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Impulsprogramm IP BAU Bundesamt für Konjunkturfragen IP BAU Ergänzungsband für den Kanton Graubünden Rechtliche Aspekte der Siedlungserneuerung IP BAU · RECHTLICHE ASPEKTE DER SIEDLUNGSERNEUERUNG ERGÄNZUNGSBAND FÜR DEN KANTON GRAUBÜNDEN

Ergänzungsband für den Kanton Graubünden

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Impulsprogramm IP BAU

Bundesamt für Konjunkturfragen

IP BAU

Ergänzungsband

für den Kanton

Graubünden

Rechtliche Aspekte der

Siedlungserneuerung

I P B A U · R E C H T L I C H E A S P E K T E D E R S I E D L U N G S E R N E U E R U N G

E R G Ä N Z U N G S B A N D F Ü R D E N K A N T O N G R A U B Ü N D E N

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IP BAU

Trägerschaft:

SIA Schweizerischer Ingenieur- undArchitektenverein

VLP Schweizerische Vereinigung fürLandesplanung

STV Schweizerischer TechnischerVerband

Pro Renova Schweizerische Vereinigung fürBau-Renovation

Bearbeitung:

Rainer Metzger, Dr. iur., Rechtsanwalt, Chur

Projektbetreuung IP BAU

Hannes Wüest, dipl. kult. Ing. ETH,Raumplaner ETH/NDS, Wüest & Partner, Zürich

Hansruedi Diggelmann, lic. iur.,Raumplaner ETH/NDS, Zürich

Projektbegleitung

Erwin Bundi, dipl. Arch. ETH, Raumplaner,Vorsteher Amt für Raumplanung Graubünden

Stefan Barandun, Raumplaner NDS/HTL,Abteilungsleiter ARP Graubünden

Walter Peng, dipl. Geograph, Sachbearbeiter,ARP Graubünden

Carlo Decurtins, lic. iur., Jurist fürRaumplanung, Departement des Innern undder Volkswirtschaft Graubünden

Grafik

Konrad Kunz, Grafiker SGD/SWB, Chur

Drucktechnische Realisation

Education Design Sepp Steibli, Bern

Impressum

Copyright © Bundesamt für Konjunkturfragen3003 Bern, Februar 1996.

Auszugsweiser Nachdruck unter Quellenangabeerlaubt. Zu beziehen bei der Eidg. Drucksachen-und Materialzentrale (Best.-Nr. 724.477.4d)

Form. 724.477.4 d 2.96 1000 U11781

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IP BAU

Vorwort

Vorwort

Die Siedlungen sind in den letzten Jahrzehntenstark gewachsen. Private und die Öffentlichkeitbeanspruchen den Boden für unterschiedliche In-teressen: Wohnen, gewerblich-industrielle Nut-zung, Bewirtschaftung des Bodens durch die Land-wirtschaft, Verkehr, öffentliche Ausstattung undFreizeitbeschäftigungen. Das Siedlungswachstumund der zunehmende Landbedarf ist zudem dieFolge eines gestiegenen Wohlstandes. So ist derWohnflächenbedarf je Einwohner gesamtschwei-zerisch von 30 m2 im Jahr 1950 auf 51 m2 im Jahr1990 gestiegen. Dazu kommen weitere Flächenbe-anspruchungen für Fremdenverkehr und Infra-strukturanlagen.

Die haushälterische Nutzung des Bodens ist des-halb ein Gebot der Zeit. Mit einer Konzentration derWohn- und Arbeitsflächen auf die bestehendenBaugebiete und einer Entwicklung nach innenkann die weitere Ausdehnung des Baugebietesverlangsamt werden. Entwicklung nach innenheisst, bestehende Bauten und Siedlungen zu er-neuern und zugleich schlecht ausgenützte Grund-stücke angemessen zu verdichten. Dies soll unterWahrung der schutzwürdigen Bauten und Struktu-ren zu einer höheren und zweckmässigeren Aus-nützung des bereits überbauten Siedlungsgebie-tes führen. Zusammen mit einer massvollen Er-weiterung des Baugebietes lassen sich so die Be-dürfnisse nach Wohn- und Arbeitsflächen befriedi-gen.

Auch im Kanton Graubünden ist die Entwicklungnach innen wichtig. Das Amt für Raumplanung hatin den letzten Jahren Untersuchungen über Nut-zungsreserven in Siedlungsräumen durchgeführt

und im Sinne von Fallstudien die Situation in ver-schiedenen Gemeinden analysiert. Die Ergebnissezeigen, dass unterschiedliche Potentiale an Nut-zungsreserven vorhanden sind. Es konnten weiterwertvolle Erkenntnisse über mögliche Vorgehens-weisen gesammelt werden. Aufgrund dieser Un-tersuchungen zur bisherigen und zur wünschba-ren räumlichen Entwicklung können Grundsätzezur Erhaltung und Förderung der Siedlungsquali-tät formuliert werden. Allein mit der Erhöhung desNutzungsmasses in den Bauzonen ist es nicht ge-tan; vielmehr sind dafür konkrete Studien undProgramme erforderlich.

Die vorliegende Publikation «Rechtliche Aspekteder Siedlungserneuerung» befasst sich mit derbestehenden Rechtslage auf Ebene Gemeindenund Kanton. Sie zeigt insbesondere auf, mit wel-chen Instrumenten und Verfahren Massnahmender Siedlungserneuerung durchgeführt werdenkönnen. Mit Blick auf die bevorstehende Revisiondes kantonalen Raumplanungsgesetzes gibt diePublikation zudem Auskunft, welche Bestimmun-gen zu überprüfen und allenfalls anzupassen sind.

Die Publikation richtet sich an die an der Siedlungs-planung beteiligten Personen und Behörden. Es istzu hoffen, dass über die verschiedenen Aspekteder Siedlungserneuerung eine fruchtbare Diskus-sion zustande kommt! Bei dieser Gelegenheit dan-ken wir dem Bundesamt für Konjunkturwesen fürdie Unterstützung sowie den beauftragten Perso-nen für die gute Arbeit.

Klaus Huber, Regierungsrat

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IP BAU

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungen 7

1 Zur vorliegenden Publikation 9

2 Siedlungserneuerung im Kanton Graubünden 11

3 Bundesrecht 13

4 Kantonales Recht 154.1 Das Raumplanungsgesetz für den Kanton Graubünden 17

4.2 Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch 22

4.3 Verordnung über den Natur- und Heimatschutz 23

4.4 Strassengesetz des Kantons Graubünden 24

4.5 Energiegesetz 24

4.6 Weitere Erlasse 25

4.7 Schlussfolgerungen und Empfehlungen 25

5 Kommunales Recht 275.1 Gemeindebaugesetze 29

5.2 Weitere Gemeindeerlasse 44

5.3 Schlussfolgerungen und Empfehlungen 44

6 Neue Aspekte der Ortsplanung 496.1 Einleitung 51

6.2 Untersuchungen 52

6.3 Richtpläne und Leitbilder 53

6.4 Nutzungspläne 54

6.5 Planungsausgleich 56

6.6 Vereinbarungen 57

6.7 Schlussfolgerungen und Empfehlungen 57

7 Modelle 59

7.1 Schema: Planungsschritte 60

7.2 Bestehendes Instrumentarium 63

7.3 Vorgeschlagenes Instrumentarium 71

Anhang 75

Gesetzestexte 77

Begriffe 80

Publikationen des Impulsprogrammes IP BAU 83

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IP BAU Abkürzungen

ARO Baugesetz der Gemeinde Arosa, 1988

ARP GR Amt für Raumplanung Graubünden

BER Baugesetz der Gemeinde Bergün, 1994

BEV Baugesetz der Gemeinde Bever, 1995

BGE Entscheide des Schweizerischen Bundesgerichtes, amtliche Sammlung

BR Bündner Rechtsbuch

BV Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaftvom 29. Mai 1874 (SR 101)

BVR Bündner Vereinigung für Raumplanung

CEL Baugesetz der Gemeinde Celerina, 1989

CHUR Baugesetz der Stadt Chur, 1994

DAV Baugesetz der Landschaft Davos, 1992

D/E Baugesetz der Gemeinde Domat/Ems, 1989

DILGER Peter Dilger: Raumplanungsrecht der Schweiz, Dietikon 1982

E Erwägung

EGzZGB Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 12. Juni 1994(BR 210.100)

EnG Energiegesetz vom 7. März 1993 (BR 820.200)

EntG Enteignungsgesetz des Kantons Graubünden vom 26. Oktober 1958(BR 803.100)

EJPD Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Bundesamt für Raumplanung,Erläuterungen zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Bern 1981

FAL Baugesetz der Gemeinde Falera, 1980

FAN Baugesetz der Gemeinde Fanas, 1978

FEL Baugesetz der Gemeinde Felsberg, 1981

FLÄ Baugesetz der Gemeinde Fläsch, 1979

FLI Baugesetz der Gemeinde Flims, 1990

HAL Bauordnung der Gemeinde Haldenstein, 1977

IGIS Baugesetz der Gemeinde Igis, 1991

ILA Baugesetz der Stadt Ilanz, 1978

IP BAU Baurecht Rechtliche Aspekte der Siedlungserneuerung, Projekt Baurecht, 1992,Nr. 714.477

KNHV Kantonale Verordnung über den Natur- und Heimatschutzvom 27. November 1946 (BR 496.100)

KRG Raumplanungsgesetz für den Kanton Graubünden vom 20. Mai 1973(BR 801.100)

KWaG Kantonales Waldgesetz vom 25. Juni 1995

Abkürzungen

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IP BAU

LAAX Baugesetz der Gemeinde Laax, 1979

LENDI/ELSASSER Martin Lendi, Hans Elsasser: Raumplanung in der Schweiz. Eine Einführung.

LSV Lärmschutzverordnung vom 15. Dezember 1986

MBauG Musterbaugesetz BVR für Bündner Gemeinden, Ausgabe 1995

MAD Baugesetz der Gemeinde Madulain, 1990

MAI Baugesetz der Stadt Maienfeld, 1989

MAL Baugesetz der Gemeinde Malans, 1977

MAS Baugesetz der Gemeinde Mastrils, 1994

N Note

OBE Baugesetz der Gemeinde Obersaxen, 1978

PIT Baugesetz der Gemeinde Pitasch, 1980

PON Baugesetz der Gemeinde Pontresina, 1976

PON EWAG Gesetz über die Förderung des Erst- und Einschränkung des Zweitwohnungs-baues der Gemeinde Pontresina, 1988

PUNT Baugesetz der Gemeinde La Punt-Chamues-ch, 1992

PVG Praxis des Verwaltungsgerichtes des Kantons Graubünden

RPG Bundesgesetz über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (SR 700)

SAM Baugesetz der Gemeinde Samedan, 1974

SIL Baugesetz der Gemeinde Silvaplana, 1991

SR Systematische Sammlung des Bundesrechtes

St.M Baugesetz der Gemeinde St. Moritz, 1987

StrG Strassengesetz des Kantons Graubünden vom 10. März 1985 (BR 807.100)

SUS Baugesetz der Gemeinde Susch, 1992

THU Baugesetz der Gemeinde Thusis, 1993

VEnG Vollziehungsverordnung zum Energiegesetz vom 1. Oktober 1992 (BR 820.210)

V/O Baugesetz der Gemeinde Vaz/Obervaz, 1989

VVOzSTRG Vollziehungsverordnung zum Strassengesetz des Kantons Graubündenvom 3. Oktober 1984 (BR 807.110)

Abkürzungen

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IP BAU Zur vorliegenden Publikation

Die vorliegende Publikation befasst sich mit recht-lichen Fragen der Siedlungserneuerung im KantonGraubünden. Sie schliesst an die gesamtschweize-rische Betrachtung «Rechtliche Aspekte der Sied-lungserneuerung, Projekt Baurecht» an, welchezentrale Rechtsfragen der Siedlungserneuerungkantonsunabhängig behandelt. Obwohl sich diesegesamtschweizerische Studie nicht nur mit denplanungs- und baurechtlichen Rahmenbedingun-gen der Siedlungserneuerung auseinandersetzt,steht doch die Frage nach den Auswirkungen desgeltenden Planungs- und Baurechtes auf die Er-neuerung gewachsener Siedlungen im Vorder-grund. Dies gilt auch für den vorliegenden Ergän-zungsband für den Kanton Graubünden. Auch erstellt das kantonale und kommunale Planungs-und Baurecht in den Mittelpunkt der Betrachtung.Einige Seitenblicke auf andere kantonale Vor-schriften sollen jedoch gleichwohl aufzeigen, dassdie Erneuerung von Siedlungen nicht bloss durchdas Planungs- und Baurecht bestimmt wird, son-dern stets auch im Spannungsfeld anderer staatli-cher Vorschriften liegt.

Die vorliegende Publikation befasst sich aus-schliesslich mit der Erneuerung ganzjährig be-wohnter Siedlungen. Auf die in Graubünden aktu-elle Frage der Erhaltung nicht mehr oder blosstemporär bewohnter Siedlungen ausserhalb desprimären Siedlungsbereiches wird nicht nähereingegangen.

Was heisst Siedlungserneuerung?

Siedlungserneuerung bedeutet ganz allgemeinNeubelebung gewachsener Siedlungen durch Re-novierung, Umgestaltung und Wiederherstellungüberalterter Baubestände mit ihren Aussenräu-men unter gleichzeitiger Anpassung an die durchgesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklun-gen gewandelten Flächenansprüche. Siedlungser-neuerungen haben daher zum Ziel, bebaute Gebie-te qualitativ zu verbessern und an neue Bedürfnis-se anzupassen. Die bündnerische Planungspraxisumschreibt den Begriff der Siedlungserneuerungetwas konkreter als gebiets- und objektbezogeneMassnahmen zur Erneuerung von Siedlungen un-ter Berücksichtigung der alten bzw. neuen Grund-ordnung innerhalb eines abgegrenzten Gebietes(vgl. Anhang, Begriffe).

Siedlungserneuerungen erfolgen in der Regel aufder Ebene von Stadtteilen oder Dorfteilen bzw.

1 Zur vorliegenden Publikation

Quartieren. Dabei ist zu unterscheiden zwischenblosser Quartierpflege und Quartierverbesserungeinerseits sowie der Quartier-Teilerneuerung undQuartier-Gesamterneuerung anderseits. Währendes bei der Quartierpflege im wesentlichen um dieErhaltung von Qualitäten und um den Schutz vornegativen Entwicklungen geht, dient die Quartier-verbesserung der Behebung von Mängeln sowieder teilweisen Erneuerung und Verbesserung be-stehender Strukturen. Die Quartier-Teilerneue-rung dagegen ist auf eine durchgreifende Erneue-rung einzelner Teile oder Strukturen des Quartiersausgerichtet, während die Quartier-Gesamter-neuerung eine Flächensanierung mit Abbruch,Umstrukturierung, Neuordnung und Wiederauf-bau ganzer Quartiere anstrebt.

Die Raumplanung hat sich im Zusammenhang mitSiedlungserneuerungen vor allem mit der Erneue-rung ganzer Quartiere zu befassen. Es ist daher zuuntersuchen, wie sich die geltende Rechtsordnungauf gebietsbezogene Erneuerungsvorhaben aus-wirkt und ob die vorhandenen Mittel der Raum-planung für die Quartierpflege und Quartier-verbesserung sowie für die Planung einer Teil-oder Gesamterneuerung überalteter Quartieregenügen. Gleichzeitig sind aber auch die Auswir-kungen von baurechtlichen oder anderen staat-lichen Vorschriften auf objektbezogene Erneue-rungsvorhaben zu prüfen, da sich die Erneuerungder Siedlungen in der Wirklichkeit nicht bloss aufGrund von Planungen über ganze Quartiere,sondern auch laufend durch Renovierung, Umge-staltung, Abbruch und Wiederaufbau einzelnerBauten vollzieht.

Siedlungserneuerung wird oft gleichgesetzt mitinnerer Verdichtung. Wohl kann eine Siedlungser-neuerung auf eine Verdichtung durch Erhöhungder Nutzungsdichte unter gleichzeitiger Verbesse-rung der Siedlungsqualität eines Quartiers ausge-richtet sein. Siedlungserneuerungen können sichaber auch auf die Quartierpflege oder Quartierver-besserung ohne Erhöhung der Nutzungsdichtebeschränken. Auch bei Gesamt- oder Teilerneue-rung von Quartieren sollte eine innere Verdichtungnur stattfinden, wo eine erwünschte Dichte nochnicht erreicht ist. Siedlungserneuerung bedeutetdaher nicht in jedem Fall auch innere Verdichtung,auch wenn sie oft damit verbunden sein mag.

Der vorliegende Ergänzungsband für den KantonGraubünden befasst sich mit den für Siedlungser-neuerungen bedeutsamen Vorschriften des bünd-

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IP BAU

nerischen Rechts. Auf Ausführungen zum eidge-nössischen Recht wird weitgehend verzichtet. ImMittelpunkt der Betrachtung des bündnerischenRechts stehen die Vorschriften und Instrumentedes bündnerischen Bau- und Planungsrechtes. Esgeht im wesentlichen um eine Analyse der kanto-nalen und kommunalen Bau- und Planungsvor-schriften, welche gebietsbezogenen oder objekt-bezogenen Erneuerungsvorhaben entgegenste-hen oder diese unterstützen. Da die Bündner Ge-meinden bei der örtlichen Baugesetzgebung einegrosse Autonomie geniessen, nimmt die Behand-lung des kommunalen Rechts zwangsläufig einenbedeutenden Raum ein. Selbstverständlich kannaber nicht auf alle Erlasse der 213 Bündner Ge-meinden eingegangen werden. Die vorliegendeStudie befasst sich daher lediglich exemplarischmit ausgewählten Bestimmungen einzelner Ge-meinden. Stets in die Beurteilung einbezogen wirddagegen das von der Bündner Vereinigung fürRaumplanung herausgegebene Musterbaugesetzfür Bündner Gemeinden, welches einen massge-blichen Einfluss auf die Baugesetzgebung der Ge-meinden ausübt.

Neben den bau- und planungsrechtlichen Vor-schriften sind einige weitere bündnerische Erlassenäher zu betrachten. Dazu gehören vor allem dasNachbarrecht des EGzZGB aber auch mehrereSpezialgesetze, welche die Erneuerung der Sied-lungen ebenfalls beeinflussen können (z.B. Verord-nung über den Natur- und Heimatschutz, Strassen-gesetz, Energiegesetz).

Zur vorliegenden Publikation

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IP BAU Siedlungserneuerung im Kanton Graubünden

Der von Tag zu Tag enger werdende Raum und dieenormen finanziellen Aufwendungen für die Erhal-tung und Erneuerung der Infrastrukturen unsererSiedlungen rufen auch im Kanton Graubündennach einer möglichst engen räumlichen Begren-zung des Siedlungsgebietes und einer Entwick-lung der Siedlungen nach innen statt nach aussen.Vielerorts weisen die Siedlungen zudem Baube-stände auf, welche einer baldigen Erneuerung be-dürfen. Siedlungsverdichtungen sowie allgemeindie Erneuerung und Verbesserung überalteterStadtteile, Dorfteile und Quartiere werden daher inden kommenden Jahren auch für die BündnerGemeinden zu einem zentralen Thema der Orts-planung werden.

Die Rahmenbedingungen für Siedlungserneue-rungen werden durch zahlreiche Vorschriften deseidgenössischen, kantonalen und kommunalenRechts bestimmt. Im bündnerischen Recht findensich die einschlägigen Vorschriften vorab imRaumplanungsgesetz für den Kanton Graubün-den, aber auch im kantonalen Einführungsgesetzzum Zivilgesetzbuch, in der Natur- und Heimat-schutzgesetzgebung, in der Strassengesetzge-bung, im kantonalen Energiegesetz sowie in eini-gen weiteren Erlassen. Im Gegensatz zu vielenandern Kantonen werden im bündnerischen Rechtdie Voraussetzungen für Siedlungserneuerungenaber auch massgeblich durch die Gemeinden be-stimmt, da diese in der Bau- und Planungsgesetz-gebung eine recht weitgehende Autonomie ge-niessen.

Siedlungserneuerungen haben sich wie die Über-bauung unbebauter Gebiete im Rahmen der gel-tenden eidgenössischen, kantonalen und kommu-nalen Rechtsordnungen zu vollziehen, in Rechts-ordnungen, welchen bestimmte Zielsetzungendes jeweiligen Gesetzgebers zugrunde liegen.Auch Erneuerungsvorhaben können daher durchdie von Bund, Kanton und Gemeinde erlassenenVorschriften behindert oder sogar verunmöglicht,unter Umständen aber auch gefördert werden.Stehen gesetzliche Vorschriften Erneuerungsvor-haben entgegen, ist es allerdings zu billig, einfachdie Abschaffung oder Anpassung der hinderlichenBestimmungen zu fordern, wie dies heutzutageunter dem Schlagwort Deregulierung häufig ge-schieht. Neben der Prüfung der gesetzlichen Vor-schriften auf ihre Verträglichkeit mit Erneuerungs-vorhaben ist im Gegenteil stets auch eine sorgfäl-tige Prüfung von Sinn und Zweck der «hinder-lichen» Bestimmungen vorzunehmen, da diese ja

2 Siedlungserneuerungim Kanton Graubünden

meist nicht ohne Grund aufgestellt worden sind.Erst nach dieser Prüfung kann eine Interessenab-wägung vorgenommen und entschieden werden,ob und in welchem Rahmen sich Änderungen dergeltenden Rechtsordnung aufdrängen. Die Über-prüfung und Verbesserung der gesetzlichen Rah-menbedingungen für Siedlungserneuerungenstellen daher an Behörden, Amtsstellen und Bera-ter hohe Anforderungen. Gleiches gilt für dieDurchführung konkreter Siedlungserneuerungenim Rahmen des geltenden oder angepasstenRechts.

Die vorliegende Publikation befasst sich mit denRahmenbedingungen für Siedlungserneuerungenim bündnerischen Recht. Gegenstand der Unter-suchung bilden daher ausschliesslich die kantona-len und kommunalen Vorschriften, welche ge-trennt in den Kapiteln 4 und 5 behandelt werden.Den Ausführungen zum kantonalen und kommu-nalen Recht werden jedoch gleichwohl einige Hin-weise zum eidgenössischen Recht (Kapitel 3) vor-angestellt, um daran zu erinnern, dass auch eidge-nössische Vorschriften Siedlungserneuerungenmassgeblich beeinflussen.

Die Untersuchung des kantonalen Rechts (Kapitel4) zeigt, dass kaum kantonale Bauvorschriften be-stehen, welche Erneuerungsvorhaben ernsthaftund unnötigerweise erschweren. Handlungsbe-darf besteht dagegen bei den Planungsmitteln.Wie in andern kantonalen Planungsgesetzen sindauch die Planungsmittel des bündnerischenRaumplanungsgesetzes vorab auf die Siedlungs-erweiterung und nicht auf die Erneuerung bebau-ter Gebiete ausgerichtet. Im bündnerischen Rechterschwert dabei vor allem die recht weitgehendeBindung der Quartierplanung an die Grundord-nung gebietsbezogene Siedlungserneuerungenim Sinne der Teil- oder Gesamterneuerung einesQuartiers. Dies gilt vor allem in Fällen, in denen diebestehende Grundordnung der angestrebten neu-en Ordnung nicht entspricht. Eine stärkere Aus-richtung der Planungsmittel auf die Bedürfnisseder Siedlungserneuerung könnte daher die Er-neuerung bereits überbauter Gebiete wesentlicherleichtern.

Im Bereich des kommunalen Rechts, vorab deskommunalen Bau- und Planungsrechts, bestehtsowohl in bezug auf die Bauvorschriften als auchauf die Planungsmittel ein erheblicher Handlungs-bedarf, falls die geltenden Erlasse vermehrt auf dieBedürfnisse der Siedlungserneuerung ausgerich-

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IP BAU

tet werden wollen. Die notwendigen Anpassungenkönnen allerdings von Gemeinde zu Gemeindesehr verschieden sein. Wie die Ausführungen zumkommunalen Recht (Kapitel 5) zeigen, besteht derwohl augenfälligste Mangel vieler Baugesetze ineiner ungenügenden Behandlung der Bestimmun-gen über die Bauweise. Viele Baugesetze schwei-gen sich z.B. über die für Siedlungsverdichtungensehr geeignete halboffene Bauweise aus oderschliessen sie sogar aus. Handlungsbedarf bestehtaber auch bei den Vorschriften über die Gebäude-längen, die Grenz- und Gebäudeabstände sowieim Bereich der Nutzungsziffern. Auch Besitz-standsprivilegien für bestehende Bauten bedürfeneiner sorgfältigen Überprüfung. Gleiches gilt fürdie Ästhetikvorschriften mancher Baugesetze.Schliesslich besteht aber auch ein Handlungsbe-darf im Bereich des Quartierplanrechtes, da oft die(begrenzten) Möglichkeiten des kantonalen Rechtsnicht voll ausgeschöpft werden.

Eine zeitgemässe und qualitätsbezogene Erneue-rung der bestehenden Siedlungen und ihre Ent-wicklung nach innen hängen auch im KantonGraubünden massgeblich davon ab, ob es gelingt,die bestehenden Gesetze vermehrt auf die Anfor-derungen der Siedlungserneuerung auszurichten.Die vorliegende Studie begnügt sich daher nichtmit einer kritischen Betrachtung der bestehendenRechtsordnungen. Sie zeigt auch Möglichkeitenund Wege zu einer Verbesserung der gesetzlichenGrundlagen auf. Im Vordergrund steht dabei dieSchaffung eines besonderen Siedlungserneue-rungsplanes im Sinne eines Sondernutzungs-planes, welcher Elemente des Zonenplanes, Gene-rellen Erschliessungsplanes, Generellen Gestal-tungsplanes und des Quartierplanes umfassenwürde. Ebenso prüfenswert ist aber auch eineErweiterung des Instrumentes der Quartier-planung. Die möglichen Lösungsansätze werdenim Kapitel 6 «Neue Aspekte der Ortsplanung»erläutert.

