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Erlebnisbericht von der Sonderfahrt mit T62 als DemonstrationSZug zur Darstellung von
öffentlichem Personennahverkehr im Raum Braunschweig – Wolfenbüttel – Salzgitter.
Lutz Diebel, Demozug-Team Manfred Kracht, VCD WF Peter Westphal, MoVe BS
Demonstrationszug war unterwegs!
Verkehrswende aktuell - Mit einem
„Demonstrationszug voller Ideen“ wurden am
26. September 2020 Konzepte für die
Verkehrswende in der Region vorgestellt und
erlebbar gemacht. Es gab Informationen im
Zug und an den Haltebahnhöfen.
Die Entstehungsgeschichte des Vorhabens
Meinen ersten Kontakt mit dem
Vorhaben „DemonstrationSZug“ hatte ich im
Frühjahr 2019 in der Kreiensener
Bahnhofsmission. Dort wurde mir von
Sebastian Müller Olaf Schnell (beide vom
Demozug-Team) vorgestellt, welcher mir über
das Vorhaben berichtete und mich um
Unterstützung bat. Gerne bot ich meine
Fähigkeiten als Mediengestalter an und Herr
Schnell blieb weiterhin mit mir in Kontakt.
Nach einer heißen Planungsphase
wurde als Termin der 12. Oktober 2019 ins
Auge gefasst. Doch dann begannen die
Schwierigkeiten. Es konnte kein geeignetes
Fahrzeug aufgetrieben werden. Es wurde
verlegt und verlegt und verlegt. Bis der
Winter vor der Tür stand und wir beschließen
mussten, einen Termin im Frühjahr 2020 ins
Auge zu fassen. Mit dem neuen Jahr kam
zunächst Zuversicht und dann sie: CORONA.
Und alle Planungen wurden über den Haufen
der behördlichen Verordnungen geworfen.
Doch es hatte auch den Vorteil, dass
sich Olaf Schnell weiter um ein geeignetes
Fahrzeug bemühen konnte. Schließlich wurde
mir durch Herrn Müller mitgeteilt, dass der
T62 des VBV (Verein Braunschweiger
Verkehrsfreunde) zur Verfügung stehen würde
und dass die zuständigen Behörden alles
soweit abgenickt hätten. Der Terminkalender
sah den 26. September 2020 vor und dabei
blieb es auch.
Der Esslinger Triebwagen (Klein Mahner)
Foto: Lutz Diebel, Demozug
Der T62 des VBV wurde 1952 in der
Maschinenfabrik Esslingen unter der
Fabriknummer 23.504 erbaut und im Oktober
desselben Jahres an die Hildesheim-Peiner
Kreis-Eisenbahn-Gesellschaft (HPKE)
ausgeliefert, wo er bis zum Dezember 1967 in
Betrieb stand. Über die Teutoburger Wald-
Eisenbahn AG, Gütersloh (TWE) und die
Württembergische Eisenbahngesellschaft
mbH (WEG), wo er zwischenzeitlich zum
Steuerwagen umgebaut wurde gelangte der
T62 schließlich 2002 zum Brücke e. V.,
Blankenburg (Harz). Dort wurde das
Fahrzeug grundlegend saniert und wieder zum
Triebwagen umgebaut.
Worum geht es beim Demozug?
Im Mittelpunkt der Veranstaltung, die
von Mitgliedern der Bahninitiative vorbereitet
wurde, stand die Vorstellung, neue
Personenzugverbindungen und Übergänge
zwischen den öffentlichen Verkehrsmitteln zu
schaffen, insbesondere im Bereich zwischen
Lengede/Broistedt und Salzgitter-Bad.
Weil notwendige Entwicklungen nur langsam
vorankommen, ließ die Bahninitiative
exemplarisch einen Personenzug auf einigen
Strecken rollen. Olaf Schnell: „Wir
demonstrieren verschiedenste Möglichkeiten
zur Verbesserung des regionalen
Schienenverkehrs und ÖPNV.“
Professor Christoph Menzel lehrt an der
Hochschule in Salzgitter-Calbecht. Der
Wissenschaftler am Institut für
Verkehrsmanagement der Ostfalia hat in den
letzten Jahren wiederholt hierauf
hingewiesen. Er vertritt den Ansatz „Wer
Klimaschutz will, muss groß denken. Die
Schienenverkehre in der Region WOB-BS-SZ
müssen hierfür das Rückgrat bilden.“ Unter
seiner Leitung sind Studien zum Thema
ÖPNV entstanden. Ein Auszug wurde im
Kurzvortrag am Bahnsteig und auf Aushängen
im Fahrzeug präsentiert.
