12
1 Universität Wien Institut für Romanistik Marc Chalier Erstbetreuerin: Univ.-Prof. Dr. Elissa Pustka Zweitbetreuerin: Univ.-Prof. Marie-Hélène Côté, Ph.D Beirat: A.o. Univ.-Prof. Dr. Rudolf de Cillia Exposé des Dissertationsvorhabens: Les normes de prononciation du français: une étude perceptive panfrancophone 1. Thematik und Fragestellung Die Plurizentrik der Normen gehört zu den aktuellen großen Fragen der (romanistischen) Varietätenlinguistik. Die vorherrschende Lehrmeinung geht davon aus, dass das Französische hierbei eine Ausnahme darstellt. Im Gegensatz zu anderen Weltsprachen wie Englisch, Spanisch, Portugiesisch oder Deutsch gäbe es im Französischen eine einzige unumstrittene Norm: das Französische Frankreichs – im Bereich der Aussprache sogar speziell von Paris (vgl. Pöll 2005/2012). Gleichzeitig können aber in Québec seit einigen Jahrzehnten Normierungsbestrebungen beobachtet werden, die sich in der seit langem bestehenden Kontroverse um die Norm des français québécois – vor allem in den Bereichen Lexik und Syntax – verorten lassen (vgl. Reinke 2004). In diese Thematik ordnet sich der Forschungsgegenstand meines Promotionsvorhabens ein. Es soll der Frage nach der französischen Aussprachenorm nachgehen – und zwar kontrastiv für Frankreich, Québec und die französischsprachige Schweiz. Dies soll im theoretischen Rahmen der perzeptiven Varietätenlinguistik und genauer auf der Grundlage der (perzeptiven) Spracheinstellungen und Repräsentationen der Sprecher der untersuchten Sprachregionen geschehen (vgl. Krefeld/Pustka 2010). Ziel der Arbeit ist es, auf dieser Grundlage die impliziten endogenen Aussprachenormen dieser Sprachregionen zu beschreiben. Denn diese könnten als eine mögliche deskriptive Grundlage für spätere Arbeiten zum Unterricht des Französischen (als L1 und L2) dienen. Somit ergeben sich zwei zentrale Fragen, die im Rahmen dieses Promotionsvorhabens beantwortet werden sollen : (1) Welche präskriptive Aussprachenorm wird jeweils in Frankreich, in Québec und in der französischsprachigen Schweiz von den Sprechern bevorzugt? (2) Wie können diese Aussprachenormen phonetisch-phonologisch genau definiert werden?

Exposé des Dissertationsvorhabens: Les normes de ...homepage.univie.ac.at/marc.chalier/wp-content/uploads/2014/09/Chalier...2 2. Stand der Forschung Lange Zeit wurde die präskriptive

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Exposé des Dissertationsvorhabens: Les normes de ...homepage.univie.ac.at/marc.chalier/wp-content/uploads/2014/09/Chalier...2 2. Stand der Forschung Lange Zeit wurde die präskriptive

1

Universität Wien Institut für Romanistik Marc Chalier Erstbetreuerin: Univ.-Prof. Dr. Elissa Pustka Zweitbetreuerin: Univ.-Prof. Marie-Hélène Côté, Ph.D Beirat: A.o. Univ.-Prof. Dr. Rudolf de Cillia

Exposé des Dissertationsvorhabens: Les normes de prononciation du français:

une étude perceptive panfrancophone 1. Thematik und Fragestellung

Die Plurizentrik der Normen gehört zu den aktuellen großen Fragen der (romanistischen)

Varietätenlinguistik. Die vorherrschende Lehrmeinung geht davon aus, dass das Französische

hierbei eine Ausnahme darstellt. Im Gegensatz zu anderen Weltsprachen wie Englisch,

Spanisch, Portugiesisch oder Deutsch gäbe es im Französischen eine einzige unumstrittene

Norm: das Französische Frankreichs – im Bereich der Aussprache sogar speziell von Paris

(vgl. Pöll 2005/2012). Gleichzeitig können aber in Québec seit einigen Jahrzehnten

Normierungsbestrebungen beobachtet werden, die sich in der seit langem bestehenden

Kontroverse um die Norm des français québécois – vor allem in den Bereichen Lexik und

Syntax – verorten lassen (vgl. Reinke 2004).

