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März 3/1989 F 5931 E E4K Evangelischer Arbeitskreis der CDU/CSU Diakonie heute - christliche Verant- wortung in gesellschaftlicher Vielfalt Gerhard Weiser Die diakonische Tätigkeit der Kirche war zu keiner Zeit ihrer Geschichte unumstritten. Und dennoch zieht sich diese Tätigkeit vom Tischdienst in der Alten Kirche über die karitativen Tätigkeiten mittelalterlicher Klöster bis hin zur vielfältigen Tätigkeit evangeli- scher Diakonie und römisch-katholischer Caritas im modernen Rechts- und Sozialstaat Bundesrepublik Deutschland. Dabei hat die diakonische Tätigkeit der Kirche immer eines ausgezeichnet: Christen mit offenen Augen und Herzen sahen in einer sich stetig verändernden Welt, wo es zu helfen galt und zu helfen gilt. Diakonie bedeutet die zwischenmensch- liche Analogie des Liebeswerkes Gottes in Jesus Christus an den Menschen. Diakonie ist eine Ausdrucksform dessen, was fast schon als Binsenweisheit gilt: Wer Liebe erfährt, gibt Liebe leichter weiter. Insofern ist die Bereitschaft zum diakonischen Han- deln auch ein Indikator dafür, daß inMen- gen das Liebeswerk Gottes in Jesus Chri- acus fortlebt. Diakonie stellt sich neuen Herausforderungen Nun könnte man- sagen, daß Diakonie auf die helfende Tätigkeit zwischen Chri- sten beschränkt sein sollte. Für diese An- iakonisches Handeln ist immer auch seelische Hufe. ' Foto: Paul Glaser schauung nenne ich als Beispiel aus der Kirchengeschichte das Innenleben von weltgeschichtlichen Klöstern. Doch scheint mir eine solche Haltung den missionari- schen Auftrag der Kirche zu verkennen. Mission geschieht heute wie früher nicht allein durch die Verkündigung der frohen Botschaft, des Wortes Gottes; sie gewinnt an Glaubwürdigkeit durch die gute Tat, mit der Christen „ihrem kranken Näch- sten", wie Martin Luther es treffend formu- liert hat, helfend zur Seite stehen. Dabei bedingt die Ausweitung der diakonischen Arbeit in der pluralistischen Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, daß in- nerhalb der Diakonie immer wieder auf die Grundlage des Handelns deutlich hinzu- weisen ist, nämlich auf das Erlösungs- angebot als Liebestat,.welches uns Gott in Jesus Christus macht. Eine viertel Million Menschen sind haupt- amtlich in der Diakonie beschäftigt bei etwa 20 000 Rechtsträgern diakonischer Einrich- tungen und Dienste allein in unserem Ge- meinwesen - eine Bilanz, die zeigt: ohne den christlichen Beitrag in der Diakonie und Caritas wären die Grundlagen unseres sozialen Lebens erschüttert. Diese Konse- quenzen muß jeder bedenken, der.zu einem Rückzug der Kirchen aus den sozialen Dien- sten rät, welche bekanntlich in unserem Staat nach dem Grundsatz der Subsidiarität aufgebaut sind. Ein solcher Rückzug hätte zur Folge, daß im sozialen Bereich die „Staatsquote" ausufern würde und mehr als bisher Anonymität Einzug hielte. Hingegen hat es die Diakonie in lobens- werter Weise verstanden, sich stets aufs Fortsetzung nächste Seite Lieber Leser, Sie haben uns Kritik und Zustimmung zu der Neugestaltung der „Evangeli- schen Verantwortung" wissen lassen. Wir sind Ihnen dankbar dafür. Kriti- sche Anregungen haben wir, wo es möglich war, berücksichtigt. Fragen der Sozial- und Gesellschafts- politik stehen im Mittelpunkt dieser Ausgabe: „Welches System sozialer Sicherungen ist einer Industriegesell- schaft gemäß" (S. 2). „Wie werden wir die Arbeit.... und die Freizeit organi- sieren..." (S. 4). Die Überlegungen unserer Autoren wollen Sie zum Mit- und Weiterdenken anregen. Vierzig Jahre Grundgesetz sind Anlaß, sich Gedanken zu machen, in welcher Weise unsere demokratische Grund- ordnung einem konstruktiven Mitein- ander von Staat und Kirche Raum ge- geben hat. Daher spricht im Rahmen unseres 11. „Bonner Theologischen Gespräches" am 8. Mai 1989, um 19.00 Uhr, im Konrad-Adenauer-Haus in Bonn, Landesbischof i.R. Prof. D. Eduard Lohse über „Die evangelische Kirche im demokratischen Staat." Sie sind herzlich eingeladen, dabei zu sein. Ihre Redaktion

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März 3/1989 F 5931 E

E4KEvangelischerArbeitskreisder CDU/CSU

Diakonie heute - christliche Verant-wortung in gesellschaftlicher VielfaltGerhard Weiser

Die diakonische Tätigkeit der Kirche war zu keiner Zeit ihrer Geschichte unumstritten.Und dennoch zieht sich diese Tätigkeit vom Tischdienst in der Alten Kirche über diekaritativen Tätigkeiten mittelalterlicher Klöster bis hin zur vielfältigen Tätigkeit evangeli-scher Diakonie und römisch-katholischer Caritas im modernen Rechts- und SozialstaatBundesrepublik Deutschland. Dabei hat die diakonische Tätigkeit der Kirche immer einesausgezeichnet: Christen mit offenen Augen und Herzen sahen in einer sich stetigverändernden Welt, wo es zu helfen galt und zu helfen gilt.

Diakonie bedeutet die zwischenmensch-liche Analogie des Liebeswerkes Gottes inJesus Christus an den Menschen. Diakonieist eine Ausdrucksform dessen, was fastschon als Binsenweisheit gilt: Wer Liebeerfährt, gibt Liebe leichter weiter. Insofernist die Bereitschaft zum diakonischen Han-deln auch ein Indikator dafür, daß in Men-

gen das Liebeswerk Gottes in Jesus Chri-acus fortlebt.

Diakonie stellt sich neuenHerausforderungen

Nun könnte man- sagen, daß Diakonieauf die helfende Tätigkeit zwischen Chri-sten beschränkt sein sollte. Für diese An-

iakonisches Handeln ist immer auch seelischeHufe. ' Foto: Paul Glaser

schauung nenne ich als Beispiel aus derKirchengeschichte das Innenleben vonweltgeschichtlichen Klöstern. Doch scheint

mir eine solche Haltung den missionari-schen Auftrag der Kirche zu verkennen.Mission geschieht heute wie früher nichtallein durch die Verkündigung der frohenBotschaft, des Wortes Gottes; sie gewinntan Glaubwürdigkeit durch die gute Tat,mit der Christen „ihrem kranken Näch-sten", wie Martin Luther es treffend formu-liert hat, helfend zur Seite stehen. Dabeibedingt die Ausweitung der diakonischenArbeit in der pluralistischen Gesellschaftder Bundesrepublik Deutschland, daß in-nerhalb der Diakonie immer wieder auf dieGrundlage des Handelns deutlich hinzu-weisen ist, nämlich auf das Erlösungs-angebot als Liebestat,.welches uns Gott inJesus Christus macht.

Eine viertel Million Menschen sind haupt-amtlich in der Diakonie beschäftigt bei etwa20 000 Rechtsträgern diakonischer Einrich-tungen und Dienste allein in unserem Ge-meinwesen - eine Bilanz, die zeigt: ohneden christlichen Beitrag in der Diakonieund Caritas wären die Grundlagen unseressozialen Lebens erschüttert. Diese Konse-quenzen muß jeder bedenken, der.zu einemRückzug der Kirchen aus den sozialen Dien-sten rät, welche bekanntlich in unseremStaat nach dem Grundsatz der Subsidiaritätaufgebaut sind. Ein solcher Rückzug hättezur Folge, daß im sozialen Bereich die„Staatsquote" ausufern würde und mehr alsbisher Anonymität Einzug hielte.

Hingegen hat es die Diakonie in lobens-werter Weise verstanden, sich stets aufs

Fortsetzung nächste Seite

Lieber Leser,

Sie haben uns Kritik und Zustimmungzu der Neugestaltung der „Evangeli-schen Verantwortung" wissen lassen.Wir sind Ihnen dankbar dafür. Kriti-sche Anregungen haben wir, wo esmöglich war, berücksichtigt.

Fragen der Sozial- und Gesellschafts-politik stehen im Mittelpunkt dieserAusgabe: „Welches System sozialerSicherungen ist einer Industriegesell-schaft gemäß" (S. 2). „Wie werden wirdie Arbeit.... und die Freizeit organi-sieren..." (S. 4). Die Überlegungenunserer Autoren wollen Sie zum Mit-und Weiterdenken anregen.

Vierzig Jahre Grundgesetz sind Anlaß,sich Gedanken zu machen, in welcherWeise unsere demokratische Grund-ordnung einem konstruktiven Mitein-ander von Staat und Kirche Raum ge-geben hat. Daher spricht im Rahmenunseres 11. „Bonner TheologischenGespräches" am 8. Mai 1989, um 19.00Uhr, im Konrad-Adenauer-Haus inBonn, Landesbischof i.R. Prof. D.Eduard Lohse über „Die evangelischeKirche im demokratischen Staat."

Sie sind herzlich eingeladen, dabei zusein.

IhreRedaktion

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Seite 2 Sozialpolitik Nr. 3/1989

Neue flexibel neuen Herausfor-derungen auszusetzen, Aufga-ben anzunehmen und zu lösen.Ich nenne als Beispiel die Be-treuung von Menschen, die ausihrer früheren Heimat zu unskommen; als weiteres Beispieldie Betreuung psychisch kran-ker Menschen am Arbeitsplatz,die sehr viel Individualität undpersönliche Zuwendung erfor-dert, und schließlich unter Hin-weis auf deren flächendeckendeAusbreitung im Land Baden-Württemberg die Sozialsta-tionen mit ihren vielfältigenAufgaben für kranke und alteMenschen. Dieses Angebot sei-tens der Kirchen oder auch desStaates zu beschneiden, hießeein soziales Vakuum entstehen 'zu lassen, das sich nur schwerwieder füllen würde.

Im September 1988 wies der.Vizepräsident des DiakonischenWerkes der EKD, ProfessorFritz-Joachim Steinmeyer, inder „Evangelischen Verantwor-tung" mit Recht daraufhin, daßDiakonie eine Lebens- und We-sensäußerung der Kirche sei. Erbezog sich dabei ausdrücklichauf Friedrich Naumann. Insbe-

• sondere der Aspekt „Diakonieals Ausdruck kirchlicher Vitali-tät" verdient dabei neue Beach-tung. Prof. Steinmeyer wies dar-auf hin, daß in vielen Bereichendas Engagement und Opfer vonChristen und ihrer Kirche kaummehr notwendig sei, um diako-nisches Handeln zu ermögli-chen. An diesem Punkt zeigtsich die Notwendigkeit einer in-neren Verknüpfung von „Dia-

Dr. Gerhard Weiser: DiakonischesHandeln mit christlicher Verkündi-gung verbinden.

konie" und „Mission". Nur einemissionierende, eine offensive,eine vitale Kirche kann auf

• Dauer einen spezifischen Bei--trag innerhalb des vielfältigensozialen Handelns einer plurali-stischen Gesellschaft leisten.„Christliche" Verantwortung istes, die in gesellschaftlicher Viel-falt wirksam werden soll. Fehltdieses Spezifikum, würde sich„Diakonie" in einem allgemei-nen sozialen Handeln auflösen.

In diesem Zusammenhang er-muntere ich dazu, diakonischesHandeln mit den verschiedenenFormen christlicher Verkündi-gung und christlichen Gottes-dienstes zu verbinden. Sicher-lich ist" dies nicht so vorstellbar,daß vor jedem Anlegen einesVerbandes ein Gebet gespro-chen werden soll; doch tut esnot, seitens unse'res haupt- undehrenamtlichen Mitarbeiterssich der Wurzeln des eigenen

Handelns zu besinnen und diesedeutlich zu machen. Diese Wur-zeln laufen immer wieder imBekenntnis zur Liebestat Gottesin Jesus Christus zusammen.

Keine Verengung kirchlichenHandelns auf das Politische

Gerade im diakonischen Han-deln wird immer wieder bewußt,daß Menschen sich nicht selbsterlösen sollen und selbst erlösenkönnen. In Vorwegnahme derletzten Dinge gewinnt der Christjedoch Heilsgewißheit durch dieBotschaft, daß Jesus Christusals der Erlöser (neutestament-lich: soter) auf diese Welt ge-kommen ist. Diese Basis ist zuerkennen und zu verdeutlichen,wenn diakonisches Handelnwirklich umfassend wirksamwerden soll, also nicht nur in derLösung konkreter sozialer Auf-gaben, sondern ebenso als Ver-mittlung von Heilsgeschehensund als seelische'Hilfe.

Genau in dieser Hinsichtwarne ich dringend vor Engfüh-rungen, etwa in der Reduktionoder Konzentration kirchlichenHandelns auf das Politische.Zwar hat jedes Handeln vonChristen und Nichtchristen im-mer auch eine politische Dimen-sion, doch gewinnt es aus dieserDimension eben genau nicht sei-nen spezifischen Charakter.Wenn Christen denr Irrtum auf-sitzen, der Mensch könne „allesmachen", wenn er nur politischdies oder jenes tut, verlieren siedas Zentrum ihres Handelnsund ihres Glaubens.

Gerade aus der Sicht des Pf "̂tikers in diakonischer Verant-wortung ist zu beobachten, daßbeide Tätigkeitsbereiche nichtwahrnehmbar wären, wüßteman nicht um die Existenz desMenschen und des Politikers als„Sünder und Gerechtfertigter"zugleich, wie Martin Luther sieaus der neutestamentlichen Bot-schaft heraus erklärt hat. „Simuliustus et peccator" ist die unver-ändert gültige Formel für den-Menschen in der Verantwortungals Christ (in Politik und Diako-nie).

