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Wie unsere detaillierte Analyse zeigt, enthält das Freihandelsabkommen (FHA) mit China kei- ne verbindlichen Menschenrechtsbestimmun- gen. Das Wort «Menschenrechte» taucht im über 1000-seitigen Vertragswerk nicht ein ein- ziges Mal auf. Das China-FHA ist aus menschen- rechtlicher Sicht ein klarer Rückschritt gegen- über den in jüngerer Vergangenheit unterzeich- neten Handelsabkommen der Schweiz. TEXT_THOMAS BRAUNSCHWEIG // BILD_HOW HWEE YOUNG/KEYSTONE «Auch wenn der Begriff ‹Menschenrechte› im vor- liegenden Freihandelsabkommen nicht explizit erwähnt wird, verweist die Präambel auf das 2007 zwischen der Schweiz und China abgeschlossene Verständigungsprotokoll zur Förderung des Dia- logs und der Zusammenarbeit, welches unter anderem der (sic!) 1990 aufgenommene bilatera- le Menschenrechtsdialog Schweiz-China bestä- tigt.» Dieser belanglose, umständliche Satz (mit Fallfehler) aus der bundesrätlichen Botschaft an das Parlament zeigt, wie der Bundesrat mit der Menschenrechtsfrage umgeht. Nicht einmal der Menschenrechtsdialog mit China wird im Frei- handelsabkommen (FHA) explizit erwähnt. Und dies nicht etwa, weil renommierte Menschen- FORTSETZUNG>> DAS MAGAZIN DER ERKLÄRUNG VON BERN # 05 NOVEMBER_13 GRUND ZU FEIERN? Die Schweiz und China schaffen es, die Menschen- rechte aus dem Freihandelsabkom- men auszuklam- mern. Die Schweiz kuscht vor China FREIHANDELSABKOMMEN SCHWEIZ-CHINA erklärung!_05_2013

EvB-Magazin "erklärung!" (11/2013)

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Das Mitgliedermagazin der Erklärung von Bern, "erklärung!" (11/2013).

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Wie unsere detaillierte Analyse zeigt, enthält das Freihandelsabkommen (FHA) mit China kei-ne verbindlichen Menschenrechtsbestimmun-gen. Das Wort «Menschenrechte» taucht im über 1000-seitigen Vertragswerk nicht ein ein-ziges Mal auf. Das China-FHA ist aus menschen-rechtlicher Sicht ein klarer Rückschritt gegen-über den in jüngerer Vergangenheit unterzeich-neten Handelsabkommen der Schweiz.

TexT_Thomas Braunschweig // Bild_how hwee Young/KeYsTone

«Auch wenn der Begriff ‹Menschenrechte› im vor-liegenden Freihandelsabkommen nicht explizit

erwähnt wird, verweist die Präambel auf das 2007 zwischen der Schweiz und China abgeschlossene Verständigungsprotokoll zur Förderung des Dia-logs und der Zusammenarbeit, welches unter anderem der (sic!) 1990 aufgenommene bilatera-le Menschenrechtsdialog Schweiz-China bestä-tigt.» Dieser belanglose, umständliche Satz (mit Fallfehler) aus der bundesrätlichen Botschaft an das Parlament zeigt, wie der Bundesrat mit der Menschenrechtsfrage umgeht. Nicht einmal der Menschenrechtsdialog mit China wird im Frei-handelsabkommen (FHA) explizit erwähnt. Und dies nicht etwa, weil renommierte Menschen-

ForTseTzung>>

das Magazin der erklärung von bern

# 05noveMber_13

GRunD zu FeieRn?

Die Schweiz und China schaffen es, die Menschen-rechte aus dem Freihandelsabkom-men auszuklam-mern.

Die Schweiz kuscht vor ChinaFreiHandelsabkoMMen sCHWeiz-CHina

erklärung!_05_2013

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>>ForTseTzung von seiTe 1

rechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch diesen zahnlosen Dia-log mit dem Reich der Mitte als «weitgehend wir-kungslos» bezeichnen, sondern weil der Bundes-rat bei der Menschenrechtsfrage vor China auf ganzer Linie gekuscht hat.

