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Extraktionen von Schrittmacher- und ICD-Elektroden in der klinischen Praxis; Practical aspects of pacemaker and ICD-lead extractions;

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Schwerpunkt

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Im Gegensatz zur risikoarmen und weit-gehend standardisierten Implantations-technik von Schrittmacher- und ICD-Systemen ist die Extraktion langzeitig im-plantierter Elektroden mit einem erhöh-ten Operationsrisiko verbunden und stellt hohe Anforderungen an die Erfahrung des Operateurs. [1, 2]. Während Elektro-denentfernungen mit Freilegung des Her-zens und dem Einsatz der Herz-Lungen-Maschine ausschließlich durch Herzchir-urgen erfolgen, ist die transvenöse Elekt-rodenextraktion nach den Guidelines ver-schiedener Fachgesellschaften auch im-plantierenden Kardiologen gestattet. Da-her sollen neben den verschiedenen Tech-niken der Elektrodenextraktionen vor al-lem die chirurgischen Aspekte und Risi-ken bei der Entfernung unterschiedlicher Elektrodenarten dargelegt werden.

Indikationen

Wie bei jedem chirurgischen Eingriff muss die Relation zwischen Aufwand, Ri-siko und dem Nutzen für den Patienten individuell bewertet werden und zeitge-recht eine dokumentierte Aufklärung er-folgen. In Anlehnung an die AHA/HRS-Guidelines [1] lassen sich die nachfolgen-den Indikationsgruppen unterscheiden:

Absolute Indikation 5 Infizierte Schrittmachersysteme, 5 Aggregat-/Elektrodenperforationen durch die Haut,

5 Herzperforationen durch Schritt-macherelektroden,

5 Elektrodeninduzierte ventrikuläre Ar-rhythmien.

Relative Indikation 5 Defekte oder ungenutzte Elektroden bei jüngeren Patienten,

5 Aggregatwechsel bei potenziellen ICD-Elektrodendefekten (z. B. Medtronic Sprint Fidelis),

5 mehrere alte Elektroden bei System-umstellungen,

5 Elektroden < 1–2 Jahre in situ.

Kontraindikationen zur Elektrodenex-traktion

5 Defekte oder ungenutzte Elektroden bei alten Patienten,

5 reduzierte Lebenserwartung bei multi-morbiden Patienten.

Bei Patienten mit absoluter Indikation muss die Extraktion in jedem Fall erfol-gen. Aufgrund der vitalen Bedrohung ist bei hohem Risiko für eine transvenöse Ex-traktion die Entfernung unter Einsatz der HLM indiziert.

Im Gegensatz dazu kann Patienten mit relativer Indikation in Abwägung des in-dividuellen Operationsrisikos eine trans-venöse Elektrodenextraktion empfohlen werden. Die Entfernung mittels HLM ist nur bei gleichzeitiger Notwendigkeit anderer herzchirurgischer Maßnahmen (z. B. Klappeneingriff, Bypassanlage) indiziert.

Systeminfektionen

Infektionen von Schrittmacher- und ICD-Systemen treten besonders häufig nach Aggregatwechseln auf. Daher ist auch da-bei die Einhaltung der Sterilitätskriterien unerlässlich! Daneben können auch ande-

re Eingriffe mit erhöhtem Bakterieämieri-siko (z. B. zahnärztliche Maßnahmen, gy-näkologische und urologische Operatio-nen) oder infizierte venöse Zugänge zur Elektrodeninfektion führen.

Bei infizierten Systemen und durch die Haut perforierten Aggregaten muss zur Sanierung der Infektionsquelle im-mer das gesamte Fremdmaterial (Aggre-gat und alle Elektroden einschließlich epikardialer Elektroden) vollständig ent-fernt werden. Das Einkürzen von Elekt-roden mit Verlagerung unter die Musku-latur führt nicht zu einer Ausheilung und ist kontraindiziert.

