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Expertenwissen für DGQ-Mitglieder Wirtschaftsethik und Möglichkeiten unternehmerischen Handelns

Expertenwissen für DGQ-Mitglieder · tiven Grundlagen “8 unterzieht. Wirtschaftliches Handeln ... Abb. 1: Kreislauf der Impulse zur Moral der Wirtschaft nach Ulrich10. 4 Wirtschaftsethik

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Expertenwissen für DGQ-Mitglieder

Wirtschaftsethik und Möglichkeiten unternehmerischen Handelns

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2 Wirtschaftsethik und Möglichkeiten unternehmerischen Handelns

Expertenwissen für DGQ-Mitglieder

1. Einführung

Grundsätze unternehmerisch ethischen Handelns, ent-

sprechende Richtlinien und Standards als eine praktische

Form von Wirtschaftsethik gewinnen immer mehr an

Relevanz. Inzwischen sind sie nahezu weltweit verbreitet.

Geprägt durch Umweltskandale, Ausbeutung von Arbeits-

kräften und Wirtschaftskrisen nehmen Öffentlichkeit

und damit Verbraucher unternehmerisches Handeln

wesentlich kritischer wahr. Peter Ulrich nennt die Art des

Wirtschaftens „einer zu weit getriebenen moralischen

Enthemmung und institutionellen Entfesselung wirt-

schaftlichen Vorteilstrebens1 “. Deshalb scheint es von

immer größeren Interesse, globale Standards von unter-

nehmerischen Handeln und dem Umgang von Unterneh-

men und Organisationen mit der Umwelt, Lieferanten,

Mitarbeitern und Geschäftspartnern zu definieren und

zu etablieren. Unternehmen und Organisationen reagie-

ren immer mehr auf den gesellschaftlichen, aber auch

wirtschaftlichen und ökologischen Druck mit Übernahme

sozialer Verantwortung. Dies fasst auch die Europäische

Kommission im „Grünbuch – Europäische Rahmenbedin-

gen für die Soziale Verantwortung von Unternehmen wie

folgt zusammen: „Bürger, Verbraucher und Investoren

treten aufgrund der Globalisierung und des industriellen

Wandels mit neuen Erwartungen an die Unternehmen und

Organisationen heran. Auch soziale Kriterien nehmen

mehr Einfluss auf die Investitionsentscheidungen von

Unternehmen und Organisationen. Zudem löst die durch

die Wirtschaftstätigkeit bedingte Umweltschädigung

immer größere Besorgnis aus. Auch ermöglichen Medien

und moderne Informations- und Kommunikationstechnik

eine größere Transparenz der Wirtschaftstätigkeit.“2

Das vorliegende Whitepaper soll den Zusammenhang

wirtschaftsethischer Theorien und Ansätze und dem

zunehmenden Trend von wirtschaftsethischen Standards

aufzeigen und kritisch beleuchten. Zudem gibt es einen

Ausblick, was die Zunahme von gesellschaftlicher Verant-

wortung für Qualitätsbeauftrage und -manager bedeuten

kann.

2. Wirtschaftsethik

2.1 Definition und Problemstellung

Die Wirtschaftsethik, als ein Bereich der Ethik, stellt die

Frage nach einem gerechten Wirtschaftssystem und der

Anwendung moralischer3 Maßstäbe in der Wirtschafts

(politik).

Wirtschaftsethik befasst sich mit der Fragestellung, „wie

moralische Normen und Ideale unter den Bedingungen

der modernen Wirtschaft zur Geltung gebracht werden

können.“4 Normen und Werte sind dabei gesellschafts-

abhängig und das Wirtschaften eingebettet in Gesetze

und die Wirtschaftsordnung. Trotz Gewinnstreben soll

Wirtschaften keineswegs nur ein Selbstzweck, sondern

eine Möglichkeit des guten Zusammenlebens der Men-

schen sein5. „Vernünftiges Wirtschaften soll dabei“, so

Ulrich, „Werte schaffen im Spannungsfeld von Sinn,

Gerechtigkeit und der Effizienz“6. Ziel ist es also, wirt-

schaftlich erfolgreich zu sein, und dennoch ethisch zu

handeln und zu entscheiden.