Menschenrechtliches Vakuum Die Erklärung von Bern (EvB) hat zusammen mit ihren Partnerorganisationen der China-Plattform wiederholt griffige und verbindliche Menschen-rechtsbestimmungen für das FHA mit China ge-fordert. Dafür braucht es gemeinsame Zielverein-barungen, effektive Überprüfungsmechanismen sowie Sanktionsmöglichkeiten. Nichts davon ist im China-Abkommen auch nur ansatzweise vorhanden. Selbst in der rechtlich unverbind-lichen Präambel fehlt ein klares Bekenntnis zur Einhaltung der Menschenrechte. Dies ist umso beunruhigender, als in allen Freihandelsabkom-men, die die Schweiz in der jüngeren Vergangen-heit abgeschlossen hat – darunter Abkommen mit Kolumbien, der Ukraine und Hongkong –, das Bekenntnis zu den Menschenrechten bekräf-tigt wird. Dass die Schweiz ausgerechnet bei einem Land, das für notorische und schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist, nicht denselben Massstab ansetzt, ist unver-ständlich und inakzeptabel.

Arbeitsrechtliche unverbindlichkeit Fairer Wettbewerb braucht minimale Regeln. Dazu gehören arbeitsrechtliche Mindeststan-dards. Im internationalen Handel sind dies die acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Ar-beitsorganisation (ILO). Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats hat vom Bundesrat denn auch verlangt, dass ein Nachhaltigkeits-kapitel in die Verhandlungen integriert wird, in dessen Zentrum «die Einhaltung der Kern-arbeitsnormen durch beide Vertragsparteien» steht. Obwohl gleichzeitig zum FHA ein Parallel-

abkommen zur Zusammenarbeit in Arbeits- und Beschäftigungsfragen ausgehandelt wurde, sucht man in beiden Abkommen vergeblich nach einer verbindlichen Regelung zur Einhaltung dieser Normen. Und dies ausgerechnet bei einem Prä-ferenzabkommen mit einem Land, das vier der acht ILO-Kernarbeitsnormen noch nicht ratifi-ziert hat, darunter jene zur Gewerkschaftsfreiheit und zur Abschaffung der Zwangsarbeit. Damit werden auf unserem Markt Schweizer Produkte (und solche anderer Länder, die die arbeitsrecht-lichen Mindeststandards einhalten) diskrimi-niert gegenüber chinesischen Produkten, die un-ter Verletzung dieser Arbeitsnormen hergestellt wurden – und von der Vorzugsbehandlung durch das Freihandelsabkommen profitieren. Fairer Wettbewerb sieht anders aus.

Aussenpolitische VerantwortungslosigkeitDas aussenpolitische Engagement der Schweiz auf dem Gebiet der Menschenrechte konzentriert sich explizit auf die Abschaffung der Todesstrafe und den Schutz besonders verletzlicher Grup-pen, darunter Minderheiten und Menschen-rechtsverteidigerInnen. Gerade in diesen Berei-chen kritisieren Amnesty International und zahlreiche weitere Organisationen die andauern-den und massiven Menschenrechtsverletzungen in China. Es ist deshalb besonders stossend – und aussenpolitisch extrem widersprüchlich – dass die Schweiz gerade China im Rahmen des

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Johann Schneider-Ammann und Yin Weimin beim unter-zeichnen DeS FReiHAnDelSAbkoMMenS in beiJinG.

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Anteil der Gesamtexporte Chinas in die Schweiz: 0,2%(China geht es um Prestige und Präjudiz, nicht um wirtschaft- liche Vorteile).

Die Anzahl zwangsarbeitslager in China wird auf 909 geschätzt. Darin arbeiten 3 bis 5 Mio. zwangsarbeiterinnen, trotz Verbot teilweise auch für den export.

umfang des Vertragswerks:

1152 Seitenerwähnung des Wortes «Menschenrechte»: 0

Wirtschaft: 1

Menschenrechte: 0

erklärung!_05_2013

iMPReSSuM erklärung! 5/2013 AuFlAGe 23 200 Exemplare HeRAuS GebeRin Erklärung von Bern (EvB), Dienerstrasse 12,

Postfach, 8026 Zürich, Telefon 044 277 70 00, Fax 044 277 70 01, [email protected], www.evb.ch Re DAk tion Susanne Rudolf GeStAltunG Clerici Partner Design, Zürich DRuCk ROPRESS Genossenschaft, Zürich; gedruckt mit Bio farben auf Cyclus Print, 100% Altpapier, klimaneutraler Druck

«eRkläRunG!» eRSCHeint 4- biS 5-MAl JäHRliCH. Mit GlieDeR-beitRAG: FR. 60.– PRo kAlenDeRJAHR (inkluSiVe AbonneMent «eRkläRunG!» unD eVb- DokuMentAtion). PoStkonto 80-8885-4

Widerstand gegen«geldsegen»

Christopher eskdale, verantwortlich für die zink-förderung bei GlencoreXstrata, erhält vom Ge-meindepräsidenten seines Wohnortes oberägeri eine Weihnachtskarte mit einem Dankeschön für seine hohen Steuerzahlungen. bei seinem ein-kommen kein Wunder: Allein die Halbjahresdivi-denden, die seine Arbeitgeberin gerne ausschüt-tet, spülen ihm aktuell zwischen 17,2 und 22,5 Mio. Dollar zusätzlich in die kasse. Gleichzeitig bezahlt Glencore Xstrata keine Gewinnsteuern im kanton zug. Der Rohstoffgigant kann 2014 sogar mit ei-ner Steuergutschrift von 163 Millionen starten. Die kunst der buchhaltung und unsere Steuergesetze machen dieses Missverhältnis möglich.

