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44820.301.200.13/09 #477751V4 BKL/AHO Fallbeispiele WB-Veranstaltung Anstellungsrecht 28.10.2009 Weiterbildungsveranstaltung Anstellungsrecht 28.10.2009 Fallbeispiele Fall 1 Verwarnung / Verweis Eine Lehrkraft verletzt ihre Pflichten in klarer Art und Weise. Sie als verantwortliche(r) Schullei- ter(in) möchten entsprechend reagieren. Was ist der Unterschied zwischen einer Verwarnung und einem Verweis?

Fallbeispiele und Lösungen · Und das schweizerische Strafgesetzbuch: Art. 320 Ziffer 1 StGB (Verletzung des Amtsgeheimnisses) Wer ein Geheimnis offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft

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Weiterbildungsveranstaltung Anstellungsrecht 28.10.2009

Fallbeispiele Fall 1 Verwarnung / Verweis Eine Lehrkraft verletzt ihre Pflichten in klarer Art und Weise. Sie als verantwortliche(r) Schullei-ter(in) möchten entsprechend reagieren. Was ist der Unterschied zwischen einer Verwarnung und einem Verweis?

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Lösung zu Fall 1

a) Verwarnung b) Verweis c) Opportunitätsprinzip d) Verhältnismässigkeitsprinzip e) Nach Personalrecht

a) Verwarnung

Als vorgesetzte Stelle darf die Schulleitung in diesem Fall eine Verwarnung mündlich oder schriftlich aussprechen (als Ausfluss des Weisungsrechtes des Arbeitgebers).

Die Verwarnung ist im LAG nicht geregelt. Auch wenn sie von der betroffenen Lehrkraft als Disziplinierung empfunden wird, ist sie rechtlich gesehen keine Disziplinarmassnahme, er-geht nicht als Verfügung und ist auch nicht weiterziehbar. Aus Beweisgründen empfiehlt sich aber die Schriftlichkeit. Von Vorteil ist auch hier, dass die Lehrkraft unterzeichnet, dass sie von der Verwarnung Kenntnis genommen hat. Empfohlen wird, dass sie sich zudem ver-pflichtet, in Zukunft die Pflichten einzuhalten.

b) Verweis

Die Lehrkraft kann disziplinarisch, strafrechtlich (Delikte), aber auch vermögensrechtlich (schadenersatzpflichtig gg. Gemeinwesen im Regressfall) verantwortlich werden. Für die dis-ziplinarische Verantwortlichkeit genügt, dass eine Lehrkraft ihre Pflichten vorsätzlich oder fahrlässig verletzt oder durch ihr Verhalten Würde und Ansehen der Schule verletzt. Ein Ver-schulden ist nicht notwendig. Eine strafrechtliche Verurteilung kann die Wahl der Disziplinar-massnahme erleichtern, entbindet die Anstellungsbehörde aber nicht von der Durchführung eines Disziplinarverfahrens. Das Disziplinarrecht dient in erster Linie dazu, die Funktionstüch-tigkeit, die Vertrauenswürdigkeit und das Ansehen der Verwaltung zu erhalten oder wieder-herzustellen. Das LAG kennt als einzige Disziplinarmassnahme den schriftlichen Verweis nach Art. 23 Abs. 3 LAG. Der Verweis ist in Verfügungsform zu kleiden und hat zwingend schriftlich zu erfolgen. Das rechtliche Gehör muss vorgängig gewährt werden und die Rechtsmittelbelehrung gehört ebenfalls zwingend dazu.

c) Opportunitätsprinzip Im Disziplinarrecht gilt das Opportunitätsprinzip, d.h. die Disziplinarbehörde ist nicht verpflich-tet, jede Dienstpflichtverletzung zu disziplinieren. Sie hat nach den gesamten Umständen und nach pflichtgemässem Ermessen zu entscheiden, ob ein Disziplinarverfahren einzuleiten ist. Eine Behörde kann also auch eine Kündigung aussprechen, obwohl vorgängig weder eine Verwarnung noch ein Verweis ausgesprochen wurde.

d) Verhältnismässigkeitsprinzip

Schliesslich ist im Disziplinarrecht der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu wahren. Das heisst nach konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist eine Verwaltungsmassnahme verhältnismässig, wenn sie sich als zur Erreichung des im öffentlichen Interessen liegenden angestrebten Ziels als geeignet, erforderlich und verhältnismässig im engeren Sinne, d. h. als zumutbar, erweist (BGE 117 Ia 472, 483).

e) nach Personalgesetz (PG)

Das Personalgesetz kennt keine Disziplinarmassnahmen mehr. Auch hier kann aber die An-stellungsbehörde als Ausfluss ihres Weisungsrechts formlos verwarnen.

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Fall 2 Zahnarzttermin und Beleidigung Frau Müller ist Mitglied der Schulleitung und lädt alle neuen Lehrkräfte der Klasse 3e zu einer Klassenkonferenz ein. Die Konferenz befasst sich unter anderem mit den Hörproblemen eines Schülers. Eingeladen waren nebst den in dieser Klasse unterrichtenden Lehrkräften auch der Hörtherapeut des Schülers und seine Eltern. In der Schulleitersitzung teilt Ihnen Frau Müller mit, dass eine der neuen Lehrkräfte, nämlich Frau Sütterlin, nicht an der Klassenkonferenz teilnehmen werde. Sie habe einen Zahnarzttermin und wolle den nicht verschieben. Als zuständiger Rektor verlangen Sie von Frau Sütterlin die Teilnahme an der Konferenz oder eine Bestätigung des Arztes, dass dieser Termin nicht verschiebbar sei. Frau Sütterlin beruft sich Ihnen gegenüber auf Art. 35 Abs. 1 LAV, wonach bei einer Abwesenheit von mehr als fünf Tagen wegen Krankheit oder Unfall spätestens am fünften Tag ein Arztzeugnis notwendig sei. Deshalb müsse sie kein Arztzeugnis vorweisen. Gleichzeitig schreibt Frau Sütterlin Ihnen ein E-Mail, Sie seien ein „widerlicher Pedant“ und dass eine solche Schikane beim früheren Rektor nie vorgekommen wäre.“ Wie gehen Sie vor und welche Massnahmen sind zu treffen?

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Lösung zu Fall 2 Zahnarzttermin und Beleidigung – Klärung des rechtserheblichen Sachverhalts a) Zum Zahnarzttermin Vorweg ist der rechtserhebliche Sachverhalt zu klären, nämlich, ob der Besuch beim Zahnarzt verschiebbar ist oder nicht. Ist die Lehrkraft in einem Gespräch nicht zur Vernunft zu bringen, machen Sie sie auf die Folgen ihres Verhaltens aufmerksam. Zudem verfassen Sie ein Ge-sprächsprotokoll, das Sie der Lehrkraft zur Kenntnis zustellen und ins Personaldossier ablegen. Muss die Lehrkraft dringend zum Arzt, geht dieser Termin vor. Handelt es sich jedoch um einen Termin, der ohne weiteres hätte verschoben werden können, gehen die dienstlichen Pflichten vor. Die Pflichten der Lehrkraft lassen sich in drei Gruppen unterteilen:

- Unterricht - Pädagogische Aufgaben ausserhalb des Unterrichts - Organisatorische und administrative Arbeiten

