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28 KULTUR ABENDZEITUNG SAMSTAG, 10. 6. 2017 WWW.AZ-MUENCHEN.DE Eine Frau, die sich im Kochtopf räkelt E s ist fast zehn Jahre her, dass Katy Perry „I Kissed a Girl“ gesungen hat. Das gab ein bisschen Aufregung, wow, ein Frauenkuss in der Popmusik. Doch es war ihr Durchbruch. Es dürfte seitdem kaum einen Club oder ein Fit- nessstudio auf der Welt geben, die noch nicht von Perrys stadi- ontauglichen Hits beschallt wurden. Jetzt gibt es mit ihrem neuen Album „Witness“ neue Kandidaten für sommerliche Ohrwürmer. Wer ist diese Frau? Katy Per- ry spielt in einer Liga mit Lady Gaga, Miley Cyrus und Madon- na. „Firework“, „E.T.“ und „Roar“ waren große Hits. Bei Twitter hat die 32-Jährige fast 100 Millionen Anhänger, mehr als Justin Bieber und Barack Obama. Als ihre Rivalin gilt Taylor Swift, mit der sie, wie ein Talkshow-Moderator sagte, im Clinch liegt. Musikalisch hat die Pasto- rentochter aus Kalifornien eini- ge Stile abgegrast – Gospel, Poprock, Dance. Ihre neue Sin- gle „Bon Appétit“ ist wieder Dance-Pop, dazu drehte sie ein sexy Video, in dem sie sich im Kochtopf räkelt. Auf dem Al- bum ist auch Melancholisches dabei, wie „Save As Draft“. Da denkt man an den Moment, an dem man eine gefühlvolle E-Mail nicht abschickt. Wenn man Perrys Zuckerpop mag, funktioniert diese Musik wie „Pixar“-Kinofilme für alle Al- tersgruppen. Die Erwachsenen freuen sich über die laszive und ironische Inszenierung, Kin- dern können rumhüpfen. Bei ihrem letzten Album „Prism“ (2013) hatte Katy Perry gerade die Trennung von Co- median Russell Brand hinter sich. Und jetzt? Hat sie sich wieder neu erfunden, wie es so schön heißt. Die Haare trägt sie jetzt jedenfalls blond und kurz. Zum Interview im Berliner Soho House kommt Perry mit rosa-weißem Sommerkleid und Turnschuhen. Sie ist freundlich, konzentriert, ein Profi. Wie jemand, der auf ei- ner Tour der Boss von 100 Leu- ten sein kann. Ungeschminkt erkenne sie niemand, beim Aufwachen sehe sie aus wie eine Kartoffel, erzählt sie. Und ja, sie sei ein Kontrollfreak. „Das muss ich lernen: die Zügel loszulassen“, sagt sie. Katy Perry hat im US-Wahl- kampf 2016 Hillary Clinton un- terstützt. Die Trauerphase ist für sie vorbei. Sie ist gespannt, welche Kräfte Clintons Nieder- lage freisetzt. „Sie hat einen schlafenden Riesen geweckt.“ Perry will das Handy auch mal weglegen – irgendwann demnächst Der Terroranschlag beim Konzert von Ariana Grande in Manchester habe sie „am Bo- den zerstört“. Bei Twitter schickte sie eine Trauerbot- schaft an die Welt und an „Ari“, mit der Perry befreundet ist. Perry zählt zu der Generati- on von Musikern, die ihre Kar- riere mit Hilfe der sozialen Me- dien gemacht haben. Den Al- bumtitel „Witness“ (Zeuge) er- klärt sie so: „Wir wollen alle einfach gesehen und gehört werden.“ Was sie postet, be- kommt eine gigantische Auf- merksamkeit. Viele Millionen Menschen sehen es. Perry weiß aber auch, wie süchtig das macht. „Können Sie sich die Art von Bewunderung vorstellen, die jemand wie ich bekommen kann, indem er nur einen Knopf drückt – und gleichzeitig auch den Hass? Da gibt es nicht nur Blumen, Glück, Regenbogen und Ein- hörner.