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Entwicklungsbegleitung (ENWIBE) – ereignisorientierte Entwicklungsgespräche für Mitarbeitende in Produktion und Handwerk

ereignisorientierte Entwicklungsgespräche für Mitarbeitende in … · 2015-07-13 · ternehmenszielen zu verbinden, um so eine win-win Situation zu erzeugen. In größeren Betrieben

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Entwicklungsbegleitung (ENWIBE) –

ereignisorientierte Entwicklungsgespräche für

Mitarbeitende in Produktion und Handwerk

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Impressum

© 2012

Herausgeber:

ZNL TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen, Universität Ulm

Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement (IAT), Universität Stuttgart

Elektro Technologie Zentrum (etz), Stuttgart

Text:

Agnes Bauer, Simone Bergande, Petra Evanschitzky, Beate Kern; ZNL

Gabriele Korge; IAT

Marie Müller, Silke Weller; etz

Produktion: Übelmesser Druck, Freibergstr. 90, 70376 Stuttgart

Auflage: 1.000

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Vorwort

Das Thema „Fachkräftemangel“ ist in aller Munde und die Betriebe beginnen die Auswirkungen

des demografischen Wandels zu spüren. Die Suche nach den richtigen Fachkräften für den Be-

trieb gestaltet sich immer schwieriger, ist mit hohem Zeitaufwand verbunden und bringt oft nicht

das gewünschte Ergebnis. Dazu kommen die immer kürzeren Produktlebenszyklen und der

dadurch stetig steigende Innovationsdruck.

Eine vielversprechende Strategie ist es hier, das Potenzial der Mitarbeitenden umfassend zu

nutzen. Ziel ist es, die Mitarbeitenden in die Lage zu versetzen, ihre Entwicklung eigenverant-

wortlich zu verfolgen. Dies gelingt, wenn Mitarbeitende engagiert und selbstständig im Sinne der

betrieblichen Erfordernisse handeln und Veränderungen eigeninitiativ vorantreiben.

Hier kommt das ENWIBE-Konzept der Entwicklungsbegleitung zum Tragen. In regelmäßigen

Gesprächen arbeiten die Entwicklungsbegleitenden daran, individuelle Ziele der Veränderung

und Entwicklung mit den Mitarbeitenden zu vereinbaren.

Die Mitarbeitenden setzen sich bewusst mit ihrem Lernen und ihren Möglichkeiten zur aktiven

Gestaltung von Veränderung auseinander. In dieser begleiteten Veränderungs- und Lernsitu-

ation

• erkennen die Mitarbeitenden die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit dauerhafter Verände-

rung und stetigen Lernens,

• sie steigern ihre lern- und innovationsbezogene Selbstwirksamkeit durch erhöhte Be-

wusstheit und

• werden befähigt Lern- und Veränderungsprozesse vermehrt eigenständig zu planen,

auszuführen und zu bewerten.

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Ziel der Entwicklungsbegleitung ist es, die individuellen Potenziale der Mitarbeitenden mit Un-

ternehmenszielen zu verbinden, um so eine win-win Situation zu erzeugen.

In größeren Betrieben kann die Entwicklungsbegleitung von speziell qualifizierten Mitarbeiten-

den übernommen werden, kleinere Betriebe können auf eine externe Entwicklungsbegleitung,

z. B. von Bildungszentren, zurückgreifen.

Das ENWIBE-Konzept der Entwicklungsbegleitung stützt sich auf aktuelle wissenschaftliche

Erkenntnisse aus Neurowissenschaften, Pädagogik, Arbeitswissenschaften und Betriebswirt-

schaftslehre und ist einzigartig. Diese Broschüre gibt einen Überblick über das ENWIBE-

Konzept, den pilothaften Einsatz in der Praxis, erste Ergebnisse und den wissenschaftlichen

Hintergrund.

ENWIBE ist mit dem Weiterbildungs-Innovationspreis 2012 des Bundesinstituts für Berufliche

Bildung BiBB ausgezeichnet.

