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Samstag, 12. August 2017 AUS DER REGION TS Nummer 185 27 Familienbetrieb in Grafetstetten für Zukunft gerüstet Hofbesuch, Folge 3: Die Familie Wolferstetter führt einen modernenMilchviehbetrieb undlegt größten Wert auf das Wohlergehen ihrer Tiere Familie Wolferstetter in ihrem Milchviehstall in Grafetstetten (von links): Sohn Michael, der den Betrieb einmal weiterführen wird, sein Vater Franz und dessen Frau Elfriede sowie der jüngste Sohn Christian. Flofhund Leo wollte unbedingt auch mit aufs Bild. - Fotos: Klaus Oberkandier : ; Der stattliche Bauernhof in Grafetstetten, nordöstlich von Palling, steht auf geschichtsträchtigem Boden. Rechts: Aufgrund des Chips, den jede Kuh um den Fiais trägt, stellt sich der Melkcomputer automatisch auf das Euter der jeweiligen Kuh ein Von Klaus Oberkandier Palling. Die Milcherzeugung ist der wichtigste Produktions zweig der Landwirtschaft im Landkreis Traunstein. In der heu tigen zweiten Folge unserer Serie „Hofbesuchstellen wir einen Vorzeigebetrieb vor, der nach neuesten Erkenntnissen mit kern gesundenTieren aus eigener Auf zucht und modernsten techni schen Hilfsmitteln mit großem Er folg Milch produziert. Dabei nimmt die Familie Wolferstetter auch hinsichtlich des Tierwohls eine Vorbildfunktion ein. Wir be suchten sie auf dem schmucken Bauernhof in Grafetstetten, nord östlich von Palling. Es ist geschichtsträchtiger Bo den, auf demdasstattliche Anwe sen steht. Vor fast 400 Jahren ist die Liegenschaft erstmals urkund lich erwähnt. Ein Wolfgang Gra- fetstetter wird als Besitzer geführt. Seither ist das Anwesen in Famili enbesitz. Der heute 60-jährige Landwirtschaftsmeister Franz Wolferstetter hat es 1989 von sei nem gleichnamigen Vater über nommen und bewirtschaftet es mit seiner Frau Elfriede, seinem Sohn Michael und einem Auszu bildenden. Von den beiden Töchtern hat dieÄltere auf einen Hof in Traun stein-Traunstorf eingeheiratet. Die jüngere arbeitet im Landwirt schaftsamt in der Großen Kreis stadt. Sohn Michael (22) absol viert gerade die Ausbildung zum Landwirtschaftsmeister und wird den Hof übernehmen. Nur Chris tian (16) schlägt aus derArt und will nach demRealschulabschluss eine Ausbildung zum Mechatro- niker absolvieren. Vom Selbstversorger zum erfolgreichen Spezialisten Franz Wolferstetter hat noch er lebt, wie seine Eltern nach dem Zweiten Weltkrieg traditionelle Landwirtschaft betrieben haben: Hühner, Ferkel, Milchkühe, Bul lenmast, Kartoffelanbau - Bauern verstandensich damals noch vie lerorts als Selbstversorger, ehe sie mit der zunehmenden Spezialisie rung derLandwirtschaftgezwun gen wurden, sich auf weniger Be triebszweige zu beschränken. Wie so viele Bauern in derRegion ent schieden sich die Wolferstetters für die Milchviehwirtschaft. Das haben sie bis heute nicht bereut. „Schau Dir mal die Fesseln un serer Kühe an, fordert Michael den Berichterstatter beim Rund gang durch den licht- und luft durchfluteten modernen Kuhstall auf. Auf den fragenden Blick klärt er auf: „Bei uns findest Du keine Kuh, die an den Fußgelenken wundist, weil sie beim Aufstehen auf glattem Boden ausgerutscht ist.Vater Franz deutet auf diege räumigen Liege boxen mit dicker Stroheinstreu: „Das ist eigentlich Luxus. Aber unsere Kühe fühlen sich auf den Strohlagern sau wohl, berichtet er stolz. Derweil stehen zwei der rund Hundert Kühe an einer Vorrich tung, wie man sie aus Autowasch anlagen kennt. Es sind Walzen bürsten , die zu rotieren beginnen, sobalddieTiere sie berühren. Das tut den Kühen vor allem bei Hitze sichtlich gut. Noch besser wäre WmMÊMBCH CfM'* freilich eine kühle Dusche. „Ist schon in Planung, sagt Elfriede Wolferstetter, die mit dem tägli chen Betriebsablauf genauso