“ Künftig will Perry das Handy auch mal auslassen. Gerade wäre es aber schlecht für eine Netzpause. Sie muss das Album bewerben. Abends hat Katy Perry in Berlin ein Treffen mit Fans. Die finden sie bodenständig und nahbar. Wie man die Stimme aufwärmt? Mit Olivenöl gurgeln, empfiehlt Perry bei einer Fragerunde. Ihr Leben sei ein ständiger Lernprozess. „Falls ich mal alles wisse, bin ich wahrscheinlich tot.“ Die Fans bekommen noch eine feministische Botschaft von Perry: Frauen könnten sehr wohl ihre Meinung mal ändern. Das liege dann nicht daran, dass sie gerade ihre Tage hät- ten. Caroline Bock Popstar Katy Perry prägt den Soundtrack dieses Jahrzehnts. Jetzt hat sie ein neues Album. Was hat sie zu sagen? Was gibt’s Neues? Katy Perry hat jetzt kurze Haare. Foto: dpa Rom an der Isar D ie Pfingstferien sind da und für Familien damit auch vielleicht einmal Zeit, sich etwas Außerge- wöhnlichem zu widmen. Ein gemeinsa- mer Ausflug in die imposante Ausstel- lung Michelangelos Sixtinische Kapelle ist in den Pfingstwochen deutlich günsti- ger: Im Falle von zwei Elternteilen und einem Kind ist das Familienticket bereits für 35 Euro zu haben, ab zwei Kinder wird es um fünf Euro teurer. In der Alten Bayerischen Staatsbank lassen sich die 34 farbechten Reproduk- tionen in Originalgröße der Fresken Mi- chelangelos, entstanden durch die Bilder aus dem Archiv des Wiener Staatsfoto- grafen Erich Lessing, sogar noch viel nä- her und detailreicher bewundern als in Rom selbst – und das ganz ohne Zeit- druck. „Genau das ist, was die bisherigen Be- sucher so begeistert“, sagt Aussteller Ga- briel Ioana, Geschäftsführer vom Veran- stalter Giobeau Productions. „Auch die- jenigen, die bereits unter dem echten, aber sehr hohen Deckenfresko in der Ka- pelle standen, sehen die Darstellungen hier zum ersten Mal auf Augenhöhe aus dieser Nähe.“ Die Ausstellung in der Kardinal-Faulha- ber-Straße / Ecke Prannerstraße ist täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet. Michelangelos Fresken aus der Sixtinischen Kapelle als Reproduktionen im Palais in der Alten Bayerischen Staatsbank. Foto: Api/Michael Tinnefeld Filmstar und Debütant K iefer Sutherland hat als Agent Jack Bauer in „24“ mehrfach unter großem Zeitdruck die Welt gerettet. Den Dank kann er sich jetzt im Technikum abholen. Die Halle ist sehr gut besucht, dabei ist Sutherland als Musiker ein recht unbeschriebenes Blatt. Im vergangenen Jahr hat er mit 49 sein erstes Album veröffent- licht, jetzt, mit 50, ist er erst- mals auf Europa-Tour. Und das mit klassischem Country-Rock, nicht gerade Mainstream-Mu- sik. Aber der Hollywood-Schau- spieler, der mit „24“ endgültig zum Superstar wurde, hat aus dem Stand genügend Fans für sein spätes Debüt, und manche sind schon vor dem ersten Ton euphorisiert. „Geil“, ruft die blonde Frau, als Sutherland mit Cowboyhut lässig auf die Büh- ne schlendert. Dann schiebt sie noch ein sehr langgezogenes „süüüüß“ hinterher. Aber wie- so stellt sich der Hauptdarstel- ler des Abends so bescheiden an den