Wirtschaftsethik und Möglichkeiten unternehmerischen Handelns

1 Ulrich, Peter: Die gesellschaftliche Einbettung der Marktwirtschaft

als Kernproblem des 21. Jahrhunderts. Eine wissenschaftliche Fort-

schrittsperspektive in Berichte des Instituts für Wirtschaftsethik Nr.

115; 2009, S. V

2 Vgl. Europäische Kommission: Grünbuch – Europäische Rahmenbe-

dingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen 2001, S. 4

3 Der Duden definiert Moral als „Gesamtheit von ethisch-sittlichen

Normen, Grundsätzen, Werten, die das zwischenmenschliche

Verhalten einer Gesellschaft regulieren, die von ihr als verbindlich

angesehen werden“. Duden: www.duden.de/rechtschreibung/Moral

4 Gabler Wirtschaftslexikon: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/

Definition/wirtschaftsethik.htm

5 Vgl. Ulrich, Peter: Die gesellschaftliche Einbettung der Marktwirt-

schaft als Kernproblem des 21. Jahrhunderts. Eine wissenschaftliche

Fortschrittsperspektive in Berichte des Instituts für Wirtschaftsethik

Nr. 115; 2009, S. 3

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3

Dies ist auch zentraler Punkt der integrativen Wirtschaft-

sethik, die Ulrich maßgeblich prägte. Diese setzt die

kritische Refl exion des Handels und Einbeziehung aller

möglichen Interessensgruppen in Hinblick auf wirtschaft-

liche Überlegungen voraus. Ulrich beschreibt es mit der

„methodisch disziplinierten, ethisch tragfähigen Begrün-

dung bzw. Kritik aller Geltungsansprüche, die im Namen

der ökonomischen Vernunft erhoben werden.“7

Diese Überlegungen und Forderungen nach einer kri-

tischen Refl exion beziehen sich allerdings nicht nur auf

Unternehmen und Organisationen. Aufgabe der Wirt-

schaftsethik ist es laut Ulrich vielmehr, „dass die Ge-

sellschaft und jeder Einzelne die Wirtschaftsweise einer

„kritisch-vernünftigen Refl exion hinsichtlich ihrer norma-

tiven Grundlagen“8 unterzieht. Wirtschaftliches Handeln

kann also jeder beeinfl ussen. Dies geschieht direkt am

Ort des wirtschaftlichen Geschehens, dem Markt. Diesen

bezeichnet Ulrich als „Ort“ der Moral.

2.2 „Ort“ der Moral

Ulrich beschreibt vier aktive Orte, die das wirtschaftliche

Handeln der Menschen und damit den Markt direkt

beeinfl ussen. Diese aktiven Orte der Moral sind die Wirt-

schaftsbürger, Unternehmen, die kritische Öffentlichkeit

und die staatlich gesetzliche Rahmenordnung und in

einem Kreislaufsystem voneinander abhängig9. Auf dem

Markt wiederum, dem inaktiven Ort der Moral, treffen

Angebot und Nachfrage aufeinander.

