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248 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Beton- und Stahlbetonbau 109 (2014), Heft 4 Manfred Keuser, Eugen Hiller, Roman Lenner DOI: 10.1002/best.201300078 FACHTHEMA Ermüdungsversuche an Stahlbetonfertigteilen für Lärmschutzwände an Eisenbahn- Hochgeschwindigkeitsstrecken 1 Einleitung Mit dem Ausbau des Straßen- und Autobahnnetzes in den vergangenen Jahrzenten wuchs auch die Lärmbelas- tung der Anwohner an Verkehrswegen. Da auch die Sen- sibilität der Bevölkerung für Umweltbelastungen in die- sem Zeitraum deutlich zugenommen hat und durch gesetzliche Regelungen Grenzwerte für die zulässigen Lärmbelastungen definiert wurden, sind Schallschutz- maßnahmen heute integraler Bestandsteil von Verkehrs- wegen für Straße und Schiene. Lärmschutzwände an Schienenwegen, insbesondere an Hochgeschwindigkeits- strecken, erfahren dabei, neben der Belastung durch Wind, auch durch die vorbeifahrenden Züge Beanspru- chungen durch infolge von diesen ausgelöste Druck- und Sogwellen. Insbesondere an Eisenbahnstrecken kommen häufig Stahlbetonfertigteile als Schallschutzelemente zum Einsatz. Nachdem bei der NBS Köln-Rein/Main Schäden in großem Umfang aufgetreten sind, wurden die einschlä- gigen Vorschriften für die Bemessung von Lärmschutz- wänden überarbeitet und die Anforderungen deutlich ver- schärft. Im vorliegenden Beitrag wird zum einen von Versuchen an Lärmschutzelementen berichtet, die im Zuge der ABS Augsburg – Olching auf der Grundlage des seinerzeit gel- tenden Vorschriftenwerkes [1] erstellt wurden, sowie von Versuchen im Rahmen von Zulassungsverfahren an neu entwickelten Elementen. Die Versuche wurden im Labor des Instituts für Konstruktiven Ingenieurbau der Univer- sität der Bundeswehr München durchgeführt. Hersteller der Schallschutzelemente war die Firma Rieder. Gutach- ter im Auftrag des Eisenbahn-Bundesamts war Herr Prof. Dr.-Ing. ROBERT HERTLE, Gräfelfing. 2 Von Hochgeschwindigkeitszügen erzeugte Luftströmung Lärmschutzwände entlang von Eisenbahnstrecken wer- den insbesondere dynamisch durch die Druck-Sog-Wir- kungen aus Zugvorbeifahrten belastet. Der fahrende Zug schiebt die anstehenden Luftmassen vor sich her und lei- tet sie vom Bug über die Außenseiten Richtung Heck ab. Bei der Begegnung mit einer Lärmschutzwand strömt die Luft immer noch seitlich entlang des Zuges nach hinten ab. Aus der Wechselwirkung zwischen Druck und Sog bil- det sich eine Druckwelle, die entlang der Wand wandert. Am Heck des Zuges bildet sich eine Nachlaufströmung aus, welche mit hohen Luftgeschwindigkeiten verbunden ist. Sobald der Zug die Wand passiert hat, beginnt sich die Heckwelle auszubilden. Die in die Luft eingebrachte Energie wird im Nachlauf, meist weit hinter dem Zug, vernichtet und es kommt zu Wirbelbildungen (Bild 1). Hieraus sind deutlich drei Hauptereignisse anhand der ausgeprägten Spannungsspitzen zu erkennen: Angesichts der dichten Besiedlung kommt dem Schallschutz an Verkehrswegen in Deutschland eine große Bedeutung zu. Insbesondere an Eisenbahnstrecken kommen Lärmschutz- wände aus Stahlbetonfertigteilen zum Einsatz. Bei Hochge- schwindigkeitsverkehr führt die Belastung aus Zugvorbeifahrt zu Schwingungen der Wände, sodass die Ermüdungsfestigkeit nachgewiesen werden muss. Im Labor des Instituts für Kon- struktiven Ingenieurbau der Universität der Bundeswehr wur- den hierzu in den vergangenen Jahren zahlreiche Versuche mit zyklischer Belastung durchgeführt. Dabei wurde dem Auflager- bereich, angesichts der sehr kleinen Auflagerbreite, besondere Beachtung geschenkt. Reinforced Concrete Precast Panels as Noise Protection along High Speed Rail Tracks The noise protection along traffic routes has large importance in Germany due to the high density of population. Reinforced concrete panels as noise protection walls are often used espe- cially along railroad tracks. The loading due to high-speed trains induces oscillation of the walls and the fatigue, there- fore, has to be investigated. During the last years, the Labora- tory of the Institute of Structural Engineering at the University of the German Armed Forces in Munich performed a large number of tests involving cyclical loading. The particular area of interest was the relatively narrow support. V zug 1. Bereich der Potentialstömung 2. Bereich der Grenzschichstströmung 3. Bereich der Nachlaufströmung Druck Sog Bild 1 Luftströmung an einem fahrenden Zug [2, 3] Airflow of a passing train

Ermüdungsversuche an Stahlbetonfertigteilen für Lärmschutzwände an Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecken

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Page 1: Ermüdungsversuche an Stahlbetonfertigteilen für Lärmschutzwände an Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecken

248 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Beton- und Stahlbetonbau 109 (2014), Heft 4

Manfred Keuser, Eugen Hiller, Roman Lenner

DOI: 10.1002/best.201300078

FACHTHEMA

Ermüdungsversuche an Stahlbetonfertigteilen für Lärmschutzwände an Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecken

1 Einleitung

Mit dem Ausbau des Straßen- und Autobahnnetzes inden vergangenen Jahrzenten wuchs auch die Lärmbelas-tung der Anwohner an Verkehrswegen. Da auch die Sen-sibilität der Bevölkerung für Umweltbelastungen in die-sem Zeitraum deutlich zugenommen hat und durch gesetzliche Regelungen Grenzwerte für die zulässigenLärmbelastungen definiert wurden, sind Schallschutz-maßnahmen heute integraler Bestandsteil von Verkehrs-wegen für Straße und Schiene. Lärmschutzwände anSchienenwegen, insbesondere an Hochgeschwindigkeits-strecken, erfahren dabei, neben der Belastung durchWind, auch durch die vorbeifahrenden Züge Beanspru-chungen durch infolge von diesen ausgelöste Druck- undSogwellen. Insbesondere an Eisenbahnstrecken kommenhäufig Stahlbetonfertigteile als Schallschutzelemente zumEinsatz. Nachdem bei der NBS Köln-Rein/Main Schädenin großem Umfang aufgetreten sind, wurden die einschlä-gigen Vorschriften für die Bemessung von Lärmschutz-wänden überarbeitet und die Anforderungen deutlich ver-schärft.

Im vorliegenden Beitrag wird zum einen von Versuchenan Lärmschutzelementen berichtet, die im Zuge der ABSAugsburg – Olching auf der Grundlage des seinerzeit gel-tenden Vorschriftenwerkes [1] erstellt wurden, sowie vonVersuchen im Rahmen von Zulassungsverfahren an neuentwickelten Elementen. Die Versuche wurden im Labordes Instituts für Konstruktiven Ingenieurbau der Univer-sität der Bundeswehr München durchgeführt. Herstellerder Schallschutzelemente war die Firma Rieder. Gutach-ter im Auftrag des Eisenbahn-Bundesamts war Herr Prof.Dr.-Ing. ROBERT HERTLE, Gräfelfing.

2 Von Hochgeschwindigkeitszügen erzeugteLuftströmung

Lärmschutzwände entlang von Eisenbahnstrecken wer-den insbesondere dynamisch durch die Druck-Sog-Wir-kungen aus Zugvorbeifahrten belastet. Der fahrende Zugschiebt die anstehenden Luftmassen vor sich her und lei-tet sie vom Bug über die Außenseiten Richtung Heck ab.Bei der Begegnung mit einer Lärmschutzwand strömt dieLuft immer noch seitlich entlang des Zuges nach hintenab. Aus der Wechselwirkung zwischen Druck und Sog bil-det sich eine Druckwelle, die entlang der Wand wandert.Am Heck des Zuges bildet sich eine Nachlaufströmungaus, welche mit hohen Luftgeschwindigkeiten verbundenist. Sobald der Zug die Wand passiert hat, beginnt sich dieHeckwelle auszubilden. Die in die Luft eingebrachteEnergie wird im Nachlauf, meist weit hinter dem Zug,vernichtet und es kommt zu Wirbelbildungen (Bild 1).

Hieraus sind deutlich drei Hauptereignisse anhand derausgeprägten Spannungsspitzen zu erkennen:

Angesichts der dichten Besiedlung kommt dem Schallschutzan Verkehrswegen in Deutschland eine große Bedeutung zu.Insbesondere an Eisenbahnstrecken kommen Lärmschutz -wände aus Stahlbetonfertigteilen zum Einsatz. Bei Hochge-schwindigkeitsverkehr führt die Belastung aus Zugvorbeifahrtzu Schwingungen der Wände, sodass die Ermüdungsfestigkeitnachgewiesen werden muss. Im Labor des Instituts für Kon-struktiven Ingenieurbau der Universität der Bundeswehr wur-den hierzu in den vergangenen Jahren zahlreiche Versuche mitzyklischer Belastung durchgeführt. Dabei wurde dem Auflager-bereich, angesichts der sehr kleinen Auflagerbreite, besondereBeachtung geschenkt.

Reinforced Concrete Precast Panels as Noise Protectionalong High Speed Rail TracksThe noise protection along traffic routes has large importancein Germany due to the high density of population. Reinforcedconcrete panels as noise protection walls are often used espe-cially along railroad tracks. The loading due to high-speedtrains induces oscillation of the walls and the fatigue, there-fore, has to be investigated. During the last years, the Labora-tory of the Institute of Structural Engineering at the Universityof the German Armed Forces in Munich performed a largenumber of tests involving cyclical loading. The particular areaof interest was the relatively narrow support.

Vzug

1. Bereich derPotentialstömung

2. Bereich der Grenzschichstströmung

3. Bereich der Nachlaufströmung

Druck Sog

Bild 1 Luftströmung an einem fahrenden Zug [2, 3]Airflow of a passing train

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Beton- und Stahlbetonbau 109 (2014), Heft 4 249

M. Keuser, E. Hiller, R. Lenner: Reinforced Concrete Precast Panels as Noise Protection along High Speed Rail Tracks

FACH

THEM

A A

RTICLE

1. Bugwelle: Druck in, Sog quer zur Fahrrichtung 2. Koppelstelle (zwischen Zuggarnituren): Druck quer

zur Fahrrichtung 3. Heckwelle: Sog in, Druck quer zur Fahrrichtung

Die beiden gegengerichteten Doppelimpulse aus Bug-und Heckwelle und der Einzelimpuls aus der Koppelstel-le erzwingen eine Schwingung der Wand. Durch dieseSchwingung wird die Wand zyklisch belastet und es kannzu Schädigungen infolge Ermüdung kommen.

