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2 | 2009 Evonik-Magazin 2 | 2009 Evonik - Magazin Kosmos eines Kunststoffs Was ist VESTAMID? Der erste Hochleistungs - kunststoff, der alles kann

Evonik Magazin 2/2009€¦ · QUELLE: SIEMENS AG, PICTURES OF THE FUTURE, „Sieht aus wie ein Auto, fährt wie ein Auto – hat nur keine Abgase“ Dr. Andreas Gutsch über seine

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2| 2009

Evonik-Magazin 2 |2009

Evonik-Magazin

Kosmos eines Kunststoffs Was ist VESTAMID? Der erste Hochleistungs -kunststoff, der alles kann

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Wir fördern die Kultur. Und das von Herzen gern.

ZWEIG, S.

BUSCH, W.

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Das Ruhrgebiet steckt voller Kultur.

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Liebe Leserinnen und Leser! Noch im Sommer des vergangenen Jahres war kaum absehbar, in welchem Tempo und mit welcher Dynamik sich die durch die Immobilienkrise in den USA ausgelöste Finanz-marktkrise zu einer weltweiten Wirtschaftskrise entwickeln würde. Selbst im Herbst 2008 gingen noch viele Marktbeobachter davon aus, der prompt und heftig einsetzende Abschwung in den USA und in Europa werde nur von kurzer Dauer sein. Heute wissen wir es – leider – besser. Inzwischen sogar so gut, dass das Wort „Krise“ offensichtlich in keinem Beitrag, keinem Kommentar und keiner Alltagsbetrachtung mehr fehlen darf.

Und trotzdem ist nicht die Zeit für Schwarzmalereien. Im Gegenteil: Zuversicht ist das entscheidende psychologische Element zur Bewältigung der Wirtschaftskrise. Jede Krise kann hilfreich sein, um beispielsweise die Weiterentwicklung von Unternehmen und Märkten zu forcieren. Auch in der gegenwärtigen Situation steckt eine solche Chance. Dies setzt Offenheit und Neugierde voraus – und Selbstbewusstsein. Nur wer in seine Stärken vertraut, kann daraus die Zuversicht gewinnen, die Zukunft gut zu bewältigen.

Der Industriestandort Deutschland besitzt solche Qualitäten. Mit vergleichsweise hohen Energie-, Rohstoff- und Arbeitskosten kann Deutschland langfristig international wett -bewerbsfähig bleiben, wenn wir auch in Krisenzeiten unsere Innovationsfähigkeit bewahren, unsere Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten stärken und für Wachstum und Wert -steigerung nutzen. Innovationen und neue Produkte sind wichtiger denn je. Darin liegt auch künftig ein bedeutender Hebel, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Für die Evonik Industries AG gilt dabei: Als der „kreative Industriekonzern“ machen wir in der Chemie schon heute 20 Prozent unseres Umsatzes mit Produkten, Anwendungen und Verfahren, die jünger sind als fünf Jahre. Diese Innovationskraft werden wir in die Zukunft fortschreiben.

Es gibt viele Beispiele, die aufzeigen: Evonik hat eine Idee von der Zukunft. Die Lithium-Ionen-Technik – in zwei bis drei Jahren sollen aus der Allianz mit unserem Partner Daimler Elektro- und Hybridautos mit unserer Technik vom Serienband laufen: ein Innovationsschub für die Zukunft des Automobils. Der Fotovoltaik-Markt – mit neuer Technik macht Evonik die Fotovoltaik, und damit den Solarstrom, wirt-schaftlicher: ein großer Schritt in eine saubere Energiezukunft. Das Evonik-Magazin lässt Sie teilhaben am spannenden Prozess der Entwicklung dieser Innovationen.

In dieser Ausgabe erwarten Sie: der Kunststoff VESTAMID, dem unsere Forscher extrem unterschiedliche Eigenschaften mitgeben. Und mit Chlorsilan ein Rohstoff, der nicht nur in der Fotovoltaik eingesetzt wird, sondern zudem Glasfaserleitungen so schnell macht, dass der nächste weltweite Entwicklungsschritt des Internets überhaupt erst möglich wird.

Herzlichst Ihr

Mit Innovationen in die ZukunftForschung und Entwicklung sind für den Industriestandort Deutschland wichtige Hebel, um gestärkt aus der Wirtschaftskrise hervorzugehen

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Dr. Klaus Engel, Vorsitzender des

Vorstands der Evonik Industries AG

3EDITORIALEVONIK-MAGAZIN 2/2009

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12 VESTAMID

38 BIODIESEL 44 RUHRFESTSPIELE

26 MURMANSK

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5INHALTEVONIK-MAGAZIN 2/2009

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IMPRESSUM Herausgeber: Evonik Industries AGChristian Kullmann Rellinghauser Str. 1–1145128 EssenChefredaktion: Inken Ostermann (V. i.S.d.P.)Objektmanagement Evonik: Ute DrescherArt Direction: Wolf DammannRedaktion: Michael Hopp (Leitung), Jane Marie Kähler Chefin vom Dienst: Roswitha KnyeFotoredaktion: Ulrich ThiessenDokumentation:Kerstin Weber-Rajab, Tilman Baucken; HamburgGestaltung: Teresa Nunes (Leitung), Anja Giese/Redaktion 4Schlussredaktion: Wilm SteinhäuserVerlag und Anschrift der Redaktion:HOFFMANN UND CAMPE VERLAG GmbH, ein Unternehmen der GANSKE VERLAGSGRUPPE Harvestehuder Weg 42 20149 Hamburg Telefon +49 40 44188-457 Telefax +49 40 44188-236 E-Mail [email protected]äftsführung: Manfred Bissinger Dr. Kai Laakmann Dr. Andreas SiefkeObjektleitung: Eva Maria BöbelHerstellung: Claude Hellweg (Ltg.), Oliver LuppLitho: PX2, HamburgDruck:Laupenmühlen Druck, Bochum Copyright: © 2009 by Evonik Industries AG, Essen. Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages. Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wiederKontakt:Fragen oder Anregungen zum Inhalt des Magazins: Telefon +49 201 177-3831, Telefax +49 201 177-2908, E-Mail [email protected] Fragen zum Versand oder Bestellungen:Telefon +49 40 68879-139 Telefax +49 40 68879-199 E-Mail [email protected]

DEPRAMAX®, PLEXIGLAS®, ROHACELL®, SEPA-RION®, Siridion®, TROGAMID®, VESTAMELT®, VESTAMID®, VESTOSINT® und VISCOPLEX® sind geschützte Marken der Evonik Industries AG oder ihrer Tochter unternehmen. Sie sind im Text in Groß buchstaben geschrieben

EDITORIAL

3 Extreme Bedingungen

INFORMIEREN

6 Auf den ersten BlickMagazin: Interview mit US-Energieminister Prof. Dr. Steven Chu, das neue Gichtgaskraftwerk in Dillingen Weltkarte: Das Energie-Zeugnis zeigt, die Energie-Effizienz sinkt weltweit, doch der Ausstoß an Treibhausgasen steigt Gastbeitrag: Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer über die Automobilität der Zukunft Diskutieren: Aktuelle Experten-Statements zur Frage „Wie arbeiten wir in der Zukunft?“

GESTALTEN

12 Verwandlungskünstler aus dem ChemiebaukastenSportschuhe, Unterwasser-Ölleitungen, Medizingerät, Ski-Oberflächen und die Borsten der Zahnbürste – jeder hatte schon mal mit VESTAMID zu tun, dem Multitalent unter den Hochleistungskunststoffen. PLUS: Aufklapper „Meilensteine in der Entwicklung des Sportschuhs“

ANWENDEN I

26 Am Friedhof der Atom-U-BooteDie Evonik Industries AG hilft bei der Entsorgung russischer Atom-U-Boote, die drohen, das Nordmeer bei Murmansk (Russland) zur radioaktiven Müllhalde zu machen

ANWENDEN II

34 Entkernte KraftKernkraftwerke müssen nach ihrer Stilllegung sorgfältig demontiert werden. Die Experten der Evonik Energy Services GmbH haben dafür das spezielle Know-how. Und das Verantwortungsbewusstsein

ENTWICKELN

38 Talentierte Wüsten-NussBiodiesel aus Pflanzenöl hat sich schon jetzt bewährt. Doch es geht noch besser: Die Jatropha-Pflanze bietet ganz neue Perspektiven und könnte auch die letzten Kritiker überzeugen

KOMMUNIZIEREN

40 In 80 Millisekunden um die WeltDas Internet, Voraussetzung für Wachstum und Entwicklung, stößt an die Grenzen der Kapazität. Die Zukunft liegt in der Erweiterung des Breitbandinternets um die Glasfasertechnologie. Evonik hat den Rohstoff dafür: SIRIDION

ERLEBEN

44 Nordlichter über der BrückeEin Blick auf die Saison 2009 der Ruhrfestspiele Recklinghausen. Das älteste Theaterfestival Deutschlands ist eines der modernsten – auch dieses Jahr mit internationalen Stars wie Ethan Hawke und Rebecca Hall

LEBEN

50 „Wir nähern uns langsam“Tom Schimmeck über das Geheimnis der Katalyse

EVONIK GLOBAL

51 Einmal um die Welt zu internationalen StandortenChina: Investitionen in Fein- und Spezialchemie als Weg aus der KriseJapan: Ulrich Sieler, für Evonik vor Ort, weiß, was Japan brauchtSüdkorea: Mit Wasserstoffperoxid schafft Evonik neue MärkteUSA: In Alabama wird ROHACELL erstmals außerhalb Europas produziertRussland: Öladditive für höhere Ansprüche – Evonik übernimmt AnlagePolen: Flugasche aus Steinkohlekraftwerken ist ein gefragter Rohstoff weltweitKolumbien: Steinkohlekraftwerk in 2.500 Metern HöheInternational: Mit dem ultraleichten Lotus Exige S vorne im Rennsport

Diese Ausgabe des Evonik-Magazins finden Sie auch online unter www.evonik.de

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Drei Fragen an US-Energieminister Prof. Dr. Steven Chu

„Reale Gefahr“

EVONIK-MAGAZIN Befinden wir uns am Rande einer Klima-katastrophe, oder wird diese Gefahr übertrieben? CHU Der Klimawandel ist eine reale Gefahr. Was passiert, wenn sich die Temperatur um 2, 4 oder 6 °C erhöht? Das Abschmelzen der Gletscher würde den Meeresspiegel um 7 bis 10 Meter anstei-gen lassen. Noch mehr Arten würden aussterben, allein aufgrund des Tempos der Klimaveränderungen. Wir wissen nicht, ab welcher Temperatur der Permafrostboden der sibirischen Tundra und in Kanada auftaut und das dort eingeschlossene CO2 freigesetzt wird. Wenn das geschieht, werden Bakterien mehr Treibhausgase freisetzen, als momentan die gesamte Menschheit.EVONIK-MAGAZIN Was hilft gegen die globale Erwärmung?CHU Die wichtigste Einzelmaßnahme wäre die Festlegung eines Preises für Kohlenstoff. Grundlage könnte ein Handel mit Emissionsrechten, eine Steuer oder Ähnliches sein. Wir sollten eine Verbesserung der Energie-Effizienz von Computern und Hausgeräten zwingend vorschreiben. Auch sollte ein Haus nur dann verkauft oder vermietet werden können, wenn der Eigentümer Nachweise über den Strom- und Gasverbrauch in den zurückliegenden zwölf Monaten vorlegt. Hauseigentümer würden spätestens ein Jahr vor dem Verkauf oder der Vermietung ihres Objekts undichte Stellen reparieren, die Isolierung verbessern sowie effi zientere Heizungs- und Klimaanlagen installieren.EVONIK-MAGAZIN Welche Technologien könnten zu nachhaltiger Energieversorgung beitragen?CHU Die Geothermie wird unterschätzt. Denn eines ist klar: Egal, wo Sie sich befinden, wenn Sie tief genug bohren, finden Sie Wärme – eine sehr saubere Form der Energieversorgung. In den meisten Regionen ist der Boden im Sommer kühler und im Winter wärmer als die Luft. Also könnte man Wärmepumpen konzipieren, die die Wohnungen im Sommer kühlen und im Winter heizen. Auch Fotovoltaik und Solarthermie erhalten Aufwind, ebenso Biokraftstoffe. Darüber hinaus denke ich, dass auf lange Sicht künst liche fotosynthetische Systeme die Energie des Sonnenlichts in neue Kraftstoffe verwandeln werden.

Steven Chu, 61, erhielt 1997 den Nobelpreis

für Physik. Im Kabinett des US-Präsidenten

Barack Obama bekleidet Chu das Amt

des Energieministers

Zitat des Monats Evonik in Zahlen

23 Patentfamilien schützen den Separator SEPARION, Bestandteil des batterie betriebenen Autos.

35 Millionen Spams fängt das Data Center von Evonik jeden Monat ab.

90 % Energie spart die Solar siliziumanlage in Rhein felden gegenüber herkömmlicher Solar -siliziumproduktion.

2.350 Meter in der Tiefe liegt die Wärme, mit der Evonik seit zehn Jahren Gebäude versorgt.

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„Sieht aus wie ein Auto, fährt wie ein Auto – hat nur keine Abgase“Dr. Andreas Gutsch über seine Vision des mit Lithium-Ionen-Batterien betriebenen Autos der Zukunft

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Nach wie vor verfügt Deutschland über die größte Windkraftkapazität, und nirgend wo werden so viele Solaranlagen installiert. Entsprechend hoch ist der Bedarf an qualifi-zierten Fachkräften, es mangelt an Ingenieuren und Maschinenbauern. Universitäten reagieren mit speziellen Studiengängen: Mehr als 30 Master-, Bachelor- oder Diplom-Studiengänge, dazu weiterbildende Fernstudiengänge widmen sich der Um-welt-Branche. Die Technische Universität Berlin und die Universität Stuttgart führen derzeit den Studiengang „Erneuerbare Energien“ ein mit Schwerpunkt auf Fotovoltaik, Windenergie und Biomasse. Beste Aussichten für Studierende: Laut Prognosen wird sich die Zahl von circa 250.000 Beschäftigten in der Branche bis 2020 verdoppeln.

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Fachkräfte in der Umwelt-Branche

Regenerative Energien als Studiengang

Wind Biomasse Solar-energie

Wasser-kraft

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öffentlich/gemeinnützig

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95.400

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Beschäftigte im Bereich der erneuer baren Energien in Deutschland

2004

2006* 2007*

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EVONIK-MAGAZIN 2/2009INFORMIEREN

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Gichtgaskraftwerk Dillingen geht demnächst ans Netz

Kraft aus der „Gicht“Im saarländischen Dillingen arbeitet eine der effizientesten Stahlhütten Deutschlands. Die Aktiengesellschaft der Dillinger Hüttenwerke erzeugt zusammen mit ihrer 100-prozentigen Tochtergesellschaft GTS Industries S. A. in Frankreich über 2 Millionen Tonnen Grobblech und ist damit ein führender Hersteller in Europa. Die Hochöfen am Standort Dillingen gehören der Rogesa Roheisen-gesellschaft Saar mbH, einer gemein-samen Tochter zu je 50 Prozent von Dillinger Hütte und der Saarstahl AG und werden von der Dillinger Hütte betrieben. Der Hochofen produziert nicht nur Roh eisen, sondern auch Nebenprodukte. Ganz oben an der „Gicht“, dem Schachtende des Hochofens, entsteht eines davon: Gichtgas. Mit einem Stickstoffgehalt

von 45 bis 60 Prozent und einem Kohlenmonoxid-Anteil von 20 bis 30 Prozent war das Gas lange als Energie-lieferant uninte ressant. 2003 wurde die Hochofenkapazität in Dillingen erweitert, es entstand mehr Gichtgas.

DAMPF TREIBT AN In früheren Zeiten einfach abgefackelt, sollte dieses Hochofengas zur Stei-gerung der Energie-Effizienz zukünf-tig thermisch verwertet werden. So begannen die Planungen für das Gicht-gaskraftwerk, das nun bald ans Netz gehen soll. Mit einem Investitions-volumen von circa 120 Millionen € sind an diesem Projekt die Evonik New Energies GmbH, die VSE AG und die Rogesa beteiligt. Thomas Billotet, Mitglied der Geschäftsführung der Evonik New Energies GmbH und der

Gichtgaskraftwerk Dillingen GmbH & Co. KG: „In Dillingen machen wir Umweltschutz per se, denn das Kraft-werk kann durch die Strom-Erzeugung aus dem überschüssigen Hochofengas auf die gleich hohe Strombelieferung aus dem übergeordneten Netz ver-zichten, die zumindest zu einem Teil aus fossilen Kraftwerken stammt.“

Das hochmoderne Gichtgaskraft-werk soll jährlich rund 2 Milliarden Kubikmeter Hochofengas verbrennen und dabei 570 Millionen Kilowatt-stunden Strom und 400.000 Tonnen Dampf erzeugen. Die Strom menge reicht rein rechnerisch aus, um 142.500 Häuser zu versorgen. Ge-plant ist, zunächst die Energie- ver sorgung der Zentral kokerei Saar GmbH (ZKS), der Dillinger Hütte und der Rogesa in Form von Strom,

Prozessdampf und aufbereitetem Wasser zu garantieren. Eine entsprechende Wasseraufbe rei tungs-anlage kann 560 Kubikmeter teil-entsalztes Wasser pro Stunde für das Hüttennetz bereitstellen.

Im Zentrum der Anlage steht das Dampfkraftwerk, in dessen Kessel das Hochofengas verbrannt wird. Der entstehende Dampf treibt bei einem Druck von 120 Bar und einer Tempe-ratur von 540 °C (Celsius) einen Dampf turbosatz an, dessen Generator 95 Megawatt Strom erzeugen kann. 110 Tonnen Prozessdampf pro Stunde können der Dampfturbine entnommen werden. Die Energieproduktion erfolgt dabei nach Verfügbarkeit des Gases, nicht nach Strom- oder Dampf-bedarf. Überschusselektrizität wird ins öffentliche Netz eingespeist, anders-herum liefert das Netz bei zu geringer Eigenerzeugung zu. „Besonders anspruchsvoll bei der Konzeption des Kraftwerkes war die Aufgabe, das Kraftwerk nach Verfügbarkeit des Gichtgases zu fahren“, sagt Thomas Billotet. Diese Aufgabe stellt hohe Anforderungen an die Flexibilität der Anlage sowie ihre Steuerungs- und Regelungstechnik. Die gesamte techni sche Federführung beim Bau der Anlage liegt bei der Evonik Industries AG, die auch die Betriebs-führung übernehmen wird.

Thomas Billotet, Geschäftsführer: „Umweltschutz per se“

Anlagenbau in Dillingen: Die Gichtgas führen-den Leitungen haben einen Durchmesser von drei Metern

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Weltkarte: das Energie-ZeugnisEnergie-Effi zienz bedeutet unter anderem, mit weniger Energie die gleiche Menge Güter, Wärme, Strom zu produzieren. Ein Indikator dafür ist die Energieintensität. Sie misst die zur Wertschöpfung verbrauchte Primärenergie. Weltweit sinkt die Energieintensität leicht, trotzdem steigt der Ausstoß an Treibhausgasen: Die wachsende Energienachfrage macht Effi zienzgewinne bislang zunichte

NEBEN CO2 BELASTET METHAN die Atmosphäre. Es ist 20-mal klimaschädlicher und entsteht wie Lachgas vor allem in der Landwirtschaft. Die Zunahme des Kälte- und Treibmittels Fluorchlorkohlenwasserstoff (FCKW) in der Atmosphäre hat sich verlangsamt.

Methan (CH4)20 %

Lachgas (N2O)6 %

Kohlendioxid (CO2)64 %

Halogenierte Verbindungen (z.B. FCKW)10 %

Anteil der Klimagase an dem durch den Menschen verursachten Treibhauseffekt

>– 2,00

1,80 – 1,99

1,60 – 1,79

1,40 – 1,59

1,20 – 1,39

1,00 – 1,19

0,80 – 0,99

0,60 – 0,79

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0,20 – 0,39

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steigend

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gleichbleibend

ENERGIEINTENSITÄT DER LÄNDER Primärenergie zur Erzeugung des Bruttoinlandsprodukts (BIP). In Millionen Tonnen Öläquivalent je BIP in Milliarden US-$

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Der Treibhauseffekt

Lateinamerika 972 MtDavon Brasilien 332 Mt

Nordamerika 6.652 Megatonnen (Mt)Davon USA 5.697 Mt

Brasilien

Mexiko

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WelttendenzIm Weltmaßstab sinkt die Energieintensität. Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt wurde weniger Rohstoff verbrannt. Sinkt die Energie-intensität, ist die -Effizienz gestiegen und umgekehrt.

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Algerien

Australien 394 Mt

Asien (mit Nahost) 11.346 MtDavon China 5.648 Mt

Afrika 854 MtDavon

Südafrika 342 Mt

Nachfolgestaaten der Sowjetunion 2.395 MtDavon Russland 1.587 Mt

Europäische Union mit Norwegen und Schweiz 4.064 MtDavon Deutschland 823 Mt

DeutschlandDeutschland

Indien

Irak

Südafrika

ThailandThailand

Türkei

Großbritannien

Malaysia

Simbabwe

Neuseeland

Russland

Verfehlte KlimazieleRund 750.000 Megatonnen CO2 haben sich bisher in der Atmosphäre gesammelt, fast 30.000 kommen jährlich dazu. Die Hälfte entsteht in den Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) USA, Japan und in Europa, obwohl hier nur ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt. 97 Prozent der zusätzlichen Treibhausgase kommen aus Entwicklungs- und Schwellenländern, vor allem China und Indien.

China

Australien

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Gastkommentar

Strom-Tankstellen und Batterie-Recycling

DIE IDEE IST NICHT NEU Bereits 1881 stellte Gustav Trouvé ein drei rädriges Elektroauto vor. 1882 präsentierte Dr. h.c. Werner von Siemens eine Elektrokutsche, die ihren Strom aus einem Oberleitungssystem bezog, und 1912, auf dem Höhe-punkte des Elektroauto-Hypes, wurden stolze 33.800 Elektroautos gebaut. Der Anfang war vielver sprechend. Doch danach versank das Elektroauto in der Bedeutungslosigkeit. Die Gründe für das Scheitern gelten bis heute: begrenzte Reichweite, lange Ladezeiten und schwere Blei akkus. Immer wieder wurde getestet, eine kleine Infra struktur an Stromlade-stationen etwa in Frankreich in La Rochelle von dem französischen Strom-

Glaubt man Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, wird es neben der Batterietechnik die Infrastruktur sein, die über den Erfolg der Elektromobilität entscheidet

versorgungsunternehmen Electricité de France (EDF) in den 80er-Jahren aufgebaut, aus denen eine Peugeot-Citroën-Kleinwagen testflotte ihren Strom bezog, die aber letztlich am preis-günstigen Benzin, schweren Batterien, kurzen Reichweiten und langen Lade-zeiten scheiterte.

