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Beitragsserien UVP und Okometrie Beitragsserie: UVP und Okometrie Hrsg.: Dr. Th. Bunge, Dipl.-Geo6kol. L. Ries, Umweltbundesamt, Bismarckplatz 1, D-14193 Berlin Die Beitragsserie aus den Ausgaben 2-6/1992 sowie 1- 3 und 5/1993 wird hier beendet. 5 ExemplarischeAnwendungen 5.2 Umweltvertrfiglichkeitspriifung von Kunstschneeanlagen Monika Lange Dipl.-Geogr. M. Lange, Maybachufer 47, D-12045 Berlin Zusammenfassung. Ein Ansatz zur Untersuchung der Umwelt- vertriiglichkeit yon Kunstschneeanlagen wird erlfiutert. Nach einer Beschreibung der Anlagenarten, die gegenwiirtig verwendet werden, und ihrer Einflfisse auf die Umwelt, werden for die wichtigsten Ein- flu~bereiche Kriterien und Indikatoren erarbeitet, die ffir die Bewer- tung der Umweltfolgen zentrale Bedeutung haben. 1 Einleitung Die Umweltvertrfiglichkeitsprfifung ist ein Instrument, wel- ches das Ziet verfolgt, die natfirlichen Lebensgrundlagen der Gesellschaft zu sichern und zu entwicketn. In einem geigneten Verfahren sollen die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Projekts auf Mensch, Fauna, Flora, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft sowie die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Faktoren identifiziert, beschrieben und bewertet werden (Gesetz fiber die UVP vom 12.02.90). Kunstschneeanlagen haben durch die milden Winter der ver- gangenen Jahre und die erh6hte Nachfrage nach schneege- sicherten Skigebieten groi~e Bedeutung erlangt. Da es sich bei den Kunstschneeantagen um einen Eingriff in den Naturhaushalt handelt und 6kologisch negative Aus- wirkungen nicht auszuschlie~en sind, w~ire eine Prfifung der Umweltvertrfiglichkeit dringend erforderlich. Dazu wurden Ergebnisse aus Untersuchungen und Erfahrungen aus der Praxis zu Auswirkungen des Kunstschnees zusammengetra- gen und ein erstes Konzept einer m6glichen UVP vorgestellt. 2 Kunstschnee, -anlagen, Technik Kunstschnee wird maschinell produziert; es werden dazu Wasser, Druckluft und Lufttemperaturen unter - 4 ~ be- n6tigt. Andere Zusfitze werden nicht verwendet. Dazu wird ein umfangreiches technisches Rohrleitungs- system mit Pumpstationen installiert. Die Leitungen fOr Was- set, Strom und teilweise Druckluft werden unterirdisch in Gr~iben entlang der zu beschneienden Piste verlegt. Alle 50 - 100 m werden oberirdisch Anschlut~k~isten und Hydran- ten aufgestellt, an denen mit Hilfe von Schl~iuchen die Schneekanonen angeschlossen werden k6nnen. Zusfitzliche Pumpstationen und Kompressoranlagen bei Hochdruckanlagen mfissen gebaut werden. Zur Wasserent- nahme miissen nahegelegene B~iche, Flfisse oder Seen ange- zapft, eventuell sogar Rfickhaltebecken gebaut werden. Man unterscheidet zwischen Hoch- und Niederdruck- Anlagen. Hochdruckkanonen sind Dfisen, in denen unter Druck ste- hendes Wasser mit Druckluft fein zerst~iubt wird. Nach dem Austritt aus der Diise gefrieren die Wassertr6pfchen auf ih- rem kurzen Weg zur Bodenoberfl~iche zu feinen Kristallen. Wegen ihres geringen Gewichtes (10 - 20 kg) k6nnen Hoch- druckkanonen leicht transportiert und verschoben werden. Sie haben jedoch einen h6heren Energiebedarf, da gr6t~ere Mengen Druckluft eigens produziert werden mfissen. Niederdruck- bzw. Propellerschneekanonen sind in der Re- gel gro~e, kurze Rohre von 60 - 80 cm Durchmesser mit Ge- blaise, an deren Vorderrand Wasser aus vielen ringf6rmig an- geordneten Dfisen in den Luftstrom versprfiht wird. Den for das Versprfihen notwendigen Druck liefert ein kleiner, auf dem Kanonenstativ montierter Kompressor. Die auf Schlit- ten oder Pistenfahrzeugen montierten Schneekanonen wer- den mit Schlauchleitungen und Stromkabel angeschlossen. Niederdruckkanonen haben ein h6heres Gewicht (mehrere 100 kg), jedoch einen wesentlich geringeren Ger~iuschpegel und einen geringeren Energieverbrauch (WECHSLER1990). Die Qualitiit des Kunstschnees spielt eine entscheidende Rolle ffir die Auswirkungen auf die empfindlichen C)kosysteme. Um dem natfirlichen Schnee zu entsprechen, mut~ der Kunst- schnee m6glichst trocken, von geringer Dichte (max. 360 kg/m 3) und von geringem Gehalt an freiem Wasser (max. 20 %) sein (WECHSLER 1987). Diese Eigenschaften k6nnen nur gegeben sein, wenn folgende Bedingungen beim Schneivorgang herrschen: - Lufttemperatur unter - 4 ~ - niedrige Wassertemperatur - niedrige Luftfeuchte - Ffihigkeit des Schneimeisters, die Schneekanone richtig einzustellen. UWSF-Z.Umweltchem. Okotox. 5 (6)343-346 (1993) 343 ecomed-verlagsgesellschaft mbH & Co KG Landsberg