2.1 Dynamische Anregung

Durch die Luftströmungen und die damit verbundenenDruckunterschiede werden Beanspruchungen auf dieLärmschutzwände aufgebracht. Im Gegensatz zur Wind-belastung, die in der Regel durch statische Ersatzlastenmodelliert werden kann, treten infolge der hohen Ge-schwindigkeit stoßartige Lasten auf, durch welche dieLärmschutzwände zu Schwingungen angeregt werden. InBild 2 ist exemplarisch der Druck-Zeit-Verlauf für eineLärmschutzwand bei einer Zugdurchfahrt eines ICE, deraus zwei gekoppelten Kurzzügen besteht, dargestellt.

Für eine mathematische Formulierung der Anregung wirdauf die Grundannahmen der gedämpften Schwingung zu-rückgegriffen (Bild 3).

Die zeitlich abhängige Erregerkraft F(t) ist wie folgt defi-niert:

F(t) = F0 · cos(Ω · t) (1)

mit Ω als Erregerfrequenz und F0 als Kraftamplitude.

Die Bewegungsgleichung ergibt sich durch Aufstellen desGleichgewichts zu:

(2)

(3)

durch Umformulierung mit:

ergibt sich die folgende inhomogene lineare Differential-gleichung (DGL) 2. Ordnung:

(4)

Die allgemeine Lösung dieser inhomogenen linearenDGL 2. Ordnung (Gln. (2) und (3)) setzt sich zusammenaus der Lösung der homogenen Gleichung, die die freieungedämpfte Schwingung beschreibt und aus einer parti-kulären Lösung der inhomogenen Gleichung, aus der derdynamische Überhöhungsfaktor oder auch die Vergröße-rungsfunktion und der Phasenwinkel ermittelt werdenkönnen.

Die dynamische Überhöhung der Belastung und Verfor-mung ist stark von der Erregerfrequenz, die mit der Zug-geschwindigkeit verbunden ist, und der Eigenfrequenz des angeregten Bauteils abhängig. Resonanz tritt bei derkritischen Geschwindigkeit auf [1] (Bild 4). Bei dynami-scher Belastung müssen auch die Massenkräfte berück-

2 20

0dm

, km

und xFk

2 cos( )2 20u u u x t�� �

( )mu F t ku du�� �

cos( )0mu du ku F t�� �

Zeit [s]

2 6 104 8

Dru

ck[P

a]

0

200

400

-200

-400

Bugwelle

Koppelstelle

Heckwelle

Bild 2 Beispiel eines gemessenen Druck-Zeit-Verlaufs [2]Example of a measured time pressure

m

k d

F(t)mu

ku du

F(t)

..

a) b)Bild 3 Grundannahmen für die gedämpfte Schwingung mit a) Gesamtsystem;

b) Kräften am ElementBasic assumptions about damped oscillation at a) whole system; b) element forces

0

1

2

3

4

5

6

7

0 0,5 1 1,5 2

V1

dyna

mis

cher

Übe

rhöh

ungs

fakt

or

Frequenzverhältnis η=Ω/ω

V1 (D=0)

V1 (D=0,08)

V1 (D=0,12)

V1 (D=0,5)

V1 (D=1)

Bild 4 Überhöhungsfaktoren für Erregung in Abhängigkeit von Frequenzver-hältnis und DämpfungsgradAmplification factors for excitation in dependence on frequency anddamping ratio

Page 3: Ermüdungsversuche an Stahlbetonfertigteilen für Lärmschutzwände an Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecken

250 Beton- und Stahlbetonbau 109 (2014), Heft 4

M. Keuser, E. Hiller, R. Lenner: Ermüdungsversuche an Stahlbetonfertigteilen für Lärmschutzwände an Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecken

sichtigt werden, die bei der Anregung der Lärmschutzele-mente auftreten:

(5)

3 Vorschriften und Nachweise3.1 Einwirkungen

Die Belastung von Lärmschutzwänden an Eisenbahnstre-cken ist in den Vorschriftenwerken der Deutschen BahnAG festgelegt. Die frühere DB Richtlinie (Ril) 800.2001[1] wurde Ende 2007 ersetzt. Die Einführung Ril804.5501 [4] erfolgte, um die aus den Hochgeschwindig-keitszügen resultierenden Lasten zu berücksichtigen unddamit auf die auftretenden Schäden zu reagieren [5]. DieLasten basieren auf Messungen an der Hochgeschwindig-keitsstrecke Köln-Main [2]. Inzwischen wurde die ent-sprechende Vorschrift [6] auf der Grundlage des Euroco-de aktualisiert. Zum Zeitpunkt der experimentellen Un-tersuchungen galten die Ril 804.5501 von 2007 [4] unddie Ril 804.5501A05 von 2010 [7].

Zwei Berechnungsverfahren sind geregelt [6, 7]:

– Berechnung mit einer quasi-statischen Ersatzlast,– dynamische Berechnung.

Das vereinfachte statische Verfahren beinhaltet den Ansatzvon Erhöhungsfaktoren, welche die dynamischen Effekteabdecken. Die Ersatzlasten sind nach EC1 [8] anzusetzen.In der Regel liefert dieses Verfahren sichere Ergebnisse.Das zweite Verfahren basiert auf einem analytischen Last-bild in der Form eines Druck-Sog-Verlaufs [7], mit welchemdie dynamischen Berechnungen durchgeführt werden.

3.2 Ermüdung von Stahlbetonbauteilen

Durch die wechselnde Druck-Sog-Anregung kommt es beiStahlbetonlärmschutzwänden zu einer wechselnden Be-wegung und damit auch zu einer zyklischen Belastung derBauteile. Die theoretische Verformung unter einem kon-stanten Lastniveau ist im Bild 5 vereinfacht dargestellt.

