12
622 B. Civilrechtspflege. ' Prim a - Kartoffelsprit der Marke Fischi besitzt. Der Beklagte hat in dieser Richtung eingewendet, daß die W aare nicht oder nicht ausschließlich aus Kartoffeln hergestellt sei, daß dieselbe in B e- zug auf Geruch und Geschmack nicht neutral sei, sondern einen widerlichen Geruch und Geschmack zeige, und daß dieselbe end- lich nicht wasserhell sei, sondern eine gelbe oder grünlich-gelbe Färbung aufweise, Mängel, welche sie als Prim a-Sprit un - verkäuflich oder doch schwer verkäuflich machen und welche nach Art. 243 O.-R. die Wandelung begründen. Allein das Han- delsgericht hat nun im angefochtenen Urtheile in allen diesen Beziehungen, wesentlich im Anschlüsse an das Gutachten des Experten Fiez, das Gegentheil der Behauptungen des Beklagten thatsächlich sestgestellt. Es führt aus, die Frage, ob die gelieferte W aare Kartoffel sprit sei, sei zu bejahen (insbesondere Erw. 7 a. E .); es billigt den Ausspruch des Experten Fiez, daß die streitige Waare auf die Bezeichnung Prima Prager-Sprit ab - fehlt Anspruch habe und demjenigen vollkommen entspreche, welchen die Kläger bisanhin auf den Markt gebracht haben (s. Erw. 19); es führt, was speziell die gelbliche Färbung be- trifft, aus, dieselbe sei allerdings bei der streitigen Waare all- seitig konstatirt und auch vom Gerichte wahrgenommm worden und es sei anzuerkennen, daß die Kläger zu Lieferung wasser- heller W aare verpflichtet seien. Allein es sei nun nicht nur be- wiesen, daß die Waare bei der Aufgabe an die Eisenbahn am Erfüllungsorte in Prag, wie die dort gezogenen Proben zeigen, wasserhell gewesen sei, sondern es sei, nach dem Gutachten des Experten Fiez, anzunehmen, sie habe diese Eigenschaft auch noch bei ihrer Ankunft in Zürich besessen und sei erst später, in Folge der langen Lagerung dadurch gelblich geworden, daß der Sprit den Gelatineverpicht der Jnnenwandung der Fässer auf- gelöst und aus dieser farbige Stoffe, wohl hauptsächlich Tannin, an sich gezogen habe (Erw. 11, 12 und 13 t. A.). Diese Fest- stellungen sind offenbar rein thatsächlicher Natur und daher für das Bundesgericht verbindlich, ohne daß dieses prüfen dürfte, ob dieselben den Beweisergebnissen, speziell dem umfangreichen, sich mehrfach widersprechenden gutachtlichen M ateriale, welches sich bei den Akten befindet, entsprechen. Danach muß aber gê-

Färbung aufweise, Mängel, welche sie als Prima-Sprit un file624 B. Civilrechtspflege. 4. Dieselbe hat dem Beklagten für beide Instanzen zusammen eine Prozeßentschädigung von 65

Embed Size (px)