Exemplarische anwendungen

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Page 1: Exemplarische anwendungen

Beitragsserien UVP und Okometrie

Beitragsserie: UVP und Okometrie

Hrsg.: Dr. Th. Bunge, Dipl.-Geo6kol. L. Ries, Umweltbundesamt, Bismarckplatz 1, D-14193 Berlin

Die Beitragsserie aus den Ausgaben 2 - 6 / 1 9 9 2 sowie 1 - 3 und 5/1993 wird hier beendet.

5 Exemplarische Anwendungen 5.2 Umweltvertrfiglichkeitspriifung von Kunstschneeanlagen

Monika Lange

Dipl.-Geogr. M. Lange, Maybachufer 47, D-12045 Berlin

Zusammenfassung. Ein Ansatz zur Untersuchung der Umwelt- vertriiglichkeit yon Kunstschneeanlagen wird erlfiutert. Nach einer Beschreibung der Anlagenarten, die gegenwiirtig verwendet werden, und ihrer Einflfisse auf die Umwelt, werden for die wichtigsten Ein- flu~bereiche Kriterien und Indikatoren erarbeitet, die ffir die Bewer- tung der Umweltfolgen zentrale Bedeutung haben.

1 Einleitung

Die Umweltvertrfiglichkeitsprfifung ist ein Instrument, wel- ches das Ziet verfolgt, die natfirlichen Lebensgrundlagen der Gesellschaft zu sichern und zu entwicketn. In einem geigneten Verfahren sollen die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Projekts auf Mensch, Fauna, Flora, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft sowie die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Faktoren identifiziert, beschrieben und bewertet werden (Gesetz fiber die UVP vom 12 .02 .90) . Kunstschneeanlagen haben durch die milden Winter der ver- gangenen Jahre und die erh6hte Nachfrage nach schneege- sicherten Skigebieten groi~e Bedeutung erlangt. Da es sich bei den Kunstschneeantagen um einen Eingriff in den Naturhaushalt handelt und 6kologisch negative Aus- wirkungen nicht auszuschlie~en sind, w~ire eine Prfifung der Umweltvertrfiglichkeit dringend erforderlich. Dazu wurden Ergebnisse aus Untersuchungen und Erfahrungen aus der Praxis zu Auswirkungen des Kunstschnees zusammengetra- gen und ein erstes Konzept einer m6glichen UVP vorgestellt.