Die zyklische Belastung erfordert einen Nachweis gegenErmüdung, der getrennt für Stahl und Beton geführt wird.

F m u d u k um �� �

Die zulässigen Spannungsamplituden werden dabei in Ab-hängigkeit von der zu erreichenden Lastspielzahl festgelegt.

3.2.1 Beton

Durch die zyklische Belastung in den Stahlbetonelemen-ten muss eine alternierende Zug- und Druckbeanspru-chung im Stahlbetonquerschnitt aufgenommen werden.Da der Beton sich im Zugbereich generell im gerissenenZustand befindet und somit keinen Beitrag zum Ermü-dungsverhalten liefert, entfällt hier eine Betrachtung. Dieauftretenden Zugkräfte werden von der Bewehrung auf-genommen.

Im Druckbereich sind die auftretenden Betonspannungenσcd zu begrenzen, sodass die Ermüdung und das möglicheVersagen der Elemente unter den angesetzten Einwirkun-gen nicht relevant werden. Der vereinfachte Nachweis ge-gen Ermüdung nach DIN-FB 102 [9] gilt als erbracht,wenn folgende Gleichung eingehalten wird:

x

(6)

Dabei ist die Ermüdungsdruckfestigkeit fcd.fat von der ver-wendeten Betongüte und der Belastungszeit abhängig. ImFall von min|σcd| ≤ 0 (Zug) sollte max|σcd|/fcd,fat = 0,5 er-füllt sein. Wenn dieser vereinfachte Nachweis nach DIN-FB 102 [9] nicht erbracht wurde, ist ein genauer Nach-weis erforderlich.

Nach EC2 [10] wird die PALMGREN/MINER-Regel für denNachweis von Beton verwendet. Der Nachweis gegen Er-müdung ist erfüllt, wenn die folgende Bedingung einge-halten wird:

(7)

wobei ni die tatsächliche Anzahl von Lastzyklen mit einerkonstanten Amplitude ist und Ni für die maximale Zahlvon Lastzyklen derselben konstanten Amplitude steht,die bis zu einem Versagen aufgenommen werden können.

Bei Stahlbetonlärmschutzelementen sind im Druckbe-reich die auftretenden Betonspannungen häufig in derRegel so gering, dass die Ermüdungsfestigkeit für dasmögliche Versagen der Elemente unter den angesetztenEinwirkungen nicht relevant wird.

3.2.2 Betonstahl

Für den verwendeten Betonstahl gibt es in den aktuellenund in den zum Zeitpunkt der Herstellung der Elementegültigen Normen Regelungen zum Ermüdungsverhalten.Die dort angegebenen WÖHLERlinien weisen jedoch Un-terschiede zwischen der DIN-FB 102 [9], dem EC2 [10]und dem FIB – Model Code 2010 [11] auf (Bild 6).

max0,5 0,45

min0,9

f fcd

cd.fat

cd

cd.fat

11

nN

i

ii

m

max s

min s

tVerfo

rmun

g

Bild 5 VerformungsverlaufDeformation

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THEM

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RTICLE

Die mathematische Formulierung der WÖHLERlinie miteiner Spannungsschwingbreite ΔσRsd bei N* Lastzyklenwurde durch folgende Gleichung beschreiben:

(8)

mit N* = 106, Δσs = Schädigungsäquivalente Spannungs-schwingbreite, k = Spannungsexponent und γfat = Sicher-heitsfaktor bei Ermüdung.

Die Hauptvariablen für den Ermüdungsnachweis des Be-tonstahls sind dabei die Spannungsschwingbreite und dieLastspielzahl. Die dargestellten Linien in Bild 6 zeigen,dass die ertragbaren Lastspiele insbesondere für Last-

NN

NLRsd

*

fat s

k

*

spielzahlen < 106 sehr empfindlich auf Spannungsände-rungen reagieren. Beispielweise ist eine Erhöhung von1 · 106 auf 5 · 106 Lastwechsel mit einer Reduzierung derertragbaren Spannung von etwa 27,5 N/mm2 verbunden.

Die theoretischen Überlegungen zeigen jedoch auch, dassdas Ermüdungsverhalten nicht nur im hohen Maße sensi-bel auf Abweichungen bei der Belastung, sondern auchder Geometrie, insbesondere der Lage der Bewehrung,reagiert. Für den Betonquerschnitt unter Biegebeanspru-chung sind die Haupteinflüsse auf die resultierende Span-nung im Betonstahl:

– Bewehrungsanordnung (ein- oder zweilagig),– Abweichungen der Bewehrung von der Solllage,– Streuungen der Betondruckfestigkeit,– Belastung und deren Streuungen.

In Bild 7 ist die Beanspruchung der Bewehrung bei ein -lagiger zentrischer und bei zweilagiger exzentrischer An-ordnung dargestellt. Dabei wird deutlich, dass die zwei -lagige Bewehrung pro Lastwechsel einmal, die einlagigezentrisch angeordnete Bewehrung jedoch zweimal mitder maximalen Stahl spannung beansprucht wird.

4 Experimentelle Untersuchungen4.1 Untersuchung am Bestand4.1.1 Lärmschutzelemente mit einlagiger Bewehrung

aus einer Bestandsstrecke

Lärmschutzelemente der ABS Augsburg-Olching wurdenexperimentell mit dem Ziel der Bestimmung der zu er-wartenden Lebensdauer bei realistischen Belastungen un-tersucht [12, 13, 14].