Citation preview

622 B. Civilrechtspflege.

' P r im a - Kartoffelsprit der Marke Fischi besitzt. D er Beklagte hat in dieser Richtung eingewendet, daß die W aare nicht oder nicht ausschließlich aus Kartoffeln hergestellt sei, daß dieselbe in B e ­zug auf Geruch und Geschmack nicht neutral sei, sondern einen widerlichen Geruch und Geschmack zeige, und daß dieselbe end­lich nicht wasserhell sei, sondern eine gelbe oder grünlich-gelbe Färbung aufweise, M ängel, welche sie a ls P r im a - S p r i t u n ­verkäuflich oder doch schwer verkäuflich machen und welche nach Art. 243 O .-R . die W andelung begründen. Allein das H an ­delsgericht hat nun im angefochtenen Urtheile in allen diesen Beziehungen, wesentlich im Anschlüsse an das Gutachten des Experten Fiez, das Gegentheil der Behauptungen des Beklagten thatsächlich sestgestellt. E s führt aus, die Frage, ob die gelieferte W aare Kartoffel sprit sei, sei zu bejahen (insbesondere E rw . 7 a. E .) ; es billigt den Ausspruch des Experten Fiez, daß die streitige W aare auf die Bezeichnung P rim a P ra g e r-S p r it ab­fehlt Anspruch habe und demjenigen vollkommen entspreche, welchen die Kläger b isanhin auf den M arkt gebracht haben (s. E rw . 19); es führt, w as speziell die gelbliche Färbung be­trifft, aus, dieselbe sei allerdings bei der streitigen W aare a ll­seitig konstatirt und auch vom Gerichte wahrgenommm worden und es sei anzuerkennen, daß die Kläger zu Lieferung wasser­heller W aare verpflichtet seien. Allein es sei nun nicht nu r be­wiesen, daß die W aare bei der Aufgabe an die Eisenbahn am Erfüllungsorte in P ra g , wie die dort gezogenen Proben zeigen, wasserhell gewesen sei, sondern es sei, nach dem Gutachten des Experten Fiez, anzunehmen, sie habe diese Eigenschaft auch noch bei ihrer Ankunft in Zürich besessen und sei erst später, in Folge der langen Lagerung dadurch gelblich geworden, daß der S p r i t den Gelatineverpicht der Jnnenw andung der Fässer auf­gelöst und au s dieser farbige Stoffe, wohl hauptsächlich T annin , an sich gezogen habe (E rw . 11, 12 und 13 t. A.). Diese Fest­stellungen sind offenbar rein thatsächlicher N atu r und daher für das Bundesgericht verbindlich, ohne daß dieses prüfen dürfte, ob dieselben den Beweisergebnissen, speziell dem umfangreichen, sich mehrfach widersprechenden gutachtlichen M ateriale , welches sich bei den Akten befindet, entsprechen. Danach muß aber gê-

IV. Obligationenrecht. N° 91. 623

wiß der dem Kläger obliegende Bew eis vertragsmäßiger Liefe­rung a ls erbracht erachtet und die Weiterziehung des Beklagten aus diesem G runde ohne weiters verworfen werden. D ie Aktenvervollständigungsbegehren des Beklagten nämlich sind theils, nach dem in E rw . 4 Bemerkten, unerheblich, theils, weil auf W iderlegung der thatsächlichen Feststellungen der V or­instanz gerichtet, unstatthaft. B ei dieser Sachlage bedarf es auch keiner Untersuchung der Frage, ob der Vorderrichter den Preism inderungsantrag des Beklagten mit Recht a ls verspätet bezeichnet habe, oder ob ein solcher A ntrag nach Art. 250 O .-R . in jedem S tad iu m der Sache gestellt werden könne, sowie der weitem Frage, ob und inwiefern die Kläger eine G arantie für die unversehrte Ankunft der W aare am Lieferungsorte in Zürich übernommen haben.

Demnach hat das Bundesgericht e r k a n n t :

D ie Weiterziehung des Beklagten und Widerklägers w ird a ls unbegründet abgewiesen und es hat demnach in allen Theilen bei dem angefochtenen Urtheile des Handelsgerichtes des Kantons Zürich vom 4. J u n i 1886 sein Bewenden.

91. U r t h e i l v o m 8. O k t o b e r 1886 in S a c h e n S p a r - u n d L e ih k asse Z u rz a c h g eg e n D ö lk e r .

A. Durch Urtheil vom 18. M a i 1886 hat die Appellations - Kammer des Obergerichtes des K antons Zürich erkannt:

1. D ie Klage ist abgewtesen.2. D ie zweitinstanzliche S taa tsgebüh r wird aus 80 F r. a n ­

gesetzt; die übrigen Kosten betragen:7 F r. 20 C ts. Schreibgebühren,

— „ 90 „ Citationsgebühren,— „ 60 „ S tem pel,— „ 10 „ P orto .3. D ie erst- und zweitinstanzlichen Kosten sind der Kläger-

schast auferlegt.

624 B. Civilrechtspflege.

4. Dieselbe hat dem Beklagten für beide Instanzen zusammen eine Prozeßentschädigung von 65 F r. zu bezahlen.

5. U. f. w.B. Gegen dieses Urtheil ergriff die K lägerin die Weiterzie­

hung an das Bundesgericht. Bei der heutigen Perhandlung be­an trag t ih r A nw alt, es sei zu erkennen, der Beklagte sei schul- big, die eingeklagte Sum m e zu bezahlen unter Kostrnfolge, eventuell für den Fall, daß das Bundesgericht finden sollte, es sei in der Hauptsache nicht eidgenösfisches sondern kantonales Recht anwendbar, sei das angefochtene U rtheil aufzuheben und die Sache zu neuer Beurtheilung an die Vorinstanz zurückzu­weisen.