Der Erfolg des elektrischen Antriebs auf der Straße ist an die Spei-cherung oder Erzeugung von elek-trischer Energie im Auto geknüpft. Verheißungsvoll wurden vor zehn Jah-ren die Brennstoffzellen-Technolo-gie und Wasserstoff-Tanks entwickelt. Die Kosten der Brennstoffzellen-autos und die Kosten der Wasser-stoff-Infrastruktur haben das Vorhaben zum Forschungsprojekt reduziert. Verheißungs voller war die Toyota-Großserienentwicklung des Hybriden. Mittlerweile hat Toyota über 1,3 Mil-lionen Hybridfahrzeuge gebaut. Und die Entwicklung geht syste matisch weiter zu den Plug-in-Hybriden, die ihre elektrische Energie nicht nur aus der Bremsrückgewinnung beziehen, sondern auch aus der Steckdose. Ent-scheidend für diese Entwicklung ist die Batterietechnik. Mittlerweile gelingt es, mit Lithium-Ionen-Batterie-Packs Kompaktfahrzeuge wie einen VW Golf auch weitere Strecken elektrisch fahren zu lassen. Innova-tionen in der Batterietechnik erlauben, ein wichtiges Hindernis für elektrische Antriebe aus dem Weg zu

Wie müssen Stromnetze dimensioniert werden? Wo sollten Stromtankstellen stehen? Wer errichtet und finanziert die Netze, ohne Monopolstellungen aufzubauen? Wie kann ein Recycling-Kreislauf von Lithium-Ionen-Batterien aufgebaut werden? Welche Sicherheits -probleme, etwa bei Batterie-Bränden, müssen gelöst werden? Welche Möglichkeit besteht, die heutige Tank-stellen-Infrastruktur in das neue Netz zu integrieren? Wie können wir Elektroautos in einen Verkehrsverbund mit mehreren Verkehrsträgern inte-grieren, und welche Formen an Bezahl-systemen sind überlegen? Die Fragen zeigen, dass die Batterie und das

räumen: die Reichweite. Was es zu lösen gilt für den breiten Einsatz, ist der Preis und die Langlebigkeit. Erst wenn es gelingt, die Preise für Plug-in- Hybride oder Elektro autos vergleich-bar mit Diesel-Fahrzeugen zu machen, ist die Großserienfähigkeit gegeben. Nach unseren Einschätzungen könnte es gelingen, bis zum Jahr 2015 die Preise für Lithium- Ionen- Batterien, die einen Golf gut 100 Kilometer elektrisch antreiben, auf 2.000 € zu senken. Damit wäre der Weg frei für die flächige Verbreitung von seri ellen Hybriden und Elektrofahrzeu-gen. Das Schaubild zeigt, dass beim Übergang in die elektrifizierten Antriebe drei Phasen wichtig sind. Die Entdeckerphase, die Toyota mit seinem Parallel-Hybrid-System einge-leitet hat. Die Phase zwei der Inno-vationssprünge in der Batterietechnik. Diese Phase läuft. Die dritte Phase ist der entscheidende Abschnitt. Kos-tensprünge erlauben, die Technik großserienfähig zu gestalten. Der Weg in die Elektromobilität ist vorgezeichnet.

LASSEN SICH TANK-STELLEN UMRÜSTEN? So bedeutend die Batterietechnik samt Kosten ist, so wichtig das Elektroauto ist – beide sind nur eine hinreichende Bedingung für den Erfolg der Elektro-mobi lität. Die notwendige Bedingung lautet Infrastruktur. Mit der Infrastruk-tur ergibt sich eine Fülle von Fragen:

Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer ist Direktor des CAR – Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen sowie Inhaber des Lehrstuhls für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen

Phase 1 Phase 2 Phase 3Toyota-

ÄraInnovations-

sprung Lithium-

Ionen-Batterie

Kostensprung und Großserien-Produktion Lithium-Ionen-Batterie

2009 2010–2015 2016–2030

80.000

1,5 Millionen

15 15 MillionenMillionen

Neuwagenverkäufe mit Hybrid- und Elektroantrieben in Europa

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Der Elektroantrieb für alleWenn Innovation in Serie geht: In einer Partnerschaft mit Daimler bereitet Evonik die Serienfertigung von Hightech-Batteriezellen für PKWs, Busse und Nutzfahrzeuge vor

TEXT CHRISTOPH PECK FRÜHLING 2040: Wieder ist ein Wort aus unserer Sprache verschwunden: Aus-puff. Wir benutzen den Begriff nicht mehr. Er wird nicht mehr gebraucht, seit wir alle auf Fahrzeuge mit Elektroantrieb umgestie-gen sind. CO2- und Lärm-Belastungen, Smog und Feinstaub durch den Verkehr sind mas-siv zurückgegangen. Unsere Stadtzentren sind wieder wohnlicher geworden, Woh-nungen und Häuser selbst an stark befah-renen Kreuzungen wieder attraktiver.

Gut 30 Jahre hat es gedauert, bis Benzin und Diesel im Autoverkehr keine Rolle mehr spielten. Im 21. Jahrhundert, gegen Ende des ersten Jahrzehnts – die Spritpreise waren weltweit zeit-weilig auf Rekordniveau –, setzte das Umdenken Richtung Elektro-auto ein. Da nämlich wurde deut-lich, dass entscheidende Schwach-stellen beseitigt werden konnten: das hohe Gewicht und die geringe Reichweiten der Batterien – mit-hilfe richtungweisender Batterie-technologie der Evonik Industries AG (siehe Seite 20). Die neuen leistungsfähigen Lithium-Ionen-Batterien vereinen erstmals hohe Energiedichte, kompakte Abmes-sungen und hervorragende Sicher-

heit. Gerade beim Thema Sicherheit zum Beispiel stellt die Entwicklung eines Sepa-rators durch Experten aus dem Evonik-Kon-zern einen Meilenstein dar. Dieser Separa-tor aus flexibler Keramik hält Temperaturen von 700 Grad aus und verhindert so Kurz-schlüsse. Schon bald war klar: Den Elektro-autos gehörte die Zukunft.

Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, damals Direktor des Center Automotive Research (CAR) und so etwas wie der Autopapst in Deutschland, setzte alsbald den PKW mit Ver-brennungsmotor auf die Liste der bedrohten Arten: „Der Elektroantrieb wird die Moto-risierung für 30 bis 40 Jahre prägen“, war er

sich 2008 sicher. Und er sollte recht behal-ten. In den Ballungsräumen wurde schon bald voll elektrisch gefahren.

EINE STARKE ALLIANZSchon wenige Jahre nach der Entwicklung der neuen Zellen überstieg der Batteriemarkt das Volumen von 10 Milliarden €. 2020 fuhr bereits jedes vierte Auto elektrisch. 2030 waren allein in Deutschland rund 15 Millio-nen Fahrzeuge elektrisch unterwegs. Die Entwicklung beschleunigt hatte eine starke Allianz – die zwischen Evonik und Daimler. „Wir von Evonik haben ein absolut klares Ziel: Mit uns wird es den Elektroantrieb für

alle geben – alltagstauglich, sicher, bezahlbar“, hatte der damalige Chef von Evonik Dr. Werner Müller En de 2008 erklärt. Eine Schlüssel-position bei der Batterietechnik-Allianz kam damals dem Tochter-unternehmen von Evonik, der Li-Tec Vermögensverwaltungs-GmbH für die weitere Entwick-lung zu, was allein schon an der Zahl der Arbeitsplätze deutlich wurde, die binnen weniger Jahre von 100 auf 1.000 stieg. Zum 15. Dezember 2008 übernahm die Daimler AG 49,9 Prozent an der Li-Tec. Die Evonik Industries AG hielt bereits 50,1 Prozent. Darüber FO

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Allianz: Dr. Werner Müller, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Evonik Industries AG, und Dr. Dieter Zetsche, Vorsitzender des Vorstands der Daimler AG bei der Pressekonferenz in Düsseldorf

S2B-Special

gen wurden. Auto bauer, Batteriehersteller und Chemiker taten sich zusammen, um die Batterie- Produktion zu verbessern und tat-sächlich eine neue „E- Klasse“ zu erfinden; Eine neue Infrastruktur wurde notwendig, damit die Autos nicht nur über Nacht, son-dern auch beim Parken am Einkaufszentrum oder am Multiplex-Kino aufgeladen werden konnten. Für besonders schnelle Ladezyklen mussten also besonders leistungsstarke Strom-anschlüsse her.

Das ging Schlag auf Schlag. Denn immer mehr Besitzern von Elektroautos entlockte das Stichwort „tanken“ ein müdes Lächeln: Auf einer Fahrt von 100 Kilometern ver-brauchten sie damals nur etwa 16 Kilowatt-stunden. Das schlug auf der Stromrechnung mit gerade 2 € zu Buche. Und Reichweite war ebenfalls kein Problem: Damals wie heute fahren drei Viertel aller Autofahrer weniger als 40 Kilometer am Tag.

Das alles war Anfang des Jahrhunderts nicht absehbar. Dass sie eine Erfolgsstory schrei-ben würden, konnten die Experten von Evonik nicht von Anfang an wissen. Doch schon bald hatten sie erkannt, welchen Trumpf sie mit der flexiblen Keramik des Separators und mit ihrem Spitzen-Know-how besaßen. Und weil sie gerade dabei waren, große, leistungsfähige Lithium-Ionen-Batterien für Autos neu zu erfinden, da dachten sie noch einen Schritt größer: Warum nicht auch den Strom aus Wind-energie oder Fotovol taik in Batterien spei-chern? Damit die Autos auch dann fahren, wenn der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint? Und so nahmen sie den nächs-ten Milliardenmarkt ins Visier, indem sie den Ein-Megawatt-Speicher ersannen. Auch in diesem Fall bauten sie wieder einmal Brü-cken – zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und dem Alltag der Menschen. <

Reise in die Zukunft: Daimlers B-Klasse ist eigentlich eine

E-Klasse. Das Concept BlueZERO soll ab 2010 Wirklichkeit werden

hinaus sollten die Unternehmen zusammen ein Beteiligungsunternehmen gründen, mit klarem Fokus auf der Entwicklung und Pro-duktion von Batterien und Batterie systemen für automobile Anwendungen. An diesem Gemeinschaftsunternehmen sollte Daimler dann 90 Prozent und Evonik zehn Prozent halten.

Doch der Elektroantrieb für alle sollte nicht nur alltagstauglich, sicher und bezahl-bar sein, sondern auch umweltfreundlich: Die von der Politik vorgegebenen Abgasnormen ließen den Automobilbauern keine Wahl. Sie mussten schnell auf Elektro antrieb set-zen. So war das Fahren schon mal emissions-frei. Aber für einen fairen Vergleich musste man die gesamte Prozess kette betrachten – „well to wheel“, wie die Fachleute sagen. Und dabei zeigte sich schnell, dass die Elektro-autos umso besser abschnitten, je mehr rege-nerative Energien zum Antrieb herangezo-

19ENTWICKELNSCIENCE-TO-BUSINESSEVONIK-MAGAZIN 1/2009

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EVONIK-MAGAZIN 2/2009INFORMIEREN

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Die „Black berry- Krankheit“

Prof. Dr. Lothar Seiwert (Experte für Zeit manage-ment) „Mit

dem Faxgerät kam eine neue Schnelligkeit, dann Mailbox beziehungsweise Voicemail, E-Mail, SMS, MMS et cetera. Dabei hat eine Technik die andere nicht ab gelöst, sondern wurde oben draufgesattelt, das heißt: Man muss jetzt oft auf fünf oder sechs Kommunika tions- kanälen gleichzeitig schauen, was passiert. Das ist die „Black-berry-Krankheit“, das Gefühl, ständig online sein zu müssen.

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Das Büro in der Westentasche ist möglichSteve Ballmer (Chief Executive Officer Microsoft Corporation) „Ich denke, dass wir in den nächsten zehn Jahren keinerlei Papier mehr im Büro verwenden werden. Wann, ist eine Frage der Innovation: Wie schnell können wir Computer-Software und -Hardware entwickeln, die so gut ist wie Papier? Wenn Sie Ihr Büro in der Westentasche haben möchten, haben Sie die Möglichkeit dazu. Wenn Sie die komplette Bürowand für eine Projektion nutzen möchten, ein Meeting mit vielen Personen abhalten möchten, ist das möglich. Später wird es normal

sein, drei große Bildschirme zu nutzen, auf denen man große Datenmengen sehen kann.“

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Digitale Selbst-organisation

Prof. Dr. Ewald Wessling (Unter-nehmens berater)

„Das alte Büro mit Vorzimmer und Sekretärin

hat sich überlebt. Junge Menschen lernen heute die digitale Selbst-organisation in ihren Communities, Computerspielen und über ihre Handys. Mit der analogen Welt des alten Büros werden sie nichts mehr anfangen können. Insgesamt wird Ver waltung jeder Art stärker standardisiert und von Techno-logie übernommen. Hierarchien werden flacher, die Arbeit wird immer mehr in Projekten organisiert statt in Abteilungen.“

Diskutieren

Wie arbeiten wir in der Zukunft?Arbeit sieht heute anders aus: Homeoffi ce, Online-Videokonferenzen, Instant Messenger, das mobile Internet bringt das Büro in die entlegensten Winkel der Welt. Millionen Menschen sind heute Telearbeiter, die ihre Kollegen oder Vorgesetzten kaum zu Gesicht bekommen. Sieht so das Büro der Zukunft aus – und welche Anforderungen ergeben sich daraus?

Elektroauto zwar wichtig sind, aber die Infrastruktur ist notwendig, um das System ins Laufen zu bringen. Und diese Infrastruktur ist weit mehr als das Zu-sammenspiel von einem Autobauer und einem Stromverkäufer. Beide sind wichtig, aber mit beiden ist die Infra-strukturaufgabe keineswegs gelöst. Nur ein paar Stromtankstellen auf zustellen und dann Strom zu verkaufen ist nicht die Lösung des Infrastrukturproblems.

MODELLREGION RHEIN-RUHRUm Infrastruktur aufzubauen und zu testen, braucht es ein Pilotprojekt, das nicht nur aus einer Großstadt besteht, sondern sowohl ländliche Bezirke als auch die unterschiedlichen Topografien miteinbezieht. Die Rhein-Ruhr-Region von Köln über Düsseldorf und Duisburg bis ins Bergische Land vereint in fast idealer Weise diese Vielfalt an Anforde-rungen. Automobilhersteller, Energie-erzeuger, Stadt werke, For schungs-einrichtungen vor Ort sowie eine fast unbegrenzte Basis von Verkehrsdaten erlauben ein Pilotprojekt, das als Grund-lage für die Entwicklung der zukünf-tigen Infrastruktur dient.

Fazit: Die Elektromobilität erlaubt es, die Innovationskraft unseres Landes unter Beweis zu stellen. Die Voraus-setzungen zur Umsetzung der Vision Elektromobilität sind vorhanden. Wir müssen es nur wollen und „tun“. <

In Ausgabe 1/2009 des Evonik-Magazins berichteten Christoph Peck und Klaus Jopp über die Entwicklung von Lithium-Ionen-Batterien bei der Evonik Industries AG in Kooperation mit der Daimler AG

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Schaltstelle des Wissens

Dr. Wilhelm Bauer (Institutsdirektor am Fraun hofer-Institut für Arbeits-wirtschaft und Organisation)

„‚Collaboration‘ wird in der Arbeits-welt eine zunehmende Rolle spielen. Unternehmen holen sich Kreativität, Ideen, Know-how von überallher, und Personen schließen sich zu ‚Collaboratern‘ zusammen – über die Grenzen von Unternehmen und Ländern hinweg. Damit wird das Büro zur Schaltstelle in der Wissensgesellschaft, denn im inter-nationalen Wettbewerb besteht nur, wer Innovationen in kurzen Zyklen umsetzen kann.“

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Verwandlungskünstler aus dem Chemiebaukasten

Lichtwellenleiter

Ski-Dekorfolie

Sportschuhe, Unterwasser-Ölleitungen, Medizingerät, Ski-Oberfl ächen und die Borsten der Zahnbürste –

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TEXT KLAUS JOPP

WAS HABEN winzige Zahnräder, Förder -rohre für Erdöl oder moderne Carving -Skier miteinander zu tun? All diese Pro-dukte bestehen zumindest zum Teil aus VESTAMID der Evonik Industries AG. Der Kunststoff gehört zur Klasse der Polyamide – dazu zählen auch die bekannten Fasern Nylon und Perlon, die in den Zeiten des Wirtschaftswunders Modegeschichte ge -schrieben haben. Heute ist Evonik der weltweit größte Hersteller von Polyamid 12, das in der Welt der chemischen Kürzel auch als PA 12 bezeichnet wird. Die Zwölf steht für die Anzahl der Kohlenstoffatome, die im Ausgangsbaustein, im sogenannten Monomer, enthalten sind. Im Falle von PA 12 handelt es sich um eine Verbindung mit dem schwierigen Namen Laurinlactam, die Evonik im Chemiepark Marl in einem mehr-stufigen Prozess selbst herstellt. „Wir pro-fitieren hier von unserer rückwärts inte-grierten Produktion“, erklärt Michael Beyer, Abteilungsleiter Market Development High Performance Polymers (HP) bei Evonik.

Chemie mit ihrer besonderen Nomen-klatur, mit Formeln und Zeichen ist für viele eine ungewohnte, für manche sogar eine verschlossene Welt. Und doch spielt sie in unserem Alltag eine dominierende Rolle, denn wir sind zu Hause und im Auto, bei

Gasrohre

Michael Beyer ist Abteilungsleiter

Market Development High Performance

Polymers bei Evonik

jeder hatte schon mal mit VESTAMID zu tun, dem Multitalent unter den Hochleistungskunststoffen

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Druckluftbremsleitung

Wie viel VESTAMID steckt im Auto?

GROSSEINSATZ IM KRAFTFAHRZEUG: Vor allem ein- und mehrschichtige Leitungssysteme wie Kraftstoffl eitungen, aber auch Dekorfolien und Spritzguss pro duk te wie Scheibenwaschanlagen-Lager sind aus VESTAMID. Dieser und weitere Kunststoffe aus der gleichen Polyamid-Familie statten das Innenleben des Autos zu großen Teilen aus. So kommt zum Beispiel VESTAMELT in der Textil- und Sitzheizungsverklebung zum Einsatz, das Beschichtungspulver VESTOSINT sorgt für Sicherheit bei den Gurthalterungen, während TROGAMID für mechanisch und thermisch belastete Spritzgussteile verwendet wird, zum Beispiel für den roten Schalter der Warnblinkanlage

Hydraulische Kupplungsleitungen

Scheibenwischerlager

Kraftstofffilter

Bowdenzug-ummantelung

Steckkupplungen für Kraftstoffsysteme

Mit VESTAMID beschichtete Metallbremsleitungen

Mehrschichtige Benzin leitungen beziehungsweise hochtemperatur-

beständige DieselleitungenDruckluft-

federungsleitungen

Mehrschichtige Kühlwasserleitungen

Unterdruckleitungen für Bremskraftverstärker

Scheibenwaschanlagenleitungen

Kunststoff-Lichtwellenleiter-Ummantelung

Türschlossgehäuse im Kunststoff-Kautschuk-Verbund

Dekorfolie für Außen- und

Innenverkleidungen

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Freizeit und Sport, in Medizin und Technik von Werkstoffen und Lösungen umgeben, die auf dem Erfindungsreichtum der Chemi-ker beruhen. Das gilt insbesondere auch für das PA 12 von Evonik, einen Kunststoff, der sich mit seinen vielfältigen Eigenschaften für verschiedenste Verwendungen anbie-tet. Bestimmt werden die Merkmale der Poly-amide insbesondere durch die Konzentra-tion der Amidgruppen im Makromolekül. Diese Amidgruppe, eine spezielle Konstella-tion aus Atomen der Elemente Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Wasserstoff, ist die Verknüpfungsstelle, an der die Monomeren zu einer langen Kette geknüpft werden. In dieser Struktur liegt das Geheimnis der Polyamide, denn die Ketten werden durch spezielle Bindungen – Chemiker sprechen hierbei von Wasserstoffbrücken – unter ei -nan der verknüpft. Dadurch erklären sich die erwünschten Charakteristika wie beispiels-weise Festigkeit, Chemikalienbeständigkeit und hoher Schmelzpunkt.

Beim PA 12 ist von allen kommerziell erhältlichen Polyamiden die Konzentration der Amidgruppen am geringsten – diese Besonderheit verleiht dem Kunststoff von Evonik ein ganz eigenes Eigenschaftsprofil. „Dazu zählt ganz sicher die sehr gute Bestän-digkeit gegenüber Fetten und Ölen, Kraft-stoffen und Hydraulikflüssigkeiten, Lösemit-teln und sogar Salzlösungen wie Zinkchlorid,

die bei anderen Kunststoffen Spannungsrisse auslösen können“, betont Beyer. Deshalb ist Evonik auch Weltmarktführer bei Kunst-stoffsystemen für mehrschichtige Kraftstoff-leitungen, bei denen die Außenschicht im -mer aus dem bewährten VESTAMID besteht. Für die Innenschicht und die Barriere zwi-schen den Schichten gibt es verschiedene Lösungen – inzwischen auch für Biokraft-stoffe, die als besonders anspruchsvoll gel-ten. Die neuartigen Leitungssysteme werden unter härtesten Bedingungen getestet: 5.000 Stunden lang wird 80 °C (Cel sius) heißer Sprit durch sie hindurchgepumpt, der bis zu 85 Prozent aus aggressivem Äthanol besteht. Im direkten Vergleich zeigten die belasteten Rohre keine Veränderungen gegenüber neu-en Leitungen.

ÖL- UND SALZWASSER-IMMUN Extreme Bedingungen herrschen auch bei der Offshore-Rohölförderung: Das Salz-wasser ist so korrosiv wie das Öl selbst, dazu kommen Faktoren wie Druck und Tem-peratur, die bei Wassertiefen von 2.000 Metern und mehr eine gravierende Rolle

spielen. Das berühmte Lloyd’s Register hat dem modifizierten Werkstoff (VESTAMID LX 9020) seinen Segen erteilt, damit ist das Material für die Herstellung von flexiblen Öltransportleitungen zugelassen. „Mehrere Jahre Forschungs- und Entwicklungs arbeit waren erforderlich, um dieses große Ziel zu erreichen. Die Basis dafür waren unse-re Typen für Kraftstoff- und Bremsflüssig-keits leitungen, die im Automobilsektor außerordent lich erfolgreich sind“, erklärt Dr. Christian Baron, Abteilungsleiter Stra-tegic Projects bei HP. Diese Werkstoffe werden bei 250 °C im Extruder verarbei-tet, doch ihre Viskosität war bisher nicht hoch genug für den neuen Einsatzzweck. Bei der Extrusion wird der Kunststoff durch Wärme zufuhr aufgeschmolzen und zur Formgebung durch eine Düse gepresst. Um Rohre mit größeren Durchmessern zu fer-tigen, wird deshalb eine wesentlich höhere Schmelzesteifigkeit benötigt. Schließlich gelang es, eine neuartige Formmasse „zu züchten“, die VESTAMID die maßgeschnei-derte Schmelzesteifigkeit ohne Verlust der mechanischen Festigkeit verleiht. Die Fes-tigkeit ist unbedingt notwendig: Nur so ist es möglich, die Leitungen in einem Stück von den Produktionsplattformen auf der Was-seroberfläche bis zum Bohrloch in 2.000 Metern Tiefe zu verlegen. Dabei gefordert ist ein Balanceakt zwischen mechanischer

VESTAMID als Werkstoff für Leitungen in der Offshore-Rohölförderung – Festigkeit und Flexibilität sind gleichermaßen notwendig

Kunststoff für 2.000 Meter unter Wasser gezüchtet

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Stabilität, genügend Flexibilität und einer langen Lebensdauer. So wird im Offshore-Bereich eine Gebrauchshaltbarkeit von über 20 Jahren gefordert. Und noch ein Trumpf, mit dem VESTAMID LX 9020 punktet: Das Material ist besonders verarbeitungsstabil und lässt sich ohne weitere Vorbehandlung und ohne Vortrocknung direkt aus der Ver-packung extrudieren.

Ebenfalls möglich ist der Einsatz von PA 12 für Gasrohre, wie sie in städtischen Verteilernetzen im Druckbereich zwischen 10 und 20 Bar verwendet werden. Bisher bestehen derartige Rohre ausschließlich aus Stahl. Inzwischen konnte Evonik in Zusam-menarbeit mit Netzbetreibern die Eignung in Langzeittests nachweisen. Die Rohre für diese Zwecke haben einen Außendurchmes-ser von 110 Millimetern und eine Wand-stärke von zehn Millimetern. „Da die Rohre aus VESTAMID sich gleichermaßen durch Stabilität und Flexibilität auszeichnen, sind sie auch sehr gut für das sogenannte Reli-ning geeignet, also die Rohrsanierung von innen“, so Baron.

Hohe Anforderungen herrschen auch auf der Skipiste – besonders in der drangvollen Enge beim Liftfahren. Damit die „Bretter“ und Snowboards ihr gutes Aussehen behal-ten, besteht ihre oberste Schicht aus stra-pazierfähigen Dekorfolien aus VESTAMID. Ebenso sportlich zeigt sich das Material im

Sport schuh – hier muss insbesondere das Soh-lenmaterial Höchstleistungen vollbringen.