ver traut ist wie ihr Mann und Sohn Michael. Sie schaut auf die Herde, in derjedes Tier ein Fußbandso wie ein Halsband mit Chip und ei ner gut lesbaren dreistelligen Zahl trägt: „Aber einen Namen haben sie immer noch alle bei uns, sagt dieBäuerin. Gemolken wird, wann immer dieKuh es will Hals- und Fußband müssen sein, damitderMelkroboter jedes Tier erkennen kann. Im Mai letz ten Jahres haben die Wolferstet ters die vollautomatische Melkan lage installiert. Was sie gekostet hat, wollen sie nicht gerne sagen; aber im Computerzeitalter be kommt man jedeFrage beantwor tet, wenn man seinen Rechner be dienen kann. Dort kann man nachlesen: Ein Roboter ohne Milchtank kostet gegenwärtig et wa 135 000 Euro, die Doppelbo xenanlage ist natürlich erheblich teurer. Aber diese Investition in modernste Technik musste man tätigen, um fit für die Zukunft zu sein, ist Michael überzeugt. Er führt uns in die Schaltzentra le, von der aus man einen Blick auf die Melkboxen hat. Jede Kuh, die ihn betritt, bekommt ein „Le ckerli in Form einer extra Portion besonders schmackhaften Fut ters. Ein halbes Dutzend Kühe stehen an den beiden Melkstän den geduldigan. Es ist mittags, halb zwölf Uhr. „Ich dachte,Kühe werden früh und abends gemol ken? , fragt der Berichterstatter. Franz Wolferstetter klärt auf: „Die kommen, wann sie wollen und das Bedürfnis haben, gemolken zu werden. Und wie oft ist das? Im Schnitt 2,4 mal pro Tag, er gänzt der Junior undzeigt Daten, Tabellen und Kurven auf dem Computer. Der Rechner weiß, wie viel Milch die Kuh, die er gerade im Stand hat, theoretisch geben müsste. Das Gerät richtet sich da nach. Angezeigt wird auch, wie viel Milch aus welcher Zitze ge kommen ist. Weichen dieZahlen von der Norm ab, zum Beispiel weil eine Zitze entzündet ist, wird das protokolliert, und der Bauer kann bei der täglichen Prüfung nachschauen, ob demIler etwas fehlt. Am alten Melkstand waren zwei Personen in der Früh und am Abend jeweils zwei Stunden be schäftigt, ehe alle Here gemolken waren. Die neue Technik spart nicht nur Zeit. „Es ist auch kör perlich nicht mehr so anstren gend, sindsich Franz undElfrie de einig: „Wir sind ja nicht mehr Zwanzig.Ein weiterer Vorteil sei, dass man nicht mehr starr an die Melkzeiten gebunden sei unddes halb mehr Freiraum habe. Und wie hat die große Herde auf die neue Technik reagiert? „Sehr gelassen, freut sich derSe nior. Er legt größten Wert darauf, dass die Tiere „pflegeleichtsind. Wenn eine Kuh das ganze Jahr über nicht auffällt, ist es ihm am liebsten - auch wenn sie vielleicht ein paar Liter Milch weniger gibt. Das gilt auch für Jungkühe in der sogenannten ersten Laktation. „Bei uns kriegt jede eine zweite Chance. Undmeistens haben wir es nicht bereut.Dass das keine leeren Worte sind, beweist ein Statistikblatt des Landeskuratoriums der Erzeuger ringe für tierische Veredelung in Bayern: Die Kühe in Grafetstetten geben in der Erstlaktation im Schnitt fast 9400 Kilo Milch; im Landkreisdurchschnitt sind es nur 6800 Kilo. Das Durch schnittsalter der bei ihnen leben den Kühe ist höher, und die durchschnittliche Nutzungsdauer länger als im Landkreisdurch schnitt. Mit einer durchschnittli chen Gesamtleistung von fast 24000 Liter übertreffen die Tiere im Stall in Grafetstetten den Kreisdurchschnitt um mehr als 5000 Kilogramm. In den letzten Jahren hat die Fa milie vier Mal Auszeichnungen für Kühe bekommen, die eine Le bensleistung von über 100 000 Ki logramm Milch erbracht haben. Nur damit man eine Vorstellung hat, was das bedeutet: Im gesam ten Landkreis werdenpro Jahr et wa dreibis fünf Tiere mit einer so hohen Gesamtleistung registriert und ausgezeichnet. Und hier gleich vier auf einem einzigen Hof! Gutes Futter ist das A undO „Immer dran