linken Bühnenrand? Das Rätsel lüftet sich, als Kie- fer Sutherland, der echte wohl- gemerkt, ein paar Sekunden seiner Band folgt und zum Mi- krophon in der Bühnenmitte schreitet. Dann legen er, der vom Körperbau ähnliche Gitar- rist am Bühnenrand und die anderen drei Musiker mit „Can’t Stay Away“ los. Sutherland reißt seine Akus- tikgitarre immer wieder eksta- tisch nach oben, springt aufs Schlagzeugpodest und macht klar, dass ein Musikkonzert durchaus Überschneidungen mit seinem Kerngeschäft Film hat: Showbusiness eben. Aber er übertreibt es nicht und lässt in der Folge eher die Musik sprechen: staubtrockenen, tra- ditionsbewussten Country- Rock. Gleich zu Beginn hat er ein paar schöne Eigenkompositio- nen auf Lager: „I’ll Do Any- thing“ und die atmosphärische Ballade „Not Enough Whiskey“. Die gibt seiner Tour den Namen und ist der Auftakt eines Run- ning Gags: Sutherlands Lieder handeln, so stellt er selbst im- mer wieder fest, auffällig oft vom Trinken. Na dann Prost: Sutherland hebt das Glas, und das euphorisierte Publikum reißt Hände und Plastikbecher in den Himmel. Zwischendrin hängt das Konzert ein wenig durch, denn manche von Sutherlands Songs sind musikalisch recht einfalls- los. Und seine Singstimme ist deutlich dünner als seine tiefe, raue, sonore Sprechstimme, mit der er zwischen den Songs das Publikum charmiert. Dann aber haut er rechtzeitig einen unschlagbaren Kracher raus: Tom Pettys „Honey Bee“. Seine Musiker sind zwar nicht die Heartbreakers, er selbst nicht Petty – die hohen Töne am Höhepunkt des B-Teils überlässt er sicherheitshalber seinen Gitarristen –, aber die Nummer geht trotzdem or- dentlich ab. Das ist der Auftakt eines Konzertendes, das Spaß macht: Denn die rockigen Nummern, die jetzt folgen, ste- hen Sutherland und seiner Band mit Abstand am besten. Zum Beispiel das düstere, heftige „All She Wrote“, ein Hö- hepunkt der Show. In der Zuga- be bringen Sutherland und sei- ne Band dann den Gordon Lightfoot-Song „Sundown“ richtig zum Rocken. „Knockin’ on Heaven’s Door“ im An- schluss fällt umso mehr ab: Der Song klingt so platt und schun- kelig wie fast immer. Immerhin erklärt Sutherland schlüssig, wieso er ihn spielt: Als Fünfjähriger fuhr sein Vater Donald ihn und seine Schwes- ter immer in einem extracoo- len 1965er Fer- rari in den Kin- dergarten, und dabei lief „zum Glück“ immer ein Dylan-Ton- band. Als er da- bei den be- rühmten Film seines Vaters „Mash“ er- wähnt, brandet Jubel auf. „Ich richte es ihm aus“, sagt der Sohn. Nach dieser Reminiszenz an glückliche Kind- heitstage in Hol- lywood folgt noch ein Blick in die Zukunft: mit dem neuen Song „Rebel Wind“, der auf Sutherlands nächstem Album erscheinen soll: ein schöner Rock-Radau. Die junge Schlag- zeugerin trommelt da längst nicht mehr, sondern knüppelt, das treibt die Band noch mal ordentlich voran. Dann verlässt Sutherland die Bühne, und der Jubel gilt nicht nur dem Film-Idol, sondern auch dem Musik-Debütanten. Dominik Petzold Ein Hollywood-Held im Technikum: Das Countryrock-Konzert von Kiefer Sutherland Sutherland am Dienstag in Hamburg. Foto: dpa 8A6LniQo