Hierauf lohnt die Rückbesin-nung ebenso wie auf die Forde-rung an die Christen, mit demeigenen Opfer, ja unter einemspürbaren Verzicht auf eigenGeld oder eigene Vorteile, ilVerantwortung unter Christen

. und in einer pluralistischen Ge-sellschaft wahrzunehmen. DieseRückbesinnung mahnt die Ver-antwortung des einzelnen an.Sie ist insofern konservativ, alssie altkirchliches diakonischesLeben wieder in unsere Gedan-ken zurückruft und für die mo-derne Zeit bewahrt. Sie ist inso-fern zukunftsgerichtet, als sieeine'durch die Zeiten entschei-dende Komponente für glaub-würdiges diakonisches Handelnals „mitmenschliche und missio-narische Liebestat" beschreibt.

Anm,: Dr. Gerhard Weiser ist Mi-nister für den ländlichen Raum,Landwirtschaft und Forsten in Stutt-gart und Vorstandsvorsitzender desDiakonischen Werkes der Evangelksehen Landeskirche in Baden. J )

Wohin mit der Sozialpolitik?Werner Steinjan

Die Reform der Krankenversicherung ist so gut wie abgeschlossen,die der Rentenversicherung auf den Weg gebracht. Ob für beide dasWort Reform zu anspruchsvoll ist, kann man offenlassen. Es warund ist mutig, Gesetze einzubringen, die nicht nur Geschenke sind.Ist damit aber nicht auch vorerst die Kraft zu Neuem erschöpft unddie in der Überschrift gestellte Frage unzeitgemäß?

Die Gegenfrage lautet: Wirddas, was seit 1982 in der Sozial-politik geleistet worden ist, demAnspruch, eine Wende eingelei-tet zu haben, gerecht? Kann dieunausweichliche Konsolidie-rung im Bereich der Gesund-heits- und Alterssicherung alsAbschluß und zugleich Bestäti-gung des bisherigen Kurses an-gesehen werden? Oder ist nicht

gerade die vorläufige Lösungakuter Probleme zugleich auchein'Anlaß, die Frage nach demkünftigen Kurs neu zu stellen?

Vor nunmehr 16 Jahren hatdie Kammer für Soziale Ord-nung der Evangelischen Kirchein Deutschland eine Denkschriftzur Sozialen Sicherung im Indu-striezeitalter vorgelegt. Das

Leitthema war: Welches Systemsozialer Sicherung ist einer In-dustriegesellschaft gemäß? Inihr ist nicht mehr die Großfami-lie,1 die Dorfgemeinschaft tra-gende wirtschaftliche Einheit,sondern die ganze Volkswirt-schaft, die Gesamtgesellschaftund damit eine für den einzelnennicht mehr überschaubare an-onyme Größe.

Was ist in dieser nicht mehrauf persönliche Zuordnung ge-gründeten Gesellschaft notwen-dig, um die so gut wie deckendesoziale Sicherung der vergange-

nen Agrargesellschaft ord-nungsadäquat zu ersetzen? DieAntwort lautet: Die großen so-zialen Risiken, vor allem Alters-einkommen, Gesundheit undKrankheit, Beschäftigung, müs-sen gesellschaftlich abgesichertwerden. Der einzelne, die kleinenoch bestehende Gemeinschaft,kann dem nicht mehr gerechtwerden.

Soziale Sicherung heute

Damit ergibt sich eine Ände-rung der herkömmlichen Rang-folge der Subsidiarität. Diese

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Nr. 3/1989 Sozialpolitik Seite 3

Tiese, daß bei den großen Risi-'ken die Gesamtheit zuerst ein-zutreten hat und die personaleGemeinschaft (in der Diktionvon heute) Restrisiken über-nimmt, ist damals scharf kriti-siert, aber auch nicht zu Endediskutiert worden. An den Fak-ten hat sich nichts geändert. Diegroßen Risiken bedürfen vonvornherein einer gesellschaftlichorganisierten Sicherung. Mankann nicht erst abwarten, ob dereinzelne oder personale Grup-pen damit fertig werden. Dasheißt nicht, daß es nunmehrkeine Eigenverantwortungmehr gibt. Es bleibt nach wievor genug Raum für Subsidiä-res, aber die Einzelfelder habensich gewandelt. Die im eigent-lichen Sinne persönliche Hilfe,

, -die Zuwendung von Mensch zu„ Jkensch, ist institutionell nur un-. vollkommen oder gar nicht dar-

stellbar. Die materielle Siche-rung aber kann und muß weiter-hin, wenn auch nicht ausschließ-lich, gesellschaftlich gedecktwerden.

Das System der sozialen Si-cherungen ist seit dem Erschei-nen der Denkschrift weiter aus-gebaut worden und inzwischenso gut wie deckend - bis aufeinen Bereich. Der Anteil deralten Menschen an der Bevölke-rung hat inzwischen eine Größeerreicht, die ein neues Problemsichtbar macht: Pflege im Alter!Heute beträgt der Anteil der80jährigen bereits 3,5%; biszum Jahre 2030 wird er auf

_8(!) % steigen.

„Pflege in der Familie" nochorganisiert werden?

Der naheliegende Gedanke,wie gewohnt ein neu auftreten-des soziales Defizit auch durcheine neue soziale Institution ab-zudecken, also hier durch einePflegeversicherung, stößt anGrenzen. Sie sind zunächst öko-nomischer Art. Stationäre Ver-sorgung ist kostspielig. Wennsie zum Regelfall werden sollte,hätten wir ein neues, die Bela-stung der Erwerbseinkommenhochtreibendes Sicherungssy-stem. Aber Pflegebedarf istnicht nur ein ökonomisches Pro-blem. Persönliche Zuwendungläßt sich nur schwer organisie-ren.

Wie lange aber noch kann diekinderarme Gesellschaft damitrechnen, daß Pflege im bisheri-gen Umfang personal geleistetwerden wird? Der steigende An-teil alter Menschen wie diewachsende Zahl der Ein-Perso-nen-Haushalte signalisieren hiereinen neuen Mangel. Er wirdinstitutionell nur begrenzt auf-gefangen werden können.

Wenn bei uns immer noch 4/5der Pflegebedürftigen in der Fa-milie versorgt werden, bedeutetdas zwar eine erhebliche, imSozialbudget nicht verzeichneteLeistung und zugleich Belastungeinzelner, aber auch einen hu-manen Vorzug, sofern notwen-dige fachliche und vielleichtauch finanzielle Hilfe von außendazukommt" Auch hier bedarf

Wachsende AlterslastAuf je 100 Einwohner im erwerbsfähigen Alter(15-64 Jahre) kommen ältere Menschen(65 Jahre und älter):

^_Hier deutet sich ein Umschlag(l iai^er Quantität in eine neue, bis-"~"her nicht so bekannte Qualität

an. Wie soll in einer kinderar-men Gesellschaft mit Kleinfami-lien und einer wachsenden Zahlvon Ein-Personen-Haushalten

es ergänzender gesellschaft-licher Organisation wie der So-zialstationen.

Die finanziellen Probleme er-geben sich daraus, daß im .ei-gentlichen Sinne personale

Dienste zu Tariflöhnen im Um-fang des in der Familie Geleiste-ten nicht zu bezahlen und kaumzu organisieren sind. Das heißtnicht, hier Institutionalisierungüberhaupt abzulehnen. Auchder Pflegebedarf wird nichtohne gesellschaftliche Organi-sation gedeckt werden können.Aber man muß die Grenzen se-hen. So stieg in den Niederlan-den nach Einführung der Pflege-versicherung der Anteil der sta-tionären Pflege auf das Dreifa-che. Eine solche Expansionstellt finanziell wie personalkaum lösbare Probleme. DieVergesellschaftung ist also keineinfaches Patentrezept, die Er-haltung der familiären Pflegeeine Notwendigkeit.

Damit kommt man zur Frage,was in Zukunft sozialer Fort-schritt heißen soll. Betrachtetman die Entwicklung der letztenJahrzehnte, ist die Antwort ein-fach. Das System ist ständig er-weitert und ausgebaut worden.Die Zahlen sprechen eine deut-liche Sprache. Die Soziallei-stungsquote (Anteil der Sozial-leistungen am Bruttosozialpro-dukt) stieg von 16,4 % im Jahre1955 über 28,1 % im Jahre 1972auf 32,9% im Jahre 1981. Sieliegt seitdem bei etwas über31%. Diese Entwicklung galtund gilt als Erfolgsbilanz.

Aber kann sozialer Fortschrittweiterhin vorzugsweise als bloßquantitativ meßbarer Wert ver-standen werden? Eine steigendeInanspruchnahme des Bruttoso-zialprodukts durch sozialeTransfers ist schon rein logischkeine endlose Straße. Was be-deutet es für das Bewußtseinder Bürger eines demokrati-schen Staates, wenn sie immermehr daran gewöhnt werden,daß ihnen der Staat alle Risikenabnimmt? Freiheit gibt es nichtohne Risiko und einen demo-kratischen Staat nicht ohne freieBürger. Und Freiheit wird zu-erst im Alltag erlebt und nichtbeim Anhören von Sonntagsre-den. Sollte also Fortschritt ineiner immer noch der Freiheitverpflichteten Ordnung nichtheißen, dem einzelnen allmäh-lich wieder etwas mehr Verant-wortung - und zwar auch kon-kret ökonomisch - zuzumuten?

Das kann sicher nicht heißen,alles, was.nach der Analyse derDenkschrift von 1973 Konse-quenz der Entwicklung zur In-dustriegesellschaft ist, ins Ge-genteil zu verkehren. Unser Sy-

stem sozialer Sicherungen trägtwesentlich zu einer weithin kon-fliktfreien Gesellschaft bei. Dasgilt gerade auch für die Wirt-schaft. So gesehen kann mangeradezu von einem 4. Produk-tionsfaktor sprechen. Eine Ab-kehr vom System, eine Umkehrin die Romantik brächte dage-gen hohe Risiken mit sich undwäre alles andere als ein sozialerFortschritt.

Sozialer Fortschritt keinquantitativ bemessenes „Mehr"

Es muß darüber nachgedachtwerden, ob wir nicht bereits andie Grenzen der materiellen,aber auch der moralischen Be-lastbarkeit stoßen. Das gesamteSystem der sozialen Sicherungwird von der Leistungsgesell-schaft getragen. Eine Absage andie Leistungsgesellschaft, andie Verpflichtungsgesellschaft,könnte fatale Folgen haben -auch dann, wenn es sich nur umMinderheiten handelt, die sichals „alternativ" verstehen. Daßwir an die Grenzen der materiel-len, aber auch der moralischenBelastbarkeit geraten sind, zeigtdie wachsende Abgabenvermei-dung. Der Ausstieg aus der Ver-pflichtungsgesellschaft durchEinstieg in die Schattenwirt-schaft ist ein Indiz. Aber es gibtauch eine Überforderung derSolidaritätsbereitschaft, und esgibt Grenzen der Akzeptanz.Auch die Abgabenlast muß so-zialverträglich bleiben und Lei-stung muß sich konkret lohnen.

Die Absage an eine bloße Po-litik des „mehr und mehr" sagtaber noch nicht genug darüber,was künftig sozialer Fortschrittsein kann und muß. Wer aufdiese Frage antworten will, mußetwas zur Gesellschaft von mor-gen sagen. Ohne Zukunftsbildgibt es keine Zukunftsperspekti-ven. Aber auch ohne in Science-Fiction zu verfallen, kann mansagen, daß die Industriegesell-schaft weitergehen wird. Hierergeben sich neue Anforderun-gen an die Bildungspolitik, aberauch an die Methoden, gesell-schaftliche Konflikte zu lösen.Es wird mehr Disziplin und vorallem mehr Kooperation gefor-dert sein.

Trendwende durchPrivatisierung?

Für die Sozialpolitik -im enge-ren Sinne ergibt sich die Frage,ob das bisherige System imGrundsatz erhalten bleiben

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Seite 4 Sozialpolitik Nr. 3/1989

kann oder ob diese künftige Ge-sellschaft - eine Wohlstandsge-sellschaft auf hohem Niveau -ein neues Sicherungssystemn er-fordert. Hier werden seit eini-gen Jahren immer wieder Kon-zepte zu einer weitgehenden Pri-vatisierung vorgetragen. Aufdas Wesentliche reduziert laufensie auf ein System mit eineröffentlich-rechtlichen Grund-sicherung und diese aufstocken-den privaten Sicherungen hin-aus, und zwar individuelle wiebetriebliche.

Das wäre nicht nur eineTrendwende, sondern eineKehrtwendung. Die vorgeschla-gene Grundsicherung schützteja nur vor dem Absturz undleistete nicht wesentlich mehr,als es die Sozialhilfe seit langemtut. Das individuelle Lebens-standard-Niveau wäre im erheb-lichen Umfang privatwirtschaft-lich zu decken. Dagegen geltennach wie vor alle Argumente,die schon in der Diskussion vorzwei Jahrzehnten vorkamen. Siereichen von der oft nicht recht-zeitigen Vorsorge bis zum ge-samtwirtschaftlichen Problemriesiger Deckungskapitalien, imübrigen auch einem Machtpro-blem.

Es ist zudem ein Irrtum, zumeinen, daß die Privatwirtschaftvor den Folgen der Bevölke-rungsentwicklung verschontbleiben könnte - ein wesent-liches Motiv vieler Vorschläge.Hier sind alle in einem Boot.

Eine die Gesamtheit aller Bür-ger abdeckende, privatrecht-liche Sicherung stünde und stehthier vor den gleichen Problemenwie die öffentlich-rechtliche Si-cherung. Auch Zinserträge unddie Mittel für Vermögensauflö-sung als Gegenposition müssenvon den gleichen Erwerbstäti-gen aufgebracht werden, dieSteuern und Sozialbeiträge zah-len.

Diese Erkenntnis bedeutetwiederum nicht, daß in der öf-fentlich-rechtlichen Sicherungalles beim alten bleiben müßte.Auch hier geht es um eine neueQualität. Das aus dem 19. Jhdt.stammende Leitmotiv „der be-dürftige Mensch", der sich ei-gentlich nicht selbst helfenkann, ist korrekturbedürftig.Sein Ergebnis ist inzwischen,daß mehr geregelt und daß mehrLasten gesellschaftlich umgelegtwerden, als notwendig. Sympto-matisch ist die brüske Art, mitder Eigenbeteiligung als Steue-rungsfaktor in der gesetzlichenRentenversicherung abgelehntwird. Dabei geht es um Beträge,die weit unter dem liegen, wasjeweils im Freizeitbereich dispo-nibel ist.

