UND CESUNDHEITSPOLITIK

Feierliche Verleihung derGeorg- Klem perer- Eh ren medailleKammerprdsident Jonitz: Wiederbelebung alter Tugenden

,,Aus der Vergangenheit lernen, um die Zukunft zu gestalten." Mit diesen Wortenhat Kammerpr is ident Dr. med. Gi inther Joni tz die lntension der erstmals ver l ie-henen Georg-Klemperer-Ehrenmedai l le und -nadel zusammengefasst . Die neu ge-schaffene Auszeichnung fi ir Menschen, die sich um die Patientenversorgung inBerlin und das Ansehen der Arzteschaft verdient gemacht haben, wurde an Dr. med.Thea Schirop, Andrew Herxheimer MD FRCP und Dr. med. Hans-Herbert Wegenervergeben. Namensgeber der Auszeichnung ist der Berliner Arzt, Forscher, Heraus-geber und Hochschul lehrer Professor Dr. Georg Klemperer. Anl issl ich der fe ier-f ichen Ver le ihung der Medai l le am 24. Mdrz hatten sich zahlreiche Vertreter ausMedizin, Pol i t ik , VerbHnden, Hochschulen und der Famil ie Klemperer in der Arzte-kammer Ber l in eingefunden.

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| f r f arum brauchen wir L iberhaupt, , U l f e ine Ehrenmedai l le?" - DieseFrage warf Dr. Joni tz zu Beginn desFestaktes auf, um sie sogleich zu beant-worten: , ,Zu einem vorbi ld l ichenHandeln einer Arztekammer gehort ,dass man sich Tugenden bewahrt.Dazu gehcir t d ie Tugend, Dank sagenzu kcinnen - frir besondere Verdienste,fi ir die Patientenversorgung, fLir dieArzteschaft. Es geht darum, oass man

Vorbilder schafft. Vorbilder, an denenman sich or ient ieren kann - auch inharten und modernen Zei ten. 7u denVorbi ldern z ih len der NamensgeoerGeorg Klemperer wie die drei Preistrdgerselber."Diese i rzt l ichen Tugenden sind die derbedingungslosen Zuwendung zu mPat ienten, die Neugier auf das Erkennenvon Zusammenh6ngen in der Medizin,auch medizinische Wissenschaft ge-

nannt, d ie Offenhei t , Problemen aufneuen Wegen zu begegnen sowieArzt innen und Arzte und al le. d ie um dasWohl kranker Menschen bem0ht s ind,zu fordern und am eigenen Wissen tei l -haben zu lassen. Ceorg Klemperer, ge-boren t865 als Sohn eines Rabbiners,vereinte al l d iese Tugenden in besondersvorbi ld l icher Weise (s iehe zum Lebenund Wirken Klemperers BERLINER ARZTEo3/zoo7). Er war als Arzt, als Hochschul-lehrer, als Herausgeber des Standard-lehrbuchs,,Crundr iss der k l in ischenDiagnost ik" und als Forderer neuerHerangehensweisen und Methoden sei-ner Zei t wei t voraus. Uber Jahrzehntehinweg prigte Klemperer als Chefarztund Lei ter das Krankenhaus Moabit . lndieser Zei t wurde das Krankenhaus zueinem Zentrum neuer Ansdtze in derMedizin. r935 musste er aufgrund seinerreligicisen Herkunft wie viele anderehervorragende Arztinnen und ArzteDeutschland ver lassen. r946 starb CeorgKlemoerer in den USA.

,,Die dunklen Kapitel nichtverleugnent{

Die Senator in f i i r Cesundhei t , Umweltund Verbraucherschutz, Katr in Lomp-scher, dankte der Kammer f r i r ihre In i t ia-t ive, d ie Ehrenmedai l le in Gedenken anGeorg Klemperer zu ver le ihen.

, ,Ceorg Klemperer ist noch heute einVorbild, das trdgt. Seine Wirkungsstitte,das Krankenhaus Moabit war medizin-historisch fast genauso bedeutend wiedie Charite", sagte die Senatorin undfUgte hinzu: , ,Ber l in bemiiht s ich, anseine guten Zei ten anzuknLipfen, ohnedie dunklen Kapi te l zu ver leugnen." MitCeorg Klemperer habe man einenNamensgeber gefunden, der auBeror-dentliche Eigenschaften alt 'Arzt, For-s iher und Mensch gehabt habe und zu-gleich auf eine Zei t h inweise, in derBerlin seine besten Ceister auf schdnd-liche Weise vertrieben und verfolgthabe. Am Krankenhaus Moabit sei eineneue Art Medizin entstanden, die djespezi f ischen Problemlagen einer CroB-stadt aufgegriffen habe. ,,Es war einesehr moderne medizinische Auffassung,die Ceorg Klemperer und seine Kol legen

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dort etabl ier t haben", sagte die Senato-r in.