D er Vertreter des Beklagten dagegen b ean trag t:1. D er klägerischen Weiterziehung sei wegen Inkompetenz des

Gerichtes keine Folge zu geben.2. Eventuell, die klägerische Beschwerde sei a ls unbegründet

abzuweisen und somit das angefochtene Urtheil in allen Theilen zu bestätigen.

3. Eventualissime, das Bundesgericht möchte eine Aktenver­vollständigung durch Abnahme der beklagtischerseits in zweiter Instanz angebotenen Beweise anordnen, unter Kostenfolge.

D a s Bundesgericht zieht in E r w ä g u n g :1. I n tatsächlicher Beziehung hat die Vorinstanz folgendes

sestgestellt: D ie S p a r- und Leihkaffe Zurzach erwarb am 28. August 1880 von a lt N otar Klinger in W interthur einen vom 8. M ärz 1877 datirten Schuldbrief über 11,000 F r., der auf den Beklagten Christian Dölker in Zürich a ls Schuldner lau te t und auf einem demselben gehörigen Hause in Zürich haftet. Dölker verkaufte später das verpfändete H au s an einen D r i t te n , I . B a llu f ; die notarialische Fertigung fand am 28. Februar 1883 statt. I . B alluf bezahlte am 5. M ärz 1883, — unter welchen nähern Umständen ist nicht festgestellt, — der S p a r - und Leihkasse Zurzach den am 2. Februar 1883 verfallenen Z in s des Schuldbrieskapitals m it 550 F r. und erhielt vom Kassier derselben eine auf seinen (des B alluf) Namen lautende Q uittung . Erst nachher, am 30. M ärz 1883, erhielt die S p a r ­und Leihkaffe Zurzach vom N otariate der S ta d t Zürich die

IV. Obligationenrecht, N° 91. 625

amtliche „Ueberbundsanzeige," d. h. die Anzeige, daß in Folge stattgefundenen Kaufes die ihr bisher an C hristian Dölker zu­gestandene Schuldbriefforderung dem I . B a llu f überbunden worden sei, und daß dem Gläubiger n un nach § 816 des zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches freistehe, entweder sich noch an den bisherigen Schuldner zu halten oder den neuen anzuerlennen, in der M einung jedoch, daß, wenn der G läubiger sich noch ferner an den alten Schuldner halten wolle, er seine ganze Forderung binnen zwei Ja h re n von dem ersten Term in an einzuziehen habe, widrigenfalls der frühere Schuldner frei werde und der G läubiger stch nur noch an den neuen halten könne. Auf diese Anzeige hin zog die S p a r- und Leihkaffe Z u r ­zach bei ihrem Cedenten Inform ationen über die S tellung des Schuldbriefübernehmers B a llu f ein; da diese ungünstig la u ­teten, so beschloß die Direktion der S p a r- und Leihkaffe, stch an den alten Schuldner Dölker zu halten, wovon ste indeß weder diesem noch dem Uebernehmer B allu f M ittheilung machte; dagegen wurde allerdings die Q uittung für den am2. Februar 1884 verfallenen Z ins, welcher noch von I . B alluf bezahlt wurde, auf den Namen des Beklagten Dölker ausgestellt.1 . B allu f fiel später in Konkurs, wobei der Schuldbrief der S p a r- und Leihkaffe Zurzach in Kapital und Zinsen gänzlich ungedeckt blieb. D ie S p a r- und Leihkasse Zurzach klagte darauf­hin gegen Christian Dölker auf Anerkennung seiner Z ah lu n g s­pflicht für das Schuldbrieskapital sammt Z in s zu 4 % seit2. Februar 1884 und auf sofortige Bezahlung der verfallenen Z in sra ten sammt Kosten. D er Beklagte wendete ein, daß die Klägerin ihn dadurch, daß ste von dem Schuldübernehmer B allu f eine Z inszahlung vorbehaltlos annahm, der Schuldpflicht ent- laffen habe, worauf die Klägerin erwiderte, daß in der Annahme einer Zinszahlung des Schuldübernehmers eine Entlassung des frühern Schuldners (eine Novation) nicht liege und daß üb ri­gens ihr Kassier, welcher diese Zahlung entgegengenommen habe, zu Genehmigung einer Schuldübernahme gar nicht befugt ge­wesen wäre. D ie beiden kantonalen Instanzen (Bezirksgericht Zürich und Appellationskammer des Obergerichtes) haben zu Gunsten des Beklagten entschieden, die zweite In stan z durch