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28 KULTUR ABENDZEITUNG SAMSTAG, 10. 6. 2017 WWW.AZ-MUENCHEN.DE

Eine Frau, die sich im Kochtopf räkelt

E s ist fast zehn Jahre her,dass Katy Perry „I Kisseda Girl“ gesungen hat. Das

gab ein bisschen Aufregung,wow, ein Frauenkuss in derPopmusik. Doch es war ihrDurchbruch. Es dürfte seitdemkaum einen Club oder ein Fit-nessstudio auf der Welt geben,die noch nicht von Perrys stadi-ontauglichen Hits beschalltwurden. Jetzt gibt es mit ihremneuen Album „Witness“ neueKandidaten für sommerlicheOhrwürmer.

Wer ist diese Frau? Katy Per-ry spielt in einer Liga mit LadyGaga, Miley Cyrus und Madon-na. „Firework“, „E.T.“ und„Roar“ waren große Hits. BeiTwitter hat die 32-Jährige fast100 Millionen Anhänger, mehrals Justin Bieber und BarackObama. Als ihre Rivalin giltTaylor Swift, mit der sie, wieein Talkshow-Moderator sagte,im Clinch liegt.

Musikalisch hat die Pasto-rentochter aus Kalifornien eini-ge Stile abgegrast – Gospel,Poprock, Dance. Ihre neue Sin-gle „Bon Appétit“ ist wiederDance-Pop, dazu drehte sie einsexy Video, in dem sie sich imKochtopf räkelt. Auf dem Al-bum ist auch Melancholischesdabei, wie „Save As Draft“. Dadenkt man an den Moment, andem man eine gefühlvolleE-Mail nicht abschickt. Wennman Perrys Zuckerpop mag,funktioniert diese Musik wie„Pixar“-Kinofilme für alle Al-tersgruppen. Die Erwachsenenfreuen sich über die laszive undironische Inszenierung, Kin-dern können rumhüpfen.

Bei ihrem letzten Album„Prism“ (2013) hatte Katy Perrygerade die Trennung von Co-median Russell Brand hintersich. Und jetzt? Hat sie sichwieder neu erfunden, wie es soschön heißt. Die Haare trägt siejetzt jedenfalls blond und kurz.

Zum Interview im BerlinerSoho House kommt Perry mitrosa-weißem Sommerkleidund Turnschuhen. Sie istfreundlich, konzentriert, einProfi. Wie jemand, der auf ei-ner Tour der Boss von 100 Leu-

ten sein kann. Ungeschminkterkenne sie niemand, beimAufwachen sehe sie aus wieeine Kartoffel, erzählt sie. Undja, sie sei ein Kontrollfreak.„Das muss ich lernen: die Zügelloszulassen“, sagt sie.

Katy Perry hat im US-Wahl-kampf 2016 Hillary Clinton un-terstützt. Die Trauerphase istfür sie vorbei. Sie ist gespannt,welche Kräfte Clintons Nieder-lage freisetzt. „Sie hat einenschlafenden Riesen geweckt.“

Perry will das Handyauch mal weglegen –irgendwann demnächst

Der Terroranschlag beimKonzert von Ariana Grande inManchester habe sie „am Bo-den zerstört“. Bei Twitterschickte sie eine Trauerbot-schaft an die Welt und an „Ari“,mit der Perry befreundet ist.

Perry zählt zu der Generati-on von Musikern, die ihre Kar-riere mit Hilfe der sozialen Me-dien gemacht haben. Den Al-bumtitel „Witness“ (Zeuge) er-klärt sie so: „Wir wollen alleeinfach gesehen und gehört

werden.“ Was sie postet, be-kommt eine gigantische Auf-merksamkeit. Viele MillionenMenschen sehen es.

Perry weiß aber auch, wiesüchtig das macht. „Können Siesich die Art von Bewunderungvorstellen, die jemand wie ichbekommen kann, indem er nureinen Knopf drückt – undgleichzeitig auch den Hass? Dagibt es nicht nur Blumen,Glück, Regenbogen und Ein-hörner.“ Künftig will Perry dasHandy auch mal auslassen.