bleiben, damit wir bei den Besseren dabei sind will der künftige Hoferbe. Dazu ge hört auch, das Futter selber anzu bauen und den Tieren ein ausge wogenes Nahrungsgemisch anzu bieten. Von den 45 Hektar Grund, die zum Anwesen gehören, sind gut 20 Prozent Wald. Auf 35 Hekt ar eigenem Grund sowie auf dazu gepachteten Flächen bauen die Wolferstetters Mais, Gras undGe treidean, aus denen sie dasFutter für ihre Tiere mischen. Der Rin dernachwuchs wirdebenfalls mit selbst hergestelltem undgemisch ten Futter großgezogen. Alle Kuhkälber, die auf dem Hof geboren werden, behält man derzeit selber und zieht sie groß, um den Milchviehbestand nach undnach zu erneuern undbehut sam zu vergrößern. Die männli chen Kälber werden für die Mast verkauft. Dass die Wolferstetters dem Au tor dieses Beitrages und der Hei matzeitung so freundlichundauf geschlossen begegnet sind,ist kei nesfalls selbstverständlich. Unse re Bauern werdenvon vielen Sei ten kritisiert und schlecht gemacht. Selbst ernannte Tier schützer und sogar unsere Bun desumweltministerin stellen sie immer wieder an denPranger. Der Hof in Grafetstetten ist das beste Beispiel dafür, dass das in den meisten Fällen zu Unrecht so ist. ÿ In der nächsten Folge besuchen wir Marianne und Hubert Mayer auf ihrem Hofbauemanwesen in Pullachbei Seebruck. 3. AUGUST 1993 - ein schwarzer Tag für Grafetstetten: Grafetstetten am 3. August 1993: Mit demGebläse transpor tieren die Wolferstetters Heu in den Speicher über demKuhstall. Erst zu Ostern sinddie Rinderin den Neubau umgezogen. Kälber, Färsen und Kühe fühlen sich in dem neuen Stall pudelwohl , und die Bauern sind zuversichtlich, das Gebäude in den nächsten zehn Jahren abbezahlen zu kön nen. Von einer Sekunde auf die an dere ist aber alles anders: Fun kenflug, vermutlich ausgelöst durch ein paar Steinchen im Ge bläse, setzt das Heu in Brand. Das Feuer breitet sich rasend schnell aus. Als die ersten Feuer wehren anrücken, brennt der neue Stall lichterloh. Verzweifelt versucht man, die Tiere ins Freie zu treiben. Dramatische Szenen spielen sich ab. Um dieseZeit war ich mit mei nem damals zwölfjährigen Sohn beim Schwammerlsuchen an ei nem Waldrand nahe Traunstein. Wir sahen die riesige Rauchsäule in weiter Feme aufsteigen, und da es Nachmittag und noch nicht Redaktionsschluss war, sah ich die Chance, in der Zeitung viel leicht noch einen Bericht über das unterzubringen, was da in der Feme geradepassiert. Wir fuhren los , und waren nach einer Vier telstunde in Grafetstetten. Erst zwei oder drei Feuerwehrautos waren da; mehr als ein Dutzend rückten in der nächsten halben Stundenoch an, und als ich mei ne journalistische Arbeit am Un glücksort verrichtet hatte, kamen mir immer noch Einsatzfahrzeu ge entgegen, um zu löschen. Meinem Sohn und mir sind die Bilder jener Katastrophe für im mer ins Gedächtnis gebrannt: die verzweifelten Menschen, diefast hilflos Zusehen mussten, wie der neue Stall niederbrannte;die mu tigen Helfer, die versuchten, die Tiere ins Freie zu treiben; dieent setzten Feuerwehrleute, die wussten, dass man diesen Stall nicht retten kann und sich auf das Sichern von Wohnhaus und Re mise beschränken muss. Ich sog die Eindrücke in mir auf, machte Fotos und war schon wieder auf demRückweg: Es gab keine Handys,kein E-Mail. Vom nächsten Bauernhof aus rief ich in den Redaktion an, wo man al les vorbereitete, dassich den Be richt über die Feuerkatastrophe noch unterbringen konnte. So traurig der Anlass war: Am Ende war man doch zufrieden, über dastraurige Ereignis zeitnah um fassendberichtet zu haben. - ko ? »4 »' Bilder, die man nicht vergessen kann. Bei einem verheerenden Großbrand am 3. August 1993wurde der nagelneue Kuhstall der Wolferstetters ein Raub der Flammen. - Foto: ko

