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Familienlohn und Armutssicherung im Normalarbeitsverhältnis; Family wage and poverty prevention in a standard employment relationship;

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Page 1: Familienlohn und Armutssicherung im Normalarbeitsverhältnis; Family wage and poverty prevention in a standard employment relationship;

AbhAndlungen

Köln Z Soziol (2013) 65:669–696DOI 10.1007/s11577-013-0235-4

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

Der Aufsatz entstand am Institut Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen im Rahmen des von der Hans-Böckler Stiftung zwischen 2012 und 2013 geförderten Projektes „Was kommt nach dem Familienlohn? Probleme und Möglichkeiten der Regulierung von Einkommensrisiken bei Normalarbeitnehmern“.

I. Dingeldey () · I. BerningerInstitut für Arbeit und Wirtschaft, Universität Bremen, Universitätsallee 21-23, 28359 Bremen, DeutschlandE-Mail: [email protected]

I. BerningerE-Mail: [email protected]

Familienlohn und Armutssicherung im NormalarbeitsverhältnisZur Einkommenssituation von Männern und Frauen in Ost- und Westdeutschland

Irene Dingeldey · Ina Berninger

Zusammenfassung: In dem Beitrag befassen wir uns mit der Einkommenssituation und der Struktur der Armutsrisiken männlicher und weiblicher Normalarbeitnehmer in Ost- und West-deutschland. Es wird eine historische Perspektive eingenommen, bei der die enge Verknüpfung des Normalarbeitsverhältnisses (NAV) mit dem männlichen Ernährermodell und dem Erwirt-schaften eines Familienlohns aufgezeigt wird. Mit den Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) der Jahre 1995 bis 2011 wird die selektive Verbreitung des NAV und des Familienlohns sowie die Struktur der Armutsrisiken mit einer deskriptiven Zeitreihenanalyse nach Geschlecht und Region dargestellt. In Abhängigkeit der aufgezeigten historischen Entwicklung ist das NAV in Westdeutschland weiterhin stark männlich geprägt, da Mütter nur selten im NAV beschäftigt sind. Westdeutsche Männer erwirtschaften weiterhin mehrheitlich einen Familienlohn oder kön-nen den finanziellen Bedarf ihres Haushaltes mit ihrem Lohn plus Sozialtransfers decken. Für westdeutsche Frauen sowie alle ostdeutschen Normalarbeitnehmer gilt dies in deutlich geringe-rem Maße. Dass sie dennoch selten arm sind, erklärt sich dadurch, dass sie in kleinen Haushalten leben (insbesondere westdeutsche Frauen) und/oder mit erwerbstätigen Partnern zusammenleben.

Schlüsselwörter: Familienlohn · Normalarbeitsverhältnis · Armut · Einkommensverteilung · Erwerbsmuster

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Family wage and poverty prevention in a standard employment relationship – On the income situation of men and women in East and West Germany

Abstract: The objective of this article is to examine the income situation and the structure of poverty risks of male and female employees in a standard employment relationship in East and West Germany. The article takes an historic perspective, which demonstrates the links between standard employment relationship, male-breadwinner model and family wage. Using data from the German Socio-Economic Panel Study (1995–2011) a descriptive time series analyses shows the selective distribution of the standard employment relationship, the family wage as well as the structure of poverty risks for men and women in East and West Germany. In dependence of the historical development the standard employment relationship is still dominantly practiced by men while particularly mothers rarely hold such an employment relationship. The majority of West German men is still earning a family wage which—accomplished by social transfers—is still enough to provide sufficient financial resources with respect to family needs. This is, however, not always the case for West German women and the East German standard employees. Reasons why these groups are still not impoverished are that they live in small households (in particular West German women) and/or together with an employed partner.

Keywords: Family wage · Standard employment relationship · Poverty · Income distribution · Employment pattern

1 Einleitung

Die jüngste Diskussion um die Gefährdung der gesellschaftlichen Mitte zeigt ein Schrump-fen der Einkommensmittelschicht sowie eine Polarisierung der Einkommen und Löhne (Antonczyk et al. 2011; Burkhardt et al. 2012; Kronauer 2008). Ein spezifischer Diskus-sionsstrang verweist in diesem Zusammenhang auf die Abnahme des Normalarbeitsver-hältnis (NAV) oder die Zunahme von Normalarbeitnehmern mit Niedriglöhnen (Keller und Seifert 2011a; Wingerter 2009). Inwiefern diese Entwicklung mit einer steigenden Armutsgefährdung verbunden ist, hängt nicht zuletzt von den durch die Haushaltsgröße induzierten finanziellen Bedarfen oder dem Vorhandensein weiterer Einkommen auf Haushaltsebene ab (Andreß und Seeck 2007). Unsere Untersuchung fokussiert auf die Armutsgefährdung von Normalarbeitnehmern, da eine Zunahme derselben exemplarisch als Indiz für die Erosion der gesellschaftlichen Mitte gelten kann. Wir verfolgen eine his-torische Perspektive, welche die enge Verknüpfung des NAV mit dem familienpolitischen Leitbild des männlichen Ernährermodells, in Kombination mit der Hausfrauenehe, als Grundlage des westdeutschen Sozialstaates zum Ausgangspunkt nimmt (Geissler 1998; Hinrichs 1996). Die ökonomische Grundlage für die Verwirklichung dieser Leitbilder bestand im Erreichen eines Familienlohns für männliche Ernährer. Das Konzept eines Familienlohns ging u. a. auf die katholische Soziallehre in den 1930er Jahren zurück (Emunds 2009, S. 5). Spätestens seit Mitte der 1950er Jahre wurde das Erreichen eines Familienlohns zum Leitbild der Tarifpolitik und für berufsfachlich qualifizierte Arbeit-nehmer im NAV, vor allem in den männlich dominierten Kernsektoren der Wirtschaft, auch weitgehend umgesetzt. Der entsprechend in den Tarifverhandlungen vereinbarte Leistungslohn (männlicher) Normalarbeitnehmer wurde durch primär „bedarfsbezogene“ sozialpolitische Transfers ergänzt, wie das Kindergeld und/oder Steuererleichterungen

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z. B. in Form des Ehegattensplittings. Die angestrebte Höhe eines solchen als Konglo-merat gefassten Familienlohns wurde nie konkret festgelegt. Implizit galt jedoch, dass er mindestens über der für eine Normalfamilie (zwei Erwachsene, zwei Kinder) gültigen Armutsschwelle liegen sollte (Gottschall und Schröder 2013; Zinser 1955, S. 18 f.).

Seitdem haben verschiedene ökonomische, soziale und politische Entwicklungen zum Wandel der institutionellen Arrangements des nunmehr gesamtdeutschen Sozialmodells wie auch der (familialen) Erwerbsmuster beigetragen (siehe unten). Jüngst wurden die Folgen dieser Entwicklungen unter anderem im Zusammenhang mit dem Problem der „Working Poor“ diskutiert, das zeigt, dass Erwerbsarbeit nicht mehr zwangsläufig vor Armut schützt (Andreß und Lohmann 2008; Hellmuth und Urban 2010; Strengmann-Kuhn 2003). Obgleich Normalarbeitnehmer in dieser Hinsicht als weitgehend privi-legierte Gruppe gelten, zeigte eine jüngere Untersuchung, dass auch sie im Zeitraum 1991 bis 2004 vom Anstieg der Armut betroffen waren, obgleich das Niveau der entspre-chenden Armutsquote insgesamt deutlich unter dem der Gesamtbevölkerung lag (Andreß und Seeck 2007, S. 489). Die von den Autoren angeführten Erklärungen bezogen sich auf verschiedene Einflussgrößen: die Bruttoeinkommen, die Veränderungen der Trans-ferleistungen, die Zunahme weiterer Einkommen im Haushalt und die sinkenden Haus-haltsgrößen. Nicht eingegangen wurde in dieser Untersuchung dagegen auf spezifische normative Elemente des NAV und dessen historische Verknüpfung mit weiteren Leit-bildern des westdeutschen Sozialstaates. Entsprechend wurde die Selektivität des NAV selbst ebenso wenig thematisiert wie geschlechtsspezifische Aspekte der Entlohnung im NAV oder die unterschiedlichen Haushaltskontexte von weiblichen und männlichen Nor-malarbeitnehmern. Die Erklärung, warum Normalarbeitnehmer trotz allgemein sinkender Löhne weiterhin nur in geringem Maße von Armut betroffen sind, bedarf damit einer Prä-zisierung, welche die jeweils unterschiedlichen Einkommen und Haushaltskontexte von Männern und Frauen im NAV in Ost- und Westdeutschland stärker in den Fokus nimmt.

Die vorliegende Untersuchung will diese Präzisierung leisten, indem die Armutsquo-ten von Normalarbeitnehmern im Rahmen einer Längsschnittanalyse für den Zeitraum von 1995–2011 im Kontext der folgenden Fragen analysiert werden: Wie gestaltet sich die Verbreitung des NAV nach Geschlecht und Region? Wie entwickeln sich die entspre-chenden Haushaltskontexte? Inwiefern geht das NAV bei verschiedenen Gruppen von Normalarbeitnehmern mit dem Erzielen eines Familienlohns einher? Inwiefern werden niedrige oder sinkende Löhne bei verschiedenen Gruppen von Normalarbeitnehmern durch (zunehmende) sozialpolitische Transfers, Partnereinkommen oder sinkende Haus-haltsgrößen kompensiert? Ist das Generieren eines Einkommensmix (Erwerbseinkom-men beider Partner plus Transfers) in Haushalten von Normalarbeitnehmern zunehmend Voraussetzung, um die Armutsschwelle zu überwinden?