Durch die Infektion kommt es meist zu einer Lockerung der Elektrodenfixa-tion im Herzen, so dass die transvenöse Extraktion oft leichter ist als die Entfer-nung nichtinfizierter Elektroden. Neben dem Versuch einer Erregersicherung im Blut müssen aber zuvor echokardio-graphisch größere septisch-thromboti-sche Auflagerungen an den Elektroden (. Abb.  1) und der Trikuspidalklap-pe ausgeschlossen werden. Die Methode der Wahl ist dabei eine transösophagea-le Echokardiographie (TEE), auch wenn eine intrakardiale Echokardiographie die höchste Treffsicherheit aufweist [3]. Bei Thromben mit einem Durchmesser > 2 cm sollte und bei einem Durchmesser > 3 cm muss die Extraktion über eine Er-öffnung des rechten Vorhofes erfolgen, da es sonst zu septischen Embolisationen in die Lunge kommen kann. Durch eine int-ravenöse Vorbehandlung mit Antibiotika für 7–10 Tage gelingt es oftmals, septische Elektrodenauflagerungen zu reduzieren oder vollständig zu eliminieren. Nach

Bert Hansky · Wolfgang Kaymer · Dorothee Meyer zu Vilsendorf · Claudia Strunk-Müller · Christoph StellbrinkKlinik für Kardiologie und internistische Intensivmedizin, Klinikum Bielefeld, Bielefeld, Deutschland

Extraktionen von Schrittmacher- und ICD-Elektroden in der klinischen Praxis

Herzschr Elektrophys 2013 ∙ 24:158–164DOI 10.1007/s00399-013-0282-6Eingegangen: 10. Juli 2013Angenommen: 22. Juli 2013Online publiziert: 20. August 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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erneuter TEE kann dann eine transvenö-se Extraktion erfolgen. Auch bei vollstän-diger Remission aller klinischen Befunde und der Elektrodenauflagerungen unter der Antibiotikatherapie muss jedoch das gesamte System zeitnah vollständig ent-fernt werden, da es sonst nach Absetzen des Antibiotikums sicher zu einem Rezi-div kommt.

Ist die Elektrodenentfernung mittels HLM notwendig, sollte eine Herzkathe-teruntersuchung zum Ausschluss relevan-ter Herzerkrankungen erfolgen.

Risiken und Kriterien

Für die Abschätzung des individuellen Operationsrisikos sind neben den allge-meinen Aspekten (Alter, Geschlecht, zu-sätzliche Erkrankungen) schrittmacher-spezifische Gesichtspunkte zu beachten:

5 Zeitintervall zwischen Im- und Explantation,

5 Art der Elektroden, 5 Zugangswege bei der Elektrodenim-plantation,

5 Ort der Elektrodenfixation, 5 Anzahl der Elektroden.

Innerhalb des ersten Jahres lassen sich Elektroden meist ohne zusätzliche Hilfs-mittel mit geringem Operationsrisiko

auch in Lokalanästhesie extrahieren. Bei Elektroden innerhalb der ersten 5 Jahre nach der Implantation ist dagegen bereits mit intravenösen und intrakardialen Ver-wachsungen zu rechnen, die nach noch länger zurückliegender Implantation zu-nehmend verkalken können und die Ex-traktion erheblich erschweren. Solche Eingriffe sollten nur von erfahrenen Ope-rateuren und unter Einsatz von Extrak-tionshilfen vorgenommen werden.

Vor einer geplanten Extraktion ist zu klären, wie viele und welche Art von Elektroden implantiert wurden. Dazu sind aktuelle Thoraxröntgenaufnahmen in 2 Ebenen unerlässlich. Verankerungen passiv fixierter Elektroden (. Abb. 2a) durch Silokonnoppen („tines“) oder der vor 20 Jahren verwendeten Kragenkopf-elektroden führen zu einer Verdickung der Elektrodenspitze gegenüber dem Elektrodenkörper und können die spä-tere Extraktion gegenüber aktiv fixierten Elektroden deutlich erschweren. Zudem erhöht sich die Zugfestigkeit mit der An-zahl der elektrischen Leiter der Elektrode. Unipolare Elektroden sind gegenüber bi-polaren Elektroden (. Abb. 2b) weniger stabil und sollten insbesondere bei pas-siver Fixation bereits nach wenigen Mo-naten nur mit entsprechenden Hilfsmit-teln entfernt werden. Demgegenüber sind