2 Kunstschnee, -anlagen, Technik

Kunstschnee wird maschinell produziert; es werden dazu Wasser, Druckluft und Lufttemperaturen unter - 4 ~ be- n6tigt. Andere Zusfitze werden nicht verwendet. Dazu wird ein umfangreiches technisches Rohrleitungs- system mit Pumpstationen installiert. Die Leitungen fOr Was- set, Strom und teilweise Druckluft werden unterirdisch in Gr~iben entlang der zu beschneienden Piste verlegt. Alle 50 - 100 m werden oberirdisch Anschlut~k~isten und Hydran-

ten aufgestellt, an denen mit Hilfe von Schl~iuchen die Schneekanonen angeschlossen werden k6nnen. Zusfitzliche Pumpstationen und Kompressoranlagen bei Hochdruckanlagen mfissen gebaut werden. Zur Wasserent- nahme miissen nahegelegene B~iche, Flfisse oder Seen ange- zapft, eventuell sogar Rfickhaltebecken gebaut werden. Man unterscheidet zwischen Hoch- und Niederdruck- Anlagen.

Hochdruckkanonen sind Dfisen, in denen unter Druck ste- hendes Wasser mit Druckluft fein zerst~iubt wird. Nach dem Austritt aus der Diise gefrieren die Wassertr6pfchen auf ih- rem kurzen Weg zur Bodenoberfl~iche zu feinen Kristallen. Wegen ihres geringen Gewichtes (10 - 20 kg) k6nnen Hoch- druckkanonen leicht transportiert und verschoben werden. Sie haben jedoch einen h6heren Energiebedarf, da gr6t~ere Mengen Druckluft eigens produziert werden mfissen.

Niederdruck- bzw. Propellerschneekanonen sind in der Re- gel gro~e, kurze Rohre von 60 - 80 cm Durchmesser mit Ge- blaise, an deren Vorderrand Wasser aus vielen ringf6rmig an- geordneten Dfisen in den Luftstrom versprfiht wird. Den for das Versprfihen notwendigen Druck liefert ein kleiner, auf dem Kanonenstativ montierter Kompressor. Die auf Schlit- ten oder Pistenfahrzeugen montierten Schneekanonen wer- den mit Schlauchleitungen und Stromkabel angeschlossen. Niederdruckkanonen haben ein h6heres Gewicht (mehrere 100 kg), jedoch einen wesentlich geringeren Ger~iuschpegel und einen geringeren Energieverbrauch (WECHSLER 1990).

Die Qualitiit des Kunstschnees spielt eine entscheidende Rolle ffir die Auswirkungen auf die empfindlichen C)kosysteme. Um dem natfirlichen Schnee zu entsprechen, mut~ der Kunst- schnee m6glichst trocken, von geringer Dichte (max. 360 kg/m 3) und von geringem Gehalt an freiem Wasser (max. 20 %) sein (WECHSLER 1987). Diese Eigenschaften k6nnen nur gegeben sein, wenn folgende Bedingungen beim Schneivorgang herrschen: - Lufttemperatur unter - 4 ~ - niedrige Wassertemperatur - niedrige Luftfeuchte - Ffihigkeit des Schneimeisters, die Schneekanone richtig

einzustellen.

UWSF-Z.Umweltchem. Okotox. 5 (6)343-346 (1993) 343 �9 ecomed-verlagsgesellschaft mbH & Co KG Landsberg

Page 2: Exemplarische anwendungen

UVP und Okometrie Beitragsserien

Okologisches Ziel einer Beschneiung ist der Schutz der Ve- getation bei zu geringer natiirlicher Schneebedeckung, um Schiiden durch Pistenraupen und Skikanten zu vermeiden. Weiterhin soil die Skisaison gesichert werden, um Einbut~en im Fremdenverkehr m6glichst gering zu halten, falls der na- t6rliche Schneefall ausbleibt.