Die Abmessungen der Lärmschutzelemente betrugenl/b/d  = 496,0/99,6/21,5  cm mit einer Stahlbetondickevon 12,5 cm und einer Dicke der Lärmschutz-Absorber-elemente von 9,0 bzw. 7,0 cm. Stahlbeton und Absorber-elemente wurden im Verbund hergestellt. Die Absorber-elemente waren im Versuch an der Unterseite der Ele-mente angeordnet. Der Stahlbeton wies eine mittige Be-

0

50

100

150

200

250

300

1,0E+04 1,0E+05 1,0E+06 1,0E+07 1,0E+08 1,0E+09 1,0E+10

Stah

lspa

nnun

g ∆σ

s[N

/mm

2 ]

Lastspiele

DIN FB-102 Char.WerteDIN FB-102BemessungEC-2 Char. Werte

EC-2 Bemessung

Model Code 2010Char. WerteModel Code 2010Bemessung

Bild 6 Wöhlerlinie nach DIN 1045/1/DIN-FB 102 [8], EC2 [10] und Modelcode2010 [11]Fatigue curve according to DIN 1045/1/DIN FB 102 [8], EC2 [10] andModelcode 2010 [11]

Bild 7 Spannungswechsel bei zyklischer BelastungChange in stress for cyclic loading

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wehrung in Längsrichtung auf. Eine Übersicht über denAufbau und die Geometrie der Lärmschutzelemente gibtBild 8.

4.1.2 Versuchskonzepte

Im Labor des Instituts für Konstruktiven Ingenieurbauwurde für die Untersuchung des Ermüdungsverhaltens,respektive der Lebensdauer der Lärmschutzelemente, einVersuchsstand konzipiert und eingerichtet (Bild 9). DieVersuche wurden als Biegeversuche mit vier Einzellastenausgeführt, um so die Flächenlast ausreichend genau ab-zubilden. Die Lärmschutzelemente wurden dazu horizon-tal in den Versuchsstand eingebaut. Dabei wurden dieElemente in Stahlprofilen HEA 220 gelagert.

Die Elemente wurden beim Einbau in den Versuchsstandmithilfe einer Einbauunterstützung horizontal einnivel-liert, an die Lasteinleitungskonstruktion angeschlossenund über die vier Lasteinleitungsbereiche in diesem„Nullzustand“ gehalten. Die aufzubringende Lastamplitu-de wurde um den dabei aufgetretenen Lastanteil aus Ei-gengewicht der Elemente bereinigt. Im Versuchsstandwurden die Lärmschutzelemente mit einer zyklischenWechselbelastung beaufschlagt. Die Lastamplitude Fa be-trug maximal ± 4,20  kN bzw. ± 6,53  kN. Die Versuchewurden kraftgesteuert mit einer Schwingfrequenz f zwi-schen 1,0 Hz und 2,5 Hz durchgeführt. Die Elemente soll-ten planmäßig 5 · 106 Lastwechsel erreichen.

4.2 Zulassungsversuche4.2.1 Lärmschutzelemente

Elementdicke 16,0 cmNeue Lärmschutzelemente wurden mit dem Ziel desNachweises der Ermüdungssicherheit, angesichts der ge-

ringen Auflagerbreite insbesondere in den Auflagerberei-chen, experimentell untersucht [16]. Die Abmessungendieser Lärmschutzelemente betrugen, im Gegensatz zuden doppelt so langen Bestandslärmschutzelementen,l/b/d = 246,0/99,6/16,0 cm. Eine Übersicht über den Aufbau und die Geometrie der Lärmschutzelemente gibtBild 10.

Elementdicke 12,5 cmDie Abmessungen der neuen Lärmschutzelemente mit geringerer Dicke, die ebenfalls zum Nachweis der Ermü-dungssicherheit experimentell untersucht wurden [18],betrugen l/b/d  = 246,0/99,6/12,5 cm. Auch bei diesenElementen fehlten im Versuch die Lärmschutz-Absorber-elemente. Eine Übersicht über den Aufbau und die Geo-metrie der Lärmschutzelemente gibt Bild 11.

4.2.2 Versuchskonzepte

Für das Aufbringen eines statischen Torsionsmomentszum Einprägen von Torsionsrissen in den Lärmschutzele-

Bild 8 Lärmschutzelement, 496,0 cm Länge – Geometrie und Abmessungeneiner Plattenhälfte [15]Noise protection element, 496.0 cm long – geometry and dimensionsfor a half of plate [15]

Bild 9 Altes einlagiges LärmschutzelementOld single-layer noise protection panel

Bild 10 Lärmschutzelement, 16,0 cm Dicke – Geometrie und Abmessungen [17]Noise protection element, 16.0 cm thick – geometry and dimensions [17]

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menten, für das Aufbringen einer Querlast auf die Lärm-schutzelemente sowie für das Aufbringen einer zykli-schen Querbelastung zur Bestimmung der Ermüdungsfes-tigkeit der Auflager der Lärmschutzelemente wurde imLabor des Instituts für Konstruktiven Ingenieurbau einVersuchsstand geplant und errichtet. Die Lärmschutzele-mente wurden in diesem Versuchsaufbau vertikal ange-ordnet und im Versuchsstand in Stahl profilen HEM 180gelagert, sodass die Lagerung der Lagerung im üblichenEinbauzustand entsprach.

Statische Torsionsversuche (nur an Elementen der Dicke 16,0 cm)Der Versuchsstand für die statischen Torsionsversuche istin Bild 12 dargestellt. Auf insgesamt zwei Elemente wurde eine Vorschädigung durch Einprägen von Tor -sionsrissen weggesteuert mit einer Geschwindigkeit von0,05 mm/s aufgebracht. Eines der beiden Elemente wurdedabei mit einer gerichteten Belastung schrittweise, das an-dere mit einer Beanspruchung mit wechselndem Vor -zeichen beaufschlagt.