In diese Thematik ordnet sich der Forschungsgegenstand meines Promotionsvorhabens

ein. Es soll der Frage nach der französischen Aussprachenorm nachgehen – und zwar

kontrastiv für Frankreich, Québec und die französischsprachige Schweiz. Dies soll im

theoretischen Rahmen der perzeptiven Varietätenlinguistik und genauer auf der Grundlage

der (perzeptiven) Spracheinstellungen und Repräsentationen der Sprecher der untersuchten

Sprachregionen geschehen (vgl. Krefeld/Pustka 2010). Ziel der Arbeit ist es, auf dieser

Grundlage die impliziten endogenen Aussprachenormen dieser Sprachregionen zu

beschreiben. Denn diese könnten als eine mögliche deskriptive Grundlage für spätere

Arbeiten zum Unterricht des Französischen (als L1 und L2) dienen.

Somit ergeben sich zwei zentrale Fragen, die im Rahmen dieses Promotionsvorhabens

beantwortet werden sollen :

(1) Welche präskriptive Aussprachenorm wird jeweils in Frankreich, in Québec und in der

französischsprachigen Schweiz von den Sprechern bevorzugt?

(2) Wie können diese Aussprachenormen phonetisch-phonologisch genau definiert werden?

Page 2: Exposé des Dissertationsvorhabens: Les normes de ...homepage.univie.ac.at/marc.chalier/wp-content/uploads/2014/09/Chalier...2 2. Stand der Forschung Lange Zeit wurde die präskriptive

2

2. Stand der Forschung

Lange Zeit wurde die präskriptive Norm allein auf der Grundlage der Intuitionen von

Linguisten bestimmt (vgl. Morin 2000, Laks 2002). Seit einigen Jahren zeichnet sich jedoch

eine neuere, deskriptiv basierte Tendenz aus, die sich auf Korpora und Perzeptionsstudien

stützt (vgl. Detey/Le Gac 2008). Dieser neue Ansatz soll nun zum ersten Mal systematisch auf

einer soliden Datenbasis für drei Zentren der Frankophonie kontrastiv durchgeführt werden.

Da die Aussprachenorm eine eher implizite, rein mündliche und daher auch schwer

festzuhaltende Norm darstellt, die der geographischen, sozialen und situationellen Variation

sowie dem phonologischen Wandel unterliegt, konnten mehrere aktuelle Studien des Weiteren

zeigen, dass die für die Grammatik und das Lexikon üblichen Annäherungen an die Norm

über die Schriftlichkeit im Bereich der Phonologie nicht fruchten (vgl. Laks 2002). Daher

möchte ich mich auf das in neueren Studien verwendete Konzept der ‘Modellsprecher’ (d. h.

der Nachrichtensprecher, Journalisten, Politiker etc.), deren Aussprache als implizite Norm

angesehen werden kann (vgl. bereits Reinke 2004, Ostiguy/Tousignant 2008), stützen, um die

Aussprachenorm zu definieren.

Die Relevanz der Zielsetzung dieses Promotionsprojektes beruht schließlich auf die

Ergebnisse soziolinguistischer Untersuchungen, die die Auswirkungen der Asymmetrie und

Exonormativität der peripheren Zentren des Französischen auf die betroffenen

Sprachgemeinschaften zeigen konnten (vgl. Pöll 2005). Hierbei wurde zum einen das

Phänomen der insécurité linguistique (dt. ‘sprachliche Unsicherheit’) im Bewusstsein der

Sprecher dieser Peripherien beobachtet (vgl. u. a. De Pietro 1995 für die Schweiz und

Genesee/Holobow 1989 für Québec). Zum anderen wurde die dadurch resultierende

sprachliche Orientierung an einer Aussprache bemängelt, die außerhalb Nordfrankreichs als

diatopisch markiert, d. h. als ‘nordfranzösisch’ bzw. ‘pariserisch’ gilt (vgl.

Ostiguy/Tousignant 2008, Pustka 2008).

3. Vorarbeiten

Eine wichtige Vorarbeit für mein Dissertationsvorhaben stellt meine Masterarbeit dar

(Sommersemester 2014). Diese hat sich speziell mit der Problematik der Kontroverse um die

Aussprachenorm des français québécois aus perzeptiv-linguistischer Perspektive beschäftigt.