Die Lehrkraft ist im Rahmen des Berufsauftrages zur Zusammenarbeit und Mitarbeit verpflichtet (Art. 17 Abs. 2 Bst. c LAG und Art. 57 Abs. 1 LAV). Es trifft zwar zu, dass ein Arztzeugnis erst nach 5 Tagen Krankheit vorgelegt werden muss. Doch geht es hier darum, von einer nicht ko-operativen Lehrkraft ein Beweismittel einzufordern. Verweigert Frau Sütterlin sowohl die Teilnahme an der Klassenkonferenz als auch die Beibrin-gung eines Arztzeugnisses, ist davon auszugehen, dass der Termin kein Notfalltermin war. Verletzt eine Lehrkraft vorsätzlich ihre Pflichten, so kann sie diszipliniert werden. In Frage kommt eine formlose Verwarnung oder ein Verweis nach Art. 23 Abs. 3 LAG. Welche Massnahme ergrif-fen wird, ist eine Frage der gesamten Umstände und der Verhältnismässigkeit. Vorliegend kommt schliesslich noch die Beleidigung im E-Mail dazu. b) Zum E-Mail Der rechtserhebliche Sachverhalt stellt hier keine Probleme. Den Beweis haben Sie schwarz auf weiss. Beleidigung oder Beschimpfung des Vorgesetzten ist fraglos ein pflichtwidriges Verhalten, wel-che das Arbeitsklima erheblich stört (Art. 25 Abs. 2 Bst. c PG). Solches Verhalten muss sanktio-niert werden. In Frage kommt auch hier ein schriftlicher Verweis oder sogar eine Kündigung nach Art. 10 Abs. 1 LAG. Vorliegend käme auch eine Strafanzeige wegen Beschimpfung (Art. 177 StGB) in Frage, wobei hier der Ausgang des Strafverfahrens keinen Einfluss auf das Disziplinar-verfahren hat. Das Resultat eines Strafverfahrens abzuwarten, macht etwa dort einen Sinn, wo die Beweislage unklar ist. Den Strafbehörden stehen bekanntlich weitergehende Beweisfüh-rungsmassnahmen zu. Auch ein Strafurteil entbindet Sie nicht davon, den Sachverhalt aus an-stellungsrechtlicher Sicht zu würdigen. Bleibt Frau Sütterlin der Klassenkonferenz unentschuldigt fern, nebst dem sie Sie beleidigt, ist ihr ein Kündigungsverfahren anzudrohen bzw. einzuleiten.

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Fall 3 Indiskretionen Frau Anne-Marie Wunderbar ist eine beliebte Lehrkraft und versteht sich gut mit ihren Lernen-den. Per Zufall erfahren Sie, dass Frau Wunderbar Feststellungen über Lernende anderer Klas-sen, welche an der Klassenkonferenz gemacht wurden, in ihrer eigenen Klasse ausplaudert. Sie erfahren dies jedoch über eine Informantin, welche um keinen Preis genannt werden möchte.. Sie laden Frau Wunderbar ein und werfen ihr die „Plaudereien“ vor. Frau Wunderbar reagiert höchst erzürnt und will unbedingt wissen, wer solches behauptet hat und bestreitet den Vorwurf. Wie gehen Sie vor? Welche Gesetzesbestimmungen sind verletzt?

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Lösungen zu Fall 3 Indiskretionen – Amtsgeheimnis – Beweisführung Feststellungen über andere Schüler, welche an der Klassenkonferenz gemacht wurden, sind Teil des Amtsgeheimnisses, soweit sie unter nachfolgende Definition des Geheimnisses fallen. Geheimnisse sind Tatsachen, die nur einem beschränkten Personenkreis bekannt sind und de-ren Geheimhaltung derjenige wünscht, den diese Tatsachen betreffen und der ein schutzwürdi-ges Interesse an ihrer Geheimhaltung hat (Günther Stratenwerth / Wolfgang Wohlers, Schweize-risches Strafgesetzbuch, Handkommentar, Bern 2007, N 2 zu Art. 320 StGB). Eine Lehrkraft ist gemäss Art. 58 PG verpflichtet, das Amtsgeheimnis zu wahren (subsidiäre Gel-tung des PG, wenn LAG nichts regelt). Die Lehrkräfte (und auch alle übrigen MA) sind verpflich-tet über die Angelegenheiten zu schweigen, die ihnen in ihrer dienstlichen Stellung zur Kenntnis gelangen und die ihrer Natur nach oder nach besonderer Vorschrift geheim zu halten sind.“ Art. 58 Abs. 1 PG (Amtsgeheimnis) Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind verpflichtet, über die Angelegenheiten zu schweigen, die ihnen in ihrer dienstlichen Stellung zu Kenntnis gelangen und die ihrer Natur nach oder nach besonderer Vorschrift geheim zu halten sind. Diese Verpflichtung bleibt auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen. Und das schweizerische Strafgesetzbuch: Art. 320 Ziffer 1 StGB (Verletzung des Amtsgeheimnisses) Wer ein Geheimnis offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied einer Behörde oder als Beamter anvertraut worden ist, oder das er in seiner amtlichen oder dienstlichen Stellung wahr-genommen hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu den drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Schulleitung muss dem Vorwurf nachgehen, obwohl der Informant nicht genannt sein will. Die Schulleitung hat zudem Grund, ihre Informationsquelle nicht bekanntzugeben, da solches nur zu vermehrten Konflikten führt. Anders wäre dies nur, wenn eine Person wider besseres Wissen Unwahrheiten über Lehrkräfte verbreitet. Dies wäre wiederum entsprechend zu sanktionieren mit einer Disziplinarmassnahme. Die beschuldigte Lehrkraft kann zudem Strafantrag stellen wegen Verleumdung gemäss Art.174 StGB. Ausnahme von der Schweigepflicht: Unter Geheimnisse fallen z.B. familieninterne Probleme, gesundheitliche Schwierigkeiten, Kündi-gungen gegenüber anderen Lehrkräften etc. Ausnahmen von der Schweigepflicht gibt es gemäss Art. 201 Gesetz über das bernische Straf-verfahren. Demzufolge sind Lehrkräfte verpflichtet, sich an die Untersuchungsbehörden zu wen-den, wenn ihnen in ihrer amtlichen Stellung konkrete Verdachtsgründe für ein von Amtes wegen zu verfolgendes Verbrechen bekannt wird. Von dieser Meldepflicht darf nur dann abgewichen werden, wenn eine Mitteilung dem Wohl des Lernenden widerspricht (Art. 57 BerG). Da Frau Wunderbar den Vorwurf bestreitet, müssen Sie darüber Beweis führen. Es stellt sich die Frage, ob Sie allenfalls Schülerinnen und Schüler zum Sachverhalt befragen wollen. Dies ist hei-kel, weil Sie diese in einen Loyalitätskonflikt bringen. Besser ist es durch geschickte Fragen an Frau Wunderbar, der Wahrheit auf die Spur zu kommen („Was würde die Klasse antworten, wenn ich ihr die gleiche Frage stellen würde?“). Wichtig ist auch, dass an die Beweisanforderun-gen bei der Sachverhaltsabklärung beim Disziplinarrecht nicht die gleich hohen Massstäbe ange-

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legt werden wie in einem Strafverfahren. Es genügt, wenn Ihnen aufgrund verschiedener Tatsa-chen, der Vorwurf als erwiesen erscheint. Eine Information an geeigneter Stelle über die Aspekte der Schweigepflicht würde wohl nicht schaden.