Siedlungserneuerung im Kanton Graubünden

13

IP BAU Bundesrecht

Die vorliegende Publikation soll die rechtlichenRahmenbedingungen von Siedlungserneuerun-gen im bündnerischen Recht aufzeigen. Es kanndaher nicht Aufgabe dieser Untersuchung sein,neben den kantonalen und kommunalen Vorschrif-ten auch die zahlreichen eidgenössischen Vor-schriften zu beleuchten, welche Siedlungserneue-rungen im Kanton Graubünden beeinflussen. All-gemein ist immerhin darauf hinzuweisen, dass dasBundesrecht einen nicht zu unterschätzenden Ein-fluss auf Siedlungserneuerungen ausübt, sinddoch Kantone und Gemeinden in ihrer Gesetzge-bungstätigkeit nicht frei, sondern in das eidgenös-sische Recht eingebunden. So haben etwa Kanto-ne und Gemeinden bei ihren Planungen die Zieleund Grundsätze der Raumplanung (Art. 1 und 3RPG), insbesondere den Grundsatz der haushälte-rischen Bodennutzung sowie die Vorschriften überdie Begrenzung des Baugebietes zu beachten (Art.15 RPG). Art. 6 RPG verpflichtet die Kantone fernerzur Festlegung der Grundzüge der räumlichen Ent-wicklung mittels Richtplänen. Auch die eidgenös-sische Raumplanungsverordnung enthält eine fürSiedlungserneuerungen wichtige Bestimmung,welche die Gemeinden verpflichten, den Stand derErschliessung sowie die Nutzungsreserven im

3 Bundesrecht

weitgehend überbauten Gebiet zu ermitteln (Art.21 RPV). Einen sehr wesentlichen Einfluss besitztferner die Umweltschutzgesetzgebung. Vor allemdie eidgenössische Lärmschutzverordnung unddie Luftreinhalteverordnung haben erheblicheAuswirkungen auf Siedlungserneuerungen. Auchzahlreiche weitere Gesetze und Vorschriften desBundes können Erneuerungsvorhaben unmittel-bar beeinflussen, so z.B. die in der Bundesverfas-sung verankerte Eigentumsgarantie und die Han-dels- und Gewerbefreiheit, aber auch die Bestim-mungen des Wohnbau- und Eigentumsförde-rungsgesetzes vom 4. Oktober 1974 (WEG, SR843). Schliesslich können z.B. auch durch die zivil-rechtlichen Vorschriften des Mietrechtes vor allemobjektbezogene Erneuerungsmassnahmen mass-geblich beeinflusst werden. Allein schon diesewenigen Hinweise zeigen, dass Siedlungserneue-rungen nicht bloss im Spannungsfeld kantonalerund kommunaler Vorschriften, sondern auch imEinflussbereich verschiedenster Bundesvorschrif-ten stehen. Weitere Hinweise zum Einfluss derBundesvorschriften auf Siedlungserneuerungenkönnen der Publikation IP BAU Baurecht entnom-men werden.

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IP BAU Kantonales Recht

4 Kantonales Recht

4.1 Das Raumplanungsgesetz für den Kanton Graubünden 17

4.1.1 Kantonale Bauvorschriften 17

4.1.2 Gemeinderichtpläne 19

4.1.3 Bauvorschriften der Gemeinden 20

4.1.4 Planungszone (Bausperre) 21

4.2 Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch 22

4.3 Verordnung über den Natur- und Heimatschutz 23

4.4 Strassengesetz des Kantons Graubünden 24

4.5 Energiegesetz 24

4.6 Weitere Erlasse 25

4.7 Schlussfolgerungen und Empfehlungen 25

17

IP BAU Kantonales Recht

4 Kantonales Recht

4.1 Das Raumplanungsgesetzfür den Kanton Graubünden

Das Raumplanungsgesetz für den Kanton Grau-bünden vom 20. Mai 1973 in der Fassung gemässTeilrevision vom 6. Dezember 1987 (KRG; in Kraftseit 1. Januar 1988) ordnet die Raumplanung inden Gemeinden, in den Regionen und im Kanton.Diese dient dazu, den Boden zweckmässig zu nut-zen, eine geordnete wirtschaftliche Entwicklung zufördern und öffentliche Aufgaben zu erfüllen (Art.1 KRG). Das kantonale Raumplanungsgesetz be-fasst sich in seinem ersten Abschnitt mit der Pla-nungspflicht und den Planungsgrundsätzen, ineinem zweiten und dritten Abschnitt mit der Orts-planung sowie der Planung des Kantons und derRegionen. Die Abschnitte vier und fünf schliesslichregeln die Rechte und Pflichten der Grundeigen-tümer sowie den Vollzug des Gesetzes.

Für das gestellte Thema sind vor allem die kanto-nalen Vorschriften über die Ortsplanung von Be-deutung. Diese bestimmen Umfang und Rahmen,in welchem die Gemeinden gesetzgeberisch tätigwerden müssen oder tätig werden können. Ge-mäss Art. 4 KRG ist die Ortsplanung grundsätzlichSache der Gemeinden. Bei der Gesetzgebung undbei der Erteilung von Bewilligungen haben aller-dings die Gemeinden die allgemeinen Bauvor-schriften des kantonalen Raumplanungsgesetzes(Art. 4-13) zu beachten. Sie können jedoch, soweitsie zuständig sind, strengere Bestimmungen auf-stellen. Die allgemeinen Bauvorschriften des kan-tonalen Rechts bestimmen folglich die Mindestan-forderungen, welche alle Bauvorhaben im Kantonzu erfüllen haben. Darüber hinaus haben aberBauvorhaben auch den örtlichen Bauvorschriftenzu genügen, welche in in ihrer Wirkung zuweilenerheblich über die kantonalen Vorschriften hinaus-gehen. Gleichwohl verdienen hier die allgemeinenBauvorschriften des kantonalen Rechts eine ver-tiefte Betrachtung, da auch sie vor allem objekt-bezogene Erneuerungsvorhaben beeinflussen.

4.1.1 Kantonale Bauvorschriften

a) Altrechtliche Bauten und Besitzstands-garantie

Bauten und Anlagen, welche einmal rechtmässigerstellt worden sind, können im Laufe der Jahredurch Rechtsänderungen vorschriftswidrig wer-den. Solche vorschriftswidrigen Bauten und Anla-

gen geniessen bekanntlich bereits durch Art. 22terund Art. 4 der Bundesverfassung einen Bestandes-schutz. Sie dürfen daher bestehen bleiben undausserdem instandgehalten werden. Nach Art. 11KRG besteht sogar eine Unterhaltsverpflichtungfür alle bestehenden Bauten. Die Unterhaltspflichtgilt folglich auch für vorschriftswidrige Bauten undAnlagen, der sich der Eigentümer nicht unter Beru-fung auf die Besitzstandsgarantie entziehen kann(zur Besitzstandsgarantie nach Art. 22ter und 4 BVvgl. Publikation IP BAU Baurecht, Seite 86f oderallgemein Martin Pfisterer: Die Anwendung neuerBauvorschriften auf bestehende Bauten und Anla-gen. Berner Diss. Diessenhofen 1979).

Zu prüfen ist, ob das kantonale Recht bestehendenvorschriftswidrigen Bauten und Anlagen eine überden bundesrechtlichen Mindestschutz hinausge-hende Bestandesgarantie gewährt. Das Verwal-tungsgericht des Kantons Graubünden stellt zudieser Frage in PVG 1985 Nr. 16 fest, dass sich daskantonale Raumplanungsgesetz über den Besitz-stand ausschweige. Die Zuständigkeit zur Normie-rung des Besitzstandes rechtswidrig gewordenerBauten innerhalb der Bauzonen falle daher in denZuständigkeitsbereich der Gemeinden. ZahlreicheGemeindebaugesetze enthalten denn auch ent-sprechende Vorschriften (vgl. dazu Kapitel 5.1.2).

Nun kann man sich jedoch fragen, ob sich daskantonale Recht tatsächlich über den Besitzstandausschweigt, wie das Verwaltungsgericht an-nimmt. Art. 5 Abs. 4 KRG schreibt nämlich vor, dassBaugesuche nach dem Recht zu beurteilen sind,das zur Zeit ihrer Behandlung gilt. Damit ist jedochindirekt gesagt, dass alle nach Art. 5 Abs. 1 KRG derBewilligungspflicht unterliegenden Bauvorhabenauf ihre Übereinstimmung mit dem geltendenRecht zu prüfen sind. Wesentliche Änderungen anvorschriftswidrigen Bauten und Anlagen setzendaher zweifelsfrei eine Anpassung an das neueRecht voraus, unterstellt doch Art. 5 Abs. 1 lit.aKRG auch wesentliche Änderungen bestehenderBauten und Anlagen ausdrücklich der Bewilli-gungspflicht. In der Rechtsprechung des Verwal-tungsgerichtes wird sodann die Bewilligungs-pflicht nach Art. 5 Abs. 1 KRG recht weit ausgelegt,unterliegen doch gemäss Praxis alle baulichenMassnahmen, die nach dem gewöhnlichen Laufder Dinge irgendwelche Vorschriften verletzenkönnten, der Bewilligungspflicht (PVG 1984 Nr. 24;1979 Nr. 29). Bei dieser weiten Auslegung vonArt. 5 KRG wären daher grundsätzlich bereits nachkantonalem Recht sämtliche baulichen Massnah-

18

IP BAUKantonales Recht

men an vorschriftswidrigen Bauten, welche überblosse Unterhaltsarbeiten hinausgehen, auf ihreÜbereinstimmung mit den geltenden Vorschriftenzu prüfen. In der Praxis werden jedoch Besitz-standsfragen, wie dargelegt, gewöhnlich nachdem gerade anwendbaren kommunalen Rechtbeurteilt.

b) Baubewilligung und Ausnahmebewilli-gung

Nach Art. 22 RPG unterliegen Bauten und Anlagender Bewilligungspflicht. Unter Bauten und Anla-gen sind dabei jene künstlich geschaffenen undauf Dauer angelegten Einrichtungen zu verstehen,die in bestimmter fester Beziehung zum Erdbodenstehen und geeignet sind, die Vorstellungen überdie Nutzungsplanung zu beeinflussen, indem sieden Raum äusserlich erheblich verändern, die Er-schliessung belasten oder die Umwelt beeinträch-tigen. In diesem Sinne hält auch Art. 5 KRG fest,dass das Erstellen von Gebäuden, Gebäudeteilenund sonstigen baulichen Anlagen einer Baubewil-ligung bedarf (PVG 1988 Nr. 36). Die kantonalrecht-liche Bewilligungspflicht geht damit nicht über dieBewilligungspflicht nach Art. 22 RPG hinaus. Dieeidgenössischen und kantonalen Vorschriftenüber die Bewilligungspflicht gelten selbstver-ständlich auch für die Rechtssetzung und dieRechtsanwendung der Gemeinden. Die Gemein-den können daher die Bewilligungspflicht nichteinschränken, wohl aber auf weitere, vom Bundes-recht und vom kantonalen Recht nicht erfassteTatbestände ausdehnen (vgl. PVG 1981 Nr. 25).Solche weitere Bewilligungstatbestände der Ge-meinden sind wegen der weitreichenden Bewilli-gungspflicht nach kantonalem Recht eher seltenund haben kaum Auswirkungen auf Erneuerungs-vorhaben.

Grössere Bedeutung für die Siedlungserneuerungbesitzen dagegen die kantonalen Vorschriften überAusnahmebewilligungen, da Art. 9 KRG strengeAnforderungen an die Gewährung von Ausnah-men stellt und die Gemeinden diese Anforderun-gen nicht herabsetzen können. Sie können dieErteilung von Ausnahmen lediglich an noch stren-gere Voraussetzungen knüpfen (PVG 1985 Nr. 16,E 4). In der Praxis sind allerdings erhöhte Anfor-derungen an Ausnahmebewilligungen selten an-zutreffen. Die Erteilung von Ausnahmebewilli-gungen beurteilt sich daher in Graubünden inaller Regel auf Grund von Art. 9 KRG bzw. einergleichlautenden Bestimmung des betreffendenGemeindebaugesetzes.

Nach Art. 9 Abs. 1 KRG können Ausnahmen voneinzelnen Vorschriften nur gewährt werden, wennausserordentliche Verhältnisse vorliegen und dieEinhaltung der gesetzlichen Bestimmungen eineunverhältnismässige Härte bedeuten würde. Aus-serdem dürfen durch die Gewährung von Ausnah-men keine öffentlichen Interessen verletzt werden.Die Voraussetzungen der ausserordentlichen Ver-hältnisse und der unverhältnismässigen Härtemüssen zudem gemäss ständiger Praxis des Ver-waltungsgerichtes kumulativ erfüllt sein (PVG1985 Nr. 16, E 4).

Die Ausnahmebewilligung nach Art. 9 KRG be-zweckt, ausgesprochene Unbilligkeiten und Un-zweckmässigkeiten zu vermeiden, welche sich beiEinhaltung der gesetzlichen Bestimmungen erge-ben würden. Gedacht wird an Einzelfälle, in wel-chen die strikte Einhaltung der Bauvorschriften zuausgesprochenen Härten führt, ohne dass ein öf-fentliches Interesse an der starren Durchsetzungdes Gesetzes besteht. Die Praxis des Verwaltungs-gerichtes legt strenge Massstäbe an die Erteilungvon Ausnahmebewilligungen. So liegen ausseror-dentliche Verhältnisse im Sinne von Art. 9 KRGnach der verwaltungsgerichtlichen Rechtspre-chung nur vor, wenn die Allgemeinordnung denbesonderen Gegebenheiten des konkreten Einzel-falles nicht gerecht wird und die korrekte Anwen-dung des Baugesetzes zu einem ungewollten undunbilligen Ergebnis führen würde (PVG 1989 Nr. 27und 1992 Nr. 11). Bei dieser engen Auslegung derausserordentlichen Verhältnisse kommt eine Aus-nahmebewiligung unter diesem Gesichtspunkthöchstens in einzelnen besonders gelagerten Fäl-len in Frage, nicht aber dann, wenn Bauvorschrif-ten auf mehreren vergleichbaren Parzellen demErneuerungsvorhaben entgegenstünden. Auchder Begriff der unverhältnismässigen Härte wird inder Gerichtspraxis sehr zurückhaltend ausgelegt.So genügen nach ständiger Praxis des Verwal-tungsgerichtes insbesondere finanzielle Nachteilenicht zur Begründung einer unverhältnismässigenHärte (vgl. PVG 1985 Nr. 16, 1981 Nr. 20). Ausnah-mebewilligungen vermögen daher nur in Einzel-fällen und in sehr beschränktem Umfang von Bau-vorschriften zu dispensieren. Die Ausnahmebewil-ligung ist denn auch kein Instrument zur Verbesse-rung eines ungenügenden Baugesetzes. Sie er-möglicht höchstens beschränkte Korrekturen inbesonders gelagerten Einzelfällen. Die Ausnahme-bewilligung nach Art. 9 KRG hat daher auch höch-stens für objektbezogene Erneuerungsvorhabeneine gewisse Bedeutung.

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c) ErschliessungNach Art. 7 KRG dürfen Baubewilligungen nurerteilt werden, wenn die Erschliessung des Bau-vorhabens auf den Zeitpunkt der Bauvollendunggesichert ist. Diese Vorschrift wie auch entspre-chende Bestimmungen der Gemeinden über dieErschliessung und die Baureife stehen Erneue-rungsvorhaben in der Regel nicht entgegen. Ver-fügen einzelne erneuerungsbedürftige Gebäudeoder Gebiete jedoch nicht über eine vorschrifts-gemässe Erschliessung, müssen die fehlendenAnlagen im Rahmen des Erneuerungsvorhabenserstellt werden.

d) Natur- und HeimatschutzNach Art. 8 KRG dürfen Bauten, Anlagen und ande-re Vorkehren baulicher Art das Landschafts-, dasOrts- und Strassenbild sowie geschichtliche Stät-ten und Natur- und Kulturdenkmäler nicht verun-stalten oder erheblich beeinträchtigen. Art. 8 KRGgewährt damit dem Orts- und Strassenbild undden weitern Schutzobjekten einen minimalenSchutz vor Verunstaltung oder erheblicher Beein-trächtigung. Die Bestimmung wird aber kaum jeeinem Erneuerungsvorhaben entgegenstehen.Demgegenüber erlassen die Gemeinden in derRegel erheblich strengere Bestimmungen zumSchutz des Orts- und Strassenbildes sowie künst-lerisch oder historisch wertvoller Bauten und An-lagen (vgl. dazu unten Kapitel 5.1.2).

Zu den in Art. 8 Abs. 2 KRG vorbehaltenen beson-deren kantonalen Vorschriften über den Natur- undHeimatschutz vgl. Kapitel 4.3.

e) Ausführung von Bauten und AnlagenEine grössere Bedeutung für Erneuerungsvorha-ben besitzt Art. 11 KRG. Danach haben Bauten undAnlagen den gesundheits-, feuer-, gewerbepolizei-lichen, arbeits-, umweltschutz- und energierechtli-chen Vorschriften zu genügen. Sie sind zudem sozu erstellen und zu unterhalten, dass sie wederPersonen noch Sachen gefährden. Art. 12 KRGweist sodann die Gemeinden an, weitere Vor-schriften über die Ausführung von Bauten undAnlagen zu erlassen.

Von den in Art. 11 Abs. 1 KRG aufgeführten Vor-schriften fallen für Erneuerungsvorhaben vor al-lem die umweltschutz- und energierechtlichenBestimmungen in Betracht. Da es sich bei denumweltschutzrechtlichen Bestimmungen vorwie-gend um bundesrechtliche Vorschriften handelt,ist darauf nicht näher einzutreten. Immerhin sei

erwähnt, dass vor allem die Vorschriften der eidge-nössischen Lärmschutzverordnung (vorab Art. 20und 22 LSV) Siedlungserneuerungen nachhaltigbeeinflussen und unter Umständen auch erheblicherschweren können. Zu den energierechtlichenVorschriften des Kantons vgl. nachfolgend Kapitel4.5.

Art. 11 Abs. 2 KRG schreibt schliesslich auch vor,dass Bauten und Anlagen mit erheblichem Publi-kumsverkehr nach Möglichkeit so zu gestaltensind, dass sie auch behinderten Personen zugäng-lich sind. Auch diese Vorschrift vermag Erneue-rungsvorhaben für die genannten Kategorien vonBauten und Anlagen (Verwaltungsgebäude, Kir-chen, Spitäler, Heime, Gaststätten, Theater, Kinos,Sportanlagen) zu beeinflussen. Beurteilt man je-doch die Wirkung der Bestimmung in der Praxis,kann kaum von einem erheblichen Einfluss aufErneuerungsvorhaben gesprochen werden.

f) Abstellplätze für MotorfahrzeugeWer Gebäude und Anlagen erstellt, erweitert oderin ihrem Zweck ändert, hat nach Art. 13 KRG aufdem Baugrundstück oder in dessen Nähe eineausreichende Anzahl von Abstellplätzen für Motor-fahrzeuge zu errichten. Die Anzahl der erforderli-chen Abstellplätze wird im kantonalen Recht nichtbestimmt. Entsprechende Bestimmungen findensich aber regelmässig in den Gemeindebaugeset-zen. Die Pflicht zur Schaffung von Abstellplätzenfür Motorfahrzeuge kann vor allem objektbezoge-ne Erneuerungsvorhaben bedeutend erschweren.Mögliche Hindernisse können unter Umständenaber durch planerische Massnahmen im Rahmendes Generellen Erschliessungsplanes (Erlass einesParkierungskonzeptes, Festlegen von Gemein-schaftsanlagen) oder über besondere Ausnahme-bestimmungen in den Gemeindebaugesetzen be-seitigt werden. Ausserdem haben die Gemeindendie Möglichkeit, Ersatzabgaben für die Befreiungvon der Parkplatzverpflichtung einzuführen (Art.13 Abs. 1 KRG). Einzelheiten dazu vgl. Kapitel 5.1.2.

4.1.2 Gemeinderichtpläne

Nach Art. 14–17 KRG können die Gemeinden inRichtplänen die Grundzüge festlegen, nach denendas Gemeindegebiet im Hinblick auf die künftigeEntwicklung genutzt, erschlossen und besiedeltwerden soll. In den Richtplänen können daherGrundsätze über die künftige Nutzung, Gestaltungund Erschliessung des Baugebietes oder von

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Teilen davon aufgestellt werden (Art. 15 KRG).Gemeinderichtpläne eignen sich damit auch fürdie Planung gebietsbezogener Siedlungserneue-rungen. Sie ermöglichen vor allem langfristigePlanungen über grössere Gebiete, welche je nachden Verhältnissen schrittweise durch Anpassungentgegenstehender Nutzungs- und Gestaltungs-vorschriften in grundeigentümerverbindliche Pla-nungen auf Stufe der Grundordnung überführtwerden können. Zur Bedeutung der Richtplanungfür Siedlungserneuerungen vgl. im übrigen untenKapitel 6.3 und 7.1.

Das kantonale Recht überlässt es den Gemeindenzu bestimmen, wer zuständig ist, die Richtpläneaufzustellen und zu ändern. Die Gemeinden sinddaher frei, den Erlass von Richtplänen dem Sou-verän, einem Gemeindeparlament oder der Exe-kutive zu überlassen. Von der Wahl des zustän-digen Organs hängt jedoch weitgehend das Ge-wicht einer Richtplanung ab. Zur Ausgestaltungdes Richtplanverfahrens in den Baugesetzen derGemeinden vgl. unten Kapitel 5.1.1.

4.1.3 Bauvorschriften der Gemeinden

Das Raumplanungsgesetz für den Kanton Grau-bünden überlässt, wie einleitend dargelegt, denErlass materieller Bauvorschriften weitgehendden Gemeinden. Sie sind es, welche nach Art. 22KRG in ihren Baugesetzen Bestimmungen über dieGestaltung der Gebäude, das Mass der Ausnüt-zung, die Nebenanlagen und Gemeinschaftsein-richtungen sowie die Einordnung der Bauten in dieUmgebung (Bauweise, Bauabstände, Situierungetc.) zu regeln haben. Auch ist es vorab Sache derGemeinden, die Bauzonen auszuscheiden, diesenach Art und Mass der Nutzung zu unterteilen unddie in jeder Zone geltende Regelbauweise zu be-stimmen (Art. 23 und 24 KRG). Die baurechtlichenRahmenbedingungen für Siedlungserneuerungenbeurteilen sich daher in Graubünden weniger nachden kantonalen Bauvorschriften (vgl. dazu obenZiff. 4.1.1) als vielmehr nach dem kommunalenRecht. Darauf wird unten in Kapitel 5.1.2 nähereingegangen.

Nun überlässt zwar das kantonale Recht den Erlassmaterieller Bauvorschriften und die Ausgestal-tung der Nutzungspläne weitgehend den Gemein-den. Gleichzeitig bestimmt es aber die dabei einzu-setzenden Planungsmittel und das Verfahren. Esist daher zu prüfen, welchen Einfluss die vom

Kanton vorgeschriebenen Planungsmittel und Ver-fahren auf die Siedlungserneuerung haben und obdie vorhandenen Mittel zur Steuerung der ver-schiedenen Arten von Siedlungserneuerungengenügen. Von besonderem Interesse ist dabei dasVerhältnis zwischen der von den Gemeinden zuerlassenden Grundordnung (Art. 18–37 KRG) unddem Planungsinstrument der Quartierplanung(Art. 38–45 KRG).

a) GrundordnungArt. 18 KRG schreibt den Gemeinden vor, die Nut-zung des Gemeindegebietes durch das Baugesetzund den Zonenplan zu ordnen. Sie haben fernerGestaltungsvorschriften zu erlassen, welche in ei-nem Generellen Gestaltungsplan (Art. 35 KRG undArt. 30 KRVO) und/oder im Baugesetz festzulegensind. Gestaltungspläne können dabei nicht blossbesondere Gestaltungszonen bzw. Gestaltungsbe-reiche und Schutzobjekte festlegen, sondern ins-besondere auch die Durchführung von Nutzungs-verlegungen, Baustandorte, die Quartierplan-pflicht und die Bauberatung vorschreiben (Art. 30KRVO). Baugesetz, Zonenplan und Genereller Ge-staltungsplan bilden so die Grundlage der künfti-gen Entwicklung und sind für die Grundeigentü-mer verbindlich. Darüber hinaus haben die Ge-meinden die Erschliessung ihres Gebietes mit Ver-kehrs- und Versorgungsanlagen im sog. Generel-len Erschliessungsplan zu regeln (Art. 19 KRG undArt. 19 KRVO). Gestaltung, Nutzung und Erschlies-sung sind daher grundsätzlich in Planungserlas-sen festzulegen, welche gemäss Art. 37 KRG derAbstimmung in der Gemeinde und der Genehmi-gung durch die Regierung unterliegen. Lediglichfür den Generellen Erschliessungsplan oder Teiledavon können die Gemeinden, sofern vorhanden,den Gemeinderat (Parlament) für zuständig erklä-ren (Art. 37 Abs. 1 KRG). Diese Verfahrensordnunggilt nicht bloss für den Erlass, sondern gleicher-massen für die Abänderung bzw. Ergänzung einerbestehenden Grundordnung und ohne Rücksichtdarauf, ob es sich um eine Teilrevision oder Total-revision handelt.

Das kantonale Recht bestimmt jedoch nicht blossdas von den Gemeinden beim Erlass der Grund-ordnung anzuwendende Verfahren, sondern weit-gehend auch deren möglichen Inhalt. So sind ins-besondere über den Mindestinhalt gemäss Art. 23und 24 KRG hinausgehende Vorschriften nach Art.22 KRG im Baugesetz und nicht in allfälligen Aus-führungserlassen festzulegen. Alle wesentlichen,die bauliche Entwicklung einer Gemeinde prägen-

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den Vorschriften sind daher nach kantonalemRecht zwingend in die Grundordnung aufzuneh-men und folglich im Verfahren nach Art. 37 KRG zuerlassen.

b) QuartierplanungDie in den Art. 38–45 KRG nur in den Grundzügengeregelte Quartierplanung ist in die unter lit.a be-sprochene Grundordnung eingebettet. Nach Art.38 KRG dient die Quartierplanung dazu, bei Bedarfein Teilgebiet der Bauzone im Rahmen der Grund-ordnung zu erschliessen und dessen Überbauungzu gestalten. Die Quartierplanung hat daher ihrenPlatz innerhalb und nicht neben der Grundord-nung. Gemäss Art. 40 KRG können denn auch imRahmen von Quartierplanungen lediglich «ge-stützt auf die Grundordnung» besondere Bauvor-schriften erlassen werden. Von allgemeinen Bau-vorschriften oder von Zonenvorschriften abwei-chende Anordnungen sind folglich bei Quartier-planungen nur zulässig, sofern und soweit diebetreffende Grundordnung mögliche Abweichun-gen vorsieht. In diesem Sinn hat auch das kantona-le Verwaltungsgericht Art. 40 Abs. 1 KRG stetsdahin ausgelegt, dass im Rahmen von Quartierpla-nungen nur dann von materiellen Bauvorschriftenabgewichen werden darf, wenn die Grundord-nung genau festlegt, welche Bauvorschriften in-wieweit abgeändert werden dürfen (vgl. PVG 1980Nr. 50, 1982 Nr. 52, 1984 Nr. 56, 1987 Nr. 33). Diekommunalen Baugesetze bestimmen daher heut-zutage regelmässig den Rahmen, in welchem beiQuartierplanungen von allgemeinen Bauvor-schriften und von Zonenvorschriften abgewichenwerden darf (vgl. Art. 120 MBauG). Auch solchegesetzlich vorgesehenen Abweichungen dürfenindessen nicht soweit gehen, dass dadurch dievom Gesetzgeber erlassene Grundordnung überQuartierpläne ausser Kraft gesetzt werden könnte.