Philosopisch und humorvollEine sehr perscinl iche Sicht auf GeorgKlemperer brachte dessen Enkel in MariaAweida aus Colorado (USA) ein, d ie einCruBwort im Namen der aus al ler Weltangereisten Famil ienmitgl ieder sprach.

Sie er innerte s ich an ihn als- e inen Menschen, der Zei t

seines Lebens sehr produk-

t iv war, der v ie l las undschr ieb und sich auch imAlter seine phi losophischeund humorvol le Sicht aufdie Welt bewahrt hat te.r a8[cn naDe LeorgKlemperer Br iefe geschr ie-ben: Maria AWeida berichte-te, dass ihr CroBvater keineHobbies gehabt habe, je-denfal ls keine nicht- intel-lektuel len Hobbies. Diesentwickelte sich erst imAlter, als Klemperer viel spa-zieren ging und in seinem Blumengartenarbei tete. Klemperers phi losophischeund humorvol le Welts icht wurde ineinem Beispiel deut l ich, von dem MariaAweida erzihl te: Georg Klemperer und

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sein Sohn Fr iedi waren in dessen al tenAuto unterwegs, das unentwegt rassel-te. Als Fr iedi deswegen die Musik lauterstel l te, konnte man nur noch dieseh6ren. Darauf sagte Ceorg Klemperer:

, ,Oh, for tschrei tendes Al ter kann durchSchcinhei t und Freude gebannt werden."Maria Aweida bedankte sich dafri l andiesem besonderen Tag ihren CroBvatermit den Gisten der Preisver le ihung tei-len zu dLlrfen.

Eine andere Art MedizinDr. med. Christian Pross (Mitbegriinderdes Berliner Zentrums frir Folteropferund Autor des Buches , ,n icht misshan-deln" r . iber das Krankenhaus Moabit)machte in seinem sehr perscinl ichenVortrag auf den enormen Ver lust anmedizinischem Wissen, Toleranz undMenschl ichkei t durch die Vertreibu ngund Verfolgung zahlreicher Arzt innenund Arzte wiihrend der NS-Regimes auf-merksam. Pross berichtete davon, wie eranf ing, s ich mit den j i id ischen Arzt innenund Arzten des Krankenhauses Moabit

seiner Recherchen die ehemal igen j i id i -schen Arzt innen und Arzte des Kranken-hauses in den USA, in Frankreich und inlsrael perscinlich aufgesucht hatte, ,,wardas eine Offenbarung f i l r mich. Die Kol le-gen, die mir dort begegneten, warentolerante, l iberale und aufgeklirte Welt-bi. irger, Resprdsentanten einer Periodeenormer geist iger, kuinst ler ischer undwissenschaft l icher und sozialrefome-rischer Kreativit it in der spdteren Kaiser-zei t und der Weimarer Republ ik. Hier kamich in Ber i ihrung mit e iner Kul tur , derersich Deutschland in einem barbar ischenAkt der Selbstzerstorung ent ledigthatte." 5o sei d iese Spurensuche fr l r ihnzu einer Suche nach Vorbi ldern f i i r e inemenschl iche und soziale Medizin ge-worden. Dabei sei er auf Georg KlempergestoBen, zu dem Pross sagte: ,,Die Be-gabung eines Chefarztes zeigt s ich inseiner Fdhigkei t , Talente um sich zusammeln, ihnen einen Rahmen zu bieten,in dem sie f re i und unorthodox denkenund ihr kreatives Potenzial entfaltenkcinnen." Das sei Ceorg Klemperer inganz ungewohnl icher Weise im Kranken-

haus Moabit a ls drzt l icherDirektor gelungen. Unterseiner Agide wurde dasHaus zu einem einzigart i -gen Zentrum und Sammel-punkt von Pionieren derWissenschaft, Vordenkernund kreat iven AuBens-sei tern.