Ausgangs- und Endpunkt des Kreislaufs und damit ent-

scheidender Einfl ussfaktor ist der Wirtschaftsbürger. Er

stellt seine Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapital, Boden)

zur Verfügung und erhält dafür Kaufkraft. Zudem ist

der Wirtschaftsbürger Teil eines weiteren Orts der Moral:

der kritischen Öffentlichkeit. Die kritische Öffentlichkeit

ist verantwortlich für die politische und ökonomische

Willensbildung und beeinfl usst dadurch Gesetze und

Rahmenordnungen des Wirtschaftens. Der Wirtschafts-

bürger als Teil der kritischen Öffentlichkeit kann auf

wirtschaftliche Entwicklungen ganz direkt Einfl uss neh-

men: durch politische Wahlen, Proteste und Boykotte an

unethisch handelnden Unternehmen und der Forderung

nach wirtschaftsethischen Standards. Das Unternehmen

als dritter Ort der Moral kann aktiv Entscheidungen

zu ethischen Verhalten treffen oder auf Gesetze oder

Forderungen der kritischen Öffentlichkeit reagieren.

Vierter Ort der Moral ist die staatlich gesetzliche Rahme-

nordnung des Marktes. Diese wird durch demokratische

Wahlen und damit Einfl uss auf mögliche Gesetzgebungen

6 Vgl. Ulrich, Peter: Die gesellschaftliche Einbettung der Marktwirt-

schaft als Kernproblem des 21. Jahrhunderts. Eine wissenschaftliche

Fortschrittsperspektive in Berichte des Instituts für Wirtschaftsethik

Nr. 115; 2009, S. 3

7 Ulrich, Peter, Integrative Wirtschaftsethik: Grundlagenrefl exion der

ökonomischen Vernunft; http://evoeco.forschungsseminar.de/hptulr.

html

8 Ulrich, Peter: Wirtschaftsethik als Beitrag zur Bildung mündiger

Wirtschaftsbürger. Zur Frage nach dem „Ort“ der Moral in der Markt-

wirtschaft. Berichte des Instituts für Wirtschaftsethik der Universität

St. Gallen Nr. 57, 1993, S. 6

9 Jauß, Susanne und Schönherr Kurt W.: Wirtschaftsethik. Wirtschaft-

sethik in Theorie und Praxis Lerneinheit 2, 2006, S. 6

10 Jauß, Susanne und Schönherr Kurt W.: Wirtschaftsethik. Wirtschaft-

sethik in Theorie und Praxis Lerneinheit 2, 2006, S. 7

Abb. 1: Kreislauf der Impulse zur Moral der Wirtschaft nach Ulrich10

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4 Wirtschaftsethik und Möglichkeiten unternehmerischen Handelns

Expertenwissen für DGQ-Mitglieder

direkt beeinflusst – von der kritischen Öffentlichkeit und

dem Wirtschaftsbürger. Laut Jauß und Schönherr ist der

entscheidende Ort der Moral das Unternehmen, da hier

Signale und Forderungen der Wirtschaftsbürger und der

kritischen Öffentlichkeit direkt einfließen und der staatli-

che Handlungsrahmen bekannt und vorgegeben ist11. Nun

liegt es an den Unternehmen, auf diese Forderungen und

Impulse einzugehen und entsprechende Maßnahmen zu

ergreifen. Doch was könnten mögliche Handlungen sein?

Diese Frage behandelt das folgende Kapitel.

3. Möglichkeiten unternehmerischen Handelns

Auf Druck der Öffentlichkeit, die aufgrund zahlreicher

Skandale ein immer größeres Bewusstsein dafür entwi-

ckelt hat, unter welchen Umständen Unternehmen wirt-

schaften, sind in den letzten drei Jahrzehnten zahlreiche

Standards und Initiativen entstanden. Ihr Ziel ist es,

nachhaltiges12 und ethisch korrektes Wirtschaften zu för-

dern. Neben vielen regionalen und branchenspezifischen

Richtlinien, wie fairem Handel und ökologischem Anbau,

haben Organisationen auch einige international anerkann-

te Standards und Richtlinien entwickelt, die im Folgenden

kurz vorgestellt werden.

3.1 ISO 26000:2012

ISO 26000 ist ein Leitfaden auf freiwilliger Basis, der

Unternehmen und Organisationen dabei unterstützen

soll, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.