ICD-Elektroden durch ihren komplexen Aufbau wesentlich zugfester und können als Schraubelektrode auch Jahre später oft ohne Extraktionshilfe mühelos entfernt werden. Entscheidend ist in jedem Fall, ob es sich um einen „isodiametrischen“ Elektrodenaufbau (die Elektrode besitzt in ganzer Länge den gleichen Durchmesser) handelt oder ob der Elektrodenkörper Kaliberschwankungen aufweist. So be-saß beispielsweise die „Fineline“-Elektro-de von Guidant (heute Boston-Scientific) einen koradialen Aufbau (die Drahtwen-deln für Anode und Katode sind nebenei-nander gewickelt) mit einem Querschnitt von 4 Fr im Elektrodenkörper und 6 Fr an der Spitze. Auch viele bis 2000 gebräuch-liche ICD-Elektroden (z. B. die Elektro-de der Firma Ventritex, heute SJM) wie-sen mehrfache Kaliberschwankungen an den Defibrillationswendeln auf. Die voll-ständige transvenöse Extrahierbarkeit sol-cher Elektroden ist vor allem nach langen Jahren der Implantation extrem schwierig und risikoreich.

Üblicherweise sind Schrittmacher-elektroden koaxial (Kathode innen, Ano-de darüber gewickelt) aufgebaut und be-sitzen einen inneren Kanal, der zur Im-plantation und später bei der Extraktion genutzt werden kann. Bei Koronarvenen-elektroden zur linksventrikulären Stimu-lation erfolgt die Implantation über einen Draht in einer Over-the-wire-Technik, so dass der zentrale Kanal auch distal durch-gängig ist. Während zwei Firmen (Biotro-nik, Medtronic) ihre Elektroden an der Spitze mit einer Silikondichtung versehen, ist bei anderen Herstellern (SJM, Boston-Scientific) dieser Kanal distal offen und wird postoperativ meist durch eintreten-des Blut blockiert.

Nur eine insbesondere bei Kindern verwendete bipolare Schrittmacherelek-trode (Medtronic SelectSecure®) besitzt keinen inneren Kanal, hat aber durch ihren speziellen Aufbau eine Zugfestigkeit bis etwa 70 kg. Dagegen ist bei anderen Schrittmacherelektroden bereits ab einer Zugkraft 1,5 kp mit einer Verformung des Elektrodenkörpers zu rechnen.

Der Zugangsweg bei der Erstimplanta-tion beeinflusst die spätere Extrahierbar-keit. Elektroden, die über eine Venae sec-tio der Vena cephalica oder der Vena ju-gularis externa implantiert wurden, sind

Abb. 2 8 a Passiv fixierte unipolare Elektroden, b aktiv fixierte bipolare Elektrode

Abb. 1 9 Elektrode mit ausgedehnten sep-tischen Auflagerungen

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vergleichsweise leichter zu extrahieren als solche, die durch Punktionen der Vena subclavia eingebracht wurden. Neben der narbigen Einscheidung im Punktionska-nal kann es postoperativ zu Kallusbildun-gen an der Klavikula durch Verletzung des Periosts bei der Punktion der Vena sub-clavia kommen.

Die Extrahierbarkeit von Elektroden wird maßgeblich durch intravasale und intrakardiale Einscheidungen beeinflusst. Diese entstehen immer dort, wo Elekt-rodenanteile einen permanenten Wand-kontakt aufweisen. Handelt es sich an-fangs um Fibrinablagerungen, entwickelt sich daraus später festes Narbengewebe, in dem es nach Jahren auch zu Kalkeinlage-rungen kommt. Dagegen werden Fibrin-anlagerungen an den flottierenden Elek-trodenabschnitten durch den venösen Blutfluss verhindert. Linksseitig implan-tierte Elektroden finden eine solche Ab-stützung und Fixierung rechts lateral im Bereich der Vena cava superior bzw. pro-ximal im rechten Atrium, während von rechts implantierte Elektroden sich eher im atrialen Septum abstützen.