xii — 1886 41

626 B. Civilrechtspflege.

das Fakt. A erwähnte Urtheil und im Wesentlichen m it fol­gender B egründung : Nach §§ 815 und 816 des zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches sei bei eigentlichen Schuldbriefen ein neuer Erwerber des Unterpfandes verpflichtet, die Schuld zu übernehm en; der G läubiger habe das Recht, sich an den alten Schuldner zu halten, müsse dann aber feine Forderung innert zwei Ja h ren vom ersten Kündigungstermin an einziehen, widrigenfalls der alte Schuldner von Rechts wegen frei werde. O b in einem bestimmten anderweitigen Verhalten des G läub i­gers die Annahme des neuen Erwerbers an S te lle des alten Schuldners zu erblicken sei, darüber bestimme das Sachenrecht nichts; hinsichtlich dieser Frage bleiben also die Rechtssätze in Kraft, die sich aus der N a tu r bei Anspruches a ls Forderung ergeben. D ie Annahme eines neuen Schuldners m it Entlassung des alten sei nach Art. 142 Ziffer 2 O .-R . a ls Novation zu beurtheilen und nach A rt. 143 müsse sich der N ovationsw ille au s dem Geschäfte klar ergeben und dürfe nicht vermuthet werden. E s frage sich nun zunächst, ob der Kassier der Klägerin, R . Attenhofer, zur Schuldentlassung und N ovation legitim irt gewesen, seine W illenserklärung also der K lägerin anzurechnen sei; entscheidend hiefür sei einzig die rechtliche S tellung der klägerischen O rgane nach außen h in , im Verkehr m it gutgläu­bigen D ritten. D enn daß der Beklagte bei Annahme der von ihm behaupteten Novation nicht gutgläubig gewesen, sei weder behauptet noch sonst aus den Akten ersichtlich. E s sei m in an* zunehmen, daß der Kassier Prokurist der Klägerin sei. D enn § 42 der S ta tu ten der klägerischen Anstalt (einer Genossenschaft) bestimme, der Kassier sei der „verantwortliche Geschäftsführer" derselben und führe, „wo vom V erw altungsrathe nichts anderes bestimmt sei," die für selbe verbindliche Unterschrift; auch aus der Publikation im Handelsregister scheine sich zu ergeben, daß der Kassier die Prokura besitze. N un gehöre aber der Abschluß von Schulderneuerungsverträgen gewiß zu denjenigen Hand­lungen, welche der Zweck des Geschäftes der Klägerin, einer S p a r- und Leihkaffe, die wesentlich Darlehensgeschäfte betreibe, m it sich bringen könne; er falle also in den Umfang der gesetz­lichen Vollmacht des Prokuristen nach Art. 428 O .-R . Allein