Während sich der Gemeindepräsident von ober-ägeri über die Steuereinnahmen freut, sind bür-gerinnen im zürcher knonaueramt zum Schluss gekommen, dass Steuergeld nicht automatisch Weissgeld ist. Vor allem nicht, wenn es aus den so undurchsichtigen wie unterregulierten Geschäften von GlencoreXstrata stammt. Die 3500-Seelen-Gemeinde Hedingen hat nämlich direktdemokratisch und gegen den Willen des Gemeinderates entschieden, selbst für mehr Ge-rechtigkeit zu sorgen. 110 000 Franken aus dem zusätzlichen Geldsegen, der Hedingen im zuge des kantonalen Finanzausgleichs wegen des bör-sengangs von Glencore 2011 zufloss, werden an Projekte in rohstoffreichen entwicklungsländern gespendet. Wenigstens ein kleiner teil der Roh-stoffprofite soll also dorthin zurückgehen, wo sie eigentlich hinge hören. Was unsere Steuergesetze offensichtlich nicht schaffen, soll nun in weiteren Gemeinden mittels solcher bürgerinneninitiativen vorangetrieben werden.

Dieser unerschrockene einsatz für mehr Gerech-tigkeit macht Mut und spornt auch uns an, mit ih-rer unterstützung für eine Welt zu kämpfen, deren Wohlstand nicht auf kosten der ärmsten geht.

susanne rudolF

Freihandelsabkommens Vorzugsbedingungen ge - währt, ohne die Einhaltung der Menschen- und Arbeitsrechte einzufordern. Der deutliche Rück-schritt, der mit dem China-Abkommen in men-schenrechtlicher Hinsicht gegenüber früheren Handelsabkommen der Schweiz erzielt wurde, unterstreicht diese Widersprüchlichkeit. Die Schweiz muss sich überdies den Vorwurf gefal-len lassen, ein gefährliches Präzedenzabkommen zu schaffen. Denn China wird in Verhandlungen mit anderen Ländern versucht sein, das Fehlen verbindlicher Menschenrechtsbestimmungen im FHA mit der Schweiz als Standard für künftige Freihandelsabkommen zu definieren.

Das Abkommen muss zurück an den bundesratAus all diesen Gründen fordern die EvB und ihre Partnerorganisationen vom Parlament, das Chi-na-Freihandelsabkommen in der vorliegenden Form nicht zu ratifizieren. Das Abkommen muss an den Bundesrat zurückgewiesen werden mit dem Auftrag, in Nachverhandlungen für ein menschenrechtskonformes Abkommen entlang den skizzierten Linien zu sorgen.

Unsere detaillierte menschenrechtliche Ana-lyse des China-Freihandelsabkommens finden Sie unter www.evb.ch.

Das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China wurde nach zweieinhalbjährigen Ver-handlungen am 6. Juli 2013 in beijing unterzeichnet. Die bundesrätliche botschaft zur Genehmigung des Abkommens wurde Anfang September an die Räte überwiesen. Der bevorstehende Ratifizierungs-prozess durch das Parlament ist für die Winter- (nationalrat) und die Frühjahrssession (Ständerat) geplant. Davor werden die jeweiligen Aussen-politischen kommissionen das Geschäft beraten. laut bundesverwaltung soll das Ab kommen Anfang Juli 2014 in kraft treten.

erklärung!_05_2013

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CCC-unterriCHtsMaterial

TexT_chrisTa luginBühl

Das Lehrmittel «Mode – ein globales Geschäft» erklärt anhand der Mode-industrie die komplexen wirtschaft-lichen, politischen und zivilgesell-schaftlichen Zusammenhänge eines globalisierten Konsumgutes. Arbeits- und Menschenrechte, Gewerkschafts-freiheit, Fragen rund um Armut sowie Handlungsoptionen von Konsumie-renden sind dabei zentral. Die Schule kann einen wichtigen Beitrag leisten, um Kinder und junge Erwachsene für die globalen Auswirkungen ihres Verhaltens zu sensibilisieren und sie zu befähigen, verantwortungsbewuss-

Konsumgut Mode: Globale Mechanismen verstehen

baobab books

Ballkünstler aus BrasilienDie Geschichte des neuen bilder-buchs von baobab books spielt in brasilien. Wie viele kinder in den ärmeren Regionen des landes geht bené nicht zur Schule, weil er helfen muss, den lebensunterhalt der Familie zu verdienen.