Familienbetrieb in Grafetstetten für Zukunft gerüstet · auf. Auf den fragenden Blick klärt er auf: „Bei uns findest Du keine Kuh, die an den Fußgelenken wund ist, weil sie

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Page 1: Familienbetrieb in Grafetstetten für Zukunft gerüstet · auf. Auf den fragenden Blick klärt er auf: „Bei uns findest Du keine Kuh, die an den Fußgelenken wund ist, weil sie

Samstag, 12. August 2017 AUS DER REGION TS Nummer 185 27

Familienbetrieb in Grafetstetten für Zukunft gerüstetHofbesuch, Folge 3: Die Familie Wolferstetter führt einen modernen Milchviehbetrieb und legt größten Wert auf das Wohlergehen ihrer Tiere

Familie Wolferstetter in ihrem Milchviehstall in Grafetstetten (von links): Sohn Michael, der den Betrieb einmal weiterführen wird, sein Vater Franz und dessen Frau Elfriede sowie der jüngste Sohn Christian. Flofhund Leo wollte unbedingt auch mit aufs Bild. - Fotos: Klaus Oberkandier

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Der stattliche Bauernhof in Grafetstetten, nordöstlich von Palling, steht auf geschichtsträchtigem Boden. Rechts: Aufgrund des Chips, den jede Kuh um den Fiais trägt, stellt sich der Melkcomputer automatisch auf das Euter der jeweiligen Kuh ein

Von Klaus Oberkandier

Palling. Die Milcherzeugung ist der wichtigste Produktions­zweig der Landwirtschaft im Landkreis Traunstein. In der heu­tigen zweiten Folge unserer Serie „Hofbesuch“ stellen wir einen Vorzeigebetrieb vor, der nach neuesten Erkenntnissen mit kern­gesunden Tieren aus eigener Auf­zucht und modernsten techni­schen Hilfsmitteln mit großem Er­folg Milch produziert. Dabei nimmt die Familie Wolferstetter auch hinsichtlich des Tierwohls eine Vorbildfunktion ein. Wir be­suchten sie auf dem schmucken Bauernhof in Grafetstetten, nord­östlich von Palling.