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Fall 4 Probezeit Herr Comperio tritt bei Ihnen am 1. März eine neue Stelle als Informatiker an.

a) Im Arbeitsvertrag haben Sie keine Dauer der Probezeit geregelt. Welche Dauer gilt?

b) Herr Comperio hat 3 Monate nach Stellenantritt im Juni einen Unfall. Sein Arztzeugnis at-testiert ihm eine Arbeitsunfähigkeit bis Ende September. Dann wird die Probezeit vorüber sein. Es ist Juni und Sie möchten die Leistungen von Herrn Comperio noch in der Probe-zeit gut überprüfen. Welche Möglichkeit haben Sie als Arbeitgeber?

c) Herr Comperio hat bereits zu Beginn der Probezeit ungenügende Leistungen gezeigt. Nun ist er krank als sie ihm während der Probezeit kündigen. Er beruft sich darauf, dass dies eine Kündigung zu Unzeit sei, da die Sperrfrist gelte. Stimmt das?

d) Zudem macht er geltend, der Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden, er sei vorgängig zur Kündigung nicht angehört worden.

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Lösung zu Fall 4 Probezeit

a) Dauer b) Verlängerung c) Sperrfristen d) Kündigungsverfahren während Probezeit

a) Wenn der Arbeitsvertrag keine Dauer der Probezeit nennt, dauert diese 6 Monate. Dies gilt sowohl für MA als auch für Lehrkräfte (Art. 11 LAV und Art. 22 PG). Eine Probezeit von mehr als 6 Monaten ist unstatthaft, sie kann aber wegen Abwesenheit des Mitarbei-tenden angemessen verlängert werden.

b) Wenn Herr Comperio in der Probezeit abwesend ist, kann die Anstellungsbehörde die Probezeit entsprechend verlängern, damit die Beurteilungszeit erhalten bleibt. Diese Möglichkeit gilt sowohl für MA als auch für Lehrkräfte (Art. 11 LAV und Art. 22 Abs. 4 PG). Die Verlängerung muss ausdrücklich angeordnet werden, erfolgt also nicht automatisch.

c) Die Sperrfrist wegen Krankheit gilt während der Probezeit nicht. Der Arbeitgeber kann al-so während der Probezeit einer Lehrkraft bzw. einem Mitarbeitenden, bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes auch während einer krankheitsbedingten Abwesenheit kündigen (Art. 1 Abs. 2 LAG und Art. 28 PG).

d) Auch bei einer Kündigung während der Probezeit sind die Verfahrensvorschriften einzu-halten. Es muss das rechtliche Gehör gewährt werden und die Kündigung muss begrün-det werden. Allenfalls muss die Probezeit verlängert werden, damit das rechtliche Gehör gewährt werden kann. Bei zu langer Abwesenheit kann auch eine schriftliche Anhörung gemacht werden.

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Fall 5 Was läuft hier falsch? Wie ist der Fall zu retten? Einschreiben Frau Muster 28. Oktober 2009 Vertraulich – Persönlich: Kündigung per 31. Juli 2010 Sehr geehrte Frau Muster Ende Januar 2009 haben wir Sie als Lehrerin Atelierunterricht Unterricht angestellt. Sie haben in der Folge die Verantwortung für die Ausbildung unserer Lernenden im dritten Lehrjahr übernom-men. Neben der eigentlichen Ausbildung sind im dritten Lehrjahr mit den Lernenden auch zahl-reiche Kundenaufträge zu erledigen. Nach Abschluss des vergangenen Schuljahres haben Ihre direkten Vorgesetzten eine Standort-bestimmung zu Ihrer Arbeit vorgenommen. Dabei kamen doch sehr gewichtige Mängel zum Vor-schein. Ihr direkter Vorgesetzter hat diese mit Ihnen am 7. Oktober 2009 besprochen. Vorbehalte bzw. Mängel bestehen in erster Linie in den nachstehenden Bereichen: – Ihre Kenntnisse der von uns eingesetzten Informatik-Anwendungen sind ungenügend. Na-

mentlich fehlen Kenntnisse der Branchensoftware. Das führt zu Problemen bei der Ausbil-dung, der Arbeitsplanung sowie bei den internen betrieblichen Abläufen. Wir gehen davon aus, dass es nicht realistisch ist, dass Sie diese Mängel neben allen anderen Aufgaben, wel-che an dieser Stelle zu erfüllen sind, innerhalb kurzer Zeit beheben können.

– Bei der Ausbildung der Lernenden stellen wir fest, dass die Arbeitsplanung ungenügend ist,

was zu unstrukturierter Arbeitsweise und zu Unruhe unter den Lernenden führt. – Kundenaufträge werden nicht fristgerecht abgeliefert (Beispiele x und y). Die Kunden wurden

nicht orientiert. – Im Team kommt es zu Spannungen wie Rückmeldungen der direkt betroffenen Kolleginnen

bestätigen. Die Summe der Probleme führen uns zum Schluss, dass sich bei einer Weiterführung der Anstel-lung die bestehenden Mängel kaum beheben lassen, und dass damit die Grundlagen für eine für beide Seiten erfolgreiche und zufrieden stellende Zusammenarbeit nicht gegeben sind. Deshalb kündigen wir Ihre Anstellung auf das Ende des laufenden Schuljahres.

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Grundsätzlich bedauern wir diesen Schritt. Unsere Kündigung erfolgt knapp nach Ablauf der Probezeit, die wohl vor allem wegen der Sommerferien nicht beachtet wurde. Wir sind uns be-wusst, dass diese Situation für Sie nicht einfach ist. Deshalb setzten wir den Kündigungstermin auch auf Ende des laufenden Schuljahres. Falls Sie dies wünschen, sind wir auch bereit, ihr Ar-beitsverhältnis auf ihren Wunsch hin in gegenseitiger Absprache zu einem früheren Zeitpunkt als dem 31. Juli 2010 zu beenden. Wir danken Ihnen bereits heute für die geleistete und noch zu leistende Arbeit an unserer Schu-le, bitten Sie um Verständnis für unsere Kündigung und wünschen Ihnen weiterhin privat und beruflich alles Gute. Freundliche Grüsse Der Direktor Kopie an: - Vorgesetzten Rechtsmittelbelehrung: Gegen diese Verfügung kann innert 30 Tagen seit ihrer Zustellung schriftlich und begründet bei der Erziehungsdirektion, Rechtsdienst, Sulgeneckstrasse 70, 3005 Bern, Beschwerde geführt werden.

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Lösung Fall 5 Was läuft hier falsch? Wie ist der Fall zu retten? Folgende Verfahrensfehler wurden gemacht: – Von Gesprächen mit Vorgesetzten wurde kein Protokoll erstellt.

– MA bestreitet, dass sie je mit Vorwürfen konfrontiert wurde. Es kann nicht nachgewiesen wer-

den, dass MA Gelegenheit zur Verbesserung gegeben wurde (Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers)

– Vor Ende Probezeit wurde kein Standortbestimmungsgespräch durchgeführt.

– MA wurde Kündigung wegen ungenügenden Leistungen nicht angedroht. Sie konnte sich nicht zu den Vorwürfen äussern (Verletzung des rechtlichen Gehörs)

– Rechtliche Bestimmungen fehlen.

Weiteres Vorgehen zur „Rettung“ des Falls: Probezeit zur erleichterten Kündigung wurde verpasst. Nun muss ordentliches Verfahren einge-leitet werden. Anstellungsbehörde muss MA und Vorgesetzte zum Gespräch einladen. MA wir mit ungenügenden Leistungen konfrontiert. MA muss Gelegenheit zur Verbesserung gegeben werden mit Zielvereinbarung. Weiteres Standortgespräch abmachen und je nach Resultat an-lässlich zweitem Gespräch – Kündigung androhen und rechtliches Gehör zur geplanten Massnahme gewähren oder – oder zur Tagesordnung übergehen.