Der Analyse vorausgehend, werden zunächst die reflexiven Bezüge der Trias von NAV, männlichem Ernährermodell und Familienlohn und davon abweichende Politiken in der DDR ausführlich skizziert. Ferner werden sozio-demografische Merkmale der Normal-arbeitnehmer wie auch familiale Erwerbsmuster dargestellt (Abschn. 2). Veränderungen der Tarif- und Lohnpolitik sowie der familienbezogenen Transfers und Steuererleichte-rungen werden in ihren Auswirkungen auf das Erzielen eines Familienlohns oder auf die Erwerbs- und Familieneinkommen diskutiert (Abschn. 3). In Abschn. 4 werden die ent-wickelten Operationalisierungen des Familienlohns wie auch die weiteren Analyseschritte

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dargestellt und jeweils nach Geschlecht und Region differenzierte Hypothesen formuliert. Es folgt die Präsentation der Ergebnisse der empirischen Auswertung der Daten des sozio-ökonomischen Panels der Jahre 1995–2011 (SOEP). Es werden u. a. die verschiedenen Stufen der Einkommensentstehung und -umverteilung unter Berücksichtigung der Sozial-transfers und Partnereinkommen in Relation zur Armutsgrenze dargestellt (Abschn. 5). Ein Fazit mit Blick auf den hier spezifisch gewählten Fokus zur Entwicklung des Familienlohns und der Armutssicherung im Normalarbeitsverhältnis bildet den Abschluss (Abschn. 6).

2 Tradierte erwerbs- und familienbezogene Leitbilder sowie Wandel der Erwerbsmuster

2.1 Normalarbeitsverhältnis, Ernährermodell und Familienlohn

Der westdeutsche Wohlfahrtsstaat der Nachkriegsära wird im internationalen Vergleich als konservativ-korporatistisch sowie familialistisch klassifiziert (Esping-Andersen 1990, 1999). Diese Einordnung ergibt sich u. a. aufgrund der Dominanz des Sozialversiche-rungsprinzips, welches eine primär an der Arbeitsmarktteilhabe und dem Erwerbsstatus orientierte Ausrichtung sozialer Transfers beinhaltet. Dem Wohlfahrtsmodell lagen ferner verschiedene Vorstellungen von Normalität zu Grunde. Dazu gehörte erstens das NAV, da nur die kontinuierliche Vollzeiterwerbstätigkeit über die gesamte Erwerbsphase die volle soziale Absicherung gewährleistete (Mückenberger 1985; Geissler 1998). Zwei-tens setzte die Verfügbarkeit der Normalarbeitnehmer für den Arbeitsmarkt, bei weit-gehendem Fehlen eines ganztägigen Betreuungsangebots für Kinder, das männliche Ernährermodell und die Hausfrauenehe voraus. Selbst der in den 1970er Jahren allmäh-lich stattfindende Ausbau sozialer Dienstleistungen, insbesondere der Kinderbetreuung, setzte mit der Dominanz von Halbtagsangeboten weiterhin auf die Präsenz der Mütter und damit auf das Fortbestehen geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung (Gottschall und Hagemann 2002). Die soziale Absicherung der nicht erwerbstätigen Ehefrauen wie auch der Kinder erfolgte über die vom Status des männlichen Ernährers abgeleiteten Rechte in den Sozialversicherungen (Dingeldey und Gottschall 2001; Hinrichs 1996). Zentral für die folgenden Ausführungen erscheint jedoch drittens, dass in dem Sozialmodell auch das Erreichen eines Lohns durch den männlichen Normalarbeitnehmer vorausgesetzt wurde, der, ergänzt durch bedarfsorientierte Familientransfers, mindestens die Existenzsiche-rung einer (Normal-)Familie oberhalb der Armutsgrenze sicherstellen sollte. Zunächst beinhaltete der von den Arbeitgebern gezahlte Lohn spezifische „Bedarfskomponenten“, die beispielsweise im öffentlichen Dienst in Form von Familienzuschlägen noch bis vor kurzem Bestand hatten. Später setzte sich dann allerdings ein im Rahmen von Tarifver-handlungen überwiegend als Leistungslohn regulierter individuellen Bruttolohn durch, der durch bedarfsorientierte Sozialtransfers, vor allem in Form des Kindergeldes oder Steuererleichterungen u. a. in Form des Ehegattensplittings ergänzt wurde (Gottschall und Schröder 2013). Eine exakte (relative) Festlegung der Höhe eines Familienlohns fand jedoch nie statt, sodass unklar blieb, für wie viele Personen und auf welchem Wohl-standsniveau der Bedarf einer Familie durch das Einkommen des männlichen Ernährers, ergänzt durch Sozialtransfers, gedeckt werden sollte.

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Die Entwicklung in Westdeutschland findet zwar Parallelen in vielen anderen europäi-schen Ländern nicht aber in der DDR. Dort wurde im Einklang mit den Zielen der Arbei-ter- und frühen Frauenbewegung sowie aufgrund des Arbeitskräftemangels von Beginn an die Integration der Frauen in den Erwerbsprozess gefördert und ein Bruch mit dem männlichen Ernährermodell vollzogen. Gleichzeitig wurde die Zuständigkeit der Frauen für die Familie weiter vorausgesetzt und damit die Bewältigung der „Doppelbelastung“ zunächst individualisiert. Zwischen 1960 und 1980 war daher die Teilzeitquote, allerdings vielfach mit vollzeitnahen Arbeitszeiten, von Frauen in Ostdeutschland wesentlich höher als im Westen (Schäfgen 2000). Letztlich waren bevölkerungspolitische Motive aufgrund des Geburtenrückgangs wie auch steigende Scheidungsraten ausschlaggebend für eine familienpolitische Flankierung dieser Politik u. a. in Form eines massiven Ausbaus der Kinderbetreuung seit Mitte der 1960er Jahre. Ziel war es, das Zweiverdienermodell mit staatlich gewährleisteter Kinderbetreuung zu etablieren, um Vollzeiterwerbstätigkeit auch für Mütter zu gewährleisten (Dölling 2003; Scheuer und Dittmann 2007). Eine Orientie-rung der Lohnfindung an einer Art Familienlohn war damit in Ostdeutschland obsolet.

2.2 Wandel der Erwerbsstrukturen und Familienformen

Spätestens seit Beginn der 1970er Jahre gerieten die tradierten sozialstaatlichen Leit-bilder des westdeutschen Sozialstaates zunehmend in Widerspruch zu den sozialen Ver-hältnissen. Gesellschaftliche Modernisierung und Individualisierung (Beck 1986) trugen zu einem Anstieg der Frauenerwerbstätigkeit und einem Wandel von Familienformen bei (Peukert 2005). Der im Zuge der Globalisierung steigende Wettbewerbsdruck sowie damit verbundene wirtschaftliche Krisen bedingten eine periodisch ansteigende Arbeits-losigkeit (Brücker et al. 2013). Die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitsformen und der (relative) Rückgang des NAV (Brehmer und Seifert 2008; Keller und Seifert 2011b) sind sowohl der Tertiarisierung und Feminisierung des Arbeitsmarktes (Bosch et al. 2009; Gottschall 2001) als auch den in den 1990er Jahren forcierten politischen Refor-men geschuldet. Letztere wurden insbesondere seit 2003 mit den Gesetzen für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt eingeleitet und sukzessive weitergeführt (Keller und Seifert 2007, 2011a).

Durch die deutsche Wiedervereinigung wurde die Veränderung von Erwerbs- und Sozialstruktur über den „Import“ des in Ostdeutschland dominanten Zweiverdienermo-dells und der dort bereits weiter verbreiteten „neuen“ Familienformen (d. h. Häufigkeit von nicht-ehelichen Geburten oder Alleinerziehenden) forciert (Konietzka und Kreyenfeld 2002). Gleichzeitig setzte sich in Westdeutschland das modernisierte Ernährermodell, also die (männliche) Vollzeit/(weibliche) Teilzeit – Kombination, als dominantes Erwerbsmo-dell in Paarfamilien durch. Obgleich dies partiell auch in Ostdeutschland an Bedeutung gewann, bestehen Ost-West-Differenzen bezüglich der Erwerbspräferenzen von Müttern sowie der Erwerbs- und Familienformen weiterhin fort (Geißler 2011). Auch zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung sind deutlich mehr Mütter in Ostdeutschland erwerbs-tätig als in Westdeutschland und haben eine ausgeprägte Vollzeitorientierung (Kreyenfeld und Geisler 2006). Dies spiegelt sich auch in der Gruppe der Normalarbeitnehmer wider. So lebten im Jahr 2011 31,9 % der westdeutschen männlichen Normalarbeitnehmer mit einer in Teilzeit erwerbstätigen Partnerin zusammen, während die männlichen ostdeut-

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schen Normalarbeitnehmer zu mehr als 30,4 % vollzeiterwerbstätige Partnerinnen haben (siehe Tab. 2 im Anhang). Eine vergangenheitsabhängige Entwicklung vorausgesetzt, ist daher anzunehmen, dass sich die ursprüngliche Verbindung von männlichem Ernährer und NAV vor allem in Westdeutschland fortsetzt und damit eine fortbestehende Ungleich-verteilung des NAV nach Geschlecht oder Haushaltskontext und Region zu erwarten ist.

3 Wandel institutioneller Rahmenbedingungen

3.1 Tarifverhandlungssystem und Lohnentwicklung

Die institutionellen Voraussetzungen der Tarif- und Lohnpolitik wie auch die sozialstaat-lichen Institutionen haben sich seit der Etablierung des westdeutschen Sozialstaats maß-geblich verändert. Es sind sowohl Leistungsabbau als auch Aus- und Umbautendenzen zu beobachten, die im Folgenden mit spezifischem Fokus auf die vergangenen zwanzig Jahre diskutiert werden. Institutionelle Voraussetzung für das Leitbild eines Familienlohns war eine weitgehend zentralisierte Lohnsetzung im Rahmen von Branchen- oder Flächentarif-verträgen, die zwischen repräsentativen und mitgliederstarken Industriegewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ausgehandelt wurden. In Verbindung mit einer als „high-quality, high wage“ charakterisierten Produktionsstrategie (Soskice 1999) wurden in diesem Kontext für Westdeutschland noch über die krisenhafte Entwicklung der 1970er Jahre hinaus stetige Reallohnzuwächse erzielt. Dies ging mit einer nur mittleren bis geringen Einkommensun-gleichheit einher (Esping-Andersen 1990). Seit Ende der 1970er Jahre bis 2004 verlief die Lohnentwicklung weitgehend parallel zur konjunkturellen Entwicklung (Brenke 2009).

