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Erstdiagnose Hypertonie: Zeit abzuwarten oder Zeit zum Handeln? Prof. Dr. med. F. P. Limbourg ESH/DHL Hypertoniezentrum Klinik f. Nieren- und Hochdruckerkrankungen Med. Hochschule Hannover

Erstdiagnose Hypertonie: Zeit abzuwarten oder Zeit zum ... · Neuhauser HK et al., (2015) Journal of Human Hypertension 2015; 29(4):247-53 Bei der Hälfte der Patienten in Deutschland

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Erstdiagnose Hypertonie:

Zeit abzuwarten oder Zeit zum Handeln?

Prof. Dr. med. F. P. Limbourg

ESH/DHL Hypertoniezentrum

Klinik f. Nieren- und Hochdruckerkrankungen

Med. Hochschule Hannover

Lim et al, Lancet (2012)

Hypertonie: der wichtigste Risikofaktor für

Erkrankung und Tod

Physiologische Risikofaktoren Invalidität-adjustierte

Lebensjahre (%)

Hoher Blutdruck 53%

Hohes Gesamtcholesterin 29%

Hoher Body-Mass-Index 23%

Hoher Nüchtern-Glucose-Spiegel 16%

Alkohol 5%

Rauchen, inkl. passives Rauchen 31%

DALYs; sum of years lived with disability and years of life lost

Expertenmeinung, Prof. Limbourg

Warum ist arterielle Hypertonie der wichtigste

Risikofaktor für Erkrankung und Tod?

Hypertonie schädigt das gesamte Gefäßsystem

• Hypertonie ist beteiligt an der Entstehung der Atherosklerose

und dem Gefäßverschluss

– Folge sind Herzinfarkt, Schlaganfall, Periphere arterielle

Verschlusskrankheit

• Hypertonie ist die wichtigste Ursache für den Verlust der

arteriellen Elastizität

– Folge: Widerstands- oder Druckerhöhung (hypertensive

Herzerkrankung)

– Folge: Rarefizierung der kleinen Gefäße

(Mikrozirkulationsstörungen)

Pharma Forum, Ars Medici 2004; 19: 988-990

Das kardiovaskuläre Kontinuum: am Anfang steht

der Bluthochdruck

Global burden of disease study collaborators 2013, Lancet (2015)

Zunahme der Hypertonie-assoziierten

kardiovaskulären Erkrankungen

Erkrankung Prävalenz (2013) Veränderung

1990 bis 2013

Hypertensive

Herzkrankheit

10,9 Mio +113%

Schlaganfall 18,3 Mio +82%

Haemorrhagischer

Schlaganfall

7,3 Mio +89%

Ischämische

Herzerkrankung

92,9 Mio +65%

Neuhauser HK et al., (2015) Journal of Human Hypertension 2015; 29(4):247-53

Bei der Hälfte der Patienten in Deutschland wird der

Zielblutdruck von < 140/90mmHg nicht erreicht

50%

sind nicht

kontrolliert

Bluthochdruck in Deutschland

Bundesgesundheitsbl 2013 · 56:795–801; Hypertonie in Deutschland (2008-12)

0

25

50

75

100

25 35 45 55 65 75

• Hypertonie gesamt: 32%

• 86% der unkontrollierten Hypertoniker

mit Grad I Hypertonie (140–159 u./o. 90–99mmHg)

unkontrolliert

86% Grad I

Alter (Jahre)

% B

evölk

eru

ng

Medikamentöse Therapie reduziert Mortalität auch

bei Grad I Hypertonie

Thomopoulos et al., J Hypertens (2014)

Metaanalyse

Behandlungseffekt nach HTN Grad (z B Grad I)

Grad I: "Niedrig-Risiko" mit kardiovaskulärer Mortalität 4.5% /10 Jahre

145/91mmHg

Schlaganfall

KHK

Schlaganfall + KHK

Kardiovaskulärer Tod

Gesamtmortalität

Kardiovaskuläres

Ereignis

Blutdrucktherapie

begünstigt

Kontrolle

begünstigt

0,5 10,1 1 1,91,5

Blutdrucksenkung reduziert kardiovaskuläres Risiko

Ettehad et al., Lancet (2015) *systolische Blutdruckreduktion

Pro 10 mmHg sBP*:

-28% Herzinsuffizienz

-27% Schlaganfall

-20% Kardiovaskuläre Ereignisse

-17% Koronare Herzkrankheit

-13% Sterblichkeit

Effektive Kombinationstherapie A C D

Therapieempfehlungen der Deutschen Hochdruckliga 2015

Effektivste antihypertensive Substanzen:

A (RAS-Blocker) plus C (Calciumkanalblocker) plus D (Diuretikum)

Initiale Kombinations-Therapie?

Leitlinie für das Management der art. Hypertonie 2014

Die aktuelle Leitlinie der ESH/ESC empfiehlt eine Therapieinitiierung mit zwei Substanzen bei Patienten mit hohem Risiko

• Responderrate bei

Monotherapie: 30%

• Responderrate zu

individuellem

Wirkstoff

unvorhersehbar

• Synergie

• Responderrate: 80%

• Hohe Adhärenz zu

Fixkombinationen

• Verträglichkeit bei zu

hoch dosierten

Substanzen?

Initiale Kombinationstherapie mit halber/optimierter

Dosierung für besser Wirksamkeit und Verträglichkeit

Benefit: verbesserte Risikokontrolle und Verträglichkeit

Synergie: additive Blutdrucksenkung durch komplementär wirkende Substanzen

Fixkombination in

halber/optimierter Dosierung

Neue AHA/ACC Leitlinie Hypertonie empfiehlt

initiale Kombinationstherapie bei Stadium 2

Whelton P. Hypertension 2017; ePub 13. November

Empfehlungen zur Wahl einer initialen Monotherapie vs. initialer Kombinationstherapie

Grad Level

1. Initiierung einer antihypertensiven Therapie mit 2 First-Line Wirkstoffen aus

unterschiedlichen Klassen, entweder frei oder als Fixkombination wird empfohlen

bei Erwachsenen mit einer Hypertonie in Stadium 2 und durchschnittlichen

Blutdruckwerten von mehr als 20/10mmHg über ihrem Zielblutdruck.