IV. Obligationenrecht. K» 91. 627

auch wenn angenommen wurde, der Kassier besitze nicht die Prokura, so müßte doch die gleiche Entscheidung Platz greifen. D enn der Kassier sei jedenfalls Handlungsbevollmächtigter im S in n e des Art. 426 O .-R . und gelte a ls solcher a ls zu allen Rechtshandlungen bevollmächtigt, welche der Betrieb eines G e­werbes der betreffenden A rt oder die Ausführung von Geschäften der betreffenden A rt gewöhnlich m it sich bringe. D azu gehöre aber bei dem klägerischen Gewerbe auch der Abschluß von Schulderneuerungsverträgen. D ie Handlungen ihres Kassiers betreffend Schuldentlassung seien also für die Klägerin ver­bindlich und es müsse sich somit fragen, ob in der Ausstellung der Z insquittung vom 5. M ärz 1883 an den Schuldübernehmer B allu f die Genehmigung desselben und somit die Entlassung des alten Schuldners liege. F ü r die rechtliche Bedeutung dieser H andlung sei es gleichgültig, daß dieselbe vor dem Empfang der Ueberbundsanzeige geschehen sei. D ie Auffassung, daß der G läubiger erst nach Empfang dieser Anzeige im S tande sei, dem neuen Pfanderwerber Erklärungen über das neue Forde- rungsverhältniß abzugeben, finde im Gesetze (§ 815 u. ff. des zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches) keinen Anhalt. N un sei anzunehmen^ daß dem Kassier entweder v o r der Z inszah­lung vom 5. M ärz 1883 oder gleichzeitig m it derselben M it ­theilung vom Erwerbe des P fandes durch B a llu f gemacht worden sei. Andernfalls wäre die Q u ittung jedenfalls nicht schlechthin aus den Namen des B allu f ausgestellt worden. E s sei demnach die Annahme gerechtfertigt, die Q uittung sei m it dem Bew ußt­sein ausgestellt worden, baß B a llu f der neue Pfandeigenthümer und a ls solcher gesetzlich zur Uebernahme der Schuld verpflich­tet sei. D a nun die Z inszahlung in der Regel von Niemand anderem a ls vom Schuldner geschehe, so müsse der G läubiger in der Z inszahlung durch den neuen Pfandeigenthüm er eine Bethätiguug desselben finden, welche zeige, daß er der M ei­nung sei, er werde a ls Schuldner angenommen. Dieser Schluß liege so nahe, daß der G läubiger, wenn er zwar wohl den Z in s , aber nicht Len Z ahlenden a ls Schuldner entgegennehmen wolle, dies offenbar erklären müsse, dam it sein Stillschweigen nicht a ls Zustimmung gedeutet werde; eine vorbehaltlose Q u it-

628 B. Civilrechtspflege.

tung dürfe gemäß der N atu r der Sache der Regel nach a ls Schulderneuerung betrachtet werden. Diese Auffassung erweise sich namentlich auch a ls richtig angesichts des beim Schuld­briefverkehr hervortretenden Bedürfnisses nach klarer und mög­lichst einfacher Gestaltung ver Verhältniffe; sie stimme durchaus m it einem Präjudikate der Civilabtheilung des Obergerichtes vom 21. M a i 1842 (Ullmer, Kommentar, N r. 1211) überein und entspreche der in den maßgebenden zürcherischen Verkehrs­kreisen herrschenden Auffassung. D a bei dieser In terp re ta tion die Verhältnisse des zürcherischen Rechts wesentlich in Berück­sichtigung gezogen werden, so könnte derselben entgegengehalten werden, daß diese Verhältniffe den O rganen der klägerischen Anstalt, a ls einer außerkantonalen, nicht hinlänglich bekannt seien. Allein die Angestellten des klägerischen Geldinstitutes, das ganz in der Nähe des Kantons Zürich etablirt sei und notorischer Weise in häufigem Geschäftsverkehr m it zürcherischen Hypothekarschuldnern stehe, seien, wenn auch nicht rechtlich, so doch faktisch, zenfirt, die zürcherische Gesetzgebung in dieser Richtung genau zu kennen, weil diese Kenntniß zu den G rund ­lagen ihres bezüglichen Gewerbebetriebes gehöre.

2. D ie Kompetenz des Bundesgerichtes wird aus dem Grunde bestritten, weil auf das streitige Rechts verhältniß nicht eidge­nössisches, sondern kantonales Recht anwendbar sei. Diese E in ­wendung ist nun jedenfalls insoweit unbegründet, a ls in Frage steht, ob der Kassier des klägerischen G eldinstituts die Schuld­übernahme durch den Pfanderwerber B a llu f in einer für das­selbe verbindlichen Weise habe genehmigen und dam it den alten Schuldner habe befreien können. D enn in dieser Richtung ist doch unzweifelhaft eidgenössisches Recht anwendbar, da es sich dabei um die gesetzliche Vertretungsbefugniß eines Angestellten deS klägerischen Bankinstitutes handelt, diese aber unstreitig nach Len Bestimmungen des eidgenössischen Obligationenrechtes sich richtet. I n soweit ist also auf die materielle P rü fung der Beschwerde einzutreten.