Nicht zuletzt verstärkt durch die deutsche Wiedervereinigung ist jedoch spätestens seit Mitte der 1990er Jahre ein merklicher Rückgang der Tarifbindung (gemessen am Anteil aller Arbeitnehmer) wie auch des Zentralisierungsgrades der Tarifverhandlungen zu beobachten. In Westdeutschland fiel die Tarifbindung zwischen 1998 und 2010 von 76 % auf 63 % und in Ostdeutschland von 63 % auf 50 %, auf der sie sich in den vergan-genen Jahren stabilisierte. Der Anteil der Arbeitnehmer, deren Löhne im Rahmen von Branchenvereinbarungen verhandelt wurden, betrug daher 2010 in Westdeutschland nur noch 56 % und in Ostdeutschland 37 % bei entsprechender Zunahme der Firmen- und Hausverträge (WSI-Tarifarchiv 2012).

Der Rückgang der Repräsentativität oder die Dezentralisierung des Tarifverhandlungs-systems ging mit einer seit 2000 bis 2005 rückläufigen und bis 2010 weitgehend stag-nierenden Lohnentwicklung sowie einer zunehmenden Polarisierung der Löhne einher (Antonczyk et al. 2011). Für ausschließlich Vollzeitbeschäftigte ist ein Rückgang oder eine weitgehende Stagnation des realen monatlichen Bruttoeinkommen für die Dekade bis 2010 zu verzeichnen (− 2,1 % beim durchschnittlichen Einkommen; + 1,2 % beim mittleren Einkommen), wobei sich Einkommensverluste zunächst auf die unteren vier Dezile beschränkten. Nach 2005 waren auch die mittleren Einkommen betroffen, sodass allein die überdurchschnittlich Verdienenden durchgehend Einkommensgewinne ver-zeichneten (Brenke und Grabka 2011, S. 12 ff.).

Jenseits der zunehmenden Polarisierung der Löhne insgesamt blieben regionale und geschlechtsspezifische Lohndifferenzen weitgehend bestehen oder verschärften sich. Als

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Ursache wird hier zunächst der negative Lohndrift in Ostdeutschland genannt. Obwohl sich das Tarifniveau in Ostdeutschland dem in Westdeutschland von 86 % in 1996 auf 98,6 % in 2010 weitgehend angenähert hat (WSI-Tarifarchiv 2012), blieben Differen-zen der individuellen Erwerbseinkommen zwischen Ost und West für den Zeitraum 1992–2007 bestehen und wurden mit etwa 20 % beziffert (Brück und Peters 2010, S. 18). Ein wesentlicher Grund dafür ist der in 2010 für Ostdeutschland mit 37 % gegenüber 19 % im Westen deutlich höhere Niedriglohnanteil (Brenke und Grabka 2011). Der soge-nannte Gender Pay Gap (mittlerer Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen) lag für Gesamtdeutschland 2006 bei 24 %, was einen erneuten Anstieg seit 1999 widerspie-gelt (Gartner und Hinz 2009). Auf Betriebs- und Berufsebene sind die entsprechenden geschlechtsspezifischen Differenzen für Vollzeiterwerbstätige in Westdeutschland mit ca. 15 % geringer, aber ebenfalls stabil (Gartner und Hinz 2009), während in Ostdeutschland geschlechtsspezifische Lohndifferenzen generell niedriger sind (Al-Farhan 2010).

Die skizzierte Entwicklung der Tarifpolitik wie auch der Löhne deutet an, dass die für das goldene Zeitalter des westdeutschen Sozialstaats angenommene enge Kopplung zwischen NAV und einem Leistungslohn, der als Grundlage eines „Familienlohns“ fun-giert, erodiert. Dies gilt insbesondere für untere bis mittlere Einkommensgruppen. Zudem stellt die skizzierte Stabilität geschlechtsspezifischer und regionaler Lohndifferenzen eine generelle „Verallgemeinerung“ des Familienlohns in Bezug auf das NAV von Frauen und für Beschäftigte in Ostdeutschland in Frage.

3.2 Steuer- und Sozialabgaben sowie familienbezogene Transfer- und Dienstleistungen

Die allgemeine Abgabenquote in Bezug auf Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge insge-samt ist trotz zeitweiliger Erhöhungen und intern schwankender Anteilskomponenten u. a. im Zuge der Finanzierung der Wiedervereinigung zwischen 1995 und 2008 leicht gesunken (um 3,1 für Ledige und 2,1 für Ernährerfamilien (Tab. 1, Spalte 7 u.8))1. Das zur Stützung des männlichen Ernährermodells und eines Familienlohns im Jahr 1958 eingeführte Ehegatten-splitting blieb ebenso wie die beitragsfreie Mitversicherung von nicht oder nur geringfügig erwerbstätigen Ehepartnern und Kindern weitgehend unverändert erhalten. Der Vergleich der Steuerquote bei mittleren Einkommen von ledigen und verheirateten Arbeitnehmern (Alleinverdiener mit zwei Kindern) zeigt, dass der Splittingvorteil als Differenz der Abga-benlast von 13,6 % im Jahr 1995 auf 11,4 % im Jahr 2009 (Tab. 1 Spalten 3 u.4) zurück-genommen wurde, aber weiterhin erheblich ist. Demnach werden Zweiverdienerpaare mit gleichen Einkommen und Alleinerziehende relativ stärker belastet als Erwerbsmuster ent-lang des Ernährermodells2. Entsprechend wird kritisiert, dass das Ehegattensplitting als

1 Allein der seit 2005 pro Kind um 0,15 % reduzierte Beitrag zur Pflegeversicherung stellt eine Entlastung speziell für Eltern dar (siehe Tabelle).

2 Die Wahl der Steuerklassen (III und V) trägt zu einer ungleichen Verteilung der Steuerlast zwi-schen Ehegatten bei, indem der Splittingvorteil meist beim höheren Einkommen realisiert wird, während das niedrige Einkommen (bspw. im Vergleich zu Ledigen) relativ stärker belastet wird. Dies wird als extremer negativer Anreiz für Vollzeiterwerbstätigkeit von Frauen in Deutschland wahrgenommen (Anxo 2000).

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negativer Anreiz für die Aufnahme eines NAV durch verheiratete Frauen oder Mütter zu sehen ist und eine Umverteilung zu Gunsten von „Besserverdienenden“ beinhaltet3, aber nicht an das Vorhandensein von Kindern knüpft (Dingeldey 2001). Für Lebensformen mit Kindern sind damit allein das Kindergeld oder kinderbezogene Steuerfreibeträge als „echte“ bedarfsorientierte Komponenten des „Familienlohns“ zu sehen.

Während bei der Einführung des Kindergeldes 1954 zunächst ausschließlich kinder-reiche Familien adressiert wurden, erfolgte 1975 ein Umbau zu universellen Kinder-geldleistungen. Durch Urteile des Bundesverfassungsgerichtes Anfang der 1990er Jahre zur Sicherung und steuerlichen Freistellung des Existenzminimums für Kinder, kam es schließlich zu einem massiven Ausbau4 der kinderbezogenen Leistungen zwischen 1995 und 2009, die sich als Ausweitung der bedarfsorientierten Komponente des Familienlohns interpretieren lassen. Dies wirkte sich in dieser Periode durch eine Erhöhung der „Net-to-vom-Brutto“-Relation bei Familienernährern um 10,2 % aus. Der damit verbundene Familienleistungsausgleich bewirkt, dass Familienernährer gegenüber Ledigen in 2009 ein um 26,5 % höheres Netto-vom Brutto-Einkommen haben (Tab. 1, letzte 4 Spalten).

Auch mit dem 2005 ergänzend zum Kindergeld eingeführten Kinderzuschlag für Geringverdiener wurde letztlich die Erosion eines am Markt zu erzielenden Familienlohns

3 Modellrechnungen für 2006 zeigen, dass die progressive Steuerentlastung durch das Ehegatten-splitting bei Alleinverdienern bei Einkommen von 10 000 Euro pro Jahr knapp 440 € beträgt, während es bei 130 000 Euro pro Jahr bis zu 7500 € sind (Gottfried und Witczak 2006, S. 15).

4 Der duale Familienleistungsausgleich beinhaltet seit 1997, dass das (erhöhte) Kindergeld mit Steuerfreibeträgen verrechnet werden kann. Seit 2007 erfolgt eine Besserstellung für das erste und zweite Kind in Höhe von jeweils ca. 700 € über die Steuerfreibeträge ab einem Einkommen der Eltern von 130 000 Euro pro Jahr (Böhmer et al. 2008). Das Kindergeld betrug 2012 184 € monat-lich für das erste und zweite Kind, während der entsprechende Steuerfreibetrag bei 7008 € lag.

Tab. 1: Abzugsquoten und Netto-Brutto-Relation bei Arbeitnehmern. Jahr Brutto-

jahres-entgelt

Lohnsteuer und Soli.-zu-schlag Ledig/verh.a 2 Kinder

Arbeitneh-merbeiträge Ledig/verh.a 2 Kinder

Abgaben insgesamt Ledig/verh.a 2 Kinder

Netto-entgelt im Jahr

Netto vom Brutto

Netto-entgelt im Jahr

Netto vom Brutto

Ledig verh.a 2 Kinderb

in € in % in % in % in € in % in € in %1995 24 031 19,1 5,5 19,6 19,6 38,8 25,2 14 712 61,2 19 210 79,91996 25 079 19,0 6,6 20,3 20,3 39,3 26,9 14 804 60,7 20 293 83,22000 25 479 17,9 5,4 20,6 20,6 38,5 26,0 15 660 61,5 22 161 87,02004 26 332 15,5 3,5 21,1 21,1 36,6 24,5 16 702 63,4 23 571 89,52006 26 765 15,3 3,6 21,6 21,4 37,0 25,0 16 871 63,0 23 775 88,82008 27 827 15,6 4,2 20,2 19,9 35,8 24,1 17 870 64,2 24 812 89,22009 27 728 15,1 3,7 20,6 20,4 35,7 24,1 17 831 64,3 25 184 90,82011c 28 333 13,8 4,3 20,6 20,3 34,4 24,6 18 558 65,6 25 762 90,9aAlleinverdienerbEinschließlich KindergeldcGeschätzt(Quelle: Bundesfinanzministerium (2010), Datensammlung zur Steuerpolitik 2010; zit. nach: Sozialpolitik – aktuell.de)

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eingeräumt. Faktisch zielt der in Höhe von 140 € monatlich pro Kind gewährte Transfer auf das Vermeiden der Hilfebedürftigkeit (im Sinne des Sozialgesetzbuch II) in Gering-verdienerhaushalten allein aufgrund des Bedarfs von (mehreren) Kindern. 2007 wurde der Kinderzuschlag für insgesamt 100 000 Kinder in 36 000 Haushalten gewährt, die überwie-gend ein Nettoeinkommen von über 1600 € erzielten (Böhmer und Steiner 2008, S. 9 f.).