Methodisch stützt sich die Arbeit auf ein Forschungsprojekt, das ich im Januar 2014 im

Rahmen eines Forschungs- und Ausslandssemesters in Québec durchgeführt habe (unterstützt

durch ein Forschungsstipendium Lehre@LMU). Die Promotion kann also auf Basis einer

Page 3: Exposé des Dissertationsvorhabens: Les normes de ...homepage.univie.ac.at/marc.chalier/wp-content/uploads/2014/09/Chalier...2 2. Stand der Forschung Lange Zeit wurde die präskriptive

3

ausgiebigen Literaturrecherche zum Thema und ersten Vorstudien zur Produktion und

Perzeption einer der drei zu behandelnden Varietäten starten.

Derzeit arbeite ich des Weiteren an der Analyse von Sprachaufnahmen mit Hilfe des

Phonetik-Programms PRAAT eines im Rahmen des Projektes PFC (Phonologie du français

contemporain; vgl. Durand/Laks/Lyche 2003) durchgeführten Forschungsprojektes zur

Variation des Französischen in der Haute-Savoie (einer an Genf angrenzenden Sprachregion,

die eine Reihe phonologischer Merkmale mit der französischsprachigen Schweiz teilt). Somit

bin ich mit dem Protokoll, der Feldforschung und der Analyse von Sprachdaten nach den

Methoden des Projektes PFC, im Rahmen dessen ich mein Dissertationsprojekt durchführe,

sowie mit der Arbeit mit dem Phonetik-Programm PRAAT bereits vertraut.

4. Methode

Eine Annäherungsmöglichkeit an die Aussprachenorm ist – wie bereits erwähnt – die

Aussprache der ‘Modellsprecher’ in den Massenmedien (vgl. Reinke 2004, Bigot/Papen

2013). Diese möchte ich daher in meinem Promotionsprojekt genauer untersuchen, um

zumindest deskriptiv die implizite Aussprachenorm jeweils für Québec und für die

französischsprachige Schweiz zu ermitteln. Nach der Methode des Projektes PFC, die sich

auf der klassischen Methode Labovs (vgl. Labov 1989, auch Milroy 1980) stützt (vgl.

Durand/Laks/Lyche 2003), möchte ich Modellsprecher aus Québec, Paris und der Schweiz

untersuchen. Hierbei werde ich drei Modalitäten des Sprechens erforschen: Zwei offene

Modalitäten der Spontansprache (geführtes und offenes Interview) sowie zwei geschlossene

(vorgelesener Text, vorgelesene Wortliste mit fünf Minimalpaaren am Ende). Zusätzlich

werde ich (1) im Rahmen des geführten Interviews die Repräsentationen und

Spracheinstellungen dieser Modellsprecher zur traditionellen Aussprachenorm sowie zu einer

potentiellen endogenen Norm und (2) Aufnahmen derselben Sprecher in den Massenmedien

(Radio- bzw. Fernsehnachrichten) untersuchen:

Geplante Aufnahmen Sprecher 1. Leitfaden-Interviews: Repräsentationen und Spracheinstellungen (Ergänzung durch Online-Fragebögen, die von ‘normalen’ Sprechern ausgefüllt werden; siehe weiter unten) 20 in Québec 3. Vorgelesener Text 20 in Paris 4. Vorgelesene Wortliste 20 in Genf 5. Aufnahmen in den Massenmedien

Abb. 1: Produktion

Page 4: Exposé des Dissertationsvorhabens: Les normes de ...homepage.univie.ac.at/marc.chalier/wp-content/uploads/2014/09/Chalier...2 2. Stand der Forschung Lange Zeit wurde die präskriptive

4

In einem weiteren Schritt werde ich diese unterschiedlichen Aufnahmen phonetisch und

phonologisch analysieren. Hierbei werden (1) die Ergebnisse meiner Masterarbeit, in der ich

unter anderem die phonetisch-phonologischen Merkmale einer potentiellen Norm des

français québécois aufgeführt habe, eine wichtige Grundlage bilden. Folgende in meiner

Masterarbeit erwähnten phonetisch-phonologischen Merkmale werde ich daher untersuchen:

