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Die Angewandte Makromolekulare Chemie 218 (1994)69- 79 (NK 3808) Deutsches Textilforschungszentrum Nord-West e. V., D-47798 Krefeld Farben in uberkritischem CO2: Bestimmung von EinfluBgroBen auf das strukturelle Verhalten von Polyethylenterep hthalat-Fasermaterial Dierk Knittel, Wolfgang Sawa, Susanne Hoger, Eckhard Schollmeyer (Eingegangen am 18. Oktober 1993) ZUSAMMENFASSUNG: Die Beeinflussung von Merkmalen der Polymerstruktur durch Behandlung mit uber- kritischem CO, wird anhand von Polyesterfasermaterial untersucht. Das iiberkritische System verursacht eine Absenkung der Glastemperatur und bewirkt die Ausbildung netzwerkstabilisierender Kristallite in den fehlgeordneten Bereichen des Fasermate- rials, die denen entsprechen, die ohne Gegenwart eines uberkritischen Fluids erst bei deutlich hbheren Behandlungstemperaturen gebildet werden. Die Bedeutung der Poly- merstruktur fur Farbung bzw. Impragnierung von Fasermaterial in iiberkritischen Systemen wird diskutiert. SUMMARY The effect of dyeing in supercritical fluids on characteristics of the polymeric struc- ture is investigated using poly(ethy1ene terephthalate) fibers. The supercritical fluid (CO,) causes a decrease in the glass transition temperature and the formation of a net- work of stabilizing crystallites, which - without the use of a fluid - can only be obtai- ned at significantly higher temperatures. The implications of fiber structure for suc- cessful dyeing or impregnation of fibrous material in supercritical systems are discus- sed. 1 Einleitung Zum Farben von Garnen oder Geweben aus Polyethylenterephthalat (PETP) werden praktisch nur Dispersionsfarbstoffe verwendet. Diese hydro- phoben Farbstoffe sind in der Lage, in die hydrophobe PETP-Faser einzudif- fundieren. Wegen der Hydrophobizitat erfordert aber das konventionelle Far- ben aus wanrigem System den Einsatz von Dispergatoren und Tensiden, um a Teil der Dissertation von Wolfgang Saw, Universitat-GH-Duisburg, voraussichtlich 1994. 0 1994 Huthig & Wepf Verlag, Zug CCC OOO3-3146/94/$05.00 69

Färben in überkritischem CO2: Bestimmung von Einflußgrößen auf das strukturelle Verhalten von Polyethylenterephthalat-Fasermaterial

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Page 1: Färben in überkritischem CO2: Bestimmung von Einflußgrößen auf das strukturelle Verhalten von Polyethylenterephthalat-Fasermaterial

Die Angewandte Makromolekulare Chemie 218 (1994) 69- 79 (NK 3808)

Deutsches Textilforschungszentrum Nord-West e. V., D-47798 Krefeld

Farben in uberkritischem CO2: Bestimmung von EinfluBgroBen auf das strukturelle Verhalten von

Polyethylenterep hthalat-Fasermaterial

Dierk Knittel, Wolfgang Sawa, Susanne Hoger, Eckhard Schollmeyer

(Eingegangen am 18. Oktober 1993)

ZUSAMMENFASSUNG: Die Beeinflussung von Merkmalen der Polymerstruktur durch Behandlung mit uber-

kritischem CO, wird anhand von Polyesterfasermaterial untersucht. Das iiberkritische System verursacht eine Absenkung der Glastemperatur und bewirkt die Ausbildung netzwerkstabilisierender Kristallite in den fehlgeordneten Bereichen des Fasermate- rials, die denen entsprechen, die ohne Gegenwart eines uberkritischen Fluids erst bei deutlich hbheren Behandlungstemperaturen gebildet werden. Die Bedeutung der Poly- merstruktur fur Farbung bzw. Impragnierung von Fasermaterial in iiberkritischen Systemen wird diskutiert.