Vorhofelektroden

Im Allgemeinen weisen Vorhofelektroden die geringsten intrakardialen Verwach-sungen auf. Durch die Verankerung in der vergleichsweise dünnen Vorhofwand besteht aber ein höheres Perforationsrisi-ko bei der Extraktion.

Rechtsventrikuläre Elektroden

Elektroden im rechten Ventrikel sind oft zusätzlich in der Trikuspidalklappe und am Boden des rechten Ventrikels fixiert, wodurch die Entfernung erheblich er-schwert sein kann und zusätzlich die Ge-fahr einer Trikuspidalklappenverletzung besteht. Bei ICD-Elektroden muss zudem mit einer Fixierung der distalen Schock-wendel im Trikuspidalklappengewebe gerechnet werden. Bei ICD-Elektroden mit 2 Schockwendeln („dual-coil leads“) ist das Risiko der Elektrodenextraktion durch die Gefahr des Einwachsens der proximalen Wendel im Bereich der Ve-na cava superior höher als bei Elektroden mit nur einer Schockwendel („single-co-il leads“; [4]).

Die Implantation mehrerer rechtsven-trikulärer Elektroden kann zudem durch die Fixationen im Bereich der Trikuspi-dalklappe die Klappenfunktion erheblich beeinträchtigen.

Linksventrikuläre Koronarvenen-Elektroden

Eigene Untersuchungen von explantierten Herzen im Rahmen von Herztransplanta-tionen zeigten bei allen linksventrikulä-ren Koronarvenen(CV)-Elektroden Ver-wachsungen im Ostium des Sinus corona-rius (. Abb. 3) und an der Mündung der Zielvene in den Koronarsinus. Dagegen bestanden an intraluminalen Elektroden-bereichen keine Auflagerungen. Dies be-stätigte sich auch angiographisch bei Ex-

traktionen langzeitig implantierter Elekt-roden. Diese Einscheidungen stellten aber für verschiedene Elektrodentypen inner-halb der ersten 5 Jahre kein Extraktions-hindernis dar. Allerdings war für die Ex-traktion längerfristig implantierter Elek-troden der Einsatz von Extraktionshilfen (Locking stylets; . Abb. 4) notwendig. In einem Fall mit verschlossenem Elektro-denkanal konnte eine defekte Elektrode nur unvollständig entfernt werden.

Die Implantation mehrerer Elektro-den über den gleichen venösen Zugang und postoperative Venenthrombosen führen zu gemeinsamen Einscheidungen der Elektroden und erschweren die Extra-hierbarkeit. Vor der Extraktion einer Elek-trode müssen auch alle anderen Elektro-den möglichst stabilisiert werden. Ist die

Herzschr Elektrophys 2013 ∙ 24:158–164 DOI 10.1007/s00399-013-0282-6© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

B. Hansky · W. Kaymer · D. M. zu Vilsendorf · C. Strunk-Müller · C. Stellbrink

Extraktionen von Schrittmacher- und ICD-Elektroden in der klinischen Praxis

ZusammenfassungSpezielle Hilfsmittel ermöglichen die trans-venöse Extraktion defekter oder infizier-ter Schrittmacher- und ICD-Elektroden ohne operative Freilegung des Herzens. Das deut-lich erhöhte Risiko bei der Extraktion lang-zeitig implantierter Elektroden erfordert fun-dierte Kenntnisse des Operateurs und erwei-terte personelle Voraussetzungen. Kriterien zur Abschätzung des individuellen Extrak-tionsrisikos sind neben Alter und Geschlecht das Zeitintervall zwischen Im- und Explan-tation, Art und Anzahl der Elektroden, Zu-gangswege bei der Implantation und der Ort der Elektrodenfixation. Während die Extrak-tion langliegender Elektroden immer unter Einsatz interner Extraktionshilfen (Locking

stylets) erfolgt, ist die Verwendung speziel-ler externer Extraktionshilfen optional. Vor al-lem der Einsatz eines externen Laser-She-aths mit hohem Perforationsrisiko sollte nur unter sehr strenger Indikationsstellung erfol-gen. Besteht nach Abschätzung der individu-ellen Faktoren ein sehr hohes Operationsrisi-ko, muss alternativ eine chirurgische Elektro-denentfernung unter Freilegung des Herzens und Einsatz der extrakorporalen Zirkulation erwogen werden.