3. I n dieser Richtung ist aber die Beschwerde unbegründet. Z w ar ist eS zweifelhaft, ob der Kasster R . Attenhofer, wie hie Lorinstanz in erster Linie annim m t, Prokurist des klägerischen

IV. Obligationenrectxt. N° 91. 629

In s t i tu ts sei. D enn es ergiebt sich aus den S ta tu te n der S p a r ­und Leihkasse nicht, daß der Kassier, wie dies Art. 422 O .-R . für den Prokuristen fordert, ermächtigt w ar, „per p ro cu ra die F irm a zu zeichnen" und auch der E in trag im Handelsregister sagt (nach der Publikation im H andelsam tsblatte vom 21. M ärz 1883) nur, daß im gewöhnlichen Geschäftsverkehr die verbind­liche Unterschrift für die Klägerin führe, „der Präsident derDirektion," .... ferner der Kassier, und in dessen Abwesenheitoder Verhinderung der Buchhalter p e r p rocu ra . (Vergl. § 8 des Réglementes der Klägerin vom 2. Oktober 1872, worin die Form der Unterschrift des Kassiers und des Buchhalters dahin festgestellt ist, daß nur der letztere p e r p ro cu ra zu zeich­neu hat). Dagegen ist der Vorinstanz darin ohne weiters bei­zutreten, daß der Kassier in seiner Eigenschaft a ls „verant­wortlicher Geschäftsführer" der Klägerin, der für dieselbe „im gewöhnlichen Geschäftsverkehr" die verbindliche Unterschrift führt, a ls Handlungsbevollmächtigter im S in n e des Art. 426 O .-R . zu betrachten ist und daher a ls ^ermächtigt gilt, alle zum ge- wohnlichen Betriebe des klägerischen Geschäftes gehörigen Rechts­handlungen in fü r die Klägerin verbindlicher Weise vorzuneh­men. E s ist ferner m it der Vorinstanz auzuerkennen, daß zum gewöhnlichen Betriebe eines Bankgeschäftes von der Art des klägerischen auch der Abschluß von Schulderneuerungsverträgen gehört, so daß der Kassier, nach dem für den Umfang seiner Vollmacht D ritten gegenüber einzig maßgebenden E inträge im Handelsregister a ls zu deren Abschluß bevollmächtigt M t , m ag er auch immerhin nach den für den inner« Geschäftsverkehr der Anstalt maßgebenden reglementarischen Bestimmungen an die vorherige Einholung eines Beschlusses der Direktion ge* bunden sein. Hievon könnte nu r dann abgegangen werden, wenn dem Beklagten der Einw and der Arglist entgegenstände, wovon aber, nach dem vorinstanzlichen Thatbestande, überall keine Rede sein kann.

4. D ie Entscheidung hängt somit davon ab, ob in der vor­behaltlosen Annahme einer Zinszahlung des Schuldübernehmers eine Genehmigung der Schuldübernahme resp. eine Entlassung des alten Schuldners durch den G läubiger liege. D a s B undes­

630 B. Civilrechispflege.

geeicht ist nun aber nicht kompetent, die kantonale Entscheidung in dieser Richtung zu überprüfen. D enn die Frage ist nicht nach eidgenössischem sondern nach kantonalem Recht zu beur­te i le n . D ies folgt au s A rt. 130 O .-R . Art. 130 cit. bestimmt, daß gegenüber den Bestimmungen dieses T itels die besondern Vorschriften über Wechsel-, O rdre- und Jnhaberpapiere sowie das „Recht über grundversicherte Forderungen" Vorbehalten bleiben. D ie Bestimmungen des 3. T ite ls des Obligationen­rechtes, welche vom Erlöschen der Obligationen, insbesondere von der Kompensation, von der Aushebung, Neuerung (N ova­tion) und Vereinigung, von der Unmöglichkeit der Erfüllung und von der Verjährung handeln, lassen also das „Recht über grundverstcherte Forderungen," d. h. das seitherige hierüber geltende kantonale Recht unverändert bestehen; Vorbehalten wer­den nicht nur, wie bezüglich der Wechsel-, O rdre- und I n ­Haberpapiere, die „besondern" darüber bestehenden Bestimmungen, sondern Vorbehalten wird das (gesammte), das Erlöschen grund­versicherter Forderungen betreffende (kantonale) Recht. Schon aus dem W ortlaute des Gesetzes muß also gefolgert werden, daß die daS Erlöschen der O bligationen betreffenden Bestim­mungen des Obligationenrechtes a ls solche d. h. a ls Normen des eidgenössischen Rechts auf grundversicherte Forderungen überhaupt keine Anwendung finden, daß vielmehr das E r ­löschen grundverficherter Forderungen durchaus der N orm irung durch das kantonale Recht anheimgegeben ist. H iefür spricht auch das regelmäßige Berhältniß des eidgenössischen O b liga­tionenrechtes zum kantonalen Rechte. D a s Obligattonenrecht enthält, sofern nicht ganz unzweideutig etw as anderes bestimmt ist (wie beispielsweise in Art. 896 O .-R .) , absolut und nicht nu r subsidär gemeines Recht für die ganze Eidgenossenschaft; so weit inhaltlich sein Geltungsgebiet reicht, gilt es unbedingt und nicht n u r dann, wenn die kantonale Gesetzgebung keine oder keine besonderen Bestimmungen enthält ; die kantonale Gesetz­gebung kann das Gebiet seiner Wirksamkeit weder ausdehnen noch einschränken. E s ist daher in der Regel nicht anzunehmen, daß die Anwendbarkeit von Bestimmungen des O bligationen­rechtes auf gewisse M aterien vom Bestehen oder Nichtbestehen