Nach Art. 38 Abs. 2 KRG bestimmen die Gemein-den durch Gesetz, wie die Quartierplanung und dieErschliessung anzuordnen, durchzuführen und zufinanzieren sind und legen die bezüglichen Rechteund Pflichten fest. Die Baugesetze erklären in allerRegel den Gemeindevorstand für den Erlass vonQuartierplänen als zuständig. Diesem obliegt auchdie Durchführung des gemäss Art. 45 KRG notwen-digen Auflage- und Einspracheverfahrens. Einzel-ne Gemeinden schreiben die Genehmigung vonQuartierplänen durch das Gemeindeparlamentvor (so z.B. D/E 103). Häufig wird sodann in Gene-rellen Gestaltungsplänen oder auch in Zonenplä-nen für bestimmte Gebiete die Quartierplanpflicht

(Art. 30 KRVO) verbindlich vorgeschrieben. In die-sen Gebieten dürfen Bauvorhaben erst bei Vorlie-gen rechtskräftiger Quartierpläne bewilligt wer-den. Quartierplanpflichten werden in der Regel fürnicht erschlossene, weitgehend unüberbaute oderbloss teilweise überbaute Gebiete festgelegt.Auch überbaute, sanierungsbedürftige Gebietekönnen mit einer Quartierplanpflicht belegt wer-den, falls sich zur Durchführung der Erneuerungeine Quartierplanung aufdrängt.

Gemäss Art. 39 KRG kann der Quartierplan Ele-mente des Erschliessungsplanes und des Gestal-tungsplanes im Sinne von Art. 32 und 35 KRGumfassen. Ist zur Ausführung eines Quartierpla-nes die Umlegung von Grundstücken notwendig,kann die Quartierplanung mit einer Baulandumle-gung verbunden werden. Die Kombination vonGestaltungsplanung, Erschliessungsplanung undBaulandumlegung macht die Quartierplanunggrundsätzlich zu einem hervorragenden Instru-ment zur Durchführung gebietsbezogener Sied-lungserneuerungen. Dies gilt indessen nur so-lange, als die in der Grund- und Erschliessungs-ordnung festgelegten Bauvorschriften sowie dieim Quartierplanverfahren möglichen Abweichun-gen eine beabsichtigte Siedlungserneuerungauch zulassen. Andernfalls versagt die Quartier-planung zwangsläufig als Instrument der Sied-lungserneuerung.

4.1.4 Planungszone (Bausperre)

Siedlungserneuerungen vollziehen sich innerhalbbebauter Gebiete und betreffen daher regelmässigGrundstücke, welche in rechtskräftigen Bauzonenliegen. Nun gilt es zu beachten, dass Eigentümervon Grundstücken innerhalb einer RPG-konfor-men Bauzone (Art. 15 RPG) grundsätzlich einenAnspruch auf Behandlung und Bewilligung einesBaugesuches haben, wenn dieses den geltendenBauvorschriften entspricht (vgl. BGE 112 Ia 159Ermatingen sowie BGE vom 12. Februar 1991 i.S.Gemeinde Oberrohrdorf-Staretswil). Steht daherein konkretes, nach geltendem Recht bewilli-gungsfähiges Bauvorhaben einer beabsichtigtenSiedlungserneuerung entgegen, kann das Vorha-ben nur durch Erlass einer Planungszone (Bau-sperre) gemäss Art. 56 KRG verhindert werden.Nach Erlass einer Planungszone ist dann aberumgehend auch eine entsprechende Erneue-rungsplanung einzuleiten, welche die angestrebteNeuordnung grundeigentümerverbindlich fest-

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legt. Die Planungszone ist daher ein wichtigesInstrument zum Schutz beabsichtigter Siedlungs-erneuerungen. Sie ist im übrigen ein griffiges In-strument, da sie vom Gemeindevorstand in eige-ner Kompetenz erlassen werden kann (Art. 56 Abs.1 KRG). Lediglich die Verlängerung nach Ablaufeines Jahres bedarf der kantonalen Zustimmung(Art. 56 Abs. 4 KRG).

Keine Planungszone zum Schutz gegen präjudizi-elle Bauvorhaben ist für Gebiete erforderlich, wel-che gemäss Generellem Gestaltungsplan oderZonenplan mit einer Quartierplanpflicht belegtsind. Bauwillige Eigentümer von Grundstücken inGebieten mit Quartierplanpflicht besitzen indes-sen einen unbedingten Anspruch auf Durchfüh-rung der vorgeschriebenen Quartierplanung (PVG1976 Nr. 54 und 1989 Nr. 52). Gleiches würde für dieBezeichnung von Gebieten im Generellen Gestal-tungsplan mit Pflicht zur Durchführung einer Er-neuerungsplanung gelten. Auch in solchen Fällenmüsste, wie in Gebieten mit Quartierplanpflicht,eine entsprechende Planungsmassnahme aufAntrag eines oder mehrerer Grundeigentümereingeleitet werden. Zur Quartierplanpflicht undzur Erneuerungsplanpflicht siehe auch unterKapitel 5.1.4.f und 6.4.

4.2 Einführungsgesetz zumZivilgesetzbuch

Das am 12. Juni 1994 revidierte kantonale Einfüh-rungsgesetz zum schweizerischen Zivilgesetzbuch(EGzZGB, in Kraft seit 1. Oktober 1994) regelt in denArt. 89–107 das Nachbarrecht. Dieses im ganzenKanton geltende Nachbarrecht steht neben demöffentlichen Baurecht. Wer bauen will, hat nichtnur die öffentlichrechtlichen Bauvorschriften vonBund, Kanton und Gemeinde, sondern auch dienachbarrechtlichen Bauvorschriften zu beachten.Da die nachbarrechtlichen Vorschriften in der Re-gel weniger weitgehende Baubeschränkungen alsdas öffentliche Baurecht enthalten, stehen sie Er-neuerungsvorhaben in aller Regel nicht entgegen,umso weniger als das revidierte EGzZGB mit demerweiterten Hofstattrecht (zu) grosszügige Bestan-desprivilegien enthält. Im einzelnen ist zu den fürErneuerungsvorhaben relevanten Bestimmungenfolgendes auszuführen.

Nach Art. 90 Abs. 1 EGzZGB ist bei der Erstellungvon Hochbauten gegenüber jedem Nachbar-grundstück ein Grenzabstand von 2.50 m einzuhal-ten. Befindet sich auf dem Nachbargrundstück einGebäude, hat der Abstand von diesem mindestens4 m zu betragen. Diese bescheidenen Abständehindern in der Praxis Erneuerungsvorhaben kaum,da die Baugesetze der Gemeinden, abgesehen vonKern- bzw. Dorfzonen, in aller Regel grössere Bau-abstände vorschreiben. Hinzu kommt, dass dienachbarrechtlichen Grenzabstände dann nichtzum Zuge kommen, wenn Generelle Gestaltungs-pläne oder Quartiergestaltungspläne vorliegen,welche die geschlossene Bauweise oder eine be-stimmte Gebäudelage vorschreiben (Art. 90 Abs. 5EGzZGB). Diese 1994 neu eingeführte Regelungschliesst die früher möglichen Konflikte zwischenöffentlichrechtlichen Abstandsvorschriften undnachbarrechtlichen Bauabständen aus. Damitwurden gleichzeitig auch günstigere Vorausset-zungen für Erneuerungsvorhaben geschaffen.

Nach Art. 91 EGzZGB können Gebäude, welchezerstört, abgetragen oder in ihrem Umfang ver-mindert werden, innert 6 Jahren in der früherenAusdehnung ohne Rücksicht auf die nachbarrecht-lichen Grenz- und Gebäudeabstände sowie auf dieVorschriften von Art. 95 EGzZGB über den Entzugvon Licht oder Sonne wieder aufgebaut werden.Dabei ist nach revidiertem Hofstattrecht auch eineZweckänderung erlaubt. Nach Art. 91 EGzZGB

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können daher Gebäude, welche näher als 2.50 man der Grenze stehen oder den vorgeschriebenenGebäudeabstand nicht einhalten, dennoch voll-ständig erneuert und sogar in ihrem Zweck geän-dert werden, sofern die frühere Ausdehnung nichtüberschritten wird. Solche nachbarrechtswidrigenGebäude geniessen daher mit dem Hofstattrechtnach Art. 91 EGzZGB ein weitreichendes Bestan-desprivileg, kann doch der Besitzstand durch einemögliche Zweckänderung (z.B. Umbau eines land-wirtschaftlichen Ökonomiegebäudes in ein Wohn-haus) ohne Einhaltung der Abstandsvorschriftennicht nur gewahrt, sondern sogar erweitertwerden. Das Hofstattrecht nach Art. 91 EGzZGBdispensiert indessen einzig von den Vorschriftendes Nachbarrechtes. Zum Hofstattrecht im öffent-lichen Recht vgl. unten Kapitel 5.1.2.

Die übrigen Vorschriften des Nachbarrechtes (Art.92–106 EGzZGB) sind für Siedlungserneuerungenkaum von Belang. Es kann daher auf weitere Aus-führungen dazu verzichtet werden.

4.3 Verordnung über denNatur- und Heimatschutz

Die vom Grossen Rat des Kantons Graubündengestützt auf Art. 111 EGzZGB erlassene Natur- undHeimatschutzverordnung (KNHV) vom 27. No-vember 1946 umschreibt unter anderem die Rah-menbedingungen für den Umgang der kantonalenBehörden, der Gemeinden und von Privaten mitkünstlerisch oder historisch wertvollen Bauwer-ken. Die Verordnung weist insbesondere die fürden Kanton tätigen Personen an, beim Unterhaltund bei Renovationen von kantonalen Anlagenund Werken sowie bei der Genehmigung von Bau-gesetzen und von Natur- und Heimatschutzbestim-mungen der Gemeinden die Interessen des Natur-und Heimatschutzes zu wahren (Art. 1–5 KNHV).Die Gemeinden anderseits werden ermächtigt undbeauftragt, in ihren Baugesetzen und Bebauungs-plänen das öffentliche Interesse an der Erhaltungvon schönen Landschafts-, Orts- und Strassenbil-dern wahrzunehmen und künstlerisch oder ge-schichtlich wertvolle Bauten vor Verbauung, Ver-derbnis, Abbruch sowie vor Verunstaltung durchunsachgemässe Renovationen und Umbauten zuschützen (Art. 8 KNHV). Schliesslich hat gemässArt. 9 KNHV auch der Eigentümer eines künstle-risch, historisch oder naturwissenschaftlich wert-vollen Objektes, dessen Erhaltung im öffentlichenInteresse liegt, dieses vor Beschädigung, Zerstö-rung oder Verlust nach Möglichkeit zu bewahrenund die erforderlichen Arbeiten zu seiner Instand-haltung auszuführen.

Diese kantonalen Vorschriften über den Natur-und Heimatschutz können Erneuerungsvorhabenan künstlerisch oder historisch wertvollen Bautenerheblich einschränken. Dies gilt nicht nur fürObjekte, welche im Besitze des Kantons oder einerGemeinde stehen, sondern auch für private Bau-werke (Art. 9 KNHV). Allerdings sind für privateBauwerke konkrete Schutzmassnahmen in einerVerfügung gemäss Art. 11 KNHV festzulegen,sofern nicht bereits Schutzmassnahmen von derGemeinde im Rahmen der Ortsplanung getroffenwurden (vgl. hiezu unten Kapitel 5.1.4).

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4.4 Strassengesetz desKantons Graubünden

Das Strassengesetz des Kantons Graubünden vom10. März 1985 (StrG) enthält in den Art. 22–25(Baulinien) sowie 73–78 (Bauten und Anlagen anStrassen) Vorschriften, welche Erneuerungsvor-haben entgegenstehen können. Darüber hinauskönnen unter Umständen auch die Art. 9 und 10der Vollziehungsverordnung zum Strassengesetz(Bauten und Anlagen an Strassen ohne Baulinien)Erneuerungsvorhaben im Bereich von Kantons-strassen verunmöglichen. Die in der kantonalenStrassengesetzgebung vorgesehenen Baulinienund Bauabstände gelten indessen nicht absolut.So können z.B. gemäss Art. 24 StrG Ausnahmenvon Baulinien bewilligt werden, wenn keine öffent-lichen Interessen verletzt werden. Art. 25 StrGgewährleistet ferner die Abstimmung kommuna-ler Baulinien im Bereich von Kantonsstrassen mitden kantonalen Baulinien. Insbesondere könnenmit Zustimmung der Regierung auch GenerelleGestaltungspläne im Kantonsstrassenbereicherlassen werden, welche von den kantonalenabweichende kommunale Baulinien festlegen(Art. 25 Abs. 2 StrG). Auch bei den in Art. 10vorgesehenen Bauabständen an Strassen ohneBaulinien sind gemäss Art. 15 VVOzStrG Abwei-chungen in besonderen Fällen möglich.

Die Strassengesetzgebung des Kantons Graubün-den enthält mithin wohl Vorschriften, welche ein-zelnen Erneuerungsvorhaben entgegenstehenkönnten. Die Vorschriften lassen jedoch auch Aus-nahmen zu, sodass berechtigten Erneuerungsvor-haben Rechnung getragen werden kann. Im Sied-lungsbereich können zudem die Gemeinden überden Generellen Gestaltungsplan Einfluss auf dieBauabstände entlang von Kantonsstrassen neh-men.

4.5 Energiegesetz

Das kantonale Energiegesetz vom 7. März 1993(EnG) weist in Art. 3 Kanton, Gemeinden und regio-nale Organisationen an, bei ihrer Tätigkeit, na-mentlich bei der Erstellung und dem Betrieb eige-ner Bauten und Anlagen sowie bei der Erteilungvon Konzessionen und Bewilligungen für einerationelle und sparsame Energieverwendung zusorgen. Art. 4 EnG beauftragt ausserdem denGrossen Rat, Mindestvorschriften bezüglich Ener-giebedarf, Nutzungsgrad, Messung des Ener-gieverbrauchs der Gebäude sowie bezüglichErfassung und Bemessung der Wärmekosten derVerbraucher zu erlassen. Die Gemeinden habendiese grossrätlichen Mindestvorschriften bei derBehandlung von Baugesuchen zu beachten. Siekönnen zum Zweck der sparsamen Energiever-wendung jedoch auch weitergehende Vorschriftenerlassen (Art. 5 EnG).

Nach der vom Grossen Rat am 1. Oktober 1992erlassenen Vollziehungsverordnung zum Energie-gesetz (VEnG) haben Neubauten und wesentlicheUmbauten in energetischer Hinsicht dem neustenStand der Technik zu entsprechen. Der neusteStand der Technik bzw. die von der Regierungjeweils bezeichneten Fachnormen (Art. 15 VEnG)oder die von ihr selbst festgelegten Anforderun-gen (Art. 16 VEnG) bestimmen mithin die Minimal-anforderungen an Neubauten sowie an wesent-liche Umbauten in energetischer Hinsicht. Erneue-rungsvorhaben, welche über den gewöhnlichenUnterhalt oder geringfügige Änderungen hinaus-gehen, sind daher energetisch auf den neuestenStand der Technik zu bringen. Dies mag einzelneVorhaben verteuern, doch liegen energiesparendeMassnahmen nicht bloss im Interesse der Allge-meinheit, sondern auch im Interesse des Bau-herrn. Zu Nachisolationen an bestehenden Bautenvgl. im übrigen Kapitel 5.1.2.e.

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4.6 Weitere Erlasse

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen,dass mitunter auch weitere Spezialgesetze wie daskantonale Meliorationsgesetz (MG, BR 915.100),das Landwirtschaftsgesetz (LG, BR 910.100) oderdas kantonale Gesetz über den sozialen Woh-nungsbau und die Verbesserung der Wohnverhält-nisse im Berggebiet (BR 950.250) Erneuerungsvor-haben beeinflussen können. Der Einfluss dieserErlasse bleibt indessen regelmässig auf objektbe-zogene, besondere Erneuerungsvorhaben be-schränkt und müsste daher ausserhalb der vorlie-genden Untersuchung näher abgeklärt werden. Zuerwähnen sind schliesslich die kantonalen Bestim-mungen über die Feuerpolizei (Verordnung überdie Feuerpolizei und das Feuerwehrwesen im Kan-ton Graubünden vom 30. September 1970, FPV, BR838.100) sowie über das Gastwirtschaftsgewerbe(Gastwirtschaftsgesetz für den Kanton Graubün-den vom 20. Mai 1979, GWG, BR 945.100 mitNebenerlassen), welche bei Erneuerungsvorha-ben allgemein oder bei der Erneuerung von Gast-gewerbebetrieben zu beachten sind. Auch der Ein-fluss dieser Bestimmungen auf Erneuerungsvor-haben müsste ausserhalb der vorliegenden Unter-suchung näher geprüft werden.

4.7 Schlussfolgerungen undEmpfehlungen

Siedlungserneuerungen haben sich, wie einlei-tend dargelegt, im Rahmen einer geltendenRechtsordnung zu vollziehen, welcher bestimmteZielsetzungen des Gesetzgebers zugrunde liegen.Neben der Prüfung bestehender Vorschriften aufihre Verträglichkeit mit Erneuerungsvorhaben istdaher stets auch eine sorgfältige Prüfung von Sinnund Zweck allenfalls «hinderlicher» Bestimmun-gen vorzunehmen, weil diese meist nicht ohneGrund aufgestellt worden sind. Erst nach dieserPrüfung kann dann die notwendige Interessenab-wägung vorgenommen und entschieden werden,ob und welche Änderungen der geltenden Rechts-ordnung sich aufdrängen. Bei diesem Entscheid iststets auch zu berücksichtigen, dass dieselbe Vor-schrift und dasselbe Planungsmittel je nach denUmständen des Einzelfalles ein Erneuerungsvor-haben hemmen oder fördern können. Dies giltvorab für Planungsinstrumente wie Baulinien undQuartierplanungen aber auch für Bauvorschriftenwie z.B. die Bestimmungen über die Ausführungvon Bauten und Anlagen. Auch Bestandesprivile-gien werden Siedlungserneuerungen nicht in je-dem Fall erleichtern. Sie können im Gegenteil vorallem gebietsbezogene Siedlungserneuerungenunter Umständen nachhaltig behindern.

Bezieht man diese Überlegungen in die Beurtei-lung des geltenden kantonalen Rechts mitein,dann kann festgestellt werden, dass kaum kanto-nale Bauvorschriften bestehen, welche Erneue-rungsvorhaben ernsthaft und unnötigerweise er-schweren. Empfehlungen auf Rechtsänderungendrängen sich daher in diesem Bereich nicht auf.Dies gilt insbesondere auch für die eher strengenkantonalen Vorschriften über die Ausnahmebewil-ligung, welche Erneuerungsvorhaben jedenfallsnicht erleichtern. Sinn und Zweck der Ausnahme-bewilligung nach Art. 9 KRG schliessen jedocheine Lockerung dieser Bestimmung vernünftiger-weise aus.

Demgegenüber ist nicht zu übersehen, dass diekantonalen Vorschriften bezüglich Erlass und In-halt der Grundordnung sowie die Vorschriftenüber die Quartierplanung recht starr sind. AufGrund des geltenden Rechts fällt es jedenfallsschwer, gebietsbezogene Siedlungserneuerun-gen im Sinne der Teil- oder Gesamterneuerungeines Quartiers ohne aufwendiges Nutzungsplan-verfahren durchzuführen, sofern die bestehende

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Nutzungsordnung der angestrebten neuen Ord-nung nicht entspricht. Hier sind daher neue Lösun-gen und Wege zu suchen und aufzuzeigen. Es ist imübrigen nicht zu verkennen, dass die Planungsmit-tel des kantonalen Rechts vorab auf Siedlungs-erweiterungen und nicht auf die Erneuerung be-bauter Gebiete ausgerichtet sind. Der stets knap-per werdende Boden und eine möglichst wirt-schaftliche Nutzung vorhandener Infrastruktur-anlagen verlangen jedoch heute vermehrt die Aus-richtung der Raumplanung auf die Erneuerung derbestehenden Siedlungen. Das kantonale Raum-planungsgesetz, das aus einer Zeit stammt, alsallgemein die Entwicklung der Siedlungen nachaussen und nicht nach innen angestrebt wurde,bedarf daher in diesem zentralen Bereich derKorrektur. Wie eine stärkere Ausrichtung derPlanungsinstrumente auf Siedlungserneue-rungen im bündnerischen Recht erreicht werdenkönnte, ist unten im Kapitel 6 «Neue Aspekte derOrtsplanung» dargestellt.

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5 Kommunales Recht

5.1 Gemeindebaugesetze 29

5.1.1 Richtpläne 29

5.1.2 Bauvorschriften 30

5.1.3 Zonenvorschriften 34

5.1.4 Gestaltungsvorschriften 38

5.1.5 Erschliessungsvorschriften 41

5.1.6 Quartierplanung 42

5.1.7 Baubewilligungsverfahren 43

5.2 Weitere Gemeindeerlasse 44

5.3. Schlussfolgerungen und Empfehlungen 44

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In den nachfolgenden Kapiteln werden die Wirkun-gen kommunaler Erlasse auf Erneuerungsvorha-ben beurteilt. Wie bei der Behandlung des kanto-nalen Rechts gilt es zu untersuchen, welche Vor-schriften Erneuerungsvorhaben entgegenstehenoder sie unterstützen und welche je nach Art desVorhabens hemmend oder fördernd wirken. Zielder Untersuchung ist es, festzustellen, ob im Inter-esse der Siedlungserneuerung bestimmte Vor-schriften aufgehoben oder abgeändert und neuePlanungsmittel eingeführt oder bestehende ange-passt werden sollen.

5.1 Gemeindebaugesetze

5.1.1 Richtpläne

Wie bereits in Kapitel 4.1.3 ausgeführt, überlässtder Kanton den Gemeinden zu bestimmen, werzuständig ist, kommunale Richtpläne aufzustellenund zu ändern (Art. 16 KRG). Art. 11 MBauG emp-fiehlt den Erlass des Gemeinderichtplanes durchdie Stimmberechtigten. In der Regel unterstellendenn auch die Gemeindebaugesetze den Richt-plan der Abstimmung in der Gemeindeversamm-lung oder an der Urne (so z.B. CEL 10, FLÄ 7, HAL 8,ILA 11, MAD 6, SIL 12, V/O 16). Zuweilen werdenaber auch Gemeindeparlamente (so z.B. D/E 6,St.M 12) oder der Gemeindevorstand (z.B. IGIS 8)als zuständig erklärt. Richtpläne im Interesse derSiedlungserneuerung können weitreichende Aus-wirkungen auf die künftige Entwicklung der betrof-fenen und benachbarten Gebiete oder der ganzenGemeinde haben. Die Richtpläne sollten daher vonden Stimmberechtigten oder zumindest durch einsie vertretendes Parlament erlassen werden. Auchin der Literatur wird allgemein der Erlass vonRichtplänen durch die Stimmberechtigten oderihre Vertreter gefordert (vgl. DILGER, § 16, N 35,Seite 404).

Gemäss Art. 4 RPG unterrichten die mit Planungs-aufgaben betrauten Behörden die Öffentlichkeitüber Ziele und Ablauf von Planungen und sorgendafür, dass die Bevölkerung bei den Planungen ingeeigneter Weise mitwirken kann. Auch bei derAufstellung von Richtplänen sind diese Mitwir-kungsrechte der Bevölkerung zu beachten. In denGemeindebaugesetzen muss daher ein Verfahrenfür den Erlass von Richtplänen gewählt werden,welches dem Mitwirkungsrecht nach Art. 4 RPGRechnung trägt. Die meisten Baugesetze sehen fürRichtpläne das gleiche Verfahren wie für den Er-lass von Zonenplänen vor (so z.B. Art. 11 Abs. 3MBauG, CEL 10, D/E 6, MAD 6). Die Mitwirkungs-rechte der Bevölkerung werden bei Anwendungdieses Verfahrens gewahrt.

In bezug auf Inhalt und Wirkung der Richtplänewiederholen die Gemeindebaugesetze gewöhn-lich die entsprechenden kantonalen Bestimmun-gen (Art, 14, 15 und 17 KRG) oder verweisen blossauf das kantonale Recht. Besondere Bestimmun-gen über Richtpläne im Interesse der Siedlungser-neuerung sind nicht anzutreffen, könnten jedochohne weiteres in ein Baugesetz aufgenommenwerden.

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Zur Bedeutung der Richtpläne für die Siedlungser-neuerung vgl. im übrigen unten Kapitel 6.3.

5.1.2Bauvorschriften

Die Beurteilung des kantonalen Rechts (Kapitel4.7) zeigt, dass kaum Vorschriften bestehen, wel-che objektbezogene Erneuerungsvorhaben ernst-haft und unnötigerweise erschweren. Vor allemdie allgemeinen Bauvorschriften gemäss Art. 4–13KRG stehen der Erneuerung einzelner Bautenkaum entgegen. Dies gilt jedoch nicht ohne weite-res auch für die kommunalen Bauvorschriften, dadie Gemeinden, soweit sie zuständig sind, strenge-re Bestimmungen aufstellen können (Art. 4 Abs. 2KRG). Im folgenden sind daher vor allem jenekommunalen Bauvorschriften näher zu betrach-ten, welche in ihren Wirkungen über das kantonaleRecht hinausgehen.

a) Altrechtliche Bauten und Besitzstands-garantie

Nach den Ausführungen unter Kapitel 4.1.1.a sindbei weiter Auslegung von Art. 5 KRG sämtlichebaulichen Massnahmen an bestehenden Bauten,welche über blosse Unterhaltsarbeiten hinausge-hen, bereits nach kantonalem Recht auf ihre Über-einstimmung mit den geltenden Vorschriften zuprüfen. Da in der Praxis Besitzstandsfragen jedochgewöhnlich nach kommunalem Recht beurteiltwerden, ist hier auf einschlägige Vorschriften derGemeinden näher einzugehen.