TexT_lYdia zimmer

Eigentlich heisst er Benedito da Silva, der Junge mit der Nummer 10. Aber alle nennen ihn Bené. Fussball ist für Bené das Grösste. Bälle begleiten ihn überallhin. Doch seine Familie lebt auch von ihnen. In Handarbeit näht sie jeden Tag vier oder fünf Bälle. Auch Bené muss mithelfen. Sein Traum von echten Fussballschuhen und einem Trikot wird sich vielleicht nie erfül-len. Aber er spielt sehr geschickt in seinen Flip-Flops, hat seine Familie, seine Freunde, Freundinnen und im-mer einen guten Ball.

Gerade in den ärmeren Gegenden Brasiliens ist der Ball oft das einzige Spielzeug vieler Kinder. Früher wur-den die Bälle häufig aus alten Strümp-

Bao

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Fussball spielt die Hauptrolle im neuSten bAobAb-

buCH.

fen gemacht, heute sind es meistens Plastikbälle. Für die meisten Kinder ist ein Lederball noch immer etwas ganz Besonderes.

Illustriert wird das Buch von der Brasilianerin Eymard Toledo. Sie situ-iert die Geschichte im Dorf Ubá im Südosten von Brasilien. Dort ist die Il-lustratorin auch aufgewachsen. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Deutsch-land und arbeitet als Grafikerin. Kehrt sie einmal im Jahr nach Brasilien zu-rück, spielen ihre beiden Söhne in Uba mit den Dorfkindern Fussball.

benÉ – SCHnelleR AlS DAS SCHnellSte HuHn

eine Geschichte aus brasilien© 2013 baobab books, basel32 S., gebunden, durchgehend farbig illustriertFormat 30 × 21,5 cmFr. 24.80 iSbn 978-3-905804-51-5Ab 5 Jahren

www.baobabbooks.ch

te Entscheide als Konsumenten und Bürgerinnen zu treffen. Die EvB hat die 2010 erschienenen Module überar-beitet und vier neue Einheiten für die 5. und 6. Klasse geschaffen.

Lehrmittel mit zahlreichen Arbeits blättern, Kurzfilmen und Unterrichts ideen:

Mode – ein globales Geschäft: unterrichtseinheiten für die Volksschule (4 neue und 4 aktualisierte Module) DVD mit 8 Modulen, Fr. 20.–

Mode – ein globales Geschäft: unterrichtseinheiten für Sek. ii (aktualisierte Version 2013)DVD mit 8 Modulen, Fr. 20.–

zu beziehen bei der erklärung von bern, Postfach, 8026 zürich, www.evb.ch, 044 277 70 00, [email protected]

IMPRESSUM

10_2013/FR. 20.–

MODEein globales Geschäft

Unterrichtseinheiten für die Sekundarstufe 2

Herausgeberin Erklärung von Bern (EvB) Autorin Christa Luginbühl Redaktion Anna Haselbach, Susanne Rudolf Gestaltung und Illu strationen www.clerici-partner.ch Oktober 2013

Für die vorliegenden Unterrichtseinheiten wurden einzelne bereits erschienene und öffentlich zugängliche Produkte der folgenden Institutionen/Medien verwendet: Asia-Floor-Wa-ge-Alliance, Clean Clothes Campaign Deutschland, Clean Clothes Campaign Österreich, International Labour Organi-sation (ILO), Trendbüro (Hamburg), Zeitungsartikel von Blick, Neue Luzerner Zeitung, Sonntagszeitung, Südostschweiz, Swissinfo, TextilWirtschaft

Inhalt für Unterrichtszwecke im Klassen-verband frei verfügbar. Bei Abdruck in Medien/Publikationen bitte vorgängige Zustimmung der Herausgeberin einholen.