Gerade wäre es aber schlechtfür eine Netzpause. Sie mussdas Album bewerben. Abendshat Katy Perry in Berlin einTreffen mit Fans. Die finden siebodenständig und nahbar. Wieman die Stimme aufwärmt?Mit Olivenöl gurgeln, empfiehltPerry bei einer Fragerunde.

Ihr Leben sei ein ständigerLernprozess. „Falls ich mal alleswisse, bin ich wahrscheinlichtot.“ Die Fans bekommen nocheine feministische Botschaftvon Perry: Frauen könnten sehrwohl ihre Meinung mal ändern.Das liege dann nicht daran,dass sie gerade ihre Tage hät-ten.

Caroline Bock

Popstar Katy Perry prägtden Soundtrack diesesJahrzehnts. Jetzt hat sieein neues Album. Washat sie zu sagen?

Was gibt’s Neues? Katy Perry hat jetzt kurze Haare. Foto: dpa

Rom an der Isar

D ie Pfingstferien sind da und fürFamilien damit auch vielleichteinmal Zeit, sich etwas Außerge-

wöhnlichem zu widmen. Ein gemeinsa-mer Ausflug in die imposante Ausstel-lung Michelangelos Sixtinische Kapelleist in den Pfingstwochen deutlich günsti-ger: Im Falle von zwei Elternteilen undeinem Kind ist das Familienticket bereitsfür 35 Euro zu haben, ab zwei Kinderwird es um fünf Euro teurer.

In der Alten Bayerischen Staatsbanklassen sich die 34 farbechten Reproduk-tionen in Originalgröße der Fresken Mi-chelangelos, entstanden durch die Bilderaus dem Archiv des Wiener Staatsfoto-grafen Erich Lessing, sogar noch viel nä-her und detailreicher bewundern als inRom selbst – und das ganz ohne Zeit-druck.

„Genau das ist, was die bisherigen Be-sucher so begeistert“, sagt Aussteller Ga-briel Ioana, Geschäftsführer vom Veran-stalter Giobeau Productions. „Auch die-jenigen, die bereits unter dem echten,aber sehr hohen Deckenfresko in der Ka-pelle standen, sehen die Darstellungenhier zum ersten Mal auf Augenhöhe ausdieser Nähe.“

Die Ausstellung in der Kardinal-Faulha-ber-Straße / Ecke Prannerstraße ist täglichvon 10 bis 20 Uhr geöffnet. Michelangelos Fresken aus der Sixtinischen Kapelle als Reproduktionen im Palais in der Alten Bayerischen Staatsbank. Foto: Api/Michael Tinnefeld

Filmstar und Debütant

K iefer Sutherland hat alsAgent Jack Bauer in „24“mehrfach unter großem

Zeitdruck die Welt gerettet.Den Dank kann er sich jetzt imTechnikum abholen. Die Halleist sehr gut besucht, dabei istSutherland als Musiker einrecht unbeschriebenes Blatt.Im vergangenen Jahr hat er mit49 sein erstes Album veröffent-licht, jetzt, mit 50, ist er erst-mals auf Europa-Tour. Und dasmit klassischem Country-Rock,nicht gerade Mainstream-Mu-sik.

Aber der Hollywood-Schau-spieler, der mit „24“ endgültigzum Superstar wurde, hat ausdem Stand genügend Fans fürsein spätes Debüt, und manchesind schon vor dem ersten Toneuphorisiert. „Geil“, ruft die

blonde Frau, als Sutherland mitCowboyhut lässig auf die Büh-ne schlendert. Dann schiebt sienoch ein sehr langgezogenes„süüüüß“ hinterher. Aber wie-so stellt sich der Hauptdarstel-ler des Abends so bescheidenan den linken Bühnenrand?