Die Absicherung der großen Ri-siken ist im Bewußtsein wahr-scheinlich der Mehrheit zur Si-cherung aller Risiken umfunk-tioniert worden. Daraus aberergibt sich eine Gefährdung desgesamten Systems mit einerdann unausweichlichen Folge,nämlich der Sozialisierung der

Einkommen als Antwort auf dieSozialisierung aller Risiken.Dies zu ändern wird' allerdingsdie größten Schwierigkeiten be-reiten.

Zukunftsperspektiven

Eine Wiederbelebung despersönlich-gemeinschaftlichenHandelns erfordert eine Trend-wende im Grundverhalten. DieBereitschaft, tragbare Risikenauch wirklich selbst zu tragen,läßt sich nur schwer dekretieren.Ein wieder mehr auf Eigenver-antwortung gerichtetes Bewußt-sein entsteht, wenn überhaupt,nur langsam. Aber es wird garnicht dazu kommen, wenn nichtsehr bald die Signale für mehrEigenverantwortung gestelltund dann auch aufgenommenwerden.

Das heißt nicht, eine Gegen-ideologie aufzubauen, wie dasauch gelegentlich geschieht. Esgeht nicht um die Abschaffungder bestehenden institutionellenSicherungen, sondern um denEinbau von mehr Eigenverant-wortung in das bestehende Sy-stem. Es gilt allerdings auch, einEnde zu machen mit der Politikder Geschenke und des bloßen„mehr". Beides haben die Be-glückten später teuer zu bezah-len.

Sozialer Fortschritt wird sichkünftig nicht in mehr Quantität,

Verplanter Mensch und doch freiChristian Salzmann

Planung gehört sicher zu den wichtigsten Dingen des gesellschaft-lichen und individuellen Lebens. Ohne Planung würde in vielenBereichen das Chaos ausbrechen, würden ganze Systeme in sichzusammenbrechen. Sie ist offenbar um so unentbehrlicher, jegrößer und komplexer die Gebüde, die Institutionen sind, derenArbeits- und Funktionsabläufe durch sie geregelt werden müssen.

Planung setzt Freiheit voraus

Ein Plan ist der gedanklichvorweggenommene Entwurf füreine beabsichtigte Handlungoder eine zu stiftende Ordnung .mit dem Ziel,.den gewünschtenEffekt möglichst sicher undohne Umwege zu erreichen, soetwa nachzulesen im GroßenBrockhaus. Planung ist also, sokönnen wir zunächst feststellen,etwas Positives, ein für den vor-

ausschauenden Menschen un-entbehrliches Mittel, sein Lebenzu gestalten und zu meistern.Ja, die Freiheit des Menschenscheint sich in dieser Fähigkeitzur Planung zu äußern. Dennnur wer frei ist, ist in der Lage,seine eigene Zukunft nicht nurin Gedanken planerisch zu ent-werfen, sondern diesen Planauch zu verwirklichen. „EinPlan im strengen Sinne hat(nämlich) zur Voraussetzung,daß alle mitwirkenden Faktoren

in hinreichender Wahrschein-lichkeit übersehbar sind, unddaß die zur Verwirklichung desZiels notwendigen Mittel in derVerfügungsgewalt des Planen-den stehen" (Brockhaus). DieseVerfügungsgewalt setzt aberFreiheit voraus.

Nun hat natürlich jede Pla-nung auch eine Kehrseite. Pla-nung setzt zwar bei dem, derplant, Freiheit voraus, bringtaber den, der von der Planungals Objekt betroffen ist, mög-licherweise in die Verfügungsge-walt des Planenden. Wer kenntnicht die Situation, in der mansich plötzlich, vielleicht ohne ge-fragt worden zu sein, als ein

„Für den Fortbestand derplu-ralistischen Demokratie, alsofür den Fortbestand und dieEntwicklung eines menschen-möglichen Maßes an Gerech-tigkeit ist es dringend, denMut zur Unvollkommenheitund die Erkenntnis der steti-gen Gefährdung der mensch-lichen Dinge wieder zu erler-nen. Nur jene Programmesind moralisch, die diesenMut wecken. Unmoralisch istdaher umgekehrt jenerscheinbare Moralismus, dersich nur mit dem Vollkomme-nen zufriedengeben will".

Joseph Cardinal Ratzinger

sondern in besserer Qualitä'S \n haben. Die Schlüs-^-

selfrage von morgen heißt fürjeden, der etwas Neues vor-schlägt, deshalb auch zugleich:Verändert sich damit die Bela-stungsbalance, was soll an ande-rer Stelle gestrichen werdenoder wer soll sonst die neue Lasttragen und mit welchen Folgen?Das sind für Politiker unbe-queme Fragen. Ohne deutlicheAntwort aber wird die Balancedes Systems nicht zu erhalten-sein.

Anm.: Der Autor dieses Beitragesist Min.-Dirigent a.D. Im Rahmenseiner Mitarbeit in der Sozialkam-mer der EKD hat Steinjan die Denk-schrift „Soziale Sicherung im Indu-striezeitalter" mitgeprägt.

0

Faktor in dem Handlungskon-zept bzw. der Handlungsstrate-gie eines anderen eingeplantsieht.

Hier fühlt man sich verplant.

Der verplante Mensch verliertein Stück seiner Freiheit. Und jeengmaschiger und umfassendereine Planung ist, um so radikalersieht sich derjenige, der von ihrbetroffen ist, seiner Freiheit be-raubt.

0Nun besteht heute die Nei-

gung oder vielleicht auch dieNotwendigkeit, auch solche Be-reiche einer Planung zu unter-

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Nr. 3/1989 Sozialpolitik Seite 5

Vfen, die man früher der selb-ständigen Entwicklung über-ließ, so z.B. die Verkehrspla-nung, die Raumplanung, die Fa-milienplanung usw. Und die Pla-nung wird mit Hilfe der moder-nen Technik immer perfekterund umfassender.

Läßt sich der Menschverplanen?

Das Instrument der elektroni-schen Datenverarbeitung eröff-

Überlegenheit ausgestattet sind.Denn sie stehen immer in derVersuchung, ihre Überlegenheitim Sinne einer willkürlichenMachtausübung zu mißbrau-chen, indem sie über die Men-schen aus ihrem Umkreis wieüber ein Objekt, ein Ding, einetechnische Apparatur meinenverfügen und sie als eine bere-chenbare Größe in das eigeneplanerische Kalkül ziehen zukönnen.

Computer bestimmen mehr und mehr unsere Arbeitswelt Foto: Paul Glaser

net auch für Planungsprozessealler Art ungeahnte neue Mög-lichkeiten. Je dichter das Plan-ungsnetz, um so weniger Frei-räume bleiben erhalten.

Nicht nur die Bereiche derArbeit, sondern auch die derFreizeit, ja das ganze Leben dro-hen heute in den Sog der Plan-

/"^gkeit, Machbarkeit und Bere-V,cnbarkeit zu geraten. DiePlanungssysteme tendierendazu, eine Eigendynamik zuentwickeln, die auch immermehr den Planenden selbst ein-holt und schließlich auch seinerFreiheit beraubt. Hier wird derMensch zum Opfer seiner eige-nen Möglichkeiten. Er wird vomSubjekt zum Opfer degradiert.

Diesen Prozeß 'gilt es nun- gerade aus christlicher Verant-wortung heraus - zu durch-schauen und ihm möglicher-weise entgegenzuwirken, nicht,indem man auf Planung verzich-tet, sondern indem man Plan-ungsprozesse so organisiert, daßbei allen Beteiligten ein Höchst-maß an Subjekt- bzw. Person-(Walität erhalten bleibt.

Und hier sind vor allem solcheMenschen aufgerufen, die auf-grund ihrer Position mit sozialer

Manipulation als Technikder Menschenbehandlung

Ein hervorragendes Merkmalder Wissenschaft, vor allem dernaturwissenschaftlichen undtechnologischen Wissenschaft,ist es, bestimmte Abläufe in Na-tur und Technik in allen Einzel-heiten berechenbar und damitvorhersagbar und planbar zumachen. Man denke etwa an dieExaktheit, mit der Weltraum-flüge in allen Details vorherbe-rechnet und geplant werden.Wenn der Mensch die Wissen-schaft benutzt, um solche tech-nischen Abläufe zu planen, magdas, sieht man einmal von denimmer wieder auftretenden Feh-lern mit meist verhängnisvollenFolgen ab, noch hingenommenwerden können. Wenn aber dieWissenschaft herangezogenwird, um auch den Menschenvon außen in Analogie zur Tech-nik zu steuern, wird die Sachehöchst bedenklich.

In der Gegenwart trifft manauf verschiedene Formen sol-cher technischer Menschenbe-handlung, so etwa die Gentech-nologie, in deren Gefolge es alsmöglich erscheint, den Men-schen aus der Retorte zu repro-duzieren und ihn mit den jeweilsgewünschten Anlagen und Ei-

genschaften auszustatten, alsoihn nach Maßgabe der eigenenPläne und der eigenen Willkürzu gestalten und ihn gerade da-durch seiner Menschenwürde zuberauben.

Eine besonders raffinierteForm der technischen Men-schenbehandlung ist die Mani-pulation, weil sie den Menschenverplanen, von außen steuernund in Abhängigkeit halten will,sich dabei-aber oft geschickt zutarnen weiß. Der Mensch wirdhier von den Manipulatoren inAnalogie zur machbaren Weltgesehen und durch bestimmtepsychische Mechanismen kondi-tioniert. Insofern ist Manipula-tion Ausdruck von Macht bzw.Machtanmaßung. Sie zielt aufEntpersönlichung des Manipu-lierten - gerade dadurch, daßsie die unbewußten Schichtenzu beeinflussen trachtet und aufdiese Weise Abhängigkeiten, jaein „falsches Bewußtsein"schafft.

Jede Erziehung steht in Ge-fahr, in die Manipulation abzu-gleiten. Erzieher sollten umdiese Gefahr wissen. Für christ-liche Eltern kommt es daraufan, im Glauben die Freiheit zugewinnen, die sie befähigt, Kin-der und Jugendliche freizuge-ben, sie aus der Abhängigkeit indie Selbständigkeit und Mündig-keit zu führen.

Aus christlicher VerantwortungUrsachen vonFehlentwicklungen aufdecken

Manipulation als Technik derMenschenbehandlung ist Aus-druck einer Grundhaltung, diesich auch in anderen Trends un-serer Zeit ausdrückt: Mandenke etwa an die zunehmendeDurchröntgung des Daseins, diewachsende Entmündigung desMenschen durch Massenme-dien, die Verkümmerung derRatio zu Rationalisierung, wel-che im bloßen Zweck-Nutzen-Denken steckenbleibt, die Ver-kürzung des Organismus zur Or-ganisation, die Degradierungdes ungeborenen Lebens zurWegwerfware, die Mißachtungder Schöpfung Gottes, indemdie Natur zum Gegenstand ei-gensüchtiger, rücksichtsloserund verantwortungsloser Aus-beutung wird.

Indem die Forschung sichlange Zeit zum wertfreien In-strument erklärte, schuf sie die

technischen Voraussetzungendafür, die Natur zum großenTeil der Planbar- und Machbar-keit des Menschen zu unterwer-fen. Damit half sie zugleich, daskomplizierte System unsererhochindustrialisierten und tech-nisierten Gesellschaft aufzu-bauen, das schließlich seine ei-genen Erfinder in ein Netz vonAbhängigkeiten verstrickte.Auch hier zeigt sich also, daßdie ursprüngliche, aus scheinbarfreier Selbstbestimmung herausvollzogene Planung den Men-schen in die Unfreiheit der Ab-hängigkeit von den selbstge-schaffenen Systemen führt.

Allgemein gesprochen: Über-all dort, wo Menschen in gren-zenloser Selbstüberschätzungund unter Hinweis auf Wissen-schaft und Technik auf absolu-te Selbstbestimmung setzen,schlägt die Freiheit schließlichin Unfreiheit um, indem näm-lich die Menschen, soll nicht dasganze System in sich zusammen-brechen, gezwungen sind, ein-mal geschaffene zivilisatorischeErrungenschaften aufrechtzuer-halten oder gar immer weiter zuentwickeln. Ein ähnlich ver-hängnisvoller Effekt entstehtdadurch, daß die vom Menschendurch unsachgemäße Behand-lung aus dem Gleichgewicht ge-brachten Ökosysteme in sich zu-sammenbrechen und damit demMenschen die notwendige na-türliche Lebensgrundlage entzo-gen wird.

Nun kann und darf es nichtmeine Aufgabe sein, ein Hor-rorgemälde von der Gegenwartund Zukunft zu entwerfen, dasuns in Resignation und Hoff-nungslosigkeittreibt. Gerade alsChristen sollten wir uns aufgeru-fen fühlen, den Ursachen derFehlentwicklungen, z.B. imVerhältnis des Menschen zuGottes Schöpfung, nachzugehenund solcher Entwicklung entge-genzuwirken und sie, wo immermöglich, zu korrigieren. Aberwir sollten auch nicht die positi-ven Wirkungen der Technik undder Wissenschaften übersehen.Wer lautstark die technischenMethoden der modernen Medi-zin beklagt, möchte in der Regelnicht auf diese verzichten, wennes darum geht, sich den entzün-deten Blinddarm herausoperie-ren zu lassen. Und ohne dasAuto als Transportmittel für denMenschen und für Waren allerArt, wäre das Leben in der Bun-desrepublik Deutschland mit ih-

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Seite 6 Rentenreform Nr. 3/1989

ren gut 60 Millionen Einwoh-nern und der inzwischen ent-standenen Siedlungsstruktur inder Tat nicht ohne tiefgehendeZusammenbrüche und Kata-strophen zu meistern.

Wenn es aber gilt, drohendenFehlentwicklungen entgegenzu-wirken, so kommt es nicht inerster Linie darauf an, Einzel-maßnahmen zu ergreifen odergesetzgeberisch durchzusetzen.Wichtiger ist vielmehr dieGrundhaltung des Menschen.Es kommt darauf an, sein Be-wußtsein zu verändern, damitdie Grundsätze seines Handelnsgegenüber den Mitmenschenund der Natur sich den neuenErfordernissen anpassen.

Diese veränderte Grundhal-tung sollte sich nun für uns Chri-sten eigentlich ganz von selbstergeben.