Erklärung von Bern (EvB), Dienerstrasse 12, Postfach, 8026 Zürich, T 044 277 70 [email protected], www.evb.ch

8 Unterrichtseinheiten für die Sekundarstufe 2 Preis: Fr. 20.–

Impressum

10_2013/Fr. 20.–

Herausgeberin Erklärung von Bern (EvB) Autorinnen Christa Luginbühl (Module A – H), Sinje Homann (Module A – D) Redaktion Anna Haselbach, Susanne Rudolf Gestaltung und Illu strationen www.clerici-partner.ch Oktober 2013

Für die vorliegenden Unterrichtseinheiten wurden einzelne bereits erschienene und öffentlich zugängliche Produ k - te der folgenden Institutionen/Medien verwendet: Clean Clothes Campaign Deutschland, Clean Clothes Campaign Österreich, Zeitungsartikel von Blick, Neue Luzerner Zei-tung, Sonntagszeitung, Südostschweiz, Swissinfo, Textil-Wirtschaft

Inhalt für Unterrichtszwecke im Klassen-verband frei verfügbar. Bei Abdruck in Medien/Publikationen bitte vorgängige Zustimmung der Herausgeberin einholen.

Erklärung von Bern (EvB), Dienerstrasse 12, Postfach, 8026 Zürich, T 044 277 70 [email protected], www.evb.ch

MODEein globales Geschäft

Unterrichtseinheiten für dieVolksschule (5. – 9. Klasse)

4 Unterrichtseinheiten für die 5. und 6. Klasse

4 Unterrichtseinheiten für die 7. bis 9. Klasse Preis: Fr. 20.–

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CCC

Sechs Monate ist es her, seit beim einsturz des Gebäudes Rana Plaza über 1100 textilarbeiterinnen ums leben kamen. Viele der un-ternehmen lassen die Angehörigen und Überlebenden im Stich.

TexT_Julia speTzler

Die Bilanz der bisherigen Verhandlun-gen um Entschädigungszahlungen an die Opfer der Fabrikunglücke Tazreen und Rana Plaza ist enttäuschend. Die meisten Firmen, die in Tazreen und Rana Plaza produzieren liessen, ent-ziehen sich der Verantwortung und bleiben dem Verhandlungstisch in Genf Mitte September fern. Zu kon-kreten Zugeständnissen sind sie noch

Opfer warten immer noch auf Entschädigungnicht bereit. Ein halbes Jahr nach der Katastrophe von Rana Plaza hat nur ein Unternehmen den Betroffenen Nothilfegelder bezahlt. Viele Opfer und deren Familien befinden sich mittlerweile in einer ernsten Notlage.

Die jüngsten Demonstrationen Tau-sender TextilarbeiterInnen in Bangla-desch für höhere Löhne zeigen, dass die Verzweiflung gross ist, denn die Protestierenden riskieren Jobverlust und Repressionen.

Hoffnung für die Zukunft hingegen macht die laufende Umsetzung des Sicherheitsabkommens, das im Mai 2013 von Gewerkschaften und Firmen unterzeichnet wurde. Bisher haben sich über 90 Firmen verpflichtet, die

Sicherheit in über 1600 Textilfabriken in Bangladesch für insgesamt rund zwei Millionen TextilarbeiterInnen zu verbessern. Dazu wurde erstmals eine Liste aller Zulieferbetriebe der Unterzeichnerfirmen veröffentlicht – ein wichtiger Schritt, um die Trans-parenz zu erhöhen.

Die Clean Clothes Campaign wird gemeinsam mit lokalen und internati-onalen Partnerorganisationen den öf-fentlichen Druck auf Markenunterneh-men aufrechterhalten, damit die Opfer gemäss internationalen Standards um-fassend entschädigt werden und sich die Arbeitsbedingungen in den Fabri-ken nachhaltig verbessern.

biodiversität

Das bisherige System, das den zugang zu Saatgut regelt und des-sen nachhaltige nutzung sichern sollte, hat versagt. nun soll eine Ar-beitsgruppe zur Ausarbeitung von Reformvorschlägen gegründet werden.

TexT_François meienBerg

Der Internationale Vertrag über pflan-zengenetische Ressourcen für Ernäh-rung und Landwirtschaft (Saatgutver-trag) trat 2004 in Kraft und wurde mittlerweile von 131 Staaten ratifi-ziert, auch von der Schweiz. Der Ver-trag will die Erhaltung, die nachhalti-ge Nutzung und den freien Austausch von Saatgut gewährleisten. Zu diesem Zweck wurde ein multilaterales Sys-tem etabliert, das den Zugang zu den wichtigsten internationalen Saatgut-banken und nationalen Sammlungen der Mitgliedländer regelt. Er soll zu-dem sicherstellen, dass ein Teil der Gewinne der kommerziellen Nutzer

dieser Ressourcen, also der Saatgut-unternehmen, in das System zurück-fliesst. Diese Gelder sollen in erster Li-nie Bauernfamilien aus den Ländern des Südens zugutekommen, welche diese Ressourcen erhalten, nachhaltig nutzen und so den globalen Aktions-plan zur Erhaltung und nachhaltigen Verwendung landwirtschaftlich ge-nutzter Pflanzen umsetzen. Das Prob-lem: Das System funktioniert nicht, denn bis heute gab es noch keinerlei obligatorische Zahlungen der Saatgut-industrie.