Fokusthemen der Norm sind „Organisationsführung,

Menschenrechte, Arbeitspraktiken, Umwelt, faire Betriebs-

und Geschäftspraktiken, Konsumentenanliegen sowie Ein-

bindung und Entwicklung der Gemeinschaft“13. Anspruch

des Leifadens ist es, Unternehmen und Organisationen in

zusammenhängender und strukturierter Weise aufzuzei-

gen, welchen Beitrag sie zu einer nachhaltigen Entwick-

lung leisten können. Ziel ist es, das jede Organisation

anerkennen soll, dass Entscheidungen und Tätigkeiten

immer auch Auswirkungen auf die Gesellschaft und

Umwelt haben. Hier kommt der integrative Ansatz der

Wirtschaftsethik zu Geltung. Deshalb sollte „jede Orga-

nisation ihre Aktivitäten so gestalten, dass sie betroffene

Interessen berücksichtigt und zu einer nachhaltigen

Entwicklung beiträgt. Das heißt, sie sollte eine Perspektive

über eine Generation hinaus entwickeln, die dazu bei-

trägt, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, den

sozialen Zusammenhalt zu stärken und das wirtschaftliche

Leistungsvermögen zu fördern, damit auch für kommende

Generationen Wohlstand gesichert werden kann.“14

ISO 26000 ist keine Zertifizierungsgrundlage, da der

Leitfaden keine messbaren und vergleichbaren Kriterien

bieten kann und will. Vielmehr sind die Unternehmen

und Organisationen aufgefordert, den Leitfaden ihren Be-

dürfnissen und Herausforderungen anzupassen und sich

dadurch stetig weiterzuentwickeln.

3.2 UN Global Compact

Der Global Compact der Vereinten Nationen stellt die

derzeit wichtigste Initiative15 im Bereich gesellschaftlicher

Verantwortung dar. Global Compact ist eine internatio-

nale, freiwillige Initiative und bietet Unternehmen einen

Rahmen, um Nachhaltigkeitsstrategien zu entwickeln,

umzusetzen und offenzulegen. In der Umsetzung gilt es,

folgende zehn Prinzipien zu berücksichtigen:

Menschenrechte

> Unternehmen sollen den Schutz der internationalen

Menschenrechte unterstützen und achten.

> Unternehmen sollen sicherstellen, dass sie sich nicht

an Menschenrechtsverletzungen mitschuldig machen.

Arbeitsnormen

> Unternehmen sollen die Vereinigungsfreiheit und die

wirksame Anerkennung des Rechts auf Kollektivver-

handlungen wahren.

> Unternehmen sollen sich für die Beseitigung aller

Formen der Zwangsarbeit einsetzen.

> Unternehmen sollen sich für die Abschaffung von

Kinderarbeit einsetzen.

11 Vgl.: Jauß, Susanne und Schönherr Kurt W.: Wirtschaftsethik. Wirt-

schaftsethik in Theorie und Praxis Lerneinheit 2, 2006, S. 8

12 Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung beschreibt „einen

Weg, um die Welt im Gleichgewicht zu halten. Der Kerngedanke: Auf

lange Sicht dürfen wir nicht auf Kosten der Menschen in anderen

Regionen der Erde und auf Kosten zukünftiger Generationen leben.

Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft beeinflussen sich gegenseitig.“

Bildung für nachhaltige Entwicklung: www.bne-portal.de/was-ist-

bne/grundlagen/nachhaltigkeitsbegriff/

13 ISO 26000: www.csr-in-deutschland.de/fileadmin/user_upload/

Downloads/ueber_csr/Die_DIN_ISO_26000__Leitfaden_zur_gesell-

schaftlichen_Vera.pdf

14 ISO 26000: www.csr-in- deutschland.de/fileadmin/user_upload/

Downloads/ueber_csr/Die_DIN_ISO_26000__Leitfaden_zur_gesell-

schaftlichen_Vera.pdf

15 Auf der Website des UN Global Compact werden mehr als 8700

Teilnehmer aus über 140 Ländern beziffert.