Anm.: Prof. Dr. Christian Salz-mann ist seit 1973 an der UniversitätOsnabrück, als Professor für Pädago-gie/Schulpädagoge tätig und gehörtdem erweiterten Vorstand desEAK-Osnabrückan.

Ausbildimgsstellen in derBundesrepublik Deutschland

Bundesdurchschnitt: 106

Bundesland Stellenje 100 Bewerber

Bremen 78Niedersachsen 82Nordrhein-Westfalen . 92Saarland 93Hamburg 98Berlin (West) 105Hessen 106Rheinland-Pfalz . . . . 110Baden-Württemberg . 116Schleswig-Holstein . . . 117Bayern 152

Quelle: Arbeitsmarkt 11/88

Evangelischer ArbeitskreisSchwarzwald - Baar

Dr. Werner Gitt,Braunschweig:

„Leben nach dem Tode"

VS-Vfflingen,Theater am Ring

Freitag, den 21. April 1989,20.00 Uhr

Die Rentenversicherung hat Zukunft! •D

Michael Harmut FranzWie sieht die Welt im nächsten Jahrtausend aus? Wie werden wir dieArbeit - ob nun Erwerbsarbeit, Erziehungsarbeit oder ehrenamtli-che Tätigkeiten - und die Freizeit organisieren? Vor allem: Wie wirddie Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland aufgebautsein? Sichere Kenntnis über die Zukunft ist nicht vorhanden. Es gibtaber plausible Überlegungen über Tendenzen in unserer Gesell-schaft, die für die Zukunftsgestaltung der Alterssicherung vonhöchster Bedeutung sind:

1. Sinkende Geburtenhäufig-keit, schrumpfende Bevölke-rung

Die Geburtenhäufigkeit istseit Beginn der siebziger Jahreso gesunken, daß ein Geburts-jahrgang weniger Kinder zurWelt bringt, als zur Bestands-erhaltung der Bevölkerung not-wendig sind. Modellrechnungenzeigen auf, daß unter bestimm-ten Annahmen die Wohnbevöl-kerung in der BundesrepublikDeutschland von derzeit rund61 Mio. auf rund 48 Mio. imJahre 2030 zurückgeht.

Die Rentenversicherung mußdeshalb - und das ist der ent-scheidende Anlaß für die Re-form - darauf eingerichtet wer-den, daß der Anteil der älterenBevölkerung erheblich wächst.

2. Veränderte Erwerbstätigkeit

Die Erwerbsquote der Män-ner im erwerbsfähigen Alter von15 bis unter 65 Jahren ist vonrund 90% im Jahre 1970 aufrund 79 % im Jahre 1986 gesun-ken. Gründe dafür sind die Ver-längerung der Bildungsphaseund der damit verbundenespätere Eintritt in das Erwerbs-leben sowie der deutliche Rück-gang der Erwerbsquote der 60-bis unter 65jährigen von rund72% (1970) auf 33% (1986).Demgegenüber ist die Erwerbs-quote der Frauen im erwerbsfä-higen Alter von rund 47%(1970) auf rund 51 % (1986) ge-stiegen. Der Rückgang der Er-werbsquote bei den älterenFrauen ist durch die steigendeErwerbsbeteiligung der 20- bisunter 55jährigen überkompen-siert worden. Trotz dieses An-stieges der Erwerbsquote derFrauen liegt diese im Vergleichzu anderen Ländern noch kei-neswegs sehr hoch, denn inFrankreich beträgt sie rund55%, in Großbritannien 61%und in Schweden sogar 78 %.

Die Rentenversicherung mußdeshalb ihre Anstrengungen

fortsetzen, auf neue Rollenbil-der neue Antworten zu geben.Dies bedeutet auch, daß etwadie Kindererziehung als eigen-ständiger Beitrag zur Aufrecht-erhaltung des Generationenver-trages verstärkt anerkannt wird.

3. Früher Rentenbeginn undsteigende Lebenserwartung .

Während vom Jahrgang 1905noch rund % der Männer und %der Frauen mit Vollendung des65. Lebensjahres in die Alters-rente gingen, waren dies beimJahrgang 1920 nur noch rund Vsder Männer und Frauen. Damitist die normale Altersgrenze von65 Jahren innerhalb von 15 Jah-ren beinahe zum Ausnahmefallfür den Rentenbeginn gewor-den, was sich in längeren Ren-tenlaufzeiten und einer höherenAnzahl der Renten nieder-schlägt.

Die verlängerten Rentenlauf-zeiten sind nicht nur auf einenfrüheren Rentenbeginn zurück-zuführen, sondern auch auf einesteigende Lebenserwartung.Die Lebenserwartung öOjähri-ger Männer betrug 1970/72 noch15,3 Jahre, heute beläuft sie sichauf über 17 Jahre. Bei denFrauen betrug die vergleichbareLebenserwartung 1970/72 19,1Jahre, heute sind es 21,6 Jahre.Mit einer weiteren Zunahme istzu rechnen.

Die geltenden Altersgrenzenmüssen deshalb überdacht wer-den.

Die Anpassungsfähigkeiterhalten

Vor allem kommt es daraufan, die Flexibilität der Renten-versicherung, die zwei Welt-kriege und Inflationen überstan-den hat, angesichts sich wan-delnder Verhältnisse zu sichernund zu stärken.

In der rentenpolitischen Dis-kussion gilt es auch, verkü£,zende Ansätze abzuwehren, l'spielsweise dürfen Modellreinungen nicht als Prognosen hin-sichtlich tatsächlicher Entwick-lungen mißverstanden werden.Von Bedeutung für die Renten-versicherung ist nicht nur daszahlenmäßige Verhältnis derGenerationen, wichtig ist insbe-sondere das Verhältnis der Bei-tragszahler zu den Leistungs-empfängern.

Und wenn in Zukunft die Ar-beitskräfte - und damit die Bei-tragszahler - in der Bundesrepu-blik Deutschland knapp wer-den, dann kann damit gerechnetwerden, daß in einer Welt mitschwindenden Grenzen die Ar-beitsplätze in unserem Land ins-besondere für EG-Inländer anAttraktivität gewinnen.

Umgekehrt ist heutewichtige Ursache der hohen Ab-gabenbelastung für die sozialenSicherungssysteme nicht dieTatsache, daß es zu wenig Er-werbspersonen gibt, sondernvielmehr der Fakt, daß es erheb-lich mehr Menschen gibt, diearbeiten wollen, als es Arbeits-plätze für sie gibt.

Ein Konsens für dieFortentwicklung derRentenversicherung

Unverantwortlich wäre des-halb, angesichts dieser prinzi-piellen Ungewißheit die sozialeSicherung völlig zu verändern,zumal es auch plausible Modell-rechnungen gibt, wonach diemöglichen Belastungen der Avterssicherung ohne SysteurWechsel durchaus beherrschbarsind.

Bei allen Nuancierungen imDetail zeichnet sich eine Über-

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Nr. 3/1989 Rentenreform Seite 7

bei fast allen rele-Vanten Parteien, den Sozialpart-nern und Kirchen für wichtigeEckpunkte der Strukturreformder Rentenversicherung ab:

1. Das Prinzip der lohn- undleistungsbezogenen Rentesoll fortentwickelt werden.Nur ein durch einkommens-orientierte Beiträge aufge-bauter Rentenanspruch istim Verhältnis zum einzelnenBeitragszahler gerecht undist - was ebenso wichtig ist -verfassungsrechtlich ge-schützt.

2. Für die große Mehrheit derArbeitnehmer und ihrer An-gehörigen ist die Rente derRentenversicherung die we-sentliche und vielfach sogardie einzige Einkommens-quelle im Alter, bei Invalidi-tät und Tod. Die Rentenver-

sicherung bedeutet damit dieRegelsicherung für sie. Des-halb muß die Funktion derLebensstandardsicherung er-halten bleiben. Dies bedeu-tet: Keine Grundrente nurzur Sicherung des Existenz-minimums.

3. Die Lasten aus der Bevölke-rungsentwicklung sollen vonallen Beteiligten - den Rent-nern, den Beitragszahlernund dem Bund - gemeinsamgetragen werden. Die verfüg-baren Renten sollen sich imGleichklang mit den verfüg-baren Arbeitnehmereinkom-men entwickeln, d.h., dieRenten sollen daher in Zu-kunft nicht mehr stärker stei-gen als die Nettolöhne. DerBundeszuschuß muß in Zu-kunft höher sein als nach gel-

• tendem Recht.

Verschämte Altersarmutbekämpfen

Kontrovers diskutiert wirdinsbesondere Art und Umfangeiner Verlängerung der Alters-grenzen für die Lebensarbeits-zeit. Der „Diskussions- und Re-ferentenentwurf", den der Bun-desminister für Arbeit und So-zialordnung im November 1988vorlegte, hält es angesichts derweiter steigenden Lebenserwar-tung und der infolge des Gebur-tenrückganges geringer werden-den Zahl von Personen im er-werbsfähigen Alter auf Dauerfür unverzichtbar, die Lebens-arbeitszeit zu verlängern. Dieangehobenen Altersgrenzen fürdie Altersrenten sollen nach denVorstellungen des Referenten-entwurfs jedoch flexibel sein.Durch die Berücksichtigung desAlters bei der Inanspruchnahme

der Altersrente mittels einesZugangsfaktors werden Vor-und Nachteile durch einen vor-zeitigen oder aufgeschobenenRentenbezug ausgeglichen.

Gegenstand politischer Aus-einandersetzungen wird sicher-lich noch die Bedeutung fami-lienbezogener Elemente (z.B.Kindererziehung oder häuslichePflege) in der Rentenversiche-rung und die Konsequenzen derRentenreform für andere Al-terssicherungssysteme sein, dieganz oder teilweise aus öffentli-chen Kassen finanziert werden.Darüber hinaus steht die Be-kämpfung der verschämten Al-tersarmut auf der Tagesord-nung, eine Aufgabe, die überden Auftrag der Rentenversi-cherung hinausgeht.

. Anm.: Der Autor dieses Beitragesist Diplom- Volkswirt.

Das Verständnis von Arbeit undRuhe in der BibelRolf Kramer

Die Arbeit im Alten Testament

In zwei Oberlieferungen wirdrai Anfang der Bibel nicht nur

der Erschaffung des Men-schen berichtet. Es wird auchdarauf hingewiesen, daß ihmvon Anfang an bestimmte Auf-träge erteilt wurden. DerMensch wird in beiden Schöp-fungsberichten, in der Priester-schrift und bei dem Jahwisten,in unmittelbarer Beziehung zuseiner Arbeit gesehen. Davonist die Rede, wenn in der jünge-ren Priesterschrift, der erstenÜberlieferung in der Bibel, vonder Herrschaft des Menschenüber die Erde gesprochen wird:„Seid fruchtbar und mehreteuch und füllet die Erde undmachet sie euch Untertan undherrschet über die Fische imMeer und die Vögel unter demHimmel, über das Vieh und alleTiere, die auf der Erde sich

sgen" (Gen 1,28).

Bei dem älteren Jahwistenlautet der Befehl anders: „UndGott der Herr nahm den Men-schen und setzte ihn in den Gar-

ten Eden, damit er ihn bebaueund bewahre" (Gen 2,15).

Zwei aus diesen Quellen ab-zuleitende Aussagen geben Hin-weise auf die Deutung des Ar-beitsbegriffes im Alten Testa-ment.

Arbeit als Mandat

Arbeit ist nicht in menschli-ches Belieben gestellt, sie unter-liegt nicht menschlicher Will-kür. Sie beruht auf einer Stif-tung Gottes. Sie ist Mandat.Arbeit wird als Befehl, als Auf-trag gedeutet. Dieser Auftragist im Zusammenhang mit Got-tes Bundesschluß mit dem Men-schen zu sehen. Gott überant-wortet seinem Geschöpf die Er-haltung und Gestaltung seinerSchöpfung. Der Mensch wirdzum Kooperator Gottes. GottesGabe ist Aufgabe für den Men-schen. Sie wird von Gott an denMenschen, als seiner Schöp-fung, weitergereicht.

Dies wird sowohl von derevangelischen Sozialethik alsauch von der katholischen So-

ziallehre so gesehen. In den er-sten Sätzen der Enzyklika LA-BOREM EXERCENS heißt es:Der Mensch ist „nach GottesBild und Gleichnis inmitten dessichtbaren Universums geschaf-fen und dort hineingestellt, da-mit er die Erde sich Untertanmache". Er ist seit seiner Schöp-fung dazu berufen. Arbeit wirdhier auf umfassende Weise ge-deutet, Mensch zu sein.

Die .Selbstverständlichkeitder Arbeit

Die alttestamentlichen Be-richte' verweisen auf die Veran-kerung der Arbeit in dem sieumgebenden Leben. „Sie ist ein-fach eine Funktion zur Bewälti-gung des Daseins" schreibt Hel-mut Thielicke dazu in seinerTheologischen Ethik.

Im Alten Testament wird dieArbeit keineswegs allein als dieLebenserfüllung gesehen. Manbraucht die Arbeit, um sein Le-ben zu gestalten. Arbeit besitzt„die Unakzentuiertheit desSelbstverständlichen". Das vonGott gegebene wird hingenom-

men und benutzt.

Die Doppelgesichtigkeitder Arbeit

Zu diesen zwei Aussagen überdie Arbeit kommt ein weiteresPhänomen hinzu, das alleSchriften des Alten Testamentesdurchzieht.

Im 3. Kapitel Genesis wirdnach dem Sündenfall des Men-schen nicht der Mensch undauch nicht seine Arbeit, sondernder Ackerboden verflucht. Ar-beit wird also nicht als Strafe desMenschen angesehen. Vielmehrsteht ihre Ausübung unter Got-tes Strafwort. Mühsal und Qualsind nach dem Sündenfall ihreKennzeichen. Ihre Früchte wer-den durch Dornen und Diestelngeschmälert. Im Kampf gegendie widerspenstige Natur hat derMensch seinen Lebensunterhaltzu verdienen. Während zum pa-radiesischen Zustand das Be-bauen und Bewahren gehört,sind nach dem Sündenfall Müheund Plage die Kennzeichen derArbeit. Man spricht deshalb vonder Zweideutigkeit oder Dop-pelgesichtigkeit der Arbeit.