Ungiinstigere klimatische Bedingungen k6nnen durch einen erh6hten Einsatz von Energie und Druckluft nur teilweise aufgefangen werden. Je feuchter der Schnee ist, desto ungiin- stiger seine Eigenschaften. Feuchter Schnee kann bei K~ilte- einbr6chen Eislamellen und Eisschichten bilden. Es kann zu Luftabschlut~ und Erstickungsgefahr an den Pflanzen kom- men. Eine CO2- Anreicherung und ein O2-Mangel im Laufe eines Winters wurden von ANGERER (1989) festgestellt. Eine durchgehende Schneebedeckung hat jedoch den Vor- teil, dat~ die Temperaturverhiilmisse am Boden besser sind. NEWESELY (1989) hat den Temperaturverlauf unter Schnee- decken untersucht. Tiefes Durchfrieren des Bodens unter Kunstschneebedeckung konnte im Gegensatz zu nat6rlicher Schneebedeckung mit teilweisem Ausapern und Freiwerden nicht festgestellt werden. Durch die Kompaktheit des Schnees bleibt er liinger liegen, und die Vegetationsperiode wird durch die l~ingere Aus- aperungszeit verkiirzt. Bestimmte Pflanzen werden verdrfingt. Auch k6nnen durch den erh6hten Wasseranfall trockenheits- liebende Pflanzenarten verdrfingt werden. Die Zusammen- setzung des fiir den Schneivorgang verwendeten Wassers ist eine andere als die des Niederschlagswassers. Besonders die Salze von Natrium und Magnesium werden zus~itzlich in den Boden eingetragen. Magerstandorte (Magerwiesen) k6nnen zerst6rt werden (KAMMER 1989). Weitere negative Auswirkungen sind beim Bau der Anlage m6glich. Die Eingriffe in den Boden, die Zerst6rung der Ve- getationsdecke, der Humusschicht und des Bodengefiiges sind im Hochgebirge nur sehr schwer bis gar nicht reparabel. Das Problem der Hochlagenbegriinung wurde besonders beim Skipistenbau deutlich, der einen noch wesentlich gr6t~eren Eingriff in den Naturhaushalt darstellt (MoSIMANN 1983/ 1985, SCHAUER 1981, CEP, NUSCA 1977). Die Wasserentnahme erfolgt zu Zeiten des allgemeinen Was- serniedrigstandes; d.h., Okosysteme k6nnen gef~hrdet wer- den, Fischen und Pflanzen wird die Lebensgrundlage zerst6rt, es kann zu Grundeisbildung und zum Austrocknen ganzer Bachliiufe kommen. Eine ausreichende Restwassermenge im angezapften Gewfisser mut~ daher gew~ihrleistet sein.

Der von Schneekanonen verursachte L/irm kann Anwohner und auch die Fauna beeintrfichtigen.

Ganz allgemein wird eine zusfitzliche touristische Einrich- tung den Massentourismus verst~irken. Mehr Verkehr be&u- tet mehr Abgase, mehr Straiten, Parkplfitze, Hotels u.a. in 6kologisch sensiblen Gebieten.

3 Entwurf einer UVP

Nachdem die Einfliisse von Kunstschnee und Kunstschnee- anlagen dargestellt wurden, werden im folgenden for die Haupteinfliisse Kriterien und Indikatoren erliiutert, die in der UVP zu bewerten sind.

Drei Bereiche werden untergliedert: 1. Landschaftsbild 2. Naturhaushalt 3. Technische und naturr~umliche Eignung fiir eine Be-

schneiung.