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Inhalt

Das ENWIBE-Konzept: Im Mittelpunkt steht das Gespräch ......................................................... 6

Die Entwicklungsbegleitenden: Hohe Ansprüche an soziale und fachliche Kompetenzen ........... 8

ENWIBE in der Praxis: Erste Ergebnisse .................................................................................. 10

ENWIBE in der Praxis: Erfolgreicher Einstieg ............................................................................ 11

Wissenschaftliche Fundierung: Der Boden, auf dem ENWIBE steht .......................................... 12

Allgemeine Projektinformationen ............................................................................................... 16

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Das ENWIBE-Konzept: Im Mittelpunkt steht das Gespräch

Der ENWIBE-Ansatz zu mehr Lernbewusstheit und Eigeninitiative beruht wesentlich auf indivi-

duellen Gesprächen. Die Entwicklungsbegleitung gestaltet diese Gespräche so, dass die Mitar-

beitenden ihr Lernen und ihre Entwicklungsmöglichkeiten reflektieren. Konkrete Ziele zur per-

sönlichen Entwicklung oder zu Verbesserungen im Arbeitsumfeld sind das Ergebnis.

Die Gesprächsstruktur folgt den im Bild dargestellten Phasen:

1. Nach einer Klärung gegenseitiger Erwartungen erhalten die einzelnen Mitarbeitenden In-

formationen zum Lernen.

2. Faktoren des individuellen, gelingenden Lernens werden von den einzelnen Mitarbeiten-

den reflektiert.

3. Persönliche und berufliche Ereignisse werden als Anlass für Veränderung thematisiert.

Die verfolgten Ziele und ergriffenen Lern- und Veränderungsmaßnahmen werden in ei-

nem persönlichen Entwicklungspfad abgebildet.

4. Eigene Entwicklungsleistungen und zukünftige Ereignisse geben Impulse für neue Ziele

und Themen.

5. Diese werden dann als SMARTe Ziele – spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch, termi-

niert – konkretisiert, die Planung zur Umsetzung folgt.

6. Die Umsetzung erfolgt selbstverantwortlich durch die einzelnen Mitarbeitenden.

7. Ein terminiertes Folgegespräch stellt die Kontinuität sicher.

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Die Gespräche sind vertraulich. Bei Bedarf und nach Absprache mit den Mitarbeitenden erfolgt

die Einbeziehung von Vorgesetzten. Zentrale Instrumente sind der ENWIBE-Gesprächsleitfaden

und das ENWIBE-BEGA-Stufenmodell, die eng ineinander greifen.

Der Gesprächsleitfaden unterstützt die Gesprächsdurchführung. Er lenkt die Gespräche auf die

BEGA-Kompetenzen – Bewusstheit, Einstellung & Entscheidung, Gestaltungskompetenz, Aktivi-

tät – und unterstützt deren Förderung:

• Information zu und Reflektion von Lernen fördern die Bewusstheit. Die Mitarbeitenden

erkennen, dass wechselnde Anforderungen von Seiten des Unternehmens auf sie zu-

kommen; ihnen ist bewusst, dass sie immer lernen.

• Das Durchdenken der Folgen von Veränderungen und das Erproben des eigenen Ent-

scheidungsspielraums führen zu reflektierteren Einstellungen und erhöhen die Ent-

scheidungskompetenz.

• Eigene Bedürfnisse wahrzunehmen und zu kommunizieren sowie Strategien zur Selbst-

organisation auf Basis SMARTer Ziele einzusetzen, erhöhen die Gestaltungskompe-

tenz.

• Die Mitarbeitenden verfolgen ihre Ziele eigeninitiativ und erleben sich als Treiber von

Veränderungsprozessen – so wird Aktivität auch in kleinen Schritten sicht- und spürbar.