2. Initiierung einer antihypertensiven Therapie mit einem einzelnen Wirkstoff sollte

bei Erwachsenen im Hypertoniestadium 1 und mit einem Blutdruckziel <130/80mmHg mit

Dosistitration und sequentieller Zugabe von anderen Wirkstoffen sollte in Erwägung

gezogen werden, um den Zielblutdruck zu erreichen.

Neue Hypertonie-Stadien:

Hypertonie-Stadium 1: 130-139mmHg oder 80-89mmHg

Hypertonie-Stadium 2: ≥140mmHg oder ≥90mmHg

Empfehlungsgrad (COR) = Class of Recommendation

Grad I = ist indiziert/ist empfohlen; Grad IIa = sollte in Erwägung gezogen werden

Beweis-Level = LOE = Level of Evidence

C-EO = Expertenmeinung = Consensus of expert opinion based on clinical evidence

Dosisabhängige Blutdrucksenkung durch ACE-

Hemmer und Calciumantagonist

Law et al. BMJ, 2003 Jun 28;326(7404):1427

Metaanalyse, 40.000 Patienten; Ansprechen nach Dosierung in mmHg (Blutdrucksenkung) eines ACE-Hemmers und

eines Calciumkanalblockers: Im Vergleich zur vollen Dosierung, resultiert die Reduktion auf die halbe Tagesdosis

immer noch in einer 60-70%igen Blutdruckreduktion.

Definierte Tagesdosis

Reduktion des systolischen Blutdrucks (mmHg)

ACE-Hemmer Calciumkanalblocker

Reduktion von unerwünschten Ereignissen mit

halber Dosierung um 80%

Law et al. BMJ, 2003 Jun 28;326(7404):1427

Metaanalyse, 40.000 Patienten; ACE-Hemmer assoziierte Nebenwirkungen reduzieren sich nicht mit Dosisreduktion

(ACE-Hemmer-Husten ist nicht dosisabhängig). Jedoch die halbe Dosierung des Calciumkanalblockers resultiert in

einer Reduktion von unerwünschten Ereignissen um mehr als 80% (v.a. Ödeme und Flush sind dosis-abhängig).

Definierte Tagesdosis

Unerwünschte Ereignisse (%)

ACE-Hemmer Calciumkanalblocker

Diabetesrisiko unter antihypertensiver Therapie

Elliot et al, Lancet (2007)

RAS-Blocker wirken metabolisch protektiv, Ca-Antagonisten neutral, Betablocker und Diuretika

(wie HCT) sind mit vermehrter Entstehung von Diabetes assoziiert.

ACE-Hemmer

Calcium-Antagonist

Placebo

Betablocker

Diuretika

Angiotensin-

Rezeptor-Antagonist

Gesamtmortalität: Effekt von ACE-Hemmern

Van Vark LC, et al. Eur Heart J 2012; 33(16):2088-2097.

ACE-Hemmer besser Kontrolle besserHR (log scale)

ALLHAT (Lisinopril)

ANBP-2 (Enalapril)

pilot HYVET (Lisinopril)

JMIC-B (Lisinopril, Enalapril)

ASCOT-BPLA (Perindopril)

ADVANCE (Perindopril)

HYVET (Perindopril)

Gesamt

1.03 (0.90-1.15)

0.90 (0.75-1.09)

0.99 (0.62-1.58)

1.32 (0.61-2.86)

0.89 (0.81-0.99)

0.86 (0.75-0.98)

0.79 (0.65-0.95)

0.90 (0.84-0.97)

0.03

0.03

0.02

0.004

HR (95% CI) p-Wert

0.50 0.75 1.33 2.01

Blutdrucksenkung zweier Strategien in der

ASCOT-Studie

ASCOT Investigators, Lancet 2005 Sep 10-16;366(9489):895-906

Randomisiert klinische Studie, 19.000 pts,

HTN+ 3 RF, Amlodipin/Perindopril vs

Atenolol/Thiazid

Blu

tdru

ck

(mm

Hg

)

Zeit (Jahre)

Letzter Besuch

Systolischer Blutdruck

Diastolischer Blutdruck

Kombination aus ACE-Hemmer plus Calcium-

kanalblocker reduziert kardiovaskuläre Ereignisse

Randomisiert klinische Studie, 19.000 pts, HTN+ 3 RF, Amlodipin/Perindopril vs

Atenolol/Thiazid

ASCOT Investigators, Lancet 2005 Sep 10-16;366(9489):895-906

HR = Hazard Ratio; *kardiovaskuläre Ereignisse und Prozeduren

Atenolol-Thiazid

Amlodipin-

Perindopril

Studie wurde vorzeitig beendetAn

teil

de

r P

atie

nte

nm

itE

reig

nis

*(%

)

Zeit (Jahre)

• Dauerhafter Bluthochdruck erhöht das Risiko für

kardiovaskuläre Ereignisse und verkürzt das Leben

• Die Hälfte der Patienten in Deutschland sind bzgl. Ihres

Blutdrucks unkontrolliert

• Blutdrucksenkung reduziert bereits bei "milder" Hypertonie

die Mortalität

• Verbesserte Risikokontrolle und Verträglichkeit mit

optimierter Dosierung einer Fixkombination

Zusammenfassung – Teil 1