Die Besitzstandsgarantie für bestehende Bautenund Anlagen, welche den geltenden Vorschriftennicht entsprechen, wird in den Baugesetzen sehrunterschiedlich behandelt. Der auffallendste Un-terschied besteht wohl darin, dass viele Gemein-den in ihr Baugesetz ein dem nachbarrechtlichennachgebildetes Hofstattrecht (vgl. Kapitel 4.2) auf-nehmen, während andere Gemeinden bewusstauf ein «öffentlichrechtliches Hofstattrecht» ver-zichten.

Baugesetze, die das Hofstattrecht kennen, enthal-ten in aller Regel keine besondere Vorschrift überdie Anwendung der geltenden Bauvorschriften aufbestehende Bauten und Anlagen. Immerhin erklä-ren auch diese Baugesetze gewöhnlich die Vor-schriften des Baugesetzes auf sämtliche der Bewil-ligungspflicht unterstehenden Bauten für anwend-bar (vgl. z.B. FLÄ 1, IGIS 1, MAL 3, SIL 1, St.M 2).Auch in Baugesetzen mit Hofstattrecht sind daher

grundsätzlich bauliche Veränderungen undZweckänderungen an bestehenden Bauten undAnlagen nur zulässig, wenn die jeweils geltendenBauvorschriften eingehalten oder die Vorausset-zungen für die Anwendung des Hofstattrechteserfüllt sind.

Baugesetze, die in Anlehnung an das Musterbau-gesetz (MBauG 2) auf die Aufnahme eines Hofstatt-rechtes verzichten, halten in der Regel ausdrück-lich fest, dass bestehende Bauten und Anlagen, diedem Baugesetz nicht entsprechen, nur unterhaltenwerden dürfen, wobei jedoch geringfügige Ände-rungen bewilligt werden können, wenn keine öf-fentlichen Interessen entgegenstehen (so z.B. CEL1, MAD 1, SUS 1). Diese Baugesetze gewährendaher keinen über das kantonale Recht hinausge-henden allgemeinen Schutz bestehender Bautenund Anlagen.

Die in den Gemeindebaugesetzen anzutreffendenHofstattrechte können in bezug auf Anwendbar-keit, Inhalt und Wirkung sehr verschieden sein.Eine Darstellung aller vorkommenden Arten wür-de zu weit führen. Vereinfacht können immerhindrei häufig vorkommende Arten unterschiedenwerden, nämlich Hofstattrechte, die einen Wieder-aufbau lediglich im bisherigen Umfang und mitder gleichen Zweckbestimmung der Altbaute zu-lassen (so z.B. IGIS 5, MAL 4, PON 89), fernerHofstattrechte, die einen Wiederaufbau lediglichim bisherigen Umfang zulassen, gleichzeitig je-doch im Rahmen der Zonenordnung auch Zweck-änderungen gestatten (FEL 4, FLÄ 5, FLI 6, ILA 7, V/O 8, ) und schliesslich Hofstattrechte, die einenWiederaufbau mit Zweckänderung und Abwei-chung vom bisherigen Umfang der Altbaute zu-lassen (so z.B. MAI 6).

Hofstattrechte oder ähnliche Ausnahmeregelun-gen, die den aus dem Nachbarrecht entlehntenBegriff des Hofstattrechtes vermeiden (so z.B. ARO9, THU 10), dispensieren Bauvorhaben an beste-henden Bauten gewöhnlich von der Einhaltung derRegelbauweise, mithin von allfälligen Ausnüt-zungsbeschränkungen, Bauabständen, Gebäude-höhen und Gebäudelängen. Demgegenüber wirdhäufig die Anwendung von Baulinien und Quar-tierplänen auf Bauten im Hofstattrecht vorbehal-ten.

Hofstattrechte oder vergleichbare Sonderregelun-gen für bestehende Bauten erleichtern ohne Zwei-fel objektbezogene Erneuerungsvorhaben. Es darf

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jedoch nicht übersehen werden, dass solche weit-reichenden Ausnahmeregelungen unbefriedigen-de ortsbauliche Zustände aufrechterhalten odersogar verschlechtern können. Hofstattrechte kön-nen ferner vor allem gebietsbezogene Siedlungs-erneuerungen unter Umständen ganz erheblicherschweren. Dies gilt im besondern für Hofstatt-rechte, welche Zweckänderungen und Ausdeh-nungen des Gebäudevolumens zulassen und soeine Erweiterung des Besitzstandes ermöglichen.Solche Hofstattrechte sind zudem aus dem Blick-winkel des Gleichheitsgebotes (Art. 4 BV) nichtunproblematisch. Aus diesem Grund empfiehltdas Musterbaugesetz BVR (vgl. Kommentar zu Art.2 MBauG), auf Hofstattrechte in den Baugesetzenzu verzichten und die Erneuerung erhaltenswerterBauten durch eine überlegte, flexible und auf diekünftigen Bedürfnisse eines Siedlungsteils oderQuartiers ausgerichteten Nutzungsplanung zu ge-währleisten. Nur allzu oft wird aber leider dasHofstattrecht in das öffentliche Baurecht aufge-nommen, um unerwünschte Auswirkungen einerunzweckmässigen Regelbauweise auf bestehendeBauten auszuschliessen. Will eine Gemeindegleichwohl ein Hofstattrecht einführen oder daranfesthalten, sollte sie es auf Wiederaufbauten imbisherigen Umfang und mit der bisherigen Zweck-bestimmung beschränken und im Interesse derSiedlungserneuerung auf jeden Fall Quartierplä-nen und Baulinien den Vorrang vor dem Hofstatt-recht einräumen.

b) Baubewilligung und Ausnahme-bewilligung

Erneuerungsvorhaben, welche über den Rahmenvon blossen Unterhaltsarbeiten hinausgehen, un-terliegen bereits nach kantonalem Recht der Bewil-ligungspflicht (vgl. hiezu Kapitel 4.1.1.b). Darüberhinaus unterstellen jedoch die Gemeinden oftauch blosse Unterhaltsarbeiten der Bewilligungs-pflicht, sofern sie nach aussen in Erscheinungtreten (vgl. z.B. FEL 80, FLI 109, MAI 93, THU 16, SIL122; in gleichem Sinne auch MBauG 20). Dadurchwerden Gebäuderenovationen jedoch kaum er-schwert.

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Aus-nahmen sind in Art. 9 KRG umschrieben. Die Ge-meinden können die Anforderungen an die Ge-währung von Ausnahmen nicht herabsetzen, son-dern höchstens strengere Anforderungen stellen.Solche sind in den Baugesetzen allerdings selten.So wird etwa verlangt, dass durch die Erteilungeiner Ausnahmebewilligung nicht nur keine öf-

fentlichen, sondern auch keine privaten Interessenverletzt werden (so z.B. ARO 7, FLI 5). In der Regelsind aber Ausnahmebewilligungen nach den Vor-schriften des kantonalen Rechts bzw. der meistwörtlich mit Art. 9 KRG übereinstimmenden Vor-schrift des betreffenden Baugesetzes zu beurtei-len. Es kann daher auf die Ausführungen in Kapitel4.1.1.b verwiesen werden.

c) BaureifeDie meisten Baugesetze enthalten Vorschriftenüber die Baureife, welche meist auch gleich um-schrieben wird. Als baureif gilt demnach einGrundstück, wenn seine Form und Grösse einezonengemässe Überbauung gestatten und wenneine im betreffenden Gebiet vorgesehene Er-schliessung oder Baulandumlegung nicht präjudi-ziert wird. Zur Baureife gehört aber auch, dass diefür die betreffende Nutzung erforderliche, vor-schriftsgemässe Erschliessung vorhanden ist odernach den gesetzlichen Vorschriften auf den Zeit-punkt der Vollendung des Bauvorhabens erstelltwird (so z.B. CEL 21, IGIS 50, THU 18; MBauG 21;vgl. im übrigen auch Art. 7 KRG und vorn Kapitel4.1.1. c). Die Vorschriften über die Baureife er-schweren objektbezogene Erneuerungsvorhabenin der Regel nicht. Gebietsbezogene Siedlungser-neuerungen anderseits können durch die Bestim-mungen über die Baureife sogar erleichtert wer-den, wenn Baugesuche für präjudizielle Bauvorha-ben eingereicht werden in Gebieten, für welcheUmstrukturierungen im Interesse der Siedlungs-erneuerung vorgesehen sind.

d) ÄsthetikvorschriftenDie Gemeindebaugesetze enthalten in der Regeldifferenzierte Bestimmungen zum Schutz desOrts- und Strassenbildes sowie von künstlerischoder historisch wertvollen Bauten und Anlagen,die in ihrer Wirkung erheblich über Art. 8 KRGhinausgehen (vgl. hiezu Kapitel 4.1.1.d). Die sehrunterschiedlichen Vorschriften zur Wahrung derBauästhetik enthalten gewöhnlich entweder gene-relle Einordnungsgebote oder blosse Verunstal-tungsverbote. Daneben findet man in den Bauge-setzen aber auch zahlreiche Spezialbestimmun-gen, welche bestimmte Gestaltungsmerkmale vor-schreiben oder bauliche Massnahmen untersa-gen, die erfahrungsgemäss verunstaltend wirken.

Einordnungsgebote verlangen eine Gestaltung,mit welcher Bauten und Anlagen für sich und inihrem Zusammenhang mit der baulichen undlandschaftlichen Umgebung eine gute Gesamtwir-

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kung erreichen. Solche Gebote können neben ei-ner guten architektonischen Gestaltung eine blos-se Bezugnahme auf die Umgebung (so z.B. D/E 14,FLI 67, HAL 6, IGIS 45, MAD 18, MAI 28, MAL 8, SIL74, St.M 39, SUS 15, THU 19; MBauG 22) oder eineAnpassung (so z.B. ARO 5, CEL 38, FEL 68, FLÄ 21,ILA 9) verlangen und damit den Bauwilligen zurÜbernahme der in der Nachbarschaft vorhande-nen Bauformen verpflichten.

Im Gegensatz zu den Einordnungsgeboten verlan-gen Verunstaltungsverbote keine Bezugnahmeder Bauvorhaben auf oder Anpassung an die Um-gebung. Sie begnügen sich damit, Bauten undAnlagen zu untersagen, die bezüglich Situierung,Massstäblichkeit, Materialwahl oder Farbgebungverunstaltend wirken oder das Orts- und Land-schaftsbild verunstalten (so z.B. PON 40).

Spezialbestimmungen im Interesse der Bauästhe-tik enthalten vor allem Vorschriften über die äusse-re Erscheinung von Bauten und Anlagen. Sie kön-nen positive Anordnungen (z.B. in bezug auf dieGestaltung einzelner Bauteile, die Materialwahlund die Farbgebung) oder auch Verbote (z.B. be-stimmter Bautypen oder Materialien) enthalten.Zum Kreis solcher Einzelanordnungen zählen etwaBestimmungen der Baugesetze über das Propor-tionsmass von Gebäuden (MAL 43, OBE 62), dasVerbot von Reihenhäusern (FLI 67), die Gestaltungvon Dächern (ARO 58/59, CEL 40, FLÄ 22, HAL 42,IGIS 43, MAD 19, PON 41, SAM 45, SIL 75, THU 20),die Gestaltung von Balkonen (CEL 41, MAD 20), dieForm und Grösse von Fenstern oder die Verwen-dung bestimmter Baumaterialien (SIL 76).

Ästhetikklauseln können Erneuerungsvorhabenohne Zweifel komplizieren und erschweren. Diesgilt vor allem für Einzelanordnungen, welche neu-en Bauformen und Materialien in der Regel keinengenügenden Raum lassen. Sofern auf Einzel-anordnungen nicht überhaupt verzichtet wird,sollten Gebote und Verbote zumindest mit Aus-nahmemöglichkeiten versehen werden, welchefür besondere Situationen angepasste Lösungengestatten (vgl. z.B. SUS 16). Ganz allgemein sinddaher ästhetische Generalklauseln Spezialbestim-mungen vorzuziehen, welche sich auf Siedlungs-erneuerungen weniger hemmend auswirken undErneuerungsvorhaben sogar unterstützen kön-nen. Dies gilt vor allem dann, wenn zwingend einBauberater zur gestalterischen Beurteilung derBauvorhaben beizuziehen ist (so z.B. D/E 14, SUS15, MAD 18; in diesem Sinn auch MBauG 22).

e) Ausführung von Bauten und AnlagenNach Art. 12 KRG haben die Gemeinden Vorschrif-ten über die Ausführung von Bauten und Anlagenzu erlassen. Unabhängig davon gelten die Bestim-mungen von Art. 11 und 13 KRG, die weiternkantonalen Spezialbestimmungen sowie die bun-desrechtlichen Vorschriften, insbesondere dieVorschriften über den Umweltschutz (vgl. dazuKapitel 3, 4.1.1.e, 4.5 und 4.6).

Die Gemeindebaugesetze enthalten in der Regeleine Generalklausel über die Ausführung von Bau-ten und Anlagen. Daneben treffen viele Gesetzeaber auch Einzelanordnungen für bestimmte Ar-ten von Bauten, für besondere Bauteile oder fürbestimmte Räume.

Viele Generalklauseln gehen in ihrer Wirkungkaum über Art. 11 KRG hinaus. Sie begnügen sichmit der Anordnung, dass Bauten und Anlagennach den anerkannten Regeln der Baukunde in dernötigen Sicherheit und Festigkeit zu erstellen undstets in gutem Zustand zu halten sind (so z.B. FEL69, FLÄ 27, FLI 92, IGIS 84, ILA 77, OBE 103). Oftgehen Generalklauseln aber auch weiter, indemverlangt wird, dass Bauten und Anlagen so auszu-führen sind, dass sie die Luft und Gewässer mög-lichst wenig beeinträchtigen und dass auf die Na-tur und das Wohlbefinden der Bewohner Rücksichtzu nehmen ist. Auch in solchen Generalklauselnwird regelmässig die Einhaltung der anerkanntenRegeln der Baukunde und namentlich der gel-tenden gesundheits-, feuer- und gewerbepolizei-lichen Bestimmungen sowie der Vorschriften desArbeitsrechtes, der Energie-, der Gewässerschutz-und der Umweltschutzgesetzgebung gefordert (soz.B. D/E 22, MAD 31, SUS 24; MBauG 36).

Die in den Baugesetzen anzutreffenden Einzelan-ordnungen gehen in ihrer Wirkung gewöhnlichweiter als Art. 11 KRG. Verbreitet sind z.B. Vor-schriften über die Ausführung von Wohn- undArbeitsflächen (vgl. z.B. CEL 49, D/E 23, IGIS 84,MAD 32, SAM 88, SIL 84, St.M 65, SUS 25, THU 32wie auch MBauG 37). Weniger häufig sind dage-gen Bestimmungen über Mindestmasse von Er-schliessungsflächen (so z.B. MAD 32, St.M 66) odervon Fensterflächen (so z.B. IGIS 84, St.M 64). Zuden Einzelanordnungen zählen ferner die Bestim-mungen über den Energiehaushalt, welche jedochselten über die Mindestanforderungen des kanto-nalen Rechts hinausgehen (so wohl SIL 85, St.M61). Die meisten Gemeinden begnügen sich inAnlehnung an das Musterbaugesetz (MBauG 38)

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mit einem Verweis auf die kantonalen Vorschriften(vgl. MAD 33, SUS 26, THU 33). Die meisten neue-ren Baugesetze enthalten zudem eine für Erneue-rungsvorhaben wichtige Ausnahmebestimmung,welche gestattet, dass für Nachisolationen an be-stehenden Bauten von Grenz- und Gebäude-abständen, Gebäude- und Firsthöhen sowie vonGebäudelängen und allfälligen Baulinien abge-wichen werden darf (vgl. hiezu MBauG 38).

Zu erwähnen sind schliesslich Einzelanordnungender Gemeinden bezüglich Kinderspielplätze undNebenräume bei Wohnsiedlungen oder Mehrfa-milienhäusern (vgl. z.B. CEL 52, D/E 24, PON 67,FEL 34, OBE 64, V/O 39 und allgemein MBauG 49).

Die Vorschriften über die Ausführung von Bautenund Anlagen gelten nicht bloss für Neubautensondern auch für Bauvorhaben an bestehendenBauten (vgl. hiezu Kapitel 5.1.2. a). Einzelne Bauge-setze schreiben die Anpassung bestehender Bau-ten und Anlagen an die geltenden Vorschriften imZuge von Umbauten und Renovationen ausdrück-lich vor, lassen jedoch gleichzeitig in besonderenFällen, namentlich für geschützte und erhaltens-werte Bauten und Anlagen, Ausnahmen zu (so z.B.MAD 31, SUS 24, THU 31; in gleichem Sinn auchMBauG 36).

Kommunale Vorschriften über die Ausführung vonBauten und Anlagen können zweifellos Erneue-rungsvorhaben erschweren. Unnötige Einschrän-kungen werden jedoch gewöhnlich nur von Einzel-anordnungen ausgehen, welche keine Ausnah-men für besondere Fälle vorsehen oder welche ansich nicht mehr zeitgemäss sind. Anderseits liegenjedoch Vorschriften über die Ausführung von Bau-ten und Anlagen und insbesondere die Pflicht zurAnpassung bestehender Bauten und Anlagen ge-rade auch im Interesse der Siedlungserneuerung,fördern sie doch eine stete Anpassung der Gebäu-de an die Bedürfnisse der heutigen Bewohner.

f) VerkehrsanlagenDie kommunalen Baugesetze enthalten gewöhn-lich eine ganze Reihe von Artikeln mit Bestimmun-gen über Verkehrsanlagen. Diese reichen von denArt. 13 KRG konkretisierenden Vorschriften überdie notwendige Anzahl Abstellplätze für Motor-fahrzeuge, Anordnungen bezüglich Zu- und Aus-fahrten, Vorplätze und Rampen bis hin zu allgemei-nen Bestimmungen über die Verkehrssicherheit.Selten sind dagegen Bestimmungen über Abstell-flächen für Fahrräder (vgl. hiezu MBauG 33a).

Die allgemeinen Vorschriften über die Verkehrssi-cherheit (vgl. z.B. CEL 60, MAI 90, SUS 21, THU 25wie auch MBauG 29) sind für die Siedlungserneue-rung kaum von Belang. Die Vorschriften über Auto-abstellplätze sind dagegen von grosser Bedeu-tung, da die gesetzlich vorgeschriebenen Parkplät-ze nicht nur bei Neubauten sondern auch bei we-sentlichen Umbauten, Erweiterungen und Zweck-änderungen geschaffen werden müssen, sofernsie nicht bereits vorhanden sind (Art. 13 KRG; FEL74, IGIS 97, SIL 63, THU 27, V/O 45; MBauG 31).

Die Vorschriften über Autoabstellplätze verursa-chen vor allem bei Erneuerungsvorhaben in histo-risch gewachsenen Siedlungskernen erheblicheSchwierigkeiten, da in diesen Gebieten die räum-lichen Verhältnisse oder Schutzmassnahmen imInteresse des Ortsbildes die Bereitstellung vonAutoabstellplätzen erschweren oder sogar aus-schliessen. Für solche Fälle sehen daher etlicheBaugesetze die Erhebung von Ersatzabgaben vor(so z.B. ARO 80, FLÄ 31, SIL 65, THU 28, D/E 38;siehe auch MBauG 32). Ergänzend zu möglichenErsatzabgaben oder als Alternative schreiben ein-zelne Baugesetze mitunter auch die Beteiligungdes Pflichtigen an einer privaten oder öffentlichenGemeinschaftsanlage vor (so z.B. ARO 79/80, CEL61, MAI 22).

Ersatzabgaben und gesetzliche Verpflichtungenzur Beteiligung an Gemeinschaftsanlagen könnendie negativen Auswirkungen von Parkplatzvor-schriften auf Erneuerungsvorhaben mildern. Be-friedigende Lösungen des Parkplatzproblems inSiedlungen, welche vor dem allgemeinen Auf-kommen des Motorfahrzeugsverkehrs entstandensind, lassen sich jedoch meist nur über entspre-chende Parkraumplanungen über ganze Quartiereerreichen. Art. 17 Abs. 3 und Art. 31 Abs. 2 MBauGsehen daher entsprechende Planungen über denGenerellen Erschliessungsplan vor.

Erneuerungsvorhaben können nicht bloss durchVorschriften über Pflichtparkplätze, sondern auchdurch Vorschriften über die Anordnung der Ab-stellflächen erschwert werden. So schreibenetwa Baugesetze in Anlehung an Art. 33 MBauGvor, dass wertvolle Baumbestände und Gärtensowie für das Ortsbild bedeutsame Innenhöfe,Plätze und dgl. nicht für den Bau von Abstellplätzenbeseitigt oder beansprucht werden dürfen (so z.B.D/E 38, MAI 22, OBE 87). Zahlreiche Baugesetzeverlangen ferner die Unterbringung der Dauer-parkplätze oder eines bestimmten Anteils der ge-

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setzlich vorgeschriebenen Parkplätze in Einstell-hallen oder Garagen (vgl. z.B. MAD 45, SIL 63, St.M79, THU 27; in diesem Sinn auch MBauG 33). Allediese Vorschriften mögen zwar im Einzelfall Er-neuerungsvorhaben erschweren, doch stehen siegleichzeitig auch ausgesprochen im Interesse derSiedlungserneuerung, ist diese doch auf eine qua-litative Verbesserung bestehender Quartiere aus-gerichtet.

Schliesslich sind im Zusammenhang mit Verkehrs-anlagen auch die häufig vorkommenden Vorschrif-ten über Zu- und Ausfahrten sowie über Rampenund Vorplätze von Parkierungsanlagen zu erwäh-nen, welche Erneuerungsvorhaben ebenfalls er-schweren können. In der Regel sehen jedoch sol-che Vorschriften für besondere Fälle Ausnahmenvor (vgl. z.B. CEL 62, D/E 37, IGIS 96, MAI 92, SIL 62,MAD 44 und MBauG 30). Es sind aber auch starreVorschriften anzutreffen, welche keine Ausnah-men zulassen (vgl. z.B. FLI 101, FEL 75, FLÄ 30,SAM 66).

5.1.3 Zonenvorschriften

Nach Art. 24 KRG bestimmen die Gemeinden fürdie Bauzonen Art und Mass der Bodennutzung, dieBauweise und die Immissionsbeschränkungen.Die Gemeindebaugesetze legen daher regelmäs-sig die für die verschiedenen Arten von Bauzonengeltenden Nutzungsbeschränkungen (Zonen-zweck) und die in den einzelnen Zonen einzuhal-tende Regelbauweise in einem Zonenschema fest.Darin wird gewöhnlich auch der zulässige Stö-rungsgrad von Betrieben (ältere Baugesetze ver-wenden noch den Begriff des Emissionsgrades) inden verschiedenen Bauzonen bestimmt. EinzelneBaugesetze enthalten schliesslich Bestimmungen,welche in allen oder bestimmten Bauzonen An-wendung finden, so etwa Vorschriften über Wohn-anteile, Erstwohnungsanteile, Einkaufszentrenoder andere Grossbauten und Anlagen. Für dieSiedlungserneuerung sind vor allem der Zonen-zweck, allfällige Wohnanteile oder Erstwohnungs-anteile sowie die Regelbauweise von Interesse.Auf diese Vorschriften ist daher im folgenden nä-her einzugehen.

a) ZonenzweckNach Art. 25 KRG kann die Bauzone in Kernzonen,Wohnzonen, Wohn-Gewerbezonen, Gewerbezo-nen und Industriezonen unterteilt werden. Art. 26KRG sieht ferner die Ausscheidung von Kurzonen

vor. Mit der Ausscheidung verschiedener Artenvon Bauzonen sollen, wie sich Art. 25 und 26 KRGunschwer entnehmen lässt, vorab Immissionskon-flikte zwischen unterschiedlichen Baunutzungenausgeschlossen werden. Die Aufteilung der Bau-zone in Zonen mit unterschiedlichen Zweckbe-stimmungen dient darüber hinaus aber auch derSicherung des Flächenbedarfes für bestimmteNutzungen, welche gefördert oder geschützt wer-den wollen. Die Baugesetze enthalten daher regel-mässig eine breite Palette unterschiedlicher Bau-zonen, deren Zweckbestimmung eng oder weitgefasst sein kann.

Siedlungserneuerungen erfordern, wie einleitenddargelegt (vgl. Kapitel 1), oft auch eine Anpassungüberalterter Quartiere an die durch gesellschaftli-che und wirtschaftliche Entwicklung gewandeltenFlächenansprüche. Es liegt auf der Hand, dassZonenvorschriften, welche den Zweck einer Bau-zone sehr eng umschreiben, Erneuerungsvorha-ben eher behindern können, als weit gefasste Vor-schriften, welche die für Siedlungserneuerungennotwendige Anpassungsfähigkeit aufweisen. Sostossen etwa Verdichtungsbestrebungen in Einfa-milienhauszonen schnell an ihre Grenzen. Aberauch die Umnutzung von stillgelegten Gewerbe-und Industriebauten kann rasch an einem gesetz-lich festgelegten Zonenzweck scheitern. Bei derÜberprüfung von Baugesetzen sind daher die Be-stimmungen über den Zonenzweck besonderssorgfältig zu prüfen.