Die ENWIBE-Gespräche und die BEGA-Kompetenzen sind eng verzahnt. Durch das Gespräch

findet eine Reflektion und damit eine Entwicklung über alle vier BEGA-Stufen hinweg statt; in-

dem am Ende eines jeden Gesprächs SMARTe Ziele stehen, findet eine Aktivierung der Mitar-

beitenden statt. So werden neue Denk- und Verhaltensweisen geübt. Ziele werden umgesetzt,

Erfolgserlebnisse stellen sich ein, die Mitarbeitenden erleben sich als erfolgreich. Die sich so

aufbauende positive Spirale der erhöhten Selbstwirksamkeit erzeugt den Wunsch nach einer

Fortführung der Veränderungs- und Lernaktivitäten, kontinuierliche Entwicklung stellt sich ein.

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Die Entwicklungsbegleitenden: Hohe Ansprüche an soziale und fachliche Kompetenzen

Die Entwicklungsbegleitenden sind das Bindeglied zwischen den Mitarbeitenden, deren Vorge-

setzten und der Unternehmensleitung. Neben fachlichen Kompetenzen sind ausgeprägte sozia-

le Kompetenzen gefordert, gilt es doch die Mitarbeitenden nach individuellen Potenzialen und im

Einklang mit den Unternehmensinteressen in ihrer Entwicklung zu begleiten. Dies setzt allseits

viel Vertrauen voraus.

Umfragen unter Mitarbeitenden, Experteninterviews sowie die Erfahrungen im Rahmen des Pro-

jektes ENWIBE machen deutlich, über welche Kompetenzen die Entwicklungsbegleitenden im

Besonderen verfügen sollen:

• Eine empathische Haltung, die Respekt, Wertschätzung und Zuverlässigkeit signalisiert,

ermöglicht einen raschen Zugang zu den Mitarbeitenden und den Aufbau von Vertrauen.

• Branchenkenntnisse stärken das Vertrauen, man kennt sich aus, handelt situationsge-

recht und spricht eine Sprache.

• Grundkenntnisse aus Pädagogik, Psychologie und Neurowissenschaften sind die Vo-

raussetzung für die Arbeit an den BEGA-Kompetenzen.

• Kenntnisse relevanter Bildungsmöglichkeiten und -angebote helfen, Ziele zu konkretisie-

ren und umzusetzen.

Michael Friedebach, Entwicklungsbegleiter bei der Haber-maaß GmbH „ …ein Highlight war zu erfahren, wie Bildmaterial, das ein-gesetzt wird, um neurobiologische Funktionsweisen zu erläu-tern einen AHA-Effekt beim Mitarbeiter auslöst… „ (hier im Bild eine Nervenzelle mit synaptischen Endknöpf-chen des menschlichen Gehirns) Quelle: Spitzer, M. Lernen. Heidelberg 2002

Dieses Anforderungsprofil verdeutlicht, dass bei aller sorgfältiger Auswahl auch eine Qualifizie-

rung der Entwicklungsbegleitenden erforderlich ist. Je nach vorhandenen Kompetenzen umfasst

diese bis zu fünf Module, die idealerweise innerhalb von drei Monaten stattfinden. Die Module

sind kombiniert mit Phasen der Einübung und Umsetzung des Gelernten.

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Modul 1 Grundlagen der Arbeit eines Entwicklungsbegleitenden: Welche Erwartungen sind

mit der Rolle der Entwicklungsbegleitung verbunden; welches Lernverständnis ist die

Basis für die Gespräche: wie wir lernen; wann wir offen sind für Veränderung und

Neues; was wir zum erfolgreichen Lernen brauchen.

Modul 2 Inhalt und Ablauf der Entwicklungsgespräche: Wie Kommunikation gelingt und was

wertschätzende Haltung ausmacht; wie mit dem BEGA-Stufenmodell gearbeitet wird.

Modul 3 Anwendung der Instrumente der Entwicklungsbegleitung: wie der ENWIBE-

Gesprächsleitfaden zur Gesprächsführung eingesetzt wird und wie unter Einsatz des

ENWIBE-Entwicklungspfadmodells mit den betrieblichen und individuellen Ereignis-

sen gearbeitet wird.