Der Fahrtag am 26. September 2020
Ein paar Tage vor dem 26. September
bekam ich meine Fahrtunterlagen und konnte
meine Teilnahme an der Fahrt planen. Hieß
also für mich, dass ich um 5.54 Uhr von
Kreiensen fahren musste. Nach einer
erholsamen Reise mit einem VT der DB-
Regio empfing mich ein „schlafender“
Braunschweiger Hauptbahnhof. Auf Gleis
vier kam ich an und dort war auch zu lesen,
dass um 8.40 ein Sonderzug nach
Wolfenbüttel dort abfahren sollte – Schwein
gehabt. Doch ich freute mich zu früh und es
wurde kurz vor der Abfahrt bekannt gegeben,
dass es auf Gleis eins losgehen sollte.
Mittlerweile war ich nicht mehr der einzige
Wartende und ein kleiner Tross reisewilliger
Leute setzte sich auf Bahnsteig vier in
Richtung Bahnsteig eins in Bewegung.
Kurz nach der Abfahrt in Richtung
Wolfenbüttel wurden die Reisenden von Olaf
Schnell (Demozug-Team) begrüßt.
Foto: Lutz Diebel
Seinen Worten folgend begrüßte
Detlef Haßelmann vom Regionalverband BS
die Mitfahrenden und erläuterte sogleich das
Vorhaben, den Bahnhaltepunkt Leiferde zu
reaktivieren.
Foto: Lutz Diebel
Nach einem kurzen Aufenthalt an der
Stelle, an der ein Haltepunkt für Reisezüge
eingerichtet werden könnte, setzte der T62
seine Fahrt in Richtung Wolfenbüttel fort.
Dort angekommen verließen die
Fahrgäste den Triebwagen und wurden
freundlich von einigen Mitgliedern des VCD-
Kreisverbands Wolfenbüttel, Manfred Kracht,
Markus und Stefan Brix, begrüßt. In den nun
folgenden 50 Minuten hatten Fahrtteilnehmer
und Dozenten viele Möglichkeiten zum
Meinungsaustausch.
Vorträge am Bahnsteig und im Zug
Foto: Lutz Diebel
Der VCD Wolfenbüttel war zwar nicht
Veranstalter der Aktion, hat diese aber seit der
ersten Ideenfindung vor etwa 2 Jahren immer
aktiv unterstützt. Bei dem etwa einstündigen
Aufenthalt des Demozuges in Wolfenbüttel
wurde über die schon lange in der Diskussion
befindlichen Haltepunkte Wendessen, Linden
und Groß Stöckheim informiert sowie über
den – evtl. sehr ungünstig gelegenen –
Standort der geplanten Fahrradstation am
Wolfenbütteler Bahnhof.
Professor Christoph Menzel, Fabian
Rohde und Hannes Hoefs von der FH Ostfalia
Foto: Manfred Kracht (VCD WF)
in Salzgitter-Calbecht stellten ihre
Ausarbeitung zum Thema Verkehrshalt
Leiferde vor. Aber auch den Ausführungen
zur Geschichte der Eisenbahnstrecke
Braunschweig – Wolfenbüttel von Thomas
Schmalstieg vom VCD Hannover wurde
aufmerksam zugehört.
Foto: Lutz Diebel
Da nun gezeigt werden sollte, welche
Möglichkeiten bei der Benutzung einiger
Strecken der Verkehrsbetriebe Peine-
Salzgitter (VPS) bestehen, war es nötig
wieder zum Braunschweiger HBF zurück zu
fahren. Diese Fahrt nutzte Dr. Jörg May vom
VBV dazu, den Verein und den dazugehörigen
LokPark vorzustellen.
Foto: Lutz Diebel
Um 10.37 Uhr ging es wieder raus aus
dem Braunschweiger Hbf und der Esslinger
brummte mit Vmax 90 km/h in Richtung Peine.
Nachdem dort ein Missverständnis mit einem
Fahrdienstleiter aus dem Weg geräumt werden
konnte, setzte sich der Sondertriebwagen in
Richtung Salzgitter-Bad in Bewegung.