In den Bündner Baugesetzen ist der Zweck derverschiedenen Bauzonen gewöhnlich eher weitgefasst. Dies gilt vor allem für die Kernzonen undDorfzonen, welche als Mischzonen regelmässigWohnnutzungen sowie Dienstleistungs- und Pro-duktionsbetriebe mit einem Störungsgrad 2 (mäs-sig störend) zulassen. Einzig Landwirtschaftsbe-triebe werden in den Kern- und Dorfzonen hin undwieder ausgeschlossen (vgl. z.B. SIL 18, so auchMBauG 52–54). Auch in den Wohnzonen werdenüblicherweise neben Wohnnutzungen ganz allge-mein Dienstleistungs- und Produktionsbetriebeals zulässig erklärt, sofern sie den Störungsgrad 1(nicht störend) nicht überschreiten (vgl. z.B. D/E 47,IGIS 21, MAI 37, SIL 20 und MBauG 55). Vorschrif-ten, wonach in Wohnzonen nur ein bestimmter Typvon Wohnbauten (Einfamilienhäuser, Doppelein-familienhäuser, Chalets etc.) erstellt werden dür-fen, sind eher selten (vgl. etwa FAL Zonenschema).Auch die Gewerbe- und Wohnzonen lassen in derRegel als typische Mischzonen Wohnnutzungen

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und gewerbliche Nutzungen bis zum Störungs-grad 2 zu. Zum Schutz der gewerblichen Nutzun-gen werden allerdings oft die Wohnflächen aufeinen prozentualen Anteil der Bruttogeschossflä-che begrenzt (vgl. z.B. CEL 71, D/E 48 und MbauG56). Solche Einschränkungen sind zum Schutz ge-werblicher Nutzungen grundsätzlich zu begrüs-sen, schränken natürlich aber auch den Spielraumfür Siedlungserneuerungen ein. Eher eng um-schrieben werden meist die möglichen Nutzungenin den Gewerbe- und Industriezonen. Diese Zonenwerden vorab Produktionsbetrieben vorbehaltenund lassen Wohnraum nur in sehr engen Grenzenund andere Nutzungen überhaupt nicht zu (vgl. zB.D/E 49/50, IGIS 22/23, THU 60/61 und MBauG 57/58).

b) Wohnanteile und ErstwohnungsanteileWohnanteile dienen dem Schutz von Wohnraumin Kernzonen oder in zentrumsnahen Wohnzonen,in denen die Gefahr besteht, dass wertvollerWohnraum durch lukrativere gewerbliche Nutzun-gen verdrängt wird. Wohnanteile sind nicht nur beiNeubauten sondern auch bei wesentlichen Um-bauten und Erweiterungen einzuhalten. Vorschrif-ten über Wohnanteile können daher Siedlungser-neuerungen zweifellos erschweren. Gleichzeitigkönnen sie aber auch Garant für die heute imPlanungsrecht vermehrt angestrebte Nutzungs-durchmischung sein. Die Verträglichkeit vonWohnanteilsregelungen mit Erneuerungsvorha-ben hängt daher mehr davon ab, wie flexibel An-teilsregelungen ausgestaltet sind und wie leichtsich z.B. die Anteile über mehrere Grundstückeoder innerhalb eines Quartiers verlegen oder zu-sammenfassen lassen (vgl. hiezu z.B. CHUR 48terund allgemein MBauG 47).

Erstwohnungsanteile (Hauptwohnungsanteile)dienen dem Schutz der Wohnbedürfnisse der orts-ansässigen Bevölkerung in touristisch bedeut-samen Gebieten. Erstwohnungsanteile werden inder Regel für Kernzonen, Dorfzonen und Wohn-zonen festgelegt und sind nicht bloss bei Neubau-ten sondern auch bei wesentlichen Umbauten undErweiterungen bestehender Gebäude einzuhal-ten. Auch Erstwohnungsanteile können Erneue-rungsvorhaben erheblich erschweren, gleichzeitigaber auch z.B. bei schutzwürdigen Bauten unsach-gemässe Erneuerungen durch Übernutzung vonGebäuden verhindern. Auch bei Erstwohnungsan-teilen hängt die Verträglichkeit mit Erneuerungs-vorhaben weitgehend von einer flexiblen Ausge-staltung der Vorschriften ab. So können insbeson-

dere Bestimmungen über die Verlegung oder Zu-sammenfassung von Erstwohnungsanteilen undüber den Einbezug von bestehendem Wohnraumin die Anteilsberechnung wesentliche Erleichte-rungen schaffen. Die meisten Baugesetze, welcheErstwohnungsanteile vorschreiben, lassen daherdie Zusammenfassung oder Verlegung von Haupt-wohnungsanteilen zu (vgl. z.B. SIL 47, PON EWAG3, V/O 48.1; in diesem Sinn auch MBauG 48).Einzelne Baugesetze gestatten darüber hinausauch den Einbezug bestehenden Wohnraumes indie Anteilsberechnung, sofern der betreffendeWohnraum den Nutzungsbeschränkungen fürErstwohnungen unterstellt wird (vgl. z.B. BEV 43,MAD 50). Schliesslich kann in einzelnen Gemein-den die Pflicht zur Bereitstellung von Erstwoh-nungsanteilen auch durch Bezahlung einer Ersatz-abgabe abgegolten werden (vgl. z.B. SIL 47).

c) BauweiseNach Art. 24 KRG haben die Gemeinden für dieBauzonen die Bauweise zu bestimmen. Die Vor-schriften über die Bauweise befassen sich mit derErscheinung von Gebäuden, namentlich mit derFrage, ob geschlossene, halboffene oder offeneÜberbauungen zulässig oder vorgeschrieben sind(DILGER, § 2, N 100, Seite 59). Zur Bauweise imweiteren Sinne gehören neben Anordnungen übergeschlossene, halboffene oder offene Überbau-ung auch Vorschriften über die Gebäude- und First-höhen sowie die Gebäudelängen und Gebäudetie-fen (vgl. hiezu nachfolgend lit.e).

Vorschriften über die geschlossene Bauweise be-einträchtigen Erneuerungsvorhaben kaum, sofernnicht das Baugesetz die geschlossene Bauweisezwingend vorschreibt. Grössere Auswirkungenauf die Siedlungserneuerung haben dagegen Be-stimmungen, welche für bestimmte Bauzonenausschliesslich die offene Bauweise zulassen. Da-mit wird in solchen Zonen nicht bloss die geschlos-sene, sondern auch die halboffene Bauweise aus-geschlossen, welche sich für Verdichtungen nachinnen besonders gut eignet.

Vorschriften über die Bauweise im engeren Sinnefinden sich nicht in allen Bündner Baugesetzen.Baugesetze, welche sich damit befassen, enthal-ten in der Regel bloss Bestimmungen über diegeschlossene und offene Bauweise. Die geschlos-sene Bauweise wird gewöhnlich nur für Kern- undDorfzonen vorgesehen oder von einer Quartierpla-nung abhängig gemacht (vgl. z.B. DAV 65/88, D/E44-46, LAAX 21, PON 38, SAM 46, THU 67; in

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diesem Sinn auch MBauG 62/63), wobei Verpflich-tungen zur geschlossenen Bauweise selten sind(vgl. z.B. D/E 44). Vorschriften über eine verpflich-tende offene Bauweise sind eher anzutreffen (vgl.z.B. LAAX 21). Vorschriften über die halboffeneBauweise dagegen kennen lediglich neuere Bau-gesetze (so z.B. MAS 46/47). Ältere Erlasse enthal-ten mitunter aber vergleichbare Bestimmungenüber die Gruppenbauweise oder Reihenhäuser(vgl. z.B. DAV 65, D/E 47, MAL 23). Auch wenn nurvereinzelte Baugesetze Vorschriften über die halb-offene Bauweise oder vergleichbare Vorschriftenenthalten, kann diese raumsparende Bauweisenur in Gemeinden als ausgeschlossen gelten, wel-che die offene Bauweise ausdrücklich vorschrei-ben oder maximale Gebäudelängen festlegen,welche eine halboffene Bauweise ausschliessen.Längenbeschränkungen, welche eine halboffeneBauweise ausschliessen, sind verbreitet. Die mei-sten Baugesetze lassen jedoch bei Quartierplanun-gen Ausnahmen von Gebäudelängen zu, weshalbeine halboffene Bauweise dennoch über eineQuartierplanung (vgl. hiezu Kapitel 5.1.6) ermög-licht werden kann, falls das betreffende Baugesetznicht allgemein die offene Bauweise vorschreibt.Das Musterbaugesetz BVR sieht im Interesse künf-tiger Siedlungserneuerungen neben der offenenBauweise generell auch die halboffene Bauweisevor (vgl. hiezu MBauG 62/64).

d) NutzungsziffernArt. 24 KRG verpflichtet die Gemeinden, in denBauzonen das Mass der Bodennutzung festzule-gen. Dies kann durch den Erlass von Nutzungszif-fern (Ausnützungsziffern, Überbauungsziffern,Baumasse- bzw. Volumenziffern, Freiflächenzif-fern) geschehen. Möglich sind jedoch auch gestal-terische Anordnungen über den Generellen Ge-staltungsplan oder der Erlass weitergehenderBauvorschriften, welche anstelle von Nutzungszif-fern das Mass der Bodennutzung bestimmen.

Nutzungsziffern haben Ordnungsfunktionen unddienen der Wohnhygiene (DILGER § 2, N 74, Seite54). Sie sind Planungsinstrumente, welche aufNeubaugebiete zugeschnitten sind. Hier erleich-tern sie die richtige Dimensionierung von Infra-strukturanlagen und Anlagen der Ausstattung. Sieerlauben ferner verlässliche Prognosen über die zuerwartende Zahl künftiger Einwohner oder Be-schäftigten. Demgegenüber lässt sich das richtigeMass der Bodennutzung in bereits überbautenGebieten oft nur schwer bestimmen, vor allemdann, wenn diese eine heterogene Struktur und

Bauten von unterschiedlicher Grösse und Qualitätaufweisen. In solchen Gebieten können daher Nut-zungsziffern zu Schwierigkeiten und erheblichenNachteilen bei Erneuerungsvorhaben führen. Sol-che Nachteile lassen sich indessen vermeiden,wenn anstelle von Nutzungsziffern flexiblere Vor-schriften erlassen werden, welche die Ausrichtungdes Bauvolumens von Umbauten oder Ersatzbau-ten auf das quartierübliche Mass vorschreiben.

Anders liegen die Dinge jedoch in schwach genutz-ten Gebieten mit überaltertem Baubestand, fürwelche eine Flächensanierung notwendig wäre. Insolchen Gebieten können durch die Festlegunghöherer Nutzungsdichten Anreize für eine Neu-überbauung des ganzen Gebietes geschaffen wer-den. In Gebieten mit wertvoller Bausubstanz an-derseits werden etwa auch tiefere Nutzungsziffernfür Neubauten festgelegt, um die Erhaltung derwertvollen Bausubstanz zu gewährleisten.

Nutzungsziffern können daher die Erhaltung undErneuerung von Siedlungen erschweren, unterUmständen aber auch erleichtern. Die Erschwe-rung objektbezogener Erneuerungsvorhabenhängt zudem wesentlich von der Ausgestaltungder verschiedenen Nutzungsziffern und mögli-chen Ausnahmen in besonderen Fällen ab.

In den Gemeindebaugesetzen wird das Mass derBodennutzung in Anlehnung an das Musterbauge-setz BVR (MBauG 65) gewöhnlich durch den Erlassvon Ausnützungsziffern festgelegt (vgl. ARO 56,DAV 45, D/E 73, IGIS 33–36, SAM 34, THU 68).Überbauungsziffern und Freiflächenziffern kom-men praktisch nicht vor. Baumasseziffern sind sel-ten (vgl. z.B. SIL 92). Das Musterbaugesetz BVRempfiehlt Baumasseziffern höchstens für Indu-striezonen (vgl. MBauG 67).

Zahlreiche Gemeinden erlassen heute in Kern- undDorfzonen anstelle von Ausnützungsziffern Ge-staltungsvorschriften, welche die räumliche Aus-dehnung von Bauten bestimmen und die Anpas-sung des Bauvolumens an umliegende Bautengewährleisten (so z.B. CEL 68, D/E 43–46, ILA 22,MAD 51, SAM 20, SIL 18, SUS 39). Auch für Gewer-be- und Industriezonen werden öfters keine Aus-nützungsziffern festgelegt (vgl. z.B. D/E 65, IGIS 17,THU 66).

Die in den Baugesetzen festgelegte Ausnützungs-ziffer darf allgemein sowohl bei Neubauten, alsauch bei wesentlichen Umbauten und Erweiterun-

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gen nicht überschritten werden. Einzelne Bauge-setze sehen jedoch für besondere, förderungswür-dige Zwecke Erhöhungen (so z.B. DAV 46ter) aberauch Ermässigungen für unerwünschte Zweckevor (so z.B. St.M 69). Häufiger wird die Ausnüt-zungsziffer bloss zur Förderung bestimmter Artenvon Nutzflächen (z.B. Gemeinschaftsräume, Ne-benräume, Erschliessungsflächen) verwendet.Dies geschieht in der Regel über die Nichtanrech-nung einzelner Flächen bei der Berechnung derAusnützungsziffer. Verbreitet sind solche Ausnüt-zungsvorteile vor allem zugunsten von traditionel-len Hotelbetrieben (vgl. z.B. CEL 87, MAD 58, V/O 62).

Kaum anzutreffen sind in den Baugesetzen mini-male Ausnützungsziffern. Gerade über minimaleAusnützungsziffern kann aber ein gesetzlicherZwang zur Verdichtung und damit zur Entwicklungbestehender Siedlungen nach innen geschaffenwerden. Das Musterbaugesetz BVR (MBauG 62/65)empfiehlt seit der Neugestaltung von 1988 dieAufnahme minimaler Ausnützungsziffern in dieBaugesetze, bisher allerdings ohne grossen Er-folg.

Schliesslich können Erneuerungsvorhaben inüberbauten Gebieten unter Umständen auchdurch Nutzungsübertragungen erleichtert wer-den. Nutzungsübertragungen sind nach der Praxisdes kantonalen Verwaltungsgerichtes auch ohneentsprechende baugesetzliche Vorschrift zwi-schen unmittelbar benachbarten Grundstückeninnerhalb der gleichen Bauzone zulässig (PVG1972 Nr. 27, 1979 Nr. 43 und 1982 Nr. 13). Diemeisten Baugesetze sehen solche Nutzungsüber-tragungen zwischen angrenzenden Grundstückeninnerhalb der gleichen Bauzone aber ausdrücklichvor (vgl. z.B. ARO 56, D/E 74, IGIS 35, MAD 59, THU69; MBauG 66). Weitergehende Nutzungsübertra-gungen sind dagegen in den Baugesetzen seltenanzutreffen (vgl. etwa CEL 88).

e) GebäudemasseArt. 22 KRG überlässt es den Gemeinden, entspre-chend den örtlichen Gegebenheiten Vorschriftenüber die äusseren Abmessungen von Bauten zuerlassen. Bestimmungen über die zulässige Bau-höhe, Gebäudelänge und Gebäudetiefe besitzenin erster Linie ordnungspolizeilichen Charakter,haben aber auch eine erhebliche Bedeutung fürdie Gestaltung der Bauten. Auch Geschosszahl-beschränkungen sind geeignet, die zulässige Ge-bäudehöhe und die Ausnützung von Baugrund-stücken zu begrenzen.

Vorschriften über die Gebäude- und Firsthöhenwie auch Geschosszahlbeschränkungen sind fürdie Einheit einer Siedlung von grosser Bedeutung.Obschon Höhenbeschränkungen Erneuerungs-vorhaben erschweren und vertikale Erweiterun-gen verunmöglichen können, rechtfertigen sichausserhalb von Flächensanierungen mit entspre-chender Änderung der Regelbauweise keine Aus-nahmen für Erneuerungsvorhaben. Demgegen-über haben Beschränkungen der Gebäudelängeund Gebäudetiefe mehr lokale Bedeutung für dieunmittelbar betroffenen Quartiere. Der Verzichtauf Längenbeschränkungen oder die Gewährungvon Ausnahmen bei Erneuerungsvorhaben lassensich daher viel eher rechtfertigen. Beschränkun-gen der Gebäudelänge oder Gebäudetiefe sindfolglich einer besonderen Überprüfung zu unter-ziehen, da sie nicht bloss Erweiterungsvorhaben,sondern auch zeitgemässe Bauformen (z.B. Dop-pelhäuser; Reihenhäuser) unnötigerweise aus-schliessen können.

Die maximal zulässigen Gebäudehöhen werden inden Gemeindebaugesetzen in der Regel mit Hilfevon Metermassen festgelegt. Gelegentlich werdenzusätzlich zur Gebäudehöhe auch Geschosszahl-beschränkungen erlassen (vgl. z.B. ARO 51/52,CHUR 42, HAL 16, ILA 45, PON 30/36, SAM 33,SUS 39). Geschosszahlbeschränkungen ohnegleichzeitige Festlegung der Gebäudehöhe sinddagegen selten anzutreffen (vgl. etwa PIT 24).Überschreitungen der maximal zulässigen Gebäu-dehöhe werden in den Baugesetzen gewöhnlichnicht gestattet. Vereinzelt werden etwa Mehrhö-hen bei besonderen Arten von Bauten zugelassen(vgl. z.B. PUNT 65).

Die horizontale Ausdehnung von Gebäuden wirdin den Baugesetzen gewöhnlich nur durch Vor-schriften über die Gebäudelänge beschränkt. Ein-schränkungen der Gebäudetiefe sind eher seltenanzutreffen (so z.B. DAV 57, LAAX 47, PON 35).Einzelne Baugesetze setzen keine maximale Ge-bäudelänge fest, schreiben jedoch für Gebäude abeiner bestimmten Länge Mehrlängen auf denGrenzabständen vor (vgl. z.B. FLI 63, IGIS 41, THU71). Kaum ein Baugesetz enthält gar keine Vor-schriften über die Gebäudelänge. Erst die jüngsteGeneration von Baugesetzen verzichtet in Anleh-nung an das Musterbaugesetz BVR (MBauG 69) aufBeschränkungen der Gebäudelänge bei halboffe-ner Bauweise (so z.B. SUS 42).

Ausnahmen von Gebäudelängen für besondereFälle sind in den Baugesetzen kaum anzutreffen.

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Werden Abweichungen zugelassen, sind in derRegel Mehrlängenzuschläge auf den Grenzabstän-den einzuhalten (so z.B. MAI 20). Einzelne Bauge-setze schreiben ausserdem ab einer bestimmtenGebäudelänge die Staffelung der Fassaden vor(vgl. z.B. ILA 36, LAAX 46).

f) AbstandsvorschriftenArt. 22 Abs. 1 Ziff. 4 lit.b KRG ermächtigt dieGemeinden zum Erlass von Vorschriften über dieBauabstände. In den Baugesetzen finden sich da-her regelmässig Bestimmungen über Grenz- undGebäudeabstände sowie über den Abstand vonGewässern. Darüber hinaus regeln die Gemeindenauch die Bauabstände vom Wald (Art. 22 Abs. 1KWaG). Die Regierung legt immerhin die Minimal-abstände gegenüber dem Hochwald und Nieder-wald in den Ausführungsbestimmungen zumWaldgesetz fest (Art. 22 Abs. 2 KWaG). Die Ge-meinden können daher lediglich gleiche oder grös-sere nicht aber kleinere Waldabstände festlegen.

Grenz- und Gebäudeabstände sind für die Wohn-und Arbeitshygiene (Belichtung, Besonnung undBelüftung sowie Aussicht und Verhinderung vonSchattenwurf) bedeutsam (PVG 1988 Nr. 19). Dar-über hinaus dienen sie auch weiteren raumplane-rischen Zielen (Gestaltung, Baudichte) und ande-ren öffentlichen Interessen (z.B. Feuerpolizei). DerSinn von Waldabstandsvorschriften besteht imSchutz des Waldes sowie der am Waldrand gelege-nen Bauten (PVG 1981 Nr. 54).

Gewässer- und Waldabstandsvorschriften sind fürSiedlungserneuerungen von untergeordneter Be-deutung und daher hier nicht weiter zu behandeln.Grenz- und Gebäudeabstandsvorschriften dage-gen können Erneuerungsvorhaben erheblich be-hindern, weshalb sich eine nähere Betrachtungaufdrängt.

Die Baugesetze enthalten recht unterschiedlicheRegelungen über Grenz- und Gebäudeabstände.Während einzelne Baugesetze in Übereinstim-mung mit dem Musterbaugesetz BVR (MBauG 70)einen einheitlichen Grenzabstand für alle Fassa-den vorschreiben (vgl. z.B. FLI 40-46, SUS 39),sehen zahlreiche Baugesetze kleine und grosseGrenzabstände vor, welche jeweils an bestimmtenFassaden (vgl. z.B. HAL 29, IGIS 17, SAM 33, SIL 91,THU 66) oder auch nach einer bestimmten Him-melsrichtung oder dem Geländeverlauf (vgl. z.B.BEV 54, MAS 52, V/O 60) einzuhalten sind. Unter-schiedlich grosse Grenzabstände erschweren die

Handhabung des Baugesetzes, ohne dass dadurchviel gewonnen wird, werden doch je nach Grösseund Form der Bauparzellen sowie der Besonnunggegen einzelne Parzellengrenzen ohnehin grösse-re Abstände gewählt. Einheitliche Grenzabständevereinfachen aber nicht nur die Handhabung desBaugesetzes. Sie können auch Erneuerungsvor-haben erleichtern.

Selbst einheitliche Grenzabstände und vor allemdie in den Baugesetzen durchwegs vorgeschriebe-nen Gebäudeabstände zwischen mehreren Bautenauf dem gleichen Grundstück können Erneue-rungsvorhaben unnötig erschweren, zumal dieBaugesetze meistens keine Abweichungen zulas-sen. In manchen Baugesetzen wird zwar eine un-gleiche Verteilung der Grenzabstände über dieGrundstücksgrenze hinweg auf Antrag der betrof-fenen Grundeigentümer gestattet, sofern der Ge-bäudeabstand eingehalten ist (vgl. z.B. FLI 60, HAL29, IGIS 38, SAM 37, V/O 66). Weitergehende Aus-nahmen und insbesondere eine Verkürzung derGrenz- und Gebäudeabstände bilden jedoch eherdie Ausnahme. Nur die neueren Baugesetze lassenin Anlehnung an MBauG 70 die Verkürzung vonGrenz- und Gebäudeabständen auf Antrag derbetroffenen Grundeigentümer zu, sofern dadurchkeine öffentlichen Interessen verletzt werden (vgl.z.B. D/E 68, MAD 62, THU 72, SUS 43). GrössereFreiheiten gewähren demgegenüber die meistenBaugesetze bei der Erstellung von An- und Neben-bauten, für welche in der Regel geringere Grenzab-stände festgelegt werden (vgl. z.B. D/E 71, FLÄ 48,IGIS 38, V/O 67 und MBauG 70).

5.1.4 Gestaltungsvorschriften

Gestaltungsvorschriften können als allgemeineBauvorschriften, welche für das ganze Gemeinde-gebiet gelten oder als Anordnungen erlassen wer-den, welche lediglich Teilgebiete der Bauzone odereinzelne Liegenschaften betreffen. Objektbezoge-ne und flächenbezogene gestalterische Anordnun-gen werden im bündnerischen Recht gewöhnlichim Generellen Gestaltungsplan (Art. 35 KRG undArt. 30 KRVO) und in entsprechenden Bestimmun-gen des Baugesetzes festgelegt. Während in älte-ren Ortsplanungen die Einzelanordnungen über-wiegen, finden sich in jüngeren Planungen ver-mehrt flächenbezogene Vorschriften über einzelneBereiche des Siedlungsgebietes. Die jüngere Pla-nungspraxis bezieht damit auch die Aussenräumevon Bauten in die Planung mitein, welche für die

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Lebensqualität in einer Siedlung so wichtig wie dieBauten selbst sind.

Flächenbezogene Gestaltungsanordnungen wer-den im Baugesetz umschrieben. Ihr räumlicherAnwendungsbereich dagegen wird im GenerellenGestaltungsplan durch die Ausscheidung von«Bereichen» (Gestaltungszonen) räumlich abge-grenzt. Dabei werden entsprechend der gestalteri-schen Zielsetzung Schutzbereiche, Erhaltungsbe-reiche, Anpassungsbereiche, Erneuerungsberei-che, Neugestaltungsbereiche und Freihalteberei-che unterschieden. Der Generelle Gestaltungsplankann neben Bereichen aber auch weitere Anord-nungen enthalten wie Baugestaltungslinien,Schutz- oder Gestaltungsvorschriften für einzelneBauten oder auch planerische Anweisungen wiedie obligatorische Durchführung einer Quartier-planung, einer Erneuerungsplanung, einer Neu-gestaltungsplanung oder von Nutzungsverle-gungen. Da alle diese Anordnungen unterschied-liche Auswirkungen auf Siedlungserneuerungenhaben, ist im folgenden auf die verschiedenenGestaltungsanordnungen näher einzugehen.

a) Schutz-, Erhaltungs- und Anpassungs-bereiche

Schutz-, Erhaltungs- und Anpassungsbereichedienen der Erhaltung von Ortsteilen und Quartie-ren mit erhaltenswerter Bausubstanz. Sie dienendamit in besonderem Mass der Quartierpflege,welche wie in Kapitel 1 dargelegt, zu den mögli-chen Zielen der Siedlungserneuerung gehört. Einweiteres Ziel der Siedlungserneuerung bildet aberauch die qualitative Verbesserung von Stadtteilen,Ortsteilen und Quartieren und deren Anpassungan neue Bedürfnisse. Schutz-, Erhaltungs- undAnpassungsbereiche müssen daher auch für qua-litative Verbesserungen und Anpassungen anneue Bedürfnisse Raum lassen, wenn sie dieseebenso wichtigen Anliegen der Siedlungserneue-rung nicht behindern wollen.

Das Musterbaugesetz BVR geht beim Schutz er-haltenswerter Ortsteile grundsätzlich von einemdreistufigen Schutz- und Gestaltungskonzept aus.Danach sollen Gebiete mit ausserordentlich be-deutsamer Bausubstanz und Ortsstruktur einemSchutzbereich (Art. 92 MBauG) zugewiesen wer-den. Ortsteile mit bloss erheblicher Bedeutungder Bausubstanz sind einem Erhaltungsbereich(Art. 93 MBauG) zuzuordnen. Gebiete dagegen, inwelchen nicht die Bausubstanz als solche, wohlaber die ortsbauliche Struktur von Bedeutung

sind, gehören in einen Anpassungsbereich (Art. 94MBauG). Entsprechend der Zielsetzung diesesdreistufigen Schutz- und Gestaltungskonzeptesgelten in den verschiedenen Bereichen unter-schiedliche Einschränkungen für Erneuerungen,Umbauten und Ersatzbauten. Alle vorgeschlage-nen Einschränkungen lassen jedoch durchwegsVerbesserungen und Anpassungen an geänderteBedürfnisse zu. Lediglich im Schutzbereich mussmit grösseren Einschränkungen gerechnet wer-den.