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Seite 8 Rundfunk Nr. 3/1989

Sie ist zum einen als Gebot,als Auftrag, als Mandat Gotteszu verstehen, mit dessen Hilfeder Mensch die Welt gestaltenund seinen Lebensunterhalt be-streiten soll.

Darauf verweisen jeweils dieEvangelischen Denkschriftenund die Sozialenzykliken derPäpste seit Leo XIII.: DerMensch muß arbeiten.

Zum anderen ist nach derÜbertretung des göttlichen Ge-botes seine Arbeitswelt durchMühe und Schweiß gekenn-zeichnet. Müheloses Arbeitenund Ernten, wie noch im GartenEden, ist nach dem Sündenfalldem Menschen verwehrt. Müheund Beschwernis werden die Tä-tigkeit des Menschen ein Lebenlang begleiten.

Das ist der Grundtenor imAlten Testament. Die lutheri-sche Übersetzung des 90. Psalms„Und wenn's (seil. Leben) köst-lich gewesen ist, so ist es Müheund Arbeit gewesen", weist dar-aufhin.

In der Vergangenheit ist dar-aus eine Überschätzung der Ar-

beit als Lebenssinn abgeleitetworden. Aber die Arbeit wirdim Alten Testament nicht ver-herrlicht. Dennoch können dieWerke des Menschen positiv be-urteilt werden.

Der Sabbat im Alten Testament

Namentlich der Bericht derPriesterschrift verbindet in Gen2,1-3 die Gabe des Sabbats mitder Arbeit. Freilich wird dieseVerknüpfung von Arbeit undSabbat zunächst nur auf dasHandeln Gottes angewandt.

Die Gottesruhe

Bei der Ruhe des Sabbats gehtes zunächst um die Gottesruhe.Gott vollendet seine Schöpfungin der Feier des Sabbats. Dabeihandelt es sich für ihn nicht umeine Erholung nach Mühsal undwohlgetaner Arbeit. Es ist viel-mehr „das Absehen und Abste-hen von weiterer Arbeit".

Gott ruhte von seinem Werk.Das heißt, er stand von weite-rem Schöpfungswerk ab. Aberer hörte selbstverständlich nichtauf, der Schöpfer zu sein. AmSabbat war er ganz er selbst.

Lokalfunk in Nordrhein-WestfalenGerhard RöddingDer Hörfunk wird wieder interessant. Neben den vier Programmendes Westdeutschen Rundfunks, die wir kennen, wird es vomnächsten Jahr an Sendungen geben, die von lokalen Radiostationenausgestrahlt werden. In jeder Großstadt und in jedem Kreis wird eswahrscheinlich einen solchen Lokalfunk geben.

Der Lokalrundfunk in Nord-rhein-Westfalen hat einige Be-sonderheiten, die ihn reizvollund spannend machen. Die Sen-dungen werden von einer Ver-anstaltergemeinschaft verant-wortet, in denen neben gesell-schaftlichen Gruppen und Inter-essenten auch die beiden Kir-chen vertreten sind. Hier sollendie wichtigsten Kräfte der Ge-sellschaft zusammenarbeitenund ein Rundfunkprogramm ge-stalten, das die Hörer in derNachbarschaft besonders an-spricht. Eine solche Veranstal-tergemeinschaft besteht aus ma-ximal 22 Personen, die die geisti-gen Strömungen im Umfeld desSenders repräsentieren sollen.

Der Lokalrundfunk wird voneiner Betriebsgesellschaft finan-ziert, in der die Zeitungsverle-ger der örtlichen Tageszeitun-gen bis zu 75 % der Anteilehalten können. Mit dem Restvon 25 % sollen die Kommunen

beteiligt sein. Die Mittel stam-men nicht aus der allgemeinenRundfunkgebühr, sondern müs-sen durch Hörfunkwerbung auf-gebracht werden, eine Erschei-nung, die wir aus dem Fernse-hen und zwei Hörfunkprogram-men des WDR kennen.

Die Veranstaltungsgemein-schaften, die das Programm ver-antworten, sind in Herford undBielefeld bereits gegründet.Beide können sich demnächstum eine Hörfunkfrequenz beider Landesanstalt für Rundfunkin Düsseldorf bewerben, die be-reits die entsprechenden Fre-quenzen ausgeschrieben hat.Erhält eine Veranstaltergemein-schaft eine Sendeerlaubnis, wasnicht zu bezweifeln ist, muß siedemnächst ein Hörfunkstudioeinrichten und entsprechendesPersonal anstellen. Man wirdJournalisten suchen müssen, diedas Leben der Gemeinden imKreise Herford genau kennen;

Die Ruhe des Menschen

„Und Gott ruhte am siebtenTag". Später wird diese Aussageauch auf die Menschen bezogen.Der Sabbat wird zum Korrektivder Arbeit. Denn Leben ist nichtnur Arbeit, sondern auch Ruhe.Jeder einseitigen Überbewer-tung der Arbeit wird ein Riegelvorgeschoben. Der- Mensch sollarbeiten und ruhen. Der Sabbatsteht, wie die Arbeit, unter Got-tes Gebot. Deshalb sollen dieFamilienangehörigen, Magd,Knecht, Fremdling und auch dasVieh an diesem Tag Ruhe haben(Ex 20,8-11). Die Ruhe erstmacht die Arbeit vollständig.

Die der Ruhe Gottes entspre-chende Ruhe des Menschen be-kommt so eine andere Zielset-zung als die Gottesruhe. Zwarwird auch hier von weiterer Ar-beit abgesehen und Abstand ge-nommen, aber es ist damit einerholsames Ausruhen von dergeleisteten Arbeit gemeint, sodaß der Mensch frei wird zurFortsetzung seiner Wochenar-beit. Er darf sich von seinemhinter ihm liegenden Werk erho-len und sich gleichzeitig stärkenfür das kommende neue Werk.

denn es kommt darauf an, nebendem Weltgeschehen von solchenEreignissen zu berichten, die imengeren kommunalen Bereichwichtig sind. Dabei geht es aller-dings nicht nur um das, was imRathaus geschieht, so wichtig esist, sondern auch um Veranstal-tungen der verschiedenen Ver-eine, des Sports, der örtlichenKultur, kurzum um all das, wassonst in den Lokalteilen der Zei-tungen zu lesen ist.

Der Sabbat bedeutetnoch mehr; an diesem Taghört der Mensch sich selber; erist schlicht Mensch, dem freilichsechs Tage lang zu arbeiten auf-getragen worden ist.

Ruhe als Erholung

Für Gott war der gefeierteSabbat der siebte Tag, für 'denMenschen jedoch der erste. DerMensch kam vom Sabbat herund ging an die Arbeit, er ginggleichsam in sie hinein. Aus derRuhe hin zu Arbeit!

Insofern war es für den Men-schen tatsächlich der Tag desHerrn, der im Neuen Testamentdann auch zum ersten Tag derWoche erklärt wurde. DerMensch wird in diesen Tag, derder Tag der Auferstehungist, in den Tag des Herrn hinegenommen. Gottes siebter Tagwird so zum ersten Tag für denMenschen.

Anm.: Prof. Dr. Rolf Kramer istSystemtheologe an der KirchlichenHochschule Berlin. Sein Beitrag istTeil eines Vortrages, den er auf derTagung „Der Wandel von Arbeitund Freizeit" im Institut der Deut-schen Wirtschaft am 22. 11. 1988gehalten hat.

Dr. Gerhard Rödding, Mitglied desEAK-Bundesvorstandes

Fünf bis acht Stunden täglichsoll ein solches Lokalprogrammgesendet werden. In der übrigenZeit läuft ein Rahmenpro-gramm, das für ganz NordrheiWestfalen ausgestrahlt wird,daß man den Sender rund umdie Uhr hören kann. Gerade dieMischung von lokalen und über-regionalen Programmteilenmacht den Lokalrundfunk inter-essant.

Darüber hinaus ist die Betei-ligung der Bürger besonderswichtig. In vielen Gemeindengibt es bereits Radiogruppenund freie Bürgervereinigungen,die sich zum Ziel gesetzt haben,selbst Radio zu veranstalten.Volkshochschulen und andereEinrichtungen haben ihre Stu-dios dafür zur Verfügung ge-stellt, um solche Eigenproduk-tionen zu ermöglichen. DieLandesanstalt für Rundfunk för-dert diese Gruppen finanziell.Die Veranstaltergemeinschist verpflichtet, ihnen 15 % dStäglichen Sendezeit zur Verfü-gung zu stellen. Auf diese Weisekann erreicht werden, daß derBürger nicht nur passiver Zuhö-

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Nr. 3/1989 Wahl Seite 9

ijfrrtsetzung von Seite 8

rer ist, sondern sich auch aktivan der Gestaltung von Program-men beteiligen kann.

Auch die Kirche bekommtdurch den Lokalfunk eine neueChance, ihre Botschaft in dieÖffentlichkeit zu tragen undvom Gemeindeleben zu berich-ten. Lebt sie doch davon, daßdas Evangelium öffentlich ver-kündet wird und das Gemeinde-leben sich nicht allein in abge-schlossenen Zirkeln abspielt.

Die Botschaft von Jesus Chri-stus ist eine öffentliche Ange-„jgenheit, die allen Menschen

kann t gemacht werden muß.Weil es sich beim Lokalfunk umörtliche Gemeinden handelt,besteht hier besonders die Mög-lichkeit, Menschen für die kon-krete Arbeit der Kirche am Ortzu gewinnen.

So ist es eigentlich auch in derReformationszeit gewesen.Auch damals wurde eine neueTechnik der Verbreitung desEvangeliums dienstbar ge-macht. Gutenberg hatte dieBuchdruckerkunst erfunden.Ohne sie hätten Lutners Schrif-ten nicht verbreitet werden kön-nen. Niemand hat damals gezö-gert, sich dieser neuen Technikzu bedienen. So sollte es auch>^ite sein. Mit ganzer Energie

^ f4Pten sich die Kirchengemein-den in Herford zusammen mitdem Kirchenkreis der neuenMedien annehmen.

Die Kirche sollte lernen, mitihnen umzugehen, dafür be-gabte Menschen sollten geschultwerden, Sendungen zu produ-zieren. Das Leben der Kirchen-gemeinden sollte in aller Öffent-lichkeit dargestellt werden undniemandem verborgen bleiben.

Auf diese Weise können Men-schen angesprochen werden, dieauf herkömmliche Weise dasEvangelium nicht mehr hören.Nutzen wir die Chance!

i—Aiim.: Dr. Gerhard Rödding iststellvertretender Direktor derLandesanstalt für Rundfunk Nord-rhein-Westfalen und Mitglied desEAK-Bundesvorstandes.

Die politische Kraft der MitteWahlergebnis von Berlin: Berechtigte Sorgen und Wünsche aufgreifenAlbrecht Martin

StaatsministerAlbrecht Martin, MdL

Vom christlichen Menschenbild her kann der Wert geschichtlichgewachsener Strukturen, wie Volk und Nation, ebenso beachtetwerden, wie es die Bedeutung der weltweiten einen Menschheiterkennen läßt. Wenn die Union also solche Aspekte wieder deutlichwahrnimmt und in Reden und Handeln zu ihrem Recht kommenläßt, dann reicht sie damit genauso wenig in die rechte Ecke, wie siedurch das Frauenprogramm von Essen sich nach links hin verän-derte. Gerade indem sie solche Tendenzen integriert und unter dengemeinsamen Aspekt ihres Menschenbildes stellt, verhindert sieRadikalisierung und beweist die politische Kraft der Mitte.

Daraus folgt aber auch dieeindeutige Abgrenzung gegendie radikalen Gruppen. Es istdabei völlig gleichgültig, welcheTendenzen von diesen Gruppenradikalisiert werden. Zu den be-denklichen Folgen des BerlinerWahlergebnisses gehört deshalbdie Neigung, über den Erfolgder Republikaner die Stärkungder Alternativen Liste zu ver-gessen. Eine radikale Parteiwird nicht dadurch ungefähr-lich, daß sie Tendenzen vertritt,die man traditionell dem linkenSpektrum zurechnet. Keine ra-dikale Partei kann und will dendemokratischen und sozialenRechtsstaat schützen; das soll-ten alle Demokraten bedenken!

Für den Evangelischen Ar-beitskreis (EAK) der CDU er-gibt sich die Aufgabe, über dieBedeutung von Volk und Nationgerade vom christlichen Men-schenbild her neu nachzuden-ken. Daß beide Werte nicht un-mittelbar vom Evangelium herzu begründen sind, besagt nochnicht viel. Zu fragen ist aber,welche Bedeutung sie als Ele-mente der Geschichtlichkeit desMenschen unter den Bedingun-gen unserer Zeit haben und wiewir damit umgehen sollen. Eskönnte ja sein, daß über dieunserer Zeit geschenkte Er-kenntnis von der unter ChristiHerrschaft stehenden einenMenschheit und der im Glaubengeschenkten Einheit der Chri-sten die anderen, gewiß vorläu-figen und darum zweitrangigenWerte zu sehr in den Hinter-grund geraten sind. Warum tunsich manche Christen heute soschwer, zum Beispiel eine be-sondere Verantwortung für An-gehörige des eigenen Volkes an-zuerkennen?

Bei den Verhandlungen derSynode der EKD in Bad Wil-dungen wurden diese Fragenwiederholt angesprochen. IhreBedeutung wurde allgemein er-kannt, die Schwierigkeit derAntwort aber - nicht zuletzt imBlick auf die jüngere deutscheGeschichte - ebenso deutlich.Wenn wir die Frage aber nichtaufgreifen, dann tun es andere -wie jüngst in Berlin die Republi-kaner-, aber anders!

Das Wort

Keins. seiner Worteglaubte ich, hätte er nichtgeschrien: Gott, warumhast du mich verlassen.

Das ist mein Wort, das Wortdes untersten Menschen.

Und weil er selberso weit unten war, einMensch, der „Warum"schreitund schreit „Verlassen", des-halb könnte man auch dieändern Worte, die von weiteroben, vielleicht ihm glauben.

Evangelischer Arbeitskreis der CDU/CSU

11. „Bonner Theologisches Gespräch"

„Die evangelische Kircheim demokratischen Staat"

Landesbischof i. R.Prof. D. Eduard Lohse

Montag, 8. Mai 1989,19.00 UhrKonrad-Adenauer-Haus, Kleiner Saal

Friedrich-Ebert-Allee 73-75,5300 Bonn 1

Gesonderte Einladungen werden noch verschickt

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Seite 10 Persönliches Nr. 3/1989.