SUMMARY The effect of dyeing in supercritical fluids on characteristics of the polymeric struc-

ture is investigated using poly(ethy1ene terephthalate) fibers. The supercritical fluid (CO,) causes a decrease in the glass transition temperature and the formation of a net- work of stabilizing crystallites, which - without the use of a fluid - can only be obtai- ned at significantly higher temperatures. The implications of fiber structure for suc- cessful dyeing or impregnation of fibrous material in supercritical systems are discus- sed.

1 Einleitung

Zum Farben von Garnen oder Geweben aus Polyethylenterephthalat (PETP) werden praktisch nur Dispersionsfarbstoffe verwendet. Diese hydro- phoben Farbstoffe sind in der Lage, in die hydrophobe PETP-Faser einzudif- fundieren. Wegen der Hydrophobizitat erfordert aber das konventionelle Far- ben aus wanrigem System den Einsatz von Dispergatoren und Tensiden, um

a Teil der Dissertation von Wolfgang Saw, Universitat-GH-Duisburg, voraussichtlich 1994.

0 1994 Huthig & Wepf Verlag, Zug CCC OOO3-3146/94/$05.00 69

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vertretbare Farbezeiten und Farbgleichmaiaigkeiten zu erzielen' . Unver- brauchte Farbstoffe und Chemikalien belasten in hohem Mafie das Abwasser aus Farbereibetrieben. Alternative Wege zur Farbung von Synthesefasern sind daher zu entwickeln. Uberkritische Fluide bieten hierzu interessante Moglich- keiten.

Uberkritische Fluide - das sind Gase unter Bedingungen von Druck (p) und Temperatur (T), die uber den kritischen Daten Pkrit und Tkrit des jeweili- gen Gases liegen (vgl. Abb. 1) - besitzen u. a. Liisekraft fur hydrophobe Sub- stanzen. Diese Tatsache wird genutzt, uberkritisches Kohlendioxid (CO,) als Use- und Farbemedium fur das Farben von Synthesefasermaterial mit Dispersionsfarbstoffen heran~uziehen~-~.

Dieses Farbeverfahren hat heute bereits Technikumsmaiastab erlangt, wobei jedoch noch kaum Augenmerk auf die morphologische Beeinflussung der ein- gesetzten Polymermaterialien gelegt werden konnte.

Abb. 1. Phasendiagramm fur CO, in Projektion (nach'O); P Druck, T Temperatur, V Molvolumen, CP kritischer Punkt, s fest, 1 flussig, g Gas.

Berichte zur Anwendung und Wirkung uberkritischer Fluide auf Polymere sind nur vereinzelt bekannt . Einige Arbeiten beschreiben die Entfernung von Monomeren aus kompakten Kunststoffen, wobei im wesentlichen die einfa- chen Polymeren wie Polystyrol (PS), Polyvinylchlorid (PVC), Polymethyl- methacrylat (PMMA) u. a. behandelt werden11-'6. Untersuchungen zum Strukturverhalten von Polymeren in uberkritischen Systemen finden sich bei Wang et a1.I6 und Chiou et a1.12,13, die die Vergnderung (Durchlaufen eines Temperaturminimums) der Glasubergangstemperatur von PS bei Drucken bis zu 105 MPa beschreiben. Wissinger und Paulaitis berichten uber die Quellung

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Farben in iiberkritischem CO,

von PS und PMMA im Druckbereich bis 10 MPa und bei Temperaturen bis zu 65 "Ci7-19. Shim findet fur die Quellung von Silikongummi eine Volumen- zunahme um bis zu 90% bei 30 MPaZ0. Die genannten Arbeiten geben fur PETP unter C02-Einwirkung einen Glaspunkt (T,) von 52°C an, jedoch betrifft dies nur Messungen bei 2 MPa, d.h. unter unterkritischen Beding~ngen'~. Bei Lijslichkeitsuntersuchungen an Polymeren (PMMA, PS und PVC) stellen Schroder et al. in C 0 2 unter gering uberkritischen Bedin- gungen minimale Veranderungen der mittleren Molmasse fest21.