Statische Versuche mit QuerbelastungDer Versuchsaufbau für die statischen Versuche mitQuerbelastung ist auf Bild 13 zu erkennen. Mit einer mit-tig über eine Traverse eingeleiteten Linienlast entspre-chen bei dieser Lasteinleitung nicht nur die Querkräfteim Auflagerbereich, sondern auch das maximale Biege-moment in Feldmitte den Werten, die bei einem Elementmit einer Länge von 5 m auftreten.

Dynamische Versuche mit QuerbelastungFür das Aufbringen einer zyklischen Querbelastung zurBestimmung der Ermüdungsfestigkeit der Elemente, ins-besondere in den Auflagerbereichen, wurden nicht vorge-schädigte Elemente kraftgesteuert mit einer zyklischenWechselbelastung beaufschlagt. Der Versuchsaufbau ent-sprach dabei weitgehend dem Versuchsaufbau für die statischen Versuche (vgl. Bild 13). Die Lastamplituden Fa betrugen ± 8,625  kN für eine Geschwindigkeit von v = 250 km/h bzw. ± 13,2 kN für eine Geschwindigkeitvon v = 300 km/h. Die Versuche wurden mit einer

Schwingfrequenz f von 2 bis 2,5 Hz durchgeführt. Auchdie neuen Elemente sollten 5 · 106 Lastwechseln wider -stehen.

5 Ergebnisse und deren Bewertung5.1 Alte einlagige Lärmschutzelemente5.1.1 Versuche mit Fa1 = ± 6,53 kN

Zwei Versuche an alten einlagigen Lärmschutzelementenam Bestand mit einer Belastung von Fa1 = ± 6,53 kN, diesich aus dem Ansatz der Flächenlast p1 = ± 1,305 kN/m2

für eine Geschwindigkeit von v = 230 km/h ergab, führ-ten zum Versagen der Elemente bei folgenden Lastspiel-zahlen:

Versuch 1:171 400 Lastwechsel → 342 800 Spannungszyklen,

Versuch 2:126 683 Lastwechsel → 253 366 Spannungszyklen.

Bild 11 Lärmschutzelement, 12,5 cm Dicke – Geometrie und Abmessungen [19]Noise protection panel, 12.5 cm thick – geometry and dimensions [19]

Bild 12 Neues Lärmschutzelement, TorsionsversuchNew noise protection panel, torsion test

Bild 13 Neues Lärmschutzelement, statischer Versuch (und Ermüdungsver-such)New noise protection panel, static test (and fatigue test)

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M. Keuser, E. Hiller, R. Lenner: Ermüdungsversuche an Stahlbetonfertigteilen für Lärmschutzwände an Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecken

Auffällig waren während des Versuchsverlaufs die sichanfangs bereits nach wenigen tausend Lastwechsel ein-stellenden Biegerisse, die ihren Ursprung in den Stoß -stellen der Absorberelemente hatten. Die Stöße der Ab-sorberelemente stellen Kerben in den Stahlbetonelemen-ten dar. Die Rissverteilung entlang der Elemente war damit entsprechend durch die Abstände der Absorberele-mentstoßstellen determiniert. Ausgehend von diesen Bie-gerissen erfolgte die dynamische Beanspruchung der nunzum Tragen kommenden Bewehrung ausschließlich inden durch die Absorberelementabmess ungen vorgegebe-nen Rissbereichen. Da die Bewehrung mittig im Beton-querschnitt angeordnet war, ergab sich ein sehr geringerinnerer Hebelarm und eine hohe Beanspruchung der Be-wehrung. Die dynamische Beanspruchung der Lärm-schutzelemente führt bereits nach etwa 3 % der angestreb-ten Lastwechsel zu einem Versagen (Bruch) der Beweh-rung und damit zu einem Versagen der Elemente insge-samt.

5.1.2 Versuche mit Fa2 = ± 4,20 kN

Auf der Grundlage von Messungen an eingebauten Lärm-schutzelementen im Zuge der ABS Augsburg-Olchingund der Rückrechnung der Messergebnisse wurde einegegenüber der ursprünglichen Versuchslast Fa1 reduzierteVersuchslast Fa2 = ± 4,20 kN vorgegeben, die einer Flä-chenlast von p2 = ± 0,839 kN/m2 entspricht. Mit dieserVersuchslast wurden folgende Ergebnisse erzielt:

Versuch 3*:5 000 000 Lastwechsel → 10 000 000 Spannungszyklen,

Versuch 4*:5 000 000 Lastwechsel → 10 000 000 Spannungszyklen.* Durchläufer, kein Versagen.

Während der Versuche trat an einem der Elemente nach3 225 000 Lastwechseln ein Biegeriss auf. Die Durchbie-gung des Elements nahm dabei anfangs zwar zu, bliebaber bis zum Versuchsende konstant. Auch beim zweitenElement, das durch eine Vorbelastung bereits zu Beginndes Versuchs Biegerisse aufwies, blieb die Durchbiegungwährend des Versuchs konstant.

5.1.3 Aufnehmbare Belastung

Bei der Ermittlung der maximalen aufnehmbaren Belas-tung für 5·106 Lastwechseln, entsprechend 10·106 Span-nungswechsel, über die WÖHLERline nach DIN-FB 102[8], ergaben sich folgende Werte:

Fa = ± 4,475 kN mit γfat = 1,00Fa = ± 3,895 kN mit γfat = 1,15

Die aufgebrachte Versuchslast Fa2 lag damit zwischen derrechnerisch ermittelten charakteristischen Last und demdaraus ermittelten Bemessungswert.