Neben dem Kinderzuschlag spiegeln jedoch insbesondere die Einführung des Eltern-geldes und der Ausbau der Kinderbetreuung einen familienpolitischen Leitbildwechsel in Anlehnung an das Zweiverdienermodell wider. Mit dem seit 2007 gewährten Elterngeld wurde weitgehend anerkannt, dass mittlerweile beide Partner oder Elternteile zu einem am Markt generierten Familieneinkommen beitragen. Entsprechend werden bestimmte Zeiten der Nichterwerbstätigkeit eines Elternteils nach der Geburt eines Kindes durch eine einkommensbezogene Lohnersatzleistung kompensiert.

Der seit Ende der 1990er Jahre forcierte Ausbau der Kinderbetreuung in Westdeutsch-land, ging nicht zuletzt auf eine Angleichung an die deutlich bessere Betreuungssitua-tion in der DDR und die dort etablierten familienpolitischen Leitbilder zurück. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass dieser bis 2011 weder mit Blick auf die 1–3 jährigen Kinder noch hinsichtlich der Ganztagsplätze bedarfsdeckend war (Statistisches Bundesamt 2012). Entsprechend ist weiterhin ein Vorsprung der ostdeutschen Länder vor allem bei der Ganz-tagsbetreuung und der Betreuung der unter Dreijährigen zu konstatieren, der sich auch in regionalen Differenzen der familialen Erwerbsmuster niederschlägt (Ostner 2010).

Insgesamt bleibt damit festzuhalten, dass die partielle Reorientierung des familienpoli-tischen Leitbildes (Henninger et al. 2008) faktisch in der Unterstützung unterschiedlicher Leitbilder mündet (Dingeldey 2006, 2011). Es wird die mit dem männlichen Ernährermo-dell verbundene Idee eines Familienlohns zunehmend durch die Vorstellung eines Fami-lieneinkommens ersetzt, was die Ausweitung des Kindergeldes wie auch die Einführung des Kinderzuschlags und die Förderung der Beschäftigungsfähigkeit von Frauen signa-lisiert. Es ist daher zu erwarten, dass sowohl familienbezogenen Sozialtransfers als auch Partnereinkommen eine wachsende Bedeutung für das Erreichen des Existenzminimums in Haushalten von Normalarbeitnehmern haben. Im folgenden soll daher für verschiedene Gruppen von Normalarbeitnehmern (differenziert nach Region und Geschlecht) unter-sucht werden, inwiefern das Markteinkommen weiterhin einen potenziellen Familienlohn beinhaltet und unter welchen Bedingungen die Armutsgrenze in den tatsächlichen Haus-haltskontexten überschritten wird.

4 Daten, Methode und Hypothesen

4.1 Daten und Operationalisierung

Aus den Daten des SOEP5 wird eine Substichprobe für Normalarbeitnehmer für die Jahre 1995 bis 2011 generiert. Ein Normalarbeitnehmer ist eine Person, die einer nicht-selb-

5 Das SOEP ist eine jährliche, seit 1984 existierende, repräsentative Wiederholungsbefragung von Privathaushalten in Deutschland. Die Substichprobe der Hocheinkommensbezieher wird für die Analysen nicht berücksichtigt. Es werden die Querschnitthochrechnungsfaktoren des

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ständigen Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht und einen unbefristeten Arbeitsvertrag hat. Die Analysen beschränken sich zudem auf 25- bis 64-jährige Personen, die in Privathaus-halten in Deutschland leben. Entsprechend dieser Selektion ergibt sich für den kompletten Untersuchungszeitraum eine (ungewichtete) Fallzahl von 93 812 Untersuchungseinhei-ten (9521 ostdeutsche Frauen; 14 395 ostdeutsche Männer; 20 659 westdeutsche Frauen; 49 237 westdeutsche Männer). Ein Überblick über die Verteilung zentraler demografischer Merkmal der Untersuchungsgruppe für das Jahr 2011 befindet sich im Anhang (Tab. 2).

Mit Blick auf die Frage, inwiefern Normalarbeitnehmer einen Familienlohn erzielen, muss erneut konstatiert werden, dass es keinerlei eingeführte oder standardisierte Opera-tionalisierung gibt, sodass weder die Größe der zu versorgenden Familie noch das Niveau eines angemessenen Lebensstandard näher bestimmt ist. Die im Folgenden an der „Über-windung der Armutsgrenze“ orientierten Operationalisierungen können daher als unterste Grenze für das Erreichen eines Familienlohns und damit als vergleichsweise konservativer Test angesehen werden, da anzunehmen ist, dass in der ursprünglichen Konzeption auf die Teilhabe am sozio-kulturellen Lebensstandard der gesellschaftlichen Mitte abgezielt wurde.

Es wird zunächst das Familienlohnpotenzial untersucht, indem die Höhe der jähr-lichen Armutsgrenze für verschiedene Modellfamilien (1 Erwachsener, 1 Kind oder 2 Erwachsene, 2 Kinder) definiert und auf die von Normalarbeitnehmern erzielten Brutto-löhne bezogen wird. Damit lässt sich die Lohnentwicklung in ihrer Differenzierung für die verschiedenen Gruppen mit Blick auf Familienbedarfe ohne Verzerrungen durch das Steuersystem nachzeichnen. Als Indikator für das Bestehen eines Familienlohns muss die Referenz auf den Bruttolohn jedoch als „doppelt konservativ“ angesehen werden, da das tatsächliche Einkommen nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben trotz bedarfsorien-tierter Kindergeldleistungen deutlich geringer wäre.

In einem weiteren Analyseschritt untersuchen wir das Überschreiten der Armuts-schwelle mit Bezug auf die realen Haushaltskontexte der Normalarbeitnehmer. Wir konzentrieren uns auf Zeitreihen der Einkommensentwicklung und Armutsgefährdung für verschiedene Gruppen, differenziert nach Region und Geschlecht, um die unter-schiedliche Höhe individueller Löhne als auch unterschiedliche Einflüsse abnehmender Haushaltsgrößen oder von Partnereinkommen für diese Gruppen zeigen zu können. In diesem Schritt werden alle Haushalte von Normalarbeitnehmern berücksichtigt, also auch Singles und kinderlose Paare. Der hohe Anteil an „Kinderlosen“ in der Stichprobe (vgl. Abb. 2, Tab. 2) ist zu relativieren, da diese Gruppe auch Eltern mit Kindern über 16 Jahren einschließt, die statistisch jedoch nur bis zum Alter von 16 Jahren als Kinder im Haushalt erfasst werden. Die entsprechende Wahl der Stichprobe ermöglicht es, sowohl die Veränderung der Haushaltsgröße oder -zusammensetzung als auch die Veränderung der Bedeutung von Transfers oder weiterer Einkommen im Haushalt im Zeitverlauf als eine mögliche „Kompensation“ sinkender individueller Löhne zu betrachten. Es kann allerdings zu spezifischen Wechselwirkungen kommen, sodass beispielsweise die Bedeu-

SOEPs genutzt. Die Darstellung der Trends in den deskriptiven Graphiken basiert auf der Berechnung gleitender Mittelwerte von jeweils t − 2 bis t + 2. Der Beginn der Untersuchung im Jahr 1995 wurde gewählt, um die unmittelbar durch die deutsche Wiedervereinigung bedingten Bewegungen am Arbeitsmarkt und bei den Einkommen auszuschließen und gleichzeitig eine möglichst langfristige Beobachtung des gesamtdeutschen Arbeitsmarktes zu gewährleisten.

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tung familienbezogener Transfers abnimmt, obgleich diese nominell gestiegen sind, weil kinderlose Haushalte oder Single-Haushalte zunehmen.

Um dezidiert auf das Vorhandensein eines Familienlohns im Sinne einer Armuts-vermeidung für Familienhaushalte (Paarhaushalt mit mindestens einem Kind) bei den verschiedenen Gruppen der Normalarbeitnehmer eingehen zu können, wird auf bereits vorliegende Ergebnisse zu den Armuts(risiko)quoten nach Familienformen verwiesen. Diese basieren auf gepoolten Daten des SOEP von 2005–2011 für Normalarbeitnehmer mit mittlerem Qualifikationsniveau (Berninger und Dingeldey 2013).

Bezüglich der verschiedenen Stufen im Einkommensverteilungsprozesses orientie-ren wir uns an Strengmann-Kuhn (2003) sowie Andreß und Seeck (2007), ohne jedoch das entsprechende Studiendesign exakt nachzuvollziehen. Entsprechend wird zunächst der individuelle Bruttolohn (Stufe 1) als am Markt generiertes Einkommen vor Steu-ern, der Nettolohn (Stufe 2), als am Markt generiertes Einkommen nach Steuern und Sozialabgaben, bedarfsgewichtet im Haushaltskontext betrachtet. Ziel ist es, jeweils die Armutsgefährdung anhand der Armutsrisikoquote für die verschiedenen Stufen des Ein-kommensverteilungsprozesses zu ermitteln. Schließlich lässt sich zeigen, inwiefern der individuelle Nettolohn eines Normalarbeitnehmers plus bedarfsorientierte familienbezo-gene Transfers ausreicht, um den Haushalt über die Armutsschwelle zu bringen (Stufe 3). Im Übergang zu Stufe 4 kann deutlich gemacht werden, inwiefern Haushalte von Normalarbeitnehmern auf Partnereinkommen angewiesen sind, um aus Armut „aufzu-steigen“. Als Basis für die Ermittlung der tatsächlichen Armutsquote wird dann für Stufe 5 das disponible Haushaltseinkommen herangezogen, bei dem alle Einkommen (auch Einkommen weiterer Haushaltsmitglieder wie erwachsener Kinder oder Unterhaltsleis-tungen) sowie weitere Transfers herangezogen werden (exakte Definitionen zu Einkom-mensarten siehe Tab. 3 im Anhang).