SchlüsselwörterElektrodenextraktion · Indikation · Kontraindikation · Technik · Risiken

Practical aspects of pacemaker and ICD-lead extractions

AbstractSpecial tools for lead removal enables trans-venous lead extractions without cardiac ex-posure. The risk of fatal complications during extraction of long-term implanted leads re-quires detailed knowledge and trained phy-sicians. In addition to patients’ age and gen-der, individual extraction risk factors are ac-cess and time since implantation, lead posi-tion, kind and number of leads. Locking sty-lets to anchor the lead within the lumen are necessary in all extraction procedures while the use of external sheaths is optional. High-

er risk of cardiac or central vein perforation during lead mobilisation with external laser sheaths has to be respected, and these tools should be used with strong indication only. In cases of high risk, lead explantation with an open heart procedure should be consid-ered as an alternative.

KeywordsLead extraction · Indication · Contraindication · Technique · Risk

Zusammenfassung · Abstract

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Belassung der Elektroden geplant, erfolgt die Unterstützung durch ein entsprechen-des Mandrin oder bei geplanter Entfer-nung durch ein Locking stylet.

Vorbereitung und Monitoring

Langzeitig implantierte Schrittmacher- und ICD-Elektroden sollten immer in Narkose und nicht unter Lokalanästhesie extrahiert werden. Ein patientenbeding-tes erhöhtes Operationsrisiko besteht bei alten Patientinnen, sehr lange (> 5–10 Jah-re) bzw. mehr als 3 implantierten Elekt-roden oder zentralen Venenverschlüssen. Die Gefahren erheblicher hämodynami-scher Beeinträchtigungen während des Ziehens an den Ventrikelelektroden und das Risiko von Wandverletzungen am Vorhof und an zentralen Venenabschnit-ten erfordern eine umfassende Überwa-chung der Patienten. Zudem kann es bei der Extraktion von Schrittmacherelekt-roden zum Auftreten von Kammerflim-mern kommen. In Abwägung des indivi-duellen Risikos sind daher folgende Maß-nahmen immer notwendig:

5 EKG-Überwachung, 5 Blutdruckmessung, 5 Patchelektroden zur externen Defibril-lation,

5 großlumiger venöser Zugang, 5 präoperative Blutgruppenbestim-mung.

Folgende Maßnahmen sind optional (bei Hochrisikoeingriffen):

5 zentraler Venenkatheter, 5 intraarterielle Blutdruckmessung, 5 TEE,

5 Bereitstellung von Blutkonserven, 5 Abdeckung des gesamten Thorax für eine eventuelle Sternotomie,

5 Instrumentarium und Team zur Not-fallsternotomie.

Extraktion infizierter Elektroden

Präoperativ ist zunächst zu prüfen, ob ein ausreichender Eigenrhythmus besteht. Ist dies nicht der Fall, muss vor der Extrak-tion eine aktiv fixierte temporäre und län-gerfristig zu nutzende Ventrikelelektro-de platziert werden. Es ist auch möglich, eine herkömmliche bipolare Schraubelek-trode über die Vena jugularis zu implan-tieren und diese an einen konventionellen VVI-Schrittmacher anzuschließen. Nach Sanierung der Infektion (Abklingen aller Infektionsparameter) und abgeschlosse-ner Wundheilung sollte die Implantation eines neuen Systems von der Gegenseite in einem Zeitintervall von 4 bis 6 Wochen erfolgen und die temporäre Elektrode ent-fernt werden. Alternativ muss in solchen Fällen auch die primäre Explantation mit-tels HLM und die definitive Implantation eines epikardialen Systems mit abdomina-ler Aggregatplatzierung erwogen werden.