Indikatoren und Met~gr6t~en (~ Tabelle, S. 345) sollen die Umweltvertr~iglichkeit nach einem 5-Punkte-Bewertungs- system feststellen:

5 bedeutet 6kologisch sehr gut vertr/iglich 4 bedeutet 6kologisch gut vertr~iglich 3 bedeutet 6kologisch leicht bedenklich 2 bedeutet 6kologisch stark bedenklich 1 bedeutet 6kologisch nicht vertr~iglich

Das Kriterium Landschaftsbild hat insofern eine gewisse Be- deutung, da es sich auch im Bundesnaturschutzgesetz am Leitbild Vielfalt, Eigenart und Sch6nheit orientieren soil. Asthetische Qualit~iten werden durch Urspr6nglichkeit und Naturn~ihe erreicht. Der Skisport sollte dem nat6rlichen Gel~inde angepaflt sein und nicht umgekehrt. Da auch der Sommertourismus einen wichtigen Teil des Fremdenverkehrs darstellt und besonders durch ein sch6nes Landschaftsbild angezogen wird, ist eine weitere Zerst6rung der naturr~iumlichen Ausstattung m6g- lichst zu vermeiden. Das Landschaftsbild wird durch eine Kunstschneeanlage, durch ihre Gr6f~e und durch das System, welches Rir die Schneeproduktion angewendet wird, gest6rt. Die Gr6fle wirkt sich insofern auf das Landschaftsbild aus, als daraus ein Eingriff in den Boden und die Zerst6rung der Grasnarbe resultieren kann. Die wiederbegriinten Gr~ben sind noch nach Jahren durch andersartige Vegetation sichtbar.

Fiir die Bewertung der Anlagengr6fle wird folgende 5-Punkte- Skala aufgestellt: Anlagengr6t~e < 5 ha = 5 Punkte

5 - 7 ha -- 4 Punkte 8 - 2 0 h a -- 3 Punkte

2 1 - 5 0 h a -- 2Punkte >50 ha = 1 Punkte

Das Kriterium Naturhaushalt soll die 6kologische Bedeutung der zu beschneienden Flfiche beurteilen. Als Indikator gilt hier die Naturn~ihe der Piste, die auf der Naturn~ihe der Pflanzengesellschaften beruht. Dabei wird un- terschieden, ob eine Piste - naturnah, - kiinstlich begr6nt mit bzw. mit wenig Einwanderung

standortstypischer Pflanzengesellschaften, - naturfern ist. Zuschl/ige in der Wertung k6nnen erfolgen, wenn schutzw/ir- dige Biotope vorhanden sind oder Arten der Roten Liste vor- kommen.

Der Indikator Wasserentnahme wird mit der Menge des ent- nommenen Wassers bewertet. Als Meflgr6~e dient die 10 % Marke des mittleren Niedrigwasserstandes, die von Wasser- wirtschafts~imtern als vertriigliche Entnahmemenge festge- setzt wird, um z.B. Trockenfallen und Grundeisbildung zu vermeiden.

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Page 3: Exemplarische anwendungen

Beitragsserien UVP und C)kometrie

Tabelle: l~lbersicht fiber Indikatoren, Unterindikatoren und Me~gr6t~en fiir eine UVP von Kunstschneeanlagen

Indikator Unterindikator MeBgr68e

Landschaftsbild Gr68e der Anlage ha System/Anlagentyp Hoch-/Niederdruck

Naturn&he + Biotopausstattung + Zahl gesch. Arten Wasserentnahme Gef&hrdungen

Naturn&he der Pflanzengesellschaften Vorhandensein schutzwQrdiger Biotope Anzahl der Rote-Liste-Arten

Beweidung DDngung Schneefestiger Auftaumittel

Bakterien limitierender Faktor

naturr&umliche Eignung

technische Eignung

10 % des mittleren Niedrigwasserstandes Anzahl der Belastungen

L&rmbelastung Pistenzustand + Vorkommen von erosionsgef~hrdeten

Bereichen Rekultivierbarkeit Schneedeckendauer

Deckungsgrad Minimum-Temperatur + Luftfeuchtigkeit Wassertemperatur WassergDte

dB (A) Rauhigkeit

m Dber NN Tage mit > 20 cm Schneeh~he % Tage < - 4 ~ % rel. Feuchte ~ GDteklasse

Gef~ihrdungen/Belastungen des Naturhaushaltes k6nnen durch die folgenden Maflnahmen hervorgerufen werden:

1. Dutch die intensive Beweidung im Sommer k6nnen Tritt- schiiden und Narbenversatz die Grasnarbe zusfitzlich sch~i- digen.