Die Armutsgrenze wird nach der gängigen Definition berechnet, wonach eine Person als arm gilt, wenn sie in einem Haushalt lebt, „dessen äquivalenzgewichtetes Haushalts-einkommen unterhalb von 60 % des Medians aller äquivalenzgewichteten Haushaltsein-kommen liegt“ (Andreß und Seeck 2007, S. 460; vgl. auch Lohmann und Gießelmann 2010, S. 8). Zur Berechnung des Medians wird das monatliche disponible Haushaltein-kommen herangezogen. Dazu werden die im SOEP zur Verfügung stehenden imputierten monatlichen Haushaltsnettoeinkommen verwendet6. Haushaltseinkommen und Armuts-grenze werden für jedes Jahr berechnet. Das Äquivalenzgewicht basiert auf der modifi-zierte OECD-Skala, ein Haushaltsmitglied, welches älter als 15 Jahre ist, wird mit einem Gewicht von 1, jedes weitere Haushaltsmitglied ab 15 Jahren mit einem Gewicht von 0,5 und Haushaltsmitglieder bis 15 Jahren mit einem Gewicht von 0,3 berücksichtigt7.

6 Die Angaben beruhen auf der folgenden Frage: „Wenn man alle Einkünfte zusammennimmt: Wie hoch ist das monatliche Haushaltseinkommen aller Haushaltsmitglieder heute? Bitte geben Sie den monatlichen Nettobetrag an, also nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben. Regel-mäßige Zahlungen wie Wohngeld, Kindergeld, BAföG, Unterhaltszahlungen usw. rechnen Sie bitte dazu! Falls nicht genau bekannt: Bitte schätzen Sie den monatlichen Betrag.“

7 Bei einer Armutsgrenze für Singles von 909 € im Jahr 2011 ergeben sich folgende Armutsgren-zen für die Modellfamilien: 1182 € für einen Erwachsenen mit einem Kind und 1909 € für zwei Erwachsene mit zwei Kindern.

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4.2 Methodisches Vorgehen und Hypothesen

Die in Abschn. 3 skizzierten Entwicklungen der Erwerbs- und Haushaltsformen sowie der Tarif-, Familien-, Steuer- und Sozialabgabenpolitik und die formulierten Erwartungen deuten jeweils unterschiedlich positive oder negative Wirkungen mit Blick auf das Erzie-len eines Familienlohns oder die Armutssicherung von Normalarbeitnehmern an. Zudem sind gruppenspezifische Effekte nach Geschlecht und Region zu erwarten. Vor diesem Hintergrund werden die nachfolgenden Analysen schrittweise aufgebaut und jeweils für vier Gruppen differenziert: Männer und Frauen, jeweils in Ost- und Westdeutschland. Hypothesen werden entlang der verschiedenen Schritte sowohl hinsichtlich der Entwick-lung im Zeitverlauf oder des (relativen) Niveaus als auch mit Blick auf mögliche grup-penspezifische Unterschiede formuliert.

In einem ersten Schritt wird die Frage nach der Verbreitung des NAV sowie den Haus-haltskontexten von Normalarbeitnehmern im Zeitverlauf für die verschiedenen Gruppen anhand der hier ausgewählten Stichprobe beantwortet. Aufgrund der vorangegangenen Ausführungen kann angenommen werden, dass die skizzierte historische Verbindung von NAV und männlichem Ernährermodell oder die vergangenheitsabhängige Entwicklung aktueller Erwerbsmuster dazu beiträgt, dass das NAV weiterhin selektiv, d. h. am häu-figsten unter westdeutschen Männern und am wenigsten häufig bei westdeutschen Frauen verbreitet ist (H1). Während Männer durchgehend im NAV beschäftigt sind, dürfte das NAV im Lebenslauf vor allem der westdeutschen Frauen primär jenseits der Familien-phase Bedeutung haben, sodass zu erwarten ist, dass weibliche Normalarbeitnehmer häufiger in kleinen Haushalten leben, d. h. in Single oder Paarhaushalten ohne Kinder (H1.1). Aufgrund der in Ostdeutschland deutlich stärkeren Orientierung auch der Mütter an der Vollzeiterwerbstätigkeit werden entsprechende geschlechtsspezifische Differenzen sowohl bei der Verbreitung des NAV als auch bei der Haushaltsgröße dort in deutlich geringerer Ausprägung erwartet (H1.2).

Im zweiten Schritt wird die Frage nach dem Erzielen eines Familienlohns im NAV anhand des Familienlohnpotenzials der individuellen Bruttolöhne von Normalarbeit-nehmern untersucht. Es wird geprüft, ob diese einen für verschiedene Modellfamilien errechneten Bedarf decken könnten. Aufgrund der oben skizzierten Entwicklung der Tarif- und Lohnpolitik sowie deren regionale und geschlechtsspezifischen Effekten ist anzunehmen, dass der Anteil der Normalarbeitnehmer, die einen solchen potenziellen Familienlohn nicht erzielen, im Zeitverlauf bei allen vier Gruppen des deutschen Arbeits-marktes zunimmt (H2). Ferner dürfte ein solcher Familienlohn im Osten seltener als im Westen sein (H2.1) und innerhalb der Regionen von Frauen seltener als von Männern erwirtschaftet werden (H2.2).

Mit den nächsten Analyseschritten wird die Überwindung der Armutsrisikogrenze mit Bezug zu den konkreten Bedarfen in den Haushalten der Normalarbeitnehmer entlang der oben skizzierten Stufen im Prozess der Einkommensentstehung untersucht. Erwartet wird, dass die anhand der individuellen Bruttolöhne (Stufe 1) auf der Basis der kon-kreten Haushaltsbedarfe ermittelten Armutsrisikoquoten deutlich geringer sind als die in Bezug auf die potenziellen Bedarfe der oben skizzierten vierköpfigen Modellfamilien, da insbesondere weibliche Normalarbeitnehmer keine entsprechend großen Familien zu versorgen haben (H3). Entsprechend wird davon ausgegangen, dass sich verschiedene

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Trends, wie sinkende Löhne einerseits und die Verringerung der Haushaltsgrößen, und damit der Bedarfe andererseits, tendenziell gegenseitig „aufheben“, sodass letztlich eine weitgehend stabile Entwicklung der Armutsrisiken auf Basis der Bruttolöhne erwartet wird (H3.1). Allein die Differenzierung nach Gruppen dürfte sich als weitgehend bestän-dig zeigen, sodass westdeutsche Männer die beste und ostdeutsche Frauen dauerhaft die schlechteste Position einnehmen sollten (H3.2).

Im Vergleich zu den Bruttolöhnen (Stufe 1) sind aufgrund der dargestellten hohen Abgabenquoten deutlich höhere Armutsrisikoquoten mit Bezug zu den bedarfsgewichte-ten Nettolöhnen (Stufe 2) zu erwarten (H4). Aufgrund der geschlechtsspezifisch selekti-ven Wirkung des Ehegattensplittings davon auszugehen, dass (verheiratete) Männer von relativ höheren Nettolöhnen als (verheiratete) Frauen profitieren, sodass sie im Vergleich der Brutto- und Nettolöhne ihre relative Position bei den Armutsrisikoquoten verbessern (H4.1). Gleichzeitig ist anzunehmen, dass die im Zeitverlauf sinkende Abgabenlast und die sinkenden Haushaltsgrößen einen wachsenden Kompensationseffekt gegenübe sin-kenden Löhnen bewirken. Entsprechend ist auch auf dieser Stufe eine insgesamt eher geringe Dynamik der Armutsrisikoquoten im Zeitverlauf zu erwarten (H4.2).

Auf Stufe 3 des Einkommensentstehungsprozesses werden die individuellen Netto-löhne plus familienbezogene Transfers als Basis für die Berechnung der Armutsrisiko-quoten herangezogen. Im Vergleich zur vorangegangenen Stufe ist daher ein durchgängig niedrigeres Niveau der Armutsrisikoquoten zu erwarten (H5). Wenn nicht nur das NAV selektiv ist, sondern auch dessen Verbindung mit dem Familienlohn, sollte die überwie-gende Mehrheit der westdeutschen Männer auf dieser Stufe mehrheitlich die Armuts-schwelle für ihren Haushaltskontext überschreiten, während ostdeutsche Frauen und Männer sowie westdeutsche Frauen ein deutlich höheres Armutsrisiko aufweisen sollten (H5.1). Da die Kinderlosigkeit zunimmt, aber bei den verschiedenen Gruppen der Nor-malarbeitnehmer variiert, sollten „Ausstiege aus Armut“ durch familienbezogene Trans-fers insgesamt abnehmen oder nach Gruppen differieren (H5.2).

Stufe 4 des Einkommensverteilungsprozesses berücksichtigt zusätzlich die Erwerbs-einkommen der Partner. Entsprechend ist im Vergleich zur vorangegangenen Stufe ein insgesamt nur noch geringes Niveau der Armutsrisikoquoten anzunehmen. Da nun die geschlechtsspezifisch und regional differenten Erwerbsmuster in den Paarhaushalten zum Tragen kommen, sollten sich gruppenspezifische Differenzen nivellieren (H6), sodass die in Ostdeutschland wie auch bei den westdeutschen Frauen im NAV niedrigeren individu-ellen Erwerbseinkommen durch Partnereinkommen im Rahmen des Zweiverdienermo-dells kompensiert werden. Es ist davon auszugehen, dass ostdeutsche Frauen, gefolgt von den ostdeutschen Männern und westdeutsche Frauen, die höchsten Ausstiegsquoten aus Armut durch das Einkommen ihres Partners/ihrer Partnerin aufweisen (H6.1). Aufgrund der sinkenden Haushaltsgrößen oder der Zunahme von Singles oder Alleinerziehenden könnte sich im Zeitverlauf dennoch die Bedeutung der Partnereinkommen für den Aus-stieg aus Armut verringern (H6.2).

Wenn auf Stufe 5 des Einkommensverteilungsprozesses weitere Transfers und (Erwerbs-)Einkommen (z. B. Löhne von erwachsenen Kindern und/oder Unterhaltszah-lungen) berücksichtigt werden, um anhand des disponiblen Haushaltseinkommens die Armutsquote zu ermitteln, dürften nur noch wenige Normalarbeitnehmer „in Armut ver-bleiben“ (H7). Im Zeitverlauf wird jedoch aufgrund steigender Niedriglohnanteile eine

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wachsende Bedeutung eines Einkommensmix (individuelles Einkommen plus Transfers plus Partnereinkommen) für das Überschreiten der Armutsgrenze erwartet (H7.1), die allerdings in Ostdeutschland stärker als in Westdeutschland und jeweils in den Haushal-ten der weiblichen Normalarbeitnehmer stärker als in denen der männlichen ausgeprägt sein sollte, wenn primär die individuellen Erwerbseinkommen der männlichen Normal-arbeitnehmer im Westen die Familienlohntradition widerspiegeln (H 7.2).