Nur wenige der genannten Untersuchungen gehen im Druckbereich deutlich uber den kritischen Druck von C 0 2 (7,3 MPa) hinaus, wenige andere uber- schreiten Temperaturen von 100 "C, beides Bedingungen, die nach den Ergeb- nissen von Farbeversuchen weit unter denen liegen, die fur ein effektives Far- ben von PETP-Fasermaterial notwendig ~ i n d ~ - ~ .

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, uber erste Untersuchungen zum Struk- turverhalten von Synthesefasern in uberkritischem C 0 2 am Modellfall von PETP-Fasermaterial zu berichten.

1.1 Grundsatzliches zu Farbeverfahren in uberkritischem Fluid

Als besonderes Merkmal des uberkritischen Systems ist die freie Wahl des Druckes P und der Temperatur T auf einer Phasen-Zustandsebene anzufuh- ren. Prinzipiell beeinflufit die Farbetemperatur die Diffusionsgeschwindigkei- ten der Farbstoffe in der Faser und bestimmt damit die notwendige Farbezeit. Auf der einen Seite vermindert eine ansteigende Temperatur (bei gegebenem Druck) die Dichte des Fluids und seine Liisefahigkeit, auf der anderen Seite aber erhoht sich der Dampfdruck und die Diffusion des Farbstoffs im Fluid und in der Faser. Der jeweils gewahlte Arbeitsdruck bestimmt im wesentlichen die Farbstoffloslichkeit im Fluid und damit den Konzentrationsgradienten an der Faseroberflache.

Es werden nach dem neuen Verfahren in kurzen Farbezeiten sehr gleichma- Dige (egale) Farbungen erzielt. Durch Variation von Druck und Temperatur (vgl. Abb. 2) als einfach zu regelnde Parameter lassen sich gewiinschte Farbtie- fen einstellen. Nach bisherigen Befunden erreicht man Farbstoffaufnahmen im Bereich von 0,2 bis 5 mg Farbstoff pro g PETP-Material, was Mengen ent- spricht, die mit konventionellen, wafirigen Farbeverfahren erreicht werden3. 5 .

Details zu den farberischen, okologischen und okonomischen Aspekten dieses neuen Verfahrens finden sich in2-9.

Wenngleich die Farbungen ausgezeichnete Ergebnisse liefern, ist bisher wenig uber die faserphysikalischen Veranderungen durch das Farbeverfahren

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FBrbetemperatur in "C

Abhangigkeit der Farbtiefe von Druck und Temperatur beim Farben von PETP-Gewebe in iiberkritischem CO,.

Abb. 2.

in iiberkritischem C 0 2 bekannt. Viskoelastisches Fasermaterial wie PETP weist eine Quasi-Zweikomponentenstruktur aus kristallinen und fehlgeordne- ten Bereichen auP2. Die prinzipielle BeeinfluBbarkeit dieser Strukturen durch Temperatur und/oder Spannung ist schematisch in Abb. 3 skizziert. Vor allem die fehlgeordneten Bereiche, welche Verknauelungen der Molekiilketten und

0 H H 1

Rotation bei Rotation bei r i

ca. 100 - 130 'C ca. 80 "C

Abb. 3. Zunahme der Kristallisation bei ansteigender Temperatur T und steigender Spannung F in PETP-Fasermaterial (nach Berndt").

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Farben in iiberkritischem CO,

Kettenenden enthalten, sind fur die Farbbarkeit, fur das Kraft-Dehnungsver- halten und fur die Festigkeit von Fasern von entscheidender Bedeutung.

Die fehlgeordneten Bereiche bestimmen unter der Voraussetzung, daD der Glaspunkt des Polymeren beim Farben uberschritten wird, die Zuganglichkeit fur Farbstoffe und die Farbstoffaufnahme durch Diffusion23. Zur Charakte- risierung der thermischen Stabilitat der fehlgeordneten Bereiche wird die soge- nannte Effektivtemperatur herange~ogen~~. Weit unterhalb des eigentlichen Schmelzpunktes von PETP kommt es zum partiellen Schmelzen kleinerer Kri- stallite und je nach Behandlungstemperatur und -spannung zu einer anschlie- Denden Neubildung von Kristalliten. Die Kristallite schmelzen bei einer ausge- zeichneten Temperatur, und die Temperaturlage des Maximums dieses Vor- schmelzpunktes wird als Effektivtemperatur Teff bezeichnet. Die Effektiv- temperatur charakterisiert die jeweilige thermische Stabilitat der kristallinen Verknupfungen zwischen den intermolekularen Bereichen und bestimmt die charakteristischen mechanischen und thermischen Eigenschaften eines Faser- materials23.