Protestantische ProfileVolkmar KöhlerDr. Volkmar Köhler, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bun-desminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, stammt aus einerlutherischen Familie in Niedersachsen. Sein persönlicher Lebenswegwurde durch die Religion und Glauben entscheidend geprägt.

Es ist eine Wahrheit, die Phi-lipp Melanchton im dritten Ge-sang der Odyssee, Vers 48, fand:„Alle Menschen bedürfen Got-tes." Nicht nur in der öffent-lichen Verantwortung, sondernauch im innersten Bereich desprivaten Lebens lernt man imLaufe der Jahre die Spanne zwi-schen Wollen und Vollbringenkennen, die Begrenztheit derWirkungen, die man erreichenkann, und man erfährt, daß dieeigene Kraft allein nicht aus-reicht, um zum Ziel zu gelangen.Es ist wichtig, dies zu verstehen,und so haben meine Freundeund ich unseren gemeinsamenWeg unter das Wort gestellt:„Des Menschen Herz erdenktsich seinen Weg; aber der Herrallein gibt, daß er fortgehe."(Sprüche 16,9)

Diese Wahrheit erlaubt indes-sen keine Passivität. Genausolebendig ist mir deshalb, wasman in meiner norddeutschenHeimat sagt: „Gott hilft demSteuermann in der Not, abersteuern muß. er selbst." Viel-leicht ist dieser Spruch theolo-gisch anfechtbar, aber hilfreichan ihm ist, daß er gerade denEntwicklungspolitiker vor derGefahr bewahrt, angesichts desAusmaßes der Probleme, derFülle des Elends und der Notder Verzweifelnden zu resignie-ren.

Nicht Kontemplation, nichtdas modische Problematisierenaller Sachverhalte und nicht dergrüblerische Selbstzweifel hel-fen uns, die konkrete Verant-wortung zu erfüllen, sondernnur - bei aller kritischen Selbst-prüfung - das Handeln für denMenschen, die ohne uns in derDritten Welt Krankheit, Hungerund Hoffnungslosigkeit ausge-liefert sind. Dabei unterliegtman der Gefahr des Irrtums. Esist notwendig, daß wir eine ge-wisse Zuversicht haben, die unsSicherheit gibt.

Ich stamme aus einer lutheri-schen Familie in Niedersachs.en,in der es seit der Reformation nieeine andere Überzeugung gege-ben hat als die Lehre Martin

Dr. Volkmar Köhler, Parlamentari-scher Staatssekretär: „Es ist not-wendig, daß wir eine gewisse Zuver-sicht haben, die uns Sicherheit gibt."

Luthers. Dort ist für uns dieFreiheit eines Christenmen-schen definiert. Mein Großvaterfand als Junge beim Pflügen aufdem Acker seines Vaters eineKanonenkugel aus der Schlachtvon Lutter am Barenberge, inder 1624 das Heer des nieder-sächsischen Reichskreises gegenTilly unterging. Es ist vielleichtnicht untypisch für die Gläubig-keit eines Mitgliedes der Hanno-verschen Landeskirche, daß einStück Kritik an der organisier-ten Kirche und ein sehr persönli-cher Anspruch auf das Ver-ständnis und die Auslegung derSchrift zum Gesamtbild gehört.So habe ich im Laufe der Jahr-zehnte auch manchen Zwist undmanche kritische Diskussion mitunserer Kirche gehabt. Trotz-den kam mir nie der Gedanke,mich von dieser Kirche zu tren-

Wenn man ein bißchen Kir-chengeschichte studiert hat,kennt man eben 'das Resultatde? Donatistenstreites, daß dieKraft des Sakraments nicht vonder Hand des Priesters abhängt.Ich vergesse auch nicht den Tagdes Jahres 1937, als vor der Türunseres Hauses ein Wagen mitlaufendem Motor stand, und inder Wohnung oben bedrängten

Freunde meinen Vater, mit ih-nen zu fahren, um gemeinsamdie Erklärung des Austritts ausder Kirche abzugeben. In die-sem Augenblick wäre ein sol-cher Schritt für einen Beamtennur vorteilhaft gewesen. DieAblehnung dagegen bedeuteteschon einen Nachteil. Die Wei-gerung meines Vasters und dielebendige Erinnerung an dieseStunden sind für mich bis heutebedeutsam.

Es ist wohl auch so, daß es fürden Christenmenschen in sei-nem Glauben nicht genügenkann, allein und für sich ver-meintliche oder wirkliche Wahr-heiten zu erkennen. So sehr esfür den Lutheraner ein unver-äußerliches Recht ist, dies alleinim Umgang mit der uns gegebe-nen Offenbarung tun zu dürfen;verwirklichen kann er seine Er-kenntnis nur in der Gemein-schaft des Glaubens, selbstwenn es ihm die nur zu mensch-liche Vereinigung, die man Kir-che nennt, manchmal schwer zumachen scheint. Es geht jaschließlich um Dinge, um deret-willen man es sich gegenseitigauch mal schwer machen darf.Falsch wäre es zu behaupten,daß meine Meinung in diesenFragen von vornherein klar ge-wesen wäre; sie hat sich schritt-weise und unter Schwierigkeitenentwickelt. Der Lohn der Müheist viel innere Freiheit und damitdie Möglichkeit des Handelns.Es ist eine starke Geborgenheit,die Hölderlin in der Zeit desZerfalls seiner Persönlichkeitdoch noch einmal in großartigerWeise formulieren konnte:

„Die Linien des Lebenssind verschiedenwie Berge sind undferner Länder Grenzen.Was wir hier sind,kann dort ein Gottergänzenzu Hamonien und ewi-gem Frieden."

Inzwischen gilt es, dankbar daszu tun, wozu uns Kräfte gegebensind.

,^ls ich Oswald von Nell-Breuningkennenlernte, war ich bereits sozialpo-litisch engagiert. Mein Interesse fürdie Sozialpolitik haben seine Ordens-brüder auf meinem Gymnasium wÄy»Blasien geweckt, und dann die Beg9Jnung mit seinem Werk, und natürlichauch mit dem seiner Kollegen, GustavGundlach und Hermann-Josef Wall-raff. Aber als ich ihn damals zumersten Mal persönlich erlebte, habeichverstanden, wieso er auch Menschenfür die katholische Soziallehre ge-winnt, die von ganz anderen, fastentgegengesetzten Voraussetzungenherkommen. Von seiner Persönlich-keit, seinem Auftreten, seinem Wesengeht ein verhaltenes Charisma aus,das sich auf seine Lehre überträgt.Man spürt sofort, daß hier, wie er esselbst formuliert hat, ein „Diener derKirche die Botschaft Jesu hineinträgtin die Welt und versucht, aus ihr fürGerechtigkeit und Freiheit die Folge-rungen zu ziehen, die heute gebotensind". Ist dies nicht auch eine treffendeBegründung für das Engagement eineschristlich-demokratischen Sozialpoli-tikers? ...

Förderersozialen Friedens

... Zur sozialpolitischen Gemeinde"von Nell-Breuning zählen Angehörigegegensätzlicher Lager: Gewerkschaf-ter wie Unternehmer. Der Grund da-für ist: er kennt und versteht die Stand-punkte der einen wie der anderenSeite, und ist daher für beide glaub-würdig. Glaubwürdig ist eben darumaber auch sein unbeugsamer Kampfgegen die Verabsolutierung einesStandpunktes. Die Naturrechtslehre,daß der Mensch beides ist, sowohlEinzelwesen als auch Sozialwesen,übersetzt er aus der Theorie in leben-dige, verpflichtende Praxis. Er ist au-ßerstande, dem einen auf Kosten desanderen Recht zu geben. Aus ruhigerGewißheit widersteht er der im Indivi-dualismus wie im Kollektivismuswirksamen Versuchung zur Vereinsei-tigung des Menschenbildes. Dieses Be-harren auf dem ungeteilten, <M)|i;christlichen Menschenbild hat cK*Versöhnungswerk der SozialenMarktwirtschaft möglich gemacht....

Zu seiner sozialpolitischen Ge-meinde" gehören auch die Unionspar-teien, also müssen auch sie sich mitseinem Maß messen lassen, und er hatuns wissen lassen, was das bedeutet.Es bedeutet die Selbstverpflichtung zueiner Politik aus christlicher Verant-wortung. Politik aus christlicher Ver-antwortung im weltlichen Staat heißt:die naturrechtlichen Postulate von So-lidarität und Subsidiarität politischaufzunehmen und aus ihnen Grundre-geln des tatsächlichen Zusammenle-bens der Menschen zu formen. SozialeGerechtigkeit zu fördern, zu mit-menschlicher Solidarität beizutragenund aktive Subsidiarität durchzuset-zen — das sind die Prüfsteine für das„C" im Namen der CDU. ..."

Zum 99. Geburtstag des katholischen Sf^zialwissenschaftlers Oswald von Nell-BLj)ning am 8. März 1989 schrieb der General-sekretär der CDU, Dr. Heiner Geißler, fürdas Buch „Unbeugsam für den Menschen"einen Beitrag unter der Oberschrift „För-derer sozialen Friedens", den wir hier in .Auszügen veröffentlichen.

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Nr. 3/1989 Bericht aus den Akademien Seite 11

Ortsbestimmungen. Anmerkungen zurGeschichte Evangelischer Akademiearbeit

Fritz Erich Anhelm

Am 11. Januar 1989 starb, 82 Jahre alt, D. Dr. Eberhard Müller inHeidelberg. Die Lebensleistung dieses Mannes zu würdigen, führtin fast alle Bereiche des gesellschaftlichen Dienstes der evange-lischen Kirche, die nach dem 2. Weltkrieg entstanden. Wo immer ersich engagierte, formten sich Institutionen, die Kirche und Welt imDialog aufeinander zu beziehen versuchten. Sein stärkstes Engage-ment galt den Evangelischen Akademien. Er war einer ihrerbedeutendsten Gründungsväter und langjähriger Vorsitzender desLeiterkreises, des Zusammenschlusses der 14 Evangelischen Akade-mien. Fünfundzwanzig Jahre ihrer vierzigjährigen Geschichte hat eraktiv mitgeformt. Darüber hinaus trug er zur Gründung zahlreicherähnlicher Einrichtungen in der weltweiten Ökumene bei. DerRespekt vor dieser Leistung soll Anlaß sein, die Geschichte Evange-lischer Akademien reflektierend zu bedenken.

ten Laien-setzte sein berufliches.usgangssituation Wissen und Ansehen für den

Dienst der Kirche in der Welt-ein. Aus diesem Selbstverständ-nis sind im Deutschland derNachkriegszeit bedeutende Bei-träge sowohl zur Neugestaltungder Sozialverhältnisse und poli-tischen Institutionen als auchzur Beteiligung der Volkskirchean der öffentlichen Diskussion

usc

vAu

Ober die Anfänge der Aka-diemiearbeit gibt es eine Füllevon Literatur, die sich auf kon-zeptionelle Überlegungen underste praktische Schritte be-zieht. Der Zusammenbruch desNationalsozialismus verlangtegeradezu nach der Herausbil-dung von Institutionen, die inder Lage waren, tragfähige Inte-grationsmuster für die Nach-kriegsgesellschaft zu erarbeitenund zu erproben. Darin lag auchdie Chance der Idee, Menschenan einem „Dritten Ort" ohneden Entscheidungszwang destäglichen Geschäftes zu Gesprä-chen und konfrontierendemDenken - wie Müller schrieb -

;ammenzuführen. Daß diesespräche „im Lichte des Evan-

geliums" stehen sollten - so diePräambel der Satzung des 1947gegründeten Leiterkreises -, er-gab sich dabei nicht nur aus derpersönlichen Orientierung ihrerInitiatoren, sondern auch ausder wiedererwachten Erwar-tungshaltung an die Kirchen,mit ihrer Autorität zur Reorga-nisation und Legitimation derneuen Institutionen in Gesell-schaft und Staat beizutragen.

Auch kirchlicherseits war dasKlima günstig. Nach der Stutt-garter Schulderklärung kehrtendie deutschen Kirchen in dieökumenische Gemeinschaft zu-rück und nahmen die ökumeni-sche Diskussion wieder auf.Diese konzentrierte sich, ange-stoßen von der Gründung des

[oimenischen Rates der Kir-en, vor allem auf den Entwurf

einer Laienbewegung, die Kir-che und Welt, Glaube und Berufmiteinander verbinden wollte.Der Prototyp des hier gemein-

hervorgegangen.

Daß sich die EvangelischenAkademien im Vergleich zuähnlichen Einrichtungen in deneuropäischen Nachbarländernin spezifischer Weise entwickel-ten, erklärt sich jedoch vor allemaus der „moralischen Katastro-phe des Dritten Reiches" (Aka-demiedenkschrift der EKD1963). Nirgendwo sonst war dasBedürfnis nach neuen morali-

• sehen Instanzen und die Bereit-schaft, sich auf sie einzulassen,so groß. Dies zeigt sich auch ander Bedeutung, die der Kirchen-tag - ebenfalls ein Kind dieserKonstellation — alsbald gewann.

Ein weiteres Spezifikum inder ökumenischen Landschaftwar - und ist es bis heute -, daßsich die Akademien von Anfangan als Einrichtungen der Kircheempfanden, selbst da, wo siesich als eingetragene Vereinekonstituierten. EvangelischeAkademien sind in der Form, inder sie sich entwickelten, nurauf dem Hintergrund der Volks-kirche zu verstehen. Dennoch-lag ihr Ort immer zwischen Insti-tutionen und Bewegung. Undihre konzeptionelle Spannungergibt sich daraus, Forum undFaktor zugleich zu sein.

Wo sich diese Spannung auf-löst, verlieren sie ihre Anzie-hungskraft. Denn wer nur dieTische und Stühle bereitstellt,

in der zu verhandelnden Sacheaber für unzuständig erklärt,kann kaum damit rechnen, jeneVerbindlichkeit auszustrahlen,die zu produktiver Auseinan-dersetzung einlädt.