Der Verweis auf Armuts(risiko)quoten ausschließlich für Familienhaushalte (Paar-haushalte mit mindestens einem Kind) soll dann nochmals dezidiert Aufschluss über die Existenz eines Familienlohns bei den verschiedenen Gruppen von Normalarbeitnehmern geben. Trotz der für Familien höheren Bedarfe, werden im Vergleich mit den Normal-arbeitnehmern, aufgrund der oben ausgeführten Kompensationsannahmen bezüglich Partnereinkommen und Sozialtransfers keine höheren Armutsquoten erwartet.

5 Ergebnisse

5.1 Selektivität des NAV und Entwicklung der Haushaltskontexte

Zunächst kann bestätigt werden (H1), dass Frauen seltener als Männer in einem NAV beschäftigt sind, und dass dies in deutlich stärkerem Umfang für Westdeutschland als für Ostdeutschland gilt. Während 1995 in der Altersgruppe der 25–64 Jährigen etwa 80 % aller erwerbstätigen Männer in einem NAV beschäftigt sind, trifft dies nur auf 60 % der ostdeutschen Frauen und auf weniger als 50 % der westdeutschen Frauen zu8. Bei den Männern sinkt der Anteil zum Ende des Analysezeitraums in 2011 nur um wenige Pro-zentpunkte auf 77 % im Westen und 71 % im Osten. Der entsprechende Rückgang bei den Frauen ist deutlich stärker. Insbesondere im Osten sehen wir einen Rückgang im selben Zeitraum um 14 % auf 46 % im Jahr 2011. Im Westen erfolg eine Verminderung um nur 9 % auf 40 % in 2011 (siehe Abb. 1). Nimmt man als Bezugsgruppe nicht die erwerbs-tätigen, sondern die erwerbsfähigen Personen der Altersgruppe der 25–64 Jährigen, ergibt sich bei den Männern jeweils eine nur leichte Abnahme des NAV. Vor allem bei den west-deutschen Frauen ist dann im Zeitverlauf kaum eine Veränderung zu finden, und bei den ostdeutschen Frauen ist der Rückgang deutlich geringer (4 % vs. 14 %). Dies bestätigt, dass die gesteigerte Arbeitsmarktintegration von Frauen vor allem im Westen primär über Teilzeit erfolgte. Auffällig ist allerdings, dass sich in der Gruppe der Erwerbstätigen die Anteile an Normalarbeitnehmern zwischen West und Ost kaum unterscheiden, während sich bei den Erwerbsfähigen ein Abstand von 7 % bis 11 % ergibt. Dies wiederum ist hauptsächlich der hohen Arbeitslosenquote im Osten geschuldet.

Die starke Selektivität des NAV nach Geschlecht gibt einen ersten Anhaltspunkt für die nach Gruppen differente Kontinuität oder Phasierung des NAV im Lebensverlauf und auch die damit verbundenen unterschiedlichen Haushaltskontexte. Es bestätigt sich für die hier untersuchten Normalarbeitnehmer in den Jahren 1995–2011 der demografische Trend hin zu weniger Kindern und mehr Single-Haushalten, d. h. zu insgesamt kleine-

8 Die Bezugsgruppe der Erwerbstätigen ist definiert als alle Beschäftigten, einschließlich Perso-nen in Ausbildung und geringfügig Beschäftigten plus Selbständigen.

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ren Haushalten. Die vier betrachteten Gruppen unterscheiden sich jedoch erheblich im Niveau der Kennwerte. Am extremsten setzen sich die westdeutschen Normalarbeitneh-merinnen von den anderen Gruppen ab. Über 80 % dieser Frauen sind kinderlos, was sich in der sehr niedrigen mittleren Kinderzahl von 0,2 Kindern ausdrückt. Zudem lebten ab dem Jahr 2001 nicht einmal die Hälfte der westdeutschen Normalarbeitnehmerinnen mit einem Partner in einem gemeinsamen Haushalt (siehe Abb. 2). Dies bestätigt die Annahme (H1.1), dass vor allem westdeutsche Frauen ohne Kinder oder jenseits der Familienphase ein NAV haben und damit in den durchschnittlich kleinsten Haushalten leben. Dagegen zeichnet sich die Gruppe der westdeutschen Männer im NAV durch die höchste mittlere Kinderzahl (einschließlich des geringsten Anteils an Kinderlosen ab dem Jahr 2000) sowie den höchsten Anteil von Partnerhaushalten aus. Das männliche NAV erscheint hier weiterhin als Basis für die Familiengründung. Für Ostdeutschland bestätigt sich die in H.1.2 angenommene, geringe geschlechtsspezifische Varianz bei der Haushaltszusammensetzung (nur leicht höhere Anteile von Kinderlosigkeit und Single-Haushalten bei Frauen im Vergleich zu Männern), die dafür spricht, dass Mutterschaft in Ostdeutschland weiterhin deutlich häufiger als im Westen als mit einem NAV „ver-einbar“ gelebt wird. Hier dürfte auch das regional unterschiedlich ausgebaute Kinder-betreuungsangebot Wirkung zeigen. Die zunehmende geschlechtsspezifische Varianz bei der Verbreitung des NAV im Osten könnte u. a. mit der Zunahme unfreiwilliger Teilzeit zusammenhängen (Heineck und Bujard 2012).

Abb. 1: Anteil an Normalarbeitnehmern nach Geschlecht und Region (Jahre 1995–2011). (Quelle: SOEP (1995–2011), eigene gewichtete Berechnungen)

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5.2 Normalarbeitsverhältnis und Familienlohnpotenzial

Im Folgenden wollen wir unabhängig von den realen Haushaltskontexten prüfen, ob die im NAV erzielten Erwerbseinkommen potenziell ausreichen würden, um den Mindest-bedarf für eine Familie zu gewährleisten. Da es keine „Standardfamilie“ gibt, errechnen wir anhand der oben erläuterten Bedarfsgewichtung der modifizierten OECD-Skala auf der Basis der jährlichen Armutsgrenze die Bedarfe für zwei Modellfamilien. Es sollen 1) Alleinerziehende als ein Erwachsener mit einem Kind und 2) Paarfamilien als zwei Erwachsene mit zwei Kindern repräsentiert werden. Ausgewiesen wird dann, welche Gruppen der Normalarbeitnehmer einen Bruttolohn erzielen, der den Mindestbedarf der entsprechenden Modellfamilien unterschreitet und damit ein potenzielles Armutsrisiko anzeigt. Es gilt zu berücksichtigen, dass es sich um eine doppelt konservative Operatio-nalisierung eines potenziellen Familienlohns (anhand der Armutsgrenze und in Bezug auf das Bruttoeinkommen) handelt.

Wie Abb. 3 zeigt, unterscheidet sich das Niveau der potenziellen Armutsquoten erheb-lich aufgrund des mit der Größe der angenommenen Modellfamilien einhergehenden Bedarfs. Der vergleichsweise geringe Bedarf von einem Erwachsenen und einem Kind kann auch im Zeitverlauf von weitgehend allen Normalarbeitnehmern gedeckt werden. Allein bei über 5 % der ostdeutschen Normalarbeitnehmerinnen würde das Bruttoein-kommen je nach Jahr nicht ausreichen, um sich selbst und ein Kind unter 16 Jahren im Haushalt zu versorgen.

Abb. 2: Entwicklung der Paarhaushalte und der mittleren Kinderzahl bei Normalarbeitnehmern nach Ge-schlecht und Region (1995–2011). (Quelle: SOEP 1995–2010, eigene gewichtete Berechnungen)

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Mit Blick auf den Bedarf einer vierköpfigen Modellfamilie zeigt sich allerdings, dass ein im Zeitverlauf abnehmendes und für die verschiedenen Gruppen des deut-schen Arbeitsmarktes deutlich unterschiedliches Familienlohnpotenzial vorhanden ist (H2). Das geringste Familienlohnpotenzial haben die ostdeutschen weiblichen Normal-arbeitnehmer, die ab dem Jahr 2000 zu mehr als 30 % einen Bruttolohn erzielen, der den Bedarf einer vierköpfigen Familie nicht decken würde. Für die männlichen ostdeutschen Normalarbeitnehmer trifft dies auf 20 % zu. Bei den westdeutschen weiblichen Normal-arbeitnehmern wären in dieser Konstellation über 10 % arm. Allein die männlichen west-deutschen Normalarbeitnehmer verfügen fast alle über ein Bruttoeinkommen, welches ausreicht, um eine vierköpfige Familie vor Armut zu schützen, obgleich auch in dieser Gruppe im Zeitverlauf ein leichter Rückgang zu verzeichnen ist. Damit kann festgehal-ten werden, dass die Normalarbeitnehmer im Osten deutlich seltener einen potenziellen Familienlohn erreichen als im Westen (H2.1) und in beiden Landesteilen Frauen seltener in der Lage wären, mit ihrem Bruttoerwerbseinkommen eine Familie über die Armuts-grenze zu bringen als Männer (H2.2). Es dürfte sich insbesonders für Ostdeutschland die aufgezeigte geringe Tarifdeckung und auch der negative Lohndrift als Verringerung des Familienlohnpotenzials niederschlagen. Entsprechend würde die höhere Tarifdeckung und das generell höhere Lohnniveau der westdeutschen Normalarbeitnehmer, und insbe-sondere das der Männer, das dort weiterhin vorhandene vergleichsweise hohe Familien-lohnpotenzial erklären.

Abb. 3: Anteil an armen Normalarbeitnehmern mit Modellfamilien auf Basis der Bruttolöhne. (Quelle: SOEP (1995–2011), eigene gewichtete Berechnungen)

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Das Vorhandensein oder Fehlen eines potenziellen Familienlohns sagt jedoch nichts über die Dynamik der tatsächlichen Armutsgefährdung in den Haushalten von Normal-arbeitnehmern. Im Folgenden wird daher die Einkommenssituation der Normalarbeit-nehmer auf Basis der realen Haushaltskontexte untersucht.