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> Unternehmen sollen sich für die Beseitigung von

Diskriminierung bei Anstellung und Erwerbstätigkeit

einsetzen.

Umweltschutz

> Unternehmen sollen im Umgang mit Umweltproble-

men dem Vorsorgeprinzip folgen.

> Unternehmen sollen Initiativen ergreifen, um größe-

res Umweltbewusstsein zu fördern.

> Unternehmen sollen die Entwicklung und Verbreitung

umweltfreundlicher Technologien beschleunigen.

Korruptionsbekämpfung

> Unternehmen sollen gegen alle Arten der Korruption

eintreten, einschließlich Erpressung und Bestechung.16

Auch der Global Compact ist keine Zertifizierungsgrund-

lage und die Umsetzung der zehn Prinzipien kontrolliert

keine externe Stelle. Um weiterhin Mitglied des Global

Compact zu sein, ist es ausreichend, jährlich eine Fort-

schrittsmitteilung abzugeben.

3.3 CSR Europe

Das von der Europäischen Kommission auf Grundlage

der Arbeiten von CSR Europe veröffentliche „Grünbuch

– Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verant-

wortung von Unternehmen“ zählt im Kontext unternehme-

rischer Verantwortung zu den wichtigsten Dokumenten.

CSR Europe ist ein „Konzept, das den Unternehmen als

Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange

und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und

in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern17 zu

integrieren.“18 Besonders stärken möchte die Europäische

Kommission dabei den Dialog um soziale und gesellschaft-

liche Verantwortung zwischen den Stakeholdern, Partner-

schaftskonzepte zur sozialen Verantwortungsübernahme

zwischen Politik und Wirtschaft und die Entwicklung von

entsprechenden Managementkompetenzen fördern.19

4. Kritik

Eine aufmerksame und kritische Öffentlichkeit als „Ort

der Moral“ hat eine gesellschaftliche Diskussion zu

wirtschaftsethischen Grundsätzen bewirkt. Unternehme-

rische Verantwortung und die Interessen der Stakeholder

rücken dadurch immer mehr in den Fokus und beeinflus-

sen durch die Schaffung von Standards und Richtlinien

zur sozialen Verantwortung unternehmerisches Handeln.

Immer mehr Unternehmen und Organisationen, die

Politik und letztlich auch die Gesellschaft setzen sich mit

wirtschaftsethischen Aspekten auseinander. Sie reflektie-

ren wirtschaftliches Handeln und dessen Konsequenzen

auf Stakeholder stärker und berücksichtigen dies ent-

sprechend. Die Größe und Relevanz der internationalen

Standards lässt den Schluss zu, dass sich tatsächlich

eine integrative Wirtschaftsethik durchsetzt und weiter

etabliert.

Schwierigkeit bei all den Standards und Initiativen ist

jedoch, dass Indikatoren für gesellschaftliche Verantwor-

tung an den „Kontext der soziokulturellen Umgebung

oder den geografischen Standort gebunden“20 sind. Ein

internationaler Standard ist deshalb wichtig, um un-

terschiedliche Entwicklungsniveaus und Interessen der

Nationen berücksichtigen und die nötige Flexibilität in

der Integration gewährleisten zu können.21 Das erschwert

Vergleiche und Richtlinien wie bei Qualitäts- oder Um-

weltthemen, denn ein internationaler Konsens ist bisher

nicht vorhanden. Dies macht auch eine Zertifizierung

nahezu unmöglich, in der „messbare (Grenz-)Werte ein

Soll bieten, gegen das gemessen und auf das in einer Zer-

tifizierung bewertend eingegangen werden kann.“22

Problematisch erscheint der sehr ausgeprägte Charakter

der Freiwilligkeit und die fehlenden Rechtsverbindlich-

keit. Was nicht objektive Stellen und regelmäßig prüfen,

kann schnell zur Augenwischerei verkommen. Bei Nicht-

einhaltung der Richtlinien drohen keine Konsequenzen.