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Fall 6 Abgrenzung Änderungskündigung / Dienstanordnung Ausschnitt aus der Anstellungsverfügung von Frau Zürcher: 45 Prozent als Gymnasiallehrerin für das Deutsch am Gymnasium A Frau Zürcher unterrichtet seit vielen Jahren am Gymnasium A. In der Zwischenzeit hat dieses fusioniert zum Gymnasium ABC. Nun sollte Frau Zürcher wegen Penseneinbussen an der Abtei-lung A ab nächstem Jahr an der Abteilung B unterrichten.

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Lösung zu Fall 6 Abgrenzung Änderungskündigung / Dienstanordnung – Kriterien – Folgen Abgrenzung Dienstbefehl zur Verfügung: beide sind Anordnungen einer Behörde im Einzelfall, einseitig, verbindlich und erfolgen gestützt auf öffentliches Recht. Der Unterschied liegt in der Qualität der bewirkten Rechtsbindungen. Auch ein Dienstbefehl zielt auf einen Rechtserfolg ab. Die Dienstanweisung erzielt diesen Erfolg aber nur im Verhältnis zu Organen oder Funktionären des Gemeinwesens, während die Verfügung Rechtsbindungen im Verhältnis Staat und Bürger schafft und insofern ein Rechtsverhältnis regelt. Die Unterscheidung ist oft schwierig. Massgebend ist, ob die Anweisung im konkreten Fall – die Rechte und Pflichten des Angestellten als Arbeitnehmer des Gemeinwesens regelt (Ver-

fügung) oder ob – lediglich Organisation und Ablauf der durch das Pflichtenheft bestimmten Verrichtungen in

Frage stehen (Dienstanweisung). Das Verwaltungsgericht hat sich hiezu wie folgt geäussert: “Nicht alle Handlungen, Äusserungen und Anordnungen von Verwaltungsbehörden, die dem Ge-setzesvollzug dienen, sind auch Verfügungen. Werden durch eine Anordnung oder einen Be-schluss einer Behörde keine individuellen Rechte oder Pflichten gestaltend oder feststellend ge-regelt bzw. werden keine Rechtsfolgen verbindlich festgelegt, mangelt es an einem wesentlichen Verfügungselement. Dies ist bei bereits rechtsgültig begründeten Rechtsverhältnissen (öffentlich-rechtlichen Anstellungs-, Anstaltsverhältnissen u. dgl.) namentlich bei innerdienstlichen Weisun-gen und organisatorischen Anordnungen regelmässig der Fall. Wenn eine vorgesetzte Behörde einer öffentlichrechtlich angestellten Person konkrete Anweisungen erteilt, wie die Amtsobliegen-heiten zu erfüllen sind, wird die Rechtsstellung des Dienstnehmers oder der Dienstnehmerin in der Regel nicht betroffen; derartige Anordnungen sind, wiewohl verbindlich und erzwingbar, kei-ne Verfügungen. Im öffentlichen Dienstrecht ist daher zu unterscheiden zwischen lediglich den Dienstbetrieb betreffenden Weisungen einerseits und Anordnungen andererseits, welche unmit-telbar die Ansprüche und Pflichten des oder der Bediensteten regeln; nur im zweiten Fall liegt eine Verfügung vor.(BVR 1996 170 E. 1) Ob die Lehrkraft an einem Gymnasium an der Abteilung A oder B Deutsch unterrichtet, berührt ihr Grundverhältnis zwischen Anstellungsbehörde und Lehrkraft nicht. Berührt wäre dieses, wenn die Abteilung B eine Fachmittelschule oder Handelsmittelschule wäre, da die Pflichtlektionenzahl variiert. Allenfalls stellt sich die Frage, ob das Grundverhältnis berührt wäre, wenn wegen der Fusion die Anstellungsbehörde geändert hätte und ihre Anstellungsverfügung damals unverän-dert blieb. Aber auch hier, geht die Praxis davon aus, dass die neue Behörde in die Rechte und Pflichten der bisherigen Behörde eingetreten ist und dies kein Grund für eine Änderungskündi-gung darstellt.

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Fall 7 Liebesverhältnis zu Schülerin Herr Känzig ist Lehrkraft an Ihrer Schule und hat ein Liebesverhältnis mit einer 17-jährigen Gym-nasiastin, welche bei ihm in der Klasse ist. Sie sprechen ihn darauf an. Er entgegnet Ihnen, er gebe nur alle 14 Tage Unterricht in der Klasse, in welcher seine Freundin sitze. Zudem habe er die Gymnasiastin ausserhalb des Schulbetriebes kennen gelernt. Die Beziehung werde nur aus-serhalb der Schule gelebt. Die Berührungspunkte würden sich auf den Unterricht in einem Ne-benfach beschränken und er habe seine Freundin nie in einem Promotionsfach unterrichtet. Die Gefahr einer Ungleichbehandlung oder des Machtmissbrauchs habe nie bestanden. Die Gymna-siastin und nicht er hätten die Initiative zur Freundschaft ergriffen. Zudem befände sie sich ja gar nicht mehr im Schutzalter und es liege auch kein Straftatbestand vor, weil die Freundin in keiner Weise von ihm abhängig sei. a) Welche Argumente führen Sie ins Feld und welche Massnahmen kommen in Frage? b) Wie begründen Sie die getroffene Massnahme?

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Lösung zu Fall 7 Liebesverhältnis zu Schülerin – Verhältnismässigkeit der Massnahme (Art. 5 Abs. 2 BV) – Wichtige Gründe für fristlose Entlassung – Bedeutung der Treuepflicht (Art. 55 PG) a) Welche Argumente führen Sie ins Feld und welche Massnahmen kommen in Frage? Der rechtserhebliche Sachverhalt ist unbestritten: Herr Känzig bestätigt sein Liebesverhältnis zu einer seiner 17-jährigen Schülerinnen, hat es offenbar auch nicht verheimlicht und findet es un-problematisch, ist also auch nicht bereit, es abzubrechen. Sie hingegen sind der Meinung, Herr Känzig habe in schwer wiegender Weise gegen seine Dienstpflichten verstossen und das Vertrauensverhältnis zu Ihnen als vorgesetzte Behörde ge-stört. Mit seinem Liebesverhältnis zu seiner abhängigen, minderjährigen Schülerin missachte er die von einem Lehrer geforderte Distanz zu seinen Lernenden in gravierender Weise. Sie werfen ihm auch vor, dass er die Schulleitung nicht von sich aus über den Sachverhalt informiert habe. Damit habe er kein Problembewusstsein gezeigt und das in ihn gesetzte Vertrauen der Anstel-lungsbehörde missachtet. Es gehöre zum Teil des Berufsauftrages einer Lehrkraft, alle Schüle-rinnen und Schüler gleich zu behandeln und keine sexuellen Beziehungen mit einer Schülerin oder einem Schüler einzugehen. Es spielt dabei keine Rolle, ob im konkreten Fall wirklich ein Abhängigkeitsverhältnis bestehe oder nicht. Denn ein solches Verhalten widerspreche den pä-dagogischen Grundsätzen und sei im hohen Mass unprofessionell. Und weiter: Zwischen einem Lehrer und seiner minderjährigen Schülerin bestehe - unge-achtet einer Auslegung im strafrechtlichen Sinne - ein Abhängigkeitsverhältnis. Gegenüber ihren Kolleginnen und Kollegen stehe sie in einem "bevorzugten Verhältnis" zur Lehrkraft, mit der sie ein Liebesverhältnis eingegangen sei. Wenn einzelne Lehrerinnen und Lehrer Liebesverbindungen zu Schülerinnen und Schülern eingingen, sei deshalb ein normaler Schulbetrieb nicht mehr denkbar. Die Schulleitung verstehe unter "abhängiger Schülerin", dass ein Erziehungsverhältnis vorliege. Lehrer hätten Vorbildfunktion über den Rahmen des Unterrichts hinaus. Die Regel 10 der Standesregeln des Dachverbandes der Schwei-zer Lehrerinnen und Lehrer besagt, dass sexuelle Handlungen mit Schülerinnen und Schülern selbst dann strengstens verboten sind, wenn dazu von Seiten der Kinder oder Jugendlichen eine Bereitschaft oder gar der Wunsch vorhanden ist oder scheint. Dies gilt auch bei Lernenden über dem gesetzlichen Schutzalter, wenn die pädagogische Bezie-hung durch eine Abhängigkeit der Lernenden und den Reife- bzw. Urteilsvorsprung der Lehrperson charakterisiert ist. b) Wie begründen Sie die getroffene Massnahme? Die gewählt Massnahme muss verhältnismässig sein. Nach konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist eine Verwaltungsmassnahme verhältnismässig, wenn sie sich als zur Errei-chung des im öffentlichen Interessen liegenden angestrebten Ziels als geeignet, erforderlich und verhältnismässig im engeren Sinne, d. h. als zumutbar, erweist. Der Nachweis von triftigen Gründen alleine genügt nicht für eine Kündigung. Sie muss auch dem Verhältnismässigkeitsprin-zip standhalten. Demnach muss die Kündigung – erstens ein geeignetes Mittel zur Problemlösung sein und – zweitens in dem Sinne erforderlich sein, dass nicht weniger einschneidende Massnahmen