Ende September 2013 fand nun in Oman die fünfte Sitzung des Len-kungsorgans des Saatgutvertrags statt. François Meienberg (EvB) war als Experte Mitglied der dreiköpfigen Schweizer Delegation. Die Reform des multilateralen Systems stand im Zen-trum der Verhandlungen. Vor allem die afrikanischen Staaten forderten mit viel Nachdruck ein neues System, das höhere Zahlungen beinhalten und

Wer zahlt für den Erhalt der Saatgutvielfalt?

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nachhaltiger funktionieren soll. Sie konnten in Muscat einen Etappensieg feiern. Denn es wurde beschlossen, eine Arbeitsgruppe zu bilden. Sie wird in den nächsten Jahren Optionen für eine Reform erarbeiten, die dem nächs-ten Lenkungsorgan zum Entscheid vorgelegt werden sollen.

teil des Vertrages zur erhaltung und nachhaltigen nutzung von Saatgut – DeR zuGAnG zu SAAtGutbAnken.

erklärung!_05_2013

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Dubiose Deals von Schweizer Händlern in Nigeriaein evb-Report zeigt, wie Schweizer Rohstofffhändler dazu beitragen, dass sich das bevölkerungsreichste land Westafrikas nicht vom Roh-stofffluch befreien kann.

TexT_marc guéniaT

«In vielen Ländern verschärfen die Einnahmen aus Bodenschätzen die Kluft zwischen Arm und Reich», schreibt der ehemalige UN-General-sekretär Kofi Annan im diesjährigen Bericht des Africa Progress Panel. Zu diesen Staaten gehört auch Nigeria, Nummer dreizehn in der weltweiten Erdölproduktion: Der sogenannte Roh-stofffluch lastet auf dem Land.

In den letzten zehn Jahren ist die nigerianische Wirtschaft dank dem Erdölgeschäft stark gewachsen. Doch die Bevölkerung hat davon kaum pro-fitiert. Das schwarze Gold, das 58 Pro-

zent der Staatseinkünfte ausmacht, trägt bei Weitem nicht so viel zur Entwicklung des Landes bei, wie es eigentlich sollte.

Schuld daran hat vor allem die Korruption. 2012 rangierte Nigeria auf dem Korruptionsindex von Trans-parency International an 139. Stelle. In diesem Umfeld konnten sich Schweizer Rohstoffhändler eine Spit-zenposition auf dem Markt sichern. Sie beherrschen faktisch sowohl den Rohölexport als auch den Import von Erdölprodukten. Weil es in Nigeria kaum funktionstüchtige Raffinerien gibt, muss das Land nämlich den grössten Teil des Treibstoffs für den Eigengebrauch importieren.

Die Schweizer Händler kaufen dem staatseigenen Ölunternehmen NNPC das Rohöl zu komplett unbekannten Konditionen ab. Einzelne Fälle zeigen,

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dass das Öl bisweilen unter Marktwert verkauft wird. Warum? Wer profitiert? Hinzu kommt, dass die Genfer Kon-zerne Vitol und Trafigura für den Export undurchsichtige Kooperatio-nen mit der NNPC, sogenannten Joint Ventures, auf den Bahamas eingehen. Des Weiteren kaufen die Schweizer Händler Rohöl von Briefkastenfirmen, die in Verbindung mit einflussreichen politischen Persönlichkeiten stehen.

Schweizer Rohstoffhändler decken aber auch die nigerianischen Impor-teure mit Ölprodukten ein. Damit die Treibstoffe im Inland erschwinglich sind, werden die Importe massiv sub-ventioniert. Zwischen 2009 und 2011 wurden mit diesem System in einem der ungeheuersten Betrugsfälle in Af-rika 6,8 Milliarden Dollar veruntreut. Zwei offizielle Audits bestätigen, dass dies ohne «geheime Absprache» zwi-schen Händlern und Importeuren nicht möglich gewesen wäre. Fünf Schweizer Händler stehen im Zentrum eines Amtshilfegesuchs, das die ermit-telnden nigerianischen Behörden an die Schweiz stellten. Sieben der ver-dächtigten nigerianischen Importeure haben Niederlassungen in Genf.