IV. Obligationenrecht. N° 91. 681

lantonalgesetzlicher Spezialbestimmungen über dieselben abhänge und daher je nach dem S tande der einzelnen kantonalen G e­setzgebungen für den einen Kanton zu bejahen, für den andern zu verneinen sei. W enn daher A rt. 130 das kantonale Recht bezüglich des Erlöschens hypothekarisch versicherter Forderungen vorbehält, so bezieht sich dies nicht nur auf speziell blos die Erlöschung grundversicherter Forderungen betreffende kantonale Gesetzesbestimmungen, sondern auf das gesammte, für das E r ­löschen solcher Forderungen bisher maßgebende, allgemeine und spezielle, kantonale Recht. H iefür spricht denn auch bei dem inner» Zusammenhänge und der wechselseitigen Bedingtheit der allgemeinen und speziellen Gesetzesbestimmungen die N atu r der Sache. (Bergt. Entscheidung des Bundesgerichtes in Sachen Chaney con tre G endre vom 10. J u l i 1886.) D arau s , daß in A rt. 146 Absatz 3 O .-R . noch speziell bestimmt wird, die V er­jährung grundverstcherter und anderer Ansprüche, die das kan­tonale Recht regle, unterliege den Bestimmungen dieses G e­setzes nicht, kann ein Schluß gegen die hier vertretene Auslegung des Art. 130 cit. nicht gezogen werden. Art. 146 Absatz 3 en thä lt vielmehr, so weit er von grundversicherten Forderungen spricht, einfach eine Einzelanwendung des allgemeinen G rund ­satzes des A rt. 130 auf einen speziellen Erlöschungsgrund. N un handelt es sich in casu darum, ob der Beklagte von einer hy­pothekarischen Forderung in Folge privativer, vom G läubiger genehmigter Schuldübernahme durch einen D ritten befreit sei beziehungsweise ob diese Forderung dem Beklagten gegenüber durch Neuerung untergegangen sei, also um eine Frage des Erlöschens einer grundversicherten Forderung. D a s B undes­gericht ist daher, da nach dem Bemerkten nicht eidgenössisches, sondern kantonales Recht hiefür maßgebend ist, nicht kompetent.

5. Fraglich könnte nu r noch sein, ob nicht, gemäß dem even­tuellen Anträge der Klägerin, die vorinstanzliche Entscheidung auszuheben und die Sache zu erneuter B eurtheilung an den Vorderrichter deßhalb zurückzuweisen sei, weil dieser zu Unrecht, in Verletzung des A rt. 130 O .-R . eidgenössisches und nicht kan­tonales Recht angewendet habe. Allein auch diese F rage ist zu verneinen. D enn der Vorderrichter nim m t zwar allerdings auf

632 B. Civilrechtspilege.

die Art. 142 und 143 O .-R . Bezug, aber doch wohl nur in nebensächlicher Weise. Ausschlaggebend für die Entscheidung w aren wohl nicht diese Bestimmungen des eidgenössischen Rechtes sondern w ar vielmehr das kantonale Recht. D ie Entscheidung wird zwar nicht auf eine spezielle, die Neuerung grundverstcherter Forderungen betreffende, kantonalgesetzliche Bestimmung gestützt; dagegen scheint für dieselbe die im Anschluffe an Bestimmungen deS zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches und m it Rücksicht auf die hypothekarrechtlichen Einrichtungen deS K antons Zürich ausgebildete kantonale Geschäfts- und Cerichtspraxis maßgebend gewesen zu sein.