5.2.1 Stufe 1 und 2: Armutsgefährdung auf der Basis individueller bedarfsgewichteter Erwerbseinkommen

Abbildung 4 zeigt, ob Normalarbeitnehmer arm wären, wenn sie auf Grundlage ihres Brutto- oder Nettoeinkommens alle Mitglieder ihres Haushaltes zu versorgen hätten. Ver-gleicht man die anhand der Bruttolöhne für die vierköpfige Modellfamilie ermittelten potenziellen Armutsquoten mit denen für die konkreten Haushaltskontexte von Normal-arbeitnehmern auf dieser Basis ermittelten Armutsrisikoquoten, ist das Niveau, wie mit H3 erwartet, in der Tat deutlich niedriger. Viele Normalarbeitnehmer, insbesondere aber Frauen in Westdeutschland, leben in kleineren Haushalten oder als Singles, sodass ihr Einkommen, auch wenn es einem potenziellen Familienlohn nicht entspricht, im tatsäch-lichen Haushaltskontext nicht armutsgefährdend ist. Damit scheinen die im Zeitverlauf sinkenden Haushaltsgrößen tatsächlich die ebenfalls sinkenden Erwerbseinkommen zu „kompensieren“, sodass die Armutsrisikoquoten auf Basis der individuellen Bruttoein-kommen im Zeitverlauf weitgehend stabil bleiben (H3.1). Wie in H3.2 erwartet, verän-

Abb. 4: Armutsgefährdung von Normalarbeitnehmern auf Basis bedarfsgewichteter Brutto- und Nettolöhne. (Quelle: SOEP (1995–2011), eigene gewichtete Berechnungen)

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dert die Berücksichtigung der realen Haushaltsgröße oder deren Dynamik jedoch nicht die relative Position der verschiedenen Gruppen. So bleibt die Armutsgefährdung auf Basis des individuellen Bruttolohns bei den ostdeutschen Normalarbeitnehmern stärker als bei den Westdeutschen, und die Frauen sind im Vergleich zu den Männern jeweils stärker gefährdet.

Es bestätigt sich, dass die Armutsrisikoquoten bei den bedarfsgewichteten Nettolöhnen deutlich höher als bei den Bruttolöhnen liegen (H4). Die mit Blick auf die bedarfsgewich-teten Nettoeinkommen aufgrund des Ehegattensplittings erwartete relative Verbesserung der Position der Männer gegenüber den Frauen (H4.2) wird ebenfalls bestätigt. Nicht zutreffend ist allerdings die mit H4.2 formulierte Annahme, dass verschiedene Einflüsse, wie sinkende Löhne, begleitet von sinkenden Abgaben und zunehmend kleineren Haus-halten, für alle Gruppen insgesamt eine Stabilisierung der Armutsrisikoquoten bewirken. In Ostdeutschland sind sinkende Armutsrisikoquoten in Bezug auf die Nettolöhne seit der Jahrtausendwende zu beobachten. Dies deutet an, dass sich hier noch stärker als im Westen sinkende Haushaltsgrößen niederschlagen. Darüber hinaus könnten auch die hier generell geringeren Einkommen im Zeitverlauf stärker von Abgaben- und Steuersenkun-gen profitierten als mittlere bis höhere Einkommen der westlichen Normalarbeitnehmer.

5.2.2 Stufe 3: Armutsgefährdung auf Basis des Nettoeinkommens plus familienbezogener Transfers

Wie erwartet, ist die Armutsgefährdung der Normalarbeitnehmer auf Basis des Nettoein-kommens eines Alleinverdieners plus familienbezogene Transferleistungen (vgl. Abb. 5) geringer als beim bedarfsgewichteten Nettolohn (H5). Die mit H5.1 vermutete Selektivi-tät hinsichtlich der Verbindung des NAV mit einem Familienlohn bestätigt sich an dieser Stelle insofern, als 2011 vor allem westdeutsche Männer ihren jeweiligen Haushalt noch zu etwa 90 % vor Armut schützen können, während dies je nach Jahr, zwischen 30 und 40 % der Männer und über 4 % der Frauen in Ostdeutschland wie auch bei über 20 % der westdeutschen Frauen nicht gelingt. Die Abbildung rechts zeigt zudem, dass aufgrund der Ausweitung der familienbezogenen Transferleistungen allein im Westen im Zeitverlauf die Ausstiege aus Armut zunehmen, während sie im Osten abnehmen. Hier schlägt sich wiederum die sinkende Haushaltsgröße im Osten aufgrund abnehmender Kinderzahlen nieder, weshalb die Haushalte in geringerem Umfang von den (steigenden) familienbezo-genen Transfers profitieren, womit auch H 5.2 bestätigt ist.

5.2.3 Stufe 4: Armutsgefährdung unter Berücksichtigung des Partnereinkommens

Unter Berücksichtigung der Partnereinkommen reduziert sich, wie in H6 formuliert, die Armutsrisikoquote bei allen Gruppen auf weniger als 20 % und auch die gruppenspezi-fischen Differenzen verringern sich maßgeblich. Es bestätigt sich (H6.1), dass der hohe Anteil von weiblichen und männlichen Normalarbeitnehmern in Ostdeutschland mit nied-rigem individuellem Einkommen über das Partnereinkommen „abgesichert“ wird. Ent-sprechend führt das Zweiverdienermodell sowohl in Ostdeutschland als auch vor allem bei den westdeutschen Frauen zu vergleichsweise hohen Ausstiegsquoten aus Armut. Der in H6.2 angenommene Trend abnehmender Ausstiege durch Partnereinkommen aufgrund

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Abb. 5: Armutsgefährdung auf Basis des Nettoeinkommens von Normalarbeitnehmern plus familienbezogener Transfers (bedarfsgewichtet). (Quelle: SOEP (1995–2011), eigene gewichtete Berechnungen)

Abb. 6: Armutsgefährdung auf Basis der (bedarfsgewichteten) Nettoeinkommen beider Partner. (Quelle: SOEP (1995–2011), eigene gewichtete Berechnungen)

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steigender Partnerlosigkeit zeigt sich nur für westdeutsche Frauen sowie in Ostdeutsch-land und geht mit steigenden Armutsrisikoquoten im Zeitverlauf einher. Westdeutsche Männer im NAV weisen dagegen zunehmende Ausstiegsquoten auf. Dies deutet an, dass westdeutsche Männer, die auf Basis der individuellen Löhne (plus Transfers) armuts-gefährdet sind, zunehmend mit Hilfe des Einkommens der Partnerin die Armutsschwelle überschreiten (Abb. 6).

5.2.4   Stufe 5: Auflösung der Armutsgefährdung auf Basis verfügbarer Haushaltseinkommen

Die Auflösung von Armut bei Normalarbeitnehmern lässt sich anhand der letzten Stufe des Einkommensentstehungsprozesses, also der Ermittlung der Armutsquoten auf Basis des bedarfsgewichteten disponiblen Haushaltseinkommens (Standardverfahren zur Ermittlung der Armutsquoten) nachweisen, ist aber in Bezug auf die hier untersuchten Gruppen zu differenzieren. Hier haben wir mit Abb. 7 und 8 eine Darstellung in Balken-diagrammen gewählt, um die Relevanz der verschiedenen Einkommensarten für die ver-schiedenen Gruppen der Normalarbeitnehmer zusammenfassend analysieren zu können. Die Entwicklung im Zeitverlauf wird anhand der jeweiligen Daten von 1995 und 2011 verkürzt dargestellt.

Abb. 7: Überwindung der Armutsgefährdung mittels verschiedener Einkünfte (Westdeutschland). (Quelle: SOEP (1995–2011), eigene gewichtete Berechnungen)

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Zunächst lässt sich die Annahme, dass Normalarbeitnehmer auf Basis des disponiblen Haushaltseinkommens (alle Einkommensarten und Transfers, bedarfsgewichtet) kaum von Armut betroffen sind (H7), mit der für 2011 ermittelten Armutsquote der Normal-arbeitnehmer von 3,6 % bestätigen. Diese Armutsquote differenziert sich allerdings nach Geschlecht und insbesondere nach Region: In Ostdeutschland sind 4,2 % der Frauen und 5 % der Männer im Normalarbeitsverhältnis arm. In Westdeutschland sind es lediglich 3,6 % der Frauen und 3,1 % der Männer. Dagegen kann die angenommene Dynamik, dass die Bedeutung der individuellen Erwerbseinkommen beim Überwinden der Armuts-grenze abnimmt (H7.1), nicht bestätigt werden. Die Effekte sinkender Löhne, die ein-gangs anhand der Entwicklung des potenziellen Familienlohns dargelegt wurden, werden hier offenbar durch die demografischen Entwicklungen, wie sinkende Haushaltsgrößen, überlagert, wobei die Zunahme von Singles hervorsticht. Entsprechend gelingt es 2011 etwas mehr als 70 % der westdeutschen Normalarbeitnehmerinnen, mit dem eigenen Ein-kommen die Armutsschwelle für den jeweiligen Haushalt zu überschreiten. Auch in Ost-deutschland steigt der entsprechende Anteil bei beiden Geschlechtern um über 10 % an. Allein bei den westdeutschen Männern zeigt sich ein leichter Rückgang, sodass 2011 nur noch 80 % der Normalarbeitnehmer den Bedarf ihres jeweiligen Haushaltes über das individuelle Erwerbseinkommen decken können.

Trotz dieser Dynamik ist das Überschreiten der Armutsgrenze in Ostdeutschland ins-gesamt und wie angenommen, in deutlich stärkerem Maße als im Westen vom Generie-ren eines Einkommensmix abhängig (H7.2). So gelingt es ca. 25 % der Haushalte erst

Abb. 8: Überwindung der Armutsgefährdung mittels verschiedener Einkünfte (Ostdeutschland). (Quelle: SOEP (1995–2011), eigene gewichtete Berechnungen)

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unter Einbeziehung von familialen Transfers und Partnereinkommen, die Armutsgrenze zu überwinden. Aufgrund der weiterhin hohen Arbeitslosigkeit und dem hohen Anteil von Alleinerziehenden ist im Osten auch die Bedeutung erwerbsbezogener Transfers, von Unterhaltszahlungen und von weiteren Erwerbseinkommen (erwachsener Kinder) von weitaus stärkerer Relevanz, um Armut zu vermeiden, als im Westen. Gleichwohl bleibt die Armutsquote in Deutschland insgesamt höher als im Westen. Dort wirken sich einer-seits der hohe Anteil von Singles, insbesondere bei den weiblichen Normalarbeitnehmern sowie anderseits die vergleichsweise hohen Gehälter der Partner „positiv“ für Frauen im NAV aus. Insgesamt sind daher in Westdeutschland weniger Haushalte von männlichen und weiblichen Normalarbeitnehmern von Armut betroffen.