Es ist geschichtsträchtiger Bo­den, auf dem das stattliche Anwe­sen steht. Vor fast 400 Jahren ist die Liegenschaft erstmals urkund­lich erwähnt. Ein Wolfgang Gra- fetstetter wird als Besitzer geführt. Seither ist das Anwesen in Famili­enbesitz. Der heute 60-jährige Landwirtschaftsmeister Franz Wolferstetter hat es 1989 von sei­nem gleichnamigen Vater über­nommen und bewirtschaftet es mit seiner Frau Elfriede, seinem Sohn Michael und einem Auszu­bildenden.

Von den beiden Töchtern hat die Ältere auf einen Hof in Traun­stein-Traunstorf eingeheiratet. Die jüngere arbeitet im Landwirt­schaftsamt in der Großen Kreis­stadt. Sohn Michael (22) absol­viert gerade die Ausbildung zum Landwirtschaftsmeister und wird den Hof übernehmen. Nur Chris­tian (16) schlägt aus der Art und will nach dem Realschulabschluss eine Ausbildung zum Mechatro- niker absolvieren.

Vom Selbstversorger zum erfolgreichen Spezialisten

Franz Wolferstetter hat noch er­lebt, wie seine Eltern nach dem Zweiten Weltkrieg traditionelle Landwirtschaft betrieben haben: Hühner, Ferkel, Milchkühe, Bul­lenmast, Kartoffelanbau - Bauern verstanden sich damals noch vie­lerorts als Selbstversorger, ehe sie mit der zunehmenden Spezialisie­rung der Landwirtschaft gezwun­gen wurden, sich auf weniger Be­triebszweige zu beschränken. Wie so viele Bauern in der Region ent­schieden sich die Wolferstetters für die Milchviehwirtschaft. Das haben sie bis heute nicht bereut.

„Schau Dir mal die Fesseln un­serer Kühe an“, fordert Michael den Berichterstatter beim Rund­gang durch den licht- und luft­durchfluteten modernen Kuhstall auf. Auf den fragenden Blick klärt er auf: „Bei uns findest Du keine Kuh, die an den Fußgelenken wund ist, weil sie beim Aufstehen auf glattem Boden ausgerutscht ist.“ Vater Franz deutet auf die ge­

räumigen Liege boxen mit dicker Stroheinstreu: „Das ist eigentlich Luxus. Aber unsere Kühe fühlen sich auf den Strohlagern sau­wohl“, berichtet er stolz.

Derweil stehen zwei der rund Hundert Kühe an einer Vorrich­tung, wie man sie aus Autowasch­anlagen kennt. Es sind Walzen­bürsten , die zu rotieren beginnen, sobald die Tiere sie berühren. Das tut den Kühen vor allem bei Hitze sichtlich gut. Noch besser wäre

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freilich eine kühle Dusche. „Ist schon in Planung“, sagt Elfriede Wolferstetter, die mit dem tägli­chen Betriebsablauf genauso ver­traut ist wie ihr Mann und Sohn

Michael. Sie schaut auf die Herde, in der jedes Tier ein Fußband so­wie ein Halsband mit Chip und ei­ner gut lesbaren dreistelligen Zahl trägt: „Aber einen Namen haben sie immer noch alle bei uns“, sagt die Bäuerin.

Gemolken wird, wann immer die Kuh es will

Hals- und Fußband müssen sein, damit der Melkroboter jedes Tier erkennen kann. Im Mai letz­ten Jahres haben die Wolferstet­ters die vollautomatische Melkan­lage installiert. Was sie gekostet hat, wollen sie nicht gerne sagen; aber im Computerzeitalter be­kommt man jede Frage beantwor­tet, wenn man seinen Rechner be­dienen kann. Dort kann man nachlesen: Ein Roboter ohne Milchtank kostet gegenwärtig et­wa 135 000 Euro, die Doppelbo­xenanlage ist natürlich erheblich teurer. Aber diese Investition in modernste Technik musste man tätigen, um fit für die Zukunft zu sein, ist Michael überzeugt.