5.1.4 Ergebnisbewertung

Die durchgeführten experimentellen Untersuchungen zurBestimmung der rechnerischen Lebensdauer an alten ein-lagigen Lärmschutzelementen am Bestand zeigten deut-lich unterschiedliche Ergebnisse. Während die Versuchemit einer Gesamtlast von Fa1 = ± 6,53 kN zum Versagendes Versuchskörper bei bereits 126.683 bzw. 171 400Lastzyklen geführt haben, zeigten die Versuche mit derauf Fa2 = ± 4,20 kN reduzierten Gesamtlast kein Ermü-dungsversagen und konnten jeweils nach dem Erreichenvon 5 · 106 Lastzyklen beendet werden. Dieses zunächstüberraschende Ergebnis wurde durch rechnerische Unter-suchungen mithilfe der WÖHLERlinie für Betonstahl nachDIN-FB 102 [8] bzw. DIN 1045-1 [20] grundsätzlich be-stätigt. Dabei war zu beachten, dass sich je Lastzyklus fürdie zentrisch angeordnete einlagige Bewehrung zweiSpannungswechsel ergaben. Theoretische Überlegungenzeigten jedoch auch, dass das Ermüdungsverhalten im ho-hen Maße sensibel auf Abweichungen der Belastung undder Geometrie, insbesondere der Lage der Bewehrung,reagierte.

Rechnerische Untersuchungen bestätigen die Größenord-nung der aufgebrachten Last Fa2. Zwar ergaben sichÜberschreitungen der Biegemomente im Vergleich der be-rechneten zu den im Versuch angebrachten Werten. Demstand jedoch gegenüber, dass die rückgerechneten Verfor-mungen deutlich höhere Werte aufwiesen als diese bei In-situ-Messungen in Rahmen von Versuchsfahrten auf derStrecke gemessenen. Daher kann grundsätzlich davonausgegangen werden, dass bei Lasten, die kleiner alsFa2 = ± 4,20 kN sind und bei exakt planmäßiger Ausfüh-rung der Lärmschutzelemente das Risiko des Versagensdurch Ermüdung weitergehend ausgeschlossen werdenkann. Da jedoch Unsicherheiten bei der Last und bei derLage der Bewehrung nicht ausgeschlossen werden kön-nen, sind visuelle Inspektionen in definierten Zeitabstän-den aus Sicherheitsgründen erforderlich. Bei diesen In-spektionen sind die Lärmschutzelemente auf vertikaleBiegerisse, insbesondere im Bereich der Plattenmitte unddie Auflagerbereiche, zu überprüfen.

5.2 Neue Lärmschutzelemente5.2.1 Statische Torsionsversuche (nur an Elementen der

Dicke 16,0 cm)

RissbildungBei den durchgeführten Versuchen an neuen Lärmschutz-elementen im Zuge der Zulassung der Elemente entstan-den während der Belastungssteigerung zunächst kleinereund später ausgeprägtere Risse. Die Torsionsmomente lagen unmittelbar vor der Bildung erster Risse zwischenMT = 20,46 kNm und MT = 22,85 kNm.

Die Elemente waren in ihrem Auflagerbereich durch dieTorsionsbeanspruchung allerdings derart stark gerissen,dass nahezu die statische Tragfähigkeit erreicht war, d. h.die Elemente befanden sich im Auflagerbereich im Bruch-

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M. Keuser, E. Hiller, R. Lenner: Reinforced Concrete Precast Panels as Noise Protection along High Speed Rail Tracks

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zustand. Torsionsbedingte Diagonalrisse traten erst bei einem Lastniveau auf, das weitgehend der Bruchlast ent-sprach. Entsprechend wurde von einer geplanten weite-ren zyklischen Querkraftbeanspruchung der durch dieTorsionsbeanspruchung vorgeschädigten Elemente zurBestimmung der Ermüdungsfestigkeit der Auflager abge-sehen. Unter Gebrauchslast treten zudem keine Torsions-risse auf. Eine Rissbildung infolge unterschiedlicher Ver-drehungen der Auflagerachsen, die zu einer Torsionsbe-anspruchung in den Lärmschutzelementen führt, ist erstauf einem hohen Lastniveau zu erwarten, bei dem gleich-zeitig ein Versagen der Auflagerbereiche eintritt.

TorsionssteifigkeitDie bei den Versuchen festgestellten Torsionssteifigkeitenliegen deutlich unter den Werten, die sich bei ungerisse-nem Beton nach der klassischen Torsionstheorie ergibt.Die geringere Steifigkeit ist demnach auf die Rissbildungim oberflächennahen Bereich zurückzuführen, die sichaus der Belastung und aus Mikrorissen infolge desSchwindens einstellt. Die experimentell festgestellten Tor-sionssteifigkeiten können entsprechend aus den Ergebnis-sen der Torsionsversuche an Stahlbetonbalken von LEONHARDT/SCHELLING abgeleitet werden, vgl. DAfStBHeft 239 [21]. Darin wird der große Einfluss der Rissbil-dung auf die Torsionssteifigkeit dargestellt.