Für den geforderten Spagat aus Festig-keit und Dämpfung haben sich PA-12-Elas-tomere als ideal erwiesen – die PA-Bau-steine erzeugen die richtige Härte, weiche Polyether-Elemente absorbieren Stöße und schonen so die Gelenke. Um das opti-male Rückstellverhalten geht es auch bei Zahnbürstenborsten, die aus VESTAMID D bestehen (ein Polyamid 612, das aus ande-ren Ausgangsverbindungen als PA 12 herge-stellt wird). Im Fahrzeugbau wird ein ganz ähnliches Material für Hydraulikleitungen sowie Steckverbindungen (Quick Connec-tor) für derartige Systeme verwendet. Die-se Produktbeispiele zeigen, welche Band-breite die Polyamide abdecken.

SO STEIGT DER SCHMELZPUNKTDafür nutzen die kreativen „Designer“ von Evonik zwei Stellschrauben, mit deren Hilfe sie ihren Kunststoffen die optimalen Eigen-schaften für die jeweilige Aufgabe einhau-chen. Auf chemischem Weg können sie in die Polyamid-Ketten, die ja aus immer glei-

chen Gliedern bestehen, andere Bausteine einfügen. So bestehen Katheter für die Medi-zintechnik aus einem PA 12, in das kurzket-tige Polymere eingebaut sind. „Beim Ein-führen müssen Katheter hinreichend steif sein, im Körper dann aber sehr flexibel und eher weich, damit die Blutgefäße nicht ver-letzt werden“, erläutert Beyer. Diesen Spa-gat schafft eine sogenannte Glasübergangs-temperatur von etwa 38 °C, das heißt: Die Eigenschaftsänderung wird durch die Körper-wärme erreicht. Für manche Aufgaben müs-sen Kunststoffe temperaturstabiler gemacht werden. Auch hier hilft der chemische Bau-kasten – so steigt der Schmelzpunkt, sobald Aromaten oder kurzkettige Amide in die Kette eingefügt werden.

Auf diese Weise wurde VESTAMID HTplus kreiert, das erst oberhalb von 300 °C schmilzt. Deshalb kann es zum Bei-spiel für höher temperaturbelastete Bau-teile im Motorraum von Kraftfahrzeugen Verwendung finden. In den letzten Jahren ist der Fußgängerschutz verbessert wor-den, dabei sollte der Luftwiderstandswert nicht steigen. Die Verkleinerung des Bau-raums unter der Haube ließ die Tempera-turbelastung rund um den Motor deutlich steigen. „Diesem Trend müssen wir mit unseren Werkstoffen folgen“, argumen-tiert Beyer. Doch VESTAMID HTplus eig-net sich auch für Anwendungen, bei denen

Bisher bestanden Gasleitungen aus Stahl, jetzt können fl exible, aber nicht weniger sta bile Rohre aus VESTAMID verlegt werden

Immer neue Designs aus dem Chemielabor

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16 GESTALTEN VESTAMID EVONIK-MAGAZIN 2/2009

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Siemens-LWL-Kabel

Der Kunststoffmarkt

DIE KUNSTSTOFF-PYRAMIDE: „Plastik“ gibt es in vielen Variationen. Ordnung bringt die Einteilung nach Leistungsfähigkeit, Preis pro Kilogramm oder innerer Ordnung. Die Moleküle amorpher Kunststoffe (linke Seite) sind ineinander verknäuelt wie gekochte Spaghetti. Im Gegensatz dazu können Ketten-moleküle aber auch streckenweise in Parallelordnung liegen – wie Spaghetti in der Packung. Diese Kunststoffe sind kristallin (rechte Seite). Massenkunststoffe wie das Polyäthylen für die Plastiktüte beherrschen über 95 Prozent des Markts. Konstruktionskunststoffe wie Polyamide kommen auf circa vier Prozent. Die extrem hitzebeständigen Kunststoffe in der Pyramiden-Spitze bleiben unter einem Prozent der Gesamtproduktion, aber erzielen die mit Abstand besten Preise

KÜRZEL UND FORMELN: Für die komplexe Welt der Moleküle hat die Chemie eine eigene Sprache entwickelt, die von der International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC) festgelegt wird. PVC zum Beispiel steht für Polyvinyl chlorid, PET für Polyethyl en terephthalat. Weil diese Begriffe kompliziert sind, werden häufig nur die Abkürzungen verwendet. Parallel dazu werden auch Markennamen wie PLEXIGLAS (für Polymethyl methacrylat, PMMA) gebraucht.

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Hochtemperatur-Kunststoffe

250.000 Tonnen (t)/Jahr10 bis 100 €/Kilogramm (kg)

Konstruktions-Kunststoffe

5.700.000 t/Jahr3,50 bis 15 €/kg

Standard-Kunststoffe

131.000.000 t/Jahr2 bis 8 €/kg

> 150°

> 300°

> 100° Temperaturbeständigkeit

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PA 6/PA 66

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PVC

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amorph kristallin

PEEK

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PMI

Tra nsp. PA

PP S PPA

PA 12Polyamid 12

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PBTPMM A

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PPE

HÖCHSTLEISTUNGENEine vielfältige Kunststoffgruppe

für spezielle Anwendungen im Automobilbau, in Luft- und Raum-

fahrt, in Medizin und Haushalt ist bis zu Gebrauchs temperaturen von

über 300 °C (Celsius) einsetzbar. Dazu gehören auch PEEK und PPA von Evonik. Diese Kunststoffe ha-ben besondere Eigenschaften und

sind zudem häufig leichter und bil-liger als andere Werkstoffe.

TECHNISCHE LÖSUNGEN Zu den Konstruktionskunststoffen

gehört unter anderem Polycarbo-nat (PC), aus dem Datenträger

(CDs) und Scheiben hergestellt wer den. Die große Familie der

Polyamide (PA) wird vor allem im Maschinenbau, für Rohre, Lei-

tungen und Fasern genutzt. Immer mehr Flaschen entstehen aus PET.

MASSENWAREHinter vielen Alltagsprodukten

stecken günstige Kunststoffe. Aus Polyäthylen (PE) werden zum

Beispiel Plastik tüten, aus Polystyrol (PS) Schaumstoffe oder Joghurt-

becher produziert. Vielfältig sind auch Poly ure thane (PUR),

aus denen sich Lacke ebenso wie Ma tratzen und Schuh-

s ohlen fertigen lassen.

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Geräuscharme Zahnräder

Der Kunststoff-Baukasten

EIN GRUNDSTOFF MIT VIELEN VARIANTEN: Chemiker von Evonik haben auf Basis des Polyamids 12 mit dem Markennamen VESTAMID eine ganze Palette von Kunststoffen mit maßgeschneiderten Eigenschaften entwickelt. Dafür stehen grundsätzlich zwei Wege zur Verfügung: Einerseits lassen sich in den Basiskunststoff weitere Polymere chemisch einbauen (rechte Spalte). Andererseits können auch durch physikalische Modifi kationen – zum Beispiel die Beimischung von Glasfasern, Tefl on oder Grafi t – die gewünschten Merkmale der Werkstoffe erreicht werden (linke Spalte). Für spezielle Anforderungen ist auch die Anwendung beider Vorgehensweisen (Verbindungen in der Mitte) möglich. Auf diese Weise kann Evonik nahezu sämtliche Kundenwünsche mit verschiedensten Typen von VESTAMID erfüllen

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Nanotubes

Lange Glasfasern

Tefl on/Grafi t

Weichmacher

Glaskugeln

Kurze Glasfasern

Karbonfasern

C6/Polymere

Aromaten

Polyether

Kurze Amide

Aromaten

Physikalische Zusätze Chemische Zusätze

Elektrisch leitfähiger Kunststoff –Gehäuse für Messgeräte, Telefon-,Funkgerätebauteile, Elektromotorenlüfter

Sehr steifer Kunststoff – Schnapp-verbindungen für Kraftstoffl eitungen

Gut gleitender Kunststoff –Führungsschienen, Gleitlager

Sehr weicher Kunststoff – Verpackungs-folien, Druckluftbremsleitungen

Mechanisch stabiler Kunststoff –Getriebe- und Schaltventilgehäuse,Zahnräder, Pumpenteile

Schlagzäher Kunststoff – Steckverbinder für Kraftstoffl eitungen

Schlagzäher, mechanisch stabiler Kunststoff – Sportgeräte, Medizinprodukte,Luft- und Raumfahrtbauteile

Harter Kunststoff –Zahnbürstenborsten,hydraulischeKupplungsleitungen

TemperaturbeständigerKunststoff –Elektronikbauteile,Trinkwasserleitungen

Transparenter Kunststoff –kratzfeste und bedruckte Dekorfolien

Kunststoff mit niedrigemSchmelzpunkt –Schmelzkleber

Kunststoff mit hohemSchmelzpunkt –Kraftstoffl eitungen, Filter,Schalter und Gehäuse

Gut gleitender, temperatur-beständiger Kunststoff –Präzisionskomponenten für Getriebe, Zahn- und Schneckenräder

Mechanisch stabiler,transparenter KunststoffBrillengläser und -gestelle, Medizingeräte

Sehr weicher Kunststoff mit niedrigem Schmelzpunkt –fl exible Schlauchfolien für stoßfeste Verpackungen

Schlagzäher Kunststoffmit hohem SchmelzpunktBauteile im Motorraum von Kfz

Polyamid 12/VESTAMID

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S U M M A R Y • Evonik ist der größte Hersteller des „Polyamids 12“ VESTAMID, das in Marl in einem mehrstufigen Prozess herstellt wird.• VESTAMID wird mit seinem breiten Eigenschaftsspektrum vom Sportschuh bis zur Offshore-Ölleitung eingesetzt.• Die Vielzahl von zweckgebundenen Eigenschaften können im Labor auf chemischem und auf physikalischem Weg erreicht werden – der Kunststoff wird so nach dem jeweiligen Bedarf designt.

direkter Kontakt zu Trinkwasser und Nah-rungsmitteln besteht. Wegen seiner hohen Form beständigkeit und Verschleißfestigkeit ist es zudem erste Wahl in der Elektronik-industrie, wo der anhaltende Trend zur Miniaturisierung immer höhere Anforde-rungen an die Einsatzstoffe nach sich zieht.

Der Griff in den Polymerbaukasten ist eine Möglichkeit, die andere Option ist die physikalische Beeinflussung der Eigen-schaften. Auch hier verfügt Evonik über ein großes Spektrum: Glas- und Karbonfasern in unterschiedlichen Längen, Glaskugeln, Füllstoffe wie Teflon, Grafit oder Glimmer, Spezialruße, auch als Carbon Black bezeich-net, Weichmacher und Brandschutzmittel tragen dazu bei, die mechanische Stabilität, die Steifigkeit oder Zähigkeit zu verbessern. Lager und Schnecken zum Beispiel sollen möglichst ohne Reibung funktionieren – eine „Prise“ Teflon oder Grafit sorgt für her-vorragende Gleiteigenschaften. Gehäuse von Schaltern, Lampen oder anderen Gerä-ten müssen elektrisch leitfähig sein, damit sich keine statischen Aufladungen bilden. Derartige Potenzialunterschiede können Funken und damit in chemischen Anlagen sogar Explosionen auslösen – deshalb ist die antistatische Ausrüstung so wichtig.

Grundlage für die verschiedenen Typen VESTAMID ist bisher der Einsatz von Buta-dien, einer Kohlenwasserstoffverbindung,

die aus Erdöl erzeugt wird. Für eine nach-haltige Entwicklung hat Evonik seine Poly-amid-Familie unter der Bezeichnung Terra um eine neue Gruppe ergänzt, die ganz oder teilweise auf nachwachsenden Rohstoffen basiert. Die dafür notwendigen Ausgangs-verbindungen werden aus Rizinusöl her-gestellt. Dieses Öl wird aus den Samen der gleichnamigen Staude gewonnen, die über-wiegend in tropischen und subtropischen Ländern beheimatet ist. Wichtigste Anbau-länder sind Indien, Brasilien und China.

DAS SPIEL GEHT WEITER Auf der anderen Seite stärkt Evonik auch sei-ne Produktionskapazität für Laurin lactam. Erst 2006 waren die Anlagen am Standort Marl auf 26.000 Jahrestonnen erweitert worden. Nun läuft der zusätzliche Ausbau, der bis Mitte 2009 abgeschlossen sein soll. Evonik investiert dafür einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag.

„Wir schaffen die Voraussetzungen, um unsere weltweit führende Markt position bei PA 12 weiter zu stärken“, erklärt Dr. Klaus Engel, Vorstandsvorsitzender von Evonik.

Bei der gewaltigen Palette an Möglichkeiten, die die Welt der Polyamide aufspannt, unter-stützt Evonik seine Kunden vom ersten Kon-zept bis zur Fertig stellung des Produkts in der Serienfabrikation durch einen umfassenden Service. „Dazu zählen Anlagen auf dem neuesten Stand für Spritzguss, Extrusion, Kunststoff-Kautschuk-Verbunde und Faser-herstellung“, erläutert Beyer. Auch die Analy-tiklabors von Evonik stehen den Anwendern offen. Die enge Zusammenarbeit zwischen den Materialspezialisten auf der einen und den Produzenten auf der anderen Seite ist heute unabdingbar, hier werden neue Ideen für Lösungen geboren. Denn eines ist klar: Das Spektrum von VESTAMID ist längst noch nicht ausgeschöpft. Das „Spiel“ mit dem Che-miebaukasten geht weiter. <

„Große Ziele erreichen“: Dr. Christian Baron ist Abteilungsleiter Strategic Projects im Geschäftsgebiet High Performance Polymers

Eine Prise Teflon kann schon genügen

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19GESTALTENVESTAMIDEVONIK-MAGAZIN 2/2009

19_Evonik_02-09_DE 1919_Evonik_02-09_DE 19 28.04.2009 13:55:26 Uhr28.04.2009 13:55:26 Uhr

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Höchstleistung durch HightechSportlicher Erfolg braucht ein perfektes Zusammenspiel von körperlicher Fitness, sportlicher Technik und optimaler Ausrüstung – bei der Herstellung von Sportschuhen spielen Kunststoffe eine herausragende Rolle

SPORT IST Laufen, Springen, Wer-fen, Tore schießen. Und Sport ist High-tech: Hunderte von Biomechanikern, Sportmedizinern und Technikern tüf-teln für Sportschuster wie Adidas, Asics, Nike oder Puma in deren Forschungs-labors. In Zusammenarbeit mit Sportlern und Trainern analysieren sie Druck-verteilungen und Abrollbewegungen, erproben neue Materialien und vermes-sen Tausende von Füßen. Unterstützt wird diese Arbeit von Universitäten und von der Industrie. Das Ziel: ein Equip-ment zu entwickeln, das Profi- und Freizeitsportlern in aller Welt immer

TEXT ANDREAS BRANNASCH wieder die Möglichkeit gibt, mehr zu er -reichen und in „ihrem“ Sport erfolgreich zu sein.

Sportschuhe müssen das hochkom-plexe Zusammenspiel von 26 Knochen, 13 Gelenken, zahlreichen Muskeln, Seh-nen, Bändern und einem dichten Nerven-geflecht optimal unterstützen – außerdem wollen ungefähr 600 Schweißdrüsen pro Quadratzentimeter berücksichtigt sein. Ein erstklassiger Sportschuh kann harte Stöße absorbieren, den Fuß stabilisieren und führen sowie hohe Tritt belastungen ohne Schaden überstehen. Die Entwick-lung eines funktionellen Sportschuhs ist ein diffiziles Gesamtkunstwerk, bei dem die Kunst darin be steht, die vielen Kom-

ponenten perfekt auf den jeweiligen Ein-satzbereich abzu stimmen.

Besonders die Verwendung hochwer-tiger Kunststoffe und ausgefeilter Tech-nologien hat immer wieder für Entwick-lungssprünge gesorgt. Was früher nur Vision war, ist heute technisch machbar. Scheinbare Gegensätze wie geringes Ge -wicht bei gleichzeitig möglichst hoher Stabilität lassen sich durch moderne Werk stoffe plötzlich auflösen. Wäh-rend sich zum Beispiel Ledersohlen auf regennassem Untergrund mit Wasser vollzusaugen pflegten, konnte mit der Ver wendung von Polyamiden eine dauer-haft leichte Schuhsohle realisiert wer-den. Besonders viel Aufwand betreiben Her stel ler bei der Entwicklung von Lauf- und Fußballschuhen – in diesen Massen-märk ten winken die größten Umsätze.

Eine entscheidende Rolle spielt das Sohlenmaterial eines Sportschuhs. Beim Laufschuh gelten gute Dämpfungs- und Abrolleigenschaften als wichtigstes Qua-litätsmerkmal. Beim Fußballschuh ist die Sohle mit ihrer unterschiedlichen Anzahl von Stollen, Nocken oder Noppen sogar die augenfälligste Besonderheit, denn der Grip ist auf dem Fußballfeld spiel-entscheidend: Spieler in dieser typischen Stop-and-go-Sportart müssen jeden Rich-tungswechsel und Sprint explosiv antre-ten können und beim Torschuss einen siche ren Stand finden. Torwartschuhe hingegen verfügen über eine größere Optimales Dämpfungsverhalten des Laufschuhs durch Formmassen auf Basis von Polyamid 12

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20 VESTAMID EVONIK-MAGAZIN 2/2009GESTALTEN

20_Evonik_02-09_DE Abs2:2020_Evonik_02-09_DE Abs2:20 24.04.2009 16:48:55 Uhr24.04.2009 16:48:55 Uhr

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Anzahl von Stollen im äußeren Bereich der Sohle, um eine höhere Standfestigkeit beim Absprung zu gewährleisten.

Kein Wunder, dass ein Kunststoff wie VESTAMID – chemische Bezeichnung: Polyamid-12-Elastomer – aus der Pro-duktion der Evonik Industries AG bei der Sportschuhindustrie ausgesprochen be -gehrt ist. Marc Knebel, als Key-Ac count-Manager im Geschäftsgebiet High Per-formance Polymers von Evonik unter an de rem für Kunden aus der Sportindus-trie tätig und selbst Läufer, beschreibt die Vorzüge: „VESTAMID vereinbart schein-bar gegensätzliche Eigenschaften wie Flexibilität, geringes Gewicht und Sta-bilität und ist weitgehend unabhängig von Temperaturschwankungen.“ Diese Produkteigenschaften sorgen zum Bei-spiel bei einem High-End-Fußballschuh wie dem Adidas Predator TRX FG für eine außergewöhnlich hohe Stabi lität. In anderen Sportschuhen wird eine verän-derte Mischung von VESTAMID einge-setzt, was andere Eigenschaften des viel-seitigen Kunststoffs betont: Jetzt sorgt die hohe Elastizität dafür, dass die Zwi-schensohle auch nach starken Belastun-gen immer wieder in ihre Ursprungsform zurückkehrt.

Zusammen mit der Framas Kunst-stofftechnik GmbH aus Pirmasens sorg-te Evonik vor einigen Jahren für einen Quantensprung bei Fußballschuhen und entwickelte die federelastische Clip-

halterung für Stollen. Das Pfälzer Unter-nehmen Framas ist Weltmarktführer und fertigt im Jahr 5 bis 6 Millionen Paar Sohlen für den Bereich Funktionssport-schuhe. Für die Schnapphalterun gen des Predator fand eine besonders steife, glas-faserverstärkte Kunststoff mischung Ver-wendung. Die Stollen konnten auf diese Weise nicht mehr nach innen gegen die Fußsohle drücken. Die hohe Festigkeit des Mate rials verhindert, dass die Halte-rungen ausbrechen. Die Idee für bequem austauschbare Steck- und Klick-Verbin-dungen statt Schraubstollen gab es schon länger. Aber erst durch die Entwicklung entsprechender Kunst stoffe mit der nö -tigen Stabilität konnte sie in die Praxis umgesetzt werden. Das Zusammenspiel zwischen Rohstoffhersteller, Verarbei-ter und Sport artikler hatte perfekt funk-tioniert.

AUFPRALLSCHOCKVIELER TAUSEND SCHRITTENeben all den funktionellen Eigenschaf-ten ist nicht ganz unwichtig: „VESTAMID ist farbneutral und leicht einzufärben, auch das Lackieren und Bedrucken ist möglich“, so Marc Knebel. Und Adidas-Sprecher Oliver Brüggen ergänzt: „Für unseren Predator Powerswerve TRX FG ist das Material unentbehrlich, da es durch seine unvergleichliche Stabilität und Robustheit ein unersetzlicher Be -stand teil des Schuhs ist.“

Im Runningbereich findet man verschie-dene Typen VESTAMID in gelenk scho-nen den Sohlenkonstruktionen. Denn Laufschuhe sollen einerseits Leichtig-keit vermitteln, andererseits den Auf-prallschock vieler Tausend Schritte dämp fen, bei denen je nach Tempo und Ge lände das Zwei- bis Dreifache des Kör-per gewichts auf dem Fuß lastet – Eigen-schaften, denen die verschiedenen Typen VESTAMID bei Verwendung in Mittel- oder Unter sohle gerecht werden. Das Material nimmt beim Verformen Energie auf, die zum Teil über eine Federwirkung als Impuls wieder an den Läufer abgege-ben wird. Auch bei der Produktion von Radsport- oder Fecht schuhen kommen Hochleistungs kunststoffe von Evonik zum Einsatz.

Übrigens: Im Jahr 1950 verzichte-ten die ohne ein einziges Spiel qualifi-zierten Inder auf ihre Teilnahme an der Fußball-WM in Brasilien, nachdem es ihnen nicht gestattet worden war, bar-fuß zu ihren Spielen anzutreten. Dage-gen sorgte die Südafrikanerin Zola Budd 1984 im Alter von 17 Jahren weltweit für Furore, als sie den Weltrekord im 5000-Meter-Lauf verbesserte – barfuß. Genau wie der Äthiopier Abebe Bikila, der bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom in Weltrekordzeit den Mara-thonlauf gewann – manchmal ist Sport halt doch einfach nur Laufen. Aber eben nur manchmal. <

Schuhkörper, Sohle und Fersenteil werden in einer Wärmekammer auf Klebetemperatur gebracht, bevor sie auf einem Leisten vereinigt werden

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Vom Sicherheitsstiefel zum High-End-FußballschuhFrüher war vielleicht vieles besser – Sportschuhe allerdings nicht. Der Weg von den ersten Fußball-Lederstiefeln hin zum aktuellen „Predator“ des Sport-schuh herstellers Adidas war lang.

Früher verdoppelten schwere Leder-stiefel ihr Gewicht bei Regen, heute sind

die Schuheigenschaften vom Wetter völlig unabhängig. Was zu Beginn des letzten Jahrhunderts als Fußballstiefel noch in Handarbeit gefertigt wurde und eher als Schutzschuh gedacht war – mit Stahl -kappe –, ist heute das Ergebnis jahrelanger Entwicklungsarbeit. Auch bei Lauf schuhen

ist der Forschungsaufwand hoch: Genau wie im anderen Massensport Fußball locken hohe Verkaufszahlen. Bis zur Jogging welle Anfang der 70er-Jahre lief man in den gleichen Tretern durch den Wald, die man auch zum Handball schnürte. Seit der Einführung von Lauf-

schuhen wurde besonderer Wert auf die Funktionen Dämpfen, Stützen und Führen gelegt. In den letzten Jahren wurden die zeitweise extrem hohen Fersenkeile aus orthopädischen Gründen wieder flacher gelegt – womit sich fast der Kreis zu den Modellen aus den 70er-Jahren schließt.

Keine NägelIn der Regel Nummer 14, welche die englische Football Association 1863 veröffentlichte, hieß es: „Das Tragen von hervorstehenden Nä-geln, Eisenplatten oder Guttaperchastückchen (kautschukähnliches Material aus dem Saft des Gummibaumes) auf Schuhsohlen oder Absätzen ist verboten.“

1925 Adolf („Adi“) Dassler meldet Fußball stiefel beim Patentamt an.Die Firma, die er gemeinsam mit seinem Bruder Rudolf führt, entwickelt Fuß-ballschuhe mit Stollen und Renn-schuhe mit Spikes.