Deshalb sollte die Effektivität der Maßnahmen, wie

bereits gelebte Praxis bei Managementsystemen, durch

Methoden und Instrumente messbar und transparent

16 Zehn Prinzipien des UN Global Compact: http://www.unglobal-

compact.org/Languages/german/die_zehn_prinzipien.html

17 Als Stakeholder werden alle internen und externen Interessengrup-

pen an einer Organisation oder einem Unternehmen bezeichnet.

18 Europäische Kommission: Grünbuch – Europäische Rahmen-

bedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen

2001, S. 7 http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/com/2001/

com2001_0366de01.pdf

18 Vgl. Aßländer, Michael S.: Initiativen unternehmerischer Verantwor-

tungsübernahme – Zwischen Freiwilligkeit und Soft Law in FORUM

Wirtschaftsethik 19.Jg.. Nr. 1/2011, S.9f

20 Lieback, Jan Uwe: Nachhaltigkeitsleistung bewerten. UmweltMaga-

zin Ausgabe Juni 2012, S. 58

21 Vgl. Wieland, Josef: Globale Standards und Global Commons.

Forum Wirtschaftsethik Ausgabe 3/2012, S. 2

22 Lieback, Jan Uwe: Nachhaltigkeitsleistung bewerten. UmweltMaga-

zin Ausgabe Juni 2012, S. 58

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6 Wirtschaftsethik und Möglichkeiten unternehmerischen Handelns

Expertenwissen für DGQ-Mitglieder

gemacht werden. Dies würde die Glaubwürdigkeit und

auch das Vertrauen in die Standards erhöhen und liefe

nicht Gefahr, sie als reines Marketinginstrument zu in-

strumentalisieren.

Der Mangel an Vergleichbarkeit, aber auch die Fülle an

unterschiedlichen Standards und Richtlinien macht es

nicht einfacher. Kritiker meinen sogar, dass sich inzwi-

schen auch im Bereich der „soft laws“ – also außerhalb

der Gesetzgebung – „eine Art der Überregulierung ab-

zeichnet, die dem eigentlichen Anliegen von Transparenz

und Vergleichbarkeit durch Standardisierung entgegen-

wirkt.“23. Die Anzahl der unterschiedlichen Initiativen zur

Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung hat stark

zugenommen und erschwert dadurch Transparenz und

einen guten Überblick. Anstatt einen einzigen globalen

Standard zu entwickeln, entstehen immer mehr regionale

und globale Initiativen zwischen denen die Unternehmen

die am besten passendste auswählen können. Dadurch

entsteht schnell der Eindruck, dass das Thema immer

kommerziellere Züge annimmt und auch zu einem Wett-

bewerb zu den unterschiedlichen Standards führt – die

Unternehmen und Organisationen zahlen schließlich auch

Mitgliedbeiträge.