wie eine Verwarnung oder ein Verweis ebenfalls zum Ziel führen würden. – Drittens schliesslich muss eine Abwägung der gegenseitigen Interessen die Kündigung als

gerechtfertigt bzw. zumutbar erscheinen lassen.

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Sie haben folgende Möglichkeiten zu reagieren: • Verweis (Art. 23 Abs. 3 LAG) • ordentliche Kündigung (Art. 10 Abs. 1 LAG i. V. mit Art. 25 Abs. 2 PG) • fristlose Kündigung (Art. 1 Abs. 2 LAG i. V. Art. 26 PG) • Verweis

Sie sind der Meinung, eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses komme nicht in Frage, da die Lehrkraft uneinsichtig sei und ihr Verhalten explizit nicht ändern wolle. Zudem erachten Sie einen Verweis als der Tragweite des Verhaltens der Lehrkraft als nicht angemessen. Sie wollen das Anstellungsverhältnis auflösen.

• ordentliche Kündigung

Ein Liebesverhältnis zwischen einer Lehrkraft und einer Schülerin oder einem Schüler ist aus Ihrer Sicht nicht tolerierbar. Sie sind auch nicht bereit, dies auch nur für eine weitere be-schränkte Zeit an Ihrer Schule zu dulden.

• fristlose Kündigung

Aus Ihrer Sicht lässt sich der geordnete Schulbetrieb nur mit sofortiger Auflösung des Anstel-lungsverhältnisses wieder herstellen. Für die fristlose Auflösung müssen nach Art. 26 PG wichtige Gründe vorliegen. Als solche gelten namentlich Umstände, die den Beteiligten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann.

Die Erziehungsdirektion hat die fristlose Kündigung in vorliegendem Fall als rechtmässig beur-teilt. Nachfolgend zitieren wir aus diesem Urteil: Das Verwaltungsgericht hat sich zum Begriff der wichtigen Gründe wie folgt geäussert: Nach der höchstrichterlichen und der verwaltungsgerichtlichen Praxis zu Art. 337 des Schweizerischen Obligationenrechts vom 31. März 1911 (OR; SR 220) bzw. Art. 22 Abs. 4 aPG ist eine fristlose Entlassung nur bei besonders schweren Verfehlungen gerechtfertigt, welche einerseits objektiv geeignet sind, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrau-ensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tief gehend zu erschüttern, dass die Fort-setzung des Arbeitsverhältnisses auch bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar ist, und die andererseits auch tatsächlich zu einer derartigen Zerstö-rung oder Erschütterung des gegenseitigen Vertrauens geführt haben. Ob die vorgeworfe-ne Verfehlung die erforderliche Schwere erreicht, entscheidet sich nicht allgemein, son-dern hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere von der Stellung und Verantwortung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers (..). Ein strengerer Massstab an die Integrität als bei manchen anderen Personen, die im Dienst des Gemeinwesens tätig sind, ist bei Personen mit Beispielfunktion anzulegen, so etwa bei Lehrkräften (BVR 2006 S. 99). Ein wichtiger Grund kann beispielsweise vorliegen bei Straftaten zum Nach-teil der anderen Partei (wie Unterschlagungen, Tätlichkeiten, grobe Beleidigungen, An-nahme von Bestechungsgeldern) und bei Vertrauensmissbrauch. Bei Straftaten der arbeit-nehmenden Person zum Nachteil des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin wird die Vor-aussetzung der Unzumutbarkeit im Allgemeinen ohne weiteres bejaht. Sind die Verfehlun-gen weniger schwer wiegend, so müssen sie trotz Verwarnung wiederholt vorgekommen sein. Sie machen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in der Regel erst unzumutbar, wenn sie trotz Verwarnung wiederholt vorgekommen sind; vor der Verwarnung wird im Allgemeinen angenommen, das Vertrauensverhältnis sei nur gestört und die Verwarnung werde die arbeitnehmende Person von weiteren Pflichtverletzungen abhalten (..). Das Verwaltungsgericht stellte wiederholt darauf ab, ob ein Verhalten einer angestellten Person schwer zu kontrollieren ist (..). Bisherige gute Leistungen vermögen ein schweres Fehlver-halten nicht zu rechtfertigen. Auch wenn Angestellte während Jahrzehnten tadellos gear-beitet haben, kann eine einmalige Verfehlung das Vertrauensverhältnis zerstören (BVR