Phonetisch-phonologische Merkmale des français québécois (vgl. Bigot/Papen 2013, Pöll 2005)

Beispiele

Zur Aussprachenorm gehörende phonetisch-phonologische Merkmale Affrizierung von /t/ und /d/ tu dis [tsydzi] Opposition /a/ vs. /ɑ/ patte [pat] vs. pâte [pɑːt] Phonetische Realisierung von <-oi> als [wa] oder [wɑ], jedoch nicht als [we], [wɛ] oder [wɔ]

choix [ʃwa] oder [ʃwɑ]

Quantitätsopposition /ɛ/ vs. /ɛː/ renne [ɛ] vs. reine [ɛː] Beibehaltung der vier Nasalvokale lin /ɛ/̃ vs. lent /ɑ̃/ vs. long /ɔ̃/ vs.

l’un /œ̃/ Mögliche phonetisch-phonologische Merkmale der Aussprachenorm

Phonetische Realisierung von /ɛ/̃ und /ɑ̃/ als [ẽ] bzw. [ã] vin [vɛ]̃ oder [vẽ] / temps [tɑ̃] oder [tã]

Entstimmung bzw. Elision der Vokale /i, y, u/ (wortintern)

[ynɪvɛʁsːte] vs. [ynɪvɛʁsite]

Zentralisierung von /i, y, u/ vite [vɪt], rude [ʁʏd], boule [bʊl] Phonetische Realisierung von /R/ als [r] oder [ʁ] période [r] vs. [ʁ]

Diastratisch/diaphasisch stark markierte phonetisch-phonologische Merkmale Diphthongierungen neige [nejʒ]

Abb. 2: Phonetisch-phonologische Merkmale einer potentiellen Norm des français québécois

Auf dieselbe Weise konnte ich (2) die möglichen phonetisch-phonologischen Merkmale

einer potentiellen Norm des in der Schweiz gesprochenen Französischs (français suisse

romand) bereits ermitteln, welche die Grundlage für die Analyse der in der Schweiz

aufgenommenen Produktionsdaten darstellen werden:

Page 5: Exposé des Dissertationsvorhabens: Les normes de ...homepage.univie.ac.at/marc.chalier/wp-content/uploads/2014/09/Chalier...2 2. Stand der Forschung Lange Zeit wurde die präskriptive

5

Phonetisch-phonologische Merkmale des français suisse romand (vgl. Andreassen/Maître/Racine 2010: 225-226, Andreassen/Lyche 2009: 63-93)

Beispiele

Mögliche phonetisch-phonologische Merkmale der Aussprachenorm Segmentale Merkmale

Quantitätsopposition in geschlossener Endsilbe fête [fɛːt] vs. faites [fɛt] Quantitätsopposition und eventuelle Diphthongierung in offener Endsilbe

ami [ami] vs. amie [amiː] bzw. [amiːj]

Opposition /e/ vs. /ɛ/ zur Unterscheidung mancher Tempora

je pourrai /e/ vs. je pourrais /ɛ/

Beibehaltung der Opposition /œ/ vs. /ø/ jeune /œ/ vs. jeûne /ø/ Diärese statt Synärese tuer [tye] statt [tɥe] (Nicht-)Realisierung des Auslautkonsonanten but [byt] statt [by]

mœurs [mœʁs] statt [mœʁ] ananas [anana] statt [ananas]

Frikativ /χ/ (und eventuelle Affrizierung [kχ]) Bach [baχ] statt [bak] stöck [stœkχ] vs. [stœk]

Halbvokal [j] im Auslaut il paie [ilpɛj] statt [ilpɛ] Palatalisierungen von Plosiven

• vor vorderen Vokalen • vor Pause

quatre [kjat] époque [ɛpɔkj] bzw. [epɔkj]

Suprasegmentale Merkmale Melodischer Akzent auf der Pänultima einer rhythmischen Gruppe (vs. Betonung der Ultima einer rhythmischen Gruppe)

Abb. 3: Phonetisch-phonologische Merkmale einer potentiellen Norm des français suisse romand

Ähnlich wie für die französischen Varietäten Québecs und der Schweiz müssen die

phonologischen Merkmale des français parisien im Hinblick auf die Analyse der

Produktionsdaten noch ermittelt werden, denn die Pariser Aussprache ist nicht gleichzusetzen

mit der traditionellen Standardaussprache des Französischen. Einige Merkmale wie – auf der

segmentalen Ebene – die Palatalisierung der dentalen Plosive (vgl. Léon 2005) oder – auf der

suprasegmentalen Ebene – die Längung der Konsonanten oder Vokale vor einer Pause, vor

allem im Falle des [ɑ] (vgl. Pustka 2008), gehören in der Tat nicht zu der in den traditionellen

Aussprachewörterbüchern beschriebene Aussprachenorm des Französischen (vgl. bspw.