In den späten vierziger, undden fünfziger Jahren bestimm-ten im wesentlichen drei Felderdiese Auseinandersetzung: DieHerausbildung eines demokrati-schen Bewußtseins, die sich miteinem starken antikommunisti-schen und antitotalitären Impe-tus verband; die Reorganisationder gesellschaftlichen und politi-schen Institutionen, insbeson-dere die Neuordnung des Ver-hältnisses von Kapital und Ar-beit und die jeweilige internatio-nale Integration der beidendeutschen Staaten einschließlichihrer militärpolitischen und-strategischen Konsequenzen.Tagungen und Initiativen, dievon den Akademien ausgingen,setzen hier deutliche Schwer-punkte, und zwar durchaus inunterschiedlicher und keines-wegs einheitlicher Parteinahme.Hinzu kam in ausgepräter Weiseder jüdisch-christliche Dialog.

Auf der Suche nach demProprium

Evangelische Akademienblieben auf dem Felde, das siemit ihren gesellschaftsbezoge-nen Tagungen bestellten, jedochnicht lange allein. Sie erhieltennicht nur katholische, sondernauch säkulare Partner und Kon-kurrenten wie etwa Parteienstif-tungen und viele andere ähnli-che Einrichtungen. Auch inner-kirchlich institutionalisiertensich - oft aus den Akademienhervorgegangen^ unabhängige -übergemeindliche Dienste mitgesellschaftsbezogenen Aufga-benbereichen. Das Verhältnisvon Kirche und Welt zu bearbei-ten, wurde zunehmend wenigerden Akademien allein überlas-sen, was in einer sich ausdiffe-renzierenden, weiter säkulari-sierenden Gesellschaft und ei-ner darauf reagierenden Volks-kirche ja auch nicht verwunder-lich ist. Was an den Evangeli-schen Akademien geschah, er-schien nun gar nicht mehr soSingular und eindeutig abgrenz-bar.

Besonders der Ausbau derErwachsenenbildung nach derProklamation der Bildungskata-strophe in den sechziger Jahrenzog die Akademien in seinenSog und zwang dazu, den Ortihrer Arbeit neu zu klären. VonBedeutungsverlust war dieRede, und in seinem Aufsatz„Evangelische Akademien - ihrSelbstverständis und ihr Ver-hältnis zur Erwachsenenbil-dung" schrieb der damalige Vor-sitzende des Leiterkreises, HansGernot Jung, 1972 den markan-ten Satz: „Wer über das Pro-prium der Akademie jetzt im-mer noch keine Auskunft gebenmöchte, wird das nach Lage derDinge bald überhaupt nichtmehr zu tun brauchen".

„Und jedes Bruchstück Ver-ständigung gleicht einer Zelleim nationalen Geweb, die im-mer den Bauplan des Ganzenenthält." .

Botho Strauß

Bei der Bestimmung dieses„neuen' Propriums" bezog sichJung auf Heinz Eduard Tödt,

• der 1971 in einem Vortrag zum25jährigen Bestehen von Ar-noldshain die wichtigste Auf-gabe der Akademien in der„wissenschaftlichen Durchdrin-gung anstehender Konflikte"sah und forderte, diese Aufgabedurch die Zusammenführungder zersplitterten Spezialwissen-schaften zu zielorientierten Ge-sprächen anzugehen. Eineganze Reihe von Auswirkungendieses Ansatzes finden sich inder Akademiearbeit bis heute,wie z. B. die Einrichtung vonStudienkreisen, die interdiszi-plinäre Zusammensetzung derStudienleitungen und die Kon-sultationen des Leiterkreises zu

' Schwerpunktthemen.

Dieses Konzept hatte nichtnur eine stärkere Professionali-sierung der Akademiearbeit und-wo von der Größe der Einrich-tung her möglich - thematischeSpezialisierung zur Folge. Es re-flektierte auch den zunehmen-den Einfluß, den Wissenschaftim gesellschaftlichen Leben fürpolitische Entscheidungen ge-wann.

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Seite 12 Bericht aus den Akademien Nr. 3/1989

Zugleich aber nahm die Aka-demiearbeit in den siebzigerJahren viele methodische Ele-mente außerschulischer Jugend-und Erwachsenenbildung auf..Zwar gab es neben den OffenenTagungen schon immer einestarke Zielgruppenorientie-rung. Sie war in den ersten Jah-ren aber - dem erwähnten Lai-enverständnis entsprechend - andie Profession gebunden. DieserAnsatz erweiterte sich nun umdie Einbeziehung sogenanntergesellschaftlicher Randgruppenund der „Bildungsfernen".

Der Themenwechsel, der sichgegenüber den ersten zwanzigJahren vollzog, hat gerade die-ser zweiten Phase der Akade-miearbeit manchmal den Vor-wurf politischer Einseitigkeiteingetragen. Die Aufnahme vonAnfragen an die ersten Jahreder Republik aus der Studenten-bewegung, die Diskussion umdie Ostdenkschrift derEKD undspäter die Entspannungspolitik,das Engagement für das Anti-rassismusprogramm des Öku-menischen Rates und den Son-derfonds, der in Arnoldshainseine Konturen erhielt, die Bil-dungspolitik selbst mit ihrer Ge-samtschul- und Curriculumdis-kussion, und nicht zuletzt diebeginnende Auseinanderset-zung um die Kernenergie fandenihren Niederschlag auch in derAkademiearbeit.

Es ging nun nicht mehr um Wie-deraufbau und Reorganisation,sondern um die kritische Wer-tung des inzwischen Erreichten.Und dies wurde zu einemGrundmuster der gesellschaftli-chen Diskussion, dem sich dieAkademien nicht entziehenkonnten und wollten. Denn dieaufgeworfenen Fragen warennicht beliebig und spiegeltennicht nur reale Probleme wider,sondern standen auch im Zen-trum der generellen politischenund kirchlichen Auseinander-setzung. Auf deren kontinuierli-che Reflexion, theologischeDeutung, ethische Durchdrin-gung und Abwägung ihrer prak-tischen Folgen ist Akademiear-beit jedoch angewiesen, wennsie ihre Aufgabe erfüllen will.

Von der Kritik zum Diskurs

Neue Bewegungen bildetensich heraus und wurden zu Trä-gern alternativer Politikvorstel-lungen. Die gesellschaftlicheDiskussion polarisierte sich ent-

lang den aktuellen politischenEntscheidungsvorgängen be-sonders in den Bereichen Frie-den, Ökologie und Risikotech-nologien, innere Sicherheit undneue Informationssysteme,wirtschaftlicher Strukturwandelund Arbeitslosigkeit undschließlich auch an der Schul-denkrise der 2.11). Welt. Beson-ders die Fragen der Kernenergieund der Stationierung von Mit-telstreckenraketen in Europawurden zu Kristallisationspunk-ten des Protestes, der die bisherbewährten gesellschaftlichen In-tegrationsmuster mindestenspartiell in Frage stellte.

Problemlösungesangebotewiesen in ihren Wertbezügenund praktischen folgen zuneh-mend Unvereinbarkeiten auf.Und der politische Kompromißgeriet in Spannung zu der Be-drängnis, die von der Wucht derProbleme, den deutlicher wer-denden Gefährdungen und derBetroffenheit der Sensibilisier-ten ausging.

Vor diesem Hintergrund ver-suchten die Akademien nun, ei-nen offenen Diskurs zwischenalternativen Vorstellungen undvorherrschenden Denk- undHandlungsmustern zu stimulie-ren. Dabei geht es um das Ar-rangieren von Lernsituationen,in denen unterschiedliche, pola-risierte und unvereinbare Posi-tionen gesprächsfähig werdenund bleiben und ein Prozeßmöglich wird, der auf Verständi-gung in der Sache tendiert. Esist der Versuch, polarisierte Po-sitionen an einen zerstörungs-und gewaltfreien Konfliktaus-trag anzunähern. Dieses Kon-zept steht so für die Einübung ineine demokratisch-politische

Protestantische Denkwerkstatt mit Tradition unter weißblauem Himmel:Evangelische Akademie Tutzing

Kultur, die sich an der Entwick-lung politikfähriger und proble-madäquater Läsungsstrategienbewährt.

Da kamen Militärs, wie Ver-treter von Friedensinitiativen,Politiker und Friedensforscher,Befürworter alternativer Sicher-heitskonzepte und Rüstungs-kontrollexpertern zu einer Ta-gung zum Thema „No first use"zusammen. Oder Staats- undRechtsanwälte, Richter und Po-lizisten, Hausbesetzer und Poli-tiker redeten über Rechtsfrie-den versus sozialer Frieden undzum Eigentumsverständnis amBeispiel von Hausbesetzungen.Die Verschuldungskrise wirdzum Gegenstand der Diskussionvon Bankenvertretern, Ent-wicklungsexperten, Aktions-gruppen und Wirtschaftswissen-schaftlern. In Wackersdorf tref-fen sich Wissenschaftler, Vertre-ter von Parteien, Kernenergie-gegner und Verantwortliche inEnergieunternehmen.

Eine gesellschaftliche Situa-tion, in der sich Polarisierungund das Bedürfnis nach ethi-scher Orientierung zugleich arti-

kulieren, braucht Möglichkeitenzu kommunikativer Konfronta-tion.

Der Ort Evangelischerdemien ist heute deshalb da, wodiese Übergänge bewußt vollzo-gen werden müssen. Dabei sindsie auf die Senibilität all dererangewiesen, die die Notwendig-keit solcher Übergänge wahr-nehmen und sie zu gestalten ver-suchen. Dieses Angebot reichtnatürlich nur soweit, wie dieBeteiligten zu gehen bereit sind.Viele, die sich darauf einlassen,haben dabei erfahren, daß sichwohlfeile Feindbilder durchausrealisieren können. Sicher, aucham „Dritten Ort" werden Inter-essen vertreten, Loyalitäten ge-wahrt, Privilegien verteidigt.Aber die Möglichkeit zur Rol-lendistanz ist mindestens struk-turell nicht verbaut.

Akademie Mülheim

Sie ist Voraussetzung dafündaß sich Orientierungsmus))^)und Integrationsmodelle em>wickeln können, die in der Lagesind, sowohl den sachlichenHerausforderungen gerecht zuwerden als auch die divergieren-den gesellschaftlichen und poli-tischen Kräfte im Sinne akzep-tanzfähiger Problemlösungen zuverbinden.

Der Versuch, an solchen Dirs-kursen mitzuwirken, hat denAkademien gerade in den letz-ten Jahren verstärkte Aufmerk-samkeit eingetragen. Er reflek-tiert das ursprüngliche Selbst-verständnis im Kontext gesell-schaftlichen Wandels. SeineOrientierung gewinnt er aus derVerpflichtung auf den theolo-gisch-ethischen Werthorizontdes Evangeliums.

Q>Anmerkung: Dr. Fritz Erich An-helm ist der Generalsekretär desLeiterkreisesder EvangelischenAkademien in Deutschland.

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Nr. 3/1989 EAK-Berichte Seite 13

Aus unserer Arbeit

Die Macht der Medien

Bonn. Die „Macht der Medien"war das Thema der ersten gro-ßen Veranstaltung des EAK-Bezirksverbandes Mittelrhein,zu dem die Vorsitzende, BirgitHeide, in die Karl-Arnold-Bil-dungsstätte nach Bonn-Bad Go-desberg eingeladen hatte; Ober150 Teilnehmer diskutierten mitdem medienpolitischen Spre-cher der CDU/CSU-Bundes-tagsfraktion, Dieter Weirich,und Herbert Gornik vomDeutschlandfunk über Aufga-

Journalismus und dieeiner ethischen Grenzzie-

hung. „Scheckbuchjournalis-mus" und „Dementikultur" wa-ren Stichworte, die zu wechsel-seitigen Nachfragen in der vomstellvertretenden CDU-Landes-vorsitzenden, Peter Hintze, ge-leiteten Diskussion anregten.

Der Vorsitzende des Bezirks-verbandes der CDU-Mittel-rhein, Karl Lamers, MdB, erin-nerte zu Beginn der Veranstal-tung an die Aufgabe des EAK,den Dialog in den Bereichen zuführen, wo in besonderer Weisenach den ethischen Grundlagendes Handelns zu fragen ist.

Das hohe Maß an persönlicherBetroffenheit auf Seiten derTeilnehmer unterstrich die Not-

wendigkeit der Diskussion.Leidvolle Erfahrungen ließenimmer wieder nach konkretenKriterien journalistischer Ver-antwortung fragen, denen derpublizistische Erfolg offenbarübergeordnet wird. Allerdingsgilt auch hier das Prinzip vonAngebot und Nachfrage, so daßdie Kritik an der Arbeit derJournalisten auch die Rückfragean den Konsumenten verlangt:Bewußtseinsbildung muß aufbeiden Seiten einsetzen.

Dieter Weirich, Vorsitzender desBundesfachausschusses Medienpo-litik

von links nach rechts:Birgit Heide, Dieter Weirich, MdB,Peter Hintze, Herbert A. Gornik

Alle Mitarbeiter derEvangelischen Verantwortung

wünschen ihren Lesernein frohes und gesegnetes Osterfest

Die rheinische Landeskircheim Spiegel der Zeit

Bonn. Zu einem Gesprächs-abend über das Thema'„Unsererheinische Kirche nach der letz-ten Wahlsynode" hatte derEvangelische Arbeitskreis derCDU-Kreisverbände Rhein-Sieg und Bonn den Superinten-denten des KirchenkreisesBonn, Pfarrer Rolf Schieß-mann, und das Mitglied der rhei-nischen Landessynode, ErnstNeukamp eingeladen.

Der Superintendent stellteden über 60 Teilnehmern an-schaulich die Entwicklung unddie presbyteriale Gemeinde-struktur der rheinischen Lan-dessynode vor. Abschließendappellierte er daran, Kontakteinnerhalb der Gemeinden zupflegen und zu intensivieren.Die folgende lebhafte Ausspra-che trug dazu bei, Entscheidun-gen innerhalb der rheinischenLandeskirche besser zu verste-hen.

Das Erscheinungsbild der CDU

Pinneberg. Zum „politischenAbendgespräch" des EAK imKreis Pinneberg begrüßte derEAK-Kreisvorsitzende HansBleckmann die Bundestagsab-geordnete Ingrid Roitzsch.