2. Die Diingung der Fl~ichen beeinfluf~t das natfirliche Ar- tenspektrum; sogar eine Reduktion der Artenvielfalt kann die Folge sein (PR6BSTL 1990). Zusiitzliche Diingung kann auch der Einsatz von Auftau- mitteln zur Folge haben. Es handelt sich dabei um Humus- Granulate, die durch ihre dunkle Farbe die Albedo ver- ringern und so, auf den Schnee gestreut, das Ausapern be- schleunigen. Damit soil verhindert werden, dat~ der Schnee zu lange liegen bleibt und die Vegetationsperiode verk/irzt wird. Dieser zus~itzliche N~ihrstoffeintrag, das schnelle Aus- apern, ein eventuell erh6hter Oberflfichenabflut], der Nfihrstoffeintrag in die Bfiche/Gew~sser mit Folge einer Eutrophierung, sind negative Auswirkungen, die bedacht werden mfissen. Ein andere, sinnvollere L6sung wfire das rechtzeitige Been- den der Beschneiung, so dat~ sich die Schneebedeckung nicht wesentlich vonder Umgebung unterscheidet.

3. Beim Einsatz von Schneefestigern werden Chemikalien wie Chloride und Sulfate auf den Schnee gestreut; diese Maff- nahme wird in der Regel ffir Abfahrtsrennen angewendet.

Ein wichtiges Bewertungskriterium ist der Einsatz yon Bak- terien. Die Bakterien pseudomonas syringae produzieren ei- nen Eiweit~stoff, der fiir die F6rderung der Eiskristallbildung

verantwortlich ist. Der Vorteil von Bakterien ist eine Erh6- hung des Gefrierpunktes um bis zu 5 ~ (HAASE 1988).

Das k6nnte bei der Kunstschneeproduktion Energie einspa- ren. Es besteht jedoch die Gefahr, dat~ nicht ordnungsge- m~ifl sterilisierte Bakterien sich bei ihrer Ausbringung ver- mehren und in die Umwelt ausbreiten. Sie k6nnen an Pflan- zen gelangen, die Frostgefahr erh6hen und unfibersehbare Folgen ausl6sen. Ein solcher Bakterieneinsatz birgt zu grofle Risiken in sich. Er wird als limitierender Faktor gez~ihlt; das heiflt, mit ei- nero Einsatz yon Bakterien w/irde das gesamte Projekt als unvertr~glich ffir die Umwelt eingestuft.

Die einzelnen Punkte werden je nach Bedeutung verschieden gewichtet und zu einem Mittelwert zusammengez~ihlt im Sinne einer Nutzwertanalyse.

Eine gemeinsame summarische Bewertung mit dem Bereich Landschaftsbild oder dem Kriterium technische und natur- rdumliche Eignung kann nicht erfolgen. Eine abschliet~ende Gegenfiberstellung der drei Bereiche kann als Grundlage for eine Beurteilung dienen.

Die naturriiumliche Eignung wird durch die Indikatoren - Lfirmbelastung, gemessen in dB(A) - Pistenzustand (Rauhigkeit) wiedergegeben. Je rauher und unebener eine Piste ist, desto mehr Schnee muf~ produziert werden, um eine glatte Schneeoberflfiche zu er- halten. In vielen Ffillen reicht eine Schneedecke von 25 - 30 cm aus (MOSIMANN 1987). Mit dieser Bewertung soil jedoch nicht eine Planierung der Piste gef6rdert werden, welche die niedrigste Punktzahl h~itte.