Lyche 2010).

Nach diesem ersten Arbeitsschritt der Analyse von Produktionsdaten werde ich die

außersprachlichen Erklärungen für diese Hierarchisierung der phonetisch-phonologischen

Variablen auf der Grundlage von Perzeptionsdaten sowie der Untersuchung von

Repräsentationen und Spracheinstellungen suchen. Erst mit einem solchen Vergleich der

Page 6: Exposé des Dissertationsvorhabens: Les normes de ...homepage.univie.ac.at/marc.chalier/wp-content/uploads/2014/09/Chalier...2 2. Stand der Forschung Lange Zeit wurde die präskriptive

6

Produktions- mit Perzeptionsdaten wird eine deskriptive Definition der phonetisch-

phonologischen Merkmale, die zur Aussprachenorm des français québécois gehören, möglich

sein.

Hierfür werde ich mittels eines Online-Fragebogens zunächst die Repräsentationen

und Einstellungen zur traditionellen Pariser Aussprachenorm sowie zur jeweiligen endogenen

Aussprachenorm in jeder der untersuchten Regionen unter ‘normalen’ Sprechern abfragen (in

Ergänzung zu den geführten Interviews, im Rahmen derer dieselben Repräsentationen und

Spracheinstellungen bei Modellsprechern untersucht und im Rahmen einer Inhaltsanalyse

ausgewertet werden). Um möglichst repräsentative Ergebnisse zu erzielen, wird es hierbei

notwendig sein, die Informantenwahl nicht auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe zu

reduzieren, sondern so durchzuführen, dass die Stichprobe einen möglichst genauen

demographischen Querschnitt über die jeweilige Erhebungsregion darstellt (vgl. Postlep

2010: 98-99). Hierbei werde ich die soziodemographischen Variablen des Geschlechts, der

Altersgruppe sowie des Bildungsniveaus berücksichtigen.

Im Anschluss werde ich zwei Experimente anhand konkreter Stimuli durchführen,

um die Perzeption zu erforschen. Im ersten Experiment werde ich mich auf Ausschnitte

(natürliche Stimuli) des vorgelesenen Textes stützen, um Hypothesen bezüglich der

potentiellen Merkmale der endogenen Aussprachenormen bilden zu können (= Prestest zur

Hypothesenbildung). Nachdem die Hypothesen stehen, d. h. nach der Auswertung dieses

ersten Pezeptionsexperiments, werde ich mit manipulierten Stimuli arbeiten. Hierbei werde

ich für jede der untersuchten Sprachregionen mit Hilfe des Phonetik-Programms PRAAT

manipulierte Stimuli erstellen (bspw. Manipulation der Vokallängen), um über Aufnahmen

auf einer Skala von geographisch stark Markiertem bis in Richtung auf die traditionelle

Aussprachenorm stark Standardisiertem zu verfügen. Im Anschluss daran werde ich die

Perzeption der Sprecher der jeweiligen Region zu diesen manipulierten Stimuli im Rahmen

des zweiten Perzeptionstests untersuchen (= Testen der Hypothesen).