1928Der Allround-Sport-schuh „Bahn“ der Gebrüder Dassler feiert Premiere bei den Olympischen Spielen in Amsterdam (Nieder lande) und wird von den Athleten glei-chermaßen für Wett-kämpfe auf Gras, Sand und Asche eingesetzt.

1930Der Fußball stiefel zur ersten Fußball-Weltmeister-schaft in Uruguay aus deutscher Produktion der Gemeinschaftsfirma der Dassler-Brüder. Genagelte Lederstollen sorgen für festen Stand, der hohe Schaft schützt die Knöchel.

1948Schuhmacher Albert Bünn meldet „eindrehbare Fußball stollen“ beim Patentamt an, kann sie aber nicht vermarkten.

1949Der erste Adidas-Fußballschuh mit einer Sohle aus vielen Gummi-Nocken statt einzelner Stollen oder Lederstreifen. Besonders auf harten Sand-plätzen kann man angenehmer spielen.

1952Bei den Olympischen Spielen in Hel-sinki (Finnland) gewinnt Emil Zátopek im „Adidas Marathon“ Gold über 5.000 Meter, 10.000 Meter und im Marathon. Neben Neuigkeiten wie einer saug fähigen Innensohle und der gepolsterten Zunge sorgte der Fersen riemen für einen festen Sitz.

1952/53 Serienmäßige Auslieferung von Schraubstollen-schuhen durch Rudolf Dassler, den Bruder Adolf Dasslers. 1954 gewinnt Hannover 96 damit die deutsche Meister-schaft. 1948 hatten sich die Wege der Brüder getrennt. Aus der gemeinsamen Firma wurden Puma (Rudolf) und Adidas (Adolf).

Das Wunder von BernEs war eine Revolution, als die deutsche Fußballelf bei der Weltmeisterschaft (WM) in der Schweiz mit auswechselbaren schlanken Nylonstollen auflief. Das Herberger-Team schaffte es 1954 im WM-Endspiel, auf durch-geweichtem Rasen den Favoriten Ungarn mit 3:2 zu schlagen. Die Schuhe der deutschen Fußballer beim Endspiel in Bern wogen 360 Gramm – fast halb so viel wie die

der ungarischen Gegner (Top-Schuhe wiegen heute weniger als 250 Gramm). Die von Adolf Dassler entwickelten Schraub-stollen brachten den deutschen Kickern entscheidende Vor-teile: einen besseren Antritt und eine höhere Stand festigkeit. Der überraschende Sieg gegen die mit altmodischen Leisten-schuhen ausgerüsteten Ungarn gilt als Geburtsstunde des modernen Fußballschuhs.

1958Der Puma-Formstreifen hat bei der Fußball-Weltmeister-schaft in Schweden seine Premiere als markantes Markenzeichen. Brasilien wird in Puma-Schuhen Weltmeister – mit einem damals 17-jährigen Pelé.

1961Der „New Balance Trackster“ ist weltweit der erste Laufschuh, der auf einer Rillensohle aufbaut und in verschiedenen Wei-ten erhältlich ist. Der Trackster wird zum meistgelaufe-nen Schuh an Colleges und inner-halb der YMCA-Fitness-Programme in den USA.

1964Adidas präsentiert den leichtesten Laufschuh aller Zeiten. 135 Gramm wiegt „Tokio 64“.

1968„Adidas Achill“: Lange vor der ersten Joggingwelle der erste in Deutschland speziell fürs Laufen entwickelte Schuh mit gedämpfter Zwischen-sohle und später auch Fersenkeil, vorher waren Läufer in normalen Sportschuhen unterwegs gewesen.

1970 Einer der ersten Laufschuhe ist der „Brütting Roadrunner“ mit dämpfender Schicht in der Zwischen sohle, Vor- und Rückfuß befinden sich auf einer Ebene. Brütting-Hand-made-Sportschuhe werden noch immer anhand der Originalleisten in Deutsch-land gefertigt.

1980 „Adidas Marathon Trainer“: Gute Dämpfung, griffiges Sohlenprofil, angenehmer Sitz und Mesh-Ober-material für eine gute Belüftung machen dieses Modell zu einer Erfolgsgeschichte für den Hersteller.

1991 „Puma Disc“: Das Disc-System ermöglicht es Sportlern, ihre Sportschuhe ohne Schnürung zu schließen.

1993„Nike Air Fuego M“: Der erste Fußballschuh mit Luft dämpfung. Nike überträgt hier die bei Laufschuhen bereits seit über zehn Jahren bewährte Dämpfungs techno logie erstmals auf den Bereich Fußball.

1994„Adidas Predator“: Das schuppige Obermate-rial aus einer speziellen Gummi mischung soll die Ball kontrolle verbessern. Später wird sogar Haifisch-haut als Material vorge-schlagen, aber nicht in der Massenproduktion ein-gesetzt. Die Idee schuppen-artiger Rippen auf der Schuh oberfläche wird je-doch unter Verwendung künstlicher Materialien weiterverfolgt.

1996„Puma Cell“: Die Cell-Dämpfungs-technologie basiert auf Luftkammern in der Sohle, in denen Luft durch dünne Strömungs-kanäle hin und her fließen kann. Durch diesen Luftaustausch wird der Fuß abgefedert und stabilisiert.

1997„Puma Cellerator“: Der erste gedämpfte Fußballschuh im Puma-Sortiment. Die Honigwabenform der Sohle gleicht stumpfe Stöße auf unebenem Untergrund aus.

2002„Adidas Predator Mania“: Schnapphaken als Stollen-halterungen statt Schraubstollen sind eine revolutionäre Ent-wicklung und brauchen Material höchster Bruchfestigkeit. Der Evonik-Kunststoff VESTAMID erfüllt dieses Kriterium.

2006„Nike Air Max 360“: Der erste Laufschuh, der ohne konventionelles Dämpfungsmaterial in der Zwischensohle auskommt. Stattdessen besteht die Sohle aus einem komplett durch-sichtigen Air-Element.

2008„Adidas Predator Power swerve“: State of the art – weiterhin wird VESTAMID für die Stollen-Schnapphaken eingesetzt.

Der intelligente Schuh Der „Adidas 1“ aus dem Jahr 2004 passt sich

über ein magnetisches Sensorsystem automatisch unterschiedlichen Anforderungen an. Ein

Mikroprozessor berechnet, ob die Dämpfung zu weich oder zu hart ist. Pro Sekunde

werden circa 1.000 Messungen vor-genommen und an den Mini-Computer im Schuh weitergeleitet. Die Anpassung erfolgt über ein motor-

betriebenes Kabelsystem, das während des Laufens stets

die optimale Dämpfung gewährleistet.

Weltmeisterschaft 1994: In den USA

kickt Jürgen Klinsmann im ersten Predator-

Modell – und gewinnt 3 : 2 gegen Belgien

Zwischenstopp auf der Reise in die ZukunftDer Fußballschuh ist heute ein Hightech-Produkt – in dem Kunststoffe wie VESTAMID eine größere Rolle spielen als je zuvor

Meilensteine in der Entwicklung des Sportschuhs

DIE FERSENKAPPE besteht aus einer Kunststoffschale: innen aus weichem Kunststoff für Komfort, außen aus einem harten Teil für Stabilität. Der verstärkte Schaft stützt zusätzlich. Der Druck auf die Achilles-sehne wird deutlich reduziert.

KUNSTSTOFF IN PROFI-FUSSBALLSCHUHEN ist in diesen Teilen nahezu immer zu fi nden: Sohlensystem, Dämpfungselemente, Brandsohle, aufgespritzte Schaftteile, Stollen. Es gibt auch Modelle aus 100 Prozent Kunststoff. Dämpfungs-elemente aus Kunststoff spielen anders als beim Laufschuh eine geringere Rolle, weil sie Raum benötigen. Ein höherer Stand verschlechtert aber das Ballgefühl. Die mechanischen Eigen-schaften der Kunststoff-Sohlen bleiben von Kälte, Wärme und Nässe un-beeinfl usst, ihre Elastizität sorgt für gelenkschonende Dämpfung.Finale gegen Brasilien: Zur Weltmeister-

schaft 2002 in Südkorea/Japan tragen die Deutschen den neuen „Predator Mania“

1987 „Asics GT II“:Der erste Lauf-schuh mit Gel-Dämpfung. Diese Flüssigkeit ersetzt feste Stoffe in der Zwischensohle und begründet ein neue Generation von Laufschuhen.

ASYMMETRISCHE SCHNÜRUNG an der Schuh außenseite. Vorteil: Der Kontakt zwischen Fuß und Ball beim Schuss ist unmittelbarer und wird nicht von den Schnürsenkeln behindert.

Der Sportschuh macht KarriereAus den USA kommt im Jahr 1979 mit dem „Nike Tailwind“ der erste Laufschuh mit einer Dämpfung aus einem Gas gemisch in der Zwischen sohle – eine bahnbrechende Ent wicklung. Die ersten Air-Modelle sind eher für Straßen-

läufe auf hartem Asphalt konstruiert und dem durch-schnittlichen mittel-europäischen Wald- und Park-läufer zu weich, was Hersteller Nike später für den europäischen Markt korrigiert.

Joschka Fischer 1985 bei seiner Vereidigung als hessischer Umwelt-minister – in Nike-Basketballschuhen

DIE GETEILTE KUNSTSTOFF-AUSSENSOHLE des „Adidas Predator“ verringert das Gewicht erheblich und ermöglicht ein natürliches Auftreten und Ab-rollen. Der Schuh hat außerdem in einer Einlegesohlen-Variante ein mit zehn Gramm Wolframpulver gefülltes Power-Pulse-Element. Das Pulver wird in einer

Kunststoffröhre beim Schuss zur „Vollbremsung“ gebracht – Energie für den Abschuss.

IN DER SWERVE-ZONE des „Adidas Predator“ auf

der Innenseite des Schuhs sorgen feine Rillen aus Gummi und Silikon

dafür, dass der Effekt beim Schuss verbessert

wird und der Ball – im Profi bereich eben falls aus Kunst stoff – wie

bei einem Antirutsch-system möglichst

lange am Fuß „klebt“.

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1989„Adidas Torsion“: Die Teilung der Sohle ermöglicht beim Aufsetzen eine natürliche Drehung zwischen Hinter- und Vor-fuß von der Ferse hin zum Ballen und bietet eine leichte Stütze für das Fußgewölbe.

SCHNAPPHAKEN-STOLLENSYSTEM:

Die Stollen des „Adidas Predator“ haben den geringsten Stollen-druck auf den Fuß, sorgen für optimale Griffi gkeit auf Rasen und lassen sich bei Bedarf leicht auswechseln. Möglich

ist diese Technologie durch die Nutzung eines besonders steifen Polyamid-12-

Elastomers VESTAMID mit einem Anteil von 23 Prozent

Glasfasern.

21-24_Innenklapper 2-321-24_Innenklapper 2-3 04.05.2009 16:04:32 Uhr04.05.2009 16:04:32 Uhr

Page 23: Evonik Magazin 2/2009€¦ · QUELLE: SIEMENS AG, PICTURES OF THE FUTURE, „Sieht aus wie ein Auto, fährt wie ein Auto – hat nur keine Abgase“ Dr. Andreas Gutsch über seine

Vom Sicherheitsstiefel zum High-End-FußballschuhFrüher war vielleicht vieles besser – Sportschuhe allerdings nicht. Der Weg von den ersten Fußball-Lederstiefeln hin zum aktuellen „Predator“ des Sport-schuh herstellers Adidas war lang.

Früher verdoppelten schwere Leder-stiefel ihr Gewicht bei Regen, heute sind

die Schuheigenschaften vom Wetter völlig unabhängig. Was zu Beginn des letzten Jahrhunderts als Fußballstiefel noch in Handarbeit gefertigt wurde und eher als Schutzschuh gedacht war – mit Stahl -kappe –, ist heute das Ergebnis jahrelanger Entwicklungsarbeit. Auch bei Lauf schuhen

ist der Forschungsaufwand hoch: Genau wie im anderen Massensport Fußball locken hohe Verkaufszahlen. Bis zur Jogging welle Anfang der 70er-Jahre lief man in den gleichen Tretern durch den Wald, die man auch zum Handball schnürte. Seit der Einführung von Lauf-

schuhen wurde besonderer Wert auf die Funktionen Dämpfen, Stützen und Führen gelegt. In den letzten Jahren wurden die zeitweise extrem hohen Fersenkeile aus orthopädischen Gründen wieder flacher gelegt – womit sich fast der Kreis zu den Modellen aus den 70er-Jahren schließt.

Keine NägelIn der Regel Nummer 14, welche die englische Football Association 1863 veröffentlichte, hieß es: „Das Tragen von hervorstehenden Nä-geln, Eisenplatten oder Guttaperchastückchen (kautschukähnliches Material aus dem Saft des Gummibaumes) auf Schuhsohlen oder Absätzen ist verboten.“

1925 Adolf („Adi“) Dassler meldet Fußball stiefel beim Patentamt an.Die Firma, die er gemeinsam mit seinem Bruder Rudolf führt, entwickelt Fuß-ballschuhe mit Stollen und Renn-schuhe mit Spikes.

1928Der Allround-Sport-schuh „Bahn“ der Gebrüder Dassler feiert Premiere bei den Olympischen Spielen in Amsterdam (Nieder lande) und wird von den Athleten glei-chermaßen für Wett-kämpfe auf Gras, Sand und Asche eingesetzt.

1930Der Fußball stiefel zur ersten Fußball-Weltmeister-schaft in Uruguay aus deutscher Produktion der Gemeinschaftsfirma der Dassler-Brüder. Genagelte Lederstollen sorgen für festen Stand, der hohe Schaft schützt die Knöchel.

1948Schuhmacher Albert Bünn meldet „eindrehbare Fußball stollen“ beim Patentamt an, kann sie aber nicht vermarkten.

1949Der erste Adidas-Fußballschuh mit einer Sohle aus vielen Gummi-Nocken statt einzelner Stollen oder Lederstreifen. Besonders auf harten Sand-plätzen kann man angenehmer spielen.

1952Bei den Olympischen Spielen in Hel-sinki (Finnland) gewinnt Emil Zátopek im „Adidas Marathon“ Gold über 5.000 Meter, 10.000 Meter und im Marathon. Neben Neuigkeiten wie einer saug fähigen Innensohle und der gepolsterten Zunge sorgte der Fersen riemen für einen festen Sitz.

1952/53 Serienmäßige Auslieferung von Schraubstollen-schuhen durch Rudolf Dassler, den Bruder Adolf Dasslers. 1954 gewinnt Hannover 96 damit die deutsche Meister-schaft. 1948 hatten sich die Wege der Brüder getrennt. Aus der gemeinsamen Firma wurden Puma (Rudolf) und Adidas (Adolf).

Das Wunder von BernEs war eine Revolution, als die deutsche Fußballelf bei der Weltmeisterschaft (WM) in der Schweiz mit auswechselbaren schlanken Nylonstollen auflief. Das Herberger-Team schaffte es 1954 im WM-Endspiel, auf durch-geweichtem Rasen den Favoriten Ungarn mit 3:2 zu schlagen. Die Schuhe der deutschen Fußballer beim Endspiel in Bern wogen 360 Gramm – fast halb so viel wie die

der ungarischen Gegner (Top-Schuhe wiegen heute weniger als 250 Gramm). Die von Adolf Dassler entwickelten Schraub-stollen brachten den deutschen Kickern entscheidende Vor-teile: einen besseren Antritt und eine höhere Stand festigkeit. Der überraschende Sieg gegen die mit altmodischen Leisten-schuhen ausgerüsteten Ungarn gilt als Geburtsstunde des modernen Fußballschuhs.

1958Der Puma-Formstreifen hat bei der Fußball-Weltmeister-schaft in Schweden seine Premiere als markantes Markenzeichen. Brasilien wird in Puma-Schuhen Weltmeister – mit einem damals 17-jährigen Pelé.

1961Der „New Balance Trackster“ ist weltweit der erste Laufschuh, der auf einer Rillensohle aufbaut und in verschiedenen Wei-ten erhältlich ist. Der Trackster wird zum meistgelaufe-nen Schuh an Colleges und inner-halb der YMCA-Fitness-Programme in den USA.

1964Adidas präsentiert den leichtesten Laufschuh aller Zeiten. 135 Gramm wiegt „Tokio 64“.

1968„Adidas Achill“: Lange vor der ersten Joggingwelle der erste in Deutschland speziell fürs Laufen entwickelte Schuh mit gedämpfter Zwischen-sohle und später auch Fersenkeil, vorher waren Läufer in normalen Sportschuhen unterwegs gewesen.

1970 Einer der ersten Laufschuhe ist der „Brütting Roadrunner“ mit dämpfender Schicht in der Zwischen sohle, Vor- und Rückfuß befinden sich auf einer Ebene. Brütting-Hand-made-Sportschuhe werden noch immer anhand der Originalleisten in Deutsch-land gefertigt.

1980 „Adidas Marathon Trainer“: Gute Dämpfung, griffiges Sohlenprofil, angenehmer Sitz und Mesh-Ober-material für eine gute Belüftung machen dieses Modell zu einer Erfolgsgeschichte für den Hersteller.

1991 „Puma Disc“: Das Disc-System ermöglicht es Sportlern, ihre Sportschuhe ohne Schnürung zu schließen.

1993„Nike Air Fuego M“: Der erste Fußballschuh mit Luft dämpfung. Nike überträgt hier die bei Laufschuhen bereits seit über zehn Jahren bewährte Dämpfungs techno logie erstmals auf den Bereich Fußball.

1994„Adidas Predator“: Das schuppige Obermate-rial aus einer speziellen Gummi mischung soll die Ball kontrolle verbessern. Später wird sogar Haifisch-haut als Material vorge-schlagen, aber nicht in der Massenproduktion ein-gesetzt. Die Idee schuppen-artiger Rippen auf der Schuh oberfläche wird je-doch unter Verwendung künstlicher Materialien weiterverfolgt.

1996„Puma Cell“: Die Cell-Dämpfungs-technologie basiert auf Luftkammern in der Sohle, in denen Luft durch dünne Strömungs-kanäle hin und her fließen kann. Durch diesen Luftaustausch wird der Fuß abgefedert und stabilisiert.

1997„Puma Cellerator“: Der erste gedämpfte Fußballschuh im Puma-Sortiment. Die Honigwabenform der Sohle gleicht stumpfe Stöße auf unebenem Untergrund aus.

2002„Adidas Predator Mania“: Schnapphaken als Stollen-halterungen statt Schraubstollen sind eine revolutionäre Ent-wicklung und brauchen Material höchster Bruchfestigkeit. Der Evonik-Kunststoff VESTAMID erfüllt dieses Kriterium.

2006„Nike Air Max 360“: Der erste Laufschuh, der ohne konventionelles Dämpfungsmaterial in der Zwischensohle auskommt. Stattdessen besteht die Sohle aus einem komplett durch-sichtigen Air-Element.

2008„Adidas Predator Power swerve“: State of the art – weiterhin wird VESTAMID für die Stollen-Schnapphaken eingesetzt.

Der intelligente Schuh Der „Adidas 1“ aus dem Jahr 2004 passt sich

über ein magnetisches Sensorsystem automatisch unterschiedlichen Anforderungen an. Ein

Mikroprozessor berechnet, ob die Dämpfung zu weich oder zu hart ist. Pro Sekunde

werden circa 1.000 Messungen vor-genommen und an den Mini-Computer im Schuh weitergeleitet. Die Anpassung erfolgt über ein motor-

betriebenes Kabelsystem, das während des Laufens stets

die optimale Dämpfung gewährleistet.

Weltmeisterschaft 1994: In den USA

kickt Jürgen Klinsmann im ersten Predator-

Modell – und gewinnt 3 : 2 gegen Belgien

Zwischenstopp auf der Reise in die ZukunftDer Fußballschuh ist heute ein Hightech-Produkt – in dem Kunststoffe wie VESTAMID eine größere Rolle spielen als je zuvor

Meilensteine in der Entwicklung des Sportschuhs

DIE FERSENKAPPE besteht aus einer Kunststoffschale: innen aus weichem Kunststoff für Komfort, außen aus einem harten Teil für Stabilität. Der verstärkte Schaft stützt zusätzlich. Der Druck auf die Achilles-sehne wird deutlich reduziert.

KUNSTSTOFF IN PROFI-FUSSBALLSCHUHEN ist in diesen Teilen nahezu immer zu fi nden: Sohlensystem, Dämpfungselemente, Brandsohle, aufgespritzte Schaftteile, Stollen. Es gibt auch Modelle aus 100 Prozent Kunststoff. Dämpfungs-elemente aus Kunststoff spielen anders als beim Laufschuh eine geringere Rolle, weil sie Raum benötigen. Ein höherer Stand verschlechtert aber das Ballgefühl. Die mechanischen Eigen-schaften der Kunststoff-Sohlen bleiben von Kälte, Wärme und Nässe un-beeinfl usst, ihre Elastizität sorgt für gelenkschonende Dämpfung.Finale gegen Brasilien: Zur Weltmeister-

schaft 2002 in Südkorea/Japan tragen die Deutschen den neuen „Predator Mania“

1987 „Asics GT II“:Der erste Lauf-schuh mit Gel-Dämpfung. Diese Flüssigkeit ersetzt feste Stoffe in der Zwischensohle und begründet ein neue Generation von Laufschuhen.

ASYMMETRISCHE SCHNÜRUNG an der Schuh außenseite. Vorteil: Der Kontakt zwischen Fuß und Ball beim Schuss ist unmittelbarer und wird nicht von den Schnürsenkeln behindert.

Der Sportschuh macht KarriereAus den USA kommt im Jahr 1979 mit dem „Nike Tailwind“ der erste Laufschuh mit einer Dämpfung aus einem Gas gemisch in der Zwischen sohle – eine bahnbrechende Ent wicklung. Die ersten Air-Modelle sind eher für Straßen-

läufe auf hartem Asphalt konstruiert und dem durch-schnittlichen mittel-europäischen Wald- und Park-läufer zu weich, was Hersteller Nike später für den europäischen Markt korrigiert.

Joschka Fischer 1985 bei seiner Vereidigung als hessischer Umwelt-minister – in Nike-Basketballschuhen

DIE GETEILTE KUNSTSTOFF-AUSSENSOHLE des „Adidas Predator“ verringert das Gewicht erheblich und ermöglicht ein natürliches Auftreten und Ab-rollen. Der Schuh hat außerdem in einer Einlegesohlen-Variante ein mit zehn Gramm Wolframpulver gefülltes Power-Pulse-Element. Das Pulver wird in einer

Kunststoffröhre beim Schuss zur „Vollbremsung“ gebracht – Energie für den Abschuss.

IN DER SWERVE-ZONE des „Adidas Predator“ auf

der Innenseite des Schuhs sorgen feine Rillen aus Gummi und Silikon

dafür, dass der Effekt beim Schuss verbessert

wird und der Ball – im Profi bereich eben falls aus Kunst stoff – wie

bei einem Antirutsch-system möglichst

lange am Fuß „klebt“.

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1989„Adidas Torsion“: Die Teilung der Sohle ermöglicht beim Aufsetzen eine natürliche Drehung zwischen Hinter- und Vor-fuß von der Ferse hin zum Ballen und bietet eine leichte Stütze für das Fußgewölbe.

SCHNAPPHAKEN-STOLLENSYSTEM:

Die Stollen des „Adidas Predator“ haben den geringsten Stollen-druck auf den Fuß, sorgen für optimale Griffi gkeit auf Rasen und lassen sich bei Bedarf leicht auswechseln. Möglich

ist diese Technologie durch die Nutzung eines besonders steifen Polyamid-12-

Elastomers VESTAMID mit einem Anteil von 23 Prozent

Glasfasern.