In den Baugesetzen der Gemeinden wurden bisherbloss vereinzelt Schutz-, Erhaltungs- oder Anpas-sungsbereiche ausgeschieden (vgl. z.B. SIL 40/41,SUS 56/57). Einige Baugesetze kennen jedoch flä-chenbezogene Gestaltungsvorschriften unter an-deren Bezeichnungen wie Gestaltungszonen, An-passungszonen, Einfügungsgebiet, Gestaltungs-gebiet udgl. (vgl. z.B. CEL 14, MAD 10, MAI 48/49).Häufiger sind dagegen Schutzanordnungen fürEinzelobjekte (vgl. dazu Kapitel 5.1.4. e).

b) Erneuerngs- und NeugestaltungsbereicheNach Art. 35 KRG ordnet der Generelle Gestal-tungsplan die Gestaltung und Erhaltung der Bau-ten oder Baugruppen, der Siedlung und der Land-schaft. Die Pläne können die Zahl, die Art, die Lage,die äusseren Abmessungen, die Geschosszahlund allenfalls weitere Einzelheiten von Bauten undAnlagen bestimmen. Der Generelle Gestaltungs-plan gibt daher den Gemeinden die Möglichkeit,nicht nur für die Erhaltung bestehender Ortsteile,sondern auch für künftige neue Bebauungen ge-stalterische Anordnungen zu treffen, und zwar so-wohl für überbaute wie für unüberbaute Gebiete.Im Generellen Gestaltungsplan können daher Be-reiche festgelegt werden, welche die künftigeÜberbauung nach einer vorgegebenen Struktur(Anordnung der Baukörper und Freiräume) undBauweise (äussere Abmessungen, Geschosszahl,Gliederung) in Abweichung von der Regelbauwei-se festlegen. Für unüberbaute Gebiete ist dabei dieangestrebte künftige Überbauungsstruktur undBauweise für die Grundeigentümer verbindlich ineinem Neugestaltungsbereich, für bereits voll-ständig oder teilweise überbaute Gebiete dagegenin einem Erneuerungsbereich festzulegen. DasMusterbaugesetz BVR enthält in der revidiertenFassung von 1995 Vorschläge für die Ausgestal-tung baugesetzlicher Bestimmungen über den Er-neuerungsbereich (Art. 95 MBauG) und den Neu-gestaltungsbereich (Art. 95a MBauG). Der Gene-relle Gestaltungsplan kann daher durch die Aus-

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scheidung von Erneuerungsbereichen unmittel-bar in den Dienst von Siedlungserneuerungen ge-stellt werden. Da die Art der Nutzung von Erneue-rungsgebieten auch bei Erlass von Erneuerungs-bereichen durch den Zonenplan bestimmt wird,sind Siedlungserneuerungen mit dem Instrumentdes Generellen Gestaltungsplanes allein jedochGrenzen gesetzt (vgl. hiezu unten, Kapitel 6.4).

c) FreihaltebereicheDie Qualität von Siedlungen hängt in grossemMasse von den Grünflächen innerhalb der Sied-lungen und den Aussenräumen von Überbauun-gen ab. Die Ausscheidung von Freihalteflächenliegt daher grundsätzlich im Interesse der qualita-tiven Verbesserung der Siedlungen, auch wennsolche Flächen Erneuerungsvorhaben unter Um-ständen verunmöglichen.

Kleinere Freihalteflächen werden in den Ortspla-nungen in der Regel im Generellen Gestaltungs-plan als Freihaltebereiche ausgeschieden (vgl. z.B.CEL 14, PUNT 14). Für grössere Flächen dagegenwerden Freihaltezonen erlassen (vgl. z.B. CEL 75,FAL 23). Freihaltebereiche schliessen in der Regellediglich oberirdische Bauten und Anlagen aus,schränken aber in Bauzonen mit Ausnützungs-ziffer die bauliche Nutzung grundsätzlich nichtein. Freihaltebereiche sind daher ein geeignetesPlanungsmittel für die innere Gliederung vonQuartieren. Sie unterscheiden sich dadurch vonFreihalte- oder Grünzonen, die der Trennung gan-zer Siedlungsteile oder von Quartieren dienen(Art. 28 KRG).

d) BaugestaltungslinienBaugestaltungslinien dienen der Gestaltung desOrtsbildes oder einzelner Strassenzüge sowie derSituierung von Bauten innerhalb der Siedlung. Siedürfen grundsätzlich von Hochbauten nicht über-schritten werden. Wo die Pläne es vorsehen, be-stimmen sie zwingend die Lage von Gebäudenoder Gebäudeseiten. Baugestaltungslinien kön-nen daher Erneuerungsvorhaben beeinträchtigen.Sie können Siedlungserneuerungen aber aucherleichtern, da Baugestaltungslinien allfälligenBauabständen der Regelbauweise vorgehen.

Baugestaltungslinien können im Generellen Ge-staltungsplan oder in Quartierplänen festgelegtwerden. Zahlreiche Baugesetze sehen zudem auchselbständige Baulinienverfahren vor (vgl. z.B. FEL47-50, HAL 45-49, MAD 12-14). Selbständige Bau-linienverfahren werden in der Praxis gewöhnlich

nur für Baulinien zum Schutz von Verkehrsanlagendurchgeführt. Gestaltungsbaulinien werden regel-mässig in Quartierplänen oder in Generellen Ge-staltungsplänen festgelegt (vgl. in diesem SinneMBauG 97).

e) EinzelanordnungenDie Baugesetze und Generellen Gestaltungspläneder Bündner Gemeinden enthalten häufig Gestal-tungsvorschriften für geschützte und erhaltens-werte Bauten und Anlagen, welche in ihren Wir-kungen sehr unterschiedlich sein können. Wie dieSchutz- und Erhaltungsbereiche liegen auch Vor-schriften über geschützte und erhaltenswerte Bau-ten und Anlagen durchaus im Interesse der Sied-lungserneuerung, sofern sie genügend Raum las-sen für Verbesserungen und Anpassungen derBauten an die zeitgemässen Bedürfnisse der Be-nützer. Eine Beurteilung der sehr unterschiedli-chen Regelungen würde den Rahmen der vorlie-genden Untersuchung sprengen. Beispielhaft seijedoch auf einige einschlägige Vorschriften ver-wiesen (vgl. z.B. BEV 12/16, CEL 14/39, FLI 37, MAD10, V/O 29).

f) Weitere AnordnungenNach Art. 30 KRVO können die Gemeinden imGenerellen Gestaltungsplan weitere Anordnun-gen wie die Durchführung von Nutzungsverlegun-gen, Baustandorte, die Quartierplanpflicht und dieBauberatung vorschreiben. Nutzungsverlegun-gen dienen der Schaffung grösserer, zusammen-hängender Freiflächen oder zur Freihaltung vonLandschaftsteilen (Art. 98 MBauG). Sie dienennicht bloss der Gestaltung von Neubaugebieten,sondern stellen ein wichtiges Instrument im Dien-ste von Siedlungserneuerungen dar, können dochdamit auch innerhalb gewachsener Siedlungennotwendige Freiflächen durch Verlegung oder Zu-sammenzug von Nutzungsansprüchen gewonnenwerden. Auch die Festlegung von Baustandortenstellt ein mögliches Instrument zur Planung vonSiedlungserneuerungen dar.

Die Festlegung einer Quartierplanpflicht im Gene-rellen Gestaltungsplan oder im Zonenplan kannebenfalls im Interesse einer Siedlungserneuerungliegen. Sie eignet sich für erneuerungsbedürftigeGebiete, in welchen gebietsbezogene Siedlungs-erneuerungen ohne Änderungen der Grundord-nung durchgeführt werden können. Reichen da-gegen die Mittel der Quartierplanung für eine be-absichtigte Siedlungserneuerung nicht aus, kannim Generellen Gestaltungsplan für bestimmte

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Gebiete als erster Planungsschritt auf Stufe derGrundordnung auch eine Pflicht zur Durchführungeiner Erneuerungsplanung festgelegt werden.(vgl. Art. 16 des Musterbaugesetzes in der revidier-ten Fassung von 1995).

Schliesslich kann auch die Anordnung der obliga-torischen Bauberatung für bestimmte Teilgebieteder Bauzone durchaus im Interesse der Siedlungs-erneuerung liegen, da mit einer Beratungspflichtdetaillierte Gestaltungsvorschriften überflüssigwerden. Die obligatorische Bauberatung für ein-zelne Gebiete ist denn auch in Bündner Baugeset-zen oft anzutreffen (vgl. z.B. SUS 56, BER 4, FLI 33,BEV 65, MBauG 8).

5.1.5 Erschliessungsvorschriften

a) Verkehrs- und VersorgungspläneVerkehrs- und Versorgungspläne werden von denGemeinden in der Regel in der Form des Generel-len Erschliessungsplanes erlassen. Solche Plänekönnen Siedlungserneuerungen beeinträchtigen,falls sie einer beabsichtigten Entwicklung entge-genstehen. Die Überprüfung von Zonenplänenund Generellen Gestaltungsplänen auf ihre Ver-träglichkeit mit beabsichtigten Siedlungserneue-rungen hat sich daher auch auf Verkehrs- undVersorgungspläne zu erstrecken. Verlangen Sied-lungserneuerungen eine Neuplanung oderÄnderungen an der bestehenden Nutzungsord-nung sind gleichzeitig auch die Verkehrs- und Ver-sorgungspläne der angestrebten Entwicklung an-zupassen. In diesem Sinne können sie daher Er-neuerungsvorhaben auch durchaus unterstützen.

b) Baulinien, NiveaulinienBaulinien dienen der Sicherung bestehender odergeplanter Verkehrs- und Versorgungsanlagen. Ni-veaulinien legen die Höhenlage projektierter Ver-kehrsanlagen fest. Baulinien können wie Gestal-tungsbaulinien Erneuerungsvorhaben behindern,unter Umständen aber auch erleichtern, da sieallfälligen Abstandsvorschriften der Regelbauwei-se vorgehen. Niveaulinien erleichtern zweifellosErneuerungsvorhaben, geben sie doch verbindli-chen Aufschluss über die künftige Höhenlage pro-jektierter Verkehrsanlagen. Erneuerungsvorhabenkönnen daher auf den künftigen Verlauf der Ver-kehrsanlagen ausgerichtet werden.

Bau- und Niveaulinien können im Generellen Er-schliessungsplan, in Quartierplänen oder in einem

besonderen Bau- und Niveaulinienverfahren er-lassen werden. Für Bau- und Niveaulinien, welcheim Generellen Erschliessungsplan oder in Quar-tierplänen erlassen werden, gelten die Verfahrens-vorschriften der betreffenden Planungsmassnah-me. Der Erlass selbständiger Bau- und Niveaulini-en fällt üblicherweise in die Zuständigkeit der Bau-behörden (vgl. z.B. FLI 17, IGIS 67, OBE 35, SIL 68,St.M 17, V/O 19). Selbständige Baulinienverfahrenkönnen daher in einem einfachen Verfahren erlas-sen, aufgehoben oder abgeändert werden. Auch inverfahrensrechtlicher Hinsicht eignen sich damitBau- und Niveaulinien durchaus als Planungs-instrument im Interesse von Siedlungserneue-rungen.

c) Beiträge und GebührenErneuerungsvorhaben können Beiträge und Ge-bühren an die von den Gemeinden erstellten Er-schliessungsanlagen auslösen. Erschöpft sich dasErneuerungsvorhaben in einer blossen Renova-tion, sind kaum Erschliessungsabgaben zu erwar-ten. Erweiterungen, durchgehende Sanierungenoder Ersatzbauten lösen jedoch in der Regel eineNachzahlungspflicht auf den von den Gemeindenfür Wasser- und Kanalisationsanschlüsse üblicher-weise erhobenen Anschlussgebühren aus. Beiträ-ge an Verkehrsanlagen dagegen sind ausser beiFlächensanierungen kaum zu erwarten, es seidenn, dass im Zuge der Erneuerung eines Quar-tiers bestehende Erschliessungsanlagen durchge-hend saniert werden.

Nachzahlungen auf den Anschlussgebühren wer-den von den Gemeinden in der Regel auf demdurch das Bauvorhaben geschaffenen Mehrwerterhoben, welcher anhand der amtlichen Schät-zung ermitteltet wird. Zahlreiche Gemeinden ken-nen eine Freigrenze von 10–20%, weshalb nicht derganze durch das Erneuerungsvorhaben geschaffe-ne Mehrwert von der Gebühr erfasst wird. BeiErsatzbauten sind in der Regel die Anschlussge-bühren für Neubauten zu bezahlen, wobei frühergeleistete Anschlussgebühren vom Gebührenbe-trag in Abzug gebracht werden.

Neben Beiträgen und Gebühren an Erschlies-sungsanlagen können bei Erneuerungsvorhabenauch Kosten für allfällige Quartierplanungen so-wie Baubewilligungsgebühren anfallen. Auch die-se Gebühren sind indessen durchwegs Gegenlei-stungen des Bauwilligen für die vom Gemeinwe-sen erbrachten Leistungen, weshalb ein Verzichtauf eine Kostenbeteiligung bzw. auf die Gebühren

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oder deren Herabsetzung nicht gerechtfertigtwäre. Bei Vorliegen eines besonderen öffentlichenInteresses an einer Siedlungserneuerung könnendie Gemeinden jedoch Quartierplanungen durchÜbernahme eines Teils der Planungskosten er-leichtern.

5.1.6 Quartierplanung

Nach Art. 38 Abs. 2 KRG bestimmen die Gemein-den durch Gesetz, wie die Quartierplanung und dieErschliessung anzuordnen, durchzuführen und zufinanzieren sind und legen die bezüglichen Rechteund Pflichten fest. Gleichzeitig können die Ge-meinden gestützt auf Art. 40 KRG bestimmen,unter welchen Voraussetzungen und in welchemMass bei Quartierplanungen von allgemeinenBauvorschriften und von Zonenvorschriften abge-wichen werden darf.

Bei der Beurteilung des kantonalen Rechts (vgl.Kapitel 4.1.3b) wurde festgestellt, dass die Kombi-nation von Gestaltungsplanung, Erschliessungs-planung und Baulandumlegung die Quartierpla-nung grundsätzlich zu einem hervorragenden In-strument für die Durchführung gebietsbezogenerSiedlungserneuerungen macht, jedoch nur solan-ge, als die in der Grundordnung festgelegten Bau-vorschriften sowie die im Quartierplanverfahrenmöglichen Abweichungen eine beabsichtigteSiedlungserneuerung auch zulassen. Die Bedeu-tung der Quartierplanung für Siedlungserneue-rungen hängt daher massgeblich von der Spann-weite der Abweichungen von allgemeinen Bauvor-schriften sowie von Zonenvorschriften ab, welchedie Baugesetze für Quartierplanungen vorsehen.

Gemeindebaugesetze, welche Abweichungen vonallgemeinen Bauvorschriften und von Zonenvor-schriften bei Quartierplanungen vorsehen, ma-chen die Gewährung von Abweichungen regel-mässig von der Erfüllung bestimmter Vorausset-zungen abhängig. In der Regel wird verlangt, dassim Quartiergestaltungsplan die überbaubaren undfreizuhaltenden Flächen bestimmt sowie Anord-nungen über die zulässigen Baukuben, ihre Nut-zung und Gestaltung festgelegt werden, welcheGewähr für eine gute Beziehung der geplantenBauten zur baulichen und landschaftlichen Umge-bung und untereinander bieten. Andere Baugeset-ze verlangen Gewähr für eine architektonisch undsiedlungsbaulich vorzügliche Überbauung mitüberdurchschnittlich guter Gestaltung, differen-

zierter Bauweise und ausgewogener Umgebungs-gestaltung. Solche Voraussetzungen liegen durch-aus im Interesse der Siedlungserneuerung, wel-che ja qualitative Verbesserungen anstrebt.

Die möglichen Abweichungen von allgemeinenBauvorschriften oder von Zonenvorschriften wer-den in den Baugesetzen unterschiedlich geregelt.Immerhin lassen sich gemeinsame Tendenzen er-kennen. Als Regel kann gelten, dass bei Quartier-planungen die Gebäude- und Grenzabstände, dieGebäudelängen und der Zusammenbau mehrererBaukörper nach architektonischen Kriterien freibestimmt werden dürfen (vgl. z.B. CEL 96, D/E 88,FAN 60, FEL 54, MAD 75, MAI 63, MAL 68, SUS 74,THU 92, V/O 70; in gleichem Sinne auch MBauG120). Relativ häufig werden in den Baugesetzenauch Ausnützungsvorteile, in der Regel eine Erhö-hung von 0,05 oder 10 % der zonengemässenAusnützung, gewährt (vgl. z.B. CEL 96, D/E 88, FAN60, FEL 54, IGIS 70, MAI 63, PON 59, V/O 70). Rechthäufig sind auch Bestimmungen, welche eine vonden allgemeinen Bauvorschriften abweichendeDachgestaltung zulassen (so z.B. CEL 96, FAN 60,FEL 54, MAD 75, V/O 70). Relativ selten werdendagegen Abweichungen in der Gebäudehöhe zu-gelassen (so z.B. FAN 60 und V/O 70, jedoch blossfür einzelne Bauten; weitergehend dagegen PON59). Einzelne Baugesetze sehen für Terrainverän-derungen eine abweichende Bemessung der Ge-bäudehöhen ab neuem Terrain vor (so z.B. D/E 88,MAI 63, SUS 74, THU 92).

Die in den Baugesetzen vorgesehenen Abwei-chungen von allgemeinen Bauvorschriften undvon Zonenvorschriften gelten regelmässig nur in-nerhalb des Quartiers. Gegenüber Nachbargrund-stücken, die nicht in das Quartierplanverfahreneinbezogen sind, werden stets die in der Regelbau-weise vorgeschriebenen Grenz- und Gebäudeab-stände vorbehalten.

Einzelne Baugesetze sehen keine (so z.B. ILA 61f)oder nur unbedeutende Abweichungen gegen-über Zonenvorschriften vor (so z.B. HAL 52 bezüg-lich Grenzabstände und Gebäudelänge). In einzel-nen älteren Baugesetzen finden sich anderseitsauch generelle Ermächtigungen für Abweichun-gen von allgemeinen Bauvorschriften und Zonen-vorschriften, welche jedoch vor Art. 40 KRG kaumstandhalten dürften (so z.B. ARO 85, SAM 83).

Das kantonale Recht regelt in Art. 45 KRG lediglichdie Auflage des Quartierplans und das Verfahren

43

IP BAU Kommunales Recht

bei Einsprachen. Die Gemeindebaugesetze enthal-ten daher in der Regel umfangreiche Bestimmun-gen über die Einleitung und den Erlass von Quar-tierplänen. Allgemein wird der Gemeindevorstandbzw. die Baubehörde für die Einleitung und denErlass als zuständig erklärt. Der Erlass von Quar-tierplänen durch Gemeindeparlamente bildet dieAusnahme (vgl. z.B. D/E 103).

Dank der Kombination von Erschliessungs- undGestaltungsplanung und vor allem der Möglich-keit zur Durchführung von Baulandumlegungenerweist sich der Quartierplan als zweckmässigesund griffiges Instrument für Quartierverbesserun-gen oder Teilerneuerungen. Meist kann in einemQuartierplanverfahren auch eine halboffene Bau-weise vorgesehen werden, sofern die Zonenbe-stimmungen nicht die offene Bauweise verbind-lich vorschreiben.

5.1.7 Baubewilligungsverfahren

Die besonderen Probleme von Erneuerungsvorha-ben treten in der Regel erst bei der Erstellung einesBauprojektes oder sogar erst bei der Ausführungs-projektierung zutage. Erst in diesem Zeitpunktwerden Erneuerungsmassnahmen konkret undkönnen anhand eines Projektes auf ihre Realisier-barkeit im Rahmen der geltenden Rechtsordnungüberprüft werden.

Im Baubewilligungsverfahren geht es allgemeinlediglich darum, festzustellen, ob ein Bauvorha-ben den geltenden Vorschriften der Bau- und Nut-zungsordnung entspricht. Im Baubewilligungsver-fahren erhalten daher besondere Ausnahmeklau-seln bei einzelnen Bauvorschriften ein besonderesGewicht. Für das Baubewilligungsverfahren sindjedoch auch Generalklauseln von grosser Bedeu-tung. Während konkrete Einzelanordnungen Er-neuerungsvorhaben unter Umständen verunmög-lichen können, lassen sich mit GeneralklauselnErneuerungsvorhaben besser beurteilen und ge-gebenenfalls mit Änderungen oder Auflagen be-willigen. Der Ausgestaltung der unter Kapitel 5.1.2und 5.1.3 besprochenen Bauvorschriften undZonenvorschriften kommt daher im Baubewilli-gungsverfahren eine grosse Bedeutung zu.

Zum Baubewilligungsverfahren als solchem sindhier keine weiteren Ausführungen erforderlich. Zuerwähnen ist lediglich, dass in den Baugesetzenauch ein Vorentscheidsverfahren vorgesehen wer-

den sollte, da Vorentscheide die Durchführung vonErneuerungsvorhaben erheblich erleichtern kön-nen. Zahlreiche Gemeindebaugesetze enthaltendenn auch entsprechende Bestimmungen (soauch MBauG 143).

44

IP BAUKommunales Recht

5.2 Weitere Gemeindeerlasse

Als weitere Gemeindeerlasse, welche Auswirkun-gen auf Siedlungserneuerungen haben können,seien an dieser Stelle lediglich die von den Ge-meinden gewöhnlich als Nebenerlass zum Bauge-setz erlassenen Erschliessungsreglemente, dieGemeindesteuergesetze sowie die eher seltenanzutreffenden Gesetze über die Wohnbau- undEigentumsförderung erwähnt. Auf eine Beur-teilung dieser Erlasse kann jedoch verzichtetwerden, da sie Siedlungserneuerungen nicht ingleichem Masse wie die kommunalen Baugesetzebeeinflussen.

5.3.Schlussfolgerungen undEmpfehlungen

Die Beurteilung des kommunalen Bau- und Pla-nungsrechtes hat gezeigt, dass auf Stufe der Ge-meinden in mehreren Bereichen ein Handlungsbe-darf besteht, wenn Bauvorschriften und Planungs-mittel vermehrt auf die Bedürfnisse der Siedlungs-erneuerung ausgerichtet werden wollen. Die not-wendigen Anpassungen können dabei aber vonGemeinde zu Gemeinde sehr verschieden sein.

Der wohl augenfälligste Mangel vieler Baugesetzebesteht in einer ungenügenden Behandlung derBestimmungen über die Bauweise. Viele Bauge-setze befassen sich nicht mit der vor allem fürSiedlungsverdichtungen sehr geeigneten halbof-fenen Bauweise. Einzelne Baugesetze schliessensie sogar aus. Handlungsbedarf besteht jedochauch bei den Vorschriften über die Gebäudelänge,welche oft nicht nur eine verdichtete Bauweise,sondern auch die Erweiterung einzelner Gebäudeausschliessen. Auch im Bereich der Nutzungszif-fern wären vielerorts flexiblere Vorschriften ange-zeigt. Zu überprüfen und womöglich abzuschaffenwären ferner Hofstattrechte oder vergleichbareBesitzstandsgarantien, da Privilegien, die über denbereits nach eidgenössischem und kantonalemRecht gewährten Besitzstand hinausgehen, die An-passung bestehender Siedlungen an neue Bedürf-nisse unter Umständen erheblich beeinträchtigen.

Einer Überprüfung im Interesse der Siedlungser-neuerung bedürfen zweifellos auch die Ästhetik-vorschriften mancher Gemeinden. Im Vorder-grund stehen dabei nicht die Generalklauseln,welche – vor allem bei obligatorischem Beizug desBauberaters – die nötige Flexibilität bei der Beur-teilung von Erneuerungsvorhaben erwarten las-sen. Zu überprüfen sind dagegen die vielfältigenEinzelanordnungen, welche Bauvorhaben oftbloss komplizieren, ohne aber zu besseren Lö-sungen zu führen.

Zu überprüfen wären sodann auch die von denGemeinden festgelegten Nutzungsziffern, wobeiaber deren Auswirkungen auf erneuerungsbe-dürftige Stadt-, Dorf- oder Siedlungsteile geson-dert untersucht werden müssten. Allgemein gül-tige Feststellungen zu den Nutzungsziffern sindkaum möglich.

Schliesslich zeigen auch die Ausführungen zuden Abstandsvorschriften einen Handlungsbedarf

45

IP BAU Kommunales Recht

auf, da viele Baugesetze komplizierte und oftrecht starre Regelungen enthalten. Meist fehlenzudem Vorschriften über eine mögliche Verkür-zung von Grenz- und Gebäudeabständen aufAntrag der betroffenen Grundeigentümer, waswiederum Siedlungserneuerungen unnötiger-weise erschwert.

Korrekturen wären auch bei der Gestaltungspla-nung angezeigt. Bei den Massnahmen zur Erhal-tung wertvoller Baubestände begnügen sich vieleGemeinden immer noch mit objektbezogenenSchutzanordnungen. Die Erhaltung wertvollerBaubestände ist jedoch nur sinnvoll, wenn auchderen Aussenräume in den Schutz einbezogenwerden. Zur Erhaltung wertvoller Siedlungsteilesind daher vermehrt flächenbezogene Gestal-tungsmassnahmen (Erlass von Schutz-, Erhal-tungs- und Anpassungsbereichen) notwendig. Fürdie Erneuerung von Quartieren mit schlechtemBaubestand fehlen heute in den meisten Baugeset-zen nähere Vorschriften für Erneuerungsplanun-gen im Rahmen des Generellen Gestaltungspla-nes. Durch Aufnahme entsprechender Vorschrif-ten über den Erneuerungsbereich und die Festle-gung von Erneuerungsgebieten mit Pflicht zurDurchführung von Erneuerungsplanungen könn-ten die Voraussetzungen für künftige Siedlungs-erneuerungen erheblich verbessert werden.

Handlungsbedarf besteht für zahlreiche Gemein-den schliesslich bei der Ausgestaltung der Quar-tierplanvorschriften. Da die Bedeutung der Quar-tierplanung für Siedlungserneuerungen massgeb-lich vom Rahmen der möglichen Abweichungenvon allgemeinen Bauvorschriften und von Zonen-vorschriften abhängt, sollten die Gemeinden aufjeden Fall den heute nach kantonalem Recht zuläs-sigen Rahmen voll ausschöpfen. In zahlreichenBaugesetzen ist dies nicht der Fall.

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IP BAUKommunales Recht

Die nachfolgende Tabelle zeigt schematisch dieBedeutung der vorhandenen Planungsmittel fürobjekt- und gebietsbezogene Erneuerungsvorha-ben.

Es bedeuten:0 keine Bedeutung+ erhebliche Bedeutung++ grosse Bedeutung

Planungsinstrumente Erlass Flächenbezogene Erneuerung

MB

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KR

G

Bau

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Ges

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Gemeinderichtpläne X X X 0 0 0 / + ++ ++

Nutzungspläne

– Zonenplan X X X 0 0 0 / + + ++

– Genereller Gestaltungsplan X X X 0 0 0 / + + ++

– Genereller Erschliessungsplan X X X 0 0 + + ++

Quartierpläne X X X 0 0 + ++ +

Bau-, Niveaulinien X X X StrG - / + 0 0 / + + +

Planungszone X X X 0 0 0 + ++

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IP BAU Kommunales Recht

Bau

G

KR

G

Die nachgfolgenden Tabellen zeigen tendenzielldie positiven bzw. negativen Wirkungen von Ge-setzesvorschriften auf objekt- und gebietsbezo-gene Erneuerungsvorhaben. Es wird beurteilt, obdie Vorschriften grundsätzlich geeignet sind,Siedlungserneuerungen zu fördern, zu behindernoder kaum zu beeinflussen.