Modul 4 Vom Ziel zum Erfolg: Wie die Mitarbeitenden selbstverantwortlich Ziele setzen; wie

SMARTe Ziele aussehen; wie die individuelle Gestaltungskompetenz zum Einsatz

kommt.

Modul 5 Die Entwicklungsbegleitung im Unternehmenskontext: Wie der spezifische Nutzen

für die Unternehmen erkannt und vermittelt wird; wie die Auftragsklärung erfolgt.

Das ENWIBE-Motto zur Qualifizierung: „Walk the Talk“

„Walk the talk“ bedeutet: Inhalte sind für Teilnehmer erlebbar und spürbar, die Qualifizierungs-

methoden stimmen mit den aufgezeigten Erkenntnissen zu gelingendem Lernen überein.

• Der Aufbau einer Vertrauensbeziehung und Vertraulichkeit sind Basisbausteine der EN-

WIBE-Qualifizierung. Positive emotionale Stimmung führt dazu, dass neue Inhalte besser

integriert werden.

• Handeln wirkt mehr als Lesen, Hören oder Sehen. Daher werden die zukünftigen Ent-

wicklungsbegleitenden immer wieder selbst aktiv und bearbeiten konkrete Praxisbeispie-

le. Es wird an eigene Arbeitsbedingungen, Vorerfahrungen und Vorwissen angeknüpft.

• Inhalte werden in der Qualifizierung mit unterschiedlichen Methoden vertieft.

• Die ENWIBE-Instrumente werden im Rahmen der Qualifizierung eingesetzt, erprobt und

angepasst.

• Die wissenschaftlichen Modelle und Begrifflichkeiten werden für die Praxis verstehbar

und handhabbar beschrieben. Branchenwissen und der individuelle Wortschatz der Ent-

wicklungsbegleitenden fließen hierbei ein.

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ENWIBE in der Praxis: Erste Ergebnisse Im Rahmen des Forschungsvorhabens ENWIBE erfolgte die Pilotierung in zwei Unternehmen.

Drei Entwicklungsbegleiter führten mit insgesamt 49 Mitarbeitenden jeweils bis zu vier Gesprä-

che. Die folgend genannten SMARTen Ziele – spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch, termi-

niert – stellen eine Auswahl der insgesamt über einhundert vereinbarten Ziele und Maßnahmen

dar. Erkennbar wird die Bandbreite der möglichen Ansatzpunkte für Entwicklung.

Ein Beispiel für ein KVP-Ziel:

Ich möchte meinen (R) Werkstattwagen ordnen (S) – bis 2.8. (T) ist eine Übersichtlichkeit so

hergestellt, dass Werkzeuge blind zu greifen sind (M) und ich effizienter arbeiten kann (A).

Verbesserung von Kommunikation und Kollaboration:

Ich möchte die Durchführung regelmäßiger Teambesprechungen initiieren (S), indem ich bis

24.10. (T) dem Vorgesetzten einen konkreten Vorschlag unterbreite (M). Das Team kann dann

abgestimmter arbeiten (A), auch der Vorgesetzte hat ein Interesse daran (R).

Nach Bedarf wurden, unter Rücksprache mit Vorgesetzten, Maßnahmen zur Zielverfolgung ge-

bündelt. Beispiele sind: Schweißkurse, Deutschkurse, Rückenschulungen.

Beispielhaft zeigt diese Grafik die Entwicklung eines Mitarbeiters, der über vier Gespräche hin-

weg begleitet wurde. Sie gibt Einschätzungen wieder, die die Entwicklungsbegleitung in der

Nachbereitung der Gespräche vornimmt und zeigt, wann dieser Mitarbeiter sich welche Zuge-

winne in den BEGA-Kompetenzen erarbeitet hat.

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ENWIBE in der Praxis: Erfolgreicher Einstieg Die Entwicklungsbegleitung einzuführen gelingt gut, wenn begleitende Schritte erfolgen:

• Unternehmensleitung und Entwicklungsbegleitung nehmen eine Auftragsklärung im Sin-

ne der Zielsetzung vor.

