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1 WIRTSCHAFT REGIONAL 10/2009
Fallbeispiel: Leistungssteigerung
mit Supply Chain ManagementSerie: Management in turbulenten Zeiten (Teil 3): Wie wir im letzten Beitrag gezeigt haben,
lassen sich durch die Optimierung nicht mehr marktgerechter Strukturen und Prozesse die Kosten erheblich senken. Unternehmen müssen jedoch nicht nur ihre internen Prozesse wie Beschaffung, Produktion oder Absatz optimieren, sondern ihr überbetriebliches Netzwerk und die Abläufe über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg besser aufeinander abstimmen. Ergebnis: niedrigere Kosten, kürzere Durchlaufzeiten, verbesserte Qualität und zufriedenere Kunden.
Kein Unternehmen kann es sich heute noch
leisten, allein zu wirtschaft en. Stabile und
effi ziente Partnerschaft en mit Lieferanten und Kun-
den entscheiden über den Unternehmenserfolg.
Das Prinzip der Arbeitsteilung wiederholt sich auf
revolutionäre Weise und wird auf Firmen über-
greifende, global agierende Netzwerke übertragen
(vgl. Abbildung).
Fallbeispiel: schlechter Service trotz steigender
Bestände
Welche Folgen eine schlecht organisierte Lieferkett e
haben kann, erfuhren wir bei einem Zulieferer und
OEM-Hersteller für die Sani-
tärindustrie: Obwohl große
Mengen von Rohstoff en und
Fertigteilen das Lager blo-
ckierten, wurde nur jeder
zweite Auft rag pünktlich
geliefert. Von der Auft rag-
serteilung bis zur Ausliefe-
rung vergingen im Durch-
schnitt sechs Wochen und
die Reklamationsquote lag
bei nahezu 20 Prozent al-
ler ausgelieferten Auft räge.
Das Unternehmen war sehr
innovativ, nahezu alle drei
Monate wurde eine neue
Produktserie auf den Markt gebracht und bei Teile-
lieferanten in Übersee in Auft rag gegeben. Komple-
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xität erhöhend wirkte sich zudem die Tatsache aus,
dass nahezu jeder Auft rag eine kundenindividuelle
Maßanfertigung war und in einer großen Vielzahl
von Oberfl ächen angeboten wurde.
Um mehrere Tausend Kundenauft räge pro Jahr ab-
wickeln zu können, wurde eine sehr große Abteilung
für die Auft ragsabwicklung aufgebaut, da bei zu-
nehmender Produktvielfalt die Unterstützung durch
die eingesetzten IT-Systeme unzureichend war. Die
Aufgabe: Reduzierung der Durchlaufzeiten, Verbes-
serung des Lieferservice und Senkung der Reklama-
tionen bei gleichzeitiger Verringerung der Bestände
und Aufb au einer globalisierten Produktion.
Lösungselemente: Produktstrukturen, Prozessop-
timierung und Transparenz
Die Komplexität der Aufgabe erforderte es, den gesam-
ten Produktentstehungsprozess bis zur Auslieferung
zum Kunden zu überdenken und neu aufzusetzen.
Im ersten Schritt wurde durch den Aufb au von Pro-
dukt- und Baugruppenkonzepten eine Standardisie-
rung der gesamten Angebotspalett e vorgenommen,
hierzu ein neuer Materialnummernschlüssel entwi-
ckelt und eine marktgerechte Lieferperformance auf
Variantenebene mit den Kunden abgestimmt. An-
hand von Reichweiten- und ABC-Analysen wurden
die Fertigwarenbestände drastisch reduziert und das
Lagersortiment durch den Abbau von „Langsamdre-
hern“ deutlich verkleinert. Durch die Überarbeitung
der internen Prozesse und Strukturen sowie dem
Stephan Kraus (Foto: argenus)
2WIRTSCHAFT REGIONAL 10/2009
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Aufb au eines neuen, IT-gestützten Auft ragsabwick-
lungsprozesses konnten somit in einem ersten Schritt
die internen Durchlaufzeiten um 35 Prozent und die
Bestände um 30 Prozent reduziert werden. Um jedoch
zu einer nachhaltigen und deutlichen Leistungsver-
besserung zu kommen, wurden im zweiten Schritt
die Kunden und Lieferanten noch stärker in den
Optimierungsprozess eingebunden: Vertriebsmitar-
beiter der Kunden wurden in den neuen Produkt-,
Preis- und Logistikstrukturen intensiv geschult, zu-
dem wurde für Großmengenauft räge eine separater
Planungs- und Abwicklungsprozess vereinbart, um
einen Aufb au der Bestände durch Nachfrageschwan-
kungen (sog. „Peitscheneff ekt“) zu vermeiden. Auf
der Beschaff ungsseite wurde ein umfangreiches Lie-
ferantenqualifi zierungsprogramm gestartet und der
Informationsfl uss - von der Entwicklung bis zur Se-
rienfertigung - deutlich verbessert.
Die lohnintensive Baugruppenmontage wurde auf
Teilefertiger in Übersee umgestellt, „fl iegende“ Qua-
litätsmanager kümmerten sich um die Qualitätssi-
cherung vor Ort und erläuterten die optimierte Pro-
duktstruktur.
Zuvor aufwändig manuell erstellte Aufmaßskizzen
konnten nun IT-gestützt erstellt und an die Liefe-
ranten übermitt elt werden. Last but not least wurden
die Materialplanungszyklen mit den Wiederbeschaf-
fungszeiten kritischer Bauteile synchronisiert und
rollierend mit den Teile- und Baugruppenlieferanten
abgestimmt.Das Ergebnis: der Lieferservice verbes-
serte sich binnen Jahresfrist von rd. 50 Prozent auf
über 90 Prozent pünktlich gelieferter Auft räge, die
Kundenreklamationen gingen um 80 Prozent zurück.
Die Lagerumschlagshäufi gkeit sowie die Produktivi-
tät entlang der gesamten Auft ragsabwicklung ver-
doppelten sich nahezu. Zugleich wurde ein interna-
tionales Liefernetzwerk entwickelt und qualifi ziert
und somit der Grundstein für weiteres Wachstum
gelegt.
Abb.: argenus