2 Experimentelles

2.1 Un tersuch ungsmaterial

Als Probenmaterial wurde ein PETP-Gewebe mit den in Tab. 1 angegebenen Merk- malen verwendet. Fur orientierende Untersuchungen wurde auch PETP-Rohgarn ver- wendet.

2.2 Thermische Analysen

Die Effektivtemperatur wurde mit einem Thermomechanical Analyzer 941 (TMA- Analysen) und einem Differential Thermal Analyzer 990 mit DSC-MeBzelle (beide Dupont) bei einer Heizrate von 30 "C/min bestimmt.

2.3 Farbeverfahren

Ein Blockschaltbild der Apparatur zur Farbung textiler Materialien in iiberkriti- schem CO, ist in Abb. 4 dargestellt. Funktionsweise und Vorgehensweisen fur Farbun- gen aus iiberkritischem System sind beschrieben.

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Abb. 4. Labor-C0,-Anlage: (1) Autoklav mit Riihrer, (2) Hochdrucksichtzelle fur Messung von Farbstoffloslichkeiten, (3) Gaskompressor, (4) HandspindeI- presse, ( 5 ) Manometer, (6) Riickschlagventile, (7) Filter, (8) C0,-Vorrats- flasche6.

3 Ergebnisse und Diskussion

Aus den experimentell ermittelten Farbeperioden, die jeweils zu einer ver- gleichbaren Farbstoffaufnahme fuhren6* 24, lafit sich eine Senkung von T, um etwa 20°C fur PETP ableiten (vgl. T, von amorphem PETP bei 60-75 "C, von teilkristallinem PETP wie im Fasermaterial bei 79- 81 "C, von orientiert kristallinem PETP bei 80"C23, vgl. 12). Dies la& auf eine Art Carrier-Effect des uberkritischen Fluids im Sinne einer Quellung der Faser schlierjen, wie es bei Farbungen aus konventionellem, warjrigem System durch Zusatz von (meist) aromatischen Additiven erreicht wirdZ5.

An den uberkritisch behandelten Proben wurden daher thermoanalytische Untersuchungen durchgefuhrt. Die Messungen (Abb. 5 ) zeigen fur unter- schiedliche Behandlungstemperaturen im iiberkritischen Medium eine deutli- che Verlagerung des Vorschmelzpeaks (20- 50 "C). Ahnlich wie bei Farbungen in warjrigem System, bei denen das Wassermolekul als Weichmacher fur die Polymerketten wirkt und die resultierende Teff dadurch urn 30- 40 "C ober- halb der Behandlungstemperatur liegt, sind die Werte der Teff des in uberkri- tischem C 0 2 behandelten Materials ebenfalls zu hoheren Werten verschoben. Die Differenz zwischen Behandlungstemperatur und Teff ist von der Hdhe der angewandten Temperatur abhiingig und vermindert sich mit zunehmender Behandlungstemperatur im uberkritischen Fluid. In iiberkritischem C 0 2

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Farben in uberkritischem CO,

180-

- 160-

Y

% I- 140-

E

\ \

/ \ \

T,, = 129°C T,= 80°C

T,, = 155°C T, = 120°C

Ten = 180°C

T, = 160°C

- Aufheiztemperatur T,, [ "C 1

1 20 I. 60 80 100 120 140 160 180

Farbetemperatur PC 1

Abb. 5 . DTA-Messungen an iiberkritisch gefarbtem PETP-Fasermaterial; T,: Farbe- temperatur, Teff: Effektivtemperatur nach der Behandlung.

behandeltes PETP-Rohgarn zeigt Teff etwa bei 10 "C unter der in w2Drigem System gemessenen Effektivtemperatur (149 bzw. 159 "C bei Behandlung mit 130 "C) , wobei die Anwesenheit von Farbstoff im iiberkritischen Medium kei- nen signifikanten EinfluD ausubt.

