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Beschreibung der Erdkarte desEratosthenes
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7/17/2019 Eratosthenes [Erdkarte]
http://slidepdf.com/reader/full/eratosthenes-erdkarte 1/3
4.1 Das Gesamtbild der Oikumene
Alfred St uckelberger
Den uberwiegenden Teil des 1. Buches der Geographie verwendet Ptolemaios – instandiger Auseinandersetzung mit Marinos von Tyros – daf ur, ein Gesamtbild der ‘von
uns bewohnten Oikumene’ zu gewinnen. Der schon von Aristoteles vorbereitete, bei
Strabon und Ptolemaios gelaufige Ausdruck ą jah/ ąlór oĺjoulËmg /‘die uns betref-
fende Oikumene’1 lasst die Moglichkeit offen, dass es angesichts der f unf Zonen, in die
man gewohnlich die Erde einteilte,2 noch weitere bewohnbare Teile gebe. Vollstandig
ausgebildet ist diese Theorie bei Krates von Mallos (2. Jh. v. Chr.), der bei seiner Glo-
busbeschreibung davon ausgeht, dass es neben den sÓmoijoi /Mitbewohnern in ‘unserer
Oikumene’ auf der ‘Ruckseite’ und ‘Unterseite’ der Erdkugel noch weitere, durch den
Ozean getrennte Bewohner der Erde gebe, namlich die sog. peqÏoijoi, die Ťmtoijoi
und die ŘmtÏpoder.3
Diese Moglichkeit ist allerdings – wie sich gleich zeigen wird –bei Ptolemaios stark eingeschrankt worden.
Um sich eine Vorstellung von den Neuerungen zu machen, die Ptolemaios am Bild
dieser Oikumene anbringt, ist es unabdingbar, sich kurz die alteren Konzepte von den
Dimensionen der ‘bewohnten Welt’ zu vergegenwartigen.
1. Vorstufen des geographischen Weltbildes des Ptolemaios
1.1 Eratosthenes
Es ist das Verdienst des Eratosthenes von Kyrene (ca. 276 – 194 v. Chr.), des bedeuten-
den Bibliothekars von Alexandria und Begrunders der Geographie als Fachdisziplin,erstmals den Versuch gewagt zu haben, mittels astronomisch-mathematischer Uber-
legungen ein geographisches Weltbild zu entwerfen, das seit der Zeit der Hochklas-
sik eine entscheidende Horizonterweiterung erfahren hatte: Dank dem Indienfeldzug
Alexanders (327 – 325 v. Chr.) verf ugte man uber prazisere Kenntnisse uber den Fer-
nen Osten. Der Bericht des Pytheas von Marseille (um 330 v. Chr.) uber seine Reise
die Atlantikk uste entlang bis uber Britannien hinaus hatte Kunde gebracht von der
Mitternachtssonne und der sagenhaften Insel Thule, die von nun an die nordliche Be-
grenzung der Oikumene bildet.4 Allerdings ist leider weder das geographische Werk
(diÑqhysir tûr ceycqavÏar / Richtigstellung der Geographie) des Eratosthenes noch
sein Entwurf einer Weltkarte (pinax tes oikumenes) erhalten, doch lasst sich sein Bildvon der Oikumene aus den Fragmenten, insbesondere aus Strabon, in groben Zugen
rekonstruieren.5
1 ą jah/ ąlór oĺjoulËmg: etwa Strabo 2,5,5; Ptol. Geogr . 1,2,2; 1,5,2; 7,5,1f. u. a. St.: vgl. Arist.
Meteor . 363a 1 ą Ÿmta§ha oĺjoulËmg.2 Zur Funf-Zonen-Theorie (2 Polarzonen, 2 gemassigte Zonen. 1 ‘verbrannte’ Aquatorzone) vgl. Arist.
Meteor . 362a32ff.; Strabo 2,2,2f.: 2,5,5 cû ... pemtÉfymor .3 Vgl. Strabo 2,5,10ff.; Geminus Introd . 16,1; 16,27; Cic. Rep. 6,20.4 Fragmente gesammelt bei S. Bianchetti, Pitea di Massilia, L’Oceano (Pisa 1998); zu den Lokalisie-
rungsversuchen der Insel Thule vgl. oben Textband S. 157, Anm. zu 2,3,32.5 Vgl. H. Berger, Die geographischen Fragmente des Eratosthenes (Leipzig 1880; Nachdruck Amster-
dam 1964); K. Geus, Eratosthenes, in: Geschichte der Mathematik und der Naturwissenschaften inder Antike Bd. 2, Hrsg. W. Hubner (Stuttgart 2000) 75 – 92; ders., Eratosthenes von Kyrene (Habil.