Die Implantation eines definitiven neuen Systems auf der Gegenseite un-mittelbar vor oder bereits 24–72 h nach der Entfernung infizierter Systeme birgt trotz effektiver Antibiotikatherapie ein sehr hohes Infektionsrisiko des neuen Systems und ist nicht zu empfehlen, auch wenn dies den Empfehlungen in den AHA/HRS-Guidelines [1] widerspricht. Nur unter sehr strenger Indikationsstel-lung und bei fehlenden Alternativen (in-

stabile Lage der temporären Elektrode bei am Herzen voroperierten schrittmacher-pflichtigen Patienten) ist die Neuimplan-tation bereits 24–72 h nach Abklingen der Infektionszeichen bzw. negativem Keim-nachweis zu erwägen.

Technik und interne Extraktionshilfen

Zur Extraktion sind die zu entfernenden Elektroden bis zum Veneneintritt freizu-legen und alle Fixationen zu entfernen. Die Verwachsungen innerhalb der Tasche korrelieren meist mit den zu erwartenden intravasalen und -kardialen Adhäsionen [5]. Wird der Elektrodenanschluss oder die Aufzweigung bei ICD-Elektroden ab-geschnitten, müssen nicht alle Elektro-denschlaufen mühsam freipräpariert wer-den. Zugleich ist so der Einsatz externer Extraktionshilfen möglich. Vor der Ent-fernung nichtinfizierter Elektroden muss für die Neuimplantation zuerst ein neuer Venenzugang durch Punktion der Vena subclavia oder eine Venae sectio der Vena cephalica geschaffen werden. Zur Siche-rung des Zugangsweges wird ein Punk-tionsdraht in den rechten Vorhof bzw. die Vena cava inferior vorgeschoben.

Durch die Verwendung von Extrak-tionshilfen gelingt die transvenöse Entfer-nung auch langzeitig implantierter Elekt-roden in bis zu 90–95 % aller Fälle. In den Elektrodenkanal vorgeschobene Locking stylets (. Abb. 4) stabilisieren die Elekt-roden und erhöhen die Zugfestigkeit. Lo-cking stylets sind unterschiedlich star-ke Stahldrähte, über die ein an der Spit-ze verschweißtes Drahtnetz gespannt ist.

Abb. 3 8 Fibrinöse CV-Elektrodeneinscheidung am Ostium des Sinus coronaries

Abb. 4 9 Locking stylet (Spectranetics LLD®): a „unlocked“, b „locked“

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Da die Elektrodenkanäle unterschiedlich weit sind, stehen auch Locking stylets in mehreren Größen zur Verfügung. Nach Ausmessen des Elektrodenkanals erfolgt das Vorschieben des größtmöglichen Lo-cking stylets bis zur Elektrodenspitze. An-schließend wird das Drahtnetz freigege-ben und so die Elektrode in ganzer Län-ge fixiert. Die Verwendung von Systemen, die sich lediglich an der Elektrodenspitze verankern lassen, hat sich nicht bewährt.

Nach Fixieren aller Elektroden und der Umstechung der Elektrodenkanäle mit re-sorbierbaren Fäden beginnt man mit der erwartungsgemäß am leichtesten und risi-koärmsten zu entfernenden Elektrode. In der Regel wird dies die zuletzt implantier-te oder die Vorhofelektrode sein. Als letz-tes wird eine sehr lange liegende Elektro-de aus dem rechten Ventrikel extrahiert, da hierbei die massivsten hämodynami-schen Beeinträchtigungen zu erwarten