Bei Behandlungen mit uberkritischem C02 bei 120°C konnte kein signifi- kanter ZeiteinfluD auf die Lage der Effektivtemperatur Teff bei einer Behand- lungsdauer zwischen 15 min und 1 h ermittelt werden. Druckeinflusse auf Teff und damit auf die innere Struktur des Fasermaterials und ein Spannungsein- fluJ3 wahrend der thermischen Behandlung in C 0 2 , der sich in einer Forman- derung des IXA-Vorschmelzpeaks ausdrucken ~ u r d e ~ ~ , konnten bisher nicht detektiert werden.

Das Kraft-Langenanderungsverhalten (KD) von Polymeren kann weiteren AufschluD zur Struktur geben. Die hierzu durchgefuhrten Messungen an unter verschiedenen Bedingungen in C02 gefarbten Proben zeigen (Abb. 6) , daD bei einer Farbetemperatur von 80 "C die KD-Kurve zunachst oberhalb des elasti-

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Dehnung [ % I Abb. 6 . KD-Diagramm fur die SchuDgarne des Originalgewebes (- ) und fur die

in CO, bei 80 "C (. . .) und 160°C (- - -) behandelten Proben.

schen Bereiches mit geringerer Steigerung als bei dem unbehandelten Material verlauft, was auf eine Verringerung der Orientierung der Molekulketten hin- deutet. Bei hoheren Behandlungstemperaturen, z. B. 160 "C, ist bereits im ela- stischen Bereich ein steilerer Kurvenverlauf festzustellen, und erst bei hoherer Dehnung tritt eine Verflachung ein. Ein solches Verhalten bei KD-Untersu- chungen zeigt, dal3 bei der hiiheren Farbetemperatur in iiberkritischem C02 (die in dem chemisch inerten Fluidsystem keine Faserschadigung hervorruft) eine hohere Desorientierung der nicht kristallinen Bereiche stattfindet (Erho- hung des Elastizitatsmoduls). Ferner konnten durch Untersuchungen der Faserstoffdichte durch das Farben in iiberkritischem C 0 2 ebenfalls Tenden- Zen hinsichtlich vergrorjerter Kristallinitat festgestellt werden. Dieses zeigt, dalj eine Zunahme der Kristallinitat erfolgt. FT-IR-Messungen unter Zuhilfe- nahme der Banden bei 1 343 (kristalline Anteile), 1 370 (amorphe Anteile, nach Krimm26) und 1 408 cm- (Bezugsbande) unterstutzen diese Aussage.

Thermomechanische Untersuchungen (TMA) konnen Aufschlul3 uber die temperaturabhangigen Spannungen im Fasermaterial geben. Resultate, gewonnen an Kettfaden des in uberkritischem COz behandelten PETP-Gewe- bes, sind in Abb. 7 vergleichend zum Originalmaterial dargestellt.

An der bisher vermessenen PETP-Ware trat bei Farbung in uberkritischem C 0 2 keine signifikante Veranderung der Reirjfestigkeit ein, was gegen einen durch Druck oder Temperatur bewirkten Abbau der Polymermolekiile spricht, wie Schroder et al. fur PMMA gefunden haben2'.

Aufgrund der bisher vorliegenden Ergebnisse kann angenommen werden, dalj beim Farben in uberkritischem System das C02 die Faser durchdringt

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Farben in uberkritischern CO,

Tab. 1.

Merkmal Gewebe

Textiltechnologische Merkmale des verwendeten PETP-Gewebes.