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Page 4: Exemplarische anwendungen

UVP und C)kometrie Beitragsserien

Der Deckungsgrad ist ein weiterer Indikator for den Zustand und die Erosionsanf~illigkeit der Flfiche. Dieser wird in Pro- zentanteilen der Vegetationsbedeckung angegeben. Die maximale H6he i~ber NN der zu beschneienden Flfiche gilt als Met~gr6t~e fOr die Rekultivierbarkeit. Langjiihrige Un- tersuchungen (SCHAUER 1981) haben ergeben, dafg ab einer H6he von I 600 m ~iber NN eine Wiederbegriinung fast aus- sichtslos ist. Da beim Bau der Anlage Eingriffe in Boden und Vegetationsbedeckung nicht zu vermeiden sind, spielt die Re- kultivierbarkeit eine wichtige Rolle.

Die t e c h n i s c h e E i g n u n g wird anhand der Indikatoren - Minimum-Temperatur und Luftfeuchtigkeit - Wassertemperatur - Wasserg~ite bestimmt. Wie in Abschnitt 2 beschrieben, ist die Qualit/it d e s K u n s t -

s c h n e e s ein wichtiger Aspekt bei der Untersuchung der Um- weltvertr~iglichkeit. Um guten Schnee zu produzieren, mu~ die Lufttemperatur entsprechend niedrig sein. So dient die Anzahl der Tage mit Temperaturen kleiner - 4 ~ hierfor als Met~gr6fi~e. Falls in dem vorgesehenen Gebiet nicht gen~igend kalte Tage im langjfihrigen Mittel vorkommen, wfire eine Beschneiung als 6kologisch problematisch einzu- stufen. Der Indikator Gewdssergi2te ist aus hygienischer Sicht zu beurteilen. Verunreinigtes Wasser, z.B. mit Koli-Bakterien, kann als Schnee von Kindern gegessen werden, in Wunden oder m6glicherweise in die Trinkwasserversorgung gelangen und Quellwasserhorizonte verunreinigen. Eine spezielle Was- seruntersuchung ist in Zweifelsffillen durchzuf~ihren.

4 E r g e b n i s s e

Nach der Bewertung der einzelnen Kriterien

- Landschaftsbild - Naturhaushalt - Technische und naturr/iumliche Eignung for eine Be-

schneiung

kann eine Gesamtbewertung nur in einer Gegeniiberstellung der Kriterien erfolgen. Im Sinne der Umweltvertr~iglichkeits- prfifung ist der S c h u t z d e s N a t u r h a u s h a l t e s vorrangig.

Da keine eindeutige Unbedenklichkeit besteht und eine Ver- ~inderung im Artenspektrum zu erwarten ist, sollen Projekte mit guter Bewertung des Naturhaushaltes nur dann for eine Beschneiung freigegeben werden, wenn auch die naturrfium- liche und technische Eignung gut sind. Falls es sich bei dem zu prOfendem Beschneiungsprojekt jedoch um eine Piste han- delt, die bereits planiert, begriint und landwirtschaftlich in- tensiv genutzt wird, sind eher weniger negative Auswirkun- gen durch den Kunstschnee zu erwarten.

Soil die Beschneiung zum Schutz der Vegetation erfolgen, mut~ zunfichst das Hauptgewicht auf bisherige Sch/iden und Belastungen gelegt werden. Eine iibermiit~ige Beweidung mit der Folge von Trittschiiden und eine DOngung mit der Folge der Verringerung des Artenspektrums ist ein wesentlich gr6- ~erer Eingriff in das Okosystem, als es Kunstschnee, richtig produziert, sein kann.

Der Einsatz von Kunstschnee kann diese Schfiden jedoch nicht beheben.

Die beim Skipistenbau vorgenommenen Gel~indeeingriffe, z.B. Planierungen, Sprengungen, Zerst6rung des Bodenge- foges sollten grunds~itzlich abgelehnt werden, da sie nach heutigem Wissensstand nicht mehr vertretbar sind.