Eine Vielzahl von Fragenwurden an Frau Roitzsch ge-stellt. Warum kommt die CDUin der Öffentlichkeit so schlechtan? Lassen sich die ärgerlichenStreitereien nicht vermeiden?Stimmt es zwischen der Basisund „denen da oben" nicht undschließlich ging es um dieGrundsatzfrage, was an der Po-litik der CDU denn noch „christ-lich" sei?

Einen breiten Raum nahm dieHaltung zum § 218 ein. Hiermußte sich Frau Roitzsch boh-renden Fragen stellen, die sieüberzeugend beantwortete. Sostellte sie klar, daß sie nicht denSchwangerschaftsabbruch be-jahe. Vielmehr trete sie dafürein, daß die materiellen Bedin-gungen für schwangere Frauenverbessert werden müßten. Un-mißverständlich vertrat FrauRoitzsch die Auffassung, daßmit Gesetzesverschärfungen dieProbleme nicht gemeistert wer-den könnten. Wichtiger sei, daßeine Bewußtseinsänderung inder Bevölkerung und somit eineandere, positive Einstellung

zum Kind und zur Familie er-reicht werde. In diesem Zusam-menhang vermißt Frau RoitzschZeichen der evangelischen Kir-che, insbesondere der Kirchen-leitung der ev.-lutherischen Kir-che Nordelbiens.

Vorbildliche Altenpflege

Hanau. Die sich immer nochverändernde demographischeEntwicklung der Bevölkerungim Bundesgebiet mit einemständig steigenden Anteil alterMenschen wanfür den Evangeli-schen Arbeitskreis der CDUMain-Kinzig Anlaß, in einermustergültig geführten Einrich-tung - der Martin-Luther-Stif-tung in Hanau - einen Einblickin praktische Altenpflege zu er-halten.

Heimleiter Thase führte zuBeginn in diese Problematik einund wies darauf hin, daß 90%der alten, pflegebedürftigenMenschen durch Familienange-hörige betreut würden, dabeiwird für diese seit Beginn 1989eine Entlastung im neuen Ge-sundheitsreformgesetz vorgese-hen durch die Vermittlung einerKurzzeitpflege.

Er wies vor allem auf denModellcharakter - Soviel Selb-ständigkeit wie möglich - sovielHilfe wie nötig - des vor einigenJahren fertiggestellten Ernst-Sopp-Hauses hin.

In der Diskussion wurde deut-lich, daß angesichts der zuneh-menden Lebenserwartung dieBetreuung von alten, insbeson-dere von alten, behindertenMenschen eine der Hauptaufga-ben künftiger Sozialpolitik sei.

BuchbesprechungHerbert Koch: Woche ohneSonntag? 74 Seiten. Lutheri-sches Verlagshaus. Hannover1989.

Immer mehr Betriebe forderndie Einschränkung der Sonn-tagsruhe aus ökonomischenGründen. Das gibt Anlaß zufragen, warum bisher der Sonn-tag arbeitsfrei gehalten wurde.Manche kirchliche Stellungnah-men leiten die Pflicht zur Heili-gung des Sonntags ab von derPflicht zum Gottesdienst. DerAutor legt dar, daß dies wederbiblische noch reformatorischeArgumentation war. Die ge-meinsame Arbeitsruhe, das Fei-ern im Sinne von Nichtarbeiten,ist nicht nur die Voraussetzungfür den Gottesdienst und dieHeiligung, sondern ist selbst.schon die Feiertagsheiligung.

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Nr. 3/1989 EAK-Berichte Seite 15

\, -eistungsgesellschaftund Dritte Welt"

Nagold. Zum Vortragsabenddes Evangelischen Arbeitskrei-ses der CDU kamen so vieleZuhörer, daß das Nebenzimmerder Nagolder „Köhlerei" bei-nahe aus den Nähten platzte.Diplom-Kaufmann ProfessorReiner Niethammer aus Mötzin-gen war als Referent zumThema „Leistungsgesellschaftund Dritte Welt" eingeladenworden.

Niethammer hatte nahezuneun Monate lang die Projekt-leitung einer deutschen Firma,die in Indien Lernsysteme, vomLehrbuch bis zur Laboreinrich-tung, anbietet.

!ir stellte die provokatorischeFrage: „Warum hochmoderneTechnologie, die sogenannteHighTech, nach Indien?" High-Tech in ein Land, in dem ganzdeutlich der Produktionsfaktor„Arbeit" dominierend sei? Ge-rade auch dorthin, so ProfessorNiethammer, müsse solcheTechnologie exportiert werden,weil die Bevölkerungsexplosion(man rechnet im Jahre 2000 mitetwa l ,2 Milliarden Einwohnernauf diesem Subkontinent) auchmit drastischen staatlichen Maß-nahmen nicht in Griff zu bekom-men sei. Der Einsatz neuesterTechnologie biete die Chance,daß auch Entwicklungsländer zuWeltmarktpreisen exportierenkönnten. „Nur wenn das Pro-duktionswachstum mit dem Be-

Schrittdie dortige

schwierige Situation nicht ver-schlechtern", meinte der Refe-rent.

yVkerungswachstum\,..e, wird sich die

Ulrich Eißler bedankte sichbeim Referenten und allen Be-suchern. Der Evangelische Ar-beitskreis wird sich auch künftigmit diesem brennenden Themabeschäftigen.

Was hält die Weltim Innersten zusammen?

Friedrichshafen. Der Evangeli-sche Arbeitskreis der CDU be-schäftigte sich jüngst in Fried-richshafen mit der uralten undimmer neuen Frage nach dem,„was die Welt im Innersten zu-sammenhält".

v!?ihuldekan Zückler stellteanschaulich dar, daß Denkge-wohnheiten in Kausalzusam-menhängen begründet liegen,wie sie seit dem 15.716 Jh. in

verschiedenen Wissensgebietenentdeckt worden waren. DieseEntwicklung mündete in dieEmanzipation der Naturwissen-schaften von der Religion bishin zum sogenannten wissen-schaftlichen Atheismus materia-listischer Prägung. Spätestensmit der Entdeckung des kausalnicht mehr erklärbaren Atom-zerfalls wurde' dieses Weltbildüberholt. Damit ergaben sichneue Gesprächsmöglichkeitenzwischen Naturwissenschaft undReligion.

Am Beispiel der Erklärungdes Lichtes als Wellenbewegungoder Teilchenstrahl stellte Zück-ler dar, wie im Raum der Quan-tentheorie zwei sich widerspre-chende Tatsachen komplemen-tär zu einem Ganzen gehören.

Nun aber ist Christus von denToten auferstanden als Erst-ling derer, die entschlafensind. Denn da durch einenMenschen der Tod gekom-men ist, so kommtauch durcheinen Menschen die Auferste-hung der Toten.

(L Kor. 15, 20-21)

Die sich daraus ergebende kom-plementäre Denkweise läßtauch manche widersprüchlicheAussagen im Bereich des Glau-bens verstehbar werden, wiebeispielsweise die Rede vom ei-nerseits gerechten und anderer-seits barmherzigen Gott.

Eine lebhafte Diskussion ent-wickelte sich dann im Zusam-menhang mit der Frage „was dieWelt im Innersten zusammen-hält". Dieser Frage, die von al-ters her zum Wesen des Men-schen gehörte und vorrangigauch die Theologie bewegt, gehtin der Neuzeit in geradezu aufre-gender Weise die Hochenergieund Mikrophysik nach.

Aktionen gegen Arbeits-losigkeit gefordert

Enkenbach-Alsenborn. Diepolitischen Prioritäten solltenstärker zugunsten eines Abbausder Arbeitslosigkeit verschobenwerden. Das forderte der Präsi-dent des, LandesarbeitsamtesRheinland-Pfalz/Saarland, FritzLinneweber, in der Evangeli-schen Akademie der pfälzischenLandeskirche in Enkenbach-Al-senborn.

Linneweber kritisierte, daßdie Förderung von Arbeitsbe-schaffungsmaßnahmen beschnit-ten wurde. Um die Arbeitslosig-keit wirksam zu bekämpfen, seieine gesamtgesellschaftliche So-lidarität gegenüber Arbeitslosennötig, meinte der Präsident.

Bei der Akademieveranstal-tung unter der Frage „Was heißtsozial?" setzte sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Heri-bert Scharrenbroich für eine Er-höhung des Erziehungsgeldesund eine Ausweitung des Erzie-hungsurlaubs mit Beschäfti-gungsgarantie ein..

Nach der Meinung des Bun-desgeschäftsführers des Wirt-schaftsrates der CDU, Rüdigervon Voss, „frißt diese Genera-tion die Zukunft auf", da sie dernächsten Generation eine zugroße Schuldenlast hinterlasse.Es sei zwar kein Abbau desSozialstaates angestrebt, so derBundesgeschäftsführer, aber einUmbau und Korrekturen.

Der pfälzische Landesdiako-niepfarrer Eberhard Cherdronwarnte vor „Entsolidarisie-rungsrufen" und hob die Bedeu-tung hervor, die der Solidarge-meinschaft zur Absicherung derLebensrisiken zukomme.

dor Strohm und Felix von Cubeaus Heidelberg bei. Dabei hobCorff die Personalität des Men-schen und die weltweite Bedeu-tung der Menschenrechte her-vor. Die Evangelische Akade-mie der Pfalz hat die Veranstal-tung in Zusammenarbeit mitdem Evangelischen Arbeitskreisder CDU/CSU durchgeführt.

Pazifismus nicht geeignetzur Friedenssicherung

Mülheim/Ruhr. Gegen dieAusgrenzung von Christdemo-kraten aus der evangelischenKirche hat sich Kanzleramts-minister Wolfgang Schäuble ge-wandt. Wer aus der Friedens-und ' Abrüstungsproblematikeine religiöse Bekenntnisfragemache, neige in der geistigenKonsequenz zu einer antidemo-kratischen und totalitären Hal-tung, sagte der Unionspolitikerbei einer Veranstaltung desEvangelischen Arbeitskreisesder CDU/CSU in und mit derEvangelischen Akademie Mül-heim/Ruhr

Der-Minister sprach sich zumThema „Wieviel Ordnungbraucht der Mensch?" für Wirt-schaftswachstum, gegen denRaubbau der Natur und für

Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble und Albrecht Martin

Nach Auffassung des Vorsit-zenden des Deutschen Vereinsfür öffentliche und private Für-sorge, Otto Fichtner, muß inBereichen wie der Gesundheits-oder Altersvorsorge neu ausba-lanciert werden, „was der Ein-zelne und was die Gemeinschafttragen soll"-, " -^

Grundsätzliche Überlegun-gen zum Tagungsthema trugendie Professoren Bernd Guggen-berger aus Berlin, WilhelmKorff aus München sowie Theo-

schärfere Kontrollen beim Ex-port von hochsensiblen Produk-ten aus der Bundesrepublik aus.Demokratische Politik habe im-mer die Balance zwischen Frei-heit und Ordnung einzuhalten,sie müsse sich von rationalerVernunft und nicht vom Werte-relevantismus und von Emotio-nalität leiten lassen. Zuviel Ord-nung im wirtschaftlichen und so-zialen Bereich hält Schäuble fürschädlich, weil sie zur Erstar-rung und zur Schwächung derEigenverantwortung führenkönnen.

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EvangelischeVerantwortung

Meinungen und Informationen aus dem Evangelischen Arbeitskreis derCDU/CSU • Herausgeber: Minister für BundesangelegenheitenAlbrecht Martin, MdL; Bundesminister a. D. Dr, Werner Dollinger, MdB;Staatsminister a.D. Friedrich Vogel, MdB; Dr. Sieghard-GarstenKampf, MdHB; Arnulf Borsche • Redaktion: Birgit Heide, Friedrich-Ebert-Allee 73-75, 5300 Bonn, Telefon (0228) 544305/6 • Verlag:Vereinigte Verlagsanstalten GmbH, Höherweg 278,4000 Düsseldorf 1• Abonnementspreis jährlich 16,- DM • Konto: EAK, PostgiroamtKöln 112100-500 oder Sparkasse Bonn 56267 • Druck: UnionBetriebs-GmbH, Friedrich-Ebert-Allee 73-75, 5300 Bonn • Nach-druck - auch auszugsweise - nur mit Genehmigung der Redaktionund mit Quellenangabe kostenlos gestattet - Belegexemplar erbeten.Namentlich gekennzeichnete Beiträge stellen die Meinung des Ver-fassers dar, nicht unbedingt die der Redaktion oder Herausgeber.

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Unsere Autoren:

Dr. Gerhard Weiser, MdLMinister für den ländlichenRaum, Ernährung, Landwirt-schaft und ForstenWeinbergstraße 76901 Mauer

Werner SteinjanSchüllerwegIO5300 Bonn 2

Prof. Dr. Christian SalzmannGoerdelerstraße 24500 Osnabrück

Michael Hartmut FranzLuxemburger Str. 124-1365000 Köln 41

Prof. Dr. Rolf KramerBundesratufer 41000 Berlin 21

Gerhard RöddingAm Depenbrockshof 484800 Bielefeld 16

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Dr. Fritz Erich AnhelmLeiterkreis der Evangeli-schen Akademien inDeutschland e.V. •7325 Bad Boll

GEMEINDETAGUNTER DEM WORT

25. Mai 1989: Stuttgart, Neckarstadion

„Aufsehen zu Jesus" ist das Thema desGemeindetages unter dem Wort am 25.Mai 1989 im Stuttgarter Neckarstadion. FürBekanntmachungen und Einlao'ungen fürdiesen vom Ludwig-Hofacker-Kreis e.V. inWürttemberg veranstalteten Gemeindetagist jetzt ein vierseitiger Vorankündigungspro-spekt erschienen, der die Motivation zurEinladung für diesen Tag deutlich macht.

Prospekte erhältlich beim Vorbereitungsbüro,

Stitzenburgstraße 7, 7000 Stuttgart 1

Aus dem Inhalt:

Diakonie heute - christ-liche Verantwortung ingesellschaftlicherVielfalt 1

Wohin mit der Sozial-politik? 2

Verplanter Mensch unddoch frei 4

Die Rentenversicherunghat Zukunft 6

Das Verständnis vonArbeit und Ruhein der Bibel

Lokalfunk in Nord-rhein-Westfalen

Die politische Kraftder Mitte

Protestantische Profile:Dr. Volkmar Köhler 10

Ortsbestimmungen. An-merkungen zur Ge-schichte EvangelischerAkademiearbeit 11

Aus unserer Arbeit