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ANWENDEN I MURMANSK EVONIK-MAGAZIN 2/2009

Evonik hilft bei der Entsorgung russischer Atom-U-Boote, die drohen, das Nordmeer zur Am Friedhof

Atom-U-Boote der ehemals größten Flotte der Welt warten bei Murmansk auf ihre Verschrottung

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radioaktiven Müllhalde zu machen der Atom-U-Boote

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In der Nähe von Murmansk unterhalten die russischen Streitkräfte wichtige Stützpunkte. An der auch im Winter eisfreien Bucht werden heute die Überreste des Zweiten Weltkriegs entsorgt – in Handarbeit

Der Krieg ist vorbei – nicht ganz

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TEXT HARALD CARL

HABEN SIE SCHON EINMAL das Ge fühl gehabt, dass die Sonne nie wieder über der Erde aufgehen wird? Oder dass die Nacht plötzlich vergisst, hereinzubrechen? Jeden Winter wird das Leben auf der Halb insel Kola für zwei Monate von der legendä ren Polar-nacht überdeckt; der Himmel wird zu die-ser Zeit nur vom Nordlicht erhellt. Im Juni und Juli verwandelt sich die Halbinsel Kola in einen komplett anderen Ort, dann wird das Land ganztags vom grellen Sonnenschein des Polartags eingehüllt. Doch das ist es nicht, was den Menschen hier Angst macht.

Die russische Grenze zu Skandinavien verläuft vom Finnischen Meerbusen unge-fähr 1.300 Kilometer an Finnland und Nor-wegen vorbei bis zur Barentssee. In diesem Gebiet, dem russischen Skandinavien, liegt auf 68° 58’ nördlicher Breite und 33° 05’ östlicher Länge Murmansk. Es ist die größte Stadt nördlich des Polarkreises. Dort leben ungefähr 450.000 Menschen. In der Zeit des „Kalten Krieges“ galt Murmansk als Hoch-burg militärischer Aktivitäten und Geheim-nisse. In dieser Region wurde das ungeheure Atombombenpotenzial der gesamten Eis-meerflotte gelagert. Eine Stadt vom Krieg für den Krieg. Der Krieg ist vorbei – doch in einer der zahlreichen Buchten 60 Kilometer nördlich von Murmansk hat er bis heute Spu-FO

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In Murmansk wird Geschichte entsorgt – fachmännisch

ren hinterlassen. Hier lagern 120 Atom-U-Boote, die von der russischen Marine außer Dienst genommen wurden. Als Spezialist für Bau- und Kerntechnik trägt die Evonik Industries AG mit der Planung und dem Bau eines Langzeitlagers und eines nuklearen Entsorgungszentrums zur fachgerechten Entsorgung der radioaktiven Wracks bei.

EWN UND EVONIK: STARKE PARTNER AUS DEUTSCHLANDNicht nur für die Umwelt sind die U-Boot-Wracks eine Gefahr, auch der Sicherheits-aspekt spielt eine wesentliche Rolle: Die radio aktiven Stoffe könnten in die Hände von Terroristen fallen. Nicht zuletzt deshalb wur-de auf dem Weltwirtschaftsgipfel im kana-dischen Kananaskis im Juni 2002 von den anwesenden Staatschefs eine „Globale Part-nerschaft gegen die Verbreitung von Mas-senvernichtungswaffen und -materialien“ gegründet. Die beteiligten 21 Staaten verein-barten, bis zum Jahr 2012 die chemischen und nuklearen Gefahrenquellen in Russland zu beseitigen. Das Großprojekt wird im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums durch-geführt, die Gesamtleitung für das technisch äußerst anspruchsvolle Vorhaben liegt bei der bundeseigenen Gesellschaft Energiewerke Nord GmbH (EWN). EWN ist Experte für den Rückbau kerntechnischer Anlagen und kann auf knapp zwei Jahrzehnte Erfahrung Auf einer Werft in Murmansk werden die Waffen aus einem U-Boot ausgebaut

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zurückblicken: Mit dem Abbau der Kern-kraftwerke in Lubmin bei Greifswald und in Rheinsberg wickelt sie den weltweit größ-ten kerntechnischen Rückbau erfolgreich ab und leistet mit dem Rückbau des Ver-suchsreaktors AVR (Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor Jülich) in Jülich und der Wiederaufarbeitungs anlage WAK (Wieder-aufarbeitungsanlage Karls ruhe) in Karlsruhe zum Teil kerntechnische Pio nierarbeit.

Beim aktuellen Murmansk-Projekt be auf-tragte die EWN die Evonik Energy Services

GmbH mit der technischen Umsetzung. Die Ingenieure beider Unternehmen kennensich aus der jahrelangen, vertrauensvollen Zusammenarbeit in den genannten EWN-Projekten, und so erschien es nur konsequent, auch gemeinsam die Herausforderungen in Mur mansk anzupacken.

Der Auftrag an Evonik: Planung und Er -richtung eines Langzeitlagers und eines Ent-sor gungszentrums für die ausgemusterten Atom-U-Boote, „inklusive der gesamten Bau-planung, der kerntechnischen Anlagen- und

der vertieften Genehmigungs planung“, so Ludger Richter, gemeinsam mit seinem Kolle-gen Dr. Goswin Schreck der Projektleiter. Im ersten Schritt nahmen Richter und Schreck das Langzeitlager in Angriff, wo 150 Reaktor-sektionen, zwei komplette Atom-U-Boote und 26 weitere nukleare Sektionen von Atom-Eisbrechern, -Kreuzern und -Service-schiffen zwischengelagert werden sollen. Neben der eigentlichen Lagerfläche – der Beton platte – musste die gesamte Infrastruk-tur geplant und realisiert werden: vom Schiffsanleger und den Transportschienen bis hin zu den Zufahrtsstraßen und den Bau-stellen- und Bewachungseinrichtungen. Die Betonplatte selbst ist zwischen 80 und 120 Zentimeter stark und mit 5,5 Hektar in etwa so groß wie sechs Fußballfelder. Vor Ort wird bisweilen unter ungewöhnlichen Umständen gearbeitet, wie Richter betont: „Die Arbeiter haben teilweise bei Temperaturen bis zu minus 20 °C (Celsius) betoniert, das ver-dient wirklich Respekt.“ Die zur Einlagerung bestimmten U-Boote werden in die rund 25 Kilometer entfernte Nerpa-Werft geschleppt und mit dem Schwimmdock aus dem Wasser gehoben. Die eigentliche Einheit mit einem oder zwei Druckwasserreaktoren wird heraus getrennt, die seitlichen Abschnitte konventionell zerlegt und ihr Material als Stahlschrott verwertet. Die Reaktorsektio nen werden dann mit dem Schwimmdock zum Ein Mitarbeiter der Energiewerke Nord (EWN) zeigt die Reaktor-Sektion eines U-Boots

An den Ufern der Kola-Halbinsel bei Murmansk rosten

abgewrackte Kriegsschiffe der

russischen Nordmeerfl otte

vor sich hin

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Eine Reaktorsektion wird auf einem Kielblockträger ins Zwischenlager transportiert. Unten: Nördlich von Murmansk in der Sajda-Bucht entsteht das Entsorgungszentrum Sajda (EZS) in unmittelbarer Nähe zum Langzeitlager. Es soll 2014 in Betrieb gehen

Entsorgungszentrum Sajda

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Strahl- und Beschichtungshalle

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Nordkap

NORWEGEN

FINNLAND

RUSSLAND

Murmansk

Barentssee

Kola-Halbinsel50 km

S U M M A R Y • 120 Atom-U-Boote warten bei Murmansk auf ihre Entsorgung. Viele wurden bereits in schwimmende Blöcke zerlegt, das Uran ist eine Gefahr für die Umwelt. • Auf dem Weltwirtschaftsgipfel 2002 wurde die Kostenübernahme von circa 300 Millionen € durch die G8-Staaten für eine sichere Entsorgung vereinbart. • Gemeinsam mit der Energiewerke Nord GmbH arbeit die Evonik Energy Services GmbH am Bau eines Langzeit lagers und eines Entsorgungszentrums.

Lagerplatz zurückgebracht. „Für den Trans-port der Reaktorsek tionen an Land haben wir verschiedene Varianten durchgeprüft und uns schließlich für Kielblockträger ent-schieden“, erläutert Richter. Deutschland lie-fert insgesamt 50 dieser Schwerlasttransport-systeme, die jeweils eine Tragfähigkeit von 400 Tonnen haben und auf Schienen laufen, die in der Werft, im Dock und auf der Stapel-platte des Langzeitlagers verlegt wurden. Das Langzeitlager ist inzwischen weitgehend fer-tiggestellt, und die Einlagerung läuft: Inzwi-schen wurden schon 29 Reaktor sektionen – jede einzelne bis zu 1.600 Tonnen schwer und rund zehn Meter im Durchmesser – auf der riesigen Betonfläche abgestellt. Hier sol-len sie mindestens 70 Jahre bleiben. Danach ist die Radioaktivität so weit abgeklungen,

dass sie ohne zu großen technischen Auf-wand für eine Endlagerung zerlegt werden können. Bis es so weit ist, werden die Reaktor-sektionen etwa alle zehn Jahre gereinigt und mit einem neuen Schutzanstrich versehen – auch dafür errichtete Evonik eigens eine Strahl- und Beschichtungshalle.

NICHT EBEN MAL HINFAHREN, WENN ES EIN PROBLEM GIBT Für Goswin Schreck und Ludger Richter ist das Langzeitlager (LZL) „nur“ eine Etappe im Großprojekt, sie arbeiten inzwischen mit Hochdruck am nächsten Abschnitt: dem Ent-sorgungszentrum Sajda (EZS) zur Konditio-nierung und Lagerung von schwach und mittel radioaktiven, festen Abfällen. Die Stof-fe stammen aus dem nordwestlichen Gebiet der russischen Förderation von ehemaligen und noch bestehenden Militärbasen. Das EZS wird in Anlehnung an das Zwischen lager Nord der EWN gebaut, das direkt an das still-gelegte Kernkraftwerk Lubmin angrenzt und in dem Abfälle und Reststoffe aus den ehe-maligen fünf Reaktorblöcken untergebracht werden. Richter und Schreck rechnen mit rund fünf Jahren Bauzeit: „Bau beginn für das EZS ist noch dieses Jahr, für Ende 2014 ist die Fertigstellung vorgesehen“, so Schreck. Dass es nicht immer einfach ist, die Vorstel-lungen auf deutscher und russischer Sei-te unter einen Hut zu bekommen, sehen sie

bereits heute: „Die Abstimmung im admi-nistrativen Bereich nimmt genauso viel Zeit in Anspruch wie die technischen Fragen“, betont Schreck. So liegt die Gesamtprojekt-leitung zwar in den Händen von EWN, doch die Arbeiten vor Ort dürfen nur von zuge-lassenen russischen Firmen nach russischen Normen und Gesetzen durchgeführt werden. Zudem ist die Sajda-Bucht immer noch streng abgeschirmtes militärisches Sperrgebiet. „Da kann man nicht mal eben hinfahren, wenn es ein Problem gibt“, sagt Richter. Umso höher ist die gemeinsame Leistung einzuschätzen, die beide Seiten bisher erbracht haben und noch weiter erbringen wollen – zum Nutzen der Umwelt und der Menschen, die in Mur-mansk und Um gebung leben. <

Planung der nächsten Schritte: Projektleiter der Evonik Energy Services GmbH Ludger Richter (l.) und Dr. Goswin Schreck

Einsatz im militärischen Sperrgebiet

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Entkernte KraftKernkraftwerke müssen nach ihrer Stilllegung sorgfältig demontiert werden. Die Experten der Evonik Energy Services GmbH haben dafür das spezielle Know-how. Und das Verantwortungsbewusstsein

TEXT MICHAEL KÖMPF

VERALTETE kerntechnische Anlagen sind kein Fall für den Abrissbagger oder die Schrottpresse. Die Technik muss Stück für Stück mit Sicherheitsmaßnahmen, die teil-weise jene für den Anlagen-Neubau über-steigen, zerlegt werden: von innen nach außen, vom Kern bis zur Hülle. „Rückbau ist kein Abriss“, sagt Dr. Goswin Schreck, Abtei-lungsleiter Nuclear Interna tional D&D bei der Evonik Energy Services GmbH in Essen. Das Unternehmen sorgt weltweit für die sichere Demontage kerntechnischer Anla-gen, oft im Auftrag der Energiewerke Nord GmbH (EWN), des bundeseigenen Experten für Rückbau. „Wir gehen nicht rein destruk-tiv zu Werke. Um ein Kernkraftwerk zerle-gen zu können, werden zunächst Vorrich-tungen aufgebaut“, so Schreck.

So etwa beim Rückbau des Versuchs-reaktors am Forschungszentrum Jülich (AVR). Dort errichteten die Ingenieure zu nächst einmal Neues, damit sie Altes besei-tigen kön nen: „In Jülich haben wir eine Vor-richtung installiert, um den Reaktor behälter auszubauen“, erläutert Kerntechnik -Exper-te Schreck. Denn das einstige Herzstück der Anlage soll als komplette Einheit demontiert und in ein Zwischenlager gebracht werden, zum Abklingen der Radio aktivität. Dazu baute man bereits direkt an das Reaktor-

gebäude eine Materialschleuse an. Pla-nung und Baubegleitung übernahmen die Ingenieu re der Evonik Industries AG. Die Essener – General planer für das gesam-te Projekt – entwarfen zudem die komplet-te Hebetechnik und den anschließenden Transport für den Stahl koloss. Keine leich-te Aufgabe, denn: „Immerhin müssen 2.300 Tonnen angehoben und in die Horizontale gebracht werden“, erklärt Schreck. Auch das gesamte Genehmigungsverfahren beglei-ten er und seine Kollegen, die allesamt lange Erfahrung in der Kerntechnik besitzen und

bereits einige Reaktoren abgebaut haben. Der Rückbau „bis zur grünen Wiese“ in Jülich soll im Jahr 2013 abgeschlossen sein.

120 KRAFTWERKE WARTENUnabhängig von allen politischen Entschei-dungen ist der Rückbau kerntechnischer Anlagen bereits seit Langem ein Thema für Entwickler, Serviceunternehmen und Anlagenbetreiber. Und in Zukunft auch ein lukrativer Markt, denn: Bereits heute ste-hen weltweit rund 120 Kernkraftwerks-blöcke still und warten auf ihre Demon-tage. Seit über einem Vierteljahrhundert werden sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene – teilweise geför-dert durch das Bundesministerium für Bil-dung und Forschung (BMBF) oder die Euro-päische Kommission – intensiv Strategien und Techniken für den Rückbau ingenieur-wissenschaftlich entwickelt, untersucht, optimiert und in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden qualifiziert. „Obers-tes Ziel aller Maßnahmen ist es, die Umge-bung und die Bevölkerung vor radioaktiver Strahlenbelastung zu schützen und diese für das Betriebspersonal auf ein vertretbares Minimum einzugrenzen“, erläutert Schreck die wichtigste Aufgabe bei allen Rückbau-aktivitäten.

Die Demontage von Versuchsreaktoren oder Kernkraftwerken muss also detailliert

Vor der Verschrottung prüfen Nuklear-Experten Anlagenteile auf Unbedenklichkeit

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34 RÜCKBAU EVONIK-MAGAZIN 2/2009ANWENDEN II

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Seit Sommer 2004 wird das Kernkraftwerk

Mülheim-Kärlich zurückgebaut. Die

Demontage wird circa zehn Jahre dauern

Auch die außen liegenden Bauteile werden beim Rückbau demontiert – wie dieser Kondensatspeicher für den Sekundärkreislauf des Kernkraftwerks

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und sorgfältig geplant werden, damit nach und nach alle Anlagenteile entfernt werden können. „Die Reaktoren werden von den geringer aktivierten Komponenten zu den höher aktivierten Komponenten zerlegt. Sie werden quasi entkernt“, erklärt Josef H. Platzköster, Bereichsleiter Nuclear Techno-logies bei der Evonik Energy Services GmbH. Besonders wichtig dabei: die Unterschei-dung zwischen nuklearen und nicht nuklea-ren Anlagenteilen. Denn die meisten nicht von Strahlung betroffenen Anlagenteile können sofort nach der Still legung des Kern-kraftwerks entfernt werden. Schreck: „Etwa 92 Prozent der Gesamt reststoff masse beim Rückbau sind rein konventioneller Art.“ Die-ser Anteil kann nach einer Frei messung dem Stoffkreislauf zurück geführt werden: Der Stahl findet sich zum Beispiel später wieder in Schrauben, Turbinen und Messern, und der Beton wandert unter anderem in den Straßenbau. Knapp fünf bis sechs Prozent der Reststoffe gehen wieder zurück in den kerntechnischen Kreislauf. Sie werden bei-spielsweise eingeschmolzen und unter ande-rem zu Lagerbehältern verarbeitet. Rund ein bis zwei Prozent des gesamten Volumens bleiben schließlich übrig und müssen in ein Endlager verfrachtet werden.

Die Kerntechnikspezialisten aus Essen waren als Generalunternehmer auch für die Demontage des Forschungsreaktors der Uni-

versität in Frankfurt (FRF) verantwortlich und schafften die Voraussetzungen dafür, dass an seiner Stelle heute eine komplett neue Wohnsiedlung mit Hotel, Schwimm-bad und Einkaufsmeile steht. „Wenn man das Rebstockgelände heute sieht, denkt man nicht mehr an den Forschungsreaktor, der dort einmal stand“, sagt Schreck.

KONZEPTE FÜR DEN NOTFALL Errichtet wurde der FRF in den 60er-Jah-ren als Versuchsreaktor für Bestrahlungs-proben und Ende der 70er-Jahre bereits still-gelegt. Im Jahr 2005 begann der Abbau. Die Nuklear-Spezialisten von Evonik übernah-

men als Generalunternehmer mit einem Partner den Rückbau der kerntechnischen Einrichtungen.

Die Essener verstehen sich als Inge-nieurdienstleister. Über die Planung hi naus arbeitet Evonik deshalb mit Fachunterneh-men zusammen, die dann die konkreten Arbeiten durchführen. In Frankfurt bedeute-te das zunächst die Entfernung des Reaktor-Innenlebens: „Stahlbauteile wurden entnom-men und in entsprechenden Behältern sicher verpackt“, erinnert sich Schreck. Anschlie-ßend zerlegten Fachleute den sogenannten Bioschild aus Schwerbeton. Dieser schirmte die Mitarbeiter des Reaktors vor radioaktiver Strahlung ab. Die Technik, die man bei der Demontage nutzt, ist nicht neu: „Alles alt-bekannte Ingenieurtechnik wie Bohren und Sägen. Man muss nur die besonderen Gege-benheiten berücksichtigen“, so Schreck. Das bedeutet: In kritischen Bereichen arbeiten Roboter, oder man nutzt Baugeräte mit Fern-steuerung.

Der Sicherheitsanspruch dabei ist enorm hoch, aber absolut notwendig: „Man hat eine große Verantwortung, und die muss sich in der Planung jedes Schrittes wider-spiegeln“, erläutert Platzköster. So entwer-fen die Experten Konzepte, um auch für den möglichen Ausfall ihrer Werkzeuge gewappnet zu sein. Denn verhakt sich zum Beispiel bei einer Bohrmaschine an einer

Der KonsensvertragMit dem sogenannten „Atomkonsens“ zwischen der deutschen Bundes-regierung und den Energieversorgungs-unternehmen wurde im Juni 2000 für Deutschland der Ausstieg aus der Kern-energie festgelegt. Diese Vereinbarung bedeutet, dass alle in Deutschland betriebenen Kernkraftwerksblöcke nach Erzeugung einer Reststrommenge, die für jeden Kraftwerksblock spezifisch festgelegt ist, endgültig abgeschaltet und gesichert abgebaut werden.

Bohren und Sägen – unter

besonderen Gegebenheiten

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Fachmännische Zerlegung des Wärmetauschers eines Kühlsystems

36 RÜCKBAU EVONIK-MAGAZIN 2/2009ANWENDEN II

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kontaminierten Stelle ein Span, können die Arbeiter dort aus Sicherheitsgründen nicht einfach eingreifen. „Dafür müssen wir ein zu verlässiges Bergungskonzept vorsehen“, sagt Schreck. Das sei aufwendig, aber die hohe Verantwortung gebiete dieses Vor-gehen, so Platzköster.

NUR NOCH DIE HÜLLE BLEIBTAls die Demontage der aktiven Reaktor-bereiche abgeschlossen war, rückte ein Mess trupp auf dem Rebstockgelände an und über prüfte „jeden Quadratzentimeter von Wänden, Böden und Decken auf radio aktive Kontamination“, erklärt Schreck. Und erst als nachgewiesen war, dass alle zulässigen Grenzwerte unterschritten waren, wurde die Anlage aus dem Atomgesetz entlassen. „Dann kamen tatsächlich die Bagger mit der Abrissbirne.“

So weit ist es bei einem anderen aktuel-len Projekt, an dem die Ingenieure von Evonik derzeit beteiligt sind, allerdings noch nicht: Das stillgelegte RWE-Kernkraftwerk

Mülheim-Kärlich wird seit Sommer 2004 zurückgebaut. Wie der Energiekonzern mit-teilt, finden derzeit die meisten Rückbauakti-vitäten innerhalb des Reaktorgebäudes statt: Kilometerlange Kabelstränge, zahlreiche Pumpen, Behälter, Armaturen und Rohrlei-tungen sind bereits entfernt. Aktuell laufen außerdem vorbereitende Arbeiten, um mit der Entkernung des Maschinenhauses zu beginnen. Bereits in wenigen Jahren soll von dem Gebäude nur noch die Hülle stehen. Von den insgesamt knapp 300.000 Tonnen Mate-rial des Reaktorgebäudes mit Betonhülle kamen laut RWE-Angaben rund 16.000 Ton-nen mit Radioaktivität in Kontakt. Ein Groß-teil davon kann gereinigt und nach entspre-chender Kontrolle dem Wertstoffkreislauf zugeführt werden, so der Energiekonzern. Übrig bleiben soll dann eine Abfallmenge von knapp 3.000 Tonnen. Dabei handle es sich, so RWE, um schwach- und mittelradio-aktiven Abfall, der langfristig in dem geneh-mig ten Endlager Schacht Konrad in Salz gitter eingelagert werden soll.

Der Rückbau in Mülheim-Kärlich erfolgt – an ders als in Frankfurt – in mehreren Schrit-ten. Immerhin handelt es sich dort um ein Kraftwerk mit einer Nennleistung von 1.300 Megawatt. An der Planung einzelner Ab -schnitte sind die Mitarbeiter von Evonik be -teiligt; sie begleiten den Rückbau direkt vor Ort. Aber der Reaktor in Mülheim- Kärlich ist nicht das einzige Kernkraftwerk, an dem die Kerntechnik-Spezialisten von Evonikmitarbeiten: Auch an anderen Standorten Deutschlands sitzen Mitarbeiter vor Ort im Planungsteam und sind in die Vorbe rei-tungen zur Demontage involviert. <

Radioaktiv verschmutzte Oberfl ächen werden mit Hochdruck gereinigt

S U M M A R Y • Die Evonik Energy Services GmbH ist welt-weit am Rückbau von Kernkraftwerken beteiligt, vom Genehmigungsverfahren über Planung, Baubegleitung bis zum Abtransport. • Der Rückbau erfolgt stückweise, die Zerlegung von innen nach außen. • Zuerst werden die konventionellen Bau-teile entfernt. 92 Prozent aller Kom po-nenten sind nicht radioaktiv belastet, der Großteil wird wiederverwertet. • Wichtigste Aufgabe ist es, Umgebung und Mitarbeiter vor Strahlenbelastung zu schützen. Es gelten hohe Auflagen. • Zukunftsmarkt Rückbau: Weltweit warten 120 Kernkraftwerke auf Demontage.