Ähnlich wie bei der oben erläuterten Untersuchung der Repräsentationen und

Spracheinstellungen wird die Informantenwahl hierbei so durchgeführt, dass sich ein

demographischer Querschnitt über die jeweilige Erhebungsregion aus der Stichprobe ergibt

(siehe oben):

Page 7: Exposé des Dissertationsvorhabens: Les normes de ...homepage.univie.ac.at/marc.chalier/wp-content/uploads/2014/09/Chalier...2 2. Stand der Forschung Lange Zeit wurde die präskriptive

7

Befragungen und Experimente Orte 1. Online-Befragung: Repräsentationen und Sprach- einstellungen (100 Informanten)

jeweils in

Québec

2. Experiment mit natürlichen Stimuli (=Pretest): Perzeption (20 Informanten)

Paris

3. Experiment mit manipulierten Stimuli: Perzeption (150 Informanten)

Genf

Abb. 4: Perzeption

5. Arbeitsplan

Die Durchführung meines Promotionsvorhabens ist auf drei Jahre angesetzt und im Rahmen

der entsprechenden sechs Semester folgendermaßen unterteilt:

Semester Aufgaben

1. Feldforschung in der Schweiz Sept. – Mitte Okt.

2014 Stand der Forschung zur Phonologie und Sozio-linguistik des français suisse romand Auflistung der potentiellen Merkmale einer Aussprachenorm des français suisse romand Kontaktaufnahme mit den Genfer Modellsprechern Anpassung des PFC-Protokolls für die Befragung der Modellsprecher in Québec und in der Schweiz Einarbeitung in die Analysemethode des Projektes PFC (durch die Analyse der Sprachaufnahmen des PFC-Forschungsprojektes in der Haute-Savoie)

Mitte Okt. 2014 – Nov. 2014

Forschungsaufenthalt an der Université de Genève (Prof. Isabelle Racine, École de langue et de civilisation françaises) Durchführung der Aufnahmen mit den Genfer Modellsprechern (vgl. Abb. 1): • 20 Informanten:

! Vorgelesene Wortliste (3 Minuten) ! Vorgelesener Text (3 Minuten) ! Geführtes Interview (30 Minuten)

= 12 Stunden Dez. 2014 – Jan. 2015 Transkription der Produktionsdaten (Genf)

• geschätzter Arbeitsaufwand: 144 Stunden = 23,5 Arbeitstage à 8 Stunden (1 Stunde Transkriptions-zeit für 5 Minuten Sprachaufnahmen (12*12 = 144)

Page 8: Exposé des Dissertationsvorhabens: Les normes de ...homepage.univie.ac.at/marc.chalier/wp-content/uploads/2014/09/Chalier...2 2. Stand der Forschung Lange Zeit wurde die präskriptive

8

2. Feldforschung in Québec und Paris Febr. 2015

Auflistung der Merkmale der Pariser Aussprachenorm

Online-Befragung zu den Repräsentationen und Einstellungen zur Norm von 100 ‘normalen’ Sprechern in jeder der untersuchten Regionen mit Hilfe der von der Universität Wien zu Verfügung gestellten Plattform Limesurvey (insg. etwa 300 Informanten): Fragebogenerstellung, -durchführung, -auswertung Stand der Forschung zur Phonologie und Soziolinguistik des français québécois (in der Masterarbeit bereits erledigt, evtl. aktualisieren) Auflistung der potentiellen Merkmale einer Aussprachenorm des français québécois (in der Masterarbeit bereits erledigt, evtl. aktualisieren) Kontaktaufnahme mit den Modellsprechern in Québec

März – Apr. 2015 Forschungsaufenthalt an der Université Laval (Prof. Marie-Hélène Côté, Zweitbetreuerin der Dissertation) Durchführung der Aufnahmen mit den Modellsprechern Québecs (vgl. Abb. 1): • 20 Informanten:

! Vorgelesene Wortliste (3 Minuten) ! Vorgelesener Text (3 Minuten) ! Geführtes Interview (30 Minuten)

= 12 Stunden Mai – Juni 2015 Transkription der Produktionsdaten (Québec)

• geschätzter Arbeitsaufwand: 144 Stunden = 23,5 Arbeitstage à 8 Stunden (1 Stunde Transkriptions-zeit für 5 Minuten Sprachaufnahmen (12*12 = 144)

Stand der Forschung zur Phonologie und Soziolinguistik des français parisien

Juli – Aug. 2015 Kontaktaufnahme mit den Pariser Modellsprechern Sept. 2015 Forschungsaufenthalt an der Université Paris Ouest

Nanterre La Défense (Prof. Bernard Laks) Durchführung der Aufnahmen mit den Pariser Modellsprechern (vgl. Abb. 1): • 20 Informanten:

! Vorgelesene Wortliste (3 Minuten) ! Vorgelesener Text (3 Minuten) ! Geführtes Interview (30 Minuten)