In den bisherigen Betrachtungen und Diskussionen zu

Standards für ethisches Handeln und das Berücksichtigen

aller Interessengruppen fehlt bisher ein Ansatz – der des

EFQM Excellence Modells. Gründungsmitglieder der Eu-

ropean Foundation for Quality Management (EFQM) und

Autoren des EFQM Excellence Modells waren international

agierende Unternehmen. Basierend auf grundlegenden

Menschenrechten und davon ausgehend, dass exzellente

Organisationen die zehn Prinzipien des UN Global Com-

pact einhalten, bietet das EFQM Excellence Modell einen

Rahmen für eine ganzheitliche Bewertung und Steuerung

von Organisationen.24 Ziel des Modells ist es, die Interes-

sen der Stakeholder einer Organisation zu kennen und zu

berücksichtigen und die Leistung und Qualität der Orga-

nisation nachhaltig zu verbessern. Im Vergleich zu den

bisher vorgestellten Standards bietet das EFQM Excellence

Modell ein Kriterienmodell. Es macht Leistungen ver-

schiedenster Organisationen und deren Umsetzung des

Modells vergleichbar und ermöglicht darüber hinaus eine

externe Bewertung. Externe Assessoren prüfen mithilfe

der Kriterien und einem Bewertungsrahmen – der RADAR-

Logik – den Reifegrad in der Erfüllung der Kriterien.25 Hier

zeigt sich, dass Unternehmen und Organisationen gerade

bei einem Kriterium erhebliche Schwierigkeiten haben

und durchweg am schwächsten bewertet werden: das

Wahrnehmen und Erfüllen der Erwartungen der Gesell-

schaft und die entsprechende Messbarkeit und Darstel-

lung der unterschiedlichen Bedürfnisse.26

Für Qualitätsbeauftrage und -manager als Produktquali-

tät-Verantwortliche bedeutet der Trend zur Übernahme

gesellschaftlicher Verantwortung, dass auch sie sich

stärker mit diesen Themen auseinander setzen müssen.

In vielen Bereichen, sei es im Lieferantenmanagement

durch Auswahl und Überwachung geeigneter Zulieferer,

durch Compliance Management und die Erstellung eines

Code of Conduct (der ebenfalls auf den zehn Prinzipien

des UN Clobal Compact beruhen kann), durch Einführung

von Energie- und Umweltmanagementsystem zum Schutz

der Ressourcen, geschieht dies schon. Ziel der Qualitäts-

beauftragten und -manager sollte dabei eine ganzheitliche

Betrachtungsweise der Wirkungen und Auswirkungen

dieser Aktivitäten sein, um Zusammenhänge erkennen

und weitere Impulse geben zu können. Dies bedeutet

keineswegs, die Verantwortung für wirtschaftsethisches

Handeln übernehmen zu müssen. Sie liegt bei der ober-

sten Leitung. Dennoch haben Qualitätsbeauftragte und

-manager die Möglichkeit, verschiedenste Ansätze zu

integrieren – mit dem Qualitätsmanagementsystem als

Leitsystem.

23 Aßländer, Michael S.: Initiativen unternehmerischer Verantwor-

tungsübernahme – Zwischen Freiwilligkeit und Soft Law in FORUM

Wirtschaftsethik 19. Jg. Nr. 1/2011, S. 7

23 Vgl. EFQM Excellence Modell 2013, S. 2

25 Vgl. EFQM Excellence Modell 2013, S. 3

26 Vgl. EFQM Excellence Modells 2013, S. 22

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Über die Autorin

Anja Lütjens studierte Kulturwissenschaften in Bay-

reuth und absolvierte eine Ausbildung zur Eventma-

nagerin. Sie arbeitete in der DGQ Beratung im Vertrieb

und betreute dort Kunden rund um die EFQM Excel-

lence-Themen. Seit mehr als zwei Jahren ist Anja Lüt-

jens Produktmanagerin der DGQ Weiterbildung und

dort neben einer Reihe von Seminaren rund um das

Qualitätsmanagement verantwortlich für Einstiegsse-

minare zum EFQM Excellence Modell und die Asses-

soren-Ausbildung.

Von der Theorie zur Praxis – passende Trainings für Sie:

Einstieg in das EFQM Excellence Modell, Vertiefung und

praktische Anwendung

www.dgq.de/weiterbildung-themen/business-excellence-

und-efqm.htm

Produktmanagerin Anja Lütjens,

T 069-954 24-214 | [email protected]

Compliance Management – Rechtliche Grundlagen und

praktische Umsetzung

www.dgq.de/weiterbildung-themen/compliance-manage-

ment-teil-1-rechtliche-grundlagen-und-ueberblick.htm

Produktmanager Torsten Klanitz,

T 069-954 24-189 | [email protected]