• Es werden geeignete organisatorische Rahmenbedingungen definiert und geschaffen.

• Ein interner Prozess zur Begleitung der Maßnahme wird geplant und aufgesetzt.

• Alle Beteiligten werden frühzeitig und kontinuierlich informiert.

• Die Gewinnung und Einbindung der Beteiligten erfolgt.

Martin Klement, Personalentwickler bei der Habermaaß GmbH In unserem Unternehmen „ …ist jeder Mitarbeiter gefordert flexibel zu sein, sich auf den entsprechenden Produktionsauftrag einzustellen… Der Entwicklungsbegleiter versucht bei den Mitarbeitern den eigenen Antrieb, Verhalten zu ändern, anzuwer-fen. Das, denke ich, gelingt auf diese Art und Weise recht gut. Theoretisch Formu-liertes zeigt in der Praxis Wirksamkeit.“

Wie die Herausforderung gemeistert wird, die Mitarbeitenden zu gewinnen, kann je nach Unter-

nehmenskultur und Anforderungen sehr unterschiedlich aussehen.

In dem größeren begleiteten Unternehmen im Projekt ENWIBE erhielt die Entwicklungsbeglei-

tung den Auftrag, ausgehend von ihrer KVP-Tätigkeit in bestimmten Bereichen, auf Mitarbeiten-

de zuzugehen. In einem ersten Informationsgespräch wurden sie über das Vorhaben informiert

und konnten sich dann für (oder gegen) eine Teilnahme entscheiden.

Im kleineren Unternehmen entschied sich die Unternehmensführung aus Gründen der Gleich-

behandlung dazu, ein erstes Entwicklungsbegleitungsgespräch zur Pflicht für alle Mitarbeiten-

den zu erklären.

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Wissenschaftliche Fundierung: Der Boden, auf dem ENWIBE steht Das Kernstück der Entwicklungsbegleitung sind die Entwicklungsgespräche. Dabei besteht das

Fundament der Entwicklungsbegleitenden aus vier zentralen Elementen, die ihre Arbeitsweise

bestimmen:

• dem neurowissenschaftlich fundierten Lernverständnis,

• der Ereignisorientierung als Zugang zur Biografie der begleiteten Mitarbeitenden,

• der Selbstbestimmungstheorie,

• sowie einer Lernkultur, die sich am Gedanken der Kohärenz orientiert.

Der gemeinsame Weg beginnt beim Lernverständnis

Wer Gespräche mit Entwicklungsbegleitenden führt, erfährt, dass Lernen sich keineswegs nur

auf Seminare oder eine (womöglich lange zurück liegende) Ausbildung beschränkt. Lernen fin-

det immer statt, zu jeder Tageszeit und in jeder Situation. Denn Lernen ist die Veränderung un-

seres Gehirns durch seinen Gebrauch. Was immer wir erleben, wahrnehmen, in Angriff nehmen:

alle Erfahrungen hinterlassen Spuren in unserem Gehirn. In den Neurowissenschaften spricht

man hier von der Neuroplastizität des Gehirns. Letztlich ergibt sich daraus, dass Lernen auch

immer ein Konstruktionsprozess ist: Wir knüpfen Neues an unsere Vorerfahrungen, an unser

Vorwissen an.

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Ereignisse als Schlüssel zur individuellen Veränderungserfahrung

Damit wird deutlich, dass Lebensereignisse eine wesentliche Rolle spielen – auch für unser Ler-

nen. Denn Ereignisse aus dem beruflichen Bereich (z. B. Wechsel der Führungskraft, Verände-

rung in den Aufgaben, Vertretungen), wie aus dem privaten Bereich (z. B. Beginn oder Ende

einer Partnerschaft, Errungenschaften im Freizeitbereich, Elternschaft) prägen nicht nur unser

Leben. Sie gehen auch immer mit Veränderungen und zugleich dem Erbringen einer Lernleis-

tung zu ihrer Bewältigung einher. Die Art und Weise, wie wir solche Ereignisse in unserer Bio-

grafie gemeistert haben, gibt Hinweise darauf, was wir im Hier und Jetzt für den Umgang mit

Lernanforderungen mitbringen. Eine Auseinandersetzung mit unserer Lernbiografie zeigt außer-

dem, was für den Einzelnen wesentlich ist.