Demnach hat das Bundesgericht e r k a n n t :

D ie Weiterziehung der Klägerin wird abgewiesen und es hat demnach in allen Theilen bei dem angefochtenen Urtheile der Appellationskammer des Obergerichtes des K antons Zürich vom 18. M a i 1886 sein Bewenden.

92. U r th e i l v o m 15. O k to b e r 1886 in S a c h e n S c h i r a c h g e g e n L o b e n s te in .

A. Durch Urtheil vom 2 0 ./2 7 . M a i 1886 hat das Appel­lationsgericht deS K antons Baselstadt erkannt: Beklagter ist verfällt zur Z ahlung von 737 F r. 20 C ts. und Z inS zu 5 % seit 23. J a n u a r 1886. D er am 6. J a n u a r 1886 auf die B a a r- schaft von 341 F r. 40 E ts . und die Effekten des Beklagten (goldene Uhr sammt Kette, Reisedecke und S h aw l) gelegte Arrest wird bestätigt und es soll mit dem Arrestobjekt nach §§ 267 ff. der Civilprozeßordnung verfahren werden. D er R e­greß für den aus der Arrestkollokation ungedeckten B etrag auf das übrige Vermögen des Beklagten und auf das Vermögen seiner Ehefrau Ernestine Lobenstein geb. B erger wird dem K läger Vorbehalten. D ie Kosten beider Instanzen m it Inbegriff einer appellationsgerichtlichen UrtheilSgebühr von 50 F r. find getheilt.

IV. Obligationenrecht. S0 92. 63$

B. Gegen dieses Urtheil ergriffen beide P arte ien die W eiter­ziehung an das Bundesgericht. D er Kläger b ean trag t.-

1. D er Beklagte sei zu Zahlung von 5237 F r. 20 C ts. fammi Z in s zu 5 % vom Tage der Klageanhebung an, sowie zu T ragung sämmtlicher Prozeßkosten zu verurtheilen.

2. D er Arrest vom 6. J a n u a r 1886 sei zu bestätigen und das Arrestobjekt gesetzlicher O rdnung gemäß zu liquidiren, un ter Vorbehalt des Regreffes für den Verlust auf das übrige Ver­mögen des Beklagten und auf dasjenige seiner F rau , welche beim Abschlüsse des M iethvertrages sich mitverpflichtet hatte.

D er Beklagte dagegen b e a n tra g t: E s sei die klägerische Forderung nach Abzug der vom Beklagten anerkannten Hotel­rechnung im Belaufe von 23? F r. 20 C ts. abzuweifen, ferner der Arrest aufzuheben und demnach Herausgabe der verarrestir- ten Baarschaft von 341 F r . 40 C ts., abzüglich der anerkannten 237 F r. 20 C ts. mit 104 F r. 20 Cfs. sowie der goldenen Uhr sammt Kette, der Reisedecke und des S h a w ls anzuordnen und der Kläger in sämmtliche Kosten zu verurtheilen.

D a s Bundesgericht zieht i n E r w ä g u n g :1. Nach längera brieflichen und mündlichen Verhandlungen

kam zwischen den P arte ien am 31. Dezember 1885 ein „Mieth- vertrag" über das dem Kläger gehörige Hotel B aslerhof in Basel zu S tande , abgeschloffen auf die D auer von 3 Jah ren vom 5. J a n u a r 1886 an und mit einem Miethzinse von 10,000 F r. für 1886 und Von je 12,000 F r. für 1887 und 1888. D er Beklagte tra t aber die Miethe nicht an, sondern w ar im Begriffe, sich von Basel zu entfernen. D e r Kläger erwirkte daher für die, in Folge des Aufenthaltes des Beklagten im Baslerhofe während der V ertragsunterhandlungen erwachsene, Hotelrechnung von 237 F r. 20 C ts., sowie zur Sicherstellung des durch Nichthalten der Miethe entstandenen Schadens, den er gemäß Art. 292 O .-R . auf 5000 F r. bezifferte, am 6. J a ­nuar 1886 einen Arrest auf die Baarschaft des Beklagten von 341 F r. 40 C ts., ferner auf eine goldene Uhr sammt Kette, eine Reisedecke und einen S h a w l, zusammen im Schatzungs­Werth von 260 F r. D er Beklagte bestritt den Arrest und es kam daher zum Prozesse, in welchem die Parteien die aus Fakt. B ersichtlichen Rechtsbegehren stellten. D er Beklagte be-