Eine ähnlich angelegte Studie mit gepoolten Daten für den Zeitraum 2005–2011 (Ber-ninger und Dingeldey 2013) zeigt, dass die für Paarfamilien mit mindestens einem Kind ermittelten Armutsquoten nicht deutlich höher sind als die hier für alle Normalarbeitneh-mer ermittelten. Westdeutsche männliche Normalarbeitnehmer erzielen zwar mit Bezug zu einem entsprechenden Familienhaushalt nur zu 66 % einen armutsvermeidenden Net-tolohn. Für weibliche Normalarbeitnehmer im Westen gilt dies sogar nur für 30 %9. Fak-tisch sind jedoch beide Gruppen nur sehr selten von Armut betroffen, da das verfügbare Haushaltseinkommen durch Partnereinkommen und familienbezogene Transfers sowie auch durch andere Einkommen „aufgestockt“ und dadurch die Armutsgrenze überschrit-ten wird. In Ostdeutschland können sogar weniger als 30 % der Männer und weniger als 10 % der Frauen im Normalarbeitsverhältnis eine Paarfamilie mit Kind durch ihre individuellen Nettolöhne über die Armutsgrenze bringen. Faktisch sind jedoch selbst hier nur wenige Familien von Normalarbeitnehmern arm (ca. 5 % der Frauen und ca. 8 % der Männer), da jeweils insbesondere die Partnereinkommen, aber auch die verschiedenen Transferleistungen, dazu beitragen, die Armutsgefährdung zu überwinden. Damit bestä-tigt sich, dass die Erosion des Familienlohns bei westdeutschen Männern und das Fehlen eines solchen bei westdeutschen Frauen und in Ostdeutschland im Sinne eines im Fami-lienkontext armutsvermeidenden Individuallohns durch Partnereinkommen, aber auch durch familienbezogene und andere Transfers „kompensiert“ wird.

6 Fazit

Die eingangs implizit zu Grunde gelegte Prämisse, dass die Beschäftigung im NAV eine Position in der gesellschaftlichen Mitte gewährleistet, kann aufgrund der vorangegange-nen Analysen nur eingeschränkt bestätigt werden. Anhand der Daten bis 2011 wurde eine konstant geringe Armutsquote von Normalarbeitnehmern ermittelt. Anhand weiterer Ana-lysen zeigte sich jedoch, dass dies nur noch bedingt durch das im Normalarbeitsverhältnis erzielte Einkommen per se gewährleistet ist. Vielmehr sind in zahlreichen Haushalten von Normalarbeitnehmern, vor allem mit Kindern, nicht nur familienbezogene Trans-fers, sondern auch ein zweites Erwerbseinkommen erforderlich, um die Armutsgrenze

9 Die hier anhand der Nettolöhne für reale Familienhaushalte ermittelten Armutsrisikoquoten sind damit wie erwartet deutlich höher als die anhand der Bruttolöhne ermittelten Armutsquoten für vierköpfige Modellfamilien.

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zu überschreiten. Die in Bezug auf die niedrigen Löhne einsetzenden Kompensationsme-chanismen variieren zwischen den nach Geschlecht und Region differenzierten Gruppen von Normalarbeitnehmern. Die hier verfolgte Perspektive zeigt, dass die im deutschen Sozialmodell angelegte Trias von NAV, männlichem Ernährermodell und Familienlohn die aktuelle Entwicklung noch immer maßgeblich beeinflusst, obgleich die jeweils ein-zelnen Elemente erodieren.

Zunächst konnte dargelegt werden, dass der Anteil des NAV an der Beschäftigung zurückgeht, aber die hohe Selektivität des Zugangs zum NAV bestehen bleibt, wenn nicht gar verstärkt wird. So setzt sich die mit dem männlichen Ernährermodell in Westdeutsch-land ursprünglich verbundene Exklusion der Mütter aus dem NAV bis heute fort. Obgleich dies für ostdeutsche Frauen aufgrund anderer familienpolitischer Leitbilder in der DDR nur bedingt zutraf, ist auch hier eine Annäherung an die westdeutschen Erwerbsmuster zu beobachten.

Eine noch stärkere Selektivität zeigt die Verbindung von NAV und Familienlohn, denn diese gilt primär für männliche Normalarbeitnehmer in Westdeutschland, also die ursprünglich fokussierte Gruppe. Allein diese Gruppe erzielt nahezu durchgängig einen individuellen Bruttolohn in Höhe des Bedarfs einer vierköpfigen Familie, also einen potenziellen Familienlohn. Vor allem auf Frauen bzw. weiblich dominierte Beschäfti-gungssegmente wie auch auf den ostdeutschen Arbeitsmarkt wurde die Verbindung von NAV und Familienlohn dagegen nicht übertragen. Berücksichtigt man allein die Net-toeinkommen der jeweiligen Normalarbeitnehmer (plus familienbezogene Sozialtrans-fers), ergeben sich für diese Gruppen in ihren realen Haushaltskontexten durchaus hohe Armutsrisikoquoten. Fokussiert man allein auf Familienhaushalte (Paarhaushalt plus mindestens ein Kind) sind die entsprechenden Armutsrisikoquoten bereits extrem hoch und selbst für männliche Normalarbeitnehmer im Westen eklatant. Damit bestätigt sich, dass spätestens die seit 2000 insgesamt rückläufige Lohnentwicklung letztlich zu einer Erosion des Familienlohns auch bei dieser Gruppe beigetragen hat.

Dass die realen Armutsquoten von Normalarbeitnehmern dennoch weiterhin stabil auf niedrigem Niveau liegen, ist darauf zurückzuführen, dass diese Entwicklung auf Haus-haltsebene nach Region und Geschlecht jeweils unterschiedlich „kompensiert“ wird. Aufgrund der soziodemografischen Entwicklung nimmt die mittlere Haushaltsgröße ab und auch der finanzielle Bedarf in den Haushalten. Vor allem westdeutsche weib-liche Normalarbeitnehmer, die zum großen Teil kinderlos sind oder häufig als Singles leben, „kompensieren“ über entsprechend geringe Bedarfe ihre niedrigen Löhne. Für Ost-deutschland sticht dagegen hervor, dass hier aufgrund des niedrigeren Lohnniveaus das Zweiverdienermodell, überwiegend auf der Basis von zwei Vollzeitarbeitsverhältnissen, quasi eine Notwendigkeit darstellt, um die Armutsschwelle zu überschreiten. Wenn auch in deutlich geringerem Umfang, zeigt sich selbst für westdeutsche männliche Normal-arbeitnehmer ein im Zeitverlauf zunehmendes Angewiesensein auf das Einkommen der Partnerin. Das ergibt sich nicht zuletzt dadurch, dass diese Gruppe besonders oft in Haus-halten mit Kindern lebt und deren Bedarfe trotz steigender familienbezogener Transfers nicht voll gedeckt werden. Abschließend lässt sich damit festhalten, dass der Anschluss an die gesellschaftliche Mitte für Normalarbeitnehmer mit Kindern zunehmend ein auf der Basis des Zweiverdienermodells generiertes Familieneinkommen voraussetzt.

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693Familienlohn und Armutssicherung im Normalarbeitsverhältnis

Anhang

Tab. 2: Deskriptive Statistiken für das Jahr 2011 (Angaben in Prozent). (Quelle: SOEP 2011, eige-ne, gewichtete Berechnungen)

Ostdeutschland WestdeutschlandFrauen Männer Frauen Männer

Alter (Jahre)bis 29 10,7 8,5 12,8 8,130–44 33,7 40,2 38,0 39,145–59 52,3 45,0 45,3 46,460–64 3,3 6,3 3,9 6,4BildungNiedrig (ISCED 0–2) 2,7 4,4 9,3 10,5Mittel (ISCED 3–4) 54,0 63,7 60,3 55,9Hoch (ISCED 5–6) 43,3 31,9 30,5 33,6LebensformSingle 35,8 33,1 47,2 29,1Alleinerziehend 7,0 3,1 6,4 3,4Kinderloses Paar 39,7 38,2 38,3 35,1Familie 17,4 25,7 8,1 32,4Erwerbstätigkeit des PartnersKein Partner 42,8 36,1 53,6 32,5Vollzeit erwerbstätig 46,8 30,4 36,2 18,7Teilzeit erwerbstätig 2,3 21,0 3,3 31,9Arbeitslos 2,3 4,6 1,4 1,5Nicht erwerbstätig 5,8 7,8 5,5 15,4n 547 808 1272 2747Singles = Personen ohne Partner und ohne Kinder unter 16 Jahren im Haushalt; Alleinerziehende = Personen ohne Partner und mit mindestens einem Kind unter 16 Jahren im Haushalt; Kinderloses Paar = Personen mit Partner und ohne Kinder unter 16 Jahren im Haushalt; Familien = Personen mit Partnermit mindestens einem Kind unter 16 Jahren im Haushalt

Tab. 3: Stufen des EinkommensverteilungsprozessesStufe Relevante Einkommensarten, bedarfsgewichtet nach Haushaltsgröße1 individuelles Bruttoeinkommen aktuelles (auf den Befragungsmonat bezogenes)

imputiertes Bruttoerwerbseinkommen2 individuelles Nettoeinkommen aktuelles (auf den Befragungsmonat bezogenes)

imputiertes Nettoerwerbseinkommen3 Stufe 2 plus familienbezogene Transfers Kindergeld, Witwen- und Waisenrente,

Mutterschafts-, Erziehungs- oder Elterngeld4 Stufe 3 plus Nettoeinkommen des Partners aktuelles (auf den Befragungsmonat

bezogenes) imputiertes Nettoerwerbseinkommen5 verfügbares Haushaltseinkommen, d. h. Stufe 4 plusweitere Transfers, Erwerbs-

einkommen und sonstige Einkünfte Transfers siehe FN 16; Nettoerwerbseinkom-men weiterer Haushaltsmitglieder (auch erwachsener Kinder); sonstige Einkünfte bestehen hauptsächlich aus Unterhaltszahlungen

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694 I. Dingeldey und I. Berninger

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