sind (. Abb. 5). Während der Extraktion ist es besonders wichtig, das Blutdruck-verhalten zu beobachten. Eine Röntgen-durchleuchtung ist nur erforderlich, wenn gleichzeitig auch andere Elektroden unter Zug geraten oder zur Kontrolle des Ex-traktionsfortschritts. Da gerade die Ex-traktion von rechtsventrikulären Elektro-den die Ventrikelfunktion massiv beein-trächtigen und zu Kammerflimmern füh-ren kann, muss die Extraktion intervall-weise und nur für maximal 5 s erfolgen. Erst nach Normalisierung des Blutdrucks und der EKG-Veränderungen kann das Extraktionsmanöver fortgesetzt und bis zur Lockerung der Elektrode wiederholt werden. Ein starker permanenter Zug an der fixierten Elektrode hat auch nach er-folgreichem Lösen der Elektrode aus dem Ventrikel die Gefahr der elektromechani-schen Entkopplung. Bei der Extraktion im EKG sichtbare ventrikuläre Extrasystolen

sistieren nach Zurückziehen der Elektro-de in den Vorhof meist schlagartig und der systemische Blutdruck steigt inner-halb weniger Sekunden wieder an. An-haltende hämodynamische Beeinträchti-gungen oder ein Ansteigen des zentralen Venendruckes erfordern eine unmittelba-re Kontrolle mittels TEE. Dabei müssen eine neu aufgetretene Trikuspidalklap-peninsuffizienz und die Ausbildung eines Hämatoperikards durch Wandverletzun-gen ausgeschlossen werden. Gegebenen-falls ist eine erneute TEE-Kontrolle nach 5 und 10 min erforderlich. Voroperatio-nen am Herzen reduzieren durch die epi-kardialen Verwachsungen das Risiko von Herzverletzungen.

Das nächste Ziel ist die vollständi-ge Bergung der mobilisierten Elektrode. Wulstbildungen der Isolation am Venen-eintritt oder proximalen Einscheidungen können die vollständige Entfernung ver-hindern. Über einen separaten Venen-zugang (meist über die Vena femoralis; . Abb. 6) kann man versuchen, die Elek-trode mit einem Lassokatheter distal zu fi-xieren und so zu entfernen.

Externe Extraktionshilfen

Sheaths

Zur Erweiterung des Elektrodenkanals und zentraler Verwachsungen gibt es die Möglichkeit, zusätzlich zu den Locking stylets externe Sheaths aus Kunststoff oder Metall zu verwenden. Alternativ ha-ben sich metallringverstärkte Schleusen in der Stärke des äußeren Elektroden-durchmessers bewährt, die mitunter kos-tengünstiger sind und bei der Extraktion nicht abknicken.

Werden mehrere, über einen gemein-samen Zugang implantierte Elektroden entfernt, besteht mitunter eine starke ve-nöse Blutung durch eine Verletzung der Vena subclavia, die auch nach längerer Kompression nicht sistiert. Oft ist es da-bei ausreichend, die Pektoralismuskula-tur mit Nähten darüber zu fixieren. Eine Freilegung der Vene mit gefäßchirurgi-scher Intervention ist meist nicht erfor-derlich. Eine Kontrolle des venösen Ab-stroms sollte aber postoperativ erfolgen.

Abb. 5 8 Veränderung der Herzsilhouette: a vor und b während der Extraktion von 2 rechtsventriku-lären Elektroden

Abb. 6 8 Entfernung des Elektrodenrestes mit Lassokatheter über die Vena femoralis

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Aktive externe Extraktionsschleusen

Eine weitere Option stellt der Einsatz ak-tiver externer Extraktionsschleusen dar. Durch ein handgriffbetriebenes rotie-rendes Messer (Cook Evolution-System) oder ein Excimer-Laser-Sheath (Spectra-netics; . Abb. 7) werden Verwachsungen und Narben entfernt und ein erweiter-ter Kanal geschaffen. Insbesondere wenn es bei zentralen Venenverschlüssen nicht gelingt, einen neuen Zugang zu schaffen, kann dieser Kanal nach Entfernung der al-ten Elektrode auch zur Neuimplantation genutzt werden.