Der besonders undurchsichtige Fall Nigeria zeigt einmal mehr, wie drin-gend die Schweiz griffige Transpa-renzregeln im Rohstoffsektor braucht, sowohl für Zahlungs- und Rohstoff-Flüsse als auch für Firmenstrukturen. So kann die Schweiz wesentlich dazu beitragen, dass die 173 Millionen Ni-gerianerInnen endlich von den Erträ-gen des schwarzen Goldes profitieren können.

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niGeRDeltAS droht die lebensgrundlage der lokalen bevölkerungs-gruppen zu zerstören.

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erklärung!_05_2013

klinisCHe versuCHe

«Haben Sie auch schon darüber nachgedacht, wa-rum bananen so billig sind?» Vor vierzig Jahren, im oktober 1973, zog eine Gruppe Frauen mit leiterwagen voller bananen durch Frauenfeld und stellte Passantinnen diese Frage. zum Handeln bewegt hatte sie ein Film über die miserablen Arbeitsbedingungen auf bananenplantagen. Die bananenzeitung, in der die Frauen über die Hinter-gründe informierten, lag damals auch dem Rund-brief der evb bei.

im gleichen Jahr rief die Migros das «bananen-wunder» aus und senkte wegen der Dollarabwer-tung den bananenpreis um 15 Rappen. Die Frauen riefen daraufhin dazu auf, beim kauf von bananen der Migros 15 Rappen pro kilo zu überweisen mit dem Vermerk «bananengeld, es gehört uns nicht, wir wollen es nicht». An der unterschriftensam-melaktion in Frauenfeld erklärten sich innert zwei tagen 1500 Personen zugunsten der Plantagen-arbeiterinnen dazu bereit.

Mit ihrem engagement wurden die Frauen zu Pi-onierinnen des fairen Handels in der Schweiz. Sie importierten die ersten nicht von Multis wie Chi-quita produzierten bananen, die sie mit einem Soli-daritätsaufpreis verkauften. Daraus ist die heutige Handelsfirma gebana AG entstanden. 1977 wurde auf Anstoss der evb eine zweite importeurin fair gehandelter Güter, claro fair trade, gegründet. Seit 1992 gibt es in der Schweiz mit Max Havelaar einen Standard für gerecht gehandelte Produkte, der sich etabliert hat. Von fairen Handelsstruk-turen sind wir aber noch so weit entfernt wie vor vierzig Jahren. Die Geschichte der bananenfrauen macht aber Mut, den Weg zu gerechteren Handels-beziehungen weiterzugehen.

in Frauenfeld zeigt die Ausstellung «hartnäckig & unverfroren, bananenfrauen» ab dem 7. Dezem-ber die beeindruckende Geschichte der bananen-frauen. Mehr infos unter: www.bananenfrauen.ch.

Pionierinnen des fairen Handels

koluMne Flurina doPPler

Mit ihrer «berseticum forte» kampagne for-dert die evb bundesrat berset auf, für ethisch einwandfreie Medikamententests zu sorgen. Die botschaft ist angekommen.

TexT_paTricK durisch

Die Recherchen der EvB zeigen: Pharmakonzerne wie Roche oder Novartis nehmen es mit der Ein-haltung ethischer Standards bei klinischen Ver-suchen in Entwicklungs- und Schwellenländern häufig nicht so genau. Sie machen sich die nach-lässigen Kontrollen in den Testländern zunutze. Die Einhaltung ethischer Standards spielt auch bei der Zulassung eines Medikamentes kaum eine Rolle – auch wenn die Zulassungsbehörde Swissmedic dazu verpflichtet wäre. Die EvB ver-langt deshalb, dass Gesundheitsminister Alain Berset konkrete Massnahmen gegen den Miss-brauch von Menschen als Versuchskaninchen ergreift. 9300 BürgerInnen haben bisher unsere Petition unterzeichnet und den Bundesrat zum Handeln aufgefordert.

Beim Eidgenössischen Departement des Inne-ren (EDI) ist die Botschaft angekommen. Von Na-tionalrätin Marina Carobbio in der Fragestunde der Herbstsession darauf angesprochen, sagte Bundesrat Berset, das EDI werde «gemeinsam mit Swissmedic die geäusserte Kritik analysie-ren». Falls sich zeige, dass Gesetzesänderungen nötig seien, so werde sich das EDI «der Sache an-nehmen». Im EDI scheint man das Thema also ernst zu nehmen. Das Departement wird voraus-sichtlich in der Wintersession im November zur eingereichten Interpellation von Nationalrätin Carobbio Stellung nehmen.