Arzte als VorbilderPreistrigerin Dr. med. TheaSchirop wurde von LaudatorDr. med. Rudol f Fi tzner(Vorsta ndsmitgl ied derKammer) als aufrechte, be-harr l iche und engagierteStreiterin frlr irztl icheBelange geehrt . 5 ie habesich in hohem MaBe um diePat ientenversorgung inBer l in verdient gemacht.Neben der Intensivmedizin

, ,h i ingt e in groBer Tei l ihres Herzens ander Ernihrungsmedizin", sagte Fi tzner.Von 1975 bis zoor k i immerte s ie s ich alsstel lvertretende 5 rzt l iche Lei ter in umdie Ausbi ldungsbereiche Krankhei ts-

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zu beschdft igten. Er erzdhl te, dass er zuBeginn seiner drzt l ichen Tdt igkei t vonzahlreichen Arzten umgeben gewesensei , d ie mit dem NS-Regime verschr icktgewesen waren. Als er dann im Rahmen

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lehre und Erndhrungsmedlzin an derDidtschule am Kl in ikum Westend. lhremEngagement verdanke Ber l in als einesvon zwei Bundesl5ndern eine Zusatz-weiterbi ldung Erndhrungsmedizin. Sei tzoor ist s ie Vorsi tzende der Ber l inerDiabetesgesellschaft, seit zoo5 Vorsit-zende der Norddeutschen Diabetesge-sel lschaft . , ,Ein wei terer Tei l ihres Her-zens hbngt an der stdndigen Verbesse-rung der Aus-, Fort- und Weiterbi ldung",f i igte Fi tzner hinzu und hob zudem ihreVerdienste in mehreren ehrenamtl ichenGremien der Kammer hervor.

, , ln unserem Berufsbi ld Arzt hat wohlnicht mehr al les den Stel lenwert wie f r t i -her" , sagte die Ceehrte zum drzt l ichenSelbstverstdndnis: , ,0konomie undMedizin Dassen einfach nicht zusammen,Wir mi issen wieder lernen, dass derPat ient d ie erste Rol le spiel t . " Man habeauch eine Verpf l ichtung gegenL. iber denj i ingeren Kol legen, damit d iese nichtabwanderten., ,Al te Werte konnten an

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dieser Stelle wieder greifen", ergdnzteThea Schirop.

Aufdie besonderen Verdienste desDermatologen und PharmakologenAndrew Herxheimer f i i r e ine unabhdn-gige Arzneimit te l informat ion inDeutschland, GroBbri tannien und derWelt machte Professor Dr. med. WalterThimme, einer der Herausgeber des

,,Arzneimittelbriefes", aufmerksa m.

, ,Andrew Herxheimer und CeorgKlemperer hbtten sich gut verstanden",unterstr ich Professor Thimme., ,Andrewkann jeden i iberzeugen - durch seineArgumente und durch sein Ldcheln." Derin Ber l in geborene Herxheimer hattet96zin London das weltwei t erste unab-hdngige Arzneimit te l informat ionsblat t

, ,Drugs and Therapeut ics Bul let in" ge-gr i indet, das er bis r99z herausgab. SeinVater Herbert, der :95-7 den Lehrstuhl ft irlnnere Medizin mit Schwerounkt Al ler-gieforschung an der Char i te r ibernom-men hatte, brachte die ldee einer unab-

hdngigen Arzneimit te l informat ion dannnach Ber l in, wo er in den 6oer Jahrenden,,Arzneimit te lbr ief" gr i indete ( i r r -t i . iml ich hatten wir in BERLINER ARZTEo3/zoo7 berichtet, dass Herbert Herx-heimer auch das,,arznei- te legramm"gegri. indet habe. Dies ist nicht korrekt.)Die ldee, dass internat ionale Al l ianzenf i i r e ine una bhingige Arzneimit te l infor-mat ion im Sinne der Pat ienten notwen-dig seien, prdgte Andrew Herxheimerfri. ih. Zur Verbesserung der Qualit i i t dermedizinischen lnformat ionen r ief er des-halb r986 die internat ionale Gesel lschaftder unabhingigen Arzneimit te lzei t -schr i f ten ( lnternat ional Society of DrugBul let ins, lSDB) ins Leben.

Dr. Joni tz ehrte den Pathologen Dr. med.Hans-Herbert Wegener als einen un-beugsamen und couragierten Kdmpferfi jr die Rechte von Arzten. Wegenerhabe als drzt l icher Lei ter des Kranken-hauses Moabit wicht ige Weichen bei derbaul ichen und strukturel len Aufstel lung