Extreme Vorsicht beim Einsatz solcher Systeme ist dann geboten, wenn sehr lan-ge implantierte ICD-Elektroden bei nicht am Herzen voroperierten Patienten ent-fernt werden sollen. Die Verwendung von Runddrähten für die Schockwendeln be-dingte ein massives Einwachsen („tissue ingrowth“; . Abb. 8) in der Vena cava su-perior und im proximalen Vorhof insbe-sondere bei linksseitig implantierten Du-al-coil-Elektroden. Trotz sachgerechter Anwendung ist es beim Einsatz des Ex-traktionslasers zu mehreren Todesfällen durch eine chirurgisch nicht zu beherr-schende langstreckige Verletzung der Ve-

na cava superior und des Vorhofs gekom-men. Die massive Blutung in die rechte Pleurahöhle und der rasante Blutdruck-abfall treten dabei erst unmittelbar nach Zurückziehen des Lasersheaths auf. Da in solchen Situationen das Herz kaum noch mit Blut gefüllt wird, bleiben auch alle Re-animationsmaßnahmen ineffektiv. Selbst durch eine sofortige mediale Sternotomie lassen sich langstreckige Venenverlet-zungen meist nicht beherrschen. Müssen derartige Elektroden (z. B. von Ventritex; . Abb. 8) entfernt werden, sollte dies bes-ser primär unter Einsatz der HLM erfol-gen. Basierend auf diesen Erkenntnissen sind moderne ICD-Elektroden so konzi-piert, dass auch nach Jahren eine transve-nöse Extraktion möglich sein sollte.

Fazit

Die transvenöse Elektrodenentfernung ist in vielen Fällen eine für die Patienten weniger traumatisierende Alternative zur Explantation mit Einsatz der Herz-Lun-gen-Maschine (HLM) und Kardiotomie. Im Gegensatz zur Elektrodenimplanta-tion bestehen aber vor allem bei der Ex-traktion langzeitimplantierter Elektro-den erhebliche intraoperative Risiken.

Daher müssen Sondenextraktionen von erfahrenen Operateuren unter strenger Indikationsstellung und in Einrichtun-gen mit der Option zur Notfallthorakoto-mie durchgeführt werden. Trotz der er-heblichen technischen Verbesserungen bei Schrittmacher- und ICD-Elektroden in den letzten 10 Jahren und dem Einsatz interner und externer Extraktionshilfen kann im Einzelfall eine transvenöse Ex-plantation misslingen. Dabei lassen sich nichtinfizierte Elektroden meist deutlich schlechter extrahieren als infizierte Son-den. Ein erhöhtes individuelles Extrak-tionsrisiko besteht insbesondere bei al-ten Patientinnen, sehr lange (> 5–10 Jah-re) bzw. mehr als 3 implantierten Elek-troden oder zentralen Venenverschlüs-sen. Zur Patientenaufklärung vor jeder geplanten Elektrodenextraktion gehören neben der Darlegung typischer Risiken der transvenösen Extraktion (z. B. Herz- und Gefäßzerreißungen, Kammerflim-mern und elektromechanische Entkopp-lungen unter der Extraktion, Hämatotho-rax und Hämatoperikard mit Perikard-tamponade) Informationen, die eventu-elle Notwendigkeit einer Notfallthora-kotomie und die Gefahr des letalen Aus-gangs. Bei einem hohen Operationsrisiko ist daher alternativ die Entfernung unter Einsatz der HLM zu erwägen.

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. B. HanskyKlinik für Kardiologie und internistische Intensivmedizin, Klinikum Bielefeld Teutoburger Straße 50, 33602 Bielefeld [email protected]

Interessenkonflikt. PD Dr. Hansky: Beraterhonorare für Fortbildungsveranstaltungen von den Firmen Med-tronic, SJM und Boston/Scientific. W. Kaymer, Dr. Meyer zu Vilsendorf und Dr. Strunk-Müller geben an dass kein Interessenkonflikte besteht.

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Abb. 7 9 Excimer- Laser-Sheath (Spectra-netics®)

Abb. 8 9 Ventritex® ICD-Elektrode mit a „tissue ingrowth“ und b Verkalkung

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