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2007 S. 27). Auch ausserdienstliches Verhalten kann ein Kündigungsgrund sein. Private Verhaltensweisen, welche die Vertrauenswürdigkeit beeinträchtigen, können eine Kündi-gung rechtfertigen (BVR 2006 S. 102 f.). Die ERZ kam zu folgendem Entscheid: Ausgangspunkt ist die Stellung des Beschwerdeführers als Lehrkraft, welche ihm Beispiel-funktion zukommen lässt. Es ist deshalb ein strenger Massstab an seine Integrität zu le-gen. Als Lehrer von teilweise unmündigen Jugendlichen an einer öffentlichen Schule dür-fen an ihn höhere Anforderungen gestellt werden als an einen Gymnastiklehrer eines Fit-nessstudios (vgl. den unter Ziffer 2.2.1 erwähnten Entscheid, welcher zur fristlosen Kündi-gung führte). Dazu kommt, dass die Gesetzgebung nicht nur dem Schutz der Schülerinnen und Schüler sondern auch demjenigen des Ansehens der öffentlichen Schule in der Öffentlichkeit ho-hes Gewicht beimisst (Art. 10 Abs. 4 LAG [Einstellung im Amt, wenn dies das Wohl der Schule verlangt] sowie Art. 23 Abs. 3 LAG [Disziplinarmassnahme bei einer Gefährdung von Würde und Ansehen der Schule]). Auch wenn nicht jede Beziehung zwischen Lehrer und Schülerin strafbar ist, bietet die Schule – auch auf der Sekundarstufe II – grundsätzlich keinen Raum für Beziehungen zwischen Lehrkörper und Schülerschaft. Bei Beziehungen zwischen Lehrer und (unmündi-ger) Schülerin handelt es sich um ein in der Öffentlichkeit als äusserst sensibel wahrge-nommenes Thema. Diese Öffentlichkeit wird primär wahrnehmen, dass ein Lehrer mit sei-ner (unmündigen) Schülerin eine Beziehung eingegangen ist und nicht differenzieren, in welchem Fach der Lehrer seine Freundin unterrichtet. Insofern hilft dem Beschwerdeführer nicht, dass er seine anfänglich 16- und inzwischen 17-jährige Schülerin nur alle zwei Wo-chen in Informatik unterrichtet. Eine Beziehung zwischen einem Lehrer und seiner (un-mündigen) Schülerin schadet dem Ansehen der Schule vor diesem Hintergrund, selbst wenn die Bekanntschaft ausserhalb des Schulbetriebs entstand, sich auch in der Freizeit zur Beziehung entwickelte und nur ausserhalb des Schulbetriebs gelebt wird. Auch nach Angaben des Beschwerdeführers ist denn auch die Beziehung zwischen seiner Freundin und ihm im Schüler- und Lehrerkreis bekannt und zu einem Thema geworden. Für die Treuepflicht der Lehrkraft gilt Art. 55 ff. PG. Art. 55 PG umschreibt die Treue-pflicht in Anlehnung an Art. 321a Abs. 1 OR. Die Aufzählung der Pflichten ist nicht voll-ständig. Verschiedene Pflichten, wie z. B. die Pflicht zur Befolgung von Weisungen der Vorgesetzten, sind Ausfluss der allgemeinen Treuepflicht nach Art. 55 PG, ohne im Gesetz explizit erwähnt zu werden. Zur Treuepflicht gehören auch Aufklärungs- und Mitteilungs-pflicht. Auch wenn das Eingehen einer Beziehung mit seiner Schülerin vorliegend straf-rechtlich nicht relevant ist, musste dem Beschwerdeführer bewusst sein, dass sein Verhal-ten geeignet ist, dem Ansehen der Schule zu schaden. Dies ist selbst der Fall, wenn kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Schülerin und Beschwerdeführer besteht. Die Treue-pflicht verlangt vom Beschwerdeführer, dass er seine Anstellungsbehörde von sich aus auf seine Beziehung zu seiner Schülerin aufmerksam macht. Es ist nicht erforderlich, dass diese Mitteilungspflicht ausdrücklich in einem Gesetz oder Schulkodex festgehalten ist. Dass der Beschwerdeführer die Problematik nicht mit seiner Anstellungsbehörde themati-siert hat, zeigt, dass es ihm an der nötigen Sensibilität mangelte. Nicht entscheidend ist, ob der Unterricht als solcher durch das Verhalten des Beschwerdeführers gestört wurde. Sein Verhalten ist aus pädagogischer Sicht als äusserst unprofessionell zu werten. Indem der Beschwerdeführer dem Ansehen des Gymnasiums geschadet und auch die aus der Treuepflicht fliessende Mitteilungspflicht gegenüber dem Rektorat verletzt hat, kann der Schule die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit ihm nicht mehr zugemutet wer-den. Dass seine Leistungen als Lehrer und Kollege gut waren, vermag daran nichts zu ändern. Dies gilt umso mehr, als der Beschwerdeführer nur ein Jahr am Gymnasium an-gestellt war. Das Verhalten des Beschwerdeführers stellt einen wichtigen Grund dar.

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Und schliesslich: Die fristlose Kündigung ist verhältnismässig, da sie geeignet ist, das geschädigte Ansehen der Schule wiederherzustellen. Ein Verweis hätte den Ruf der Schule nicht gerettet und bei einer ordentlichen Entlassung hätte die Lehrkraft noch monatelang Unterricht an der Schule erteilt. Die Schule aber musste zeigen, dass sie handelt und Beziehungen zwischen Lehrkörper und unmündigen Schülerinnen und Schülern nicht akzeptiert.

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Fall 8 Vorfälle während der laufenden Kündigungsfrist Herr Castro, dem bereits gekündigt wurde, ergreift an der Lehrerkonferenz die Parole und be-klagt sich über die Art und Weise seiner Kündigung. Er stellt die Schulleitung sehr negativ dar. Die anwesenden Lehrkräfte hören die Kritik. Am anschliessenden Apéro nehmen nicht alle teil und etliche Lehrkräfte solidarisieren sich offensichtlich mit der opponierenden Lehrkraft. Der Schulleiter ist erzürnt und möchte den Lehrer am liebsten sofort los haben bzw. freistellen. Welche Massnahmen kommen in Frage?

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Lösung zu Fall 8 Vorfälle während der laufenden Kündigungsfrist Die Lehrkraft, Herr Castro, dem bereits gekündigt worden ist, beklagt sich an der Lehrerkonfe-renz über die Art und Weise seiner Kündigung und stellt die Schulleitung sehr negativ darf. Herr Castro bestreitet sein Verhalten nicht. Durch sein unloyales Verhalten hat Herr Castro gegen die ihm obliegende Treuepflicht verstos-sen. Da bereits ordentlich gekündigt wurde, stehen folgende Massnahmen zur Diskussion: • Fristlose Entlassung (Art. 1 Abs. 2 LAG i. V. mit Art. 26 PG) • Freistellung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (Art. 1 Abs. 2 LAG i. V. Art. 25 Abs. 3 PG) • Disziplinarische Massnahme (Verweis) (Art. 23 Abs. 3 LAG) • Zur fristlosen Entlassung

Das Bundesgericht hat festgehalten, dass die Hürde für eine fristlose Entlassung höher ist, wo bereits eine ordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Dies deshalb, weil der Arbeit-geber ja damit rechnen kann, dass das Arbeitsverhältnis sowieso bald zu Ende geht.

Beschimpfungen und Beleidigungen können Grund für eine fristlose Entlassung sein, doch muss einer aussergewöhnlichen Situation Rechnung getragen werden, in welcher sich der Arbeitnehmer in einer „verständlichen Erregung“ befunden hat. So hat das Bundesgericht die fristlose Entlassung einer Frau nicht geschützt, welche die Vorgesetzte mit „Arschloch“ beti-telt und sie sogar gebissen hatte, weil die Arbeitnehmerin sehr erregt gewesen war und die Vorgesetzte diese Situation mitverschuldet hatte (4C.400/2005, Urteil Bundesgericht vom 24.3.2006).

Wegen der höheren Hürde an die Voraussetzungen einer fristlosen Entlassung bei bereits ordentlich gekündigtem Anstellungsverhältnis wäre eine fristlose Entlassung unverhältnis-mässig und kommt hier nicht in Frage.

• Zur Freistellung

Nach Art. 25 Abs. 3 PG kann die Anstellungsbehörde eine in gekündigtem Arbeitsverhältnis stehende Person freistellen, wenn es im öffentlichen Interesse liegt. Diese Freistellung gilt auch für Lehrkräfte (Art. 1 Abs. 2 LAG i. V. mit Art. 25 PG). Mit der Freistellung entbindet die Anstellungsbehörde die Lehrkraft ab der Kündigung oder ab einem späteren Zeitpunkt ganz oder teilweise von der Erfüllung der Arbeitsleistung. Allfällige Ferienguthaben und andere Zeitguthaben werden abgegolten, soweit sie zusammengezählt die Dauer der Freistellung nicht überschreiten (Art. 29 Abs. 2 PV). Nebst dem Lohn fallen zu-sätzlich die Kosten für die Stellvertretung an. Somit versteht sich von selbst, dass hohe An-forderungen an die Ergreifung dieser Massnahme gestellt werden müssen. Eine Freistellung liegt im öffentlichen Interessen, wenn ohne diese Massnahme das Wohl der Schülerinnen und Schüler oder Schule gefährdet ist. Der Vorfall an der Lehrerkonferenz ist ärgerlich und die Schulleitung ist zu Recht erzürnt. Ei-ne Freistellung vermag er aber nicht zu rechtfertigen, weil er die Schule bislang nur im „In-nenverhältnis“ berührt.