= 12 Stunden

Page 9: Exposé des Dissertationsvorhabens: Les normes de ...homepage.univie.ac.at/marc.chalier/wp-content/uploads/2014/09/Chalier...2 2. Stand der Forschung Lange Zeit wurde die präskriptive

9

3. Auswertung Produktion Okt. – Nov. 2015 Transkription der Produktionsdaten (Paris)

• geschätzter Arbeitsaufwand: 144 Stunden = 23,5 Arbeitstage à 8 Stunden (1 Stunde Transkriptions-zeit für 5 Minuten Sprachaufnahmen (12*12 = 144)

Dez. 2015 Inhaltsanalyse der geführten Interviews zu den Repräsentationen und Einstellungen (Genf, Québec, Paris) • 60 Informanten

! jeweils 30 Minuten Sprachaufnahmen = 30 Stunden Analysearbeit

Jan. – März. 2016 Phonetisch-phonologische Analyse der Produktions-daten (Genf, Québec, Paris) • Material

! 60 Informanten ! jeweils 3 Min. Sprachaufnahmen

[= vorgelesener Text] = 3 Stunden Analysearbeit

• Arbeitsschritte (PRAAT) ! Sichtung ! Auswahl der zu analysierenden Merkmale ! Kodierung ! Eintrag / Datenbank

4. Perzeptionsexperimente und Auswertung Apr. 2016 1. Perzeptionstest: natürliche Stimuli

(= Pretest)!• Vorgelesene Sätze aus dem Text

(= 15-20 Sekunden) • 20 Stimuli pro untersuchte Region

(= insg. 60 Stimuli) • 20 Informanten pro untersuchte Region " Dauer des Tests

= etwa 10 Minuten/Informant (online oder in Zusammenarbeit mit den Kollegen vor Ort)!

Mai – Juni 2016 • Auswertung des 1. Perzeptionstests (# Hypothesenbildung)

• Akustische Manipulation der für den zweiten Perzeptionstest vorgesehenen Stimuli

! Software PRAAT ! 1 Satz pro Merkmal

(jeweils zwischen 3 und 7 Manipulationen)

Page 10: Exposé des Dissertationsvorhabens: Les normes de ...homepage.univie.ac.at/marc.chalier/wp-content/uploads/2014/09/Chalier...2 2. Stand der Forschung Lange Zeit wurde die präskriptive

10

Abb. 5: Arbeitsplan

! Beispiel: $ Quantitätsoppositionen in einem

bestimmten Satz des vorgelesenen Textes

$ 7 Vokale, die potentiell von der Längung betroffen sein könnten (= 7 Manipulationen im Stimulus, der die Vokallängung testen soll)

Juli - Aug. 2016 2. Perzeptionstest: manipulierte Stimuli!(online oder in Zusammenarbeit mit den Kollegen vor Ort) • Grundlage:

Ausgewählte Sätze aus dem vorgelesenen Text (= jeweils zwischen 15-20 Sekunden)

• Etwa 8-12 phonologische Merkmale, die in jeder untersuchten Region unabhängig voneinander getestet werden müssen (= durchschnittlich 20 Stimuli/Region)

• Insgesamt etwa 60 Stimuli (für Québec, die Schweiz und Frankreich)

• 150 Informanten pro Region " Dauer eines einzelnen Tests

= etwa 15 Minuten Sept. 2016 Auswertung des 2. Perzeptionstests

5. Redaktion der Dissertation 6. Redaktion der Dissertation

Page 11: Exposé des Dissertationsvorhabens: Les normes de ...homepage.univie.ac.at/marc.chalier/wp-content/uploads/2014/09/Chalier...2 2. Stand der Forschung Lange Zeit wurde die präskriptive