Das Rätsel lüftet sich, als Kie-fer Sutherland, der echte wohl-gemerkt, ein paar Sekundenseiner Band folgt und zum Mi-krophon in der Bühnenmitteschreitet. Dann legen er, dervom Körperbau ähnliche Gitar-rist am Bühnenrand und dieanderen drei Musiker mit„Can’t Stay Away“ los.

Sutherland reißt seine Akus-tikgitarre immer wieder eksta-tisch nach oben, springt aufsSchlagzeugpodest und machtklar, dass ein Musikkonzertdurchaus Überschneidungenmit seinem Kerngeschäft Filmhat: Showbusiness eben. Aberer übertreibt es nicht und lässtin der Folge eher die Musiksprechen: staubtrockenen, tra-

ditionsbewussten Country-Rock.

Gleich zu Beginn hat er einpaar schöne Eigenkompositio-nen auf Lager: „I’ll Do Any-thing“ und die atmosphärischeBallade „Not Enough Whiskey“.Die gibt seiner Tour den Namenund ist der Auftakt eines Run-ning Gags: Sutherlands Liederhandeln, so stellt er selbst im-mer wieder fest, auffällig oftvom Trinken. Na dann Prost:Sutherland hebt das Glas, unddas euphorisierte Publikumreißt Hände und Plastikbecherin den Himmel.

Zwischendrin hängt dasKonzert ein wenig durch, dennmanche von Sutherlands Songssind musikalisch recht einfalls-los. Und seine Singstimme istdeutlich dünner als seine tiefe,raue, sonore Sprechstimme,mit der er zwischen den Songsdas Publikum charmiert.

Dann aber haut er rechtzeitigeinen unschlagbaren Kracherraus: Tom Pettys „Honey Bee“.

Seine Musiker sind zwar nichtdie Heartbreakers, er selbstnicht Petty – die hohen Töneam Höhepunkt des B-Teilsüberlässt er sicherheitshalberseinen Gitarristen –, aber dieNummer geht trotzdem or-dentlich ab. Das ist der Auftakteines Konzertendes, das Spaßmacht: Denn die rockigenNummern, die jetzt folgen, ste-hen Sutherland und seinerBand mit Abstand am besten.

Zum Beispiel das düstere,heftige „All She Wrote“, ein Hö-hepunkt der Show. In der Zuga-be bringen Sutherland und sei-ne Band dann den GordonLightfoot-Song „Sundown“richtig zum Rocken. „Knockin’on Heaven’s Door“ im An-schluss fällt umso mehr ab: DerSong klingt so platt und schun-kelig wie fast immer.

Immerhin erklärt Sutherlandschlüssig, wieso er ihn spielt:Als Fünfjähriger fuhr sein VaterDonald ihn und seine Schwes-ter immer in einem extracoo-

len 1965er Fer-rari in den Kin-dergarten, unddabei lief „zumGlück“ immerein Dylan-Ton-band. Als er da-bei den be-rühmten Filmseines Vaters„Mash“ er-wähnt, brandetJubel auf. „Ichrichte es ihmaus“, sagt derSohn.

Nach dieserReminiszenz anglückliche Kind-heitstage in Hol-lywood folgtnoch ein Blick indie Zukunft: mit dem neuenSong „Rebel Wind“, der aufSutherlands nächstem Albumerscheinen soll: ein schönerRock-Radau. Die junge Schlag-zeugerin trommelt da längstnicht mehr, sondern knüppelt,

das treibt die Band noch malordentlich voran.

Dann verlässt Sutherland dieBühne, und der Jubel gilt nichtnur dem Film-Idol, sondernauch dem Musik-Debütanten.

Dominik Petzold

Ein Hollywood-Heldim Technikum: DasCountryrock-Konzertvon Kiefer Sutherland

Sutherland am Dienstag in Hamburg. Foto: dpa

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