Er führt uns in die Schaltzentra­le, von der aus man einen Blick auf die Melkboxen hat. Jede Kuh, die ihn betritt, bekommt ein „Le­ckerli“ in Form einer extra Portion besonders schmackhaften Fut­ters. Ein halbes Dutzend Kühe stehen an den beiden Melkstän­den geduldig an. Es ist mittags, halb zwölf Uhr. „Ich dachte, Kühe werden früh und abends gemol­ken?“, fragt der Berichterstatter. Franz Wolferstetter klärt auf: „Die kommen, wann sie wollen und das Bedürfnis haben, gemolken zu werden.“ Und wie oft ist das? Im Schnitt 2,4 mal pro Tag, er­gänzt der Junior und zeigt Daten, Tabellen und Kurven auf dem Computer.

Der Rechner weiß, wie viel Milch die Kuh, die er gerade im Stand hat, theoretisch geben müsste. Das Gerät richtet sich da­nach. Angezeigt wird auch, wie­viel Milch aus welcher Zitze ge­kommen ist. Weichen die Zahlen von der Norm ab, zum Beispiel weil eine Zitze entzündet ist, wird das protokolliert, und der Bauer kann bei der täglichen Prüfung

nachschauen, ob dem Iler etwas fehlt.

Am alten Melkstand waren zwei Personen in der Früh und am Abend jeweils zwei Stunden be­schäftigt, ehe alle Here gemolken waren. Die neue Technik spart nicht nur Zeit. „Es ist auch kör­perlich nicht mehr so anstren­gend,“ sind sich Franz und Elfrie­de einig: „Wir sind ja nicht mehr Zwanzig.“ Ein weiterer Vorteil sei, dass man nicht mehr starr an die Melkzeiten gebunden sei und des­halb mehr Freiraum habe.

Und wie hat die große Herde auf die neue Technik reagiert? „Sehr gelassen“, freut sich der Se­nior. Er legt größten Wert darauf, dass die Tiere „pflegeleicht“ sind. Wenn eine Kuh das ganze Jahr über nicht auffällt, ist es ihm am liebsten - auch wenn sie vielleicht ein paar Liter Milch weniger gibt. Das gilt auch für Jungkühe in der sogenannten ersten Laktation. „Bei uns kriegt jede eine zweite Chance. Und meistens haben wir es nicht bereut.“

Dass das keine leeren Worte sind, beweist ein Statistikblatt des

Landeskuratoriums der Erzeuger­ringe für tierische Veredelung in Bayern: Die Kühe in Grafetstetten geben in der Erstlaktation im Schnitt fast 9400 Kilo Milch; im Landkreisdurchschnitt sind es nur 6800 Kilo. Das Durch­schnittsalter der bei ihnen leben­den Kühe ist höher, und die durchschnittliche Nutzungsdauer länger als im Landkreisdurch­schnitt. Mit einer durchschnittli­chen Gesamtleistung von fast 24000 Liter übertreffen die Tiere im Stall in Grafetstetten den Kreisdurchschnitt um mehr als 5000 Kilogramm.

In den letzten Jahren hat die Fa­milie vier Mal Auszeichnungen für Kühe bekommen, die eine Le­bensleistung von über 100 000 Ki­logramm Milch erbracht haben. Nur damit man eine Vorstellung hat, was das bedeutet: Im gesam­ten Landkreis werden pro Jahr et­wa drei bis fünf Tiere mit einer so hohen Gesamtleistung registriert und ausgezeichnet. Und hier gleich vier auf einem einzigen Hof!

Gutes Futter ist das A und O

„Immer dran bleiben, damit wir bei den Besseren dabei sind“ will der künftige Hoferbe. Dazu ge­hört auch, das Futter selber anzu­bauen und den Tieren ein ausge­wogenes Nahrungsgemisch anzu­bieten. Von den 45 Hektar Grund, die zum Anwesen gehören, sind gut 20 Prozent Wald. Auf 35 Hekt­ar eigenem Grund sowie auf dazu­gepachteten Flächen bauen die Wolferstetters Mais, Gras und Ge­treide an, aus denen sie das Futter für ihre Tiere mischen. Der Rin­dernachwuchs wird ebenfalls mit selbst hergestelltem und gemisch­ten Futter großgezogen.