11

6. Bibliographie

Andreassen, Helene N./Lyche, Chantal (2009): „Le français du canton de Vaud : une variété autonome“. In: Phonologie, variation et accents du français, Durand, Jacques/Laks, Bernard, Lyche, Chantal (Hrsg.). Paris/London: Hermes Science Publications, 63-93 Andreassen, Helene N./Maître, Raphaël/Racine, Isabelle (2010): „La Suisse“. In: Les variétés du français parlé dans l’espace francophone : ressources pour l’enseignement, Detey, Sylvain/Durand, Jacques/Laks, Bernard/Lyche, Chantal (Hrsg.). Paris: Ophrys, 211-233. Bigot, Davy/Papen, Robert A. (2013): „Sur la ‘norme‘ du français oral au Québec (et au Canada en général)“. In: Langage et société 146, 115-132. De Pietro, Jean-François (1995): „Francophone ou romand? Qualité de la langue et identité linguistique en situation minoritaire“. In: La qualité de la langue? Le cas du français, Éloy, Jean-Michel et al. (Hrsg.). Paris: Honoré Champion, 223-250. Detey, Sylvain/Le Gac, David (2008): „Didactique de l’oral et normes de prononciation : quid du français ‘standard’ dans une approche perceptive ?“. In: Actes du 1er Congrès Mondial de Linguistique Française CMLF ’08, Durand, Jacques/ Habert, Benoît/Laks, Bernard (Hrsg.), Paris, 475-487. Durand, Jacques/Laks, Bernard/Lyche, Chantal (2003): „Le projet ‘Phonologie du français contemporain’.“ In: La Tribune Internationale des Langues Vivantes 33, 3-9. Genesee, Fred/Holobow, Naomi (1989): „Change and stability in intergroup perceptions. » In: Journal of language and social psychology 8(1), 17-38. Krefeld, Thomas/Pustka, Elissa (2010): „Für eine perzeptive Varietätenlinguistik“. In: Perzeptive Varietätenlinguistik, Krefeld, Thomas/Pustka, Elissa (Hrsg.), Frankfurt: Peter Lang, 9-30. Labov, William (1976): Sprache im sozialen Kontext. Beschreibung und Erklärung struktureller und sozialer Bedeutung von Sprachvariation, Bd. 1, Königstein/Ts. Laks, Bernard (2002): „Description de l'oral et variation : la phonologie et la norme“. In: L'Information Grammaticale (94), 5-10. Léon, Pierre (2005) [1993]: Précis de phonostylistique – parole et expressivité, Paris: Armand Colin. Lyche, Chantal (2010): „Le français de référence : éléments de synthèse.“ In: Les variétés du français parlé dans l’espace francophone : ressources pour l’enseignement, Detey, Sylvain/Durand, Jacques/Laks, Bernard/Lyche, Chantal (Hrsg.). Paris: Ophrys, 143-165. Morin, Yves-Charles (2000): „Le français de référence et les normes de prononciation“. In: Cahiers de l’Institut de linguistique de Louvain, 26(1), 91-135. Milroy, Lesley (1980): Language and social networks. Oxford: Basil Blackwell. Ostiguy, Luc/Tousignant, Claude (2008): Les prononciations du français québécois : normes et usages, Montréal: Guérin éditeur. Pöll, Bernhard (2005): Le français, langue pluricentrique?: Études sur la variation diatopique d'une langue standard, Frankfurt am Main, Lang.

Page 12: Exposé des Dissertationsvorhabens: Les normes de ...homepage.univie.ac.at/marc.chalier/wp-content/uploads/2014/09/Chalier...2 2. Stand der Forschung Lange Zeit wurde die präskriptive

12

Pöll, Bernhard (2012): „Situaciones pluricéntricas en comparación: El español frente a otras lenguas pluricéntricas“. In: El español, ¿desde las variedades a la lengua pluricéntrica?, Lebsanft, Franz/Mihatsch, Wiltrud/Polzin-Haumann, Claudia (Hrsg.). Madrid/Frankfurt am Main: Vervuert Verlag, 29-45. Postlep, Sebastian (2010): Zwischen Huesca und Lérida: Perzeptive Profilierung eines diatopischen Kontinuums, Frankfurt am Main u. a.: Peter Lang. Pustka, Elissa (2008): „accent(s) parisien(s) – Auto- und Heterorepräsentationen stadtsprachlicher Merkmale“. In: Sprachen und Sprechen im städtischen Raum, Krefeld, Thomas (Hrsg.). Frankfurt am Main: Lang: 213-249. Reinke, Kristin (2004): Sprachnorm und Sprachqualität im frankophonen Fernsehen von Québec. Untersuchung anhand phonologischer und morphologischer Variablen. Tübingen: Niemeyer.