Selbstbestimmung und Kohärenz als gute Wegbegleiter auf Schritt und Tritt

Ausgehend vom umfassenden Lernverständnis und der Ereignisorientierung werden die Mitar-

beitenden auf ihrem Weg zum Erkennen, Setzen und Verfolgen eigener Lern- und Verände-

rungsziele von den Entwicklungsbegleitenden unterstützt. Dies erfolgt unter Berücksichtigung

der Erkenntnisse der Psychologie zur Frage, was uns Menschen antreibt:

Warum lassen wir uns auf Herausforderungen ein?

Woher nehmen wir die Energie, uns Herausforderungen zu stellen?

Was trägt zum Erfolg unserer Bemühungen bei?

Diese Leitfragen berühren wichtige Schlüsselkomponenten der Veränderung und des Lernens.

ENWIBE folgt dem Konzept der Selbstbestimmungstheorie von Edward Deci und Richard

Ryan, ergänzt durch den Salutogenese-Ansatz von Aaron Antonovsky.

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Das Konzept der Selbstbestimmungstheorie geht davon aus, dass Menschen drei angebore-

ne universelle Grundbedürfnisse haben, nach deren Erfüllung sie immer streben:

• die Autonomie (autonomy or self-determination)

• die Kompetenz (competence or effectance) und

• die soziale Eingebundenheit (social relatedness or affiliation)

Wir streben danach, selbstbestimmt zu handeln und uns als initiativ und autonom zu erleben.

In unserem eigenständigen Handeln wollen wir Erfolg haben und so Selbstwirksamkeit erle-

ben. Wir brauchen die Kompetenzerfahrung als Antrieb für weitere Schritte. Außerdem wollen

wir in dem, was wir tun, wie wir handeln und uns verhalten, wahrgenommen und wertgeschätzt

werden. Wir brauchen die Resonanz der Umgebung als Katalysator. Das Erleben von sozialer

Eingebundenheit wirkt sich motivierend auf unser Handeln aus. Je mehr diese drei Grundbe-

dürfnisse Berücksichtigung finden, desto stärker wirkt ihre treibende Kraft bei der Bewältigung

von Lern- und Veränderungsaufgaben.

Diese drei Faktoren setzen die Entwicklungsbegleitenden im Gespräch um, indem Mitarbeitende

stets ihre eigenen, persönlichen Ziele setzen und sich dabei beispielsweise gezielt Unterstüt-

zung holen, um neben ihrer Selbstbestimmung auch soziales Eingebundensein zu erleben.

Ergänzend finden die drei Komponenten des Kohärenzgefühls ihre Berücksichtigung. Im Han-

deln und Wirken der Entwicklungsbegleitenden, sollen Dinge

• verstehbar,

• handhabbar und

• bedeutsam

sein, damit wir sie gut integrieren können. Dies gilt besonders dann, wenn wir uns mit neuen

Themen, Lerninhalten und Aufgaben beschäftigen und wenn wir uns neue Kompetenzen aneig-

nen.

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Verstehbarkeit beschreibt die Erwartung bzw. Fähigkeit, Geschehnisse, auch unbekannter Art,

als geordnete, konsistente und strukturierte Informationen verarbeiten zu können.

Handhabbarkeit beschreibt die Überzeugung eines Menschen, dass Schwierigkeiten lösbar

sind. Entscheidend ist dabei das Ausmaß, in dem man wahrnimmt, dass man geeignete Res-

sourcen zur Verfügung hat, um den Anforderungen zu begegnen.