Alle Kuhkälber, die auf dem Hof geboren werden, behält man derzeit selber und zieht sie groß, um den Milchviehbestand nach und nach zu erneuern und behut­sam zu vergrößern. Die männli­chen Kälber werden für die Mast verkauft.

Dass die Wolferstetters dem Au­tor dieses Beitrages und der Hei­matzeitung so freundlich und auf­geschlossen begegnet sind, ist kei­nesfalls selbstverständlich. Unse­re Bauern werden von vielen Sei­ten kritisiert und schlecht gemacht. Selbst ernannte Tier­schützer und sogar unsere Bun­desumweltministerin stellen sie immer wieder an den Pranger. Der Hof in Grafetstetten ist das beste Beispiel dafür, dass das in den meisten Fällen zu Unrecht so ist.

ÿ In der nächsten Folge besuchen wir Marianne und Hubert Mayer auf ihrem Hofbauemanwesen in Pullachbei Seebruck.

3. AUGUST 1993 - ein schwarzer Tag für Grafetstetten:Grafetstetten am 3. August

1993: Mit dem Gebläse transpor­tieren die Wolferstetters Heu in den Speicher über dem Kuhstall. Erst zu Ostern sind die Rinder in den Neubau umgezogen. Kälber, Färsen und Kühe fühlen sich in dem neuen Stall pudelwohl, und die Bauern sind zuversichtlich, das Gebäude in den nächsten zehn Jahren abbezahlen zu kön­nen.

Von einer Sekunde auf die an­dere ist aber alles anders: Fun­kenflug, vermutlich ausgelöst durch ein paar Steinchen im Ge­bläse, setzt das Heu in Brand. Das Feuer breitet sich rasend schnell aus. Als die ersten Feuer­wehren anrücken, brennt der neue Stall lichterloh. Verzweifelt versucht man, die Tiere ins Freie zu treiben. Dramatische Szenen spielen sich ab.

Um diese Zeit war ich mit mei­nem damals zwölfjährigen Sohn beim Schwammerlsuchen an ei­nem Waldrand nahe Traunstein. Wir sahen die riesige Rauchsäule in weiter Feme aufsteigen, und da es Nachmittag und noch nicht Redaktionsschluss war, sah ich die Chance, in der Zeitung viel­leicht noch einen Bericht über das unterzubringen, was da in der Feme gerade passiert. Wir fuhren los , und waren nach einer Vier­telstunde in Grafetstetten. Erst zwei oder drei Feuerwehrautos waren da; mehr als ein Dutzend rückten in der nächsten halben Stunde noch an, und als ich mei­ne journalistische Arbeit am Un­glücksort verrichtet hatte, kamen mir immer noch Einsatzfahrzeu­ge entgegen, um zu löschen.

Meinem Sohn und mir sind die Bilder jener Katastrophe für im­

mer ins Gedächtnis gebrannt: die verzweifelten Menschen, die fast hilflos Zusehen mussten, wie der neue Stall niederbrannte; die mu­tigen Helfer, die versuchten, die Tiere ins Freie zu treiben; die ent­setzten Feuerwehrleute, die wussten, dass man diesen Stall nicht retten kann und sich auf das Sichern von Wohnhaus und Re­mise beschränken muss.

Ich sog die Eindrücke in mir auf, machte Fotos und war schon wieder auf dem Rückweg: Es gab keine Handys, kein E-Mail. Vom nächsten Bauernhof aus rief ich in den Redaktion an, wo man al­les vorbereitete, dass ich den Be­richt über die Feuerkatastrophe noch unterbringen konnte. So traurig der Anlass war: Am Ende war man doch zufrieden, über das traurige Ereignis zeitnah um­fassend berichtet zu haben. - ko

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Bilder, die man nicht vergessen kann. Bei einem verheerenden Großbrand am 3. August 1993 wurde der nagelneue Kuhstall der Wolferstetters ein Raub der Flammen. - Foto: ko