Es bedeuten:0 kaum Beeinflussung+ fördernde Wirkung– behindernde Wirkung+/– fördernde und behindernde Wirkungen

Gesetzesvorschriften Erlass Flächenbezogene Erneuerung

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Besitzstandsgarantie

– Grundgarantie X X X BV + + 0 0 / – 0 / –

– Hofstattrecht ÖR – – X + + + / – – –

– Hofstattrecht PR – – – EGzZGB + + 0 0 / – 0 / –

Baubewilligung X X X 0 0 0 0 0

Ausnahmebewilligung X X X 0 0 0 0 0

Erschliessungsvorschriften

– Baureife X X 0 0 0 0 / + 0 / +

– Beiträge, Gebühren X X X 0 / – 0 0 / – – –

Natur- und Heimatschutz X NHVO 0 0 0 0 0

Ausführung von Bautenund Anlagen

– Generalklauseln X X X + / – + / – + + +

– Einzelanordnungen X X – 0 0 0 0

– Energievorschriften X X EnG 0 / – 0 0 0 0

– Feuerpolizeiliche Vorschriften X X FPV – 0 0 0 0

MB

auG

Wei

tere

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IP BAUKommunales Recht

Bau

G

KR

G

Gesetzesvorschriften Erlass Flächenbezogene Erneuerung

Ob

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bez

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Ges

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g

Ästhetikvorschriften

– Generalklauseln X X X + / – + / – + + +

– Einzelanordnungen X X – 0 – 0 0

Verkehrsanlagen

– Verkehrssicherheit X X 0 0 0 0 0

– Abstellplätzefür Motorfahrzeuge X X X – – – 0 0

– Rampen, Vorplätze X X – – – 0 0

Abstandsvorschriften

– Grenz-, Gebäudeabstände

– einheitliche X X EGzZGB 0 / – 0 0 / – 0 0

– unterschiedliche X – 0 – – –

– Wald-, Gewässerabstände X X X KWaG 0 / – 0 0 / – 0 0

– Strassenabstände X StrG 0 / – 0 0 / – 0 0

Gestaltungsvorschriften

– Schutz-, Erhaltungs-,Anpassungsbereiche X X + / – + + / – + / – + / –

– Neugestaltungsbereiche X X + / – 0 / + + / – + +

– Freihaltebereiche X X + / – + + / – + +

– Baugestaltungslinien X X + / – 0 + / – + +

– Einzelanordnungen X X 0 / – 0 0 / – – –

Zonenzweck X X X 0 / – 0 / – 0 / – – –

Wohnungsanteile,Erstwohnungsanteile X X – + + / – – –

Bauweise X + + + + +

Bauweise X 0 / – 0 / – 0 / – 0 / – 0 / –

Nutzungsziffern

– maximale X X – / + – / + – / + – / + – / +

– minimale X 0 / + 0 0 / + + +

Gebäudemasse

– Gebäude-, Firsthöhen X X 0 / – + 0 / – – –

– Gebäudelängen, -tiefen X X 0 / – + 0 / – – –

MB

auG

Wei

tere

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IP BAU Neue Aspekte der Ortsplanung

6 Neue Aspekte der Ortsplanung

6.1 Einleitung 51

6.2 Untersuchungen 52

6.3 Richtpläne und Leitbilder 53

6.4 Nutzungspläne 54

6.4.1 Aufwertung des Quartierplans 55

6.4.2 Schaffung eines Siedlungserneuerungsplanes 55

6.5 Planungsausgleich 56

6.6 Vereinbarungen 57

6.7. Schlussfolgerungen und Empfehlungen 57

51

IP BAU Neue Aspekte der Ortsplanung

6.1 EinleitungSiedlungserneuerung bedeutet allgemein, wiebereits im 1. Kapitel ausgeführt, die Neubelebunggewachsener Siedlungen durch Renovierung,Umgestaltung und Wiederherstellung überalter-ter Baubestände mit ihren Aussenräumen untergleichzeitiger Anpassung an die durch gesell-schaftliche und wirtschaftliche Entwicklung ge-wandelten Flächenansprüche. In der Wirklichkeitwerden bestehende Bauten fortlaufend, meist invielen kleinen Schritten und an verschiedenen Or-ten renoviert, umgestaltet oder abgebrochen undwieder aufgebaut. Art und Umfang und vor allemauch der Zeitpunkt der Verwirklichung von Erneue-rungsvorhaben hängen ferner von zahlreichenFaktoren ab, welche sich zudem in kurzen Zeiträu-men wesentlich verändern können. Siedlungs-erneuerungen unterscheiden sich folglich ganzgrundlegend von der Überbauung bisher unüber-bauter Gebiete. Sie stellen daher auch besondereAnforderungen an die Raumplanung. Lassen sichfür Neubaugebiete verhältnismässig einfachzweckmässige Bau- und Nutzungsordnungen auf-stellen und Überbauungen planen, gestaltet sichdie Planung für erneuerungsbedürftige bereitsüberbaute Gebiete um einiges schwieriger. In be-reits überbauten Gebieten wird die Raumplanungmit bestehenden Bauten konfrontiert. Diese kön-nen zudem bezüglich Alter, Nutzung und Gestal-tung aber auch in bezug auf ihren historischen,ortsbaulichen oder architektonischen Wert völlig

6 Neue Aspekte der Ortsplanung

verschieden sein. So stellen z.B. historisch ge-wachsene Siedlungskerne mit wertvollem Baube-stand ganz andere Anforderungen an die Raum-planung als in der Neuzeit entstandene Quartieremit oft schlechter Bausubstanz. Für die Erneue-rung erhaltenswerter Siedlungsteile ist wichtig,dass Bau- und Nutzungsvorschriften erlassen wer-den, welche bestehende wertvolle Bauten schüt-zen und gleichzeitig Raum für eine zeitgemässeErneuerung lassen. Für schlecht genutzte oderstrukturierte Baugebiete ohne schützenswerteBauten dagegen sind Bau- und Nutzungsvorschrif-ten notwendig, welche die Ablösung des altenBaubestandes fördern und eine zweckmässige,schrittweise Neuüberbauung des Gebietes ermög-lichen. In beiden Fällen, vor allem aber für dieErneuerung ungünstig strukturierter oder schlechtgenutzter Baugebiete sind flexible Planungsinstru-mente erforderlich, welche eine angestrebte Ent-wicklung nicht bloss planerisch festlegen, sondernauch deren Vollzug sicherstellen. Es sind daherPlanungsmittel gefragt, mit welchen ganze Stadt-teile, Dorfteile oder Quartiere auf einfache Weiseund in einem zeitlich vernünftigen Rahmen erneu-ert und geänderten Flächenansprüchen angepasstwerden können. Wie dabei vorgegangen werdenkann und welche Planungsmittel für Erneuerungs-vorhaben eingesetzt oder geschaffen werden soll-ten, ist in den nachfolgenden Abschnitten darzu-stellen.

52

IP BAUNeue Aspekte der Ortsplanung

6.2 UntersuchungenGrundlage für planerische Massnahmen im Inter-esse der Siedlungserneuerung bilden Untersu-chungen über die aktuellen Nutzungsmöglichkei-ten und Bedürfnisse sowie die tatsächlichen undrechtlichen Rahmenbedingungen für eine mögli-che Erneuerung des Siedlungsgebietes oder vonTeilen davon. Eine solche Untersuchung solltegrundsätzlich zu Beginn jeder Total- oder Teilrevi-sion einer Ortsplanung durchgeführt werden. Siedrängt sich vor allem dann auf, wenn eine Erweite-rung der Bauzone zur Diskussion steht, da Neuein-zonungen unter Umständen durch eine Nutzungs-verdichtung bzw. eine Erneuerung nach innen ver-mieden werden können.

Gegenstand einer Untersuchung bilden Erhebun-gen über den Überbauungsstand, die aktuellenGebäudenutzungen und den Zustand der Bautensowie Analysen der Bebauungsmuster, Bauwei-sen und Erschliessungsverhältnisse im untersuch-ten Gebiet. Zu untersuchen ist aber auch der Ein-fluss der geltenden Rechtsordnung auf möglicheErneuerungsvorhaben.

Im Ergebnis haben die Untersuchungen zumin-dest aufzuzeigen, für welche Siedlungsgebietewelche Art von Erneuerung (Quartierpflege, Quar-tierverbesserung, Teilerneuerung, Gesamterneue-rung) angezeigt wäre und wo gegebenenfalls Ver-dichtungen möglich sind. Darüber hinaus sollteaus Untersuchungen zur Siedlungserneuerungaber auch hervorgehen, ob und in welcher Weiseobjektbezogene Erneuerungsvorhaben durch un-zweckmässige oder unnötige Bauvorschriften be-hindert werden.

Die Ergebnisse der Untersuchungen bilden einewichtige Grundlage für die weitere Planungstätig-keit. Diese kann in der Erarbeitung eines Gemein-derichtplanes bestehen, welcher die beabsichtigteSiedlungserneuerung behördenverbindlich fest-legt oder auch in der Aufstellung eines Leitbildes,welches die angestrebte Entwicklung in den er-neuerungsbedürftigen Quartieren und die Grund-sätze für objektbezogene Erneuerungsvorhabenbeschreibt.

53

IP BAU Neue Aspekte der Ortsplanung

6.3 Richtpläne und LeitbilderWie bereits in den Kapiteln 4.1.2 und 5.1.1 darge-legt, sind die Gemeinden gemäss Art. 14–17 KRGbefugt, Richtpläne zu erstellen, welche die künftigeNutzung, Gestaltung und Erschliessung des Bau-gebietes oder von Teilen davon festlegen. Zahlrei-che Gemeinden haben denn auch in ihren Bauge-setzen Bestimmungen über die Richtplanung auf-genommen, ohne allerdings in der Praxis von die-sem Planungsmittel regen Gebrauch zu machen.Nun eignet sich aber gerade der Richtplan nichtbloss zur Bezeichnung des künftigen Baugebietes,sondern insbesondere auch zur Festlegung derGrundsätze für die bauliche Entwicklung überbau-ter Gebiete, die einer durchgreifenden Erneuerungoder gar einer Flächensanierung bedürfen.

Richtpläne bauen auf den Planungsgrundlagen(Untersuchungen) auf und sind auf eine mittel- bislangfristige Entwicklung auszurichten. Richtplänehaben die angestrebte Raumordnung für die be-handelten Gebiete aufzuzeigen und gleichzeitigdie Massnahmen zur schrittweisen Verwirklichungder angestrebten Neuordnung festzulegen (vgl.dazu DILGER, § 1, N 91, Seite 26 f). Über denRichtplan können daher die notwendigen Voraus-setzungen für eine zeitlich gestaffelte jedoch räum-lich koordinierte Neugestaltung einzelner Erneue-rungsgebiete geschaffen werden (vgl. hiezu Kapi-tel 7 Modelle, insbesondere das Beispiel 7.2.1Bahnhofgebiet Ilanz).

Die Richtpläne sind gemäss Art. 17 Abs. 1 KRG nurfür die Planungsorgane nicht aber auch für dieGrundeigentümer verbindlich. Es gilt daher derGrundsatz, dass Richtpläne keine Angaben enthal-ten sollten, welche die Grundeigentümer faktischbinden. Auch Richtpläne zur Siedlungserneuerungdürfen folglich keinen abschliessend konzipiertenEndzustand vorgeben. Sie haben lediglich dieGrundzüge für die künftige Nutzung und Gestal-tung der zu erneuernden Gebiete aufzuzeigen.Detaillierte Gestaltungs- und Nutzungsanordnun-gen müssen in jedem Falle der nachfolgendenNutzungsplanung vorbehalten bleiben.

Neben oder anstelle von Richtplänen können auchLeitbilder treten, welche die Grundzüge der ange-strebten Siedlungserneuerung aufzeigen. Leitbil-der beschreiben die von einem planenden Ge-meinwesen angestrebte Raumordnung. Sie ent-halten Zielvorstellungen für raumbedeutsame Pla-

nungen und können inhaltlich nach den raum-relevanten Strukturen Siedlung, Landschaft, Ver-kehr, Versorgung gegliedert werden. Leitbilderkönnen sich dabei auf das ganze Planungsgebietoder einzelne Teilgebiete beziehen (vgl. allgemeinzum Begriff des Leitbildes LENDI/ELSASSER, Seite14; DILGER, § 1, N 89, Seite 26). Sie eignen sichdaher gut zum Beschrieb der Zielvorstellungeneiner Gemeinde in bezug auf die künftige Erneue-rung ihres Siedlungsgebietes oder einzelner Teiledavon.

Weder das eidgenössische noch das kantonaleRaumplanungsrecht enthalten Bestimmungenüber Inhalt, Bedeutung und Wirkung von Leitbil-dern sowie über das Verfahren für deren Erlass.Auch im kommunalen Recht sind Vorschriftenüber Leitbilder kaum anzutreffen. Ein Beispiel bie-tet immerhin Art. 2 Abs. 1 des Baugesetzes Sils/Segl i.E., welcher das im Anhang zum Baugesetzaufgeführte Kurortsleitbild als richtungsweisendfür die Anwendung des Baugesetzes erklärt. Art. 10des Baugesetzes St. Moritz bezeichnet das Kurorts-leitbild als Planungsmittel, ohne jedoch Inhalt undBedeutung näher zu umschreiben.

Die Rechtslehre versteht das Leitbild als Instru-ment der Lenkung der internen Willensbildung derBehörden. Planungsbehörden und Verwaltunghaben danach sowohl Richtplanungen wie Nut-zungsplanungen die Zielsetzungen von Leitbildernzugrundezulegen. Leitbilder sind aber auch bei derRechtsanwendung mittelbar zu berücksichtigen,indem sie im Rahmen der bestehenden gesetzli-chen Normen die Gesetzesauslegung der Verwal-tungsbehörden binden und deren Tatbestandser-messen einschränken (vgl. DILGER, § 3 N 15, Seite71). Leitbilder entfalten daher ähnliche Wirkungenwie Richtpläne und sind von erheblicher Tragwei-te. Aus dieser Bedeutung und der politischen Na-tur des Leitbildes ergibt sich, dass Leitbilder nichteinfach von der Verwaltung festgesetzt werdenkönnen. Sie sind vielmehr den Stimmberechtigtenoder zumindest einem Parlament zur Genehmi-gung vorzulegen. Ausserdem muss die Bevölke-rung vor dem Erlass von Leitbildern Gelegenheiterhalten, zu den Entwürfen Kritik und Anregungenvorzubringen (vgl. Art. 4 RPG sowie DILGER, § 16,N 29 und N 34, Seite 401ff). Leitbilder sollten daherim gleichen Verfahren wie die Gemeinderichtpläneerlassen werden (vgl. hiezu vorne Kapitel 5.1.1.).

54

IP BAUNeue Aspekte der Ortsplanung

6.4 NutzungspläneDas Bundesrecht definiert Nutzungspläne alsRegeln, welche Zweck, Ort und Mass der zuge-lassenen Bodennutzung allgemeinverbindlichfestlegen. Nutzungspläne können bildliche odertextliche Bestimmungen sein, namentlich karto-graphische Pläne, örtlich genau bestimmte Nut-zungsvorschriften und jener Teil des Baugesetzes,der Zweck und Mass der Nutzung in den einzelnenZonen – einer Planlegende vergleichbar – um-schreibt (vgl. EJPD, N 1 zu Art. 14 RPG). Nutzungs-pläne bestehen daher meist aus einer Karte unddazugehörigen Vorschriften.

Lehre und Rechtsprechung teilen die Nutzungs-pläne gewöhnlich in sog. Rahmennutzungspläne(Zonenplan) und Sondernutzungspläne (Bau-linienpläne, Überbauungspläne, Gestaltungs-pläne, Quartierpläne etc.) ein, welche besondereNutzungsanweisungen für Teilgebiete enthalten(vgl. EJPD, N 1 und 2 zu Art. 14 RPG sowie LENDI/ELSASSER, Seite 15). Im bündnerischen Rechtwerden die Begriffe «Rahmennutzungsplan» und«Sondernutzungsplan» nicht verwendet. Das kan-tonale Recht unterscheidet vielmehr zwischen denPlänen der Grundordnung (Zonenplan, GenerellerGestaltungsplan, Genereller Erschliessungsplan)und dem Quartierplan (vgl. Kapitel 4.1.3).

Sowohl Rahmennutzungspläne als auch Sonder-nutzungspläne stellen Nutzungspläne nach Art. 14ff RPG dar. Dies gilt nach der Praxis des Bundes-gerichtes vor allem auch für Quartierpläne, welchefür jedermann verbindlich die Überbauung undErschliessung eines bestimmten Gebietes regeln(BGE 111 I b 14 Goldmatt). Auch der Quartierplannach bündnerischem Recht stellt gemäss Praxisdes Bundesgerichtes einen Nutzungsplan imSinne von Art. 14 ff RPG dar (BGE 109 I b 121Silvaplana).

Obschon sowohl die Pläne der Grundordnung alsauch der Quartierplan als Nutzungspläne im Sinnevon Art. 14 ff RPG gelten, unterscheiden sie sichgleichwohl grundlegend voneinander. Die Pläneder Grundordnung bestimmen allgemein die an-gestrebte Nutzung, Gestaltung und Erschliessungdes Gemeindegebietes und insbesondere der Bau-zone. Demgegenüber bezweckt die Quartierpla-nung die Verwirklichung einer vorgegebenenGrundordnung in einem Teilgebiet der Bauzonedurch konkrete Regelung der Überbauung undErschliessung des Gebietes und Anpassung der

Eigentumsverhältnisse an die vorgesehene Ent-wicklung. Die Quartierplanung dient daher vorabdem Vollzug der Grundordnung, auch wenn imRahmen einer Quartierplanung in den von derGrundordnung festgesetzten Grenzen Abwei-chungen möglich sind (vgl. hiezu Kapitel 4.1.3 und5.1.6). Diese besondere Zweckbestimmung erklärtauch das unterschiedliche Verfahren für den Erlassder verschiedenen Arten von Nutzungsplänen.Zonenpläne, Generelle Gestaltungspläne und, so-fern nicht ein Gemeindeparlament als zuständigerklärt wird, auch Generelle Erschliessungspläneunterliegen bekanntlich der Abstimmung in derGemeinde und der Genehmigung durch die Regie-rung (Art. 37 Abs. 1 und 3 KRG). Demgegenüberwerden Quartierpläne in aller Regel von den Ge-meindevorständen erlassen. Eine Genehmigungvon Quartierplänen ist im kantonalen Recht (ab-gesehen von den besonderen Vorschriften dergrossrätlichen Verordnung über den Schutz derOberengadiner Seelandschaft, BR 496.150) nichtvorgesehen, obschon gemäss Art. 26 Abs. 1 RPGdie Genehmigung durch eine kantonale Behördeeigentlich erforderlich wäre, gelten doch, wie dar-gelegt, auch Quartierpläne als Nutzungspläne imSinne des RPG.

Die Ausrichtung der Quartierplanung auf die Ver-wirklichung der im Zonenplan, im Generellen Ge-staltungsplan und im Generellen Erschliessungs-plan festgelegten Grundordnung in einem abge-grenzten Gebiet, die Möglichkeit der Einflussnah-me auf die Eigentumsverhältnisse durch Bauland-umlegung und Grenzbereinigung sowie das einfa-che Verfahren machen den Quartierplan zu einemvorzüglichen Instrument im Dienste gebietsbe-zogener Siedlungserneuerungen. Dies gilt jedochnur für Erneuerungen im Sinne von Quartiersanie-rungen und Quartierverbesserungen sowie Teil-erneuerungen, welche sich im Rahmen der gelten-den Grundordnung verwirklichen lassen, sinddoch Abweichungen von der Grundordnung imQuartierplanverfahren eher enge Grenzen gesetzt(vgl. vorne Kapitel 4.1.3 und 5.1.6). Teilerneuerun-gen und vor allem Gesamterneuerungen vonQuartieren dagegen, welche auf eine tiefgreifendeUmstrukturierung und Neuordnung oder auf eineinnere Verdichtung ausgerichtet sind, können mitdem Instrument der Quartierplanung allein meistnicht durchgeführt werden. Solche Siedlungser-neuerungen setzen in der Regel eine gleichzeitigeAnpassung der Grundordnung voraus (vgl. hiezu

55

IP BAU Neue Aspekte der Ortsplanung

Kapitel 7 Modelle, insbesondere das Beispiel 7.2.2Sontga Clau Sura, Ilanz), sofern nicht bereits eineauf die beabsichtigte Siedlungserneuerung ausge-richtete Grundordnung besteht. Änderungen derGrundordnung sind nun aber nur in einem auf-wendigen und meist zeitraubenden Verfahrenmöglich. Erhebliche Schwierigkeiten können sichsodann ergeben, wenn gleichzeitig mit der Ände-rung der Grundordnung mit Rücksicht auf unter-schiedliche Nutzungsinteressen auch Nutzungs-entflechtungen durch Umlegung von Grund-stücken vorgenommen werden sollten. Es stelltsich daher die Frage, ob die vorhandenen Instru-mente der Nutzungsplanung nicht im Interesse derErleichterung von Siedlungserneuerungen erwei-tert oder angepasst werden sollten und wie dabeivorgegangen werden könnte. Die folgenden Aus-führungen zeigen zwei mögliche Lösungen auf.

6.4.1 Aufwertung des Quartierplans

Eine erhebliche Erleichterung von Siedlungs-erneuerungen brächte eine Aufwertung des Quar-tierplans in dem Sinne, dass bei Quartierplanun-gen über erneuerungsbedürftige Gebiete gegen-über dem heutigen Recht grössere Abweichungenvon der Grundordnung zugelassen würden. Ne-ben den bis anhin üblichen Abweichungen bezüg-lich Grenz- und Gebäudeabständen sowie Ge-bäudelängen müssten in den Baugesetzen vor al-lem auch Abweichungen bezüglich Nutzungsartund grössere Abweichungen bei den Nutzungszif-fern vorgesehen werden können. Auch müsstenAbweichungen von zwingenden Bestimmungenüber die Bauweise zugelassen werden. Eine solcheErweiterung des Quartierplanrechtes setzte indes-sen eine Anpassung der Praxis der Regierung beider Genehmigung von Baugesetzen voraus. Zumgleichen Ergebnis könnte auch eine Revision vonArt. 40 KRG mit einer genaueren Umschreibungder zulässigen Abweichungen von der Grundord-nung führen. Bei einer solchen Revision könntegleichzeitig mit Rücksicht auf die Aufwertung desQuartierplanes und Art. 26 RPG auch Art. 45 KRGergänzt und eine Genehmigungspflicht für Quar-tierpläne durch eine kantonale Behörde (z.B. dasDepartement des Innern und der Volkswirtschaft)eingeführt werden.

Bei entsprechendem Ausbau des Quartierplanskönnten künftig auch tiefgreifende Quartierer-neuerungen in einem einfachen Verfahren durch-geführt werden. Der erweiterte Rahmen für Abwei-

chungen von der Grundordnung sollte allerdingsausschliesslich Quartierplanungen im Interesseder Siedlungserneuerung vorbehalten bleiben, dadie heute möglichen Abweichungen von derGrundordnung für die Gestaltung und Erschlies-sung von Neubaugebieten durchaus ausreichen.

6.4.2 Schaffung eines Siedlungs-erneuerungsplanes

Mit dem erweiterten Quartierplan liessen sichSiedlungserneuerungen in vielen Fällen wirksamund auf einfache Weise durchführen. Bei notwen-digen Flächensanierungen und tiefgreifendenUmstrukturierungen können unter Umständenaber auch mit einem erweiterten Quartierplannicht alle möglichen Schwierigkeiten gemeistertwerden. Bekanntlich legen Nutzungspläne die fürein bestimmtes Gebiet geltenden Nutzungs-, Ge-staltungs- und Erschliessungsvorschriften einheit-lich für alle Grundstücke fest. UnterschiedlicheAnordnungen für überbaute und nicht überbauteGrundstücke sind in den Baugesetzen höchstensfür Kernzonen mit schützenswerter Bausubstanzanzutreffen. Nun können jedoch auch ausserhalbvon Kerngebieten Überbauungsverhältnisse vor-liegen, welche den Erlass differenzierter Vorschrif-ten für bestehende Bauten und für Neubauten ver-langen. Sodann zeigt sich in der Praxis immer wie-der, dass bei Siedlungserneuerungen Nutzungs-änderungen und insbesondere auch Nutzungs-entflechtungen vorgenommen werden sollten.

Differenzierte gestalterische Anordnungen für er-neuerungsbedürftige Gebiete können mit den Mit-teln der Gestaltungsplanung, vorab mit der Fest-legung von Erneuerungsbereichen im GenerellenGestaltungsplan erreicht werden. Der GenerelleGestaltungsplan mag daher im manchen Fällen fürdie Durchführung von gebietsbezogenen Sied-lungserneuerungen ausreichen. Sind jedoch Nut-zungsänderungen notwendig, reichen die Mitteldes Generellen Gestaltungsplanes nicht aus. DiePlanung müsste in diesen Fällen mit einer Ände-rung des Zonenplanes verbunden werden. Wedermit dem Generellen Gestaltungsplan noch mitdem Zonenplan können aber Änderungen an denEigentumsverhältnissen im Planungsgebiet vor-genommen werden. Es wäre daher zu prüfen, obnicht ein besonderes Instrument für Siedlungser-neuerungen geschaffen und ein eigentlicher Sied-lungserneuerungsplan eingeführt werden sollte,welcher Elemente des Zonenplanes, des Generel-

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IP BAUNeue Aspekte der Ortsplanung

len Gestaltungsplanes, des Generellen Erschlies-sungsplanes und des Quartierplanes in sich verei-nigen würde. In einem solchen Plan könnten diffe-renzierte Anordnungen für bestehende Bautenund für Neubauten getroffen sowie unterschied-liche Massnahmen für Teile des Planungsgebietes(z.B. gebietsbezogene bzw. objektbezogene Er-neuerung) vorgesehen werden. Der Plan könnteaber auch neue Nutzungsarten festlegen oder Nut-zungsentflechtungen vorsehen sowie den Über-gang von der bisherigen in die neue Ordnungregeln. Im gleichen Planungsverfahren müsstenferner Grundstücke umgelegt und neue Grenzengezogen werden können, um die bisherigen Eigen-tumsstrukturen der vorgesehenen neuen Ordnunganzupassen. Möglicherweise liessen sich für Teil-bereiche sogar alternative Entwicklungsmöglich-keiten festlegen, welche später in einer von derExekutive durchzuführenden Ergänzungsplanungin der einen oder andern Richtung umgesetzt wer-den könnten. Durch den Siedlungserneuerungs-plan könnten schliesslich auch die Grundlagen fürden Abbruch bestehender Bauten und für einenWertausgleich innerhalb des Planungsgebietesgeschaffen werden.