Die Pharmaindustrie hingegen hält sich be-deckt. Bisher hat sie auf die EvB-Kampagne nur über den Dachverband Interpharma reagiert, der die «pauschalen Vorwürfe» der EvB nicht verste-hen will, da die Pharmaindustrie die internatio-nalen Standards strengsten befolgen würde. Der Versuch sich hinter der freiwilligen und nicht verpflichtenden Helsinki Deklaration zu verste-cken, ist reine PR.

Der Weg ist also noch weit. Die EvB wird nicht locker lassen, bis konkrete Massnahmen in der Schweiz angekündigt werden.

Berseticum forte zeigt erste Wirkung

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Das Sicherheitsabkommen für die textilfabri-ken bangladeschs ist ineke zeldenrusts bis-lang grösster erfolg. Doch für die Mitgründerin der internationalen Clean Clothes Campaign (CCC), welche die evb in der Schweiz vertritt, geht die Arbeit mit dessen umsetzung erst richtig los.

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Als Ineke Zeldenrust am 24. April 2013 morgens um acht auf ihr Handy schaute, lächelte sie. Zu so früher Stunde an ihrem Geburtstag bereits rekordverdächtige 15 Anrufe! Doch schon beim Abhören der ersten Nachricht wich die Freude blankem Entsetzen: Ein paar Stunden zuvor hatte das Rana-Plaza-Fabrikgebäude in einem Vorort von Dhaka Tausende Näherinnen unter sich begraben. Seit diesem «Bhopal der Mode-branche» herrscht beim 1989 von der heute 47-Jährigen mitgegründeten CCC-Netzwerk per-manenter Ausnahmezustand. Und Zeldenrust selbst ist sich schmerzlich bewusst, «dass mein Geburtstag nun immer auch ein Gedenktag sein wird».

Begonnen hat es im Amsterdam der späten 80er-Jahre, als philippinische Näherinnen erst-mals gegen ihre Arbeitsbedingungen protestier-ten, damals gegen jene in Zulieferbetrieben von

C & A. «Das war neu, inspirierend und passte ins Bild.» Kurz zuvor hatte die diplomierte Sozial-geografin nämlich ein Seminar über die «New International Division of Labor» (neue interna-tionale Arbeitsteilung) besucht. Und sofort ge-wusst: «Dieser Konflikt führt ins Zentrum femi-nistischer Globalisierungskritik». Schliesslich kaufen Frauen nicht nur weitaus am meisten Kleidung, sondern produzieren sie auch – häufig unter erbärmlichen Umständen. «We wanted to make this issue fashionable», sagt die Ex-Haus-besetzerin mit jenem Schuss Selbstironie, der sie bei allem Kampfgeist nie verkrampft oder doktri-när wirken lässt.

Nach dem Studium ging Zeldenrust zunächst «ein ernüchterndes Jahr ins Feld» nach Burkina Faso, um dann 1990 bei Hollands EvB-Pendant Somo anzuheuern. Parallel zur dortigen entwick-lungspolitischen Arbeit baute sie zusammen mit Solidaritätsgruppen und Gewerkschaften die Clean Clothes Campaign auf, ehrgeizig und eh-renamtlich. Ihrem Projekt konnte sie sich erst voll widmen, als für sie selbst und drei Mit-streiterInnen «so etwas wie ein Lohn» drin lag. Das war 1997, ein gutes Jahr nach dem Start der stilbildenden (und Spenden generierenden) Anti-Sweatshop-Kampagne gegen Nike. Bald da-rauf folgte die europäische Expansion. «Ohne unsere inzwischen 15 nationalen Netzwerkpart-ner könnten wir in der Textilindustrie nichts be-wirken», relativiert Zeldenrust die Rolle ihrer Amsterdamer Koordinationsstelle.

Sie war aber der strategische Kopf beim Ver-handlungserfolg beim wegweisenden Sicher-heitsabkommen für 1600 Textilfabriken in Bang-ladesch. Firmenvertreter und -Vertreterinnen fürchten die so hartnäckige wie clevere Zelden-rust. «Wir konnten das begrenzte Zeitfenster zum Handeln nach dem Rana-Plaza-Einsturz optimal nutzen, aber jetzt gilt es, diesen Etappensieg in nachhaltige Verbesserungen für die Betroffenen umzumünzen.» So bescheiden sind nur echte Game Changer.

ineke zeldenrust

Visionäre Aktivistin, gewiefte Strategin

zvg

ineke zelDenRuSt hat wesentlich dazu beige-tragen, dass das Sicherheitsabkommen für textil-fabriken in bangladesch zustande kam.

erklärung!_05_2013