• Zur disziplinarischen Massnahme (Verweis) Allenfalls wäre die Erteilung eines Verweises zu prüfen, um die Lehrkraft zur Vernunft zu bringen und zu verwarnen, dass ein weiterer Vorfall auch eine fristlose Entlassung nach sich ziehen könnte.

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Fall 9 Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration Frau Bader ist an Ihrer Schule angestellt und erteilt seit Jahren guten Unterricht. Im Oktober 2007 hat sie an einer unbewilligten Demonstration teilgenommen, an welcher es zu Gewaltan-wendungen gegen Personen und zu Sachbeschädigung kam. Wenige Tage später wurde Frau Bader von der Schulleitung zu einem Gespräch eingeladen. Frau Bader gab zu, an der Demonst-ration teilgenommen zu haben und erläuterte der Schulleitung ihre Motive. Im Gespräch legt ihr der Schulleiter dar, dass er ein solches Verhalten einer Lehrkraft in der Öffentlichkeit nicht tole-rieren wolle. Er stellte klar, dass eine nochmalige Teilnahme an einer unbewilligten Demonstrati-on Folgen für Frau Bader haben würde. Im Januar 2008 nahm Frau Bader erneut an einer unbewilligten Demonstration teil. Hierauf er-hielt sie von der Schulleitung im April 2008 einen schriftlichen Verweis. Im Oktober 2008 wurde Frau Bader vom Strafeinzelrichter wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte, begangen im März 2007, und wegen Landfriedensbruch und Nötigung, begangen im Oktober 2007, schuldig erklärt und verurteilt. Hierauf kündigte ihr die Schulleitung das Anstellungsverhältnis im Oktober 2008 auf Ende Januar 2009.

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Lösung zu Fall 9 Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration – Triftige Gründe für eine Kündigung – Ausserdienstliche Gründe für eine Kündigung – Nachschieben von Kündigungsgründen Frau Bader wurde nach Teilnahme an einer unbewilligten Demo verwarnt und nach einer weite-ren Teilnahme wurde ihr ein Verweis erteilt. Die Teilnahme an der letzten Demo hatte dann ein halbes Jahr später weitere Konsequenzen: nämlich die strafrechtliche Verurteilung wegen Ge-walt und Drohung gegen Beamte, Landfriedensbruch und Nötigung. Sie war nicht bereit, sich öffentlich von der Gewaltanwendung zu distanzieren. Als Folge wurde ihr die Stelle ordentlich gekündigt. Es stellt sich die Frage, ob ein Kündigungsgrund vorliegt, weil er ausschliesslich im ausserdienst-lichen Verhalten von Frau Bader liegt. Nachfolgend zitieren wir aus dem Entscheid der ERZ: Allgemein umschrieben ist eine Kündigung dann sachlich begründet, wenn die Weiter-beschäftigung der betreffenden Person dem öffentlichen Interesse widerspricht, insbeson-dere demjenigen an einer gut funktionierenden Verwaltung. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist stets auf Grund der gesamten Umstände zu entscheiden (...). Bei der Beur-teilung des Verhaltens von Betroffenen steht der Wahlbehörde ein gewisses Ermessen zu, weil sie den Verhältnissen näher steht als das Gericht (...). Ein Verschulden muss der be-troffenen Person nicht nachgewiesen werden, kann aber bei der Gewichtung der Kündi-gungsgründe mitberücksichtigt werden (...). Die Arbeitnehmenden haben die Pflicht, die Interessen des Arbeitgebers zu wahren, indem sie namentlich alles unterlassen, was des-sen Interessen schaden könnte. Sie müssen die Autorität und Integrität des Kantons als Arbeitgeber wahren und sollen die eigenen Interessen gegenüber gewichtigen öffentlichen Interessen unterordnen. Im Rahmen ihrer Treuepflicht müssen sie auch gewisse Be-schränkungen in den Freiheitsrechten hinnehmen, soweit dies durch das Interesse an ei-nem geordneten Verwaltungsbetrieb gerechtfertigt ist (...). Auch ausserdienstliches Verhalten kann ein Kündigungsgrund sein. Private Verhal-tensweisen, welche die Vertrauenswürdigkeit beeinträchtigen, können eine Kündigung rechtfertigen. Ein strengerer Massstab an die Integrität als bei manchen anderen Perso-nen, die im Dienst des Gemeinwesens tätig sind, ist anzulegen bei Personen, denen Bei-spielfunktion zukommt, wie Lehrkräften (...). Auch rein ausserdienstliches Verhalten eines Staatsangestellten kann bei entsprechender Schwere Grund für eine Entlassung sein. Da es sich beim öffentlichen Dienstrecht um ein Sonderstatusverhältnis handelt, ist die Treue-pflicht hier tendenziell höher als im privaten Arbeitsrecht. Das Mass der Treuepflicht hängt von der Stellung der Mitarbeitenden im Betrieb ab. Für eine Treuepflichtverletzung genügt schon das Risiko einer Rufschädigung des Arbeitgebers (...). In BVR 1999 S. 433 ff. hat das Verwaltungsgericht eine Kündigung gegenüber einem Lehrer als rechtens beurteilt. Dem Urteil lag folgende Situation zu Grunde: Ein Hobby des Lehrers waren Waffen. Diese lagerte er auch in den Schulräumen. Am 19. Januar 1994 erteilte ihm die Schulkommissi-on im Zusammenhang mit seiner Waffensammeltätigkeit einen Verweis. Am 21. April 1998 erfolgte die Kündigung - zwei Monate nachdem der Lehrer wegen illegaler Einfuhr von Waffen nach Deutschland verhaftet worden war. Am 19. März 1999 wurde der Lehrer der illegalen Einfuhr zahlreicher Waffen schuldig gesprochen und zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Im Zeitpunkt des Entscheids des Verwaltungsge-richts war ein Rekurs gegen das Strafurteil hängig. Das Verwaltungsgericht führte aus, die blosse Eröffnung eines Strafverfahrens gebe wohl in der Regel noch keinen sachlichen Grund für die Auflösung eines langjährigen Arbeitsverhältnisses ab. Ein solcher Grund liege umso eher vor, je mehr sich ein blosser Verdacht darauf, die betreffende Person ha-be sich strafbar gemacht oder zumindest ein die Vertrauenswürdigkeit herabsetzendes Verhalten an den Tag gelegt, zur Gewissheit verdichtet (...). Lehrkräfte könnten ihren Er-ziehungsauftrag nur dann glaubwürdig erfüllen, wenn sie selbst ein in jeder Hinsicht unbe-