Blick in das Brennelementbecken im Reaktor des Kernkraftwerkes Mülheim-Kärlich

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Talentierte Wüsten-NussAuf Raps und Soja als Rohstoff für Biodiesel folgt nun eine sehr genügsame Pfl anze: Die unscheinbare Purgiernuss „Jatropha“ bietet neue Perspektiven – ökologisch und sozial

Eine Handvoll Jatropha curcas: Mit dem Öl der Purgiernuss wird man

in Zukunft Motoren antreiben

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TEXT THOMAS LANGE

GESTATTEN, Jatropha curcas, Wolfsmilch-gewächs. Alter: 70 Millionen Jahre. Früher als Abführmittel tätig, widme ich mich dem-nächst neuen Aufgaben: dem Um weltschutz zum Beispiel, denn ich bin äußerst klima-freundlich. Und ein richtiger Pionier bin ich obendrein: Unwirtliches Land zu erobern ist für mich ein Leichtes. Ganz nebenbei helfe ich, die fossilen Ressourcen der Erde zu scho-nen. Ich bin der neue Hoffnungsträger!

Was nach gehöriger Selbstüberschätzung klingt, ist durchaus realistisch. Die unter dem bürgerlichen Namen Purgiernuss bekannte Pflanze soll wie Raps, Sojabohnen oder Kokosnüsse zu Biodiesel verarbeitet wer-den. Das allein wäre nichts Besonderes, doch Jatropha bietet gleich ein ganzes Füllhorn an Vorteilen, die weit über die Möglichkeiten von Raps und Co. hinausgehen.

In der öffentlichen Wahrnehmung ist vor allem von Bedeutung, dass Jatropha in kei-ner Konkurrenz zum Anbau von Nahrungs-mit teln steht: Die Purgiernuss ist nicht essbar und konkurriert auch nicht um Acker böden. Jatropha wächst vor allem im tropischen und subtropischen Raum, und das auch unter wüstenähnlichen Bedingungen. Ungenutztes Land lässt sich so bewirtschaften; das schafft Arbeitsplätze in strukturschwachen Regio-nen der Welt. Und mehr noch: Jatropha bie-

tet mit ihren oft mehr als zweieinhalb Metern Höhe anderen Pflanzen Schutz vor Wind- und Wassererosion. Schon nach einem Jahr lassen sich zwischen den Jatropha-Pflanzen auch Nahrungsmittel anbauen.

Wie alle Pflanzen hat Jatropha eine ausge-glichene CO2-Bilanz, weil bei der Verbren-nung nur so viel CO2 ausgestoßen wird, wie die Pflanze vorher aus der Luft aufgenom-men hat. Damit entsteht pro Tonne Bio diesel ein Nettoeinspareffekt von 2,7 Tonnen CO2 gegenüber fossilem Diesel. Durch den Ein-satz von Maschinen bei der Ernte wird wie-der CO2 ausgestoßen, bisher wird Jatropha jedoch nur per Hand geerntet.

DIE NUSS WIRD DOMESTIZIERT Prof. Dr. Klaus Becker von der Univer si tät Hohenheim in Stuttgart ist Jatropha- Experte der ersten Stunde. Seit knapp 20 Jahren forscht er an der Pflanze. „Damals war der Ölpreis noch sehr niedrig, und die öffentlichen Geld-geber sahen keine Notwendigkeit zur Jatro-pha-Forschung“, sagt er. Nicht so Michael Markolwitz und André Noppe von der Evonik Industries AG. Die beiden interessieren sich schon lange für die Purgiernuss. Als Produkt-manager und Vertriebsleiter stellen sie in Lülsdorf bei Köln Alkoholat-Katalysatoren her, die die Produktion von Bio diesel erst lohnenswert machen: Weil reines Pflanzen-öl bei kühlen Temperatu ren zu einer festen

Masse erstarrt, muss das Öl chemisch verän-dert werden. Durch Zugabe von Methanol bleibt das Pflanzenöl auch im Winter flüssig; der Katalysator von Evonik sorgt für eine effi-ziente Verbindung von Öl und Methanol. „Wir beobachten die Erforschung von Jatropha sehr genau“, sagt Noppe. „Deshalb haben wir unsere Katalysatoren bereits mit dem Öl aus der Jatropha-Pflanze getestet.“ Das Ergebnis: „Sie funktionieren zu 100 Prozent.“

Das Marktpotenzial ist gewaltig. Rund 30 Millionen Hektar eignen sich weltweit für den Jatropha-Anbau, schätzt die Daimler AG. Bereits bis 2012 wollen die Unterneh-men BP und D1 Oils 1 Million Hektar Land in Jatropha -Plantagen verwandeln.

Bevor die Purgiernuss jedoch industriell genutzt werden kann, muss sie erst noch domestiziert werden. „Bisher ist der Ertrag jeder Pflanze unterschiedlich hoch. Von gar nicht bis befriedigend“, erklärt Becker. Doch schon ist es gelungen, den in Jatropha enthal-tenen Giftstoff zu entfernen. „Das Pflanzen-mehl kann nun als Ersatz für Sojamehl, und damit als Tierfutter, dienen“, sagt Becker.

Markolwitz hört die Fortschritte in der Jatropha-Forschung gern. Er ist selbst ganz nah dran an der Purgiernuss: In seinem Büro steht ein selbst gezüchtetes Exemplar. Samen trägt es allerdings noch keine. Becker wun-dert das nicht; nach 20 Jahren hat er gelernt, geduldig zu sein. <FO

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Auf einer Versuchsfarm im indischen Bhavnagar im Bundesstaat Gujarat wird

Jatropha auf seine Wirtschaftlichkeit getestet. Die Frucht der immergrünen

Pfl anze enthält 25 bis 35 Prozent Öl. Bei einem Abstand von 2,5 Meter können

je nach Bodenbeschaffenheit und Klima jährlich zwei bis vier Tonnen der ölhaltigen

Nüsse pro Hektar geerntet werden

39ENTWICKELNBIODIESELEVONIK-MAGAZIN 2/2009

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Kinder, die mit dem Angebot des Internets aufwachsen, nennen

Forscher „Digital Natives“

Das Internet wird immer mehr zur Voraussetzung für Entwicklung und Wachstum – stößt aber an die Grenzen seiner Kapazität. Die Zukunft liegt in der Erweiterung des Breitbandinternets um die neue Glasfasertechnologie. Evonik hat den Rohstoff dafür, er heißt SIRIDION

In 80 Millisekunden um die Welt

40 SIRIDION EVONIK-MAGAZIN 2/2009KOMMUNIZIEREN

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TEXT THOMAS LANGE

VON EUROPA nach Australien in 0,28 Se -kunden. Unmöglich? Schon lange nicht mehr. Das Internet verbindet ganze Kontinente in Windeseile miteinander und erschafft im rasenden Tempo immer neue Anwen-dungen, die zuvor noch undenkbar schienen, wie Videokonferenzen, Livestreams oder Online-Spiele, in denen Tausende Menschen gleichzeitig über den ganzen Kontinent ver-netzt mitmachen.

Doch das Wachstum ist begrenzt, weitere Innovationen hängen von der Geschwindig-keit des Datenstroms ab. Die DSL-Technolo-gie stößt bereits an ihre Grenzen, weil sich die elektrischen Signale in den Kupferleitungen gegenseitig stören. Doch der Datenverkehr wächst unaufhaltsam: Im Web 2.0 steigt nicht nur die Zahl der passiven Benutzer, sondern auch die Zahl der aktiven Bearbeiter. Der US-amerikanische Netzwerkspezialist Cisco Sys-tems, Inc. erwartet bis 2012 eine Vervielfa-chung des monatlichen Datenverkehrs auf rund 44 Exabyte, also 44 Trillionen Byte.

Viele Länder sehen deshalb im Ausbau des Breitbandinternets eine Chance für das wirtschaftliche Wachstum – gerade jetzt in Zei ten der Wirtschaftskrise: Neue Arbeits-plätze, Standortvorteile für Unternehmen und ländliche Gemeinden, innovative Breit band-dienste und die Steigerung der Lebensqualität sollen die Wirtschaft ankurbeln. In Deutsch-land etwa sollen 75 Prozent aller Haushalte bis Ende 2014 über Internet-Verbin dungen mit mindestens 50 Megabit pro Sekunde ver-fügen. Zahlreiche Technologien wie Satel-liten-Verbindungen, Funk netze oder DSL ste-hen für dieses Ziel zur Auswahl. Doch welche Lösung ist die beste? Die Bundes regie rung hat sich bereits festgelegt: „Glas faser anschluss-technologien sind die optimalen Breitband-technologien, wenn höchste Bandbreiten

Die Zukunft hängt an einem gläsernen Kabel

42 Lichtwellenleiter und Glasfaserkabel – die neuen Leitungen

So funktioniert VDSL

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Verbreitung von Breitband-Anschlüssen

Die Zahl der Breitband-Anschlüsse in der Europäischen Union (EU) wächst schnell. Skandinavien liegt vorne, aber auch die östlichen Staaten Europas holen stark auf.

VDSL ist ein Hybridnetz aus Glasfaserkabeln und bestehenden Kupferleitungen. Ausgehend von den Ortsvermittlungsstellen werden per Glasfaser die DSL-Vermitt-lungsstellen (DSLAM) versorgt, die jeweils 100 Haushalte bedienen. Von den Kabelverzweigern (Ortsverteilern) am Straßenrand führen Kupferkabel wenige Hundert Meter direkt zum Nutzer. Die Glasfaser bestreitet die lange Strecke.

Kern

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Der Kerndurchmesser einer Faser liegt zwischen 50 und 1.500 millionstel Metern (μm). Am Anfang der Übertragungsstrecke wandeln Leucht- oder Laserdioden digital aufbereitete elektrische Signale in Lichtimpulse um. Am Ende verwandeln Foto-dioden die optischen Signale wieder in elektromagnetische Impulse. Kupferleitungen arbeiten mit elektrischen Signalen, Glasfaserkabel mit Photonen.

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mit hohen Qualitäts anfor derungen zur Ver-fügung gestellt werden sollen“, heißt es in einem Strategie papier des Bundesministe-rium für Wirtschaft und Technologie. Doch ganz so einfach ist es nicht: Die Investitions-kosten für die Bereitstellung einer flächen-decken den Glasfaser-Infrastruktur sind hoch. Über Nacht ist die Internet- Revolution also nicht zu schaffen – langfristig aber scheint sie unumgänglich. „Es ist nicht die Frage, ob – sondern wann“, ist Dr. Hans-Jürgen Höne, bei der Evonik Industries AG Leiter Optical Fiber im Geschäftsgebiet Advanced Silanes, überzeugt.

Weltweit gibt es nur rund drei Dutzend Produzenten von Glasfaserkabeln – und fast alle von ihnen kaufen bei Evonik ein. Der Konzern ist führend in der Herstellung von Chlorsilanen, dem wesentlichen Rohstoff, der zur Herstellung der Lichtwellenleiter benötigt wird. Unter dem Namen SIRIDION vertreibt Evonik das Chlorsilan Silizium-tetrachlorid (STC) nach Asien, Nord- und Südamerika sowie innerhalb Europas. Die klare, farblose Flüssigkeit wird aus Sili zium und Chlorwasserstoff hergestellt. Der Vor-teil: Silizium ist praktisch unbegrenzt vor-handen – im Gegensatz zu Kupfer, das für die konkurrierende Technologie DSL be -nötigt wird.

Rein optisch ist SIRIDION STC nicht von Wasser zu unterscheiden, hat es aber in sich: Der Reinheitsgehalt von SIRIDION STC liegt bei mehr als 99,9999 Prozent – und der ist entscheidend für die Qualität und die Lei(s)tungsfähigkeit der Glasfasern. Schon kleinste Verunreinigungen beeinträchtigen die Lichtleitfähigkeit der Fasern.

Der Kern der Faser besteht aus zwei Glas-schichten und ist so dünn, dass er mit bloßem Auge kaum zu erkennen ist. Um den Glas-kern herum befinden sich zwei Lagen Kunst-stoff, die der Faser Stabilität verleihen. Bei

der Herstellung der Glaskörper wird das Siliziumtetrachlorid verdampft und zu Sili-ziumdioxid umgesetzt. Der dabei entstehen-de „Siliziumdioxidstaub“ wird anschließend zu transparentem Quarzglas geschmolzen – aus dem dann entstandenen Glaskörper wird die hauchdünne Faser gezogen und auf eine Trommel gewickelt. Ein Sender wandelt spä-ter die elektrischen Signale in Lichtsignale um, die dann durch das Kabel flitzen.

Der Markt für Glasfaserkabel ist gewal-tig. Allein vergangenes Jahr wurden rund 150 Millionen Kilometer Glasfasern herge-stellt. Tendenz: steigend. Trotz der gegen-wärtigen Wirtschaftskrise gibt es bisher kei-nen signifikanten Nachfragerückgang. Im Gegenteil: „Langfristig gesehen könnte die Krise sogar eine Chance für unser Geschäft sein“, glaubt Sebastian Wandel, Marketing-Assistent bei Advanced Silanes.

CLOUD COMPUTING MIT GLASFASERZwar gibt es noch andere Breitbandtech-nologien, doch mangelt es ihnen häufig an Geschwindigkeit: Denn Breitband ist nicht gleich Breitband. Satelliten-Verbindungen oder UMTS beispielsweise sind deutlich lang-samer als DSL. Funknetze wie W-LAN sind zwar schnell genug, aber: „Es ist ein Trug-schluss, zu glauben, flächendeckende Breit-bandverbindungen allein per Funk errichten zu können“, sagt Evonik-Mitarbeiter Hans-Jürgen Höne. „Die Reichweite der Funk türme ist äußerst begrenzt, nur die letzten paar Hun-dert Meter können per Funk überwunden werden. Aber wie sind die Funktürme ver-bunden? Genau – per Glasfaserkabel.“

Die zurzeit aussichtsreichste Techno-logie ist VDSL beziehungsweise die Aus-baustufe VDSL 2 – eine Kombination aus Glasfasertechnologie und herkömmlichem DSL-Anschluss. VDSL nutzt die Vorteile bei-

der Technologien: die schnelle Verbindung via Glas faser und die bereits bestehende Kup-fer-Infrastruktur. Bei der Kombi-Technolo-gie bilden die Lichtwellenleiter die Haupt-schlagadern, während die Kupferleitungen nur die letzten paar Hundert Meter über-brücken. So bleibt der Geschwindigkeits-verlust relativ gering. Langfristig gesehen ist das Ziel jedoch, „Fiber-to-the-Home“ zu etablieren, also die Glasfaser kabel bis in die Wohnung zu verlegen. Denn: DSL wie VDSL haben einen entscheidenden Nachteil: Der Upload von Dateien ist rund zehnmal lang-samer als der Download. Bei Glas faser kabeln gibt es diese Einschränkung nicht. Beson-ders eine Technologie könnte von der Glas-faser profitieren: Cloud Computing. Dem-nach werden Daten und Programme nicht mehr auf der heimischen Festplatte gespei-chert, sondern in einer gigantischen Daten-wolke im Internet – ohne Speicherplatz-beschränkung und weltweit abrufbar. Die Musiksammlung wird nicht mehr in Form von CDs im Wohnzimmer lagern, sondern über das Internet immer erreichbar auf einem persönlichen Musikserver sein. Eine hohe Upload-Geschwindigkeit ist jedoch unum-gänglich. Die Bundesregierung prognos-tiziert daher: „Die Glasfaser wird langfris-tig die bestehenden Kupfernetze ablösen.“ Und auch Hans-Jürgen Höne ist sich sicher: „Wir stehen vor dem großen Boom.“ <

Stark nachgefragt: Internet-Videokonferenz

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S U M M A R Y • Die DSL-Technologie kann den Daten-strom des Internets nicht mehr bewältigen. Neue aussichtsreichste Technologie ist VDSL– die Glasfaserkabel und bestehende Kupferleitungen kombiniert. • Rohstoff für Glasfaserkabel ist SIRIDION. Dieses Chlorsilan vertreibt Evonik auf einem rasant wachsenden Markt – weltweit

KOMMUNIZIERENSIRIDIONEVONIK-MAGAZIN 2/2009

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Nordlichter über der BrückeEin Blick auf die Saison 2009 der Ruhrfestspiele Recklinghausen. Das älteste und wohl bedeutendste Theaterfestival Deutschlands zeigt seine internationale Strahlkraft mehr denn je

Waches Träumen: „Ein Traumspiel“ von August Strindberg in Kooperation mit dem Théâtre National du Luxembourg; Jacqueline Macaulay, Ulrich Kuhlmann (v. l.)

August Strindberg – schwedischer Klassiker und Revolutionär des Theaters

TEXT JAN MÜHLDORFER

ALS ARBEITERFESTIVAL begann es 1947 mit dem Tausch „Kunst gegen Kohle“ . Hamburger Theater bedankten sich für Kohle -Lieferungen aus dem Revier, die Bergleute der Zeche König Ludwig heim lich an der Besatzungsmacht vorbei geschleust hatten, mit eigenen Aufführungen in Reck-linghausen. Sie hätten ihre Häuser sonst nicht beheizen können. Heute sind genau diese Ruhrfestspiele nicht nur das älteste, sondern auch eines der größten und bedeu-tendsten Theaterfestivals in ganz Europa. Und eines mit internationaler Ausrichtung und internationalem Glanz. Große Regis-seure unserer Zeit inszenieren mit der ers-ten Riege der deutschen Schauspielkunst. Und nicht nur das – auch Hollywood fühlt sich inzwischen bei den Ruhrfestspielen wohl.

Dieses Eindrucks kann man sich nicht erwehren. Die großen Namen aus Deutsch-land und dem europäischen Ausland konnte man bei den Recklinghäuser Ruhr fest -spielen schon oft finden. Seit der Lu xem-burger Theater mann Prof. Dr. Frank Hoff-mann das Festival 2005 übernommen hat, ist jetzt auch Hollywood regelmäßiger Gast. Im letzten Jahr waren das beispielsweise Kevin Spacey, Jeff Goldblum oder auch Cate Blanchett – diesmal kann man unter ande-rem Oscar-Preisträger Sam Mendes erle-ben. Den Mann, der schon mit seinem aller-ersten Hollywood-Film „American Beauty“ Kinogeschichte schrieb, denn der bekam die Oscars gleich reihenweise. Unter anderem für den besten Film und die beste Regie. Die wichtigsten Oscars überhaupt. Er insze-niert in diesem Jahr auf der Recklinghäu-ser Bühne mit einem All-Star-Ensemble aus > FO

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Norwegisches Märchen: das dramatische Gedicht „Peer Gynt“ von Henrik Ibsen in einem Gastspiel des Münchner Volkstheaters; Maximilian Brückner, Barbara Romaner (v. l.)

Ruhrfestspiele Recklinghausen – die Erfolgsgeschichte des ältesten Theater-festivals Europas

Winter 1946/47 Kohle wird knapp: Theater leute aus Hamburg fahren ins Ruhrgebiet, um Kohle für Heizung und Bühnenhydraulik zu erbitten

Sommer 1947 Für die mehrfache Belieferung mit Kohle bedanken sich die Hamburger mit Theater auf füh rungen im Saalbau Reckling hausen. Die Ruhrfestspiele Recklinghausen sind geboren

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amerikanischen und britischen Schauspie-lern wie Ethan Hawke („Before Sunrise“, „Der Club der toten Dichter“, „Gattaca“, „Training Day“) Klassiker der Weltliteratur:Tom Stoppards Adaption von Tschechows „Der Kirschgarten“ und Shakespeares „Ein Wintermärchen“.

Die Ruhrfestspiele konnte man aller-dings noch nie auf das reine Sprechtheater reduzieren. Gerade Festspiel-Chef Frank Hoffmann steht für Offenheit, für Experi-mente, für innovative Ideen. Sowohl von der inhaltlichen Konzeption wie von der Struktur des gesamten Festivals. Und das bietet deshalb neben dem Theater auch Tanz, Musik, Kabarett, Lesungen, Klein-kunst und vieles mehr … Eben ein Festi-val – und auch dafür steht Intendant Frank Hoffmann –, das so vielfältig ist, wie ein Theaterfestival heute sein darf, muss und

sollte. Eines, das nicht erfahrene Thea-tergänger anspricht, sondern offen ist. Eines, das auch jüngere Besucher und neue Zuschauergruppen anzieht. Ein Festival für die Menschen.

Auch deshalb kann man sich die Ruhr-festspiele inzwischen nicht mehr ohne das großartige Fringe Festival vorstellen. Das Off-Theater-Spektakel, das die besten Produk tionen der freien Theaterszene, die kreativsten Ausbrüche, die innovativs-ten Stücke zeigt. Und das nicht etwa im gro-ßen Ruhrfestspielhaus auf Recklinghau-sens „Grünem Hügel“, sondern direkt in der Stadt. Auf der Straße und in den Schul höfen. Eben direkt bei den Menschen.

Jahr für Jahr hält eine thematische Klam-mer die vielen verschiedenen Produk-tionen – 2009 sind es allein über 60 – immer wieder zusammen. Das können einzelne

Juni 1948 Die Ruhrfestspiele GmbH wird gegründet. Otto Burrmeister, bisher technischer Direktor am Schauspielhaus Hamburg, wird Leiter der Festspiele

Juni 1950 Im Rahmen der Ruhrfestspiele findet die erste Kunstausstellung statt: „Deutsche und französische Kunst der Gegenwart – eine Begegnung“

Mai 1959 Bundespräsident Prof. Dr. Theodor Heuss, einer der wichtigsten Förderer der Ruhrfestspiele, übernimmt den Vorsitz im neu gegründeten Kuratorium „Freunde der Ruhr festspiele e.V.“

Maximilian Schell kehrt auf die Bühne zurück

Ein Hamlet-Musical: „Der Prinz von Dänemark“;Marietta Meguid, Martin Leutgeb, Harald Schmidt in einem Gastspiel des Staats-theaters Stuttgart (v.l.)

Europäische Kooperation: Josef Bierbichler und Angela Winkler in „John Gabriel Borkman“ von Henrik Ibsen

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46 RUHRFESTSPIELE EVONIK-MAGAZIN 2/2009ERLEBEN

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große Autoren wie Goethe, Lessing oder Shakespeare sein. Es kann aber auch gleich eine ganze Autorengruppe sein. So wie im letzten Jahr die amerikanischen Dramatiker des 20. Jahrhunderts. Von Eugene O’Neill über Tennessee Williams, Arthur Miller und Thornton Wilder bis zu Sam Shepard, David Mamet oder Neil LaBute.

DIE HOLLYWOOD-CONNECTION DER RUHR-NETZWERKERDiesmal heißt das Thema der Saison Nord-lichter. Hoffmann stellt die nordische Dra-matik in den Mittelpunkt der Festspiele. Und überall im Festival leuchten diese Nordlichter auf. Dabei geht es bei Weitem nicht einfach „nur“ um die Inszenierung der Klassiker eines Ibsen oder Strindberg. „Wir wollen in das emotionale Zentrum des Nordens vorstoßen. Dorthin, wo das

Juni 1961 Grundsteinlegung für das Haus der Ruhrfestspiele durch Bundespräsident Dr. h.c. Heinrich Lübke

Juni 1965 Eröffnung des Festspielhauses auf Recklinghausens „Grünem Hügel“

Mai 1977 Zum ersten Mal findet das große Kulturvolksfest rund um das Festspielhaus statt

moderne Theater entstanden ist“, so Hoff-mann. „Es ist ein Verweis auf die enorme Strahlkraft, die das halbe Jahrhundert zwi-schen 1860 und 1910 auf die Entwicklung des Theaters in Nordamerika und Europa im Laufe der jetzt vergangenen 100 Jahre ausübte. Kein bedeutender Stückeschrei-ber – Bertolt Brecht vielleicht ausgenom-men –, der nicht bei den beiden großen skandinavischen Autoren in die Schule gegangen wäre. Und natürlich wird das Spektrum auch um die nationalen Nach-folger dieser zwei Klassiker erweitert, hei-ßen sie nun Ingmar Bergman und Per Olov Enquist auf der einen oder Jon Fosse auf der anderen Seite. Auch der finnische Nachbar ist präsent, und die Lesungen bedeutender Schauspieler beschäftigen sich vorwiegend mit Texten nordischer Autoren. Island als der einsame Außenposten Skandinaviens

präsentiert „Here & Now“, eine Rock-Rea-lity-Revue.