Durch den Anreiz for den Massentourismus hervorgerufene indirekte Auswertungen wurden in dieser Priifung nicht be- wertet.

5 Epilog

Die Aussagekraft dieser UVP ist insofern zu kritisieren, als es kein endg~iltiges Ergebnis gibt, sondern Ergebnisse aus drei Bereichen. Die Schwierigkeit ist, daf~ der 6kologische Wert des Naturhaushattes mit dem Weft for die Eignung zur Be- schneiung nicht verglichen oder zusammengez~ihlt werden kann. Die Bewertungszahlen sind gegenliiufig. Ein hoher Wert fOr den Naturhaushalt ist nicht gleichbedeutend mit ei- ner hohen Umweltvertr~iglichkeit. So stellt sich das Problem, ob man von einer Umweltvertr~iglichkeit sprechen kann, wenn der Naturhaushalt schon so gest6rt ist, dat~ der Ein- satz von Kunstschnee nicht so gravierende negative Auswir- kungen hfitte. Eine abschlie~ende Abwfigung aller drei Bereiche ist notwen- dig, um fiber die Umweltvertrfiglichkeit eine Aussage ma- chen zu k6nnen. Da es bisher noch keine langj~ihrigen Untersuchungen gibt, soil diese UVP nur ein Grundkonzept sein, das nach Wis- sensstand und neuesten Erkenntnissen zu verfindern und zu erweitern ist.

6 L i t e r a t u r

ANGERER, Herbert ( 1989): Messung der Kohlendioxid- und Sauerstoff- konzentrationen an der Bodenoberfl~iche unter verschieden priipa- rierten Schneedecken. Entwicklung und Erprobung einer Met]me- thode. Diplomarbeit am Institut fOr Botanik der Universit~it Inns- bruck.

CERNUSCA, Alexander (1977): Alpine Umweltprobleme, Okologische Veriinderungen durch das Anlegen yon Skiabfahrten an Waldhfin- gen. In: Beitr~ige zur Umweltgestaltung, A 62, Schmidt Verlag Berlin.

HAASE, Ernst (1988): Der biologische Schneebildner SNOWMAX. Vor- trag anl~it~l, der 6. Tagung zur Hochlagenbegriinung 1988 in Lech/Vorarlberg

KAMMER, Peter (1989): Auswirkungen von Kunstschnee auf subalpine Rasenvegetation. Diplomarbeit am Systemat.-Geobot. Institut der Universitat Bern, 129 S.

MOSIMANN, Thomas (1983/85): Landschafts6kologischer Einflu~ von Anlagen for den Massenskisport. II. Bodenzustand und Bodenst6- rungen auf planierten Pisten. Geograph. Institut, Uni Basel.

MOSIMANN, Thomas (1987): Schneeanlagen in der Schweiz. Aktueller Stand - Umwelteinflii~e - Empfehlungen. -- Materialien zur Phy- siogeographie, Heft 10, 112 S., Geograph. Institut der Universitiit Basel.

NEWESELY, Christian (1989): Entwicklung und Erprobung yon Met~- methoden zur Untersuchung der Schneestruktur und des Tempera- turverlaufs unter Schneedecken. Diplomarbeit am Institut fiir Bota- nik der Universitfit Innsbruck.

PROBSTL, Ulrike (1990): Skisport und Vegetation. DSV-Umweltreihe Band 2, Schriftenreihe des Deutschen Skiverbandes, St6ppel Verlag Weilheim, 127 S.

SCHAUER, Thomas (1988): Vegetationsver~inderungen und Florenver- lust auf Skipisten in den bayer. Alpen. In: Jahrbuch des Vereins zum Schutz der Bergwelt, S .149- 171, Miinchen.

WECHSLER, Hans-Georg(1990): Kiinstliches Beschneien - ein Ausweg? Referat INFRA-TOURIST St. Gallen. Mai 1990

346 UWSF-Z.Umweltchem. Okotox. 5 (6) 1993