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fangenes Verhältnis zur Gewalt und zu deren Ausdrucksmitteln hätten (...). Bisherige gute Leistungen vermögen ein schweres Fehlverhalten nicht zu rechtfertigen. Auch wenn An-gestellte während Jahrzehnten tadellos gearbeitet haben, kann eine einmalige Verfehlung das Vertrauensverhältnis zerstören (...). Bei der ordentlichen Auflösung eines öffentlichrechtlichen Arbeitsverhältnisses müssen die Kündigungsgründe grundsätzlich im Zeitpunkt der Entlassung vorliegen. Eine ohne sachli-che Gründe ausgesprochene Kündigung kann in der Regel nicht durch das Nachschieben von Kündigungsgründen, die sich erst nach der Entlassung zugetragen haben, geheilt werden. Hingegen ist es zulässig und geboten, nachträgliche Vorkommnisse zu berück-sichtigen, mit denen bereits im Entlassungszeitpunkt vorhandene Kündigungsgründe un-termauert und erhärtet werden. Ebenso ist es statthaft, die Kündigung nachträglich mit Tatsachen zu begründen, welche im Entlassungszeitpunkt zwar bestanden haben, der kündigenden Partei jedoch nicht bekannt gewesen sind und auch nicht haben bekannt sein können (BVR 1999 S. 438). Zusammenfassend zu ausserdienstlichen Kündigungsgründen: Auch ausserdienstliches Verhalten kann zur Kündigung führen. Da es sich beim öffentlichen Dienstrecht um ein Sonderstatusverhältnis handelt, ist die Treuepflicht tendenziell höher zu wer-ten als im privaten Arbeitsrecht. Die Lehrkraft darf und soll sich politisch betätigen und ihre politi-schen Rechte wahrnehmen. Es gibt jedoch auch Grenzen dieser Freiheit. So ist z.B. eine Mit-gliedschaft in einer Vereinigung unzulässig, wenn die Vereinigung rechtswidrige Handlungen begeht oder die verfassungsmässigen Grundrechte abschaffen möchte. Eine Schule muss es nicht hinnehmen, dass eine Lehrkraft inner- oder ausserhalb der Schule Ideen vertritt, die sich mit den Grundauffassungen des Gemeinwesens nicht vereinbaren lassen (Herbert Plotke, Schweiz. Schulrecht, 2. Auflage, Seite 574f.). In einem weiteren Entscheid hat das Verwaltungsgericht Folgendes festgehalten. Mit der Anstel-lung beim Kanton übernehmen die Mitarbeitenden eine Reihe von Rechten und Pflichten. Im Zentrum steht die allgemeine Treupflicht nach Art, 55 PG, wonach die Interessen des Arbeitge-bers zu wahren und die Aufgaben gegenüber der Bevölkerung und dem Arbeitsgeber rechtmäs-sig, gewissenhaft, wirtschaftlich und initiativ zu erfüllen sind. Die Treuepflicht beinhaltet eine – auch ausserdienstliche – Pflicht zur Zurückhaltung mit Meinungsäusserungen, Handlungen und Verhaltensweisen, welche dem Ansehen des Gemeinwesens schädlich sein könnten. Die Mei-nungsäusserungsfreiheit, verfassungsrechtlich garantiert in Art. 16 BV und in Art.17 KV findet dort ihre Grenzen, wo das Verhalten der Bediensteten die Amtsführungen und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung beeinträchtigt. Der psychiatriekritische Zeitungsbeitrag des Be-schwerdeführers bezog sich nicht auf die konkreten Verhältnisse im PZM, sondern in der Psychi-atrie schlechthin. Die Publikation kann, wenn überhaupt, nur als leichte Treuwidrigkeit eingestuft werden, die für sich allein keinen triftigen Grund im Sinn von Art. 25 Abs. 2 PG abzugeben und die Auflösung des Anstellungsverhältnisses zu rechtfertigen vermöchte. Doch durfte sich das PZM zur Erörterung der Publikation und des weiteren Vorgehens mit dem Beschwerdeführer veranlasst sehen, sein Verhalten beanstanden und im Gespräch vom 11. Juli 2007 Abmachun-gen über die künftige Erledigung der ihm übertragenen Aufgaben treffen.

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Fall 10 Konflikt unter Mitarbeitenden (Fürsorgepflicht der vorgesetzten Behörde) Frau Habegger arbeitet als Rektoratssekretärin und hat seit einiger Zeit Streit mit ihrer jüngeren Arbeitskollegin. Als Rektor(in) kümmern Sie sich wenig um den Konflikt der beiden und beharren auf der täglichen Pflichterfüllung. Da der Konflikt die Bürosituation belastet, kündigen Sie der jüngeren Arbeitskollegin. Sie sind der Meinung, richtig gehandelt zu haben, zumal der Konflikt mit Ihnen nichts zu tun hat und Sie der Meinung sind, die jüngere Arbeitnehmerin könne eher eine neue Stelle suchen. Haben Sie richtig gehandelt?

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Lösung zu Fall 10 Konflikt unter Mitarbeitenden – Inhalt der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

(Gegenstück zur Treuepflicht des Arbeitnehmers) Der Arbeitgeber ist aufgrund der Fürsorgepflicht zum Schutz der Persönlichkeit seiner Mitarbei-tenden verpflichtet. Gemäss Bundesgericht muss er deshalb bei einer Störung des Arbeitsklimas alle ihm zumutbaren Massnahmen einleiten, um die Lage zu entschärfen. Falls er sich nicht oder nur ungenügend um die Lösung eines Konflikts zwischen seinen Angestellten bemüht, verletzt er seine Fürsorgepflicht. Der Arbeitgeber kann seine Kündigung nicht alleine damit begründen, der Konflikt sei für das Arbeitsklima im Betrieb schädlich. Zwei neue Bundesgerichtsentscheide zeigen, was von einem Arbeitgeber in Konfliktsituationen erwartet wird. Ein Spital verletzte seine Fürsorgepflicht, als es zur Lösung des Konflikts zwischen einer Pflege-dienstleiterin und ihrer Assistentin nur eine einzige Aussprache durchführte, bevor es der Assis-tentin kündigte. Die Aussprache fand zudem erst sieben Monate später statt, nachdem die Spital-leitung den Konflikt erstmals bemerkt hatte (BGE 1 C-354/2008 vom 9.6.09). Kein Vorwurf brauchte sich hingegen ein technischer Betrieb gefallen zu lassen, der zwei mitein-ander über Jahre in Konflikt stehende Laborangestellte schliesslich doch entliess. Zur vorgängi-gen, letztlich erfolglosen Konfliktlösung zog der Arbeitgeber zweimal eine externe Beratungsun-ternehmung für ein Teamcoaching bei. Zudem führte er während Monaten regelmässig Gesprä-che in der Gruppe durch, der die MA angehörten, zog eine Beratungsstelle bei und unterbreitete den Kontrahenten Vorschläge für die Streitbeilegung (BGE 1 C-245/2008 vom 2.3.09). Ganz generell wird die Fürsorgepflicht wie folgt umschrieben: Der Arbeitgeber hat die Pflicht, „die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schüt-zen, auf dessen Gesundheit gebührend Rücksicht zu nehmen und für die Wahrung der Sittlich-keit zu sorgen“ (Art. 328 OR). Art. 4 Bst. g PG verlangt, dass der Kanton Vorkehren trifft zum Schutz der persönlichen Integrität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Pflichten des privat-rechtlichen Arbeitgebers gelten nach allgemeiner Auffassung auch für die Angestellten des Kan-tons und der Gemeinden. Der Arbeitgeber muss somit alle nicht durch den Arbeitsvertrag ge-rechtfertigten Eingriffe in die Persönlichkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterlas-sen, und muss zudem seine Angestellten am Arbeitsplatz vor Persönlichkeitsverletzungen durch Dritte schützen. Er darf z. B. Mobbing nicht dulden. Die Kündigung wegen eines zerrütteten Vertrauensverhältnisses setzt voraus, dass sich auch die Vorgesetzten im Rahmen des Zumutbaren um eine erträgliche Zusammenarbeit bemüht haben.