Den Reigen seiner eigenen Inszenie-rungen eröffnet der Festspiel-Chef mit einem ungewöhnlichen und ungewöhnlich in Szene gesetzten Strindberg- Doppelabend. Erst das „Traumspiel“, dann die Collage „Lie-ben Sie Strindberg“, die das vielschichtige Bild des so wichtigen und berühmten Autors in all seinen Facetten entblättern soll. Einer derjenigen, der nach langer Zeit wieder auf der Bühne stehen wird, ist eine Ikone der Film- und Theater-Geschichte. Seit Jahr-zehnten. Es ist Oscar-Preisträger Maximi-lian Schell, der nach langer Zeit wieder auf die Bühne zurückkehrt. In Recklinghausen. Bei den Ruhrfestspielen.

Wie Hoffmann das genau geschafft hat, bleibt wahrscheinlich ein Geheimnis. Auch wenn Maximilian Schell bereits im letz-ten Jahr Gast der Ruhrfestspiele war. Als Zuschauer. Fest steht aber, dass der Luxem-burger und sein für ein Festival dieser Grö-ße eigentlich extrem kleines Team das Netzwerk der Ruhrfestspiele in den letzten Jahren unglaublich ausgebaut haben. Man kennt das europäische Festival inzwischen auch in Hollywood. Und nicht nur Kevin Spacey war schon zum wiederholten Male in Recklinghausen.

Genau da zeigt sich, wie wichtig Kultur-sponsoring heute ist. Denn ohne verlässliche Partner wie Hauptsponsor Evonik Indus-tries AG an der Seite müsste der Zuschauer eben doch nach London (Groß britannien) oder New York (New York, USA) reisen, um große Stars live zu erleben. Hoffmann hat dem renommierten Festival zu neuer Strahlkraft verholfen.

Auch die Lesungen sind jährlich Publi-kumsmagnet. Diese kleine, feine Reihe an Sonntagvormittagen, bei der sich nicht irgendwer, sondern die erste Riege der deut-schen Schauspielkunst ein Stelldichein gibt. Natürlich zum Thema Nordlichter. Hanne-lore Elsner liest isländische Märchen, Otto Sander stellt Knut Hamsun vor, Eva Mattes präsentiert Astrid Lindgrens „Mio, mein Mio“ – Edgar Selge und Franziska Walser bringen dem Publikum dagegen Rainer Maria Rilke, Ulrich Matthes und John Boyne

„Inkarnation einer Epoche“: Maximilian Schell 2008 in Wien

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nahe. Und Nina Hoss erzählt „Von Kötern, Kläffern und feinen Hundedamen“. Die sogenannten „Hundemanuskripte“ von Jon Fosse.

Kein Nordlicht, aber definitiv auch ein hell strahlender Stern dieser Saison ist das interkontinentale „Bridge Project“. Sam Mendes, der umjubelte Filmregisseur und Londoner Theatermann mit Wohnsitz New York, und Kevin Spacey, der begnadete US-Schauspieler, der mit dem Londoner Old Vic Theatre seine große Liebe gefunden hat, haben es auf die Beine gestellt. Sie haben ihre Bekanntheit eingesetzt und ihre glänzenden Verbindungen zur europäischen wie ame-rikanischen Bühnen- Szene. Auf insgesamt drei Jahre ist das Projekt angelegt. Absicht ist, die Traditionen amerikanischer wie bri-tischer Schauspielkunst zusammenzuführen und ein Repertoire daraus zu entwickeln.

Mit einem festen Ensemble exquisiter engli-scher und amerikanischer Schauspieler – un ter ihnen Ethan Hawke und Rebecca Hall („Vicky Cristina Barcelona“, „Frost/Nixon“) – wird Mendes sechs Stücke klassischen Reper-toire-Theaters inszenieren. Die ersten beiden davon – Tom Stoppards Adaption von Tsche-chows „Der Kirschgarten“ und Shakespeares „Ein Wintermärchen“ eben – gibt es nach New York, Singapur und dem neuseeländischen Auckland in Recklinghausen zu sehen. Eine Sensation. Und was würde wohl besser zum Leitmotiv „A World Stage“ passen?! Die Ruhrfestspiele bieten der internationalen Theaterwelt eine Bühne! Und was für eine!

THEATER, MUSIK – UND EIN WHO’S WHO DES KABARETTSDer traditionelle Startschuss für das Festi-val wird seit jeher am Tag der Arbeit, dem

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Mai 1981 Die Ruhrfestspiele bekommen ein eigenes Ensemble (bis 1990)

Mai 1984 Im ehemaligen Straßenbahndepot bekommen die Ruhrfestspiele eine zweite Bühne, das „Theater im Depot“

Mai 1990 Die Ruhrfestspiele heißen ab sofort: „Ruhrfestspiele Recklinghausen Europäisches Festival“ Hansgünther Heyme wird Intendant (bis 2003)

Brücken über Kontinente schlagen

Tschechow und Shakespeare unter Regie von Oscar-Preisträger Sam Mendes („American Beauty“)

„Bridge Project“ mit

Star besetzung: Ethan Hawke

in Shakespeares „Winter-

märchen“

48 RUHRFESTSPIELE EVONIK-MAGAZIN 2/2009ERLEBEN

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1. Mai, gegeben. Und auch in diesem Jahr besuchen rund 100.000 Menschen das große Kultur-Volksfest zur Eröffnung. Es gibt Theater und Musik, Kleinkunst, Kabarett und Walk-Acts. Danach stehen insgesamt sechs Wochen an, prall gefüllt mit guter Unterhaltung auf allerhöchs-tem Niveau. Im hellen Schein strahlender Nordlichter – und auch abseits davon. Mit einer ungewöhnlich hohen und von Jahr zu Jahr immer weiter steigenden Zahl an Ur- und Erstaufführungen, mit einer lan-gen Kabarett-Reihe samt dem deutschen Who’s who der Szene, mit höchst poe-tischer Zirkuskunst (Cirque Éloize) und noch viel, viel mehr spannenden Abenden. Eben genauso vielfältig, kontrovers, mul-tikulturell, global und regio nal, wie ein Theaterfestival heute sein darf, muss – und sollte! <

Mai 2005 Prof. Dr. Frank Hoffmann übernimmt die Intendanz der Ruhrfestspiele. Unter der Leitung des Berliner Volksbühnen - Intendanten Frank Castorf hatte sich die Zuschauerzahl 2004 mehr als halbiert. Die internationale Ausrichtung der Spiele wird verstärkt

Mai 2006 Die Ruhrfestspiele erreichen mit der neuen Intendanz einen aktuellen Höchststand. William Shakespeare prägt die Festspiele 2006, ein Highlight ist die internationale Produktion von „Richard II.“ mit Kevin Spacey und Greg Wise

Mai 2009Die transatlantische Produktion „Der Kirsch garten“ unter der Regie von Sam Mendes eröffnet die Ruhrfestspiele in der Saison 2009 „Nordlichter“. Sie ist Startschuss für mehr als 230 Aufführungen

„ Neue Herausforderung, neue Lust“Ein Luxemburger an der Ruhr: Prof. Dr. Frank Hoffmann ist Dramatiker, Regisseur, Theater- und Festival-Macher und Intendant der Ruhrfestspiele

EVONIK-MAGAZIN Wie schaffen Sie es, namhafte Schauspieler und interessante Pro-duktionen nach Recklinghausen zu holen?HOFFMANN Das ist jedes Jahr eine neue Herausforderung, aber auch jedes Jahr eine neue Lust, Neues zu entdecken. Zudem sind die Festspiele ein Spiegel dessen, was es aktuell im Theaterleben gibt. Und wir wollen neue Tendenzen aufdecken, die sich bis dahin noch nicht durchgesetzt haben.EVONIK-MAGAZIN Zum Programm gehört auch das Fringe Festival mit zwölf Inszenie-rungen aus neun Ländern in der Innenstadt und zahlreichen Open-Air-Veranstaltungen. Warum sind die Festspiele nicht mehr nur eine Bühne für Sprechtheater?HOFFMANN Beim modernen Theater gibt es auch in der Auffassung des Sprech-theaters Berührungen mit anderen Künsten. Ich mag diese Grenzbereiche. Das Fringe Festival ist eine Mischung aus Tanz, Musik und Theater der freien Szene.EVONIK-MAGAZIN Sie sind Gründer und Intendant des Théâtre National du Luxem-bourg (TNL). Was ist die Geschichte dazu?HOFFMANN Das TNL existierte nach seiner Gründung 1997 zuerst nur als Pro-duktionsstruktur, das heißt: Wir haben an verschiedenen Orten in Luxemburg Auf-führungen erarbeitet, unter anderem in ehemaligen Industriehallen oder in anderen

Theatern. Durch den Erfolg bestärkt, wuchs nach und nach der Wunsch nach einer eige-nen Spielstätte. Der Staat kaufte daraufhin in der Stadt Luxemburg eine alte industrielle Schmiede, die zu unserer Spielstätte mit Verwaltung, Probenräumen et cetera umgebaut wurde. 2005 war die Eröffnung. Natürlich pflegen wir dort auch unseren nationalen Literaturbestand. Seit drei Jahren haben wir die Institution des „auteur en résidence“. Da wird ein luxemburgischer Dramatiker eingeladen, für uns ein Stück zu schreiben, das wir dann zur Uraufführung bringen. Darüber hinaus lautet meine Devise: Wir leben an der Schnittstelle zwischen der deutschen und der französi-schen Kultur, und es gilt, diese Position zu nutzen, um die Nationen künstlerisch zusammenzuführen. EVONIK-MAGAZIN Wie gelingt es Ihnen, neben Ihren Rollen als Intendant dieses Theaters und vierfacher Vater noch die Ruhrfestspiele zu stemmen?HOFFMANN Das ist eine Frage, die ich mir täglich selber stelle. Die Antwort kann man nur so geben: Man muss sehr gute Mit-arbeiter haben. Bei der Vaterschaft kann man sich natürlich am schwersten teilen. Außerdem ist es eines, ein Festival zu leiten, und etwas anderes, zu inszenieren. Das ist ja immer noch mein Hauptberuf.

Rebecca Hall und Simon

Russell Beale in Tschechows

„Kirschgarten“

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Frank Hoffmann hängt den Anspruch der Ruhr-festspiele hoch

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„Wir nähern uns langsam” TOM SCHIMMECK über das Geheimnis der Katalyse

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KATALYSE? Klar. Hat doch jeder mal im Chemieunterricht gehabt. Katalysatoren bewirken etwas, ohne sich dabei zu verändern. Haben wir nicht seit Jahren einen im Auto?

Ist Katalyse also alltäglich, aufgeklärt, abgehakt? Jein. Alltäglich gewiss: Katalyse ist überall. Und wohl älter als alles Leben auf die-ser Erde – war sie doch eine Voraussetzung für dessen Entstehung. In Lebewesen, also auch in uns, funktioniert fast nichts ohne die katalytische Kraft der Enzyme: Atmung, Verdauung, bei Pflanzen Fotosynthese. Ohne Katalyse kein Joghurt, kein Wein, kein Bier. Auch das weiß man schon ein Weilchen. Es sollen die Assyrer gewesen sein, die vor mehr als 5000 Jahren das erste alkoholische Getränk gebraut haben.

Aber geklärt? Mitnichten. Die Forscher staunen bis heute. „Das Hauptgeschäft ist immer noch: ausprobieren und mal gucken, was passiert“, sagt Priv.-Doz. Dr. Angelika Brückner, Mitglied des Vor-stands und Forschungsbereichsleiterin des Leibniz-Instituts für Katalyse e. V. an der Universität Rostock (LIKAT), des größten europäischen Forschungsinstituts für angewandte Katalyse. In der Außenstelle Berlin des LIKAT werkelt die Chemikerin an immer feineren Methoden, um das Geheimnis zu lüften, Prozesse „wirklich zu ver stehen“.

Das Tüfteln währt nun schon bald 200 Jahre. Ihr schwedischer Kol-lege Jöns Jakob Freiherr von Berzelius staunte 1835: „Die kataly-tische Kraft scheint eigentlich darin zu bestehen, dass Körper durch ihre bloße Gegenwart… die bei dieser Temperatur schlummernden Verwandtschaften zu erwecken vermögen.“ Seither ist Katalyse-For-schung keine Zauberei mehr. Sie hat sich „von einer ‚Schwarzen Kunst‘ in eine exakte Wissenschaft verwandelt“, meint der Physiker Prof. Dr. Gerhard Ertl, der 2007 für seine exakten Beobachtungen der Katalyse den Chemie-Nobelpreis erhielt. Aber ist sie wirklich durchdrungen? „Nein“, bekennt Angelika Brückner.

Kaum vorstellbar: Zwar spielt Katalyse eine tragende Rolle in über 80 Prozent aller Herstellungsprozesse der Chemieindustrie, bei der Herstellung von Ammoniak etwa, von Schwefelsäure oder Metha-nol. Die Industrie setzt heute Enzyme zur Herstellung von Medika-menten ein. Und offensichtlich funktioniert das alles. Doch was da wirklich im Detail passiert, ist oft immer noch ungeklärt. Also ver-suchen die Wissenschaftler, der Katalyse verschärft auf die Finger zu schauen. Sie bedienen sich dazu immer feinerer Techniken, optischer Methoden etwa wie der Bestrahlung mit Ultraviolett(UV)-Licht oder

dem Laser eines Raman-Lichtleiterspektrometers. Genutzt werden auch magnetische Resonanz- und Röntgenmethoden wie die „Ope-rando-Elektronenspinresonanz-Spektroskopie (ESR/EPR). Der Clou beim LIKAT-Team: Es spannt mehrere dieser Methoden zusammen, um dem Geheimnis der Katalyse aus verschiedenen Blickwinkeln beizukommen. „Das ist wie ein Puzzle“, erläutert Angelika Brück-ner. „Jedes Stück entwickeln wir mit einer anderen spektrosko-pischen Methode. Je vollständiger das Bild ist, desto besser sind mei-ne Schlussfolgerungen darüber, was wirklich abläuft.“

Vor wenigen Jahren noch galt solche „In-situ-Spektroskopie“ als echtes Neuland. 2003 fand in den Niederlanden der erste interna-tionale Kongress statt. 2005 konnte Brückner eine Weltneuheit prä-sentieren: die gleichzeitige Koppelung von drei Methoden in einem Versuchssystem. Ist das nun schon Routine? „Eigentlich nie“, findet die Chemikerin. „Es ist ein sehr dynamisches Feld, das sich im Moment heftig entwickelt.“ Natürlich plant sie ein Experiment mit bestimmten Vermutungen und Erwartungen. „Wenn man das erwar-

tete Ergebnis hat, freut man sich. Weil das bedeutet: O.K., ich habe richtig gedacht.“ Bei abweichenden Resultaten aber wird es erst richtig spannend: weil sich das Team dann ganz neu in das System hineindenken muss.

Keine Spur von Elfenbeinturm. Längst befeuern die großen Fragen der Weltpolitik die Forschungsarbeit. Das Energieproblem etwa: Wie komme ich zu preiswertem Was-serstoff? „Das galt vor ein paar Jahren noch als esoterisch“, sagt die Forscherin lächelnd. Auch die Verwendung von CO2 als Reaktions-partner ist aktuell. Genau wie neue Verfahren zur Verwertung nachwachsender Rohstoffe. Erklärtes Ziel ist es, zügig „zu indus-triell relevanten Reaktionsbedingungen zu kommen“, erklärt sie . „Aber wir werden auch in fünf oder zehn Jahren kaum das Problem haben, dass alles erforscht ist.“

Im April 2009, beim dritten Operando-Kongress in Rostock, konnten Angelika Brückner und ihre Kollegen wieder Fortschritte vermelden: Kürzlich haben sie bei ihrer Katalyse-Fahndung eine Fünffach-Kopplung vollbracht. Am Berliner Elektronenspeicher-ring BESSY II schalteten sie weitere Gerätschaften zu. Nun können zusätzlich auch Strukturänderungen von Metallionen und die Eigenschaften kristalliner Bestandteile beobachtet werden. Die Entschlüsselung der Katalyse? „Nein, das bleibt eine Wunschvor-stellung“, sagt Angelika Brückner. „Wir nähern uns langsam, aber wir sind noch längst nicht dort.“ <

Tom Schimmeck (49) fasziniert der Blick in die Zukunftslabors der Forschung. Er arbeitete unter anderem für TAZ, „Tempo“, den „Spiegel“ und „Die Woche“. Die Illustration ist eine abstrakte computergenerierte digitale Komposition.

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Die Entschlüsselung der Katalyse? „Nein, das bleibt eine Wunschvorstellung”

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Russland

Öladditive für höhere Ansprüche – Evonik übernimmt Anlage

Japan

Ulrich Sieler, für Evonik vor Ort, weiß, was Japan braucht

Südkorea

Mit Wasser-stoffperoxid schafft Evonik in der Hafenstadt Ulsan Märkte

USA

In Alabama wird ROHACELL erstmals außer -halb Europas produziert

Polen

Flugasche aus Steinkohle-kraftwerken ist ein gefrag ter Rohstoff weltweit

Kolumbien

Steinkohle-kraftwerk in 2.500 Metern Seehöhe

China

Investition in die Fein- und Spezialchemie als Weg aus der Krise

Großbritannien

Mit dem ultraleichten Lotus Exige S vorne im Rennsport – wie in Silverstone

Evonik global Einmal um die Welt gereist, zu internationalen Evonik-Standorten

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Wie gehts weiter mit China?

Managing Beyond Crisis“ – das Thema des diesjährigen Boao Forum

for Asia, kurz BFA, war eindeutig gewählt. Das dreitägige Wirtschaftsforum, das auch als das „Davos Asiens“ bezeichnet wird, stand im Banne der kriselnden Weltwirtschaft. Besonders auf China als bedeutendes Schwellenland richten sich die Blicke. Wie wirken sich die sinkende Nachfrage im Westen und der versiegende Strom frischen Kapitals auf Asiens stärks-ten Wachstumsmotor aus? Wie begegnen die aufstrebenden Volkswirtschaften Asiens den veränderten Bedingungen? Das sind die Fragen, die sich die Dele gier-ten stellten, als sie sich im April auf der Insel Hainan vor der Südküste des Riesen-reiches trafen. Wie bereits im vergan-genen Jahr war die Evonik Industries AG auch diesmal wieder als Sponsor dabei und unterstrich damit ihr Bekenntnis zum Markt China. Dr. Klaus Engel, Vor sitzen-der des Vorstands bei Evonik, nahm an

einer Panel-Diskussion mit dem Titel „Price Fluctuations and Emerging Market Strategies“ teil.

Das Bruttoinlandsprodukt Chinas hat sich in den 20 Jahren zwischen 1988 und 2008 mehr als verzehnfacht. 2007 hat das Reich der Mitte Deutschland überholt und ist damit zur drittgrößten Volks-wirtschaft der Welt aufgestiegen – nach den USA und Japan. Bis zu dem Zeitpunkt wuchs die Wirtschaft jährlich im zweistel-ligen Prozentbereich. Das ist heute anders. 2008 dämpfte die weltweite Krise das Wachstum auf 6,8 Prozent – für westliche Wirtschaftsräume ein Traumwert, für China ein Problem. Die schwächer wachsen de Produktion hat bereits dazu geführt, dass Millionen chinesischer Wanderarbeiter ihre Jobs verlieren. Die Regierung reagiert und steuert mit Konjunkturprogrammen gegen – zuletzt mit über 4 Billio nen CNY, umgerechnet rund 400 Milliarden EUR.

VERTRAUEN IN CHINAS MARKTAnalysten gehen davon aus, dass der chinesische Motor nach der Krise schneller wieder auf Touren kommt als in den älteren Industrienationen. Denn der Nach-holbedarf der chinesischen Wirtschaft bleibt. Und so ist auch bei Evonik das Ver-trauen in Chinas Markt ungebrochen. Jüngstes Beispiel: In Schanghai baut der Essener Konzern eine Anlage zur Herstel-lung von Edelmetallpulverkatalysatoren. Diese werden vor allem in der Pharma- und Feinchemie eingesetzt. Mit ihrer Hilfe können zum Beispiel Pharmawirkstoffe selektiv und kosteneffizient hergestellt werden. Außerdem werden die Katalysato-ren in der Industriechemie eingesetzt,

um Vorprodukte für Polyurethane zu synthetisieren, die zu Schaummaterialien für Autositze oder Möbel verarbeitet werden. Bereits Ende 2009 soll die Pro-duk tion in Schanghai starten. Bisher produzierte der Weltmarktführer Evonik seine Katalysatoren ausschließlich in Deutschland, Japan, Brasilien und den USA. Mit dem regionalen Standbein in China rückt der Konzern nun ganz nah an einen besonders dynamischen Abneh-mermarkt in den chinesischen Provinzen Jiangsu und Zhejiang, wo es zahlreiche Pharma- und Feinchemieunternehmen gibt. Dieser Sektor verzeichnete in China zuletzt überdurchschnittliche jährliche Wachstumsraten und trotzt weiter der weltweiten Finanzkrise. „Mit der neuen Anlage können wir die Kunden auch in China direkt vor Ort mit unseren hoch-wertigen Edelmetallkatalysatoren ver sorgen“, erklärt Dr. Wilfried Eul, Leiter des Geschäftsgebiets Catalysts von Evonik. „Das ermöglicht uns, noch stärker an dem

C H I N A Auf dem Boao-Wirtschaftsforum in Südchina wurde über Wege aus der Krise diskutiert. Die Antwort für Evonik ist klar: Investitionen in Fein- und Spezialchemie

Ein Mammutprojekt in China ist „Methacrylate China“, kurz

Am Wort: Zhang Xiaoqiang (rechts) und Fu Chengyu (links) mit Dr. Klaus Engel, Vorsitzender des Vorstands der Evonik Industries AG

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„Man muss sich gut auskennen“

D ie Zahlen sprechen für sich: Der Aktienindex Nikkei ist von 14.000

Punkten im Juli 2008 auf unter 8.500 Punkte Ende April dieses Jahres gesunken. Im vierten Quartal 2008 allein sank das Bruttosozialprodukt um 3,3 Prozent. Der Export, ein wichtiger Wirtschaftsbaustein Japans, brach seit 2008 um fast die Hälfte ein. Ein Grund dafür ist der im selben Zeit-raum gegenüber Euro und Dollar stark gestiegene japanische Yen. Das beschert auch Evonik Degussa Japan Co. Ltd. ganz neue Erfahrungen, wie Regional President Ulrich Sieler berichtet. Herr Sieler, wie erleben Sie die Krise?2008 war für Evonik ein gutes Jahr. In die-sem Jahr wird zum ersten Mal nach vielen Jahren des zweistelligen Wachstums ein Umsatzrückgang hingenommen werden müssen. Wie hoch der sein wird, lässt sich noch nicht genau beziffern, aber er wird schmerzhaft sein, so viel steht bereits fest. Wie wichtig ist der japanische Markt?Enorm wichtig. Zum einen wegen unserer profitablen Umsätze hier im Land, zum anderen, weil viele Geschäfte in anderen Ländern auf unseren Kontakten und den damit verbundenen Zulassungen in den Hauptquartieren der multinationalen Konzerne basieren. Um noch besser japanische Innovationen für uns nutzen zu können, beschäftigen wir Technologie-Scouts, die die akademische und indus-trielle Forschung beobachten. Wir versuchen dann, die Erkenntnisse mit unseren Bedürfnissen übereinzubringen. Investieren Sie auch in Japan selbst?Wir haben in den vergangenen Jahren kräftig in Japan investiert. Gerade jetzt bereiten wir ein bedeutsames Projekt im Bereich Elektronik/Fotovoltaik vor.