Bindung L', Flachengewicht 72,l g/m2 Garne Kette 79 dtex f 24 glatt

SchuB Fadendichte Kette 420 Fd/dm

SchuB 2 10 Fd/dm

174 dtex f 36 texturiert

Original _ _ _ 120 O C Firbung 160 "C Firbung

- _ _

Ternperatur [ "C I

Abb. 7. Schrumpfkraft in Abhangigkeit von der Temperatur fur Originalmaterial und der uberkritisch behandelten Proben Cjeweils Kettfaden).

und die Wechselwirkungskrafte zwischen den Kettenmolekulen im Sinne einer Quellung verringert. Am Ende eines Farbeprozesses in uberkritischem Medium wird das Fluid (CO,) bei der Expansion offensichtlich schnell genug aus dem Fasermaterial entfernt, so dal3 ein Zuruckgleiten der Molekulketten in stabilisierende Positionen erfolgen kann.

Uberkritisches CO, lost sich teilweise in Polymeren (vgl. I - 16) und kann daher einen Weichmachereffekt ausuben, der dafur verantwortlich ist, dal3 Diffusionsvorgange beschleunigt werden, indem die Kettenbeweglichkeit der Polymermolekule vergrol3ert wird. Die vorliegenden Befunde belegen, dal3 ahnliche Prozesse fur PETP-Fasermaterial in uberkritischem CO, wirksam sind. Daher sind verkurzte Farbezeiten bzw. tiefere Farbetemperaturen mtig- lich. U. a. er6ffnet sich dadurch auch die Chance, Hochleistungsfasern wie Aramide mit Dispersionsfarbstoffen zu farben5, oder auch Fasermaterialien mit anderen Wirkstoffen als Farbstoffen zu impragnieren ( ~ g l . ~ ~ , ~ * ) . Die

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strukturverandernden Mechanismen in den fehlgeordneten Bereichen des Polymeren (vgl. Teff), die letztlich die Zuganglichkeit fur Farbstoffe und die mechanischen Eigenschaften des Produktes bestimmen, folgen unter den iiberkritischen Bedingungen zumindest qualitativ den Mechanismen, wie sie in wal3rigem System gefunden werden.

Weitere systematische Untersuchungen zum Strukturverhalten von Faser- material unter uberkritischen Bedingungen, vor allem unter Berucksichtigung des Einflusses von sprunghaften Druckvariationen in der Expansionsphase und von Spannungszustanden des Fasermaterials sind durchzufuhren, um die strukturellen Beeinflussungen des Materials, und damit letztlich seine Verar- beitungs- und Gebrauchseigenschaften, sicher zu charakterisieren.

Wir danken dem Forschungskuratorium Gesamttextil fur die finanzielle Forderung dieses Forschungsvorhabens (AIF-Nr. 8 666), die aus Mitteln des Bundeswirtschaftsministeriums uber einen Zuschul3 der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AIF) erfolgte.

Des weiteren bedanken wir uns bei der Fa. Ciba Geigy fur die Bereitstellung von Sachmitteln.

I M. Peter, K. H. Rouette, Grundlagen der Textilveredlung, 13. Aufl., Dt. Fachverlag 1989, S. 574 W. Saus, D. Knittel, E. Schollmeyer, Text. Res. J. 63 (1993) 135 W. Saus, D. Knittel, E. Schollmeyer, Text. Prax. Int. 47 (1992) 1052 W. Saus, D. Knittel, E. Schollmeyer, Text. Prax. Int. 48 (1993) 32 W. Saus, Das Farben von technischen Fasern aus iiberkritischem Kohlendioxid, 4. Int. Techtextil-Symposium, Frankfurt (1992), Nr. 227, 1-4 W. Saus, Dissertation, Universitat-GH-Duisburg 1994 P. Scheibli, W. Schlenker, U. Strahm, ChemiefaserdTextilind. 43/95 (1993) 410 und 414 K. Poulakis, M. Spee, G. M. Schneider, D. Knittel, H.-J. Buschmann, E. Scholl- meyer, Chemiefasern/Textilindustrie 41/93 (1991) 142 DE 3906724 (1990), Erf.: E. Schollmeyer, D. Knittel, H.-J. Buschmann, G. M. Schneider, K. Poulakis, C. A. 114 (1991) 51343~

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Farben in uberkritischem CO,

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