Munchen 2002).
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Ausgangspunkt ist seine erstaunlich genaue Erdumfangsberechnung von 250000
Stadien (bzw. 252000 St: somit 1° = 700 St.), welche – umgerechnet mit dem agyp-
tischen Stadion von 157,5 m – einen Erdumfang von 39 690 km ergeben.6 Fur seine
Weltkarte verwendet er eine Zylinderprojektion mit einem rechtwinkligen Koordina-
tensystem7 von Langen- und Breitengraden, die er in unregelmassigen Abstanden durchbestimmte Referenzorte legt.8 Die Mittelparallele, den sog. Rhodos-Parallelkreis, wel-
che die ganze Oikumene durchquert und noch bei Ptolemaios eine grosse Rolle spielt,
legt er durch die Saulen des Herakles/Gibraltar – Meerenge von Sizilien – Sudspitzen
von Peloponnes und Attika – Rhodos – Golf von Issos – Taurosgebirge – Nordindi-
en (Strabo 2,1,1). Den Hauptmeridian zieht er den Nillauf entlang von Meroe uber
Syene – Alexandria – Rhodos – Byzanz zum Borysthenes/Dnjepr. Zu diesen Hauptli-
nien zeichnet Eratosthenes in unregelmassigen Abstanden verschiedene Parallelkreise
(paqÉkkgkoi) und Meridiane (lesglbqimoÏ). Die sudliche Begrenzung der Oikumene
bildet nach ihm das Zimtland/NO-Somalia (ca. 12° N), die nordliche wird durch die
von Pytheas von Marseille sog. Insel Thule auf dem Polarkreis (ca. 66° N) bestimmt;die West-OstAusdehnung erstreckt sich von der Westk uste Spaniens (Kap Hieron) bis
zur Ostk uste Indiens. Daraus resultiert nach ihm eine Breitenausdehnung von 38 000
Stadien (bzw. ca. 54°) und eine Langenausdehnung der ganzen Oikumene von 77 800
Stadien (bzw. von ca. 140°; vgl. Strabo 1,4,2ff.).9
Was die Konturen der Erdteile betrifft, f allt die geringe sudliche Ausdehnung von
Libyen/Afrika auf, dessen hypothetische Kustenlinie von Gibraltar in leichtem Bogen
direkt zum Zimtland gef uhrt wird. Auch die Kustenlinie vom Persischen Golf uber
Indien zur Gangesmundung ist eigentumlich flach. Die nordlichen Teile von Europa
und Asien denkt man sich – in alter Tradition – vom Ozean umflossen,10 in welchen
das Kaspische Meer einmundet.
11
Trotz all diesen Unzulanglichkeiten stellt aber dieWeltkarte des Eratosthenes gegenuber alteren, noch auf der Scheibenvorstellung basie-
renden Kartenentwurfen12 einen gewaltigen Fortschritt dar.
Alfred Stuckelberger, Das Gesamtbild der Oikumene, in: Alfred Stuckelberger und Florian Mittenhuber
(Hrsgg.), Klausdius Ptolemaios Handbuch der Geographie. Erganzungsband, Basel 2009, S. 254 – 267,
hier S. 254– 256.
6 Zu den moglichen Umrechnungen s. oben Kap. 3.1 Masse und Messungen, Abschnitt 1.4.7 Vgl. Strabo 2,5,16: caeiat, Th.tvonacci rcpb; 6p0a. COOLTVLaz, ... («Geraden, die sich rechtwink-
lig schneiden»).8 Zur Weltkarte des Eratosthenes vgl. bes. Strabo 1,4; 2,5.9 Strabon gibt ausschliesslich Stadienwerte an; die – von Eratosthenes noch nicht so verwendeten –
Gradangaben ergeben sich aus der Umrechnung 1 Breitengrad = 700 Stadien. 1 Langengrad auf der
Hohe von Rhodos = 4/5 von 700 = 560 Stadien.10 So Eratosthenes Frg. 2, A8 Berger (bei Strabo 1,3,13); vgl. Hekataios (5. Jh. v. Chr.) bei Herodot
4,36,2.11
Das Kaspische Meer mit dem Ozean verbunden: vgl. Strabo 2,5,18; 11,6,1.12 Man denke etwa an die Karte des Hekataios von MIlet (um 500 v. Chr.), die schon Herodot 4,36,2
kritisiert.