Ist das nicht teuer erkauft? Es ist nicht grundsätzlich richtig, dass Japan zu teuer ist. Man muss sich gut aus-kennen und sich die Vorteile Japans zu eigen machen. Wir sind mit unseren Inves-titionen sehr erfolgreich. Außerdem sind wir überzeugt, dass dieses Projekt uns neue Möglichkeiten in anderen Märkten eröffnen wird. Wer die extremen An forderungen der Japaner an Service und Qualität des Produktes erfüllt, kann zuversichtlich auf andere Märkte zugehen. Evonik blickt 2009 auf 40 Jahre Aktivitäten in Japan zurück. Wie war die Entwicklung? Am Anfang wickelten wir unser Geschäft über japanische Handelshäuser ab. 1969 nahm die Degussa Japan Co. Ltd mit 30 Mitarbeitern ihre Arbeit auf. Heute heißen wir Evonik Degussa Japan, haben mehr als 350 Mitarbeiter in unserer Gruppe und betreiben neben dem Handel mit Produkten auch mehrere Joint Ventures mit renommierten japanischen Unternehmen. <

überdurchschnittlichen Wachs tum in China teilzunehmen und unsere weltweit führende Position auszubauen.“

Die neue Katalysatorenproduktion ist nur der jüngste Streich. Im südchinesi-schen Nanning baut Evonik Rexim Pharmaceutical Co. Ltd. eine neue Pro -duktionsanlage für pharmazeutische Wirkstoffe. Bereits Anfang 2010 soll die Produktion starten. Ebenfalls in vollem Gange ist das Mammutprojekt namens MATCH („Methacrylate China“). Die erste Teilanlage dieses mit insgesamt 250 Millionen EUR Gesamtvolumen zweithöchsten Investitionsprojektes des Geschäftsfelds Chemie ist bereits ange-laufen und produziert seither Formmassen aus Polymethylmethacrylat (PMMA) – auch bekannt unter dem Markennamen PLEXIGLAS.

„Managing Beyond Crisis?“ – die Antwort für Evonik in China ist also klar: Investitionen in Chinas Aufstieg lohnen auch weiterhin. <

J A PA N Das Land mit alter Hochkultur und moderner Hightech-Produktion ist schwer von der Weltwirtschaftskrise getroffen. Die Region Japan von Evonik lernt aus der Krise

MATCH. Die riesige Verbundanlage produziert bereits

Ulrich Sieler, Regional President Japan von

Evonik, weiß, wie man sich die Vorteile Japans zunutze machen kann –

gerade in der Krise

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Rund 500 Kilometer östlich von Moskau, in der Nähe von Nishni Nowgorod,

hat die Evonik Industries AG die Präsenz im russischen Markt weiter ausgebaut. Die Evonik RohMax Additives GmbH hat das Öladditivgeschäft des russischen Methacrylatherstellers Dzerzhinskoye orgsteklo (DOS) gekauft und wird über eine neue russische Gesellschaft deren Öladditive auf Polyalkylmethacrylat-(PAMA)-Basis unter der Marke DEPRAMAX herstellen. Damit sichert sich der Konzern auch die Möglichkeit, den Kundenkreis für die eigenen Hochleistungsadditive aus der VISCOPLEX-Reihe auszubauen. Diese sorgen in hochwertigen Schmierstoffen für verbesserte Eigenschaften, etwa, indem sie Getriebe- und Motoröle kälteunemp-findlicher machen, für mehr Viskosität bei hohen Temperaturen sorgen oder auch die Kristallisation in Biodiesel unterbinden. Die Additive werden überall dort vermehrt nach gefragt, wo höhere Ansprüche gestellt und ältere Maschinen und Fahrzeuge durch effizientere ersetzt werden – so wie es in Russland und den übrigen BRIC-Staaten (Brasilien, Indien, China) zuneh-mend geschieht.

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R U S S L A N D Mit einer Investition in Russland sichert sich Evonik ein lukratives Geschäft und den Einstieg in einen wachsenden Qualitätsmarkt

Schmierstoffe werden mit Additiven aufgewertet

Die Leichtigkeit des Schaums

Amerikanische Moden, Kultur und Erfin-dungen: Die Welt schaut gerne auf das

Land der Un begrenzten Möglichkeiten. Manchmal ist es aber auch ein wenig anders. In der Industriestadt Mobile, im US-Bundes-staat Alabama, wird seit Kurzem ein Trend produkt hergestellt, das in Zukunft unentbehrlich sein wird – aber dieses Produkt ist made in Darmstadt, Germany. Der Hartschaumwerkstoff ROHACELL aus dem Hause der Evonik Industries AG wird an der Südküste der USA zum ersten Mal außerhalb Deutschlands produ-ziert. Rund 8 Millionen € hat sich der Essener Konzern die neue Anlage kosten lassen – mitten in der Wirtschaftskrise. Die Aussichten sind gut . Denn ROHACELL ist gefragt in Amerika und weltweit. In den vergangenen drei Jahren wuchs der Markt mit zweistelligen Zuwachsraten jährlich.

Ein Blick auf das Produkt verrät, warum. Der Werkstoff Polymethacrylimid (PMI) wird zu ROHACELL-Hartschaum verarbei-tet. Das geschieht nach einem geheimen

Verfahren, bei dem Polymer-Platten regel-recht aufgeschäumt und dann nach Kunden-vorgaben präzise zugeschnitten und geformt werden. Die fertigen ROHACELL-Teile werden von ihren Abnehmern dann von beiden Seiten verklebt – beispiels-weise mit Kohlefaser, Aramidfaser, Glas-faserkunststoff, Titan oder Aluminium. Das Er geb nis ist ein Sandwich-Bauteil, das extrem leicht, verwindungssteif und viel-seitig einsetzbar ist.

Entsprechend bunt ist auch die Kunden-Liste von Performance Polymers, des verantwortlichen Geschäftsbereichs von Evonik. In Japans Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen, in Modellen von Eurocopter, im neuen Airbus A380, in modernen Autokarosserien, in Röntgentischen für die Medizin, in den Skiern olympischer Winter-sportathleten – überall, wo es leicht und steif sein soll, wird ROHACELL verbaut. Das Rennrad, mit dem Lance Armstrong 2005 die Tour de France gewann, rollte auf Reifen mit ROHACELL.

Seit über 30 Jahren ist Evonik auf dem 160 Hektar großen Gelände in Mobile (Alabama) tätig

U S A Im US-Bundesstaat Alabama produziert Evonik den Leichtbauwerkstoff ROHACELL erstmals außerhalb Europas. Höchste Zeit, denn hier warten wichtige Kunden und großes Potenzial – trotz Krise

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Wohlhabend war man hier schon im -mer. Davon künden die Relikte alter

Kulturen. Und wohlhabend ist man noch heute. Davon zeugen der Hafen, in dem mehr als ein Fünftel aller Handelswaren des Landes umgeschlagen wird, die größte Automobilfabrik der Welt und nicht zuletzt etliche Chemiewerke. Die Rede ist von Ulsan, einer Hafenstadt im Südosten Koreas mit 1 Million Einwohnern, die sich, so Ulsans Bürgermeister Park Maeng-woo, als „treibende Kraft hinter dem Wachstum der koreanischen Wirtschaft“ sieht.

Bis in die 60er-Jahre des vorigen Jahr-hunderts war Ulsan nicht mehr als ein lokales Zentrum der Fischerei. Dann kam der erste Fünfjahresplan Südkoreas: Er sah vor, den Hafen für den interna-tionalen Handel zu öffnen und Industrie

anzusiedeln. Eine atemberaubende Entwicklung begann, die Ulsan heute, fast 50 Jahre später, zum „Mekka von Koreas Automobil-, Chemie- und Schiffsbau branche“, so Park, machte.

Die Evonik Industries AG produziert in Ulsan seit drei Jahren Wasserstoff-peroxid. Wasserstoffperoxid oder H2O2 ist eines der ältesten Geschäfte des Evonik-Konzerns, der sich nun in Ulsan mit kreativen Ideen und viel Unter neh-mertum neue Märkte erschließt. Weltweit ist Evonik mit einer jährlichen Kapazität von rund 600.000 Tonnen die Nummer zwei. Die größte Menge geht in die Herstel lung von Papier und Zellstoff.

In Ulsan hat Evonik nun für eine weitere vielversprechende Anwendung die Tür weit aufgestoßen. Der Konzern

liefert das dort produzierte H2O2 „über den Zaun“ zur benachbarten SKC, die daraus Propylenoxid macht. Der Clou: SKC nutzt dafür das sogenannte HPPO-Verfah-ren, eine sehr innovative Methode, die Evonik gemeinsam mit dem Ingenieurs-unternehmen Uhde GmbH entwickelt und an SKC lizenziert hat. Hier in Ulsan läuft seit dem Sommer vergangenen Jahres die weltweit erste Anlage nach der neuen Technologie mit einer Kapazität von 100.000 Tonnen jährlich. Die Vorteile des Prozesses im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren: Er ist wirtschaftlich, effizient und umwelt freundlich – außer Wasser ent stehen keine Nebenprodukte.

Durch das HPPO-Verfahren eröffnet sich Evonik einen ganz neuen Zugang zu einem riesigen Markt. Für die Herstel-lung der 100.000 Tonnen Propylenoxid braucht SKC 70.000 Tonnen H2O2. SKC bedient mit dem Stoff den koreanischen Markt und Nachbarstaaten. Und der Markt von Propylenoxid wächst: Es ist ein Vor-produkt für Polyurethanschäume, die für Armaturen und Sitzpolster von Autos, aber auch für die Isolation etwa von Kühl-schränken und Häusern verwendet werden. Der weltweite Markt für Propylen-oxid hat ein Volumen von rund 7 Millionen Tonnen, und langfristig ist mit einem jährlichen Wachstum von etwa fünf Pro-zent zu rechnen. <

S Ü D K O R E A Die Hafenstadt Ulsan ist das Zentrum des koreanischen Wachstums. Teil des Aufwärtstrends ist auch das größte koreanische Chemieunternehmen SKC – mit von der Partie sind Evonik und Uhde

Hafen von Ulsan erstrecken sich über vier Kilometer die Anlagen des größten Schiffbauers der Welt. Rechts: Bürgermeister Park Maeng-woo

Die Korea-Formel geht auf

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Asche kann so wertvoll sein

Wappen erzählen eine Geschichte für den, der sie zu lesen weiß.

Für den Laien sind sie jedoch oft kaum zu entziffern. Nicht so beim Wappen der polnischen Industriestadt Katowice – auf Deutsch Kattowitz. Es zeigt auf gelbem Grund ein großes Zahnrad, das einen Eisenhammer auf einen Amboss schlägt, darunter eine Holzplanke und ein blaues Band. Selbst ohne besondere Kenntnis der Heraldik, der traditionellen Wappenkunde, wird klar: In Kattowitz ist die Industrie zu Hause, genauer die Schwerindustrie.

Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts drückten Bergbau und Industrie der Stadt im oberschlesischen Steinkohle-becken ihr Siegel auf. Sie trägt es bis heute, auch wenn allmählich – wie auch in den alten deutschen Kohlerevieren – Hoch- und Elektrotechnologie auf dem Vormarsch sind.

In Kattowitz, der mit gut 300.000 Einwoh-nern größten Stadt der Region, hat Evonik Energo Mineral Sp.z.o.o. zwischen Kohle und Hightech seine Nische gefun-den: Das Tochterunternehmen der Evonik Industries AG kümmert sich um die Ent-sorgung in Steinkohlekraftwerken. Dabei ist „Entsorgung“ eigentlich der falsche Begriff. Denn bei der Verbrennung von Steinkohle in modernen Kraftwerken ent-stehen neben Energie und Abgasen auch wertvolle Nebenprodukte, die anderswo genutzt werden können.

Für die Energiegewinnung wird die Kohle zu feinem Pulver gemahlen und bei rund 1.200 °C (Celsius) in einem Kessel verbrannt. Die Zusammensetzung der Kohle variiert aber je nach Herkunft. Hauptbestandteil mit 65 Prozent bis 95 Prozent ist der Kohlenstoff, das eigent-liche Brennmaterial. Daneben besteht

die Kohle zu 5 Prozent bis 35 Prozent aus nicht brennbarem, mineralischem Nebengestein, das als Asche aus dem Verbrennungsprozess zurückbleibt. Aufgrund der relativ niedrigen Temperatur im Kessel wird die Asche nicht flüssig, sondern lediglich angeschmolzen. 85 Pro-zent bis 90 Prozent dieser Aschepartikel werden mit dem Rauchgasstrom mit-gerissen. Dort kühlen die Partikel ab und bilden kugelförmige, überwiegend amorphe Partikel, die Steinkohlenflug-asche. Über mehrstufige Elektrofilter wird sie vom Rauchgas getrennt und über Förder-leitungen in Silos transportiert, damit sie nicht die Luft belastet. In modernen Beton- und Zementmischungen sorgt der

P O L E N Ein Tochterunternehmen von Evonik gehört zu den Marktführern bei der Ver marktung von Flugasche aus polnischen Steinkohlekraftwerken. Die nicht brennbaren Bestandteile der Kohle sind ein gefragter Rohstoff weit über Polens Grenzen

Warschaus Kulturpalast bei Nacht: Polens Strom kommt zu über 90 Prozent aus Kohle, doch Warschau will den Anteil erneuerbarer Energieträger erhöhen

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Page 55: Evonik Magazin 2/2009€¦ · QUELLE: SIEMENS AG, PICTURES OF THE FUTURE, „Sieht aus wie ein Auto, fährt wie ein Auto – hat nur keine Abgase“ Dr. Andreas Gutsch über seine

Es ist ein anspruchsvoller Job, den die Kohle-Fahrer von Boyacá haben. Mit

ihren kleinen Trucks fahren sie täglich vier- bis fünfmal durch das hügelige Hochland zum Kraftwerk, um die Steinkohle abzu laden. Rund 200 Fuhren täglich braucht das Stein-kohlekraftwerk Termopaipa IV, das die Evonik Industries AG mitten in den kolum bianischen Kordilleren in 2.500 Metern Höhe betreibt.

Drogenhandel, Dschungelkrieg und Geiselnahmen prägen unser Bild von Kolumbien. Aber das Land am Äquator hat in puncto Sicherheit große Fortschritte gemacht: Seit dem Amts antritt von Präsi-dent Álvaro Uribe 2002 wurden maßgeb-liche Guerillas entwaffnet, was die Sicher-heitslage stark verbesserte.

Hierzulande wenig bekannt ist auch, dass die Wirtschaft Kolumbiens eine der sta bilsten in Lateinamerika ist. In den vergan-genen Jahren wurde die Export wirtschaft vor allem angetrieben durch die gute Wirt-schaftslage in den USA, Venezuela und anderen Nachbarländern sowie durch das starke Wirtschaftswachstum Asiens. Die Wirtschaftskraft des Landes wuchs in den vergangenen fünf Jahren um durch-schnittlich 5,6 Prozent. Kolumbianische Roh stoffe wie Kohle, Kaffee und Erdöl sind weltweit begehrt. Kolumbien ist einer der größten Kohle exporteure der Welt und schafft es, den überwiegenden Teil sei-ner Kohle produktion zu verkaufen – unter anderem, weil im Land selbst rund 80 Pro-zent des Stroms aus Wasserkraft gewonnen werden. Das starke Gewicht auf Wasserkraft kann in regenarmen Zeiten aber auch auf Kosten der Zuverlässigkeit gehen. Das Kraft-werk Termopaipa IV dagegen kann rund um die Uhr und zu jeder Jahreszeit Strom

liefern. Die installierte Leistung reicht rein rechnerisch aus, um circa zwölf Prozent des Bedarfs an elektrischer Energie in Kolumbien zu decken. Auch als Arbeit geber spielt das Kraftwerk eine große Rolle: Etwa 120 Menschen – von der Chemikerin bis zum Leitstandfahrer, vom Elektroniker bis zum Turbineningenieur – haben dort einen qualifizierten Job gefunden. Zusätzlich hat das Kraftwerk, seit es 1999 ans Netz ging, unter anderem mit Reparatur- und War-tungsaufträgen rund 1.000 Jobs geschaffen.

Mit der weltweiten Finanz- und Wirt-schaftskrise tun sich auch für Kolumbien neue Probleme auf: Die schwindende Nach frage in den USA, dem größten Abnehmer des Lan-des, und sinkende Rohstoffpreise treffen Kolumbien hart. Dennoch rechnet die ko lum -bianische Regierung auch in diesem Jahr mit einer Wachstumsrate zwischen zwei und drei Prozent. Eine sichere Stromversorgung für das Wirtschaftswachstum ist – zumindest in der Industrieregion Boyacá – vorhanden. <

begehrte Baustoff Steinkohlenflugasche dafür, dass der Beton fließfähig und geschmeidig ist, Verschalungen besser ausfüllt und sich leichter pumpen und verdichten lässt. Die Qualität der Verarbeitung steigt, und die Betonbauteile werden widerstandsfähiger.

NEUER ENERGIEMIX FÜR POLENEvonik kümmert sich in insgesamt acht Kraftwerken in ganz Polen um die Ent-sorgung. Es ist der einzige Dienstleister am Markt, der in ganz Polen aktiv ist – eine große Stärke, wenn es darum geht, lokale Kunden mit hochwertiger Flugasche zu versorgen. Zu seinen Kunden zählen auch weltbekannte Zement- und Beton-Konzer-ne wie die irische CRH plc (Cement Road-stone Holding), die französische Lafarge S.A., die mexikanische Cemex S.A. de C.V. und natürlich die deutsche Heidelberg-Cement AG. Im vergangenen Jahr hat Evonik einen neuen Zehn-Jahres-Vertrag mit einem der größten Kraftwerke Polens abgeschlossen. Volumen: rund 230.000 Tonnen Flug asche jährlich.

Aber Evonik ist mehr als ein Zwischen-händler. Das Unternehmen investiert an den Kraftwerksstandorten in große Siloanlagen, die eine reibungslose Entsorgung und damit einen sicheren Kraftwerksbetrieb garantieren. Außerdem entwickelt Evonik neue Anwendungs-gebiete und verbesserte Rezepturen – die Konkurrenz schläft nicht, und auch die polnische Bauindustrie bleibt von der Wirtschaftskrise nicht verschont.

Auch will Polen seinen Energiemix neu gestalten: Der Anteil der Kohle an der Energieerzeugung ist mit derzeit über 90 Prozent überwältigend. Obwohl Kohle der Energieträger Nummer eins bleiben wird, soll der Anteil der erneuerbaren Energien bis 2020 von derzeit knapp fünf Prozent auf 15 Prozent verdreifacht werden – in erster Linie mithilfe von Bio-masse. Als hätte es die Stadt Kattowitz vor bald 200 Jahren bereits gewusst: Neben der Schwerindustrie fanden auch andere Standortfaktoren auf das Stadt-wappen von Kattowitz: Die Holzplanke und das blaue Band stehen für dieForstwirtschaft in den Wäldern und den Fluss Rawa – die Schätze der Natur. <

Energie für den Aufstieg

K O L U M B I E N Trotz der Probleme mit Drogenhandel und Terrorismus gehört das Land zu den verlässlichen Aufstiegskandidaten Südamerikas. Der intelligente Umgang mit seinen Bodenschätzen gehört zum Erfolgsrezept

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Bis auf 2.500 Meter Höhe transportieren Trucks Steinkohle zum Kraftwerk Termopaipa IV

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High Speed durch Hightech

Der Lotus Exige S der Evonik Industries AG ist ein Siegertyp: 2008 sicherte

sich das Team Red Motorsport den Klas-sensieg in der Dutch Supercar Challenge, in Hocken heim und in Silverstone (Groß britannien). Hinzu kamen weitere Top-Platzierungen.

An dieser Leistung hat die Chemie-sparte von Evonik ihren Anteil. Mit Sand-wich-Composites, einer Kombination aus Kohlefaser und dem Strukturschaum ROHACELL, können Heckflügel und die gesamte Karosserie gefertigt werden. Die Fenster des Lotus sind aus leichtem und gleichzeitig robustem Verbund aus PLEXIGLAS. Das spart Kilos und ermög-licht eine stärkere Beschleunigung und höhere Kurvengeschwindigkeiten. Insge-samt ist der Rennwagen mehr als 100 Kilo leichter als das mit 950 Kilo ohnehin schon leichtgewichtige Serienmodell. Dabei hat der Evonik Lotus rund 50 Prozent mehr Motorleistung. Vor der Saison 2008 konn-ten an der Karosserie noch mal 20 Kilo gespart werden. Aber nicht nur im Außen-kleid steckt Hightech, auch unter der Motorhaube ist Evonik am Werk. Reibungs-reduzierendes Motorenöl und Spezial fett

für die beanspruchten Gelenkwellen sor-gen für mehr Power auf der Strecke. Durch reduzierten Verbrauch sind späte Tank-stopps möglich, die optimierte Schmierung macht den Antriebsstrang haltbarer. Gelenkwellen und Motor haben die Renn-saison 2008 problemlos durch gehalten.

Auch unter der Motorhaube wird Gewicht reduziert: Das Ladeluftrohr, das Aluminiumrohr, mit dem der Motor beatmet wird, musste einem Bauteil aus dem besonders temperaturbeständigen VESTAMID HTplus weichen. Dieses ist halb so schwer wie das Aluminiumbau teil und optimiert mit seinen glatten Innen-flächen Luftstrom und Motorleistung. Der Motorsport ist auch für Evonik ein Test-gelände für Alltagsanwendungen. Was im Rennstall funktioniert, kann später im Serienfahrzeug zum Einsatz kommen. Für die Starterbatterie des Lotus Exige S wird der neue Lithium-Ionen-Akku des Tochterunternehmens Li-Tec verwendet. So lohnt ein Blick in die Entwicklungswerk-statt von Red Motorsport und Evonik, um zu sehen, wie energieeffiziente, um welt-schonende Autos in Zukunft gebaut werden könnten. <

I N T E R N AT I O N A L Mit dem Lotus Exige zeigt Evonik, was seine Produkte im Automobilbau können. Weltweit fährt der ultraleichte Flitzer damit Erfolge ein

Klassensiege und Top-Platzierungen:

der ultraleichte Flitzer „Lotus Exige S“

KOMPAK TTop-Personalmanagement Schanghai (China) Die Evonik Industries AG gehört zu den besten Arbeitgebern Chinas. Als eines von 24 Unternehmen wurde der Essener Konzern in diesem Jahr in den Kreis von China’s Top Employers 2009 gewählt. Damit ehrte das inter-nationale Beratungsunternehmen CRF (Corporate Research Foundation) das heraus ragende Personalmanagement der Evonik Degussa (China) Co., Ltd. Beson-ders das interne Schulungs programm, die transparente Kommu nikationsstruktur und die flache Hierarchie überzeugten. Bereits zum dritten Mal wird das chine-sische Tochter unter nehmen damit für sein Personal management ausgezeichnet.

Hilfe zur SelbsthilfePorayar (Indien) Auch vier Jahre nach-dem ein verheerender Tsunami die Ostküste Indiens verwüstet hat, engagiert sich die Evonik Industries AG gemeinsam mit der Kindernothilfe für dort lebende Kinder. Kürzlich hat der Konzern im Dorf Porayar für 20.000 € zwei Kinder-wohnheime mit Computer-Schulungs-räumen ausgestattet und die ent-sprechenden Lehrkräfte gesponsert. Ziel ist es, den Kindern aus armen und bildungsfernen Familien eine berufliche Perspektive zu bieten. Darüber hinaus wirbt Evonik zusätzlich intern für private Patenschaften, die Kindern den Schul-besuch ermöglichen.

Solarmaterial aus ItalienMeran (Italien) In Süd tirol baut die Evonik Industries AG eine neue Chlor-silan-Anlage. Das neue Werk im italienischen Meran wird in Kürze Chlor-silan herstellen, das Vorprodukt für polykristallines Silizium. Der ausschließ-liche Abnehmer, der amerikanische Elektronikkonzern Electronic Materials, Inc. (MEMC), produziert daraus in seinen weltweiten Werken Wafer für die Solar-industrie. Das neue Werk ist Teil einer größeren Strategie: Weltweit baut Evonik mit neuen Produktions stätten seine Kapa-zitäten in diesem Wachstumsmarkt aus.

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58 EVONIK GLOBAL EVONIK-MAGAZIN 2/2009 INTERNATIONAL

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