Foto: Lutz Diebel
In Lengede-Broistedt wurde ein
Demo-Halt eingelegt, weil es dort auch
möglich sein könnte, mittels eines
Bahnsteiges die Verbindung zwischen den
VPS und der DB herzustellen.
Mit dem Demozug durch den wilden
Westen der Region – wild, weil unbekannt!
Es war Sauwetter an dem Samstag,
aber die Kulisse für eine Sonderfahrt durch
die Areale der Schwerindustrie hätte kaum
besser gewesen sein können. Wir fuhren auf
Gleisen, wo sonst kein normaler Fahrgast
hinkommt. Früher gab es hier mal
Personenverkehr. So war der historische
Esslinger Triebwagen eine gute Wahl, der
Ausflug wurde zur Zeitreise.
An Bord herrschte Anspannung,
ersehnte seltene Blicke nicht zu verpassen.
Angestrengte Fachgespräche unter Mund-
Nasen-Schutz mussten immer mal wieder
unterbrochen werden, um Vorträgen zu
lauschen. Kann das, was früher einmal war,
wieder sein? Sinn würde es machen, nicht
nur, um einem Hochschulstandort
studentisches Leben einzuhauchen. Die
erwähnten Millioneninvestitionen machen
schwindelig, rücken das, was man sich aus
der Vergangenheit zurück wünscht, zu einer
fernen Zukunftsvision.
Foto: Peter Westphal (MoVe BS)
Der Zug war ein guter Ort für Austausch und
Visionen an diesem Tag. Alle saßen drin:
Initiatoren, Professoren, aktive und ehemalige
Studenten, Leute von Vereinen und
Verbänden. Dank der Leute an den Schaltern
und Hebeln lief alles pünktlich und
reibungslos.
Ferdinand Fischer als Vertreter der
Interessen-Gemeinschaft Unstrut Bahn e. V.
stellte das Konzept der Unstrut Bahn vor.
Foto: Lutz Diebel
Nach dem Wendeaufenthalt in
Salzgitter-Bad konnten sich die
Fahrteilnehmer an der kleinen Theke mit
belegten Brötchen, Linsensuppe, Kaffee und
Kaltgetränken verpflegen. Um den
planmäßigen Zugfahrten in Salzgitter-Bad
nicht im Wege zu sein, musste der Sonderzug
für etwa eine Stunde nach Klein Mahner
ausweichen. Von dort aus setzte sich der T62
wieder in Richtung Ringelheim in Bewegung.
Foto: Lutz Diebel
Auf dieser Fahrt fand eine Verlosung
statt, bei der Frau Elli Briese von der
Kreiensener Bahnhofsmission den „Goldenen
Schotterstein“ gewann. Wieder in SZ-Bad
angekommen, verließen das Verpflegungs-
Team und ich den Zug.
Foto: Lutz Diebel
Themen und Schaubilder des Demozuges
Darüber hinaus wurden im Rahmen
der Sonderzugfahrt aber noch weitere
Beispiele für eine Stärkung des
Schienenverkehrs in der Region vorgestellt:
• Eine neue Bahnstation in Braunschweig-Leiferde könnte als
Umsteigepunkt genutzt werden und
die Fahrtzeit zwischen Wolfenbüttel
und Salzgitter-Bad / -Lebenstedt
erheblich verkürzen.
• Lange angedachte Haltepunkte in Wolfenbüttel-Groß Stöckheim oder
Wendessen würden neue
Fahrgastpotentiale in diesen Ortsteilen
erschließen und dem System Bahn
zuführen.
• Ein dichterer Takt auf der Strecke nach Salzgitter-Bad könnte bessere
Anschlüsse ermöglichen und wäre
überdies eine Einladung für viele
Pendler, die Bahn anstelle des Autos
zu wählen.
Foto: Olaf Schnell (Demozug)
Fazit und Ausblick
Prinzipiell war der Tag gut
durchorganisiert. Auch waren viele
vorgestellte Konzepte durchaus gut überlegt.
Doch wir müssen uns (leider) immer
wieder daran erinnern, dass in Niedersachsen
sehr viele Autos gebaut werden, die verkauft
werden müssen. Und damit diese vielen
Autos, mit denen ja auch viele Menschen
Geld verdienen, fahren können, werden in
Niedersachsen leider mehr Straßen als
Eisenbahnlinien gebaut.
Vielen Dank, ich fahre gerne wieder mit im
Bildungszug!
SZ, 4. Nov 20, Olaf Schnell, Organisation Demozug