die

Software einen Hinweis auf mögliches Trockenfallen. Der Nutzer kann daraufhin prüfen, ob es weitere

Hinweise auf zeitweises Trockenfallen des Gewässers gibt und entscheiden ob das Gewässer alternativ

als tFG bewertet werden soll.

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37

9 Ausblick

Im Rahmen des Projektes wurde erstmalig ein deutschlandweit einheitlicher Bewertungsansatz für

primär im Sommer trockenfallende Fließgewässer auf Grundlage des Makrozoobenthos entwickelt.

Die Ergebnisse werden in die Bewertungssoftware ASTERICS integriert, so dass ein Praxistest

angeschlossen werden kann. Das Bewertungssystem und seine Komponenten (z. B. Ankerpunkte der

Core-Metrics) können dann analog zur Entwicklungshistorie der Bewertung permanenter

Fließgewässer bei Bedarf angepasst werden.

Die Identifizierung von trockenfallenden Gewässern auf Grundlage der Artengemeinschaft ist nach

unseren Erkenntnissen nur für natürlich trockenfallende Gewässer möglich, deren Fauna nicht durch

andere Einflüsse stark degradiert ist. Für die übrigen Gewässer kann ein Verdacht auf Austrocknung

nur durch wiederholte Beprobung oder die Auswertung von hydrologischen Daten (z.B. Pegeldaten)

bestätigt oder widerlegt werden.

Für das Monitoring empfiehlt sich neben der Berücksichtigung des optimalen Probenahmezeitraums,

eine standardisierte Dokumentation der Austrocknungsparameter. Hinweise hierzu werden bisher nur

in Form von Kommentaren im Feldprotokoll geführt. Die Dokumentation sollte u.a. folgende

Informationen umfassen, sofern verfügbar:

Regelmäßigkeit (Trockenfallen regelmäßig / selten / unbekannt)

Intensität (reduzierter Wasserstand, Poolphase, vollständige Austrocknung)

Zeitraum

Reduzierter Abfluss/Poolphase zum Zeitraum der Probenahme?

Ursache (natürlich, anthropogen, unklar)

Die Dynamik trockenfallender Gewässer wird sich zwar nicht im Rahmen einer Probenahme erfassen

lassen, jedoch wird sich das Verständnis dieses hochdynamischen Gewässertyps auf längere Sicht

verbessern und zu schärferen Ergebnissen führen. Wünschenswert wäre weiterhin die

Berücksichtigung weiterer Umweltparameter (Gewässerchemismus, Strukturparameter).

Nach Abschluss des Praxistests sollte geprüft werden ob die Bewertung für alle tFG-Gewässer

geeignet ist, oder ob beispielsweise für Gewässerabschnitte mit großem Einzugsgebiet ein alternativer

Ansatz entwickelt werden muss.

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Anhang

Anhang I: Bekannte Besiedler trockenfallender Fließgewässer.

Taxon Ordnung Mögliche Anpassung an tFG

Gammarus fossarum Amphipoda Wanderung

Gammarus pulex Amphipoda Wanderung

Lipsothrix ecucullata Diptera Holzbewohner

Lipsothrix errans Diptera Holzbewohner

Lipsothrix nervosa Diptera Holzbewohner

Lipsothrix nobilis Diptera Holzbewohner

Lipsothrix remota Diptera Holzbewohner

Lipsothrix sp. Diptera Holzbewohner

Ameletus inopinatus Ephemeroptera Kategorie zu klären

Baetis alpinus Ephemeroptera Begleiter

Baetis melanonyx Ephemeroptera Begleiter

Baetis muticus Ephemeroptera Begleiter

Centroptilum luteolum Ephemeroptera Pool-Phase

Cloeon dipterum Ephemeroptera Pool-Phase

Electrogena ujhelyii Ephemeroptera Kurze Emergenzperiode

Habrophlebia fusca Ephemeroptera Überdauerung als Larve

Habrophlebia lauta Ephemeroptera Überdauerung als Larve

Metreletus balcanicus Ephemeroptera Kategorie zu klären

Paraleptophlebia submarginata Ephemeroptera Überdauerung als Larve

Paraleptophlebia werneri Ephemeroptera Überdauerung als Larve

Serratella ignita Ephemeroptera Pool-Phase

Siphlonurus aestivalis Ephemeroptera Diapause

Siphlonurus armatus Ephemeroptera Überdauerung als Ei

Siphlonurus lacustris Ephemeroptera Kategorie zu klären

Asellus aquaticus Isopoda Wanderung

Cordulegaster bidentata Odonata Überdauerung als Larve

Cordulegaster boltonii Odonata Überdauerung als Larve

Amphinemura standfussi Plecoptera Frühe Emergenz

Brachyptera risi Plecoptera Frühe Emergenz

Brachyptera seticornis Plecoptera Frühe Emergenz

Capnia bifrons Plecoptera Überdauerung als Larve, frühe Emergenz

Isoperla grammatica Plecoptera Frühe Emergenz

Leuctra braueri Plecoptera Frühe Emergenz

Leuctra nigra Plecoptera Frühe Emergenz

Leuctra prima Plecoptera Frühe Emergenz

Nemoura cinerea cinerea Plecoptera Frühe Emergenz

Nemoura flexuosa Plecoptera Frühe Emergenz

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Taxon Ordnung Mögliche Anpassung an tFG

Nemurella pictetii Plecoptera Frühe Emergenz

Protonemura praecox praecox Plecoptera Frühe Emergenz

Adicella filicornis Trichoptera Quellart

Agapetus fuscipes Trichoptera Frühe Emergenz

Beraea maurus Trichoptera Überdauerung in feuchten Habitaten

Beraea pullata Trichoptera Überdauerung in feuchten Habitaten

Chaetopteryx major Trichoptera Begleiter

Chaetopteryx villosa villosa Trichoptera Begleiter

Crunoecia irrorata irrorata Trichoptera Überdauerung in feuchten Habitaten

Enoicyla pusilla Trichoptera Überdauerung als Larve

Enoicyla reichenbachi Trichoptera Überdauerung als Larve

Ernodes articularis Trichoptera Quellart

Glyphotaelius pellucidus Trichoptera Imaginal-Diapause

Hydatophylax infumatus Trichoptera Imaginal-Diapause

Hydropsyche fulvipes Trichoptera Kategorie zu klären

Ironoquia dubia Trichoptera Imaginal-Diapause

Lithax obscurus Trichoptera Frühe Emergenz

Micropterna lateralis Trichoptera Imaginal-Diapause

Micropterna nycterobia Trichoptera Imaginal-Diapause

Micropterna sequax Trichoptera Imaginal-Diapause

Oligostomis reticulata Trichoptera Imaginal-Diapause

Parachiona picicornis Trichoptera Quellart

Plectrocnemia conspersa con-

spersa

Trichoptera Quieszenz der Larve, Refugien

Plectrocnemia geniculata ge-

niculata

Trichoptera Überdauerung als Larve

Potamophylax luctuosus luctu-

osus

Trichoptera Quellart

Potamophylax nigricornis Trichoptera Begleiter

Ptilocolepus granulatus granu-

latus

Trichoptera Quellart

Sericostoma personatum Trichoptera Quellart

Silo nigricornis Trichoptera Kategorie zu klären

Stenophylax permistus Trichoptera Imaginal-Diapause

Synagapetus iridipennis Trichoptera Frühe Emergenz

Synagapetus moselyi Trichoptera Frühe Emergenz

Wormaldia occipitalis-Gruppe Trichoptera Quellart