Bedeutsamkeit beinhaltet das Ausmaß, in dem wir unser Leben als emotional sinnvoll empfin-

den. Sie entscheidet darüber, in welche vom Leben gestellten Anforderungen wir Energie inves-

tieren, indem wir diese als Herausforderungen annehmen. Antonovsky sieht diese affektiv-

motivationale Komponente als die Wichtigste an: Ein Mensch, der keine Sinnhaftigkeit erlebt,

wird das Leben in allen Bereichen nur als Last empfinden, jede weitere sich stellende Aufgabe

wird zur zusätzlichen Qual.

Im Gespräch richten die Entwicklungsbegleitenden ihren Blick gezielt auf diese drei Komponen-

ten. Gemeinsam werden Wege gesucht, wie Dinge besser verstehbar werden und wer welchen

Beitrag zu größerer Handhabbarkeit leisten kann. Die persönliche Bedeutsamkeit leitet wie ein

Wegweiser stets bei der Wahl von Themen und Zielen. Nur das, was aus Sicht der Mitarbeiten-

den wichtig ist, wird bearbeitet.

Vier verzahnte Konzepte im Dienste der Entwicklung

Wir befinden uns in einer permanenten Interaktion mit unserer Umgebung, sei es mit anderen

Menschen oder mit Sachverhalten, privat wie beruflich. Unser Gehirn ist permanent damit be-

schäftigt, neue Erfahrungen zu integrieren und zu verarbeiten. So verändern sich unsere Denk-

muster und unser Verhalten.

Die Entwicklungsbegleitung trägt diesem Umstand Rechnung. Umgesetzt in ENWIBE-

Instrumente und in der Gesprächssituation immer wieder auf die konkrete, individuelle Situation

herunter gebrochen, stärkt die Entwicklungsbegleitung die intrinsische Motivation und das Kohä-

renzgefühl. So nehmen Mitarbeitende ihre Entwicklung kompetenter in die eigene Hand.

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Allgemeine Projektinformationen

Projektpartner

Das ZNL TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen, Universität Ulm arbeitet mit einem interdisziplinär zusammengesetzten Team an der Verbindung von Gehirn- und Bildungsforschung. Gesamtprojektleitung: Beate Kern Telefon: +49 731 500 62000 E-Mail: [email protected] oder [email protected] www.znl-ulm.de Das Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement (IAT), Universität Stuttgart beschäftigt sich mit der Abstimmung von Mensch-Organisation-Technik aufeinander und auf die Anforderungen der Umwelt und entwickelt markt- und kundengerechte Umsetzungsstrategien. Projektleitung: Gabriele Korge Telefon: +49 711 970 2261 E-Mail: [email protected] www.iat.uni-stuttgart.de Das Elektro Technologie Zentrum (etz) entwickelt und implementiert seit 35 Jahren Aus-, Fort- und Weiterbildungskonzepte für bzw. in Elektrohand-werksunternehmen mit dem Schwerpunkt auf arbeitsprozessbegleitenden und –orientierten Lernkonzepten. Projektleitung: Marie Müller Telefon: +49 711 9559 1613 E-Mail: [email protected] www.etz-stuttgart.de

Unternehmenspartner

Bei der HABA-Firmenfamilie dreht sich alles um Kinder. Das Produkt-sortiment reicht vom Möbel, über Holzspielzeug und Einrichtungsgegen-stände bis hin zur Bekleidung. Das Unternehmen beschäftigt fast 2000 Mitarbeitende. Die Entwicklungsbegleitung ist hier fest angestellt und verwendet 50% der Arbeitszeit auf diese Tätigkeit. Im Handwerk erfolgt die Umsetzung bei der Unternehmensgruppe Bürkle + Schöck, die im Bereich Elektro-, Sicherheits- und Energiespartechnik und Elektromaschinenbau spezialisiert ist. Hier ist die Entwicklungsbegleitung extern tätig.

Förderung Nr. 01FH09099, 01FH09100, 01FH09101 Laufzeit August 2009 – Juli 2012

www.znl-enwibe.de