Da der Siedlungserneuerungsplan im Sinne einesSondernutzungsplanes die künftige Nutzung, Ge-staltung und Erschliessung der einzelnen erneue-rungsbedürftigen Gebiete grundeigentümerver-bindlich festlegt, müsste er im gleichen Verfahrenwie die Pläne der Grundordnung erlassen werden.Der Erlass des Planes in einem für Gesetze imformellen Sinne vorgeschriebenen Verfahrendrängt sich im übrigen auch mit Rücksicht auf diedurch den Plan bewirkten Eigentumsbeschränkun-gen auf. Verfahrensdauer und vor allem auch allfäl-lige Änderungen der Nutzungsart in Verbindungmit Nutzungsentflechtungen legen schliesslichden Erlass des Siedlungserneuerungsplanes in ei-nem einheitlichen Verfahren nahe. Für Ausnahme-fälle könnte allenfalls auch eine Aufteilung desVerfahrens in zwei Abschnitte vorgesehen werden.

Die Einführung eines Siedlungserneuerungspla-nes in dem hier skizzierten Sinn erforderte eineRevision des kantonalen Raumplanungsgesetzes.Die Schaffung eines solchen Planungsinstrumen-tes könnte jedoch die Durchführung von tiefgrei-fenden Quartiererneuerungen oder Flächensanie-rungen ganz wesentlich erleichtern (vgl. zum Sied-lungserneuerungsplan auch Kapitel 7 Modelle,Beispiel 7.3.1 «Tircal», Domat/Ems).

6.5 PlanungsausgleichArt. 5 RPG schreibt den Kantonen vor, einen ange-messenen Ausgleich für erhebliche Vor- und Nach-teile vorzusehen, die durch Planungen nach RPGentstehen. Der Kanton Graubünden konnte sichwie viele Kantone bisher nicht zur Regelung einesMehrwertausgleiches durchringen. Sollte indes-sen der Kanton gleichwohl eines Tages einen Pla-nungsausgleich einführen oder sollte der Bund einGesetz über die Abschöpfung planungsbedingterMehrwerte erlassen, dann stünden Kanton undGemeinden Mittel zur Verfügung, die gezielt imInteresse von Siedlungserneuerungen eingesetztwerden könnten. Die Einführung eines Planungs-wertausgleiches wäre daher im Interesse künftigerSiedlungserneuerungen sehr zu begrüssen.

57

IP BAU Neue Aspekte der Ortsplanung

6.6 Vereinbarungen

Raumbedeutsame Anordnungen können nicht nurdurch Gesetz und Verfügung, sondern auch durchrechtsgeschäftliche Vereinbarung begründet wer-den. Rechtsgeschäftliche Vereinbarungen sindauch im Bau- und Planungswesen möglich undkönnten daher auch im Zusammenhang mit Sied-lungserneuerungen zwischen dem Gemeinweseneinerseits und den beteiligten Grundeigentümernanderseits abgeschlossen werden. Vereinbarun-gen haben den Vorteil, dass zugunsten und zula-sten beider Vertragspartner sowohl Rechte wieauch Pflichten begründet werden können (vgl.DILGER, § 1, N 76 f, Seite 22).

Vereinbarungen im Bereich des Planungs- undBauwesens werden in der Regel als öffentlich-rechtliche Verträge (Verwaltungsverträge) abge-schlossen. Sie regeln einen Gegenstand des öf-fentlichen Planungs- und Bauwesens unter Wah-rung der Interessen und Bedürfnisse des Gemein-wohls (vgl. DILGER, § 2, N 27 ff, Seite 40 f).

In öffentlichrechtlichen Verträgen können z.B. Be-bauungsbeschränkungen, Vorschriften über Ge-staltung und Nutzung von Aussenräumen oderauch Bauverpflichtungen festgelegt werden. Mög-lich sind ferner Abtretungen von Benützungsrech-ten zugunsten der Öffentlichkeit sowie die Festle-gung von Erschliessungsbedingungen. Durch öf-fentlichrechtliche Verträge können daher unterUmständen günstige Voraussetzungen für Sied-lungserneuerungen geschaffen werden.

Dem Abschluss von öffentlichrechtlichen Verträ-gen sind indessen auch Grenzen gesetzt. Wohlkönnen gemäss neuerer Lehre und Rechtspre-chung öffentlichrechtliche Verträge auch ohne ent-sprechende ausdrückliche gesetzliche Grundlageabgeschlossen werden, sofern sie vom Gesetznicht ausdrücklich ausgeschlossen werden. Indes-sen gilt es zu beachten, dass das Gemeinwesenbeim Abschluss eines öffentlichrechtlichen Vertra-ges in gleicher Weise an das materielle Rechtgebunden ist, wie wenn es eine Verfügung erlas-sen würde. Auch dürfen von Grundeigentümernkeine Leistungen gefordert werden, für welcheeine gesetzliche Grundlage fehlt (vgl. DILGER, § 17,N 80, Seite 437 f).

6.7 Schlussfolgerungen undEmpfehlungen

In den nächsten 20 Jahren wird die Planung derErneuerung und Verbesserung überalterter Stadt-teile, Dorfteile und Quartiere zu einem zentralenund nicht leicht zu lösenden Thema der Orts-planung werden. Es ist daher wichtig, dass diegeltenden Vorschriften des Bau- und Planungs-rechtes rechtzeitig angepasst und die bestehen-den Planungsmittel vermehrt auf die Bedürfnisseder Planung von Siedlungserneuerungen ausge-richtet werden.

Die Planung von Siedlungserneuerungen setzt zu-nächst Untersuchungen (Kapitel 6.2) über die aktu-ellen Nutzungsmöglichkeiten und Nutzungsbe-fürfnisse sowie über die Rahmenbedingungen füreine künftige Entwicklung voraus. Notwendig sindjedoch auch innovative Vorstellungen über diekünftige Entwicklung einzelner Siedlungen oderSiedlungsteile. Sie sind in Leitbildern zu beschrei-ben oder in Richtplänen festzuhalten (Kapitel 6.3).Für die Durchführung von Untersuchungen, Erlassvon Leitbildern oder Richtplänen genügen nachunseren Feststellungen die vorhandenen Rechts-grundlagen des bündnerischen Raumplanungs-rechtes vollauf. Grössere Schwierigkeiten bereitetindessen die Planung von Siedlungserneuerun-gen auf der Stufe der Nutzungsplanung. Währendfür die blosse Quartierpflege und Quartierverbes-serung und mit Einschränkungen auch für die Teil-erneuerung von Quartieren die QuartierplanungGewähr für eine einfache und zweckmässigeDurchführung einer Siedlungserneuerung bietet,lassen sich Teil- oder Gesamterneuerungen vonQuartieren, welche eine tiefgreifende Umstruktu-rierung oder gar eine Flächensanierung benöti-gen, mit den vorhandenen Mitteln der Raumpla-nung nur mühsam bewältigen. Die Beurteilung derMittel der Nutzungsplanung (Kapitel 6.4) zeigt je-denfalls, dass eine Überprüfung und Anpassungder vorhandenen, auf Neubaugebiete zugeschnit-tenen Planungsmittel angezeigt wäre. Als einfach-ste Massnahme bietet sich die Erweiterung desQuartierplans an. Auch mit einer erweiterten Quar-tierplanung können jedoch nicht alle Schwierigkei-ten bei Siedlungserneuerungen gemeistert wer-den. Mehr Vorteile brächte die Schaffung eineseigentlichen Siedlungserneuerungsplanes imSinne eines Sondernutzungsplanes, welcher Ele-mente des Zonenplanes, Generellen Gestaltungs-planes, Generellen Erschliessungsplanes und desQuartierplanes umfassen und in einem einheit-

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IP BAUNeue Aspekte der Ortsplanung

lichen Verfahren erlassen werden sollte. Aufjeden Fall sollte für Siedlungserneuerungen einPlanungsinstrument geschaffen werden, mit wel-chem nicht bloss Art und Mass der Nutzung geän-dert, sondern gleichzeitig auch über Baulandumle-gungen Nutzungsentflechtungen vorgenommenund private Rechte angepasst werden könnten.Schliesslich könnten auch Vereinbarungen zwi-schen den Gemeinden und Grundeigentümernvermehrt bei der Durchführung von Siedlungs-erneuerungen in Betracht gezogen werden.Solche Vereinbarungen haben sich aber an dasmaterielle Recht zu halten. Auch sie können folg-lich nur soviel zur Verbesserung der Siedlungs-qualität beitragen, wie die geltende Rechtsord-nung zulässt.

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IP BAU Modelle

7 Modelle

7.1 Schema: Planungsschritte 60

7.2 Bestehendes Instrumentarium 637.2.1 Beispiel Bahnhofgebiet Ilanz 63

7.2.2 Beispiel Sontga Clau Sura, Ilanz 67

7.3 Vorgeschlagenes Instrumentarium 71

7.3.1 Beispiel «Tircal», Domat/Ems 71

60

IP BAUModelle

7.1 Schema: PlanungsschritteDas nachfolgende Schema zeigt, wie mit dem be-stehenden und dem vorgeschlagenen Planungsin-strumentarium eine Erneuerungsplanung schritt-weise durchgeführt werden kann. Je nach Ausge-staltung der bestehenden Grundordnung und derangestrebten Neuordnung sind bei der Erneue-rungsplanung auf der Stufe der Grundordnungunterschiedliche Planungsschritte bzw. Planungs-massnahmen angezeigt. Die Notwendigkeit einerQuartierplanung anderseits hängt massgeblichvon den vorgegebenen Eigentumsverhältnissenund dem Bedarf nach weitergehenden Gestal-tungs- und Erschliessungsmassnahmen ab.

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IP BAU Modelle

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IP BAU Modelle

7.2 BestehendesInstrumentarium

7.2.1 Beispiel Bahnhofgebiet Ilanz

Das Beispiel Bahnhofgebiet Ilanz illustriert, wieeine gebietsbezogene Siedlungserneuerung übermehrere Bauzonen mit dem bestehenden Instru-mentarium schrittweise durchgeführt werdenkann.

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IP BAU Modelle

7.2.2 Beispiel Sontga Clau Sura, Ilanz

Das Beispiel Sontga Clau Sura, Ilanz, zeigt, wie einegebietsbezogene Siedlungserneuerung über einkleineres Gebiet mit verschiedenen Bauzonen mitdem bestehenden Instrumentarium durchgeführtwerden kann.

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IP BAU Modelle

7.3 VorgeschlagenesInstrumentarium

7.3.1 Beispiel «Tircal», Domat/Ems

Das Beispiel «Tircal», Domat/Ems, illustriert, wieeine Siedlungserneuerung in einem zentrumsna-hen Gebiet mit dem vorgeschlagenen künftigenInstrumentarium des Siedlungserneuerungspla-nes durchgeführt werden könnte.

75

IP BAU Anhang

Anhang

Gesetzestexte 77

Begriffe 80

77

IP BAU Anhang

Gesetzestexte

A Grundordnung

a) Allgemeines

Art. 18. Die Gemeinden ordnen die Nutzung des Gemeindegebietes minde-stens durch:a) das Baugesetz und den Zonenplan;b) den Generellen Gestaltungsplan.Anstelle eines Generellen Gestaltungsplanes können die Gemeinden im Bau-gesetz Gestaltungsvorschriften erlassen.

Art. 19. Die Gemeinden ordnen die Erschliessung des Gemeindegebietes mitVerkehrs- und Versorgungsanlagen im Generellen Erschliessungsplan.

c) Zonenplan

Art. 23. Der Zonenplan unterteilt das Gemeindegebiet nach Art und Mass derNutzung in verschiedene Zonen und grenzt insbesondere die Bauzonen, Land-wirtschafts- und Schutzzonen ab. Er kann weitere Zonen vorsehen, wie Zonenfür öffentliche Bauten, Anlagen, Grünzonen, Erholungs- und Gefahrenzonensowie Zonen für die Forstwirtschaft und übriges Gemeindegebiet.Anstelle von Schutzzonen können Schutzvorschriften erlassen werden.Der Zonenplan ist für jedermann verbindlich.

Art. 24. Die Gemeinden bestimmen für die Bauzonen Art und Mass derBodennutzung, die Bauweise und die Immissionsbeschränkungen.

Die Gemeinden legen im Gesetz fest, unter welchen Voraussetzungen und inwelchem Ausmass im Rahmen von Quartierplänen davon abgewichen werdendarf.

d) Erschliessungsplan

Art. 32. Der Generelle Erschliessungsplan legt die Anlagen der Grund- undGroberschliessung fest. Er kann Erschliessungsetappen und die zur Freihaltungder Verkehrsflächen und von wichtigen Leitungen erforderlichen Baulinienenthalten.Der Generelle Erschliessungsplan dient als Grundlage für die generellenProjekte und für die Bemessung der Erschliessungsbeiträge.

e) Gestaltungsplan

Art. 35. Der Generelle Gestaltungsplan ordnet die Gestaltung und Erhaltung derBauten oder Baugruppen, der Siedlung und der Landschaft.Die Pläne können die Zahl, die Art, die Lage, die äusseren Abmessungen, dieGeschosszahl und allenfalls weitere Einzelheiten der Bauten und Anlagenbestimmen.

Auszug aus dem Raumplanungsgesetz für den Kanton Graubünden vom20. Mai 1973, revidiert am 6. Dezember 1987 (KRG, BR 801.100)

Planungsmittela) Grundordnung

b) Erschliessungs-ordnung

Inhalt

Bauzonen,Allgemeines

GenerellerErschliessungsplan

GenerellerGestaltungsplan

78

IP BAUAnhang

B Quartierplanung

a) Allgemeines

Art. 38. Die Quartierplanung dient dazu, bei Bedarf ein Teilgebiet der Gemeindeim Rahmen der Grundordnung zu erschliessen und seine Überbauung zugestalten.Die Gemeinden bestimmen durch Gesetz, wie die Quartierplanung und dieErschliessung anzuordnen, durchzuführen und zu finanzieren sind und legendie bezüglichen Rechte und Pflichten fest.

b) Planungsmittel

Art. 39. Der Quartierplan kann die Elemente des Erschliessungsplanes und desGestaltungsplanes im Sinne der Art. 32 und 35 umfassen.Aus dem Quartierplan sich ergebende Eigentumsbeschränkungen können imGrundbuch angemerkt werden.

Art. 40. Mit dem Quartierplan können gestützt auf die Grundordnung besonde-re Bauvorschriften erlassen werden.

Art. 41. Ist zur Ausführung eines Quartierplanes die Umlegung von Grund-stücken notwendig, so kann die Gemeinde nach Anhören der Grundeigen-tümer die Landumlegung beschliessen.Die Gemeinde ist zur Landumlegung verpflichtet, wenn es die Mehrheit derinteressierten Grundeigentümer verlangt, denen mehr als die Hälfte des Umle-gungsgebietes gehört.

Art. 42. Von den in die Umlegung einbezogenen Grundstücken ist für dienotwendige Erschliessung ein entsprechender Flächenanteil unentgeltlich inAbzug zu bringen.Die Abtretung von Rechten zu weitergehenden öffentlichen Zwecken richtetsich, wenn keine Einigung erzielt wird, nach den Vorschriften des Enteignungs-gesetzes.

Art. 43. Ist der Boden für den Gemeindebedarf ausgeschieden, so bildet der Restdie Verteilungsmasse. Jeder Grundeigentümer erhält daraus einen Anteilzugewiesen, der wertmässig dem Land entspricht, das er in die Umlegungeingeworfen hat.Durch Boden nicht ausgleichbare Mehr- oder Minderwerte sind voll auszuglei-chen.Genügt ein Anteil an der Verteilungsmasse nicht, um ein überbaubares Grund-stück zu bilden, so ist der betreffende Eigentümer voll zu entschädigen.

Art. 44. Für ungünstig abgegrenzte Bauparzellen, die ihrem Flächeninhalt nachüberbaubar sind, kann der Gemeindevorstand auf Begehren eines Grundeigen-tümers die Grenzbereinigung anordnen, wenn den andern beteiligten Grund-eigentümern daraus kein nennenswerter Nachteil erwächst.

Zweck

Quartierplana) Inhalt

b) Bauvorschriften

Baulandumlegunga) Zweck und Anordnung

b) Abzüge für denGemeindebedarf

c) Neuzuteilung,Wertausgleich

Grenzbereinigung

79

IP BAU Anhang

c) Verfahren

Art. 45. Der Gemeindevorstand legt den Quartierplan und die damit verbunde-nen besonderen Bauvorschriften öffentlich auf und gibt die Auflage in geeigne-ter Weise bekannt.Während der Auflage kann beim Gemeindevorstand schriftlich Einspracheerhoben werden.Die Auflage ist zu wiederholen, wenn auf Grund von Einsprachen der Quartier-plan und die damit verbundenen besonderen Bauvorschriften geändert wer-den. Betreffen die Änderungen lediglich einzelne Grundeigentümer, so istdiesen Gelegenheit zur Einsprache zu geben.

Auszug aus der Raumplanungsverordnung für den Kanton Graubünden vom26. November 1986 (KRVO, BR 801.110)

Art. 19. Der Generelle Erschliessungsplan enthält mindestens: übergeordnetesStrassennetz und Sammelstrassen, Hauptleitungen der Wasserversorgungund Abwasserbeseitigung, Reservoire und Abwasseranlagen.

Er kann weiter enthalten:Erschliessungsstrassen, Parkierungsanlagen, Wirtschaftswege, Radwege,Fuss- und Wanderwege, Anlagen der Energieversorgung und der Telekommu-nikation und weitere Versorgungsanlagen sowie Erschliessungsetappen undGebiete mit Quartierplanpflicht.Vorbehalten bleibt die Strassengesetzgebung des Kantons.

4. Gestaltung

Art. 30. Die Gemeinden können im Generellen Gestaltungsplan insbesondereGestaltungszonen und Schutzobjekte festlegen sowie die Durchführung vonNutzungsverlegungen, Baustandorte, die Quartierplanpflicht und die Baubera-tung verbindlich vorschreiben. Sie können ausserdem die Gestaltung desErholungsraumes, der Fluss- und Seeufer ordnen und Baugestaltungslinien,insbesondere zum Schutz von Strassenzügen, Plätzen, Gewässerufern oderWaldrändern festlegen.

Auflage, Einsprache

GenerellerErschliessungsplana) Inhalt

GenerellerGestaltungsplan

80

IP BAUAnhang

Begriffe Liste der für Siedlungserneuerungen bedeutsamen Begriffe

Begriff Definition

Bauberatung(fakultativ oder Projektbezogene Beratung des Bauherrn und der Baubehörde durch unabhän-obligatorisch) gige Fachleute

Baugestaltung Objektbezogene Planung der Bauform, - stellung und -gliederung, unter Einbe-zug der Bauweise, der Bauqualität sowie des Ortsbild- bzw. Kulturdenkmal-schutzes

Baulandreserven Flächenreserven auf unüberbauten Parzellen bzw. in nicht überbauten Gebie-ten

Bauverdichtung Objektweise Erhöhung der Dichte für eine bessere Nutzung des Gebäudes bzw.der Parzelle

Bautätigkeiten

– Baulicher Unterhalt Wahren bzw. Wiederherstellen der Substanz ohne wesentliche Veränderungender Nutzung und/oder des ursprünglichen Wertes

– Instandhaltung Wahren der Funktionstauglichkeit durch einfache und regelmässige Massnah-men

– Instandsetzung Wiederherstellung der Funktions- und Gebrauchstauglichkeit mit ausreichen-der Sicherheit und Dauerhaftigkeit

– Restaurierung Herstellen eines früheren Zustandes unter Wahrung vorhandener Substanz

– Bauerneuerung Eingreifen in die Substanz mit wesentlicher Veränderung der Nutzung und/oderdes ursprünglichen Wertes

– Bauliche Anpassung Anpassen an zeitgemässe oder zukünftige Anforderungen ohne wesentlicheEingriffe in die Struktur

– Umbau Umbauen zufolge zeitgemässer oder zukünftiger Anforderungen mit wesentli-chen Eingriffen in die Struktur

– Rekonstruktion Nachbilden eines früheren Zustandes

– Nutzungsänderung Änderung der Nutzung bzw. der Zweckbestimmung

– Erweiterung Ergänzung mit wesentlichen neuen Teilen

– Bauüberwachung Feststellen des Zustandes sowie Beurteilen und Aufzeigen der Folgerungen fürdie Erhaltung

Bauwerkpflege Objektbezogene Massnahmen zur Wahrung, Instandstellung, Instandsetzungund Restaurierung eines Bauwerkes

Bauwerk- Objektbezogene Massnahmen zur Erneuerung, Anpassung, zum Umbau, zurveränderungen Rekonstruktion, Erweiterung und Nutzungsänderung

Gebietsbezogene Erhaltung, Erneuerung oder durchgreifende Sanierung einschliesslich Ab-Erneuerung bruch und Wiederaufbau zusammenhängender Gebiete

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IP BAU Anhang

Gestaltungsgebiete Aufteilung des Siedlungsgebietes nach unterschiedlichen Gestaltungszielen:– Erhaltungsgebiet (Schutz, Erhaltung und Anpassung)– Erneuerungsgebiet (Erneuerung mit/ohne Verdichtung, Veränderung)– Neugestaltungsgebiet (Neubau, Wiederaufbau)– Freihaltegebiet (Freiräume und -flächen)

Gestaltungsplanung Planung der Erhaltung, der Erneuerung und der Neugestaltung im Siedlungs-und Landschaftsbereich, unter Einbezug des Orts- und Landschaftsbildessowie der Kultur- und Naturobjekte

Gestaltungs-wettbewerb Gebietsweise Durchführung eines Ideen- oder Projektwettbewerbes zur Ent-(Projekt- und scheidungsfindung in der GestaltungsplanungIdeenwettbewerb)

Neugestaltung Neugestaltung und Überbauung bzw. Wiederaufbau eines Gebietes

Nicht überbautes Summe der noch nicht überbauten oder nur mit einzelnen alleinstehendenGebiet Nebenbauten (z.B. Schopf, Hühnerstall) belegten Grundstücke sowie unüber-

baubare Parzellen (Wegleitung UEB, ARP März 1991)

Nutzungsreserven BGF-Reserven (oder umgerechnete Flächenreserven) auf bereits überbautenund genutzten Parzellen bzw. in überbauten Gebieten

Nutzungstyp Vorherrschende Nutzungsart in einem Siedlungsgebiet (z.B. Kerngebiet,Wohngebiet, Industriegebiet, Mischgebiet, u.a.)

Objektbezogene Erhaltung, Erneuerung oder durchgreifende Sanierung einschliesslich Ab-Erneuerung bruch und Wiederaufbau von Einzelbauten

Planungswettbewerb Durchführung eines Wettbewerbs zur Erarbeitung der raumplanerischen(Ideen- und Grundlagen für ein bestimmtes Gebiet (evtl. beschränkt auf Nutzung, Gestal-Projektwettbewerb) tung, Erschliessung, Ausstattung)

Quartierpflege Erhaltung von Qualitäten des Quartiers und Schutz vor negativen Entwick-lungen

Quartierverbesserung Behebung von Mängeln sowie teilweise Erneuerung und Verbesserung beste-hender Strukturen

Quartier-Teilerneuerung Durchgreifende Erneuerung einzelner Teile oder Strukturen des Quartiers

Quartier-Gesamt- Flächensanierung mit Abbruch, Umstrukturierung, Neuordnung und Wieder-erneuerung aufbau ganzer Quartiere

Siedlungserneuerung Objekt- und gebietsbezogene Massnahmen zur Erneuerung der Siedlung unterBerücksichtigung der alten bzw. neuen Grundordnung innerhalb eines abge-grenzten Gebietes

Siedlungsgestaltung Gestaltung, Erhaltung und Erneuerung der Siedlung unter Einbezug der Struk-tur, der Bauweise, der Gebäudestellung, -form und -gliederung, der Bau-stubstanz sowie des Schutzes des Ortsbildes und der Kulturdenkmäler

Begriff Definition

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IP BAUAnhang

Siedlungsnutzung Art und Mass der Nutzungen – inkl. horizontale und vertikale Mischnutzungenbzw. Nutzungsanteile – in den Bauzonen (flächen- und volumenbezogeneNutzungsart)

Siedlungspflege Gebietsbezogene Massnahmen zur Erhaltung und Instandstellung einer Sied-lung

Siedlungsplanung Planung der Nutzung, Gestaltung, Erschliessung und Ausstattung innerhalbdes Baugebietes bzw. der Bauzonen

Siedlungsstruktur Interne Gliederung der Siedlung, insbesondere Anordnung der Baukörper undFreiräume sowie der Beziehung zueinander (Gebäudeform und -stellung,Aussenräume, Plätze, Mauern, Bepflanzung u.a.)

Siedlungsverdichtung Erhöhung (Herabsetzung) der Nutzungsdichte unter gleichzeitiger Verbesse-(-Verdünnung) rung der Siedlungsqualität innerhalb eines abgegrenzten Gebietes

Überbautes Gebiet Summe der Grundstücke, die durch Bauten oder bauliche Nutzung (z.B. Park-platz, Lagerplatz, Verkehrsfläche auf dem Betriebsareal) oder durch eine dazu-gehörende, betriebsnotwendige Nutzung belegt sind (z.B. Wohnblock mitGarten und Kinderspielplatz; Wegleitung UEB, ARP März 1991)

Überbauungsmuster Kubische Gestaltung einer Überbauung unter Berücksichtigung der Nutzung(Bebauungsmuster) und Erschliessung

Verdichtungspotential Theoretisch mögliche Nutzungsreserven bezogen auf die geltende oder künf-tige Grundordnung

Weitgehend über- Geschlossener und parzellenübergreifender Siedlungsbereich bestehend ausbautes Gebiet überbautem Kernbereich inkl. Baulücken von untergeordneter Bedeutung

Begriff Definition