Nachfolgend wird gezeigt, wie sich eine Reduzierung dereffektiven Plattendicken b auf die Torsionssteifigkeit aus-wirkt. Da die Plattendicke hierbei mit b3 eingeht, führt ei-ne Reduzierung der effektiven Plattendicke von 16  cmauf 13 cm zu einer Reduzierung der Torsionssteifigkeit IT

auf 54 %.

b = 16 cm: IT16 = 1,228 · 10–3

b = 13 cm: IT13 = 0,669 · 10–3 IT13/IT16 = 0,54

Das bedeutet, dass bereits bei einer Mikrorissbildung an der Plattenober- und -unterseite mit Risstiefen von1,5 cm, die zu einem Ausfall dieser oberflächennahenSchicht bei der Tor sionstragwirkung führen, die gemesse-nen Werte erklärt werden können.

5.2.2 Statische Versuche mit Querbelastung

RissbildungWährend der statischen Versuche mit Querbelastung annicht vorgeschädigten Elementen beider Dicken entstan-den ausgeprägte Biegerisse auf den Elementoberflächen.Bei allen Versuchen war ein Biegeversagen festzustellen.Das Biegeversagen stellte sich jeweils in Feldmitte ein.Die Auflager aller Elemente blieben über die gesamteDauer der Versuche frei von Rissen oder sonstigen Schä-den.

Lärmschutzelemente der Dicke 12,5 cm widerstanden ei-ner Querbelastung von mindestens F = 64 kN (im Mittel65  kN). Lärmschutzelemente der Dicke 16,0  cm wider-standen einer Querbelastung von mindestens F = 106 kN

(im Mittel 110 kN), dies entspricht einer zugehörigenmittleren Querkraft von V = 55  kN. Die rechnerischeQuerkrafttragfähigkeit ist damit noch nicht erreicht.Auch eine dynamische oder statische Vorbelastung mit ei-ner entsprechenden Vorschädigung führte nicht zu einerReduzierung der aufnehmbaren Belastung.

BewehrungsfestigkeitBei den Versuchen mit Querbelastungen wurden Tragfä-higkeitswerte experimentell ermittelt, die zunächst nichtplausibel erschienen und mit einer einfachen Nachrech-nung nach DIN 1045-1 [20] nicht verifiziert werden konn-ten. Dabei ist zunächst anzumerken, dass zur Nachrech-nung von experimentell ermittelten Tragfähigkeitswertennicht Design-Werte nach einer Norm, sondern die tat-sächlichen Materialfestigkeiten maßgebend sind. Deshalbwurden mehrere der untersuchten Elemente aufgestemmtund die eingebaute Bewehrung untersucht. Dabei habensich erhebliche Überfestigkeiten der Bewehrung gezeigt,die Bruchspannung lag in der Regel bei rd. 640 N/mm².Die hohen Bruchspannungen der eingebauten Beweh-rung erklären so die in den Versuchen festgestelltenBruchlasten.

5.2.3 Dynamische Versuche mit Querbelastung

Bei Dauerschwingversuchen mit einer Lastamplitude von Fa = ± 8,625 kN, für eine Geschwindigkeit von v = 250 km/h, konnten an Lärmschutzelementen der Dicke 16,0 cm zu keiner Zeit Risse oder sonstige Schädenauf den Elementoberflächen oder am Element festgestelltwerden. An Lärmschutzelementen der Dicke 12,5 cm zei-gen sich in 70 % aller untersuchten Fälle während desVersuchsverlaufs Biegerisse. Im Zuge von Dauerschwing-versuchen mit einer Lastamplitude Fa = ± 13,2 kN, für ei-ne Geschwindigkeit von v = 300 km/h, waren bei Lärm-schutzelementen der Dicke 16,0 cm ebenfalls in ca. 70 %aller untersuchten Fälle Biegerisse festzustellen. Bei denVersuchen mit zyklischer Querbelastung wurden jedochmit beiden Lastamplituden mindestens 5 · 106 Lastwech-sel erreicht. Die Auflager aller Elemente bleiben über dieDauer der zyklischen Belastung schadfrei.

6 Zusammenfassung

In den vergangenen Jahren wurden im Labor des Institutsfür Konstruktiven Ingenieurbau zahlreiche Ermüdungs-versuche an Lärmschutzelementen aus Stahlbeton durch-geführt. Dabei wurden zum einen im Auftrag der DB Pro-jektbau Elemente untersucht, die nicht nach den heutigenVorschriften bemessen waren. Es konnte gezeigt werden,dass bei Ansatz einer wirklichkeitsnahen Belastung ausZugvorbeifahrten akzeptable Werte für die zu erwartendeLebensdauer nachgewiesen werden konnten. Dabei wur-den die experimentell erzielten Ergebnisse durch theoreti-sche Überlegungen und rechnerische Untersuchungenuntermauert. Es hat sich gezeigt, dass Elemente mit einla-giger Bewehrung sehr sensibel auf geometrische Abwei-

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chungen von den Sollwerten reagieren. In einem zweitenVersuchsprogramm im Auftrag der Firma Rieder wurdenneue, auf der Grundlage der aktuellen Normen konzipier-te Lärmschutzelemente untersucht. Die verbesserte Qua-

lität der Elemente zeigte sich deutlich, sodass weder imBereich der maximalen Biegemomente noch im Auflager-bereich Probleme auftraten und die Ermüdungsfestigkeitnachgewiesen werden konnte.

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[20] DIN 1045-1: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spann-beton – Teil 1: Bemessung und Konstruktion, August 2008.

[21] DAfStb Heft 239: Torsionsversuche an Stahlbetonbalken,von LEONHARDT, F., SCHELINK, G., 1974.

Autoren

Universität der Bundeswehr in MünchenInstitut für Konstruktiven IngenieurbauWerner-Heisenberg-Weg 3985577 Neubiberg

Roman Lenner, MSc [email protected]

Dr.-Ing. Eugen [email protected]

Prof. Dr.-Ing. Manfred [email protected]